Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 28: Begründung ---------------------- Schon seit Stunden saß Lily in einem kleinen Büro im Hauptquartier der Dämonen und wartete darauf, dass Lucas sich endlich dazu herabließ, ihr gehörig in den Hintern zu treten. Er hatte sie schon vor Stunden hier her bestellt, doch da er vorher noch unter anderem mit Charon über die Sache reden wollte, wartete sie schon eine Ewigkeit. Allerdings vermutete Lily, dass Lucas sie natürlich auch mit Absicht dort schmoren lies. Eigentlich war es verwunderlich, wie lange es gedauert hatte, bis Lucas von dem Vorfall erfahren hatte. Zwar hatte sich Lily keine wirklich große Mühe gegeben, zu verbergen, dass sie sie vor den Attentätern gerettet hatte, aber nur sehr wenige hatte die Sache überhaupt mitbekommen. Was sie letztlich zu der Vermutung brachte, dass Charon letztlich der Mistkerl war, der das Ganze irgendwann doch an Lucas weitergegeben hatte. Und wenn er es tatsächlich war, dann würde sie es ihm auch entsprechend danken. Zwar hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie diesmal auch so ungeschoren davon kam wie die vergangenen Jahre, in denen sie vor allen stets behauptete, dass sie sich Ashley lediglich als Gespielin „hielt“ und sie aufgrund ihrer eher schwachen Fähigkeiten sowieso nie wirklich zu einer Gefahr werden würde. Es hatte Zeiten gegeben, da war ihr bewusst, dass zumindest Charon kein einziges Wort von dem glaubte. Er schwieg sich darüber jedoch aus, denn bisher hatte er ihr nicht das Gegenteil beweisen können. Doch nun sah das anders aus. Lily hatte um Ashleys Willen in eine Angelegenheit eingegriffen, die nicht die ihre war und dann auch noch dafür gesorgt, dass Ashley die Sache überlebte. Lucas war geduldig mit ihr, das war er schon seit Jahrhunderten, weil sie so wie er ein Erzdämon war und im Rat der Dämonen einen Sitz hatte. Doch das bedeutete nicht, dass sie bei ihm Narrenfreiheit genoss. Denn irgendwann musste er reagieren, schon allein um sein Gesicht zu waren, weil er hier zumindest in gewisser Weise die Verantwortung für sie trug. Und nun saß sie hier und erwartete seine Standpauke und sein Urteil. Lily hatte wahrlich besseres mit ihrer Zeit anzufangen gewusst, doch im Moment lies es sich nicht ändern. Das viele Warten hatte auch den Nebeneffekt, dass sie fast ständig an Ashley denken musste, die in ihrem privaten Haus saß und immer noch ziemlich wütend auf sie war. Zu einem gewissen Grad konnte Lily verstehen, dass die Tatsache, dass sie diese andere Schattengängerin zurück lies, Ashley ziemlich an die Nieren ging, denn ihr war es schon früher ziemlich schwer gefallen, solche Dinge zu verkraften. Doch warum konnte oder wollte sie nicht verstehen, dass Lily das alles nur getan hatte, um ihr das Leben zu retten und dass sie ihr wesentlich mehr bedeute als diese Delia es je tun würde. Müde legte Lily den Kopf in die Hände und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Es war schon schlimm genug, dass die meisten Konversationen, die sie mit Ashley führte einsilbige und nichts sagende Sätze waren. Und jetzt saß sie hier und zerbrach sich den Kopf über etwas, dass sie jetzt nicht wirklich ändern konnte. Aus dem einzigen Fenster blickend erkannte Lily, dass die Sonne langsam unterging. Es war bereits Ende Mai und draußen war herrliches Wetter. Es war einer jener Abende, die man gerne für Spaziergänge nutzte oder im Park verbrachte. Oder auch um am Meer einen wunderbaren Sonnenuntergang zu genießen. Gerade als Lily sich vorstellte, wie sie mit Ashley nach langer Zeit mal wieder abends durch die Straßen zog, ging die Tür auf und Lucas schlüpfte herein. Mit einem breiten Grinsen beschwor er einen ziemlich großen Ledersessel aus dem Nichts hervor und setzte sich. Er starrte Lily minutenlang an, ohne etwas zu sagen. Es schien, als wolle er testen, wie lange es dauerte, bis sie die Geduld verlor. Doch Lily spielte das Spiel mit. Auch sie starrte ihn einfach nur an. Schließlich war es ihn wohl zu dumm, diese Kindereien durch zu ziehen und er seufzte. „Da hast du ja was Feines angestellt, meine Liebe.“ Lily rollte mit den Augen „Komm zur Sache Lucas. Ich sitze hier schon lange genug, ich glaube, dass es allmählich doch reicht oder?“ Lucas grinste breit. „Ich habe ausgiebig mit Charon gesprochen. Er hat mir den ganzen Sachverhalt in allen Einzelheiten geschildert.“ Lilys Miene verfinsterte sich „Und was bitte hat er in so vielen Einzelheiten gesagt, dass es sich stundenlang hin gezogen hat?“ Lucas lachte kehlig und lies sich in die Lehne fallen. „Dass es im Moment nicht so gut zwischen euch läuft.“ Lily ahnte, dass er sie provozieren wollte, deshalb wog sie ihre Antwort sorgfältig ab „Charon und ich sind schon seit einer Weile nicht mehr gut aufeinander zu sprechen, aber ich wüsste nicht, was das mit dieser Situation zu tun hat?“ Lucas grinste, er hatte sie durchschaut, lies sich das aber nicht anmerken. „Ich rede nicht von dir und Charon und ich bin mir sicher, dass du das wusstest.“ Lily lies es bleiben, weiter auf seine Spielchen einzugehen „Ich glaube nicht, dass du gut drauf wärst, wenn man dir deinen Bauch aufgerissen hätte. Und selbst wenn, was spielt das für eine Rolle?“ Lucas Grinsen verschwand nach einigen Augenblicken von seinem Gesicht. „Na schön, lassen wir das und kommen zur Sache. Was sollte diese Aktion werden, kannst du mir das verraten?“ Den Kopf schief legend antwortete Lily schließlich: „Ich mag es nicht, wenn andere etwas kaputt machen, dass mir gehört.“ Lucas zischte hervor „Lass diese Ausreden, ich glaube dir nämlich inzwischen kein einziges Wort mehr, wenn es um diese kleine Hure geht.“ Lily lehnte sich auch zurück, innerlich kochte sie vor Wut, aber es gelang ihr, dies zu verbergen. „Was willst du von mir hören, Lucas?“ Wie vom Blitz getroffen stand er auf und ging um Lily herum, dann blieb er neben seinem Sessel wieder stehen. „Die Wahrheit verdammt noch mal. Warum zum Teufel hast du dich in diese Sache eingemischt?“ Er machte eine Pause, in der Lily klar war, dass er keine Antwort erwartete, dann fuhr er fort. „Weißt du, anfangs fanden alle diese Geschichte bewundernswert, du hast es geschafft, Duncan eine Schattengängerin vor zu enthalten und hattest sie völlig in deiner Hand. Aber dann hat er sie doch gefunden und du hast nichts unternommen. Das ist der Moment in dem du sie hättest loswerden sollen. Aber das hast du nicht. Und jetzt hast du in eine Sache eingegriffen und uns gehen langsam die Ausreden für dich und deine Spielereien aus.“ Lily stand auf und sah ihm direkt in die Augen „Erklär mir bitte, vor wem ich mich dafür rechtfertigen muss, meinen Besitz zu beschützen? Die Attentäter sind hirnlose Vollidioten, die sich einen Dreck darum scheren, dass sie mein Zeichen trägt. Du magst vielleicht nicht verstehen, warum ich so viel wert darauf lege, dass andere die Finger von meinen Sachen und meinen Leuten lassen, aber du weißt ja auch nicht, was es heißt, sich die Loyalität seiner Leute gesichert zu haben.“ Lucas schnaubte abschätzig „Als ob sie dir gegenüber so etwas wie Loyalität empfindet, ich bitte dich. Das ist etwas ganz anderes.“ Lily kam auf ihn zu, langsam reichte es ihr mit seinen abschätzigen Anspielungen. In ihr brodelte es und es fehlte nicht mehr viel und sie würde explodieren. „Bis jetzt hat sie sich noch nie in meine Sachen eingemischt, oder? Sie hat keinen großen Stellenwert für die Schattengänger und sie würde es niemals wagen, mir wissentlich in die Quere zu kommen. Aus welchem Grund auch immer, ist doch völlig bedeutungslos.“ Lucas fixierte ihren Blick „Hast du sie gefragt, weshalb sie bei der Ruine war?“ Lily zuckte kaum merklich zurück, sie hatte geahnt, dass er sie das fragen würde. Und für einen kurzen Moment wusste sie nicht, wie sie darauf antworten sollte, aber sie fing sich wieder, bevor Lucas Verdacht schöpfen konnte. „Sie war mit dieser anderen dort. Anscheinend hat Duncan versucht sie besser in seine große, glückliche Familie zu integrieren. Aber ansonsten hatte sie keine Ahnung. Wieso, denkst du, sie ist so wichtig, dass sie mehr weiß, als wir? Ich bitte dich.“ Lucas Gesichtsausdruck verriet, dass er ihr zumindest einen Teil dieser Geschichte abkaufte. Doch wenn er herausfand, weshalb Ashley – vermutlicherweise – wirklich dort gewesen war, dann würde er darauf bestehen, dass sie verhört wurde. Und Lily war klar, dass Lucas dann nicht im Sinn hatte, dass sie das Ganze überlebte. Um Lucas die Gelegenheit zu nehmen, noch länger über ihre Worte nach zu denken, fügte sie hinzu: „Kannst du mir endlich sagen, wie du mich bestrafen willst? Ich bin es leid hier rum zu sitzen.“ Lucas ließ sich wieder in ihrem Sessel nieder. „Ich werde dich noch mal davon kommen lassen. Ich denke, ich kann es dem Rat und den anderen Dämonen gut verkaufen. Aber ich warne dich: Falls du wegen ihr noch einmal über die Stränge schlägst, werde nicht ich, sondern der gesamte Rat über dich entscheiden. Und du weißt, dass die keine deiner Mätzchen tolerieren werden.“ Lily wandte sich zur Tür und noch ehe sie „Soll mir recht sein.“ zu Lucas gerufen hatte, war sie auch schon nach draußen verschwunden. Er stand auf und lies den Sessel wieder verschwinden und ging auch hinaus auf den Gang. Auf dem Weg zu seinem Büro kam ihm Charon entgegen. „Sag mir nicht, dass du sie hast gehen lassen.“ Lucas ging an ihm vorbei. Ein paar Meter weiter meinte er schließlich beiläufig: „Ich glaube, dass ich das zu entscheiden habe und nicht du, Charon. Ich weiß, dass du diese Schattengängerin loswerden willst, weil deine Frau dir wegen ihr Hörner aufsetzt, aber das ist eine Sache zwischen euch und interessiert mich nicht.“ Charon war sichtlich wütend wegen dieser Aussage, jedoch konnte er vor Lucas nicht einfach vor Wut ausflippen. Er war schließlich in einer wesentlich höheren Stellung als er. Lucas schien seinen Zorn aber bemerkt zu haben. Er blieb stehen und meinte: „Lass Lily meine Sorge sein und kümmere dich um deine Aufgaben.“ Er ging weiter und lies Charon einfach stehen. Der meinte aber schließlich „Wo wir gerade davon reden… ein paar Unterweltler haben uns darüber informiert, dass nicht weit von hier ein kleines Kind die Fähigkeiten eines Schattengängers besitzt.“ Er zog einen kleinen Aktenordner hervor und gab ihn Lucas. In dem Ordner waren auf ein Blatt Papier einige Notizen und gemacht worden und ein Foto angeheftet. Lucas sah erstaunt auf: „Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?“ Charon grinste diabolisch „Oh doch, das ist es. Ein… angenehmer Zufall.“ Lucas legte alles in den Ordner zurück und gab es Charon und sagte: „Kümmere dich persönlich darum und sorg für die nötige Diskretion, hast du verstanden.“ Charons Grinsen wurde breiter: „Voll und ganz, mein Lord. Ich werde mich unverzüglich darum kümmern.“ Und dann ging er in die andere Richtung zum Fahrstuhl, während Lucas zu seinem Büro ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)