Mitternachtsserenade von abgemeldet (Wichtel-FF für dancing-drama) ================================================================================ Kapitel 1: Mitternachtsserenade ------------------------------- Hallo liebe Leser! Hier spricht die Autorin in persona. Ich möchte alle, die das Genre Darkfiction nicht vertragen, bitten, sofort diese Geschichte zu schließen und lieber eine andere Story zu lesen. Ich kann nur darauf hinweisen, dass ich hier mal meine Humorzentrale ausgeschaltet und bewusst die dunkle Seite meines Schreibstiles herausgekehrt habe. Dies alles geschah meinem Wichtelkind zu Liebe, denn das hier ist mein Beitrag zur sechsten Wichtelaktion der Durchgeknallten FF-Autoren (Bilderwichteln zur Narrenzeit). Der Vorrede wäre jetzt damit Genüge getan. Jetzt geht es auch schon endlich los mit: Mitternachtsserenade „DU willst mir also sagen, dass ich, obwohl ich jetzt alle Komponenten für den Zauber zusammen habe, um sie endgültig zu vernichten, es nicht tun soll?!“ Niové fuhr auf dem Absatz herum und sah dem Hexenmeister in die Blutunterlaufenen Augen. Ihr schwarzes Haar peitschte durch die Luft wie die Enden einer neunschwänzigen Katze. Der Hexer schluckte, die Angst vor seiner Herrin stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Alle Anwesenden hielten hörbar die Luft an, als er stotternd zu einer Antwort ansetzte: „Seht ihr, euer Finsterkeit... Ich meine... also... die… eure Untergebenen... sie...“ Deutlich gereizt hob Niové die rechte Augenbraue: „JA?“ Erneut nahm der Mann all seinen Mut zusammen, um zu antworten. „Tama...“ Bevor er jedoch den Namen der ärgsten Rivalin seiner Herrin aussprechen konnte, brachte ihn ein einziger eiskalt glühender Blick der Schwarzhaarigen dazu eine andere Formulierung zu suchen, wohl wissend, dass auch sein nächster Satz ihr alles andere als gefallen würde. „Sie ist eine Art Ikone für das Volk geworden und wenn ihr jetzt in den um sie herum errichteten Schrein geht und sie tötet, könnte sich ein Lynchmob bilden, der sich gegen euch wendet, Gebieterin.“ Niovés Stimme donnerte in einer gewaltigen Explosion durch den Raum und lies ihre Untertanen erzittern. „MICH LYNCHEN?! Mich die Blutfürstin von Karokas vernichten?! Zur Hölle mit den Bauerntrampeln! Nur, weil sie das Balg meines Bruders in sich trägt, ist sie KEINESFALLS des Thrones würdig!“ Dem Hexenmeister zitterten die Knie und doch wagte er es noch ein Wort der Warnung an seine Gebieterin zu richten: „Ich will euch nicht widersprechen, aber...“ Weiter kam er nicht, denn ein schwarzer Lichtblitz schien den Raum in komplette Dunkelheit zu tauchen. Auch wenn es nur einen Wimpernschlag lang andauerte, spürten alle Anwesenden, wie die Zeit still zu stehen schien und hörten die Klageschreie der Verzweifelten aus den tiefsten Höllenkreisen, die in ihre Ohren drangen und an ihnen zerrten. Als sich das schwarze Licht zurückzog, war von dem Hexenmeister, der eben noch vor Niové gestanden hatte, nichts weiter übrig als ein Häufchen schwarzen Staubes. „Hat sonst irgendwer Einwände oder Bedenken?“, zischte sie und ihre goldenen Katzenaugen glühten vor Zorn. Wimmernd verneinten ihre Diener murmelnd und zogen sich zurück als sie ihnen mit einer unwirschen Handbewegung bedeutete zu verschwinden. Niové lies sich rücklings in die edlen, blutroten, samtenen Kissen fallen, welche auf dem steinernen Podest an der Stirnseite des Raumes lagen. Genüsslich räkelte sie sich darin, bevor sie die Augen aufschlug und lauschte. Hier war noch jemand. Das spürte sie. Niové war lange genug Kriegerin gewesen bevor sie den Thron bestiegen hatte, um sich auf ihre Instinkte verlassen zu können. Sie legte die Hand an den Dolch, den sie um ihre Hüfte gegürtet hatte, und verhielt sich ansonsten ganz still. Sollte das ein Hinterhalt sein, so wollte sie den Angreifer im Glauben lassen, er sei im Vorteil, um dann den Überraschungsmoment für sich zu nutzen. Es wäre immerhin nicht der erste Attentäter in den letzten acht Jahren, der den Versuch wagte und dabei umkam. Sie hörte leise Schritte auf den Fließen und hielt den Atem an. Die Schritte stoppten wenige Meter von ihr entfernt. „Herrin?“, vernahm sie die leise Stimme der Dienerin, die ihr immer das Essen reichte. Niové atmete langsam aus. „Ja? Was gibt es?“ „Ich bringe euch den Wein.“ Die Schwarzhaarige setzte sich auf. „Trink.“, forderte sie ruhig und beobachtete das Mädchen, welches den prächtigen Kelch langsam an die Lippen führte und einen Schluck des Rotweines zwischen ihren Lippen hindurch in ihre Kehle rinnen lies, bevor sie das silberne Gefäß wieder auf dem Tablett abstellte. Ruhig sah sie ihrer Herrin in die Augen, die sie genau betrachtete. „Er scheint in Ordnung zu sein.“, nickte Niové. „Gib ihn mir.“ Die Dienerin tat wie ihr geheißen und verließ den Raum. Die Herrscherin blickte in den Kelch und schwenkte ihn vorsichtig. Dabei beobachtete sie wie die rubinrote Flüssigkeit Fensterbögen an den Rändern bildete. Vor ihren Augen wandelte sich der Anblick des Gefäßes und wurde zu einem kristallenen Weinglas. Sie erinnerte sich an einen Tag vor neun Jahren, als sie oben auf dem Turm gestanden hatte, das Kristallglas in ihrer Hand, gefüllt mit einem Wein wie diesem und mit ihrem Bruder sprach. ~*~ „Verflucht Timeus! Hör wenigstens ein einziges Mal auf mich. Dieses Weib wird dir nur Unglück bringen.“, sagte Niové aufgebracht. Timeus lachte kehlig, wobei sich sein Gesicht zu einer grässlichen Fratze verzog. „Seit wann macht sich meine Schwester Sorgen um mich? Wolltest du mich nicht vor kurzem noch selbst über den Styx schicken, wenn es kein anderer täte?“ Breitbeinig stand der Dämonenfürst vor ihr und lachte sie aus. Mühsam unterdrückte sie ihre Wut, griff nach dem kristallenen Weinglas, dass der Diener ihr reichte und beobachtete den rubinroten Inhalt bevor sie prüfend einen Schluck trank. Grollend richtete sie den Blick wieder auf ihren Bruder. „So sehr ich dich auch hasse, bist du immer noch mein jüngerer Bruder und somit leider ein wesentlicher Bestandteil der Macht unserer Familie.“ Herausfordernd funkelten ihre goldenen Katzenaugen, als sie betonte, dass er, wenn auch nur wenige Minuten, jünger war, als sie selbst. Erstaunlicher Weise schluckte der Krieger mit der Narbe quer über dem Gesicht die Antwort, die die Situation hätte eskalieren lassen, herunter. Unzufrieden brummte Niové etwas unverständliches und wandte den Blick in Richtung der Vulkane im Norden und beobachtete das prachtvolle Spiel der Lavaströme und des Rauches, der gen Himmel stieg. Ihre Wut über seine Gleichgültigkeit und seine Uneinsichtigkeit stürzte sie mit dem Wein die Kehle hinunter, bevor sie das Kristallglas in ihrer Hand zerbrach. Sie fühlte wie sich einige Glassplitter tief in ihre Haut bohrten und warmes Blut darüber floss. Doch das ignorierte sie völlig. Ihr war bewusst, dass die Wunden binnen weniger Stunden ohnehin verheilt sein würden. Niové wirbelte zu ihrem Bruder herum. „Dann sag mir bitte, warum du ausgerechnet mit ihr den Bund der finsteren Ewigkeit schließen musst? Du weist doch, dass man den Lakarosh-Dämonen nicht vertrauen kann. Sie sind unsere Feinde!“, begehrte sie auf. ~*~ Im nächsten Augenblick befand sich Niové zurück in der Realität und starrte auf den silbernen Becher in ihrer Hand. Leicht schüttelte sie den Kopf. 'Hätte dieser Sturkopf nur dieses eine Mal auf mich gehört, müsste ich ihn jetzt nicht rächen.', dachte sie im Stillen. Seufzend nahm sie noch einen Schluck Rotwein zu sich, schloss die Augen und lehnte sich zurück. 'Andererseits... jetzt habe ich die Macht für mich alleine...' Ein leichtes Schmunzeln zeichnete sich auf ihren vollen Lippen ab. 'Vielleicht müsste ich meiner Schwägerin sogar danken.' Dieser Gedanke jedoch kam Niové so absurd vor, dass sie in schallendes Lachen ausbrach und den silbernen Becher weit von sich warf. Die roten Tropfen feinen Weines glitzerten im Licht der Fackeln und benetzten den Boden. Die schwarzhaarige Dämonenfürstin setzte sich auf und stützte sich nach hinten gelehnt auf ihre Ellebogen. Lachend legte sie den Kopf in den Nacken. Ihre schwarze, seidig glänzende Mähne breitete sich auf den Kissen aus. Tief atmete Niové ein und wieder aus. Nein, Tamaris musste nun wirklich bestraft werden für ihre Arroganz... ~*~ Sie erinnerte sich zurück an jenen Nachmittag, ungefähr vier Monate nachdem Timeus den Bund der finsteren Ewigkeit mit Tamaris geschlossen hatte. Der Thronsaal war voller Dämonen und die triumphale Stimmung, die von Timeus Sieg in der Schlacht von Maringla her rührte, war auf dem Siedepunkt. Niové lehnte in einer Wandnische, die halb von einem Samtvorhang verborgen war. Hier hatte sie ein wenig Ruhe und Abstand von dem niederen Dämonenpöbel, konnte aber gleichzeitig alles im Blick behalten. Sie genoss die Stimmung im Saal ohne selbst Teil der Menge zu sein bis die hohen Flügeltüren mit einem lauten Knall aufflogen. Schlagartig wandte sich alle Aufmerksamkeit dem Eingang zu. Auch Niové selbst riskierte einen Blick, obwohl sie sich sicher wahr, zu wissen, wer für diese Unterbrechung verantwortlich war. Tatsächlich war es Tamaris, die hoch erhobenen Hauptes und schnellen Schrittes in den Raum stolzierte und die Menge vor sich in Ehrfurcht zurückweichen lies. Das aus metallisch glänzenden Drachenkrallen bestehende Gestell auf ihrem Rücken und die dazu passenden Implantate auf ihrer Stirn und ihren Oberarmen, ließen sie wie eine wahre Königin erscheinen. Sie umrahmten sie so, dass sie wirkte wie die Reinkarnation der Rachegöttin persönlich. Das rote, tief ausgeschnittene, mit schwarzer Spitze und Goldfäden verzierte Kleid tat ebenso wie der durchsichtige, rote Seidenumhang, der hinter ihr wie eine zarte Brise von Verführung her wehte, seine Wirkung auf die überwiegend männliche Gesellschaft. Binnen Sekunden hatte die Sirene mit der Alabasterhaut und den hellbraunen Locken alle in ihren Bann gezogen. Wie Niové resigniert seufzend feststellte auch ihren Bruder, der offenbar einen Narren an seiner verfluchten Gemahlin gefressen hatte. Kurz vor dem Podest, auf dem der Thron stand, hielt Tamaris in ihrer Bewegung inne und neigte das Haupt vor Timeus, ganz so wie es das Protokoll von ihr verlangte. Es war nichts überflüssiges in dieser eleganten fließenden Bewegung. Am liebsten hätte Niové sie genau in diesem Moment mit einem Pfeil aus schwarzer Energie beschossen, nur um sie zum Straucheln zu bringen. Sie hasste die Eleganz mit der sich ihre Schwägerin bewegte und die pure Weiblichkeit an ihr, die geradezu nach Schwäche schrie. Und doch verhielt sie sich ruhig und blieb in ihrer Nische stehen, denn sie hatte nicht die geringste Lust jetzt einen Kampf gegen über zweihundert Dämonen auf einen Streich zu führen. Timeus grinste zufrieden und bedeutete seiner Frau mit einem Nicken zu ihm zu treten. Niové hatte sich nahezu übergeben wollen, als sie sah, wie ihr Bruder Tamaris mit einem Lecken über den Hals als sein Eigentum markierte. 'Elender Platzhirsch!', dachte sie aufgebracht. Sie wandte sich ab, als sie sah wie Tamaris kokett ihre Lippen an Timeus' Ohr legte und ihm etwas zuflüsterte. Niové war gerade dabei den Saal zu verlassen, als die Stimme ihres Bruders donnernd verkündete: „Meine Gemahlin hat mir gerade eine wundervolle Botschaft übermittelt! Schon bald werden wir meinen Erben in unseren Reihen willkommen heißen!“ In Gedanken verfluchte Niové die offenbar gebährfreudigen Hüften der ehemaligen Hohepriesterin und verzog sich hinaus auf den Kampfplatz, wo sie ihrer Wut freien Lauf lassen konnte. ~*~ Verächtlich schnaubend erhob sich die Dämonenfürstin aus den Kissen und verdrängte die ihr unwillkommene Erinnerung an jenen Nachmittag. Es war an der Zeit aufzubrechen zum Schrein, wenn sie rechtzeitig dort sein wollte. Immerhin musste sie den Zauber genau zur dreizehnten Stunde ausführen, wenn er richtig wirken sollte. Der Schrein war in einer perfekten Rundung ausgebildet und mit Goldintarsien geschmückt. Rund um waren zwölf Ölfackeln angebracht, die den tiefen, erdigen, süßen Duft des Vertivergrases verströmten. Das Öl war, wie Niové feststellte, mit viel Bedacht gewählt worden. Es war ein erotisierender, beruhigender Duft, der einem verloren geglaubte Kräfte zurückzugeben vermochte, wenn man ihn lange genug einatmete. Der Geruch hing schwer in der Luft und lies die Blutfürstin wesentlich ruhiger werden, als sie die Säulen aus schwarzem Marmor, der von weißen Einschüssen durchzogen war, durchschritt. Der Boden hallte von ihren Schritten wieder und lies das Betreten des Schreines dramatischer wirken, als es ihr lieb war. Dennoch... Niové schmunzelte. Es passte eindeutig zu Tamaris, ebenso wie der Duft und das elegante Äußere des Schreines, welches in absoluter Perfektion den Betrachter in Ehrfurcht verharren ließ. Die Schwarzhaarige blieb stehen und blickte zu Boden. Er war auß weißem Marmor und war von einem großen Pentagramm durchschnitten, welches aus dem selben schwarzen Marmor gefertigt war, wie die Säulen und die Wände. Und dort in der Mitte schwebte sie, etwa einen halben Meter vom Boden entfernt - Tamaris. Sie sah noch genau so aus, wie Niové es in Erinnerung hatte, genau so wie in dieser Nacht vor acht Jahren... ~*~ Ein seltsam gurgelndes Geräusch und ein erstickter Laut aus Timeus' Gemächern hatten einen aufmerksamen Diener auf den Plan gerufen, der Tamaris über ihren toten, in seinem Blut liegenden Gemahl gebeugt vorfand – den rituellen, reich verzierten, silbernen Athame, von der schwarz-rote Perlen auf die Laken fielen, noch in der Hand. Erschrocken rannte er aus dem Raum, als er bemerkte, dass Tamaris den Lebenssaft aus der Kehle des einstigen Dämonenfürsten trank. Voller Panik rannte der Mann durch die Burg und schreckte mit lauten, markerschütternden Schreien, die Niové nie vergessen würde, alle aus ihrer Nachtruhe auf. Die Dämonenkriegerin war schlagartig hellwach und schwang sich in einer raubkatzenhaften Bewegung aus dem Bett. Sie landete in der Hocke, stieß sich nach vorne ab und griff nach ihrem Mieder, dass sie mit geübten, schnellen Handbewegungen über dem schlichten Nachthemd schloss. Um sich besser bewegen zu können, riss sie das wadenlange Hemd zu beiden Seiten bis zu den Oberschenkeln auf. Schon im Hinausrennen griff sie nach den ledernen Handschuhen mit den silbernen Beschlägen, die ihren Händen im Kampf ein wenig Schutz gegen Hieb- und Stichwaffen bieten sollten. So schnell Niové konnte zog sie sie über und rannte, ihr Schwert in der Hand, aus der Türe in Richtung der Gemächer ihres Bruders, auch wenn sie sich sicher war zu spät zu kommen. Mit dem Fuß stieß sie die schwere Eichentür auf. Tamaris wandte sich zu ihr um. Timeus' Blut benetzte ihre sinnlichen Lippen und zeichnete eine leichte Spur auf ihrer vom Mondlicht hell erstrahlenden Haut . „DU!“ Niovés Augen funkelten vor Zorn und in ihnen brannte der Wunsch die Verräterin auf der Stelle in die tiefsten Höllenkreise zu verbannen. Die ehemalige Hohepriesterin jedoch lachte nur leise: „Du hast doch gewusst, dass er mir nicht vertrauen kann, aber weist du, was das wirklich Grausame daran ist, Niové? Du kannst dich nicht an mir rächen, denn all seine Untertanen werden die meinen sein. Immerhin bin ich die Mutter seines Erben. Wenn du mir also nichts weiter mitteilen willst, solltest du MEINE Gemächer verlassen.“ Arrogant blickte sie ihre Schwägerin an. „Nein, mitteilen will ich dir tatsächlich nichts mehr, nur habe ich drei Fragen an dich.“ Niové wirkte mit einem Mal ruhig und gelassen. Tamaris wusste es nicht, doch soeben hatte die Schwarzhaarige in den Kampfmodus gewechselt. Etwas irritiert hob die neue Herrscherin eine Augenbraue und gestattete ihrer Schwägerin mit einem Nicken zu reden. „Warum hast du ihn getötet?“, fragte sie noch immer vollkommen ruhig. Tamaris strich sich eine der hellbraunen Locken aus dem Gesicht. „Das war erst eine Frage.“ „Das macht nichts, beantworte sie einfach, die anderen erübrigen sich dann vielleicht.“ Niovés Schwägerin nickte. „Meine Familie hatte dieses Attentat von Anfang an für genau diesen Zeitpunkt geplant. Du weist schon, alte Angelegenheiten, die damit erledigt sein dürften.“ Sie winkte fast schon gelangweilt ab und wähnte sich bereits am Ziel. Offenbar dachte sie, dass Niové sie als neue Herrscherin akzeptiert hatte. Allerdings sollte sie bereits im nächsten Moment feststellen, dass sie damit völlig daneben gelegen hatte. „Ich muss dir also doch noch die beiden anderen Fragen stellen.“ Niové seufzte leise als sei ihr das eine schreckliche Last. „Also dann, Frage eins: Wie schnell überträgt dein Ritual“, sie deutete mit der Hand auf den blutigen Athame und die Blutspuren auf Tamaris Antlitz, „Timeus' Kräfte auf dich?“ „Warum willst du das wissen?“ Die ehemalige Hohepriesterin blickte die Dämonenfürstin misstrauisch an. Niové schmunzelte. „Ach Tamaris, was denkst du nur von mir? Du wirst in dieser Zeit doch seine Kräfte noch nicht benutzen können und Schutz brauchen, oder etwa nicht? Ich könnte ihn dir bieten, das weist du doch. Immerhin... gehörst du doch zur Familie.“ „Oh natürlich, wie dumm von mir.“ Die Braunhaarige lachte leise. „Es braucht dreizehn Stunden bis Timeus' Macht und damit auch seine Kräfte vollständig auf mich übergegangen sind.“, erklärte sie nun bereitwillig, „Und dann sicherlich noch eine Weile bis ich mich an die Nutzung der neuen Kräfte gewöhnt habe.“ „Hm...“ Nachdenklich betrachtete Niové ihre Beute von oben bis unten. „Damit bleibt nur noch Frage drei: Wie schnell kannst du weglaufen?“ Der gehässige, eiskalte Unterton in der Stimme der Schwarzhaarigen traf punktgenau sein Ziel. Genüsslich beobachtete sie die Reaktion im Gesicht ihres Gegenübers. Tamaris Blick wandelte sich in Sekundenschnelle von triumphaler Arroganz über Verblüffung zu nackter Angst. Niové jagte sie bis hinunter zur Waffenkammer, wo Tamaris zwei Kurzschwerter zu fassen bekam, die besser geeignet waren, um sich gegen ein Langschwert zu wehren, als der bloße Athame. Der Darauffolgende Kampf dauerte fast eine Stunde an, bis sie an diesen Ort vor den Toren der Burg gekommen waren. Die Turmuhr schlug Mitternacht, als sich die Schwarzhaarige entschloss dem ganzen ein Ende zu setzten und auch ihre Kräfte einzusetzen. Sie parierte einen Schlag Tamaris' und sprang mit einer Flugrolle etwa drei Meter zurück, wo sie nahezu lautlos landete. Niové konzentrierte sich und wirbelte ihr Schwert schnell im Kreis herum. Dabei begann es von innen heraus schwarz zu glühen. Offenbar war ihrer Gegnerin klar, was sie vorhatte. Denn etwa zeitgleich rammte die Braunhaarige die beiden Kurzschwerter zu beiden Seiten ihres Körpers in den Boden und überkreuzte die mit Hennatätowierungen geschmückten Arme vor der entblösten Brust. Sie begann in einer betörenden Melodie ein Lied in der verlorenen Sprache zu singen, die nur die Hohepriesterinnen des Tempels von Kilana noch beherrschten und wie einen Schatz hüteten. Das Lied beschwörte einen gleisend hellen Schild aus Licht herauf, der Tamaris umgab wie eine zweite Haut. Als Niové nun das glühende Schwert auf Tamaris richtete und sich die gesamte Kraft der schwarzen Energie aus seiner Spitze entlud, um wenige Sekunden später Timeus' Witwe zu treffen, geschah nicht das, was die Kriegerin erwartet hatte. Zwar tobten um sie herum die verzweifelten Stimmen aus den tiefsten Kreisen der Hölle, so wie sie es gewohnt war, doch ihre Schwägerin verbrannte nicht binnen eines Wimpernschlages, so dass nur noch schwarzer Staub von ihr übrigblieb. Nein, die schwaren Flammen gruben sich in den Schutzschild, so wie das Licht des Schildes die absolute Finsternis der Energie durchbrach und Tamaris, die noch immer die rituelle Melodie sang, berührte plötzlich mit ihren Füßen nicht einmal mehr den festen Erdboden unter ihnen. Sie hatte die Augen geschlossen und drehte sich langsam um die eigene Achse. Das nächste, was die wie gebannt auf die gespenstige Szenerie starrende Niové registrierte, war eine lautlose Explosion aus Finsternis und Licht. Als sie nicht mehr von dem Licht geblendet wurde, waren sowohl die Stimmen der Verzweiflung als auch Tamaris' Gesang verstummt. Dort wo die Explosion gewesen war, schwebte Tamaris immer noch einen halben Meter über dem Boden, eingebettet in eine Säule aus rotem Licht, die Augen noch immer geschlossen. Und egal, was Niové tat und wieviele Blitze aus schwarzer Energie sie auf Tamaris schleuderte oder wie oft sie auch mit ihrem Schwert, welches sonst mühelos durch alles hindurchglitt, als sei es warme Butter, auf die Säule einschlug, nichts geschah. Bis auf den heutigen Tag nicht... ~*~ Noch immer, auch nach diesen acht Jahren, hatte sich hier nichts verändert. Außer, dass das Volk einen Schrein um die Lichtsäule und Tamaris herumgebaut hatte. Niové war sich sicher, dass Tamaris in diesem Bannfeld – entstanden aus diesen beiden Gegensätzen geballter Energie zur Wende der Nacht - noch immer lebte und nicht einmal wusste, dass inzwischen soviel Zeit vergangen war. Auch die Berater ihres Bruders und alle Gelehrten waren sich darin einig gewesen. Doch heute hatte die finstere Dämonenfürstin vor diesem Zustand ein Ende zu setzen und ihr Werk zu vervollständigen. Es hatte sie Jahre an Recherche und Druck an den richtigen Stellen gekostet, aber sie hatte es geschafft ein Buch aus dem Tempel von Kilana an sich zu bringen, in dem ein Zauber stand, der Bannfelder auflösen konnte. Und inzwischen hatte sie auch erlernt so zu singen, wie die Hohepriesterinnen es taten, wenn sie ihre Zauber vollführten. Sie nahm einen kleinen schwarzen Lederbeutel von ihrem Gürtel und öffnete den Knoten des Verschlusses. Darin war ein hellgrünes Pulver, welches sie nach den Anweisungen aus dem Buch höchstpersönlich hergestellt hatte. Sie verstreute den gesammten Inhalte in einem Kreis um die rote Lichtsäule. Mit einem Schnippsen entzündete sie das Pulver und stimmte voller Vorfreude auf ihren Triumph den Gesang an. Im HIntergrund schlug die Turmuhr zur zwölften Stunde der Nacht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)