Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 5: Lucas ---------------- Während der Schnee gegen Abend hin langsam nachließ, wollte der Wind sich von diesem Umstand nicht beirren lassen. Heftige Böen peitschten in der Stadt um die Häuser und bliesen so manch einem, der sich noch traute bei diesem Wetter vor die Tür zu gehen die eine oder andere Schneeflocke vom Boden aufgewirbelt ins Gesicht. Im menschenleersten Viertel der Stadt, dem Industriegebiet stand eingeschlossen von hohen Mauern und Zäunen ein großes Bürogebäude, dass die umliegenden Hallen und Häuser um mindestens zwei Stockwerke überragte. Am großen Tor welches auf das großzügige Gelände führte hing ein Schild, das jedem, der er es las erklärte, dass der Komplex dahinter leer stand. Doch dass trotz dieser Aussage dort dennoch täglich mehrere Dutzend Leute ein und aus gingen, schien niemandem aufzufallen geschweige zu interessieren. Wenige Meter vom nördlichen Ende des Grundstücks waren mehrere Straßenlampen ausgefallen und der Gehweg lag ein ganzes Stück im Dunkeln. Aus diesem Dunkel erschien nun eine in einen schwarzen Ledermantel gekleidete Person. Eine Kapuze hatte sie tief ins Gesicht gezogen, doch unter dem Rand lugten wachsam ihre Augen hervor und nahmen alles war, was um sie herum geschah. Als die dunkle Gestalt das Tor erreicht hatte, sprang es wie durch Zauberhand auf und gewährte ihr Einlass. Zielgerichtet ging sie auf das Bürogebäude zu, dessen Eingang im Dunkeln lag. Im Näher kommen erkannte sie zwei groß gewachsene Männer, welche die Eingangstür flankierten. Die Gestalt nahm die Kapuze ab und zum Vorschein kamen lange dunkle Haare, die ein wenig ins Gesicht der Frau fielen. Ihre eisblauen Augen schienen in der Dunkelheit zu leuchten und fixierten die beiden Männer. Einer der beiden nickte schwach, während der andere den Griff der Tür nahm und sie für die Frau aufhielt. Sie huschte an den beiden ohne eine Geste oder ein Wort der Begrüßung vorbei und folgte dem Korridor bis zum Ende, wo ein Aufzug mit schwarzen Metalltüren war. Sofort nachdem sie den Knopf gedrückt hatte, sprang die Tür auf. Sie trat ein. Doch anstatt auf eine der Zahlen zu tippen, fuhr sie mit der Hand etwas weiter oben über ein silbernes Schild, auf dem das zulässige Transportgewicht des Aufzuges stand. Ein piepsendes Signal zeigte, dass der Befehl verstand wurde. Der Aufzug setzte sich in Bewegung, fuhr jedoch nicht nach oben in eines der Stockwerke, sondern trotz der Tatsache, dass das Gebäude augenscheinlich keinen Keller hatte nach unten. Nach einigen Sekunden blieb er stehen und seine Türen öffneten sich. Ein dunkles Mauerwerk dessen einzige Beleuchtung mittelalterliche Fackeln an der Wand waren. Ein langer Gang wand sich vor ihr ohne in sichtbarer Nähe so etwas wie eine Tür an zu kündigen. Die Frau trat aus dem Fahrstuhl, der sich gleich danach wieder schloss. Sie folgte dem Gang, der schier endlos und ohne Abzweigung weiter führte. Nach einigen Minuten erreichte sie endlich eine große Holztür, die aussah als sei sie aus einem mittelalterlichen Schloss entwendet worden. Der Türgriff war aus glänzendem Silber und die Türbeschläge glitzerten, wenn das flackernde Licht der Fackeln darauf fiel. Ohne zu Zögern drückte sie den Griff runter und schwang die schwere Tür mit einer Leichtigkeit auf, als wäre sie aus Papier. Der Raum dahinter war ein groß und Gewölbeartig. So manch einer hätte sich an eine Kirche erinnert gefühlt. Doch es gab keine Fenster. Und anstatt Bänken war ein großer runder Holztisch in der Mitte aufgestellt. Drum herum standen mehrere Stühle aus Holz, deren Sitzfläche mit rotem Samt überzogen waren. Über dem Tisch hing ein goldener Kronleuchter mit unzähligen Kerzen. Er war die einzige Lichtquelle in dem düsteren Raum, wo sich dicht um den Tisch viele Menschen drängten, die ähnlich gekleidet waren, wie die Frau. Manche warfen ihr einen Blick zu und nickten, während sie sich weiter flüsternd mit anderen unterhielten. Andere wiederum nahmen nicht im Mindesten Notiz davon. Lediglich einer schien von ihrer Ankunft etwas mehr angerührt zu sein. Er bahnte sich einen Weg durch die anderen Personen im Raum und ging schnurgerade auf sie zu. „Gehe ich recht in der Annahme, dass es dich nicht schert, dass du während der Besprechung nicht dabei warst.“ Sagte er zu ihr. Einen Moment lang schien es so, als hätte sie ihn nicht gehört, weil sie zwar stehen blieb, aber in die andere Richtung starrte, doch dann wandte sie sich zu ihm um. „Wie du weißt, bin ich in der Position zu kommen und zu gehen, wann auch immer es mir passt. Und außerdem interessiert es mich tatsächlich nicht im Geringsten, was ihr hier alles zu diskutieren hattet.“ Sie wandte sich wieder ab. Er schien beleidigt, lies aber nicht locker. „Es ist nicht unter deiner Würde, dich mit uns ab zu geben. Und außerdem gibt es auch eine Instanz, der selbst du dich beugen musst.“ Ein böses Grinsen huschte über ihr Gesicht, als sie sich wieder zu ihm umdrehte. „Nein, natürlich nicht. Aber du wirst mir sicher irgendwann lang und breit erklären, was ihr besprochen habt, Charon.“ Er starrte sie finster an. „Ich wage, mich nicht daran erinnern zu können, dass du mich zu deinem Nachrichtendienst degradiert hast. Vor allem, da es dich ja sowieso nicht interessiert, was der Rest deiner Brüder und Schwestern zu sagen hat.“ Das Grinsen verflüchtigte sich etwas aus ihrem Gesicht, an dessen Stelle trat ein Ausdruck, der so manch einem Angst einflößend vorkommen musste. „Ich bezeichne niemand hier als meinen Bruder oder meine Schwester. Jeder macht doch hier sowieso nur das, was er für richtig hält und warum sollte ich es nicht genauso machen. Die Menschen interessieren mich nicht. Die vernichten sich auch ohne mein Zutun.“ Charon nickte zwar, doch er war noch nicht am Ende. „Das mag sein. Aber gerade du hast in dieser Geschichte eine bedeutende Rolle zu spielen, Lily. Es ist vorherbestimmt. Das war es immer. Das weiß jeder einzelne Dämon hier im Raum.“ Lily legte ihm eine Hand auf die Schulter und flüsterte ihm ins Ohr. „Dann ist es ja völlig egal, ob ich hier bin oder nicht, wenn ja eh alles vorherbestimmt ist, mein Lieber.“ Obwohl Charon darauf noch etwas erwidern wollte, ignorierte Lily das diesmal. Sie lies ihn einfach stehen, ohne ihn noch eines weiteren Blickes zu würdigen und bahnte sich ihren Weg durch die Menge um den Tisch herum zu einem Mann mit einer roten Samtrobe, der als einziger auf seinem Stuhl saß und mit niemandem redete. Er hatte eine Glatze und einen eher rundlichen Kopf. Seine Augen waren zusammengezogen und fixierten das Geschehen im Raum. Als Lily nur noch wenige Meter entfernt war, sprach er zu ihr, ohne seine Augen auf sie zu richten. „Was verschafft mir die Ehre deines äußerst seltenen Besuches?“ Lily blieb einen Moment stehen, jedoch nicht aus Angst sondern eher aus Respekt. „Du sparst dir wie immer die üblichen Begrüssungsfloskeln, wie ich sehe.“ Sie stand nun neben ihm und erst jetzt hielt er es wohl für nötig, sie an zu sehen. „Ich würde es vorziehen, wenn auch du gleich zur Sache kommst, meine Zeit ist kostbar.“ Seine kalten Augen starrten sie durchdringend an. Der goldene Schimmer, den sie in diesem Licht verbreiteten, hätte so manchen bei diesem Anblick zusammensinken lassen. Doch Lily kannte ihn schon viel zu lange. Sie hatte keine Angst vor ihm, sie hatte auch keinen Grund dazu. „Wie du willst, Lucas.“ Sagte sie schließlich milde lächelnd und lies sich auf einem Stuhl neben ihm nieder, ehe sie fortfuhr. „Ich habe Gerüchte gehört und ich will wissen, ob etwas Wahres dran ist.“ Einen Moment lang verweilte Lucas mit seinem Blick auf Lily, dann wandte er ihn ab. „Das kommt auf die Art des Gerüchtes an.“ Lilys Augen blitzten auf. Sie wusste genau, dass er etwas verbarg und sie war nicht gewillt, auf sein Spielchen ein zu gehen. „Du weißt sehr genau, was ich damit meine. Und du willst sicher nicht, dass ich es hier vor allen Leuten raus posaune oder? Denn es scheint mir so zu sein, als wolltest du nicht, dass sie es erfahren, andernfalls hättest du während dem Treffen die Gelegenheit gehabt alle ein zu weihen.“ Lucas Blick kehrte zu Lily zurück. Seine Augen leuchteten und es war nicht schwer zu erraten, dass er ziemlich sauer auf sie war. Doch sie lies sich nicht beirren und starrte ihm weiter starr ins Gesicht. „Ich habe es nicht bekannt gegeben, weil unsereins nicht die einzigen sind, die davon wissen. Und um es so aussehen zu lassen, als würden wir keine Ahnung haben, habe ich nur eine Handvoll Leute eingeweiht, die sich auf die Suche nach dem Manuskript machen sollen.“ Er hatte den letzten Satz geflüstert und sich danach ganz schnell umgesehen, ob jemand der Umherstehenden im Raum eine Reaktion zeigte, die darauf hin deutete, dass er oder sie etwas verstanden hätten. Doch nichts war zu erkennen. „Wie haben die Schattengänger davon erfahren?“ war Lilys knappe Reaktion darauf. Auch sie beobachtete unauffällig alle am Gespräch nicht Beteiligten im Raum. „Wie ist letztlich nicht relevant. Fest steht, dass einer unserer Bluthunde es bei der Folter einem von ihnen entlockt hat. Eigentlich war es Schade. Mit seinem letzten Atemzug hat er seine Sippe verraten. So eine schwache Kreatur!“ „Heißt das nicht eigentlich, dass die Shadowwalker sich sicher sein können, dass wir es wissen? Was nützt dann die Geheimniskrämerei?“ Lucas zuckte kaum merklich mit den Achseln. „Nun, sie wissen nicht mit Sicherheit, dass wir es wissen, genauso wenig wie wir wissen, was sie jetzt vorhaben. Und wenn sie es zu wissen glauben, dann rechnen sie mit einer starken Reaktion. Und ich bin nicht geneigt, sie ihnen zu geben. Nach einer Weile werden sie überdenken, was sie für so unumstößlich gehalten haben und dann werden sie nicht mehr so vorsichtig sein. Das ist der Moment, in dem wir zuschlagen!“ Mit einem Hämmern auf den Tisch verlieh er seinen letzten Worten Ausdruck. Einige wenige, die dies bemerkt hatten, wandten sich erstaunt zu ihm um, doch ein durchdringender Blick von ihm, lies sie erschaudern und sie wandten sich augenblicklich wieder ab. „Ich glaube nicht so ganz, dass Duncan darauf reinfallen wird. Ich denke er wird alles dafür tun, um zuerst ran zu kommen. Und in dem Moment, in dem es ihnen in die Hände gefallen ist, wird es schwer sein, es ihnen wieder weg zu nehmen.“ Ein grimmiges Lächeln umspielte Lucas Gesicht. „Vielleicht solltest du deine Quelle nutzen, um mehr darüber raus zu finden.“ Lilys Reaktion verriet, dass Lucas zum ersten Mal einen Nerv getroffen hatte. Ihre Blicke durchbohrten ihn fast und sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Du weißt sehr genau, dass ich das nicht mache. Und ich dachte, dir schon vor einer Weile mitgeteilt zu haben, dass diese Quelle mir sowieso nicht mehr besonders viel nützen könnte.“ Er hob beschwichtigend die Hände und grinste nun von Ohr zu Ohr. „Schon gut, ich hab schon verstanden. Mich interessieren deine Vergnügungen nicht. Wir finden schon einen Weg uns die gewünschten Informationen zu beschaffen, ohne dein privates Vergnügen darunter leiden zu lassen. Deine Projekte sind deine Projekte.“ Lily beruhigte sich wieder und lehnte sich entspannt im Stuhl zurück. „Genau. Und deshalb werde ich mich auch wieder meinen Projekten widmen. Und bei deiner Schnitzeljagd wünsche ich dir viel Spass.“ Mit diesen Worten stand sie schließlich auf und verlies den Raum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)