Das Maleficium von Rahir ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Das Urheberrecht für diese Geschichte und ihre Figuren liegt alleinig bei mir, dem Verfasser. * * * Ein Sternenmeer füllte sein Blickfeld aus wie ein Teppich aus dunklem Samt, in den eine kundige Hand unzählige Brillanten, gleich in tiefer Dunkelheit glitzernder Himmelskörper, eingesetzt hatte. Sie drehten und kreisten um einen Punkt, ein Zentrum, um das dieser ganze Kosmos rotierte. Arme und Nebel, Wolken und Galaxien, aus tausenden und abertausenden Gestirnen, bevölkerten diese Gebilde, deren Ausdehnungen sich erstreckten bis in Fernen, in die keine Menschenseele jemals würde vordringen können… „Ist das schön…“, murmelte er und blinzelte dabei ungläubig. „Nun komm schon, Dorian. Wir haben Arbeit vor uns“, ermahnte ihn Gaubert. Mit Mühe riss Dorian sich vom Anblick der Kristallkugel los. Er nickte der Wahrsagerin zu, einer älteren Frau mit einem buntgemusterten Kopftuch und einem zutraulichem Lächeln, dann kehrte er zurück ins Sonnenlicht, das an diesem Frühlingstag auf die Stadt Galdoria fiel. Draußen vor dem Zelt, auf dem großen Marktplatz der Sanderstraße, warteten bereits die anderen. Gaubert, der ihn ermahnt hatte, stand mit verschränkten Armen da, umringt von Ludowig und Nikodemus, die Ausschau hielten nach den Wachen des Kaisers. „Ich musste mich meiner glänzenden Zukunft vergewissern, das war alles“, sagte Dorian und hob entschuldigend seine bloßen Schultern, die aus seiner schon etwas abgerissenen Weste mit dem Livreekragen hervorschimmerten. Die wohl einst prächtigen und nun schon ziemlich abgenutzten Manschettenärmel hingen verbindungslos auf seinen Unterarmen, rutschten bei der Geste hinauf und wieder hinab, als er seine Arme wieder sinken ließ. „Deine glänzende Zukunft wird aus einer Tracht Prügel von Meister Yannick bestehen, wenn wir unser Soll nicht erfüllen.“ „Na gut. Aber ihr werdet schon sehen…“, begann Dorian, und senkte seine Stimme bei diesen Worten, was ihr einen bedeutungsschweren Klang verlieh. „ –du wirst eines Tages der König aller Diebe sein, ja, ja“, erwiderte die kleine Gruppe im Chor. Dabei schüttelten sie ihre Köpfe und bedachten ihn mit amüsierten Blicken. Dorian verschränkte die Arme und tippte mit den Spitzen seiner abgewetzten Schaftstiefel auf den staubigen Boden des Marktplatzes. „Ihr sagt es. Und dann werdet ihr froh sein, wenn ihr meine Huld habt.“ „Bis dahin ist noch Zeit, euer Hoheit“, erwiderte Gaubert mit spöttischem Unterton. Dann setzte er sich in Bewegung, und die anderen folgten ihm. Auch Dorian ging los, den Kopf in den Nacken gelegt, und eine fröhliche Melodie pfeifend. Sein Blick ging zum beinahe wolkenlosen Himmel, über den einige Seemöwen zogen und seine blaue Unendlichkeit durchmaßen. Dieser Himmel, der über der Stadt Galdoria lag, der Hauptstadt des galdorianischen Reiches. Wie ein ausgetretener Pfad führte die Sanderstraße durch die Stadtmitte. Von ihr aus zweigten zahlreiche Gassen und kleinere Straßen ab und führten weg von der belebten Hauptstraße mit ihren Märkten und Schaubuden, an denen sich Scharen der Bürger vorbeibewegten. Ein Durcheinander herrschte hier aus wohlhabenden Einwohnern in Samtgewändern und höfischen Trachten, aus Handwerkern und Tagelöhnern, deren einfache Lederkluften von Schweiß und Staub erzählten, von den Wachen des Kaisers, deren Rüstungen in der Sonne glänzten, und auch etwas weniger seriösen Bewohnern dieser Stadt. Von Bewohnern wie Dorian, Gaubert und dem Rest ihrer Truppe. Die jungen, beinahe noch halbwüchsigen Burschen streiften mit einer Mischung aus Wachsamkeit und leichtem Gemüt durch die Sanderstraße, bald hierhin, bald dahin stromernd. Mit den Händen in den Taschen und ein fröhliches Lied auf den Lippen, marschierten sie leichten Schrittes durch die Menschenmenge, die sich an den Ständen und vor den Läden drängte. Ihre unschuldigen Gesichter täuschten gekonnt darüber hinweg, dass sich ihre Hände manchmal auch in fremde Taschen verirrten, und dabei selten ohne Erinnerungsstück den Weg zurück an ihren angestammten Platz antraten. „Habt ihr schon das Neueste gehört?“ begann Ludowig, ein hagerer Bursche mit vorhängenden Schultern, der kaum unter seiner tief ins Gesicht gezogenen Kappe hervorblickte. „Erzähl halt“, gab Nikodemus knapp zurück. Die Hände des etwas dicklichen, zumindest aber stämmigen Burschen wanderten an einer reich verzierten Weste vorbei, dessen Besitzer gerade die Auslage eines Ladens betrachtete. Sie wanderten eilig weiter, als er den Blick eines Wachsoldaten auf sich spürte, den er in einiger Entfernung in der Menge erblickte. „Das Maleficium soll in der Stadt sein, seit Tagen schon!“ Ludowigs Aufregung war nicht zu überhören, und seine Hände vollführten rastlose Gesten. „Sag bloß, du willst es klauen“, lachte Dorian, der im Vorbeigehen eine Frucht vom Stande eines Obsthändlers in eine seiner vielen Taschen wandern ließ. „Mann, das wäre es“ Ludowigs begeisterter Blick verlor sich in der Ferne. „Das wäre die Krönung einer jeden Diebeslaufbahn!“ „Dann würde dich Meister Yannick endlich für voll nehmen“, feixte Gaubert. Sein in vielfach geflickten Lederklamotten steckender, hochgewachsener Leib überragte alle anderen um einen halben Kopf. Dies und seine ernsten Züge verrieten, dass er der Älteste ihrer Gruppe war. „Quatsch“, gab Ludowig zurück und winkte miesmutig ab. „Dann gründe ich meine eigene Bande, nein, besser- dann kaufe ich ein Anwesen im Mellenkamp-Bezirk, und lasse alle Banden der Stadt in meinem Auftrag stehlen!“ „Träum nur weiter“, sagte Gaubert kopfschüttelnd und bedachte ihn mit einem mitleidigen Lächeln. „Zerbrich dir lieber den Kopf darüber, wie wir auf unser Pensum kommen.“ „Das ist doch eine Kleinigkeit.“ Dorian blieb verschmitzt lächelnd stehen. Sein Blick ruhte auf einem dicken, kurzen Mann, der lebhaft mit einem Ladenbesitzer diskutierte. Sein in Rot und Purpurtönen schimmernder Wamst spannte über seinem Bauch, und bei jeder hektischen Bewegungen schwang der wohlgefüllte Geldbeutel am Gürtel hin und her. Dorians Augen wurden schmal, sein Mund öffnete sich dafür. Dann ging er, die Hände hinter dem Nacken verschränkt und dabei unschuldig pfeifend, auf den Mann zu. Die restliche Truppe hielt ein und beobachtete die Szene unauffällig, aber mit spürbarer Anspannung. Dorian machte einen Bogen um den Mann, begutachtete den Stand eines Uhrmachers mit gespieltem Interesse, und ließ dabei immer wieder seinen Blick zu dem Mann schweifen, der nach wie vor ein lebhaftes Gespräch mit einem Ladenbesitzer führte. Nickend und Interesse heuchelnd, ließ er seinen Blick über die Vielzahl aus tickenden, ratternden und andere Geräusche produzierenden Uhrwerken gleiten. Der Blick des Standinhabers traf ihn nach kurzer Zeit, und dieser schien seine Profession erraten zu haben. „Suchst du etwas bestimmtes, Bursche?“ fragte ihn dieser mit erhobener Augenbraue und kaum verhohlenem Argwohn. „Nein, danke, ich wollte nur sehen, wie spät es ist.“ Dorian steckte frech grinsend seine Hände in die Taschen und bewegte sich vom Stand des Uhrmachers weg. Dieser warf ihm noch einen skeptischen Blick zu, der erst nachließ, als Dorian außer Griffweite seiner Waren war. Dorian hingegen hatte sein Ziel schon im Visier, und näherte sich ihm in aller Harmlosigkeit. „Die Preise für Bronze-Escutcheons sind exorbitant gestiegen, das macht keine Freude“, säuselte der dicke Edelmann mit näselnder Stimme. „Und ich habe eine ganze Garde damit auszurüsten, welch Unglück für meine Finanzen, nein, nein…“ Auf deine Finanzen kommt ein noch größeres Unglück zu, dachte Dorian, während er sich mit langsamen Schritten dem Mann näherte. Der Ladenbesitzer kam kaum zu Wort und beschränkte sich darauf, zu nicken und den verärgerten Ausführungen des Mannes zu lauschen. Dorian fühlte die Blicke seiner Bandenmitglieder auf sich, und warf einen ärgerlichen Blick in die Menge. Seine Konzentration geriet ins Schwanken, wenngleich er sich geschmeichelt fühlte in solchen Momenten, an denen er ihnen sein Talent vorführen konnte. Jetzt nur nichts falsch machen, sagte er sich vor, und näherte sich dem dicken Mann mit der teuren Bekleidung und dem verlockend hin und her schwingenden Geldbeutel. „Er wird geschnappt, diesmal wird er geschnappt“, flüsterte Ludowig, der vor Aufregung seine Füße nicht mehr still halten konnte und mit ihnen hin und her zappelte. Gaubert warf ihm einen zurechtweisenden Blick zu und räusperte sich dabei. „Wirst du still sein“, sagte er, während er diese Worte mit dem Räuspern abschwächte. „Das bringt Unglück, davon während eines Beutezugs zu reden!“ zischte er ihm anschließend zu. Ludowig empfing noch einen Knuff in die Rippen von Nikodemus, dann hatte er sich wieder im Griff und bemühte sich wieder um demonstrative Unauffälligkeit. Dorian drehte sich um, streckte die Arme aus, als ob er lebhaft gähnen würde, und machte einen Schritt rückwärts. Der füllige Edelmann, den er dabei anrempelte, wandte sich mit zorniger Miene zu ihm um. „Was fällt dir ein, Bengel!“ Dorian hob die Hände und machte ein schuldbewusstes Gesicht. „Ich bitte vielfach um Vergebung, werter Herr! Es tut mir so leid…“, klagte er voller Inbrunst, und klopfte dabei die Rundungen des Mannes ab, wie um sich davon zu überzeugen, dass dessen Rippen bei diesem Zusammenstoß heil geblieben waren. „Finger weg, du Tölpel! Mir ist nichts passiert!“ knurrte er ihn an und schob seine allzu aufdringlichen Hände weg. Dorian verneigte sich in schneller Folge, und der dicke Edelmann reagierte mit einem genervten Gesicht auf diese Gesten der Unterwürfigkeit. „Nun geh schon, du Lump…“, sagte er voller Unmut und verdrehte dabei die Augen. Endlich gelang es ihm, Dorians tastende Hände wegzuschieben. Etwas in seinen Händen blitzte auf, und er griff zu. Die Hand des dicken Mannes schloss sich um Dorians Handgelenk, und drehte es nach oben. Seine Finger hielten den wohlgefüllten Geldbeutel, und Dorian betrachtete ihn, als wäre er vom Himmel gefallen und dabei rein zufällig in seiner Handfläche gelandet. „Das ist ja seltsam… wie kommt der- “ Die Augen des Edelmannes weiteten sich, und Zornesröte stieg in sein Gesicht. Dorian beantwortete diese Reaktion mit einer Unschuldsmiene. „Du elender- “, brachte der dicke Mann mühsam heraus. Sein Gesicht wirkte wie ein vor dem Platzen stehender Kessel, und sein sich vorwölbender Bauch begann zu zittern. „Ich muss dann weiter.“Dorian grinste und wand seine Hand geschickt aus dem Griff des Mannes. Den Geldbeutel streifte er ab, um sich endgültig aus der Klaue zu befreien, und schon wirbelten seine Stiefel Staub auf. „Haltet den Dieb!“ brüllte der Mann aus Leibeskräften, und sein Kopf nahm eine tiefrote Farbe an. Der Ladenbesitzer, in dessen Gegenwart dies alles passiert war, betrachtete ihn mit einer Mischung aus vordergründigem Erstaunen und leiser Schadenfreude. Dorian rannte und glaubte die schwerfälligen Schritte des Mannes hinter sich zu hören. * * * Herzlichen Dank fürs Lesen. Der Autor freut sich über jeden(auch kurzen)Kommentar. Aussagen wie "Schreib schnell weiter!" sind allerdings gegenstandlos, da ich diese Geschichte schon vor über einem Jahr fertig geschrieben habe und sehr bald die weiteren Kapitel posten werde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)