Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 16: Der verschwundene Schattengänger -------------------------------------------- Duncan stand am Fenster der großen Bibliothek. Er starrte hinaus in die Dunkelheit. An der hohen Klostermauer hingen lediglich ein paar schwache Lampen, denen es aber kaum gelang, das Dunkel zu vertreiben. Es reichte gerade noch dazu, den Schnee am Boden in Licht zu tauchen, doch ein paar Meter weiter konnte man mit Sicherheit nicht einmal mehr sehen, wohin man trat. Das Schneegestöber vor einem Monat hatte fast einen ganzen Meter Schnee gebracht. Danach hatte es keine einzige Flocke mehr vom Himmel gewirbelt. Allerdings blieb es immer noch sehr kalt, weshalb der Schnee immer noch lag, inzwischen jedoch hart und festgefroren war, so dass jeder, der einen Schneeball auf einen anderen werfen wollte, befürchten musste, ihm oder ihr den Schädel ein zu schlagen. Aus den Augenwinkeln blickte Duncan auf die Uhr an seinem Handgelenk. Er wartete nun schon eine halbe Stunde und er war wahrlich nicht für seine Geduld bekannt. Also begann er damit, ziemlich ungeduldig im Raum auf und ab zu gehen. Endlich, nach einer halben Ewigkeit wie ihm schien, öffnete sich die große Tür und hastig trat Emma ein. Sie schnaufte und japste nach Luft, als ob sie den ganzen Weg von der Stadt her gerannt war – was wohl auf die eine oder andere Art und Weise nicht ganz falsch war. Duncan blickte verärgert, doch wollte er ihre Verspätung nicht zum Thema machen, es gab wichtigeres, wahrlich wichtigeres als ihre Unpünktlichkeit. Er zeigte auf einen Stuhl am großen Tisch und sie lies sich wortlos nieder. Sein Blick allein bedeutete, dass sie im Moment lieber nichts sagen sollte. Es vergingen ein paar Sekunden bis auch er sich in einem Sessel niederließ. Dann beugte er sich vor und flüsterte „Was ich dir jetzt sage, darf diesen Raum niemals und unter keinen Umständen verlassen.“ Er wartete kurz, bis Emma nickte. Dann lehnte er sich wieder zurück und holte tief Luft „Ich habe einen speziellen Auftrag für dich, der wichtiger ist, als alles andere, womit du im Moment beschäftigt bist.“ Er machte eine Pause und wieder nickte Emma. Dann fuhr Duncan fort. „Ich habe seit Wochen nichts mehr von Randolph gehört. Er war nach unserer Zusammenkunft vor einem Monat mit dem Auftrag, Informationen an Sebastian weiter zu geben weggeschickt worden.“ Wieder machte er eine Pause, doch er wartete nicht auf Emmas bestätigendes Nicken. Dieses Mal stand er auf und ging ein paar Schritte. Er wandte Emma schließlich den Rücken zu, als er weiter sprach. „Das Problem ist, dass er dort nie angekommen ist. Es gibt auch keine Nachricht von ihm. Und da auch sonst niemand mehr etwas von ihm gehört hat, müssen wir das Schlimmste annehmen.“ Emma holte tief Luft. So ganz war ihr nicht klar, was Duncan von ihr wollte. Sie war eigentlich nicht dafür zuständig, verschwundene Shadowwalker ausfindig zu machen, dafür gab es andere Leute, die Sucher zum Beispiel. Duncan drehte sich wieder um. „Das größte Problem ist zu meinem Leidwesen nicht einmal, dass er vielleicht getötet wurde, … es ist weitaus schlimmer.“ Emma runzelte die Stirn, erst jetzt wagte sie es, zu sprechen „Was in Gottes Namen könnte schlimmer sein?“ Duncan schaute grimmig drein. „Randolph wusste sehr viel. Wenn er in die Hand der Dämonen gefallen ist und denen klar war, was sie an ihm hatten, dann müssen wir davon ausgehen, dass er ihnen früher oder später alles verraten hat, was er weiß und das wäre… nicht akzeptabel.“ Emma sah ihn finster an aufgrund seiner Wortwahl. Manchmal hatte Duncan schlichtweg nicht die Fähigkeit, die Sicherheit seiner Leute über die Sicherheit der Mission zu stellen. In einer feuchtfröhlichen Nacht hatte Emma ihn sogar mal als Verheizer beschimpft und seine Untergebenen waren das Kanonenfutter. Nüchtern und schon gar nicht in seiner Gegenwart würde sie niemals daran denken, ihm so etwas an den Kopf zu werfen. Niemand würde das wagen. „Was willst du dann, dass ich mache?“ sagte sie, nachdem sie sich einigermaßen wieder auf das Thema konzentrierte. Duncan setzte sich wieder, bevor er antwortete „Ich will, dass du entweder ihn findest oder in Erfahrung bringst, was mit ihm geschehen ist und das so bald wie möglich, damit wir entsprechend reagieren können.“ Emma nickte, sie wollte gar nicht wissen, was für eine Art von Reaktion das ganze nach sich ziehen sollte. Für Duncan war diese Unterhaltung damit beendet, jedoch nicht für Emma. „Was ist mit Ashley?“ Duncan antwortete erst nicht. Es schien so, als ob er sich genau überlegte, was er jetzt sagen wollte. „Was soll mit ihr sein?“ war schließlich alles was er sagte. „Du hattest mich beauftragt, sie im Auge zu behalten und die Sache zwischen ihr und Lily etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Was wird aus diesem Auftrag?“ Duncan spitzte die Lippen. Er wollte dieses Thema tunlichst vermeiden und hatte eigentlich gehofft, dass Emma nicht nachfragte. „Nun, du hast mir berichtet, dass Ashley und Lily das letzte Mal vor vier Wochen miteinander… Kontakt… hatten. Also denke ich, dass es nicht nötig ist, dem noch länger mehr Aufmerksamkeit zu schenken als nötig.“ Emma wollte das aber nicht hinnehmen. „Wer passt dann bitte auf sie auf? Ich meine seit sie mit Mike und Delia rumhängt, muss sie fast jeden Abend jemand sturzbesoffen aus dem Angel Dust nach Hause bringen.“ Duncan ignorierte diese Aussage. Er sagte gar nichts, er wollte nicht darüber diskutieren. Doch Emma schon. Und es war ihr völlig egal, ob sie ihn damit sauer machte. Dieses Mal gab sie nicht klein bei. „Und es ist wohl auch nicht so wichtig, dass sie tagsüber immer wieder mal für ein paar Stunden aus der Stadt verschwindet und keiner weiß, wo zum Teufel sie gewesen ist. Macht dir das keine Sorgen, Duncan?“ Dass sie ihn direkt ansprach, gab wohl den Ausschlag dafür, dass Duncan die Nase voll davon hatte, sie zu ignorieren. „Schluss jetzt damit. Du hast deine Befehle und Ashley hat die ihren und ich erwarte, dass ihr beide sie befolgt. Und was ihr ansonsten in eurem Privatleben anstellt ist mir ziemlich egal. Vielleicht tut sie das, was sie tut, weil es Teil ihres Auftrages ist. Was auch immer, du hast deine Anweisungen und ich erwarte, dass du sie befolgst.“ Allein der scharfe Ton, in dem Duncan zu Emma sprach, zeigte ihr, dass sie jetzt wohl lieber gehen sollte. Ohne ein weiteres Wort machte sie auf dem Absatz kehrt und verlies die Bibliothek. Duncan blieb alleine zurück. Und nachdem er in einem anderen bequemen Sessel in der Ecke Platz genommen hatte, widmete er sich einem seiner Tagebücher. Er blätterte durch das alte, in Leder eingebundene Werk, bis er schließlich die Seite fand, die er gesucht hatte. Als Überschrift stand dort nur ein Datum vor etwa sechs Jahren und ein Name: Ashley. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)