Folge dem Schicksal von Harumi-chan ================================================================================ Kapitel 7: 7. Antworten ----------------------- Der Ausblick war gigantisch. Vor uns erstreckte sich ein imposantes Schloss aus grauem Stein, dessen Türme hoch in den Himmel ragten. Genauso hatte ich mir die Burgen im europäischen Mittelalter immer vorgestellt. Unter den vielen Türmen stach besonders der Hauptturm, der größte von allen, hervor. An seiner Spitze flatterte eine lange violette Fahne, auf der ein aufsteigender Drache abgebildet war. Als ich sah, dass Sesshomaru schon weitergegangen war, lief ich im schnell nach, bis ich ihn eingeholt hatte. Wir gingen nun einen schmalen Trampelpfad entlang, der zu dem hünenhaften Eisentor führte, das vor uns emporragte. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, vor allem von dem Schloss konnte ich kaum die Augen lassen. Allein der Daiyoukai zeigte bei dem Anblick keinerlei Emotion. Die Torwächter rissen schockiert die Augen auf, als sie ihn erblickten und öffneten so schnell sie konnten das metallene Tor und gewährten uns somit Einlass. Ich folgte Sesshomaru auf einen weiten Platz, in dessen Mitte ein kolossaler Springbrunnen in Form eines feuerspeienden Drachen die Umgebung zierte. Alles hier war unglaublich eindrucksvoll und imposant, und ich kam nicht umhin mich genauer umzusehen. Es herrschte reger Betrieb. Etliche Diener waren damit beschäftigt, die vielen Pflanzen und Büsche in Form zu bringen und rannten gehetzt durch die Gegend. Doch als auch sie Sesshomaru erblickten, hielten sie in ihrem Tun inne und fielen augenblicklich vor ihm auf die Knie. „Sesshomaru-sama, welch Ehre euch hier begrüßen zu dürfen.“ Ich runzelte die Stirn. Anscheinend war Jaken nicht der einzige der sich dermaßen dem Dämon fügte. Missmutig schnaubte ich. Also konnte ich mir hier schon mal keine Hilfe erhoffen. Gähnend machte es sich Cleo neben mir auf dem Boden gemütlich. Ich kniete mich zu ihr und kraulte sie ein wenig, denn auch Sesshomaru hatte nun Halt gemacht. Mit einer kurzen Handbewegung befahl er einen der Diener zu sich. Nervös wurden unter der Dienerschaft Blicke gewechselt, bis sich einer, auf den Knien rutschend, in seine Nähe wagte. „Was kann ich für euch tun, Herr?“ Der Diener blickte starr auf den Boden, und seine Haltung wirkte geradezu verkrampft. Ich wollte wirklich nicht wissen, was die Leute hier dazu bewog solch eine Reaktion hervorzubringen, hatte ich ja schon genug Erfahrung mit dieser „speziellen“ Seite des Dämons gemacht. „Unterrichte den Schlossherren von meiner Anwesenheit.“ Der Diener machte noch kurz eine Verbeugung, als Zeichen des Respekts, wobei seine Nase schon fast den Boden berührte, bevor er aufsprang und mit gebeugter Haltung und vor allem ohne Sesshomaru den Rücken zu kehren in Richtung des Schlosses eilte. Nun wandte sich der Hundedämon mir zu: „Steh auf.“ Zögernd tat ich wie geheißen. „Wenn Koroshi vor uns steht hast du dich zu verbeugen. Du sprichst nur wenn du gefragt wirst. Ich nehme nicht an, dass dir die Etikette bekannt ist, also mach mir keine Schande.“ Stumm sah ich ihn an, ein wenig empört, machte mir diesmal aber nicht die Mühe etwas darauf zu erwidern. Wenn dieser feine Schlossherr unserem gefühlslosen Dämon auch nur in kleinster Weise ähnlich war,… Plötzlich wurde das Schlosstor aufgerissen. Freudestrahlend kam uns ein schlanker, in feines Gewand gekleideter Dämon entgegen. An seinem Rücken waren sehnige Schwingen zusammengefaltet, die denen der Drachenstatue bis ins kleinlichste Detail ähnelten, was mich zu der Vermutung führte, dass es sich hierbei um einen Drachendämon handelte. Keine besonders schwere Schlussfolgerung. Jetzt machten auch die unzähligen Drachenstatuen, die ich nach und nach entdecken konnte, einen Sinn. Wahrscheinlich eine Art Verherrlichung seiner Rasse. Die schulterlangen, schwarzen Haare des Schlossherrn waren hinten im Nacken streng zusammengebunden, trotzdem wehten ein paar vereinzelte Strähnen eifrig im Wind. Im Großen und Ganzen machte er, zu meiner eigenen Verwunderung, einen überaus sympathischen Eindruck – wenn man das über Dämonen sagen konnte. Koroshi hatte einladend die Arme ausgestreckt, wie für eine Umarmung, und kam mit schnellen Schritten auf Sesshomaru zu. Bei diesem angekommen, senkte er jedoch seine Arme und klopfte dem Hundedämon freundschaftlich auf die Schulter. Sesshomaru reagierte einfach gar nicht, was mich doch ein wenig wunderte. „Sesshomaru, altes Haus! Was verschafft mir die Ehre dich in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen?“ Im Gegensatz zu Sesshomarus fiel meine Reaktion alles andere als zurückhaltend aus: mir klappte der Mund auf – und so sah ich bestimmt nicht gerade intelligent aus. Dass Sesshomaru so eine Person kannte UND sie akzeptierte, kam mir mehr als suspekt vor. Er fiel Koroshi zwar nicht freudestrahlend in die Arme, trotzdem konnte ich eine tiefe Verbundenheit zwischen ihnen erkennen. Da war ein gewisses Aufblitzen in Sesshomarus Augen, das sonst nicht da war. Gerade wollte er dem Schlossherrn antworten, als dessen Blick auf mich fiel. „Oh Sesshomaru, hast du deine Gefährtin mitgebracht? Ich wusste immer schon, dass du ganz nach deinem Vater kommst, was die Vorliebe an Frauen betrifft.“ Mit einem breiten Grinsen kam er auf mich zu, Cleo umgehend, und bevor ich das Missverständnis aufklären konnte, fand ich mich in einer festen Umarmung wieder, die mir beinahe den Atem nahm. Ich, nun mit der Situation völlig überfordert, erwiderte die Geste unbeholfen. „Sie ist meine Dienerin.“, widersprach Sesshomaru sofort und funkelte mich warnend an, jeden Protest sofort im Keim erstickend. Doch Koroshi behielt seine Fröhlichkeit bei und setzte nur ein „Schade“ an. Plötzlich hielt er inne und wandte sich wieder mir zu. Ich zuckte unter seinem fixierenden Blick zusammen und konnte nicht verhindern diesem ein wenig auszuweichen. Ich konnte diesen nicht deuten, es war Neugier und Spannung, gemischt mit… Trauer? Er kam wieder näher und begann leicht an mir zu schnuppern, was ihm einen unsicheren Blick meinerseits einbrachte. Jedoch traute ich mich nicht mich dagegen zu wehren. Koroshi wandte sich fragend an Sesshomaru: „Dieser Geruch… Sie ist eine…“, wurde von diesem aber mitten im Satz unterbrochen. „Nicht hier.“ Der Schlossherr sah noch kurz zu mir und nickte dann zustimmend in Sesshomarus Richtung. Mit einer einfachen Geste deutete er uns ihm zu folgen. Während wir auf das Schloss zugingen konnte ich nicht verhindern Koroshis Rücken anzustarren. Was sollte das gerade und was hatte er gemeint? Ratlos sah ich zu Sesshomaru auf, der meinen Blick jedoch schlicht ignorierte. Wir betraten nun das Schloss durch das riesige Portal und ich wurde wieder von der Imposanz eingenommen. Es war zwar recht einfach gehalten, also nicht etwa so protzig wie es im Barock üblich gewesen war, doch gerade diese Einfachheit strahlte eine immense Dominanz aus. Die Wände bestanden aus grauem Stein und alle paar Meter hing ein gold-metallener Kronleuchter von der Decke, der den dunklen Gang in ein schummriges Licht tauchte. Hier waren noch keine Fenster, stattdessen bestückten eindrucksvolle Gemälde unzähliger Adeliger die Wände. Nachdem wir durch etliche Gänge, die sich nicht besonders voneinander unterschieden, gewandert waren, ging Sesshomaru mit einem Mal zielsicher auf eine gewaltige hölzerne Flügeltür zu, bereit sofort einzutreten, wurde aber von Koroshi aufgehalten. „Mein Freund, ich denke deine kleine Dienerin ist äußerst erschöpft. Wir sollten unsere Unterredung auf morgen verschieben.“ Erst jetzt, da Koroshi es erwähnt hatte, fiel mir meine Müdigkeit auf. Auch meine Beine hatten schon bessere Tage gesehen. Wie zur Bestätigung gähnte Cleo neben mir herzhaft auf. Mit zusammengekniffenen Augen sah mich Sesshomaru an, und ich zuckte unter dem starrenden Blick zusammen. „Du machst nur Umstände“ schien er damit sagen zu wollen. Gleichgültig wandte er sich Koroshi zu: „Wir brauchen sie nicht dabei.“ Doch der Schlossherr schüttelte den Kopf. „Natürlich muss sie dabei sein, es geht schließlich um sie und ihre Herkunft. Wir wollen ja nicht unhöflich sein, mein Freund.“ Wütend stampfte ich mit dem Fuß auf. „Hallo? Ich bin hier, könnt ihr aufhören ständig in der 3. Person von mir zu sprechen?!“ Das brachte mir zwar wütende Blicke seitens Sesshomaru ein, doch ich strich mir nur gehetzt ein paar Strähnen aus dem Gesicht, bevor ich weiter redete. „Könnte mir jetzt irgendwer sagen was das Ganze soll?“ Koroshi hatte meinen kleinen Ausbruch mit gemischten Gefühlen beobachtet, verwundert aber auch belustigt. Nun lächelte er mich wieder an: „Alles zu seiner Zeit, meine Liebe.“ Er deutete auf eine Tür rechts von uns. „Das ist dein Gemach. Sesshomarus ist ein paar Türen weiter.“ Schließlich wünschte er uns noch einen erholsamen Schlaf, ging weiter den Gang entlang und ließ Sesshomaru und mich verdutzt allein zurück, Cleo natürlich inbegriffen. Kurz sah ich zu dem Hundedämon auf, um im nächsten Moment schleunigst in meinen Raum zu schlüpfen – Cleo voran - um seinen zornigen Blicken zu entgehen. Mann, war der sauer! Kurz lauschte ich noch seinen sich langsam entfernenden Schritten, um dann erleichtert an der Tür herunterzusinken. Ich atmete tief durch und legte dann meinen Kopf auf die Knie. Gedankenversunken kraulte ich gleichzeitig Cleo, die sich neben mir niedergelassen hatte. Irgendetwas ging hier vor sich, doch ich blickte kein bisschen durch. Die Ereignisse hatten sich so schnell überschlagen, dass ich irgendwann den Faden verloren hatte und mir der Durchblick völlig fehlte. Kaum war ich einigermaßen über diese ganze Dämonengeschichte hinweg, da wurde ich schon mit dem nächsten Ereignis bombardiert. Was sollte dieser plötzliche Wirbel um mich? Was wollten die alle von mir? Das alles war mir nicht im Geringsten geheuer. Niedergeschlagen seufzte ich und stand mühselig auf. Ich blickte mich in dem großen hellen Zimmer um – am Bett blieb mein Blick hängen. An diesem großen traumhaften Himmelbett. Wahrscheinlich hätte mir in diesem Moment selbst eine Matte genügt, doch man nahm, was man kriegte, oder? Ich ließ mich so wie ich war darauf fallen und kuschelte mich in die weichen Decken und im nächsten Augenblick war ich eingeschlafen. --o^o-- Sonnenlicht kitzelte meine Nase und ich blinzelte. Ich brauchte eine Weile um mich orientieren zu können und nach meiner Erkenntnis presste ich brummend das Kissen gegens Gesicht. Am liebsten würde ich für immer liegen bleiben und schlafen… Der Duft von frischem Gebäck stieg mir in die Nase und ich war schlagartig wach. Ich richtete mich auf. Auf einem runden Mahagonitisch am Fenster war ein großes silbernes Tablett angerichtet, das durch das Sonnenlicht hell aufglänzte. Ein wenig wunderte ich mich schon, dass ich niemanden hereinkommen gehört hatte, zuckte dann aber mit den Schultern. Hastig schlüpfte ich aus dem Bett und stürzte mich geradezu auf das Croissant, das mir als erstes ins Auge gesprungen war. Genüsslich biss ich hinein und eine kurze Zufriedenheit erfüllte mich. Ich bediente mich noch an den anderen Köstlichkeiten, die da für mich bereitstanden, bis mein Magen fast platzte. Völlig satt lehnte ich mich zurück, nachdem ich mich versichert hatte, dass auch Cleo nicht leer ausgegangen war, und schloss die Augen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Vor Schreck wäre ich beinahe vom Sessel gefallen! „Mach dich fertig. Auf dem Nachttisch wurde ein Yukata für dich bereitgelegt.“ Mehr hatte Sesshomaru – wer sonst – nicht zu sagen, denn er schloss augenblicklich die Tür hinter sich, bevor ich auch nur ein Wort herausgebracht hatte. Ich legte mir die Hand auf mein klopfendes Herz. Puh, hatte ich mich erschrocken, der hatte vielleicht eine Art… Sesshomarus Worte realisierend sah ich zum Nachttisch, wo sich tatsächlich der eben erwähnte Yukata befand – ich nahm zumindest an dass es sich um einen handelte. Vorsichtig breitete ich ihn auf dem Bett aus, den glatten Stoff sachte berührend. Gespannt lächelte ich vor mich hin – ich wollte immer schon mal einen Yukata anprobieren! Jetzt stand ich jedoch vor einem Problem: Wie zog man sich solch ein Kleidungsstück an? Ratlos starrte ich den Yukata an und hielt ihn ein wenig von meinem Körper weg. Letztendlich beschloss ich es einfach zu versuchen, frei nach dem Motto „Selbst ist die Frau!“ und stellte mich vor den langen Spiegel, der neben dem Bett stand. Nun gesellte sich auch Cleo zu mir, die gähnend beschlossen hatte, mich bei meinem Vorhaben zu beobachten. Ich warf mir den Yukata über die Schultern und schlüpfte durch die Ärmel. Unbeholfen versuchte ich nun die beiden Enden wie einen Bademantel um den Körper zu wickeln, wobei ich beide Hände benötigte um diese zusammenzuhalten. Schon so sah es seltsam aus, aber wie sollte ich jetzt den Obi umwickeln? Also versuchte ich die beiden Enden nur mit einer Hand zu halten und den Obi mit der anderen umzubinden, was viele Verrenkungen mit sich brachte. Schließlich hatte ich auch das geschafft und besah mir das Endergebnis im Spiegel. Missmutig starrte ich auf mein Abbild. Also das sah nun wirklich bescheuert aus. Erst jetzt fiel mir auf, dass scheinbar noch ein paar Teile zum Yukata dazugehörten. Ein schlichtes und dünnes weißes Gewand und eine brettartiges Etwas, wo das hingehörte konnte ich nun wirklich nicht sagen. Völlig überfordert löste ich das Ganze wieder, bereit für einen Neustart, als aufeinmal die Zimmertür aufgerissen wurde und mit einem Mal Sesshomaru mitten im Raum stand. Missbilligend sah er mich an. Kurz erwiderte ich seinen Blick, ehe ich vor Scham rot anlief und mit einem Quietschen hinter einem der Bettpfosten huschte – kein gerade vorteilreiches Versteck. Gott, war das peinlich! Vorsichtig lugte ich hinter dem Bettpfosten hervor, was Sesshomaru nur eine Augenbraue heben ließ. „Keine Sorge, Weib. Ich bin in keinster Weise an deinem Körper interessiert.“ Als ob es darauf ankommen würde! Immer noch machte ich keine Anstalten hinter meinem provisorischen Versteck hervorzukommen. Und da entschied Sesshomaru für mich. Von einem Moment auf den anderen stand er plötzlich vor mir und zog mich ruckartig vor den Spiegel. „Ich habe nicht vor den restlichen Tag auf dich zu warten. An deine lächerlich überbewerteten Bedürfnisse haben wir schon genug Zeit verschwendet.“ Er drehte mich so zum Spiegel, dass ich erkennen konnte, wie er sich hinter mich stellte. „Ich mache das nur ein einziges Mal.“ Ruckartig zog er mir den Yukata aus, was mich reflexartig die Arme um meinen Körper schlingen ließ. Ich wurde nur noch röter, stand ich jetzt nur noch in Unterwäsche vor ihm. Doch er ließ sich nicht beirren und hielt mir nun das weiße Gewand hin, das ich jetzt als Untergewand identifizieren konnte. Schnell schlupfte ich hinein und er band es mir geschwind zu. Nun warf er mir den Yukata über und deutete mir in die Ärmel zu schlüpfen. Mit geschickten Händen zog er die beiden Enden vorne straff zusammen und ehe ich mich versah hatte er mir schon den Obi umgewickelt. Er zog vorne den Stoff noch etwas straffer, darauf bedacht keine Falten zu hinterlassen, was mich ein wenig zappeln ließ. Diese Nähe zu ihm, auf so „friedliche“ Weise war mir nicht geheuer. Nun nahm er dieses hölzerne Ding zur Hand und platzierte es genau bei meiner Taille, dort wo auch der Obi gebunden war. Und jetzt verstand ich, es sollte das Ganze zusätzlich stützen! Er zog mir den Yukata mit so einer Selbstverständlichkeit an, als würde er sowas alltäglich machen. Bewundernd besah ich mein Spiegelbild, ehe ich ein leises „Danke“ an Sesshomaru richtete. Dieser aber ignorierte dies völlig und drehte sich schwungartig um. Doch bevor wir das Zimmer verlassen konnten, richtete er unerwartet das Wort an mich: „Im Übrigen solltest du dich baden. Du stinkst. “ Mit diesen Worten ging er voraus und ließ mich verdutzt und mit offenem Mund stehen. Ich brauchte einen Moment das Gesagte auf mich einwirken zu lassen, um im nächsten Moment empört die Luft einzusaugen. Stampfend ging ich ihm nach, Cleo schwanzwedelnd mir hinterher. Doch es war nicht leicht mit ihm Schritt zu halten, und so joggte ich eher, die argwöhnischen Blicke der Dienerschaft ignorierend. Wir kamen bis zu der Flügeltür von gestern, die – kaum standen wir davor – mit einem langgezogenen Quietschen geöffnet wurde. Der Hundedämon betrat sogleich den Raum, ich jedoch zögerte noch einen Augenblick. Die Angst vor dem Ungewissen lähmte mich geradezu. Doch ich wollte auf jeden Fall Antworten, also biss ich die Zähne zusammen und folgte Sesshomaru, immer noch ein wenig zögerlich. In der Mitte des Raumes stand ein langer Tisch, aus glatt geschliffenem Holz, reich dekoriert, an dessen Kopfende uns bereits Koroshi lächelnd erwartete. Sesshomaru nahm sofort neben ihm Platz, ich blieb unschlüssig stehen. Durfte ich überhaupt an der großen Tafel Platz nehmen? Immerhin hatte mich Sesshomaru als seine Dienerin vorgestellt. Aber den Schlossherrn schien das keineswegs zu stören. „Setz dich doch. Ich hoffe du hast gut geschlafen.“, lächelte er mich an und deutete auf den anderen Platz neben ihm, Sesshomaru gegenüber. Unsicher nickte ich auf seine Frage hin bezogen und folgte seiner Bitte, den Blicken des Hundedämons auf mir deutlich bewusst. „Nun gut, Sesshomaru, was genau ist denn jetzt der Grund für deinen plötzlichen Besuch? Immerhin komme ich nicht oft zu dieser Ehre.“ Bei letzterem schmunzelte der Schlossherr. Sesshomaru jedoch behielt seine ernste Miene bei: „Es geht um Saigo, du erinnerst dich doch bestimmt noch an ihn.“ Kaum war der Name gefallen, hatte sich Koroshis Stimmung schlagartig verfinstert. Seine Augen blitzten kurz rot auf. „Als ob ich dieses Schwein je vergessen könnte.“ Seine Hände verkrampften sich, verbogen den metallenen Becher, den er in der Hand hielt. Verwundert blickte ich ihn an. So wütend hätte ich ihn mir nie ausmalen können bei seiner freundlichen Natur. Sesshomaru fuhr fort: „Ich hatte kurz vor unserer Grenze ein kurzes Aufeinandertreffen mit ihm.“ Koroshi hämmerte mit der Faust auf den Tisch, der unter dieser Kraft erzitterte. Seine Stimme war fast nur noch ein Knurren: „Wie kann er es wagen, sich meinen Befehlen zu widersetzen?! Bei einer Verbannung ist ihm sogar der Aufenthalt in der Nähe der Grenzen dieses Landes untersagt!“ Er war völlig außer sich. Ich wich ein wenig in meinem Sessel zurück. Mit so einem Ausbruch hatte ich bei Gott nicht gerechnet. Der Hundedämon ließ sich nicht davon beirren: „Er wollte das Blut des Menschen.“ Schock war nun auf Koroshis Gesicht zu lesen und die Blicke der beiden Dämonen waren jetzt auf mich gerichtet. Verblüfft sah ich die beiden an: „Auszeit, Auszeit!“, rief ich und formte ein „T“ mit den Händen. „Ich versteh hier nur Bahnhof, verdammt nochmal! Könntet ihr mich bitte aufklären, bevor ihr mich wie einen Affen im Käfig anstarrt?!“ Koroshi sah mich kurz verwirrt an, bevor er sich an Sesshomaru wendete. „Weiß sie nichts von ihrer Herkunft?“ Der Inuyoukai schüttelte nur leicht den Kopf. Ernst sah mich der Schlossherr nun an. „Rina, du bist eine Seishin.“ Hä?! Perplex sah ich ihn an und mir fiel nicht mal auf, dass er mich soeben beim Namen genannt hatte. „Bitte was bin ich?“ „Eine Seishin. Man könnte es mit Fruchtbarkeitsgöttin übersetzen, das ist aber schon ziemlich veraltet und sehr weit her geholt, du bist jetzt keine Gottheit oder dergleichen. Aber das Zeichen auf deiner Brust und dein Geruch beweisen das du anders bist.“ Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an. „Das ist nur ein Muttermal! Absolut nichts Besonderes!“ Koroshi schenkte meinen Worten keine Beachtung. „Vor vielen Jahrhunderten entdeckte man Menschenfrauen, die in der Lage waren vollwertige Kinder eines Dämons zu gebären. Sie galten als überaus fruchtbar und wurden deshalb häufig als Gefährtinnen auserkoren, vor allem bei adligen Dämonen, da so ein Nachkomme garantiert wurde. Sie galten außerdem als heilig, hatten aber den gleichen Stand wie Dämonen.“ An dieser Stelle schnaubte Sesshomaru abfällig, wobei ich ihm einen müden Blick schenkte. „Aber warum wollte Saigo dann mein Blut trinken?“ Allein der Gedanke ließ mich erzittern. Sogleich beantwortete der Drachenyoukai meine Frage mit ernstem Gesicht: „Das Blut einer Seishin wirkt kurierend und kräftigend und kann ab einer bestimmten Dosis zu ungehöriger Macht führen. Aus diesem Grund waren sie unter den Dämonen sehr wertvoll. Heutzutage sind sie sehr rar. Um genau zu sein, weiß man von keinen Lebenden, dich ausgenommen.“ Verstört blickte ich ihn an. Und ich sollte so eine Seishin sein? Ich konnte mir das wirklich nicht vorstellen. Geistesabwesend strich ich über die Stelle, wo sich mein Muttermal befand, bevor ich die nächste Frage stellte: „Wieso sind sie heute so selten? Gibt es einen Grund dafür?“ Seine Augen verdunkelten sich plötzlich. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Den Blick an die Decke gerichtet antwortete er: „Ja den gibt es durchaus.“ Kurz atmete er tief ein und wieder aus, für einen Seufzer aber zu heftig. „Sie wurden nach einer Zeit von beiden Seiten nicht mehr akzeptiert, vielen Dämonen gefiel es nicht, dass sie ihnen gleichgestellt wurden, und die Menschen fürchteten sich vor ihnen, beschuldigten sie, Ausgeburten des Teufels zu sein.“ Angewidert schüttelte er den Kopf. „Darum lebten sie abseits der Gesellschaft in großen Gruppen und wurden von den Menschen wie Aussätzige behandelt. Ihnen wurde untersagt mit Ihresgleichen zu leben, denn das waren sie ja. Einfache Menschen, nur mit besonderen Eigenschaften. Mit Mikos zu vergleichen, nur ohne wirkende Kräfte.“ Sein Blick traf nun meinen: „Sie wurden als Hexen verbrannt. Eine nach der anderen.“ Mit dem hatte ich bei weitem nicht gerechnet. Bestürzt sah ich ihn an. Koroshi schien das jedoch mehr mitzunehmen als mich, denn er hatte den Blick geistesabwesend aus dem Fenster gerichtet, eine Trauer, die ich mir nicht erklären konnte, zeichnete sein Gesicht. Sesshomaru allerdings unterbrach die Stille, und ich konnte nicht verhindern empört dreinzusehen. „Was gedenkst du nun gegen Saigo zu unternehmen? Er muss unter Kontrolle gebracht werden.“ Der Drachendämon schreckte kurz auf und widmete dann dem anderen wieder seine Aufmerksamkeit. Kurz schien er zu überlegen, wobei er seine Hand ans Kinn legte. Schließlich blickte er Sesshomaru in die Augen: „Ich kann das Schloss nicht verlassen. Das Band mit dem Herrscher des Ostens muss erneuert werden und er hat meine stärksten Krieger als Eskorte gefordert.“ Kurz setzte er eine Pause an und kam für einen Moment ins Grübeln, ehe fortfuhr und Sesshomaru eine Hand auf die Schulter legte. „Ich weiß es ist eine egoistische Bitte, mir sind jedoch die Hände gebunden. Würdest du dich an meiner statt um Saigo kümmern? Du bist der einzige dem ich hinsichtlich dieses Auftrags vertraue.“ Ich blickte von ihm zu Sesshomaru und wartete gespannt dessen Antwort ab. Der Hundedämon sah Koroshi stumm an, sein Gesicht zeigte nicht die geringste Regung. Plötzlich stand er auf. „Ich werde ihn beseitigen.“ Mit diesen Worten verließ er mit schnellen Schritten den Saal, mich völlig fassungslos zurücklassend. Ließ er mich jetzt allein hier zurück? Ruckartig stand ich auf, nicht genau wissen, was ich mit mir anfangen sollte. Koroshi schien meine Verzweiflung aufgefallen zu sein und beruhigte mich sogleich: „Er ist auf dem Weg zu seinen Gemächern. Selbst er gönnt sich ab und zu etwas Ruhe. So wie ich ihn kenne, werdet ihr morgen Früh aufbrechen.“ Sesshomaru und ausruhen? Ein grotesker Gedanke… Koroshi fing auf einmal an seine Nase zu rümpfen. Verwundert sah ich ihn an, wobei er entschuldigend meinem Blick begegnete. „Ich glaube es ist das Beste, ich zeige dir das Bad.“ Verdattert blickte ich zu ihm auf. Fing er jetzt auch damit an? Ich verzog die Augenbrauen. „Ist es wirklich so schlimm?“ Probehalber roch ich an mir. Doch so schlimm wie die beiden Dämonen behaupteten war es wirklich nicht. Koroshi fing an zu lachen. „Du scheinst nicht viel über Dämonen zu wissen. Du kommst nicht aus dieser Gegend, oder?“ Verneinend schüttelte ich den Kopf. Nicht aus dieser Gegend? Er hatte ja keine Ahnung… „Hatte ich mir schon gedacht. Also, Dämonen besitzen einen sehr ausgeprägten Geruchssinn. Manche stärker, manche weniger stark, doch dem Menschen weitaus überlegen. Das betrifft so ziemlich alle unserer Sinne. Du brauchst dich also nicht zu wundern.“ Ich brachte nur ein „Ach so“ heraus. Wieder lachte er und klopfte mir freundschaftlich aber vor allem kräftig auf die Schulter. Es war zwar nett gemeint, doch durch die Wucht stolperte ich ein wenig nach vorn. Er kicherte kurz auf. „Und dass du Sesshomarus Dienerin bist, glaube ich mit Sicherheit nicht.“ Erstarrt hielt ich inne. „Woher wisst Ihr das?“ Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Seine Dienerschaft behandelt er anders. Und er nimmt keine menschlichen Diener auf seine Reisen mit.“ Inwiefern er sie anders behandelte, wollte ich lieber nicht wissen. Mit einem Mal fiel mir etwas ein. „Koroshi-sama“ fing ich an, wurde aber lächelnd von ihm unterbrochen: „Nenn mich Koroshi-san. Das ist mir lieber, Rina-chan.“ Meine Wangen röteten sich ein wenig bei der verniedlichenden Anrede. „Also gut, Koroshi-san. Als wir von Saigo angegriffen wurden, und er mich gepackt hatte, war Sesshomaru in der Lage sich mit Cleo durch einfachen Augenkontakt zu verständigen. Woran liegt das?“ Kurz nickte Koroshi. „Inuyoukais wie Sesshomaru sind in der Lage sich mit Hunden zu verständigen, so wie ich in der Lage bin mich mit Drachen zu verständigen. Deine Hündin ist Sesshomaru sozusagen untergeordnet. Er ist schließlich der Herr der Hunde.“ Irgendwie gefiel mir das ganz und gar nicht. Wenn das so war, wollte ich Cleo lieber nicht in seiner Nähe wissen. Immer noch lächelnd erhob sich Koroshi. „Und jetzt zeige ich dir das Badezimmer.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)