Septembermond von Sunrisepainter (SethxOC) ================================================================================ Kapitel 14: Funkentanz ---------------------- Funkentanz Der nächste Tag begann besser als der davor. Na ja, immerhin hatte ich da festgestellt, dass ich in einem anderen Zimmer aufgewacht war. Außerdem überraschte mich meine Mutter mit einer Überraschung. Ja, ich weiß, dass der Satz so überhaupt keinen Sinn ergibt, aber für mich war es so: Eine Überraschung, die mich wirklich überraschte. »Maddy«, meinte sie mit einem Lächeln, als wir gemeinsam bei einem friedlichen Frühstück saßen. »Rate mal mit wem ich morgen telefoniert habe, als du noch fest geschlafen hast?« »Keine Ahnung«, meinte ich achselzuckend, »mit E.T. ? Von wegen nach Hause telefonieren?« Ich gluckste über meinen eigenen dämliche Witz. Passierte oft, wenn ich gut gelaunt war. »Nein“, meine Mutter grinste immer noch, »mit Miss Gellar. Sie hat gemeint, wenn du ab nächste Woche wieder beim Training bist, könnte das mit New York wirklich was werden.« Ich verschluckte mich an meinem Toast. Keuchend und hustend blickte ich meine Mom an: »Was?« »Soll ich das wirklich nochmal wiederholen. Du weißt schon, was ich meine«, sie verdrehte die Augen. Beinahe hätte ich gelacht, weil sie das noch nie gemacht hatte und das sonst immer mein Part war. »Ich darf echt bei dem Casting mitmachen?« Aufgeregt zappelte ich auf meinem Stuhl hin und her. Sie nickte und schien glücklich zu sein, dass diese Neuigkeit so gut bei mir angekommen war »Aber nur wenn du mir zwei Dinge versprichst.« »Oha, jetzt kommt's«, meine Freude verflüchtigte sich so schnell wie sie gekommen war. »Du musst mir versprechen, dass deine Schule nicht darunter leidet.« »Wenn's weiter nichts ist«, murmelte ich grinsend, »was ist das zweite?« »Das du dieses Casting verdammt nochmal gewinnst«, erklärte sie mit ernsthaften Tonfall. Ich lächelte: »Aber natürlich, Mom. Vielen, vielen Danke“, ich umarmte sie stürmisch und rauschte dann die Treppe hoch, um meine Schulsachen zu holen. Emma sollte so schnell wie möglich davon erfahren. Ich war so überdreht das ich beinahe mein Mathematikbuch und mein Mittagsessen Geld vergaß. »Viel- «, doch weiter kam meine Mom nicht, denn da hatte ich schon dir Tür hinter mir zu geworfen. »Hallo Maddy«, überrascht sah ich auf, als sich Daniel mit einem schüchternen Lächeln an unseren Tisch setzte. »Hi Dan«, Emma hob nur mäßig die Hand, während Shirley ihn freundlich anlächelte und Melanie rot anlief und die Wandfarbe der Cafeteria auf einmal sehr interessant zu finden schien. »Oh, hallo Daniel«, flötete Gloria und warf ihm einen koketten Blick zu. Shirley und Emma verdrehten genervt die Augen und ich hätte ihr am liebsten den Kopf abgerissen. Sie musste auch vor jedem männlichen Wesen eine Show abziehen. »Hi, wie geht’s?«, fragte ich und lächelte ihn gequält freundlich an. »Ganz gut«, nervös fuhr er sich durch das Haar und blickte kurz zu den anderen Vieren bevor er mich wieder ins Visier nahm, „kann ich mal kurz mit dir sprechen? Alleine?“ Das verwunderte mich nun nicht. Irgendwie hatte ich schon damit gerechnet. Emma und ich wechselten einen verschwörerischen Blick. Shirley mochte sonst etwas denken und Gloria durchbohrte mich mit ihrem Laserblick. Die einzige, die nicht reagierte war Melanie. Steif und stumm saß sie da und starrte die Wand an. Ich fühlte mich schlecht, so lange nicht bemerkt zu haben, dass es sie traurig machte, wann immer Daniel mich ansprach oder mir ein Lächeln schenkte. Es tat mir weh sie zu leiden zu sehen und ich hoffte inständig, dass sie das an diesem Abend ändern würde. »Aber sicher«, erklärte ich und stand auf. Er nickte: »Lass uns in die Sporthalle gehen.« Ich zog eine Augenbraue hoch, aber sagte nichts. Überhaupt war es heute ganz seltsam. Ich war viel gelassener ihm gegenüber, während ich vor einer Woche noch einen Herzanfall bekommen hätte, wenn er mich gefragt hätte, ob er mit mir unter vier Augen sprechen könne. Jetzt wartete ich nur ungeduldig darauf, dass er endlich mit der Sprache heraus rückte. »Gestern am Telefon, als du mich gefragt hast, ob ich Lust hätte bei diesem Lagerfeuer mitzumachen, da wollte ich es nicht sagen. Das wäre irgendwie doof gekommen, deswegen mache ich es jetzt«, meinte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Ich lächelte ihn bloß aufmunternd an. Ich war unheimlich neugierig, was er mir wohl so wichtiges zu sagen hatte, dass er es am Telefon nicht konnte. »Ich wollte mich nur entschuldigen, weißt du«, meint er ohne mich anzuschauen, »das, was ich im Wald gesagt habe...das war absolut dumm von mir. Natürlich hast du schon mit mir geredet bevor ich...so..so..« Bevor du so ein eingebildeter Idiot geworden bist?, dachte ich, aber hätte den Gedanken nie laut ausgesprochen. Zumal es nicht stimmte. Immerhin war er gerade dabei sich für seinen Ausbruch zu entschuldigen. Das sprach für ihn. Daniel umfasste meine Schultern und schaute mich fest an. Ich erwiderte seinen Blick ungerührt und zu meinem Erstaunen versank ich nicht wieder in ihnen. Was war mit mir los? Mochte ich ihn denn nicht mehr? »Ich mag dich, Maddy. Wirklich sehr und deshalb möchte ich nicht, dass du böse auf mich bist«, er nahm meine Hand und auf einmal wurde ich unsicher. Irgendetwas in seinen Worten beunruhigte mich. Natürlich durfte ich es mit ihm nicht verscherzen, wenn ich wollte, dass er am Abend zum Lagerfeuer kam. Zugesagt hatte er immerhin bereits. »Das wollte ich dir schon im Wald sagen«, flüsterte er und strich mir eine verrutschte Haarsträhne aus dem Gesicht. Mir kam eine böse Vorahnung, als er sich noch weiter zu mir hinunter beugte. »Ich mag dich mehr als gerne.« Nein, in meinem Kopf schrie alles geradezu, dass es falsch war. Ich konnte Melanie nicht weiter verletzten. Vor allem: ich konnte mir nicht weiter selbst nichts vormachen. Panisch blickte ich in seine braunen Augen. Braun? Seit wann waren Daniels Augen BRAUN? Erst letztens hatte ich doch noch alle möglichen Grünstiche zählen können.Und seit wann hatte seine Haut einen rötlichen Touch...? Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als ich etwas weiches auf meinen Lippen fühlte. Wie erstarrt ließ ich mich von ihm küssen. Durch meinen Kopf rasten tausend Gedanken auf einmal. Mein Kopf drohte in tausend Scherben zu zerspringen, als auf einmal vor mir zwei Gesichter auftauchten. Das eine gehörte eindeutig Melanie. Ihre Augen wirkten leer und verlassen und mehr als nur verletzt. Als hätte ich ihr persönlich das Herz aus der Brust gerissen und wäre darauf herum getrampelt. Schuldgefühle überkamen mich. Das durfte hier nicht passieren. Das zweite Gesicht gab mir den Rest. Meine gesamte Welt geriet damit ins Wanken und auf einmal wusste ich nicht mehr, wo oben und unten ist. Ich wusste nicht mehr wer ich war, doch eines war mir klar: Ohne das altbekannte Lächeln das Gesicht nie verlassen sehen möchte. Der Seth, der mich anguckte, war nicht der Seth den ich kannte. Der, der mich nicht nur einmal gerettet hatte. Nicht, der, der mich auch an meinen schlimmsten Tagen ertrug und mehr war als ein Freund. Er war fast schon wie der große Bruder, den ich mir immer gewünscht hatte. Sein Gesichtsausdruck hatte jetzt aber nichts brüderliches an sich. Seine Augen waren kalt und sagten mir eindringlich, dass ich etwas total falsches Tag. Dies gab mir einen Stoß zurück in die Realität, in der Daniels Lippen immer noch mit meinen verbunden waren. Mit sanfter Gewalt stieß ich ihn von mir und brachte stolpernd einen Sicherheitsabstand zwischen uns. Verwirrt blinzelte er und ich wagte nicht ihn anzusehen. »Tut mir Leid«, murmelte ich und zupfte an meinen Haaren, »aber können wir unser Gespräch auf heute Abend verlegen?« »Aber Maddy...«, in seiner Stimme lag etwas zwischen Wut und Enttäuschung. »Bitte«, flehte ich und blickte ihn nun direkt an. Er sah verletzt aus. »Warum? Warum können wir das jetzt nicht klären? Wenn du mich nicht magst, dann sag es doch einfach!«, meinte er und seine Stimme wurde immer lauter. »Es ist kompliziert«, wisperte ich. Nein, das war es nicht. Ich wusste jetzt, dass ich nicht für ihn bestimmt war. Ich war es noch nie gewesen und ich war froh, dass ich das kapierte bevor es zu spät war. Aber war es das nicht schon? Das schlechte Gewissen überrollte mich erneut. Was sollte ich nur tun? Wenn ich ihm jetzt schon sagte, dass aus uns nie etwas werden würde, dann wäre er vielleicht so wütend, dass er nicht mehr zum Lagerfeuer kommen wurde. Und das war gerade wichtig! Also, dass er kam. Und wenn ich so tat, als hätte mir der Kuss etwas bedeutet, dann wüsste bald die ganze Schule davon. Inklusive Melanie. Und das wollte ich vermeiden. Deshalb blieb mir nur eines übrig. Ich musste alles bis heute Abend hinaus zögern. Keine klare Antwort zu geben, war schon mal ein Anfang. Ich seufzte: »Die Schule ist nicht der richtige Ort dafür. Können wir das auf heute Abend verschieben?« Ein hoffnungsvolles Grinsen erschien auf seinem Gesicht: »Ach so, wenn es nur das ist. Dann freue ich mich schon darauf«, er küsste mich auf die Wange und ging leise lachend davon. Ich stand da wie vom Donner gerührt. Verdammt, so sollte das auch nicht laufen! Ich war völlig verwirrt. Anscheinend schien ihm wirklich etwas am mir zu liegen, aber ich konnte ihn nur als guten Freund betrachten. Ich fühlte mich wie die schlechteste Freundin der Welt, weil ich Melanie immer noch nicht geholfen hatte. Als hinter mir jemand in die Hände klatschte, fuhr ich erschrocken herum. »Wow, da hast du es ja wirklich geschafft dir den coolsten Typen der Schule zu angeln«, spottete Gloria. Die hatte mir gerade noch gefehlt! Wütend zog ich die Augenbrauen zusammen und versuchte so apathisch wie möglich zu klingen: »Ich wüsste nicht, was dich das angeht.« Sie zuckte mit den Schultern und ihr Gesicht zeigte mir wie sehr sie mich ihn diesem Moment verachtete: »Eigentlich interessiert es mich auch nicht. Aber ich hätte ehrlich gesagt nicht Impertinenz meine eigene Freundin so zu verletzen. Die arme Melanie«, sie schüttelte theatralisch den Kopf. Ich lachte schnippisch und blitzte sie an: »Aha. Das aus deinem Mund! Wenn Daniel dir schöne Augen gemacht hätte, dann wäre dir Mel doch völlig egal gewesen!« »Das brauch ich mir nicht vorwerfen lassen«, sie warf ihre Haare zurück und schaute mich von oben herab an, „du bist doch diejenige, die hier mit einem Jungen rumgemacht hat.« Ich wollte gerade zum Gegenschlag ausholen, als eine mir bekannte Stimme nach mir rief. »Seth?«, fragte ich ungläubig und wirbelte herum. Winkend kam der Indianer auf uns zu gelaufen. Und er sah kerngesund aus. So, als hätte er nicht gestern noch im Krankenhaus gelegen. Ging so eine schnelle Heilung überhaupt? Klar, wenn man ein halber Wolf war sicher. »Was machst du hier? Solltest du nicht noch im Krankenhaus sein?«, fragte ich verblüfft. Er strahlte übers ganze Gesicht, als er neben uns stoppte. »Ich bin heute morgen entlassen worden. Wegen guter Führung«, scherzte er. »Geht es dir denn besser?«, fragte ich besorgt. »Klar, bin wieder topfit«, er demonstrierte mir das, indem er seinen Arm kreisen ließ. »Und die haben dich einfach so gehen lassen? Normalerweise behalten sie Fälle wie dich, doch immer noch zu Kontrolle da«, meinte ich misstrauisch. »Nicht, wenn man sich von Dr. Cullen behandeln lässt«, grinste er und kurz blitzte etwas in seinen Augen auf. »Sieh an, sieh an. Ist das nicht der Junge, den du vor kurzem noch so abstoßend fandest?« Ich wurde rot. Gloria hatte ich schon wieder vergessen. So sehr freute ich mich ihn zu sehen. Seth runzelte die Stirn: »Bist du nicht, das Mädchen, dass mir Maddy's Adresse verraten hat?« »Kann sein«, sie schien sich nicht mal dafür zu schämen. Ich warf ihr einen bitterbösen Blick zu. »Du bist heißt Seth Clearwater, oder?«, sie spitzte die Lippen. »Öhm ja«, er zog eine Augenbraue hoch, »dein Name war Victoria? Erika?« »Gloria«, presste sie hervor. »Stimmt. Wie der Papagei meiner Oma!«, Seth schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Ich kicherte leise und Gloria lief vor Wut rot an, doch dann breitete sich ein diabolischen Feixen auf ihrem Gesicht aus. Ich ahnte schlimmes und schluckte hart. »Hey, gehst du heute Abend auch zu dem Lagerfeuer?«; sie versuchte ganz beiläufig zu klingen. Erschrocken riss ich die Augen auf. Wollte sie etwas...? »Du meinst das, was die älteren Schüler eurer Schule immer veranstalten?«, hakte er nach. Die nickte. »Ja, meine Jungs und ich schauen da auch ab und zu mal vorbei. Wieso?« »Ach«, sie warf mir einen vernichtenden Blick zu und spielte mit ihrem Haar, »ich dachte nur, dass du mir Gesellschaft leisten könntest, wenn Maddy mit Daniel beschäftigt ist.« Am liebsten hätte ich ihr den Kopf abgerissen! Auf der Stelle! Stattdessen wurde mein Gesicht nur blass wie die Wand. Seth' Gesichtsausdruck war nicht zu beschreiben. Es war eine seltsame Mischung aus Betrüben, Verwirrtheit und Skepsis. Langsam drehte sich sich zu mir um und seine Miene wurde hart, doch seine Stimme war fast nur ein flüstern: »Ist er...ist er dein Freund...?« »Ich..ähm...nein!«, ich schüttelte heftig meinen Kopf. Für einen Moment zuckte Erleichterung über sein Gesicht. Doch nur bis Gloria wieder den Mund aufmachte: »Nicht? Aber man küsst doch nicht einfach so jemanden!« Dieses Biest. Sie musste immer alles und jeden zerstören. Seth wirkte, als hätte ihm gerade jemand eine Ohrfeige verpasst. Ich wollte eine Erklärung stammeln, doch kein Wort kam mir über die Lippen. »Ich...ich glaube...ich geh dann mal wieder«, meinte Seth mit einem seltsamen Unterton in der Stimme. Gloria grinste: »Also kommst du dann heute Abend?« »Ich weiß es noch nicht«, murmelte er und warf mir eine kurzen Blick zu. »Seth«, flüsterte ich, doch er drehte sich nicht mal um als er wegging. Tränen stiegen mir in die Augen. Warum interessiert es ihn eigentlich, wen ich küsste und wen nicht? Ich wollte ihm hinterher rennen, doch schon nach einem Schritt blieb ich stehen und konnte nicht mehr weiter. Wofür sollte ich mich denn entschuldigen? Er hatte doch gar keinen Grund sauer auf mich zu sein? »Wow, ich wusste gar nicht, dass du gleich an zwei Typen dran bist. Du lässt auch nichts anbrennen, oder?«, die brünette Schönheit neben mir kicherte fies. Meine Hand ballte sich zu einer Faust. Die Wut kochte in mir hoch und ich gab ihr die Schuld für alles. Nur, weil sie wieder mal nicht ihr dreckiges Mundwerk hatte halten können, war Seth tiefer verletzt als jemals zuvor. »Aber rechne dir bloß nicht zu viele Chancen aus, Süße. Nicht jeder Junge kommt mit deinem überhitzen Temperament klar«, seufzte sie. »Halt deinen verdammten Mund!«, knurrte ich. »Sag ich doch«, ich konnte ihr spöttisches Grinsen geradezu hören. »Aber jetzt, wo du an Dan's Lippen klebst, kann ich mir deinen Indianerjungen genauer ansehen. Die Typen aus La Push sind einfach nur heiß. Ich frag mich wie sich seine Muskeln wohl anfühlen...« Das war zu viel. Blind vor Wut schlug ich ihr mitten ins Gesicht, sodass sie benommen einige Schritte zurück taumelte. Den Schmerz in meiner Faust beachtete ich gar nicht. Schwer atmend stand ich da und starrte sie wütend an. Ich hatte nicht mal Mitleid wegen ihrer blutenden Nase. »Gloria!«, kreischte Shirley und kam mit Melanie und Emma im Schlepptau angelaufen, »oh mein Gott! Was ist passiert?« Schlingernd kam sie vor der Verletzten zum Stehen und drückte ihr ein Taschentusch gegen die Nase. »Wer was das?«, fragte Emma schockiert. Melanie war genauso blass wie sie. Gloria hob ihren Kopf. Sie war schon aschgrau im Gesicht, doch sie verriet mich nicht. Sie senkte ihren Blick und hielt den Mund. »Das war ich«, kam es über meine Lippen, bevor ich's überhaupt dachte. Drei Köpfe flogen überrascht zu mir herum. Ich wollte ihre vorwurfsvollen Gesichter nicht sehen. »Es tut mir Leid«, damit drehte ich ihnen den Rücken zu und schlang zitternd meine Arme um mich. Dass Gloria mich nicht verraten hatte, entschuldigte nicht die Tatsache, dass sie so hinterhältig gewesen war, aber es überraschte mich. Meine Freundinnen fragten nicht weiter nach. »Wir müssen sie sofort ins Krankenzimmer bringen«, erklang Melanies weiche Stimme. »Macht ihr beide das«, erklärte Emma. Ich hörte wie die beiden mit Gloria davon gingen. Dann standen meine beste Freundin und ich alleine auf dem Gang. Gerade in diesem Moment läutete der Gong das Ende der Mittagspause ein. Die Schüler stürmten an uns vorbei, doch wir nahmen sie gar nicht wahr. Auch nicht ihre neugierigen Blicke, die geradezu fragten, warum wir denn nur einfach so da standen und uns nicht bewegten. »Na ja, wenn du ihr schon eine scheuerst, dann muss sie es auch verdient haben«, erklang Emmas Stimme neben mir. Überrascht blickte ich sie an. Sie grinste. Ich grinste zurück und dann machten wir uns Arm in Arm auf den Weg in den nächsten Unterricht. Das war das, was ich an Em so mochte. Sie verstand mich, auch wenn ich ihr nichts erzählte und sie akzeptierte meine Entscheidungen, auch wenn sie manchmal mein schlechtes Gewissen war. Gloria sahen wir für den Rest des Tages nicht und zu meiner Freude machten mir auch Melanie und Shirley einen Vorwurf. »Manchmal würde ich ihrem vorlauten Geplapper auch mal eine Ende setzten. Du hast uns im Endeffekt allen einen Gefallen getan, auch wenn es mich im ersten Moment echt erschrocken hat«, meinte die Engländerin später. Mel sagte wie immer nichts. Sie hatten eben mit jedem Mitleid, egal ober er es verdiente oder nicht. Ich fühlte mich deshalb noch viel schlechter, wegen der Sache mit Daniel. Wahrscheinlich würde sie sich sogar noch meine Brautjungfer spielen, wenn er mir einen Heiratsantrag machen würde. Ich schüttelte mich bei diesem Gedanken. Am späten Nachmittag rief Mrs. Sheepish bei Emma an und offenbarte ihr, dass Gloria nicht mit uns kommen wurde, da sie sich einen Nasenbruch zugezogen hatte. Sie offizielle Geschichte war, dass sie ausgerutscht und auf ihr Gesicht gefallen war. Als ich davon hörte, wollte ich am liebsten sofort zu ihr fahren und mich entschuldigen, doch es war Emma die mich überraschenderweise davon abhielt. Mit der Begründung ich hätte eine wichtigere Mission vor mir. Und so saßen wir zu viert auf die Rückbank gequetscht in Tylers Toyota, den er extra für seinen ersten erfolgreichen Tag am College bekommen hatte. Die Fahrt zum Strand war ziemlich lustig und so kam es, dass sich meine Laune wieder besserte. Von meiner Mutter eingepackt in dicken Jacken stolperte ich hinter meinen Freundinnen aus dem Wagen und vertrat mir erstmal die Füße. Erst dann hatte ich Zeit mich umzusehen. »Pah, von wegen kleiner Kreis, wie Tyler meinte«, feixte Emma neben mir, »hier ist ja die halbe Schule versammelt.« Und sie log nicht. Es liefen mindestens sechzig Schüler da herum. Einige Gesichter kamen mir bekannt vor, andere nicht. Wobei letzteres eindeutig überwog. Einige Jungen aus der Oberstufe hatten schon ein großes Lagerfeuer entfacht. Jemand klimperte auf seiner Gitarre und Mädchen kicherten. »Hey, ich stelle euch einige von meinen Freunden vor«, erklärte Tyler grinsend. Er lief hinüber zu einer Gruppe Jugendlichen, die etwas abseits stand. »Also, dass hier sind Jessica, Eric, Angela und Mike«, erklärte er und deutete auf jede Person, »genau wie ich sind sie im Abschlussjahrgang.« »Was geht ab?«, der junge mit blonder Igelfrisur, der anscheinend Mike hieß, gab ihm ein High Five. »Und das hier sind Michelle, Peter und David kennt ihr ja.« »Leider«, flüsterte Shirley und warf Daniel Montella einen genervten Blick zu. Der sah auch nicht begeistert aus: »Ey Tyler, warum hast du die mitgebracht«, beschwerte er sich. »Die sind zufällig meine Schwester und ihre Freundinnen«, knurrte Ems Bruder. Der jüngere Junge zog den Kopf ein, als hätte er Angst vor ihm. Wir konnten uns gerade noch ein Kichern verkneifen. Von da an ignorierte uns David gezielt. Vielleicht war es auch besser so. Während sich Melanie, Emma und Shirley höflich mit den anderen unterhielten, scannte ich mit meinem Blick die Leute um uns herum ab. Und es gab nur zwei Gesichter, die mich in diesem Moment interessierten. Das eine entdeckte ich nicht weit von mir entfernt. Ich zupfte Emma leicht am Pullover und nickte dann mit meinem Gesicht in die besagte Richtung. »Gut, gekommen ist er schon mal«, flüsterte sie zufrieden, »also können wir jetzt anfangen.« »Ja«, stimmte ich zu. Emma flüsterte Shirley schnell etwas ins Ohr und sie nickte. Und dann war ich dran. »Hey Leute, schaut mal. Da ist Dan. Wir sollten ihn mal begrüßen«, erklärte ich gespielt fröhlich. »Ach nee, ich bleib hier. Auf den hab ich jetzt keine Lust«, erklärte Shirley und verzog das Gesicht. »Ich auch nicht«, meinte Emma. Ich schob meine Unterlippe vor: »Ach kommt schon. Ich habe keine Lust alleine zu gehen.« »Hey, Mel geht doch bestimmt gerne mit«, Shirley gab der Dunkelhaarigen einen Stoß in die Seite. Melanie wurde knallrot im Gesicht und schüttelte heftig ihren Kopf. »Ach komm schon. Nur mal schnell hallo sagen«, bittend sah ich sie an. Melanie biss sich auf die Unterlippe. »Ich kann mitkommen. Ich wollte sowieso gerade zu ihm«, erklärte David, wurde jedoch von Shirley zurückgehalten. Sie setzte ihr lieblichstes Lächeln auf, sodass es dem von Gloria schon Konkurrenz machte und klimperte mit den Wimpern. »Du bist doch im Ruderverein oder? Kannst du mir nicht mal erzählen, was ihr da so macht? Ich würde auch gerne eintreten.« Für einen Moment blickte er sie nur verwirrt an, doch dann grinste er und begann ihr stolz zu erläutern, was für Preise er schon mit seinem „herausragenden Rudertalent“ schon gewonnen hatte. Sie machte eine leichte Handbewegung, die uns dazu aufforderte schnell zu verschwinden. Ich nickte und packte die überrumpelte Melanie am Ärmel. Als wir außer Reichweite waren schüttelte ich mich vor Lachen. Meine Freundin war mir einen irritierten Blick zu. Ich schüttelte nur den Kopf uns grinste. Shirley war eigentlich dafür bekannt, dass es nichts gab was sie mehr hasste als jegliche Arten von Sport. »Schon gut. Es war nicht so wichtig«, meinte ich und zog Melanie weiter. Diese wurde von Sekunde zu Sekunde konfuser. »Warum willst du unbedingt, dass ich mit zu Daniel komme«, murmelte sie und wurde wieder rot. »Einfach so«, meinte ich und verfluchte mich selbst, wegen den seltsamen Unterton in meiner Stimme. Doch Mel hatte keine Chance mehr zu entkommen, denn Daniel hatte uns bereits entdeckt und kam auf uns zu. Mel gab ein quietschendes Geräusch von sich und wollte sich hinter mir verstecken, doch ich hielt sie davon ab. »Hallo Maddy«, er schien den Vorfall von heute morgen schon wieder vergessen zu haben, denn er grinste mich breit an. Ich erwiderte das Lächeln halbherzig: »Hey Dan. Danke, dass du gekommen bist.« »Nachdem dir das so wichtig war«, er kratzte sich am Hinterkopf und beugte sich dann vor, um mich wieder auf die Wange zu küssen. Doch diesmal war ich schneller. Ich schob die arme Melanie vor mich. »Hey Dan, kennst du schon meine Freundin Melanie Stroud?« Diese wandte sich in meinen Armen und wagte es nicht aufzusehen. Zugegeben ich war ein wenig erbarmungslos, aber das musste ich auch sein, wenn das hier klappen sollte. Daniel zog argwöhnisch die Augenbrauen zusammen: »Ja, ich hab sie schon mal gesehen.« »Super, dann könnt ihr euch ja mal kurz unterhalten, denn ich muss eben noch jemanden suchen«, erklärte ich munter. Beiden klappte der Unterkiefer hinunter. Dem einen vor Verwunderung und Überraschung und der anderen vor Angst. »Aber Maddy, ich dachte...«, begann Daniel. Und Melanie zog mich kräftig am Arm. »Du kannst mich noch nicht mit ihm alleine lasen«, flüsterte sie mir aufgeregt zu und wurde noch röter als sie sowieso schon war. »Ich bin doch gleich wieder da«, versprach ich, »wartet einfach hier. Ihr könnt euch ja über Tennis unterhalten. Melanie hat auch mal gespielt.« Sie wurde blass im Gesicht, doch Daniel wirkte auf einmal sehr interessiert: »Echt?« Sie nickte schüchtern und wandte den Blick ab. Ich drückte kurz aufmunternd ihre Hand und verschwand dann so schnell wie möglich. Nachdem ich einmal um das ganze Lagerfeuer gerannt und dabei in diverse Menschen gelaufen war, fand ich eine Stelle, die gut geeignet war, um die beiden zu beobachten ohne das sie mich bemerkten. Mit Freude stellte ich fest, dass sie sich wirklich unterhielten. Melanie war noch etwas zurückhalten, aber ich konnte selbst aus der Ferne das kleine Lächeln auf ihren Lippen sehen. Mein schlechtes Gewissen beruhigte sich etwas. Vielleicht brauchten wir alle nur Zeit. Ich seufzte vernehmlich. »Doch eifersüchtig?«, fragte eine Stimme neben mir. Ich sah auf und lächelte kopfschüttelnd. »Er hat sie mehr verdient als mich.« »Sag so etwas nicht«, Emma setzte sich neben mich in den weichen Sand, »du bist doch auch ein toller Mensch. Du bist lustig, zuverlässig, ein Naturtalent im Tanzen...« »Hör auf«, lachte ich und schlug ihr spielerisch auf den Arm, »ich werde ja noch ganz rot.« »Aber es ist nichts als die Wahrheit«, meinte sie ernst und legte einen Arm um mich. Für einen Moment saßen wir schweigend nebeneinander und starrten dem flackernden Feuer zu. Die Flammen sahen aus, als würden sie einen fröhlichen Tanz aufführen. Eine Mischung aus heißem Tango und coolem Hip Hop. Obwohl jede Flamme für sich tanzte, tanzten sie auch irgendwie zusammen, sodass das Gesamtbild einfach perfekt war. Fasziniert beobachtete ich sie dabei und es war das erste Mal an diesem Tag, dass ich mich wirklich vollkommen befreit fühlte. Bis zu dem Zeitpunkt, als ein Gesicht zwischen den Flammen auftauchte. Seth. Das zweite nachdem ich Ausschau gehalten hatten. In seinen Augen flackerten die Flammen und seine Bronzefarbene Haut schien geradezu zu glühen. »Hallo, Maddison«, flüsterte er mit seiner sanften Stimme. Verträumt blickte ich ihn an. Wenn er doch nur wirklich hier wäre anstatt nur in meiner Fantasie. Ich mochte ihn wirklich sehr gerne. Er war schon fast wie ein großer Bruder für mich. So wie Tyler für Emma. Ich spürte einen Rütteln an meiner Schulter. Wieso musste ich ausgerechnet jetzt in meinen Tagträumen gestört werden. Mit großen Augen blickte ich Emma an. »Willst du ihm nicht mal antworten?«, flüsterte sie eindringlich. Verständnislos starrte ich sie an. Sie gab mir einen Fingerzeit und drehte mich wieder um, nur um festzustellen, dass Seth immer noch da war. Das Feuer umspielte sein Gesicht, in dem nichts außer Verwunderung zu sein schien Ich runzelte meine Stirn. Und dann ging mir plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich träumte nicht. Seth stand wirklich vor mir und schaute mich an, als wäre ich nicht mehr ganz dicht. Ich hätte mich selbst für meine Dummheit ohrfeigen können! Nächstes Kapitel: Seelenverwandt Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)