All the Wrong Reasons von Xynn (... are they the Right Decisions?) ================================================================================ Kapitel 6: Feiertage; Begegnung im Schnee ----------------------------------------- „Hey warte doch auf mich!“, schrie ich ihm nach. „Na los Schwesterchen, ein bisschen Sport wird dir schon nicht schaden!“, rief mein Bruder nach hinten und ich konnte mir in diesem Moment gut sein grinsendes Gesicht vorstellen. Ich rannte ihm hinterher, nicht wissend was er vorhatte, dennoch folgte ich ihm über eine endlos scheinende Landschaft. Wo war ich hier überhaupt? Abrupt blieb ich stehen und sah mich um. Ein Wind blies über die Blumenwiese, welcher einen angenehmen Duft mit sich trug. Es roch nach... Frühling. Ich schloss meine Augen und genoss den Moment. Es fühlte sich an wie Frieden, ein Gefühl der Freiheit. „Was ist los, Shae?“, hörte ich neben mir, woraufhin ich die Augen öffnete. Ryu sah mich besorgt an, was mir ein Lächeln bescherte. Dieser Dummkopf machte sich viel zu viele Sorgen. „Nichts, es ist nur so schön hier... wo sind wir eigentlich?“ „Diesen Ort habe ich letztens gefunden. Ich wusste sofort, dass er dir gefällt.“ Ryu schenkte mir einen seiner seltenen sanften Lächeln. „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht wo wir sind, aber er gefällt dir doch, oder?“ Ich ließ meinen Blick über die Landschaft schweifen. Ja es gefiel mir hier, doch nirgends konnte man einen anderen Menschen ausmachen. „Ja ist wirklich schön hier, aber... hier ist niemand.“ „Da hast du Recht, deswegen bleibe doch bitte hier. Es ist wirklich langweilig ohne dich, Shae.“ Sofort sah ich ihn wieder an und sein Gesichtsausdruck war traurig. Warum sollte ich denn auch weg von diesem wundervollen Ort? „Warum sollte ich gehen? Natürlich bleibe ich bei dir, schließlich bist du auch mein Bruder, mit dem ich bisher fast alles zusammen gemacht habe. Wenn ich doch gehe, dann können wir doch nichts mehr gemeinsam machen.“, sagte ich mit einem Lächeln. Was für einen Unsinn redete er denn? Sicher blieben wir zusammen, eine Zeit ohne ihn wäre nicht zu denken. Ryu war mein Bruder, mein Seelen verwandter, dem ich nie von der Seite weichen würde, egal was kommen würde. Als Antwort von ihm erhielt ich ein Zwicken in der Seite. „Das will ich stark hoffen.“, lachte er auf. Ja so gefiel er mir schon besser, so ein trauriges Gesicht stand ihm einfach nicht. Plötzlich fühlte ich mich entsetzlich unglücklich, weshalb ich geschockt in seine Augen sah. „Ist dir nicht gut?“ Seine Stimme war gedämpft und direkt trat er auf mich zu. Ich wusste nicht warum, aber ich begann zu weinen. Warum?! „Hey... Ist doch gut.“ Mein Bruder schloss mich in seine Arme, aber ich hörte nicht auf zu weinen. Verzweifelt griff ich sein Hemd, dabei sah ich auf. „Ryu, geh bitte nicht.“ Ich wusste nicht weshalb, doch diese Worte verließen meinen Mund. „Keine Angst, ich bin immer bei dir.“, hörte ich ihn beruhigend sagen, ehe alles schwarz wurde. Panisch schreckte Shaelyn hoch, dabei fasste sie sich an die linke Brustseite. Ihr Herz raste und hastig schnappte sie nach Luft. Völlig aufgelöst strich sie mit ihrer Hand über ihre Wange, da sie sich so nass anfühlte. Sie hatte geweint? Warum? Auf einmal zog ihr der Traum vor den Augen vorbei; Ryu... Umgehend lösten sich weitere Tränen aus ihren Augen. Wieso träumte sie das? Warum hatte es sich so real an gefühlt? Weshalb war sie nicht dort geblieben...? Ein Klingeln riss sie aus ihren Gedanken. Direkt schreckte sie hoch und starrte auf die Wohnzimmertür, nun nahm sie auch wahr, dass es bereits dämmerte. Wie lange hatte sie geschlafen? War das überhaupt wichtig? Nein... Erneut war ein Klingeln zu hören. Es schien wichtig zu sein, weshalb sollte man sonst so unnachgiebig die Klingel betätigen? Langsam und noch ziemlich durcheinander, schlurfte sie zur Tür, um den hartnäckigen Besucher zu empfangen. Ohne durch den Spion zu spähen, was sie lieber vorher hätte tun sollen, öffnete sie ihre Haustür. Sie sah natürlich Ryuzaki vor ihr stehen, in der üblichen krummen Haltung. Dieser sah sie direkt fragend an, da er sich wahrscheinlich auf ihr verweintes Gesicht keinen Reim machen konnte. „Geh einfach wieder, okay?“, sagte sie mutlos und ziemlich niedergeschlagen. Es war kein Gespräch nötig, weshalb sie gleich die Tür wieder schließen wollte. Doch schien Ryuzaki einen anderen Plan zu haben, da er umgehend eine Hand auf die Tür legte und somit verhinderte, dass sie diese schließen konnte. „Was ist vorgefallen Shaelyn.“ Seine Stimme klang nachdrücklich und auch sein Blick wirkte ernst, der ihr klar machte, dass es auch ehrlich gemeint war. „Ach geh einfach bitte... ich möchte nur meine Ruhe haben.“ „Ich werde nicht eher gehen, bevor du nicht so nett warst, mich aufzuklären.“ Forderte er sie jetzt ernsthaft auf, dass sie es ihm erzählte? Für wen hielt sich dieser Kerl eigentlich? Sie gab sich geschlagen, nein sie wollte nicht darüber diskutieren, zu nichts hatte sie Lust. Geknickt ging sie ins Wohnzimmer zurück und konnte deutlich hören, dass er ihre Wohnung betrat, da seine nackten Füße über dem Holzboden Geräusche hinterließen. Nachdem sie sich gesetzt hatte, senkte sie ihren Kopf um über alles noch einmal nachzudenken. Es war wirklich alles so real gewesen und sie wünschte sich so sehr bei ihrem Bruder sein zu können. Abermals bahnten sich Tränen über ihre Wangen. Natürlich wusste Shaelyn was dies bedeutete, doch es war ihr egal, dort gab es so viel mehr. Ganz gleich was sie bisher versuchte, so glücklich wie vor einem Monat würde sie nie wieder sein. „Ich höre.“, kam es von der Seite, doch hob sie nicht ihren Blick um in sein Gesicht zu sehen. Sollte sie es wirklich sagen? Nun was machte das schon aus, aber er war ihr fremd, zumindest für dieses empfindliche Thema. „Es... war ein Traum.“, war ihre knappe Antwort und sie wollte auch nicht weiter darauf eingehen. „Das ist gut, dass es nur ein Traum war. Warum also so deprimiert?“ Sofort riss sie ihren Kopf hoch und sah ihn verzweifelt an. „Nur ein Traum?! Ich wünschte das hier wäre der Traum und ich würde dort aufwachen!“, schrie sie ihm entgegen. Ryuzaki zuckte bei ihrer unerwarteten heftigen Reaktion kurzzeitig zusammen, dabei starrte er in ihre Augen. Doch kehrte er schnell zu seiner gewohnten ausdruckslosen Mine zurück. „Das solltest du dir noch einmal überlegen, da du nicht so leichtfertig über dein Leben sprechen solltest. Es wäre dumm die Gelegenheit nicht zu nutzen, die du bekommen hast.“, sprach er ruhig und sein Blick wirkte aufrichtig. Ihm entging nicht wie sie ihren Mund leicht öffnete und wie geschockt sie ihn anblickte. „Was verstehst du schon davon! Mein Leben ist nicht mehr dasselbe, nie mehr werde ich mich so frei fühlen!“ „Du irrst dich...“, begann er ruhig und senkte den Kopf. „Du solltest es schätzen, da du freier als viele Menschen bist. Behalte deine Erinnerungen gut bei dir und sei froh darüber, dass du so viel Zeit mit deiner Familie verbringen konntest. Jeder kann sich für einen Weg entscheiden Shaelyn, die Frage ist nur, ob du diesen wirklich gehen willst. Daher... bedenke deinen Weg gut, den du wählst. Also rede nicht leichtsinnig davon, dass du dir den Tod wünschst.“ Verblüfft über diese ernsten Worte starrte sie ihn an, nicht fähig darauf etwas zu erwidern. Eine Stille trat ein, ehe sie zögerlich den Mund öffnete. „Ich... es tut mir leid...“ Es war mehr ein Hauch, als wirklich gesprochen. „Ja das sollte dir leid tun, aber keine Sorge, solche Gedanken sind nicht ungewöhnlich, nachdem was dir passiert ist. Aus diesem Grund bin ich so nett und nehme deine Entschuldigung an. Tja und einen Keks als zusätzliche Entschuldigung würde ich nicht ablehnen.“ Ryuzaki sah auf und man konnte kurzzeitig das amüsierte in seinen Augen erkennen. Konfus über seine Worte blinzelte sie einige Male irritiert. Wie konnte er in wenigen Sekunden so in der Stimmung wechseln? Unerwartet entfuhr ihr ein auf glucksen und hielt sich die Hand vor dem Mund. Dieser Typ war wirklich einmalig. Machte er das jetzt weil er wirklich Hunger hatte, oder nur, damit sich die Lage änderte? Falls er das zweite beabsichtigt hatte, so hatte er vollen Erfolg. „In Ordnung... du hast dir einen weiteren Keks verdient.“, brachte sie mit einem belustigten Lächeln hervor, was jedoch noch ein wenig schief wirkte. „Aber diesmal bitte ohne Sahne.“ Shaelyn, die gerade zu den Keksen auf dem Tisch greifen wollte, stoppte augenblicklich, direkt wurde sie verlegen und drehte ihren Kopf zu ihm. „Das... tut mir auch leid. Ich meine, du musst ja auch nicht so gemein sein.“ „War ich das? Ich -“ „Komm hör auf damit, ich weiß, dass du es weißt.“ „Tatsächlich? Woher willst du das wissen?“ Offensichtlich konnte er sich kein Grinsen mehr nehmen lassen, was ihre Annahme aber nur bestätigte. Direkt griff sie zum Sofakissen und schlug es ihm gegen den Kopf. Ryuzaki riss geschockt die Augen auf und hielt die Arme vor dem Kopf, dabei nahm er eine noch krummere Haltung an. Entschlossen ihn für seine Unverschämtheit zu betrafen, griff sie sich ein weiteres Kissen und schlug auf ihr Opfer ein. Ein Lachen erfüllte den Raum, ja so machte es Spaß und es tat gut. Die Anspannung ließ nach, auch wenn er darunter wohl leiden musste. Ryuzaki nahm einen Arm runter und griff nach einem der Kissen, mit denen sie auf ihn einschlug. Blitzschnell bekam er es zu fassen und stoppte somit Shaelyn in ihrem weiteren unerbittlichen Schlag. Verblüfft hielt sie inne. „Lass doch das Kissen los.“ „Damit du es mir wieder gegen den Kopf schlagen kannst?“, entgegnete er direkt, mit noch immer demselben starren, welches ihr zeigte, dass er mit der ganzen Aktion nichts anzufangen wusste. Shaelyn wollte gerade ihren Mund öffnen als ein Klingeln ertönte, welches sie nicht auf Anhieb einordnen konnte. „Oh, entschuldige.“, kam es sofort von ihm und ließ das Kissen los, woraufhin er in seine Hosentasche fasste. Ein Handy kam zum Vorschein, welches sie interessiert musterte. Ryuzaki drückte auf eine der Tasten, hob es in gewohnte Manier mit den Fingerkuppen an sein Ohr und lauschte wohl interessiert dem Gesprächspartner. Sie hörte neugierig zu was alles Ryuzaki von sich gab, doch nichts ließ darauf schließen wer der ominöse Anrufer war. Also betrachtete sie aufmerksam den schwarz Haarigen vor sich. „Gut. Haben Sie vielen Dank für ihre Mühen, Watari.“ Ryuzaki wollte wohl gerade zu weiteren Worten ansetzen, da griff Shae nach dem Handy, was sie ihm direkt aus der Hand riss. „Frohe Weihnachten Großvater!“, rief sie freudig aus, unter dem entgeisterten Blick Ryuzaki's. „Die wünsche ich dir ebenfalls, Shaelyn. Würdest du mir aber bitte noch einmal Ryuzaki reichen?“ Dieser Satz enttäuschte sie ein bisschen. Warum immer Ryuzaki? Was war so wichtig an diesem Kerl? Sie verstand es nicht und das würde auch noch für eine lange Zeit so bleiben. Sein Gesichtsausdruck kehrte zur Ausdruckslosigkeit zurück, betrachtete höchstens ihre Aktion als unangebracht, jedoch wollte er ihr diesen Gruß an Watari nicht verbieten. Allerdings rechnete er nicht damit, dass sie ihm nun das Telefon direkt vor die Nase hielt, mit den Worten: „... Er will dich noch mal sprechen.“ Doch leicht überrascht, nahm er ihr das Handy wieder ab um den weiteren Worten Wataris zu lauschen. Die weiteren Informationen die er ihm noch mitteilte waren erfreulich, da alles exakt nach Plan verlaufen war, nun anders hatte er es auch nicht vermutet. Plötzlich stand Shaelyn auf, was er nun genau mit seinen Augen verfolgte, während er weiter Watari zuhörte. Kritisch betrachtete er wie sie zum Fenster ging und hinaus sah, mit einer recht unzufrieden Mimik. Ihr musste es zwangsläufig zu schaffen gemacht haben, dass Watari ihr keine weitere Beachtung hat zukommen lassen. Dieser sich nun auch höflich verabschiedete, da er alles wichtige berichtet hatte. Ryuzaki legte auf und steckte sich das Handy wieder in seine Hosentasche. „Du solltest es Watari nicht nachtragen, Shaelyn.“ „Nein?“ Eindeutig war der beleidigte Ton in ihrer Stimme zu hören und noch immer stand sie seitlich neben ihm am Fenster, mit verschränkten Armen vor der Brust. „Nein das solltest du nicht.“ Mehr sagte er dazu nicht, da es klar auf der Hand lag, dass das streng vertraulich war, weshalb er die Gründe nicht erläuterte. „Sag mal, warum wird immer so eine große Heimlichtuerei veranstaltet? Ich meine, was soll bitte so wichtig sein, dass ich es nicht einmal wissen darf. … Ihr tut so also würde ich es gleich dem nächst Besten auf die Nase binden.“ Er sagte dazu nichts, denn wollte er ihre Neugierde nicht weiter steigern, nicht zuletzt ging es mehr als nur um die Vertraulichkeit. Eine schlichte Vorsichtsmaßnahme, für jeden. Somit müsste es einen sehr guten Anlass dafür geben, das preis zu geben und wenn er recht überlegte, würde ihm keine solche Situation einfallen. „Hey, ich hab dich doch was gefragt.“ Shaelyn klang verärgert und drehte sich nun zu ihm, der sie nur weiterhin ohne Ausdruck anblickte. „Und wie du siehst, antworte ich dir nicht auf diese Frage.“, kam es nüchtern von ihm, woraufhin er ein wütendes Schnauben von ihr zu hören bekam. „Du wirst also damit leben müssen, dass ich nichts dazu sagen werde.“, setzte er noch nach, während er sich am Knie kratzte. „Niemals?“ „Niemals.“ Die Antwort folgte prompt, denn dessen war er sich sicher. Ruhe trat ein, da er sich auch nicht wirklich vorstellen konnte was er nun sagen sollte. Nun in sozialen Kontakten war er nicht sehr erfahren, das musste er sich eingestehen. „Bist du ein Geheimagent oder so was?“, durchbrach sie die Stille und setzte sich neben ihn. „Wie ich bereits sagte, dazu werde ich mich nicht äußern, Shaelyn.“ Ihr Blick war stechend als er in ihre Augen blickte. „... Ryuzaki ich glaube da ist etwas echt faul an der ganzen Sache.“ Plötzlich zog sie die Luft hörbar ein, während sie ihn geschockt ansah. „Bitte sag mir nicht hier laufen krumme Dinger! Bist du etwa ein Verbrecher?! Und... und Watari ist dein Gehilfe?!“ Verstört starrte er sie an, diese Annahme war absurd, doch wenn er genauer darüber nachdachte, musste es wirklich den Anschein erwecken. „Nein, ich kann dich beruhigen. Weder Watari noch ich sind Verbrecher.“ Nun sah sie nicht sonderlich beruhigt aus, sondern nur misstrauischer, was ihn fragend blicken ließ. „Was? Und das soll ich dir einfach so glauben? Du kannst mir doch das Blaue vom Himmel erzählen, außerdem siehst du eh nicht so vertrauenswürdig aus. Irgendwie würde das ja passen...“ Shaelyn rückte ein Stück zurück, was Ryuzaki verdutzte. Das Gesagte hatte ihn nun gekränkt. „Entgegen deiner Behauptung bin ich kein Krimineller, ebenso wenig wie Watari.“ Man konnte auch hören, dass er leicht verärgert war, da ein Krimineller einfach das Letzte war, was Ryuzaki jemals verkörpern würde. Shaelyn sah ihn weiterhin misstrauisch an, dabei schien sie zu überlegen. „Ehrlich gesagt, wäre das wirklich nicht abwegig, da ihr ja so auf Schweigen tut. Außerdem wo kommt das ganze Geld her? Und wieso seh ich dich immer nur vor dem Laptop? Und warum benutzt mein Großvater einen Decknamen? … Stopp, kann es sein, dass das auch nicht dein richtiger Name ist?“ Ihre Fragen bombardierten ihn fast, da sie schnell aufeinander folgten. Doch ein wenig überrascht blickte er sie an, an sich hatte er schon eher damit gerechnet, dass sie das einmal fragen würde. „Richtig, es ist nicht mein richtiger Name.“ Das war das Einzige was er bestätigte und die anderen Fragen einfach gekonnt ignorierte. „Darf ich nach deinem richtigen fragen?“ Neugierig geworden, sah sie ihn interessiert an. „Nein.“, kam es von ihm nachdrücklich mit einem eindeutigen Gesichtsausdruck. Wenn etwas noch unwahrscheinlicher war als seine Tätigkeit zu nennen, dann war es seinen Namen zu offenbaren. Das würde für immer sein Geheimnis bleiben. Shaelyn sah enttäuscht aus. „Aha... da darf ich nicht einmal deinen Namen wissen, wenn du mir nicht einmal dein Alter sagst. Also theoretisch dürfte ich dich auch so nennen wie ich will, weil du doch eh nicht deinen richtigen benutzt, oder?“ „... Nein.“ Das klang nun leicht genervt, was auch stimmte. Diese Unterhaltung, oder eher diese Fragerei, ging ihm zunehmenst auf die Nerven. „Wirklich nicht? Ich hätte dir den Namen Fiesling, Perversling oder Mr. X gegeben.“ Verwirrt starrte er sie an. Meinte sie das jetzt ernst? „Ja Mr. X passt jetzt wirklich gut. Oder willst du was anderes als ein X?“ Unsicher stierte er sie kurz an, da er einfach überfordert war. Weshalb verhielt sie sich nun so? „Kann auch das ganze Alphabet abklappern, bis dir ein Buchstabe zusagt, weil es ja eigentlich egal ist. Wozu also lange Namen, wenns nen Buchstabe auch tut.“ Wurde sie gerade sarkastisch? Jedenfalls hatte er dafür kein Verständnis und doch war es recht interessant, wenn man bedachte, wie nah sie nun an seinem Namen war. Jedoch ließ er sich nichts anmerken und blickte nach wie vor verständnislos. „Was ist? Du sagst ja gar nichts mehr. Sonst kannst du das kommentieren ja auch nicht lassen.“ „Verstehe bitte, dass ich dir nichts dazu sagen kann. Auch würde ich dieses Thema jetzt für sich beruhen lassen.“ „... Langweiler... Ja wo es Spaß gemacht hat, also wäre ein Mr. L wohl am besten! Da das L für Langeweile steht, da mit dir ja sonst nichts los ist.“ Unbewusst umfasste er seine Knie ein wenig mehr, doch in seinem Gesicht zeigte er keinerlei Regung. Ryuzaki wandte seinen Blick ab und starrte vor sich. Er wusste nicht was er davon halten sollte. Das alles klang nicht sehr freundlich und es kränkte ihn nur weiter, dass sie so darüber Sprach. Somit blieb Ryuzaki still, dabei wurde ihm nur bewusster, dass solche Arten von Unterredungen nicht in seiner Begabung lag. Aus diesem Grund erhob er sich aus seiner Sitzposition und wollte dieses Gespräch beenden. „Hey, was hast du vor?“, hörte er auch gleich ihre hastige Stimme. „Ich gehe.“, war seine knappe ernste Antwort. So hatte es keinen Sinn und er musste sich wirklich nicht damit beschäftigen. Ryuzaki ging um die Couch, doch verkrampfte er sich augenblicklich nachdem er am Unterarm gepackt wurde. Entsetzt fuhr er mit seinem Kopf herum und starrte sie an. Angestrengt hing sie halb über dem Sofa und hielt sich verzweifelt an seinem Shirt fest. „Bleib gefälligst hier! Okay ich habs ja nicht so gemeint. Ich meine ich bin nur ein wenig frustriert. Das sollte ich wirklich nicht an dir auslassen... Ryuzaki. Es tut mir Leid, ja? Bitte.“ Für einen Moment stand er regungslos dar und stierte sie an, bevor er mit seinen Augen ihre Hände am Arm fixierte. „Oh, ähm entschuldige!“ Direkt ließ sie los, jedoch war dies keine gute Überlegung, da sie ihr Gleichgewicht verlor und kopfüber fiel. Ryuzaki reagierte zu spät, weshalb sie hart auf dem Boden landete. Sofort hockte er sich neben sie auf dem Boden, mit sichtlich geschocktem Gesicht. „Das war nicht sehr klug von dir, Shaelyn.“, kommentierte er direkt, doch bekam er als Antwort nur ein schmerzverzerrtes Stöhnen. Langsam hob sie ihren Kopf, welchen sie festhielt. Ryuzaki betrachtete dies mit einem kritischen Blick, denn war er sich nicht sicher ob es ihr nun auch gut ging. Es war ein harter Aufprall gewesen, wobei ihr Kopf als erstes Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatte. Kopfverletzungen sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Geht es dir gut?“, fragte er nun doch leicht verunsichert, da sie noch immer nichts von sich gegeben hatte. Schwach nickte sie, während sie sich aufsetzte. Skeptisch betrachtete er dies, da es nicht den Anschein machte, dass es ihr gut gehen würde. „Geht schon,...“ Ryuzaki erhob sich direkt nach ihren schwachen Worten und hielt ihr seine Hand hin. „Du solltest dich dennoch hinlegen.“ „Ach was, geht schon.“, sprach sie als sie seine Hand ergriff und sich auf die Beine stellte. Im ersten Moment schwankte sie bedächtig, fand jedoch Halt an der Couch hinter ihr. „Du solltest es nicht herunterspielen, Shaelyn.“ Direkt als er dies gesprochen hatte, blickte sie ihn an. „Ach du machst dir zu viele Sorgen. Mir is nur was schwindlig, das ist alles.“, kam es prompt von ihr und ihr Worte ließen ihn nachdenklich stimmen. Er machte sich Sorgen? War das ihre Auffassung? Ryuzaki legte seinen Daumen an seine Unterlippe, da er das eben gesagte analysierte. Ja, er machte sich Sorgen. Doch diese waren vollkommen gerechtfertigt. Jeder hätte wohl so reagiert an seiner Stelle. Dennoch, bisher so etwas wie Sorge hatte er bislang selten verspürt, wenn er es recht überdachte. „Na hängst du schon wieder deinen Gedanken nach?“ Unvermittelt starrte er erneut in ihre Augen, die nichts verrieten. „Nein, es ist nichts.“, log er ohne eine Mine zu verziehen. Selbstverständlich beschäftigte ihn etwas, dies jedoch behielt er für sich, wie sonst auch. Misstrauisch zog sie eine Augenbraue hoch. Ja sie zweifelte wieder an die Echtheit seiner Worte und natürlich hatte sie damit Recht, nur würde er es ihr nicht sagen. „Ich lasse es einfach mal zu hinterfragen... bringt ja eh nichts.“, sprach sie auch gleich genervt, woraufhin er schwach grinste. Wenigstens hatte sie das schon begriffen. „Bleibst du jetzt hier, oder willst du doch lieber gehen?“, fragte sie, während sie sich auf das Sofa setzte. Jetzt, da sie das Thema erneut zur Sprache gebracht hatte, dachte er nach. Nun eigentlich wartete noch ein wenig Arbeit auf ihn, doch wenn sie ihn so erwartungsvoll ansah, verschob er diese Arbeit auf einen späteren Zeitpunkt, zumal man dieses Datum nicht außer Acht lassen wollte. „Ich werde noch etwas hier bleiben, das aber unter einer Bedingung.“ Sofort war ihr Ausdruck fragend. „Welche...?“, kam es doch zögerlich von ihr. Offensichtlich war sie sich nicht sicher was jetzt folgen würde. „Du stellst die Fragen bezüglich meiner Person ein und betitelst mich und Watari nicht mehr als Kriminelle.“ Resignierend seufzte sie. „Ja, in Ordnung...“ Erleichternd atmete sie die Winterluft aus, während sie ihr Kinn weiter in den weichen Schal vergrub. Der Winter hatte schon etwas magisches, musste Shaelyn immer wieder feststellen, nachdem sie ihren Blick durch den verschneiten Park gleiten ließ. Wenn sie künstlerisch begabt wäre, dann wäre es eine gute Überlegung gewesen, das gebotene Bild festzuhalten. Doch neigte sich die Sonne schon bedrohlich dem Horizont, sodass sie doch bald in ihre Wohnung zurück kehren sollte. Wie lange war sie nun durch den Park gelaufen? Es mussten Stunden gewesen sein, aber genau diesen Spaziergang hatte sie gebraucht, Ryuzaki hatte ihr wieder sämtliche Nerven gekostet. Ein seichtes Lächeln legte sich auf ihre kühlen Lippen. Ihr Großvater war sicherlich schon zurück nach Hause gekehrt, zumindest hoffte sie es. War es überhaupt möglich einen Menschen, den man zuvor noch nie gesehen hatte, so schnell in sein Herz zu schließen? Ja es war möglich, denn sie mochte ihren Großvater bereits sehr. Es war ein gutes Bauchgefühl, auch wenn sie nicht wusste welches großes Geheimnis ihn und Ryuzaki umgab, aber Watari war wirklich nett. Viele Gedanken hatte sie sich in den vergangenen Tagen gemacht und das Erlebte wiederholte sich ständig in ihrem Kopf, was ihr ein breiteres Lächeln bescherte. Man konnte sagen was man wollte, aber Ryuzaki hatte Recht, wie leider viel zu oft. Das Leben sollte sie schätzen, darüber hatte sie sich oft genug den Kopf zerbrochen. Der Tod ihrer Familie war in ein anderes Licht gerückt, noch immer war es sehr schmerzlich und der Traum ihres Bruders war ein harter Schlag, nur brachte es nichts. Das Seltsame an dieser Sache war nur, dass ihr Bruder wahrscheinlich ihr das Gleiche gesagt hätte, nein nicht mit den exakten Worten Ryuzaki's sondern eben auf seine Art. Ein kurzes Lachen entfuhr ihr, dabei strich sie sich ein paar lose Strähnen nach hinten. Nein Ryu war sehr verschieden im Vergleich zu Ryuzaki, auch wenn die Namen erschreckend ähnlich waren. Namen... natürlich hatte es Shaelyn weiter beschäftigt, was es damit auf sich hatte. Seitdem Heiligen Abend fragte sie nicht weiter Ryuzaki danach, auch wenn es ihr förmlich auf der Zunge brannte. Wahrscheinlich auch ihr Großvater würde dieses Thema für sich belassen, das war auf eine Art frustrierend. Warum wurde sie ausgeschlossen? Es war enttäuschend, dabei war doch ihr Großvater alles was sie hatte. Wie schon öfter in den letzten Tagen, kam sie zu dem Schluss, dass es besser war darüber nicht weiter nachzudenken. Doch es war nicht zu bestreiten, sie war unsicher. Ein kalter Windzug zog an ihr vorbei, woraufhin sie kurz fröstelte. Shaelyn unterband all ihre Gedanken und ging nun beschleunigten Schrittes den Parkweg entlang. „Hey! Entschuldige!“, rief plötzlich eine unbekannte Stimme hinter ihr. War Shaelyn gemeint? Verwirrt blieb sie stehen und drehte sich herum. Ein junger, und soweit man erkennen konnte unter der Mütze, blonder Mann sah sie direkt an. Leicht legte sie den Kopf schief, was wollte er denn? Dieser bückte sich, hob etwas aus dem Schnee und kam zu ihr. „Ich glaube du hast was verloren.“ Sein Lächeln war wirklich nett, stellte Shaelyn sofort fest, blickte dann jedoch auf seine Hand. Ihr Haarband! Sie hatte gar nicht in den Gedanken bemerkt, dass sie es verloren hatte. „Oh,... vielen Dank.“, flüsterte sie schon leicht verschämt und griff zaghaft nach dem Band. „Darf ich fragen wie du heißt?“ Überrascht über diese Frage zog sie eine Augenbraue hoch. „Shaelyn...“, beantwortete sie beiläufig, als sie sich das Haarband in die Umhängetasche steckte. „Schön eine Schülerin der Swanmore Privatschule zu treffen. Vor einem Jahr habe ich diese Schule auch noch besucht.“ Direkt blickte sie ihn an. „Du warst auf dieser teuren Schule? Und ach entschuldige, wie heißt du jetzt?“ Zaghaft lächelte sie ihm entgegen, er schien nett zu sein. „Alan. Und ja... ich war auf dieser teuren Schule.“ Das letzte brachte er recht verwirrt über die Lippen, was sie zum kichern brachte. „Sorry, schon gut.“, brachte sie erheitert hervor, nieste aber schon im nächsten Moment, dabei schüttelte sie sich leicht. „Ist dir kalt? Wie wäre es, ich lade dich auf einen Tee ein. Um die Ecke ist ein nettes Café.“ Eine Einladung? Zu dieser Zeit noch? „Haben die denn überhaupt auf am zweiten Weihnachtstag?“ Das konnte sie sich schlecht vorstellen, dass an diesem Tag noch jemand arbeiten würde. „Die haben auf, ich arbeite nämlich selbst dort, zwar als Nebenjob, aber ich arbeite dort.“ Erneut verwundert sah sie ihn an. Er arbeitete da? „Also, darf ich dich auf einen Tee einladen?“ Wollte sie nicht eigentlich nach Hause wegen ihrem Großvater? Ach das konnte auch warten, denn wann traf man schon so einen netten, noch dazu gut aussehenden, jungen Kerl. Da war doch sicher einen Haken an der Sache. „Was ist mit deiner Freundin, hat sie nichts dagegen, wenn du wildfremde Mädchen einlädst?“ Alan schien für einen Moment irritiert zu sein, lachte dann jedoch auf. „Wenn ich eine hätte, wäre sie bestimmt eifersüchtig auf dich.“ Das Zwinkern nach seinem Satz brachte es noch besser zum Ausdruck, dass er ihr ein Kompliment gemacht hatte, was sie leicht erröten ließ. „Okay, lass uns gehen, Alan.“ Mit einem mehr als breiten Lächeln öffnete sie die Türe zu ihrer Wohnung, was durch ihre kalten Finger gar nicht so einfach gewesen war, und betrat auch schon den Flur. Der Abend hatte ihr viel Spaß bereitet und insgeheim musste sie ja Ryuzaki danken, dass er sie heute abermals fast zum Wahnsinn getrieben hatte, denn sonst wäre sie nicht vor die Türe gegangen. Zufrieden über diese plötzliche Wendung beschloss Shaelyn direkt ihrem Großvater das Gebäck zu schenken, doch ein gähnen machte sich bemerkbar. Trotz Müdigkeit, mit einem Lächeln auf den Lippen, klingelte sie zu der späten Stunde an der Haustür, die auch schon kurz darauf geöffnet wurde. „Willkommen zurück Großvater.“ Direkt hielt sie ihm das kleine Päckchen entgegen, woraufhin sich ein freundliches Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete. „Vielen Dank, Shaelyn.“ Er nahm ihr das Päckchen ab, dabei blieb sie vor der Türe stehen. „Es ist schon sehr spät, darf ich fragen wo du dich aufgehalten hast?“, fragte der ältere Herr auch gleich, denn ein wenig Sorge war nun auf seinem Gesicht zu erkennen. „Ach ich war nur spazieren, habe die Zeit ganz vergessen... Ich wollte dir auch nur eben die Kekse geben, bin ziemlich müde.“ Von Alan wollte sie zunächst nichts erzählen, sicherlich würde es Watari nicht gefallen, dass sie sich hat so spät von einem Fremden überreden lassen. „Verstehe, dann wünsche ich dir eine angenehme Nacht, Shaelyn.“ „Danke, dir auch und... grüß mal Ryuzaki von mir.“, meinte sie mit einem kleinen Grinsen. Dieser konnte sich bestimmt keinen Reim darauf machen. Wie denn auch? Sie war frustriert abgezogen, aber er war dafür verantwortlich, dass sie Alan kennen gelernt hatte. „Ich werde es ihm ausrichten.“ Shaelyn nickte ihm zu und verschwand von der Türe, die Watari kurz darauf schloss. Der ältere Herr musste es sich eingestehen, gerne hätte er nun ein wenig Zeit mit seiner Enkelin verbracht. Doch würde er es zu gegebener Zeit nachholen und schließlich stand ihr Geburtstag kurz bevor, was eine gute Gelegenheit war. Watari betrat die Wohnstube und fand Ryuzaki in gewohnter Haltung auf dem Sessel wider, dieser ihn, so wie es schien, nicht beachtete. „Was hatte sie gesagt?“ Nun sah der schwarz Haarige doch auf, wie gewohnt ausdruckslos. „Sie hatte einen Spaziergang unternommen, wünscht Ihnen aber einen angenehmen Abend.“ Für einen Moment verwundert blickte er Watari an, ehe er seinen rechten Daumen zum Mund führte, auf den er unverzüglich kaute, während er nun den Blick senkte. „Ist etwas vorgefallen?“ „Nein, Nein. Machen Sie sich keine Gedanken, Watari. Ich fürchte nur, sie wird nicht ganz bei der Wahrheit belieben sein.“ „Wie meinen Sie das?“ Ryuzaki griff nach der Schale vor ihm und fischte einige Zuckerwürfel heraus, die er erst skeptisch musterte. „Verstehen Sie es nicht falsch Watari, aber unter normalen Umständen würde sie mir keine Grüße ausrichten lassen. Irgendetwas muss passiert sein.“ Sogleich verschwanden die Zuckerwürfel in seinem Mund. „Gut, belassen wir es dabei. Es ist mir gleich, was sie alles anstellt.“ Diese Worte entsprachen nicht ganz der Wahrheit, denn es beschäftigte ihn doch ein wenig. Dies jedoch nur aus einem neugierigen Aspekt, denn es musste einen bestimmten Anlass geben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)