Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 42: Die Sommernacht --------------------------- Ashley saß kurz vor Sonnenuntergang alleine in ihrer Wohnung auf einem Stuhl vor dem Fernseher. Bis vor wenigen Minuten war sie schluchzend und weinend bei dem kleinen Esstisch gestanden und hatte sich ganz ihrer Verzweiflung über das Schicksal ihrer Nichte ergeben. Durch diese Verzweiflung hatte sie hastig ein paar Worte auf einen Zettel geschrieben. Worte, welche etwas erklären sollten, aber für sie waren diese schon in dem Moment bedeutungslos geworden, in dem sie geendet hatte. Mit leeren Augen starrte sie auf den Fernseher, der in einer Lautstärke lief, über die sich die meisten Nachbarn wohl beschwert hatten. Aber es kümmerte sie nicht. Sie konnte auch nicht wirklich aufnehmen, was genau gerade auf der Mattscheibe lief. Kurz sah sich Ashley in ihrer kleinen Wohnung um. Zum ersten Mal, seit sie hier vor einem Jahr eingezogen war, um auf Duncans Wunsch etwas Abstand von den Abgeneigtheiten ihrer „Kollegen“ zu gewinnen, war die Wohnung in einem einwandfreien Zustand. Die Küche war geputzt und aufgeräumt. Alle Zeitschriften waren entsorgt oder sauber und ordentlich auf einen Stapel neben dem Telefon, welches auf einem kleinen Tischchen neben der Tür zur Diele stand, hingelegt worden. Ein unbeteiligter Beobachter hätte wohl die Vermutung gehabt, dass Ashley Besuch erwarte und deshalb alles ordentlich aufgeräumt hatte. Doch die Wahrheit war, dass sie in den letzten Stunden einfach etwas tun musste, um sich abzulenken. Doch als sie fertig war, war ihr auch die Ablenkung ausgegangen und ihre Gefühle hatten sie erneut übermannt. Es gab nichts und niemanden, der sie jetzt noch trösten konnte oder von dem sie sich Trost erhoffen wollte. Sie wusste zwar, dass Emma im Laufe des Tages mehr als einmal angerufen hatte und auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte. Ashley hatte aber nicht zurückgerufen. Vielleicht war es ein Trick von Duncan, der nur sicher gehen wollte, wo sie war, um ihr seine Bluthunde auf den Hals zu schicken und sie endgültig mundtot zu machen. So lange wollte Ashley aber nicht warten und sie wollte ihm auch nicht die Genugtuung geben, sich so leicht von ihm schnappen zu lassen. Sie konnte schlichtweg nirgendwo hin. Dass sie sich gegen Duncan gestellt hatte, hieß, dass sie sich endgültig von den Schattenjägern losgesagt hatte. Und egal was Trinity sagte, sie konnte nicht zu Lily gehen. Die hatte damals, als man sie zu den Schattengängern geholt hatte, klipp und klar gesagt, dass sie sie nicht aufnehmen könnte. Und im Moment war Ashley einfach zu sehr wütend und verletzt, um auch nur in Betracht zu ziehen, Lily um Hilfe zu bitten. Was sie von Charon erfahren hatte, war einfach nur die Spitze des Eisberges und eine böse Stimme in ihrem Hinterkopf machte ihr ein ums andere Mal klar, dass Duncan recht hatte, wenn er meinte, dass Lily sie von Anfang an nur ausgenutzt hatte. Da war so vieles, was sich einfach nur verlogen anfühlte. Sie hatte nie so richtig irgendwo dazugehört. Schon bevor die Schattengänger sie bei sich aufgenommen hatten. Und es war eine Tatsache, dass Lily daran nicht ganz unschuldig war. Sie hatte sie stets vor anderen ferngehalten mit der Begründung, dass sie so unauffällig wie möglich durchs Leben gehen müssen. Doch gebracht hatte es ihr letztlich nichts. Duncan hatte sie gefunden, weil es ab einem gewissen Punkt schlichtweg nicht mehr möglich war, dass sie unauffällig blieb. Ihre Kräfte wurden irgendwann zu groß dafür. Und jetzt musste sie den Preis dafür zahlen, dass sie das unvermeidliche so lange hinausgezögert hatte. Sie öffnete ihre Hand und ließ das Knäuel Papier auf den Boden fallen. Ihre andere Hand zitterte als sie sie hob und zu ihrem Kopf führte. Sie hielt die Luft an. In ihr kämpften zwei laute Stimmen um Gehör, die eine schrie, dass sie aufhören sollte und die andere brüllte ihr lauthals zu, die letzte Bewegung mit dem Finger zu machen. Das Telefon klingelte, aber Ashley war viel zu sehr damit beschäftigt, den Stimmen in ihrem Kopf Gehör zu schenken, als der vertrauten Stimme zu zuhören, die ihr jetzt eine Nachricht auf den Anrufbeantworter sprach. Eine Nachricht, die so manches einfacher machen konnte. Doch dieses Für und Wieder verschwamm plötzlich, Ashley fiel vom Stuhl und landete auf dem Boden. Für sie wurde alles dunkel. Draußen auf der Straße hatten einige Leute den lauten Knall vernehmen können, der Ashley niedergestreckt hatte. Aber keinen schien es wirklich zu kümmern, am Beginn dieser heißen, wundervollen Sommernacht. Keinen außer Emma, die zwar zu weit weg war, um auszumachen, wo dieses Geräusch hergekommen war, aber instinktiv spürte, wohin sie gehen musste. Sie sprintete die letzten Meter der Straße zum Treppenaufgang des Wohngebäudes und stand wenige Sekunden später vor der Wohnungstür. Anstatt zu klingeln, hämmerte Emma wie wild gegen die Tür und brüllte aus Leibeskräften: „Mach die Tür auf, verdammt noch mal!“ Es kümmerte sie nicht im Geringsten, dass andere Bewohner des Hauses sich nach der Quelle des Lärmes umsahen und die Köpfe schüttelten. Es vergingen Minuten und Emma fasste den Entschluss, dass sie einen anderen Weg finden musste, in die Wohnung zu gelangen, als darauf zu warten, dass sie geöffnet wurde. Sie vertraute auf das dunkle Gefühl irgendwo in ihrer Magengrube und trat schließlich mit voller Wucht solange auf die Tür ein, bis das Schloss heraus gebrochen war. Sie stürmte durch die Diele in den Wohnraum hinein und hielt den Atem an. Entsetzt sah sie, wie Ashley auf dem Boden lag und um sie bildete sich eine Blutlache. Sie lief zu ihr und fühlte den Puls ihrer Freundin. Sie versuchte sich zu beruhigen und nicht von der Panik übermannen zu lassen. Und tatsächlich. Emma konnte sehr schwach einen Puls ausmachen. Ashley war noch am Leben. Und das sollte auch so bleiben. Sie riss sich ein Stück von ihrem Ärmel ab und drückte das Textil auf die lange, stark blutende Kopfwunde, während sie mit ihrem Handy den Notruf wählte. „Du musst durchhalten, Ashley.“ flüsterte sie mit heiserer Stimme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)