Das Maleficium von Rahir ================================================================================ Kapitel 39: ------------ Der bedeckte Himmel hing über seinem Haupt wie ein Wächter, der keine Hoffnung mehr hegt, den Flüchtenden halten zu können; Scavo sah dies aber nicht. Seine von der Kraft des Maleficium erfüllten Schritte trugen ihn durch dieses trockene, kalte Land. Er verspürte weder Durst noch Hunger. Er war ganz erfüllt vom Lachen des Geistes darin; des Geistes, der seiner Befreiung harrte und ihm so viel dafür versprochen hatte. Scavo lief, schneller als irgendein Mensch oder Tier, durch diese Wüste, die im selben Moment, wo er sie erblickte, auch wieder zerfiel vor seinen Augen wie ein Gebilde aus Sand, das der Atem der Zeit hatte austrocknen lassen. Ebenso trocken fühlte sich sein Hals, sein ganzer Körper an. Kein Blut floss mehr durch seine Adern, kein Atem wogte durch seine Lunge. Das Drängen, das Schreien, das Lachen des Geistes, der im Maleficium gefangen war, erfüllte ihn zur Gänze und höhlte seine Menschlichkeit immer mehr aus. Sein Geist war eine einzige ausgedörrte Ebene, gleich der, die er durchquerte. Nur, dass sie nicht aus Sand war, sondern aus der Asche seiner verglühenden Persönlichkeit. Nach Stunden, die seinem langsam erstarrenden Geist wie Augenblicke erschienen waren, erblickte er die Stadt. Seine nunmehr schwarzen Augen, aus denen kein menschlicher Glanz mehr leuchtete, tasteten über die Dächer, die im Nebel der Dämmerung lagen. Sie glitten über Türen und hellerleuchtete Fenster, über abgestellte Zugkarren und Straßenlaternen hinweg. Etwas in ihm erwachte bei diesem Anblick. Tief in ihm, wie ein Samenkorn, das unter Schichten von Asche einen zerstörerischen Brand überlebt hatte, regte sich etwas. Je näher er der Stadt, diesem Anzeichen menschlicher Existenz, kam, desto mehr gewann es an Kraft. Es kämpfte gegen die Fesseln, die um Scavos Geist und Verstand lagen, und lockerte ihre Umklammerung. Seine Schritte wurden langsamer. Das Feuer, das seine unnatürlichen Kräfte anfachte und zugleich seine Persönlichkeit aufzehrte, schrumpfte von der boshaft lodernden Flamme zu einem grollenden Glühen zusammen. Scavo schritt zwischen den Häusern hindurch, und sein Blick klammerte sich an ihre Fassaden wie ein Ertrinkender an eine Planke im weiten Ozean. Sein Mund öffnete sich; es kam ihm vor, als hätte er seit langer Zeit nicht mehr geatmet. Die frische Luft, die von den Bergen herabrollte und einen Gruß von fernen Gletschern brachte, füllte seine Lunge. Zum ersten Mal seit Tagen verspürte er Müdigkeit, verspürte er überhaupt etwas. Die Umklammerung des Maleficium lockerte sich. Zugleich fühlte er den düsteren Blick seines Meisters, Ares, der sich in seinen Rücken bohrte, dann aber zurückzog in sein Gefängnis, um dort dem ohnehin Unvermeidlichen zu harren. Vor einem Fenster blieb Scavo stehen. Die Wärme, die seine vom Tau der Nacht benetzte Oberfläche ausstrahlte, fühlte sich wie ein Sonnenaufgang auf seiner pergamentartigen Haut an. In seinen Augen, die schwarz wie Seen aus Teer waren, regte sich ein Funke, eine Spiegelung des Lichts aus dem Fenster. Sein Mund bewegte sich und versuchte Worte zu formen, wollte eine längst vergessene Sprache anstimmen. Die Sprache der Menschen. Doch was er suchte, war zu tief verschüttet, und so ging er weiter. Seine langsamen Schritte bedurften nun keines unnatürlichen, verzehrenden Feuers mehr. Die Erschöpfung, jenes Gefühl, das ihm wie aus einer vergangenen Zeit stammend vorkam, füllte seine Glieder aus und verdrängte die Leere in ihnen. Er gestattete sich zu seufzen und zu gähnen. Bruchstück für Bruchstück kehrte seine Menschlichkeit zurück. Scavo ließ dieses beunruhigende und zugleich verlockende Gefühl die Oberhand erringen. Er spürte dabei keinen Widerstand mehr aus dem Maleficium, dessen Sturmwind seinen Geist entblößt hatte von menschlichen Regungen, so wie der Orkan Baumkronen mit seinem ungestümen Zerren entlaubt. In einer Gasse zwischen zwei der sich in die Dunkelheit duckenden Häuser suchte er Schutz. Er lehnte sich gegen die Wand und sank langsam zu Boden. Nun spürte er fast keinen Druck mehr aus dem Maleficium. Die Hand, die seinen Geist umschlossen gehalten hatte, lockerte ihren Griff. Etwas Fremdes kam zurück in seinen Geist, so wie der Schaum der Meeresgischt an leeren Stränden Fußstapfen ausfüllt, die ein Reisender an ihrem Gestade hinterlassen hat. Scavo schloss die Augen, und dieselbe Wärme, die ihn vorher aus dem Fenster angeleuchtet hatte, tauchte nun aus seinem Geist auf. Und sie brachte Erinnerungen mit. Erinnerungen an ein Haus und dessen Zimmer, in denen Möbel aus nachgedunkeltem Holz sich eng an Mauern voller behaglicher Wärme schmiegten. An ein Fenster, durch das das Licht des Frühlings hereinschien, und sein Grün mitsamt dem Zwitschern goldgelber Vögel mit sich brachte. An einen Tisch, auf dem zwischen Kerzen und Papierrollen Speisen standen, deren belebenden Duft er in der Nase spürte. Er saß an diesem Tisch, über ein Pergament gebeugt. Die Augen schmerzten, weshalb Scavo sich aufsetzte. Er rieb sie mit beiden Händen und atmete dabei tief den Duft des Frühlings ein. Dann blickte er zum Fenster, vor dem Beete mit überquellender Blumenpracht, leise vom Wind bewegt, den herannahenden Sommer erwarteten. Sein Blick ging weiter, über den gewundenen Pfad aus Pflastersteinen, der zum Zaun aus moosbewachsenem Holz führte. Dahinter lag das Land in stillem Harren; die Sonne schien auf seine Teiche und Haine, in denen das Leben sang und zwitscherte, wuchs und gedieh. Dann sah er die Straße hinunter, auf der eine Gestalt in einem weiten, grauen Mantel schritt. „Meister!“ rief Scavo voller Freude. Die Schüsseln aus erdfarbenem Ton klapperten, als er aufsprang und gegen den Tisch stieß. Seine Schritte, voller freudiger Ungeduld, führten ihn bei der Pforte hinaus und über den gewundenen Pfad im Vorgarten, auf dem ihm sein Meister bereits entgegen kam. „Wie war es in der Stadt? Bitte erzählt, Meister“, drängte Scavo ihn, während er zwischen der Anrichte aus altem Holz, der knisternden Feuerstelle und dem Tisch hin und her lief. Seine Schritte und Bewegungen waren eifrig, ja tollpatschig, und sein Meister betrachtete ihn seufzend. Schüsseln klirrten und Milch wurde verschüttet. Leichter und schneller wäre es gewesen, hätte er sich einfach selbst bedient, doch er blieb an seinem Platz sitzen und sah geduldig zu, wie sein Schüler die Freude, seinen wiedergekehrten Meister zu bewirten, auskostete. „In Urakand? Na ja, wie immer“, brummte der alte Mann in seinen Bart und verzog das Gesicht, während er beobachtete, wie Scavo einen Becher mit Wein zu befüllen versuchte. Dabei stieß er gegen einen weiteren Krug, und in seinem Bestreben, ihn nicht umzustoßen, tat er es schließlich doch und verschüttete auch noch etwas vom Wein. „Ja, aber- verdammt…“, flüsterte Scavo angesichts seiner Tollpatschigkeit, die mit seinem Eifer, alles richtig zu machen, noch zunahm. „Ja, ja, lass mich es einfach machen“, sagte sein Meister und nahm ihm nachsichtig lächelnd den Krug aus der Hand. „Das Haus hast du ja gut versorgt, wie ich sehe“, brummte er anerkennend. „Du hast auch dein Studium nicht vernachlässigt, vermute ich?“ fragte er im Anschluss und hob seine weißgrauen Augenbrauen. „Nein, nein, Meister, ich habe jeden Tag gelernt, ich habe die großen Arkanen studiert, und auch die… wo waren sie gleich…“ Scavo begann, den Stapel Pergamente zu durchstöbern. Dabei fielen mehrere zu Boden. Erschrocken über seine eigene Ungeschicktheit sprang er auf und bückte sich nach den wertvollen Schriften. Dabei stieß er mit seiner Kehrseite gegen den Tisch. Sein Meister verhinderte durch eine schnelle Reaktion das Umfallen eines Kruges. Vorsichtig zog er ihn aus der Reichweite der auf dem Tisch verstreut liegenden Schriften und verdrehte dabei die Augen. „Weißt du was, bleib einfach ruhig sitzen, und frage, was dir unklar erscheint“, sagte sein Meister und lächelte angestrengt dabei. Scavo, die zu Boden gefallenen Schriften vor der Brust, sah ihn aufmerksam an und setzte sich langsam. Dabei legte er die Schriften weg, und sein Meister zog sie mit nachsichtiger Miene aus seinem Einflussbereich. „Das war sicher aufregend, Meister, mit all den bedeutenden Gelehrten eine Konferenz abhalten“, begann Scavo, der seine Füße immer noch nicht still halten konnte und nervöse Bewegungen unter dem Tisch mit ihnen machte. „Wenn du drei Jahrzehnte mit ihnen jedes Jahr konferieren musst, dann siehst du das anders“, erwiderte sein Meister müde, schüttelte dabei den Kopf langsam und senkte den Blick. Aber auch von dieser Geste ließ Scavo sich nicht bremsen in seinem Enthusiasmus und stellte die nächste Frage. „Kann ich beim nächsten Male mitkommen, Meister?“ Aus seinen Gedanken gerissen, blickte sein Gegenüber auf. „Was? Äh… Vielleicht. Ja, nächstes Jahr kann ich dich eigentlich mitnehmen. Wahrscheinlich bist du des Haushütens ohnehin schon müde“, sagte er und lachte leise. „Ja, ich meine, nein, Meister, das mache ich doch gerne…“, erwiderte Scavo hastig. Dabei senkte er den Blick, als würde er sich für etwas schämen. Einen Moment später hob er ihn aber wieder, und der drängende Ausdruck in seinen Augen traf erneut seinen Meister. „Gibt es denn etwas Neues, Meister? Was die Forschungen am Maleficium betrifft… “ Der Ausdruck in seinen Augen gewann an Feuer, und seine zuvor noch vorhandene Scheu wich einer lauernden Erwartung. Die Augen seines Meisters verengten sich, und dessen zuvor offene Haltung erstarrte leicht. „Ich habe meine Bedenken dem Rat gegenüber geäußert. Und du weißt, wie meine Ansicht diesem Gegenstand gegenüber lautet. Er ist gefährlich, und hätte der heilige York geahnt, was mit ihm eines Tages- “ Scavo schreckte hoch. Die harte Mauer drückte in seinen Rücken, und das Maleficium in seinem Beutel brannte an der Seite, als würde es jeden Moment seinen Mantel entzünden. Er schnappte nach Luft und suchte mit schwarzglänzenden Augen nach dem Licht, das sie eben noch erblickt hatten. Doch es war finster und still um ihn. So schloss er sie wieder, um zurückzugleiten in jenen Wachtraum, der schmerzliche Erinnerungen, erfüllt von Wehmut und Bedauern, beschwor, und den er doch nicht loslassen konnte. Es war ihm, als würde er an einem Pfeil in einer Wunde ziehen, was bei jeder Bewegung höllisch schmerzte, den er aber auch nicht einfach darin stecken lassen konnte. Scavo sank in Dämmerschlaf, und das Bild kehrte zurück, wenn auch nun trüber und undeutlicher als zuvor. Giftige Gedanken und Worte begannen den Raum zu füllen, und der Wohlgeruch des Friedens, der zuvor so deutlich in seiner Erinnerung erstanden war, schien verpestet mit Gier und Ehrgeiz. Sein Meister, sonst die Ruhe selbst, wies ihn scharf zurecht. Scavo entgegnete, argumentierte und beschwor ihn, doch nichts davon ließ sein Meister gelten. Die Stimmen erhoben sich, die Worte wurden lauter, die Unterstellungen verletzender. Eine Faust knallte auf den Tisch, womit der Streit zwischen Schüler und Meister erstarb. Der, der die Macht hatte, ihn in die Schranken zu weisen, verließ den Raum und ließ den verwirrten Schüler zurück. Scavo sackte auf dem Stuhl zusammen. Sein Blick ging ins Leere, seine Gedanken kreisten und sein Inneres begann zu kochen. Es war entzündet von Ehrgeiz, von brennendem Verlangen und von Ungeduld. Scavo spürte deutlich, dass er nicht mehr warten konnte, dass seine Lehrzeit lang genug gewesen war und er jetzt handeln musste. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Schwere Dunkelheit legte sich über das Haus und ebenso über seine Gedanken, die an Verwirrung verloren und an Entschlossenheit gewannen. Scavo erinnerte sich deutlich daran, wie er sich in die Kammer seines Meisters geschlichen, wie seine Hände nach dem Tarnumhang aus dem Schrank gegriffen hatten, und wie er in der Tür stehen geblieben war, um einen letzten Blick auf seinen schlafenden Meister zu werfen, der ihm vertraut hatte. Und dem auch er vertraut hatte, bis zu jenem Tag. Seine Schritte waren schnell und von drängender Angst erfüllt. Er wusste, dass er in Wahrheit floh und nicht mehr zurückkehren konnte, doch die Verlockung war stärker. All sein Wissen über das Maleficium formte in seinem Inneren eine Hand, die lockte, verführte, und sein Ego umschmeichelte. Die Verheißungen waren süß, und so gab er sich der Illusion hin, dass eines Tages, wenn er ein mächtiger Gelehrter war, dem durch den Besitz des Maleficium keine Möglichkeit verschlossen blieb, ihm sein Meister dereinst verzeihen würde. Scavo erkannte es nun; aber es war zu spät. Tränen entstanden in seinen schwarzen Augen und flossen über die bleiche Haut seiner Wangen. Der Abgrund hatte ihn mit Tausend Versprechung von Ruhm und Macht gelockt. Das Einzige, das die schwache Flamme seiner Menschlichkeit noch am Lodern hielt, war die Hoffnung, am Boden dieses Abgrundes einen Pfad zurück in sein früheres Leben zu finden. „Sieh dir das mal an. Hast du den hier schon mal gesehen?“ „Nein, mein alter Marberg. Der hat sich wohl verirrt, hi, hi…“ Ein heiseres Lachen drang an Scavos Ohren und weckte ihn aus seinem Wachtraum. Hastig sog er die Luft ein und blinzelte mit seinen schwarzen Augen, die sich in seinem Kopf wie leere Höhlen anfühlten. Sein Kopf drehte sich in die Richtung, aus der die Stimmen kamen. „Ist wahrscheinlich ein Flüchtling. Dieses Gesindel wird immer mehr in letzter Zeit wegen diesem verdammten Krieg“, bemerkte eine Stimme, die Verbitterung durchklingen ließ. „Glaubst du, Karmel? Selbst für einen Flüchtling sieht er zu elend aus. Kaum vorzustellen, dass der die ganze Strecke aus eigener Kraft zurückgelegt hat.“ Scavos Hände tasteten zur Seite und an die Wand hinter ihm. Seine Fingerspitzen fühlten sich immer noch taub und auch irgendwie verbrannt an, als sie über raue Mauersteine glitten. Seine Beine, die sich wie Fremdkörper und nur zufällig an ihrer Stelle platziert anfühlten, schoben den restlichen Körper mit behäbigen Bewegungen empor. Er blinzelte abermals, und die Feuchtigkeit in seinen leeren Augen schwand. Nun erblickte er die Personen, die sich hinter diesen Stimmen verbargen. Im schwachen Licht, das die Straßenlaternen in diese Sackgasse warfen, erkannte er nicht allzu viele Details. Er sah aber, dass die beiden Gestalten bodenlange Kleider trugen, die dem wechselhaften Wetter am Fuß dieses Gebirges Rechnung trugen, und von den Launen des Klimas schon erheblich angegriffen waren. Ihre Gesichter sah er nur undeutlich. Scavo erkannte aber, dass ihre Haut von der starken Sonne dieser Höhenlage sehr dunkel war. Neugierige Augen saßen in diesen Gesichtern, die ihn nun abtasteten. „Na ja, vielleicht hat er ja doch was bei sich, auch wenn er ärmlich aussieht.“ „Das wäre möglich… Er ist auch allein, wie mir scheint“, antwortete der Zweite der beiden. Ein heiseres Lachen mischte sich in seine Worte, das weniger aus Bosheit kam, sondern mehr der Erleichterung Rechnung trug, eine noch heruntergekommenere Gestalt als seine eigene Person gefunden zu haben. „Was… wollt ihr“, krächzte Scavo. Es waren die ersten Worte seit Tagen, seit einem Zeitalter, wie es ihm vorkam. Diese für ihn fremdgewordenen Laute krochen mühsam aus seiner Kehle, stolperten über die Zunge und wären fast an seinen dieser Tätigkeit entfremdeten Lippen hängen geblieben. Und doch erfüllte ihn das Gelingen dieses Ausspruchs mit einer neuen, einer ursprünglicheren Energie als jener, die von dem Maleficium ausging. „Wir wollen nur überleben, nicht wahr, Karmel?“ „Marberg hat Recht. Das sind schlimme Zeiten, für dich genauso wie für uns“, sagte er, und auch diesmal wieder endeten seine Worte in einem Lachen, hinter dessen vordergründiger Bosheit Verbitterung lauerte. Scavo, der zwar ihre Gesichter nicht genau erkennen konnte, dem aber ihr Lachen, ihre Worte und jede leiseste Regung in bunten Farben vor seinen halbblinden Augen erschien, spürte die Verbitterung und die Abstumpfung, die ein Leben im Elend bei diesen Menschen bewirkt hatte. Er sah dieses Lachen nicht, aber er spürte es, genauso wie die hilflose Wut dahinter, geboren aus Verlust und Hoffnungslosigkeit, die sich in Kürze über ihn entladen würde. „Was hast du in dem Beutel?“ fragte die eine Stimme, und sie wurde drängender. Das Bedürfnis, diese Tat hinter sich zu bringen sowie die Bereitschaft, dafür schreckliche Dinge zu tun, war für Scavo so spürbar wie das Gewicht des Maleficium an seiner Seite. „Du hast doch da was drinnen. Zeig es uns“, zischte der Andere. Mehr noch als in den Worten seines Kumpans klang hier das Gefühl durch, nichts mehr zu verlieren zu haben. Die beiden merkten ebenso, dass Scavo sehr wohl etwas zu verlieren hatte, und diese Einsicht richtete all seine verbliebenen Haare auf. „Geht… Geht! Ihr wisst nicht… was ihr tut…“ Diese Worte kosteten Scavo seine ganze Kraft, wodurch er an die Wand zurücktaumelte. Die beiden kamen noch näher, und ihre Hände streckten sich nach seinem einzigen Besitz aus. „Halt den Rand und gib das her. Dann lassen wir dich auch am Leben, ist das etwa nichts?“ fragte eine der beiden Stimmen. Es klang, als würden sie ihm einen ihrer Meinung nach fairen Tausch anbieten. Scavo hätte darüber gelächelt, wäre er dazu noch in der Lage gewesen, und würde er nicht spüren, wie sich das Maleficium an seiner Seite nun rührte. „Nun gib schon her“, schrie eine der beiden Gestalten und packte seinen Beutel. Seine groben Hände bemerkten den schweren Gegenstand darin, und Scavo spürte das Funkeln in den Augen des Wegelagerers, das von erwartungsvoller Gier sprach. „Sag ich doch“, knurrte die Gestalt und riss an dem Beutel. Scavos kraftlose Arme versuchten ihn wegzustoßen, doch die beiden Männer waren weitaus stärker. Einer von ihnen stieß ihn gegen die Wand, an der er hart aufschlug und zu Boden sank. Der andere hob den Beutel hoch und blickte hinein. „Nein… nein… nein…“, wimmerte Scavo. Er spürte deutlich, wie sich sein Herr und Meister erhob und konnte bereits die Schreie aus der sich schnell nähernden Zukunft hören. „Was ist das? Sieht aus wie ein Buch…“, flüsterte einer zum anderen. Dicht beieinander standen sie und blickten in den Beutel, dessen Inhalt ihre Gesichter mit Verwirrung überzog. „Nein!“ keuchte Scavo auf und deutete mit einem dürren Finger auf die beiden. Einer von ihnen warf ihm einen geringschätzigen Blick zu, bevor sich wieder beide ihrer Beute zuwandten. Scavos ausgestreckte Hand zitterte, dann ließ er sie kraftlos sinken. Der Schatten wurde immer länger und traf schließlich auch Scavo. Er hüllte die beiden Wegelagerer vollständig ein, doch sie bemerkten nichts davon. Ihre Augen waren von Gier und der Freude über den allzu leichten Diebstahl erfüllt. Sie sahen noch nicht, welche Dunkelheit sie jetzt einhüllte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)