Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 34: Zur Rede gestellt ----------------------------- Lily tobte vor Wut. Sie konnte es einfach nicht fassen. Nachdem sie Ashley gestern Nacht allein gelassen hatte, hatte sie es für besser empfunden, wenn sie während der Nacht nicht in der Villa blieb. Glücklicherweise mangelte es ihr als Erzdämonin weder an feucht fröhlichen Ablenkungen noch an auswärtigen Unterkünften. Doch dann war sie aus allen Wolken gefallen, als Trinity sie am späten Vormittag angerufen hatte und ihr aufgelöst mitgeteilt hatte, Ashley sei nicht mehr da. In Windeseile war sie nach Hause geeilt und hatte sich jeden einzelnen der Hausangestellten zur Brust genommen. Sogar Trinity bekam eine gehörige Standpauke ab. Doch es half alles nichts. Keiner wusste etwas oder hatte in irgendeiner Form mitbekommen, wie Ashley aus dem zweiten Stock durch das ganze Haus gewandert war und schließlich das Grundstück verlassen hatte. Damit gab sich Lily aber nicht zufrieden. Sie verdächtigte zumindest einen Bewohner des Hauses direkt oder indirekt mit Ashleys Verschwinden zu tun zu haben. Aber Charon hatte am Morgen die Villa aufgrund eines „wichtigen Auftrages mit Priorität“ verlassen. Lily war das ziemlich egal. Sie setzte den halben Tag Himmel und Hölle in Bewegung, um Charon irgendwie ausfindig zumachen und ihn hier her zu zitieren. Jetzt war es bereits nach Mitternacht und er war immer noch nicht aufgetaucht. Lily marschierte das bequeme Wohnzimmer der Villa auf und ab und zermarterte sich das Gehirn darüber, ob Charon wirklich in irgendeiner Form zu tun hatte, oder ob er sich nur verspätete, um sie zur Weißglut zu treiben. Sie verabscheute ihn und sein Speichel leckendes Gehabe zutiefst. Sie waren vor etwa 600 Jahren miteinander verheiratet worden. Es war eine jener Ehen, zu denen Erzdämonen angehalten wurden, um ihre Stellung zu waren. Sie war zweckdienlich und bestenfalls als notwendiges Übel zu bezeichnen. Sie war nicht die einzige, welche dieser arrangierten Beziehung herzlich wenig Bedeutung beimaß. Auch Charon suchte sich seit langem schon seine Vergnügungen bei anderen. Ihm war es ziemlich egal, ob Dämon oder Mensch, Hauptsache, seine Wünsche wurden erfüllt. Und Lily gab zu, dass sie es genauso gemacht hatte. Ashley war nicht die Einzige. Aber in diesem Leben und seit langem war sie die Einzige gewesen. Aber sie hatte niemals auch nur im Traum daran gedacht, ihr das irgendwann mal genau zu erklären. Auch, dass Trinity eine Halbdämonin war und ihre Tochter, wollte sie ihr vorenthalten. Die „Beziehung“ zu Trinitys Vater war in ihrer letzten menschlichen Reinkarnation gewesen. Nicht einmal Trinity kannte ihn wirklich. Sie war bei Pflegeeltern – Menschen, die eingeweiht waren – aufgewachsen und hatte zu ihrer Mutter persönlich kaum Kontakt gehabt. Lily verfluchte sich selbst dafür, dass sie Ashley nicht einfach schon vor langem davon erzählt hätte. Es wäre nicht mal halb so schlimm gewesen. Sie hätte es nach einer Weile schon akzeptiert. Vor allem mit Trinity schien sie gut aus zu kommen. Aber die Chance, das wieder gut zu machen, schien durch ihr Verschwinden dahin. Und Lily brannte darauf, irgendjemanden deswegen gehörig zu bestrafen. Und ihre Bitte wurde offensichtlich erhört, denn in eben diesem Moment ging die Flügeltür zum Wohnzimmer auf und Charon trat mit einem breiten, nervtötenden Grinsen herein. Trinity folgte ihm. Doch Lily wies sie mit einer Handbewegung an, sich vom Kern des Gespräches fern zu halten. Deswegen nahm sie in einem Sessel neben der Tür Platz, während Charon sich auf einer bequemen Couch am Kamin niederließ. Sein Gesichtsausdruck machte Lily so rasend, dass sie am Liebsten einfach so auf ihn eingeschlagen hätte. Aber sie wusste sehr genau, dass ihr das nichts bringen würde. Es gelang ihr sogar einen ziemlich ruhigen Ton auf zu setzten. „Anhand deines hässlichen Grinsens kannst du dir wahrscheinlich denken, warum ich dich hier her zitiert habe.“ Charon sagte nichts, er nickte nicht mal, was Lily noch mehr anstachelte. „Wo ist sie, Charon?“ Mit einem provozierenden Lächeln auf den Lippen meinte er „Wer, dein Spielzeug? Woher soll ich das wissen? Ich kann nichts dafür, dass sie sich aus dem Staub gemacht hat.“ Er wollte wieder aufstehen und gehen, aber Lily war noch lange nicht mit ihm fertig. „Wag es ja nicht, jetzt schon zu verschwinden. Du wirst mir jetzt sehr genau sagen, was du angestellt hast!“ Charon rollte mit den Augen „Ich habe ihr doch gar nichts getan. Ich bin nicht schuld, dass sie gegangen ist. Im Gegenteil, ich habe versucht, sie davon ab zuhalten.“ Nun wurde Lily durchaus hellhörig „Das heißt, du wusstest, dass sie gegangen ist?“ „Vielleicht.“ Meinte er unschuldig, aber durch Lilys funkelnden Blick animiert, fügte er hinzu: „Ich hab sie heute morgen im ersten Stock aufgegabelt und mich ein bisschen mit ihr unterhalten.“ Lily stürzte ein paar Schritte auf ihn zu und packte ihn am Kragen: „Was hast du gemacht, verdammt noch mal!“ Beschwichtigend hob Charon die Hände „Ich hab ihr nichts getan, das schwöre ich!“ Es dauerte eine Weile, bis Lily wieder von ihm abließ und er fortfuhr: „Ich hab versucht, sie zum Bleiben zu bringen, aber da du mir ja verboten hast, etwas grob zu ihr zu werden, haben meine Argumente nicht ausgereicht und sie hat sich verzogen.“ Lily hob die Augenbrauen und musterte ihn einen Moment, dann warf sie Trinity bei der Tür einen Blick zu. Die zuckte kaum merklich mit den Schultern. Lily wandte sich wieder Charon zu. „Hat sie etwas gesagt, wohin sie wollte?“ Nun zuckte er mit den Schultern, jedoch wesentlich auffälliger, als Trinity es vorher getan hatte. „Nicht, dass ich wüsste. Wahrscheinlich ist sie zu ihrem scheinheiligen Pack zurück gekrochen.“ Wieder funkelte Lily ihn böse an „Warum hast du mir oder Trinity nicht sofort Bescheid gesagt?“ Das Leuchten in Charons Augen verriet, dass er genau auf diese Frage gewartet hatte. „Nun, ich hatte erstens nicht die geringste Ahnung, wo du dich rumgetrieben hast und zweitens war ich schon weg, bevor… die da…“ er blickte abschätzig zu Trinity und fuhr dann fort „… verfügbar war.“ Nun mischte sich Trinity ein „Du hättest eine Nachricht hinterlassen können, oder etwa nicht?“ Abfällig murmelte Charon „Mit dir redet hier doch keiner du elendes Halbblut.“ Aber Lily lies ihm das nicht durchgehen „Antworte auf die Frage.“ Er sah sie entgeistert an: „Was hätte ich den Schreiben sollen? Sie hätte mich sofort verdächtigt, das arme, wehrlose Ding entführt zu haben!“ Die Lippen schürzend entgegnete Lily „Was in aller Welt war so wichtig, dass du dich zu so früher Stunde schon aus dem Bett bewegst und von hier verschwindest?“ Wieder umspielten seine Augen ein seltsames Leuchten „Ist ein diskreter Spezialauftrag von Lucas. Also geht es dich nicht das Geringste an, meine Liebe!“ Einen Moment überlegte Lily, ob sie wirklich weiter nachfragen wollte, oder ob sie es einfach sein ließ. Denn eigentlich interessierte es sie herzlich wenig, warum er wann wohin gegangen war. Und es war ihr auch ziemlich egal, ob er aufgrund eines ach so wichtigen Auftrages unterwegs war oder wegen seinem Privatvergnügen. Sie entschied sich, es dabei zu belassen. „Na schön, du kannst gehen.“ Er stand auf und ging zur Tür. „Ich warne dich,“ rief ihm Lily nach, „wenn du dir in irgend einer Form etwas zu Schulden kommen gelassen hast oder noch wirst, was mit Ashley zu tun hat, dann werde ich dich auseinander nehmen!“ Charon rollte mit den Augen, nickte aber zum Zeichen, dass er es verstanden hatte. Dann verließ er das Wohnzimmer. Als die Tür hinter ihm zugefallen war, stand Trinity auf und ging auf ihre Mutter zu. „Was willst du jetzt machen?“ Lily lies sich in einen Sessel fallen und grübelte vor sich hin. Erst als auch Trinity erneut Platz nahm, antwortete sie: „Ich werde mit ihr reden, versuchen, die Sache zu klären. Und du wirst Charon im Auge behalten. Nur für den Fall, dass er doch etwas verborgen hat.“ Trinity hob die Brauen „Wie willst du das anstellen? Wir haben doch keine Ahnung wo sie ist.“ Lily sah sie aus den Augenwinkeln an „Ich befürchte, ich weiß ganz genau, wo sie ist. Und deshalb werde ich ihr jetzt einen Besuch abstatten.“ Lily erhob sich und ging zur Tür, auch Trinity stand auf und versuchte noch etwas zu sagen, aber Lily war schon verschwunden. Ich hoffe, dass das gut geht! dachte Trinity. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)