Septembermond von Sunrisepainter (SethxOC) ================================================================================ Kapitel 9: Trost ---------------- Trost (Aus Seth' Sicht) Manchmal fragte ich mich, was im Kopf meiner Schwester vorging. Ich meine, ich habe sie noch nie wirklich verstanden. Zum Beispiel, warum sie Sam Uley immer noch liebte, obwohl es mehr als offensichtlich war, dass er verrückt nach Emily war. Doch das hier schlug dem Fass wirklich den Boden aus. Seit sie wusste, dass niemand auf sie und sie auf niemand geprägt werden würde, war sie sowieso völlig abgedreht. Jeden Morgen kam ein anderer, halbnackter Mann aus ihrem Zimmer und belegte stundenlang unser Badezimmer. Nicht nur mich kotzte das an, auch meine Mutter war kurz davor sie auf die Straße zu setzen. Nicht, dass sie das je gemacht hätte, aber sie tickte bereits wie eine Zeitbombe. Und heute morgen war sie explodiert. Wäre ich nicht dazwischen gegangen, hätten sich die beiden die Augen ausgekratzt. Leah hatte die Nacht wo anders gebracht und kam heute morgen heimlich durch die Tür geschlichen und wollte sich gleich wieder verdrücken, doch Mom stellte sie zur Rede. Und dann hatte uns Leah offenbart, dass sie bald ausziehen würde. Zu irgendeinem Kerl. Und nicht nur das. Mom hatte gerade mal die erste Nachricht verkraftet, da gestand mein Schwesterchen auch schon mit zerknirschtem Gesichtsausdruck ihr nächstes Geheimnis. »Mom«, hatte sie kleinlaut gemurmelt, »du...du wirst Großmutter.« Mir war buchstäblich der Unterkiefer auf den Boden gekracht! »Schon mal was von Verhütung gehört?«, hatte ich gekichert. Und dann war es ab gegangen. Ein Geschrei und Gezeter. Teller wurden gegen die Wand geschleudert. Unschöne Wörter durch den Raum. Mindestens eine Stunde ging das so bis Leah wutentbrannt davon stürmte. Ich musste mich zusammenreißen nicht los zu lachen, doch meine Mutter war nicht dumm. »Solltest du dir etwas ähnliches erlauben, dann glaub aber daran, dass du hier nicht länger erwünscht bist«, zischte sie und verschwand dann schnaubend in die Küche. Auch wenn der Streit jetzt schon lange her war, war Leah immer noch nicht aufgetaucht. Dieser Tag war sowieso anders verlaufen, als ich es geplant hatte. In meinem Leben allgemein schien alles im Moment gegen jedes Gesetz zu laufen. Wie oft hatte ich Jake in letzter Zeit damit aufgezogen, dass er immer nur an Renesmee Cullen dachte? Wie oft hatte ich eine höhnische Bemerkung über Kim und Jared gemacht? Oder Quil und Claire? Und nun machten sich die anderen über mich lustig. Darüber wie viel Pech man eigentlich haben musste, um gerade auf diejenige geprägt zu werden, die eher eine abweisende Haltung zeigte. Das Wissen, dass sie meine Gefühle nicht erwiderte, machte mir wirklich schwer zu schaffen. Wenn andere in der Nähe waren versuchte ich nicht zu zeigen, wie sehr ich litt, aber mein Rudel wusste es. Sie kannten jeden noch so verschlossenen Winkel meines Gehirns. Sie wussten, was ich fühlte und sie litten mit mir. Madison Shay. Allein schon ihr Name klang wie eine Melodie, die mein Herz zum Tanzen brachte. Jeder Atemzug schien verschwendet zu sein, wenn sie nicht in meiner Nähe war. Alle meine Gedanken waren bei ihr. Und sie wusste es nicht. Sie kannte mich nicht. Sie liebte mich nicht. Ich wusste noch nicht mal, ob sie mich mochte. Sie schien in einer anderen Welt zu leben. In einer Welt in der für jemanden wie mich kein Platz zu sein schien. Und so sehr ich mich auch nach ihr sehnte, wusste ich, dass ich es langsam angehen musste. Sie von der Schule abzuholen war schon einmal ein Anfang gewesen, doch es beruhigte mich nicht. Immer machte ich mir Sorgen um sie. »Das eine Geprägte die Gefühle ihre Gegenstückes nicht erwidert ist noch nie vorgekommen«, hatte Billy gemeint, nachdem ich von meinem Problem erzählt hatte, »du weißt, dass diejenige immer genauso fehlt. Ich kann dir nicht sagen, warum es bei euch beiden anders ist, Seth. Es ist nur eine Hypothese, aber vielleicht gibt es etwas, woran ihr Herz sehr hängt. Etwas, dass in ihr die Sehnsucht zu dir verhindert. Oder sie versucht es zu unterdrücken, auch wenn das fast unmöglich ist.« Natürlich hatte ich viel darüber nach gegrübelt. Warum es so war wie es war, aber eine Lösung hatte ich immer noch nicht gefunden. »Lass ihr einfach nur Zeit«, war der Rat meines besten Kumpel Jacob, »versuch erstmal ihr Vertrauen zu gewinnen. Das andere kommt von alleine.« Toller Rat. Er konnte ja auch leicht reden. Renesmee sah ihn regelrecht als ihren eigenen Besitz an. Nicht, dass ich es den beiden nicht gönnte, aber es gab Tage an denen ich wirklich eifersüchtig war. Wenn ich mir wünschte, dass es für mich doch genauso gut laufen würde. Doch jetzt konnte ihr nur jedes kleine Lächeln, dass Maddy mir schenkte genießen. Und jedes davon war wie ein Sonnenaufgang. So kitschige Gedanken wie ich im Moment hatte, hatte ich noch nie gehabt. Früher hätte ich darüber gelacht, aber heute wusste ich, dass es wirklich so etwas wie Engel gab. Manchmal hatte ich einen meiner Momente. Maddy-Momente. Die anderen meinten ich würde dann immer diesen doofen, verliebten Blick bekommen. Und ich konnte nichts anderes tun als abwarten. Abwarten und sie beschützen. So wie heute. Von den Cullens hatten wir von nun mehr einer Woche die Nachricht erhalten, dass sich ein Vampir in der Gegend herum treibe. Carisle meinte er sei keine Bedrohung, da er alleine war und nur neugierig, weil er den Clan gerochen hatte. Doch wir waren trotzdem auf der Hut. Bis jetzt hatte er hier noch keine Menschen angegriffen, aber würde schwächer werden und irgendwann würde es geschehen. Wir taten unser bestes, um alle Menschen zu schützen. Unser Volk und selbst die Menschen aus Forks. Trotzdem gab es immer wieder Touristen, die alle Warnungen außer Acht schlugen, deswegen hielten unsere Rudel (wir waren immer noch in zwei geteilt) Tag und Nacht Wache. Es hatten sich bereits zwei andere Jungen in Werwölfe verwandelt, sie waren kaum älter als ich, und das machte Sam sehr zu schaffen. Er und Jake trafen sich immer wieder, um über die Situation zu diskutieren und obwohl sie versuchten zusammen arbeiteten, spürte man trotzdem noch eine Spannung zwischen ihnen. Während Jacob sich sicher sein konnte, dass Nessie nichts passieren würde und auch Emily, Kim und die anderen Mädchen versprachen keinen Schritt in die Nähe des Waldes zu setzten, machte mich Gedanke verrückt, dass Maddy vielleicht in Gefahr sein könnte. Und ich hätte nichts machen können, um sie auf Schritt und Tritt zu beschützen. Als sie mich das erste Mal in meiner Werwolfsform gesehen hatte, war sie Hals über Kopf geflüchtet. Das konnte ich ihr nicht verübeln und doch verletzte es mich. Wie konnte ich je mit ihr zusammen sein, wenn sie Angst vor mit hatte? Deswegen war mir nichts anderes übrig geblieben sie darauf fest zu nageln nicht in den Wald zu gehen. Der Blick, mit dem sie mich angesehen hatte, würde ich mein ganzes Leben nicht vergessen können. So schuldbewusst. Ich wollte nie, dass sie sich schuldig fühlte. Sie würde nie Schuld haben. Egal an was. Ich wollte, dass sie glücklich wurde und da trafen zwei gegensätzliche Triebe in mir aufeinander. Ich wollte mit ihr zusammen sein, sie in meinen Armen halten, aber andererseits wollte ich sie auch zu nichts zwingen. Ich wollte, dass sie glücklich war. Und als sie dann diesen anderen Jungen erwähnte, brach für mich eine Welt zusammen. Ich hatte das Verlangen ihn sofort eine zu knallen und zu vierteilen. Doch das hätte nur bedeutet sie wäre sauer auf mich gewesen und traurig, und das wollte ich nicht. Vielleicht war er es, an dem ihr Herz hing. Ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich wusste, dass ich sie nicht davon abhalten konnte mit ihm in den Wald gehen zu können. Und so war ich fast krank vor Sorge gewesen. Kaum hatte ich sie zu Hause abgesetzt, hatte ich mich auch schon verwandelt und war in den Wald geprescht. Den ganzen Nachmittag hatte ich darauf gewartet, dass sie auftauchte. Andere Werwölfe hatten mir immer wieder Gesellschaft geleistet und versucht mich dazu zu überreden, doch einmal kurz nach Hause zu gehen und etwas zu essen. Doch ich konnte nicht. Ich musste sie beschützen. Und dann witterte ich sie. Drei Menschen. Einen Vampir. Keine Stunde später kam die Nachricht von einem jüngeren Wolf: Er ist dabei sie anzugreifen. Den Jungen und das Mädchen. Mein Herz war in tausend Splitter zerborsten. Ohne groß nachzudenken war ich los gesaust. Habe voll meinen Instinkten vertraut. Ich hatte nicht mal gemerkt, dass mein Rudel plötzlich auch da war. Doch ich war der erste, der durch das Unterholz krachte und den Vampir davon abhielt die Menschen anzugreifen. Mir war es egal, ob ich dabei drauf gehen sollte. Hauptsache Maddy passierte nichts. Und sie war es tatsächlich. Zusammen mit einem Jungen, der kläglich versuchte sie zu schützen. Zusammen konnten wir den Vampir vertreiben. Maddy schien unheimlich dankbar dafür zu sein. Als sie dann plötzlich ihre Hand nach mir ausstreckte und auf mich zu kam, hatte mein Körper verrückt gespielt. Ich konnte es kaum erwarten ihre weiche Haut zu spüren, doch dazu war es nie gekommen. Der Junge hatte sie mit sich gezerrt und ich hätte ihn umbringen können. Ich wollte mich schon auf ihn stürzen, als Jacobs Befehl zu mir drang: Reiß dich zusammen! Er hat ihr ja nichts getan. Er wollte sie genauso beschützen wie du. Klar, dieser Schwächling? Doch gegen das Alphatier hatte ich keine Macht. Ich musste mich seinen Anordnungen beugen. Vielleicht war das auch besser so. Maddy hätte es sicher auch nicht lustig gefunden, wenn ich Blondie zerfleischt hätte. Wenige Stunden spät, saß ich missmutig auf dem Sofa und zappte durch die Kanäle. Während von Leah immer noch jede Spur fehlte, war meine Mom bereits zu Charlie gefahren. In letzter Zeit verbrachten die beiden auffällig viel Zeit mit einander. Wahrscheinlich kochte sie mal wieder für ihn und beschwerte sich bei ihm über Leah. Charlie schien wirklich der einzige zu sein, der ihre Launen ertrug. Doch ich hätte mir sicher keinen besseren Stiefvater wünschen können. Wenn sie bloß nicht zu verbohrt gewesen wären, sich ihre Gefühle für einander zu gestehen. Embry und Emmet hatten schon Wetten abgeschlossen, wann er ihr endlich einen Heiratsantrag machen würde. Aber es ging uns ja im Prinzip auch nichts an. Und ich hatte wirklich andere Probleme als mir darüber auch noch den Kopf zu zerbrechen. Ich war gerade bei einem Kanal für Teleshopphing angelangt, als es draußen laut donnerte und auf einmal das Bild verschwunden war. »Na ganz klasse«, murrte ich und knallte frustriert meinen Kopf gegen die Sofalehne. Eigentlich hatte ich darauf gehofft, dass einer der Jungs vorbei kommen und mit mir an der Spielekonsole zocken würde, aber anscheinend schienen die keine Lust dazu zu haben. Und seit Mom Peter und Jared raus geschmissen hatte, trauten sie sich sowieso nicht mehr zu uns. Ich hasste Gewitter. Nicht nur, weil der Fernseher ausfiel, sondern auch das grelle Licht der Blitze. So ging es aber allen Werwölfe oder sollte ich uns Gestaltenwandler nennen? Ich überlegte gerade, ob ich mir etwas zu essen machen sollt, als es an der Tür klingelte. Voller Vorfreude, dass jemand gekommen war um mich aus meiner Langeweile zu befreien, machte ich einen Sprung über unser Sofa (gut, dass Mom nicht zu Hause war) und war mit zwei Sätzen an der Tür. Ohne weiter zu zögern, riss ich sie auf und starrte meinen Besucher an. Doch anstatt meinen Kopf zu heben, wie sonst immer, musste ich ihn senken, um in das Gesicht, der kleinen, zierlichen Person blicken zu können. Und es brachte mich völlig aus dem Konzept. Erst hätte ich es in der Dunkelheit nicht erkannt, doch dann wurden es von einem Blick erhellt. Es passierten zwei Dinge gleichzeitig in mir. Einerseits begann das Blut in mir zu rasen und in mein Gesicht zu rauschen. Ich glaube, ich hatte mich noch nie glücklicher gefühlt. Doch anderseits zersprang es auch in eine Million Teile. »Maddy«, zischte ich überrascht. Sie lächelte schwach, doch es war nicht echt. »Hi Seth!«, ihre Stimme war leise und rau. Und sie sah fürchterlich aus. Blass. Verweint. Ihre Augen waren rot geschwollen und sie war total durchnässt. Zitternd schlang sie ihre Arme, um sich sich. »K-kann ich viel-vielleicht r-r-rein ko-kommen?«, fragte sie leise mit klappernden Zähnen. »Aber natürlich«, meinte ich und sprang sofort zur Seite. Als sie an mir vorbei trat, widerstand ich den Drang sie an mich zu ziehen und schloss schnell die Tür hinter ihr. »Es tut mir Leid, wenn ich störe...«, murmelte sie und blickte auf den Boden. Ihre Wangen wurden leicht rot und ich wusste ungewollt grinsen. Das war so süß. Schnell versuchte ich meine Gedanke wieder zu ordnete. »Äh nein, du störst nicht«, nervös fuhr ich mir dann durch die Haare und grinste sie an, »man, du bist ja völlig nass. Am Besten gehst du jetzt nach oben und ziehst dich erstmal um.« Der Grund ihres Besuches musste erstmal warten, zuerst wollte ich, dass sie sich nicht erkältete oder sogar eine Lungenentzündung bekam. »Aber ich-«, stammelte sie und wurde noch röter. »Keine Widerrede!«, ich fühlte mich verantwortlich für sie, »die Sachen meiner Schwester müssten dir eigentlich passen. Sie kauft sich sowieso immer zu enge T-Shirts.« Damit schob ich sie die Treppe hoch. Immer noch versuchte sie sich zu wehren, doch ich war natürlich um einige stärker. Leahs Zimmer war wie immer penibel sauber. Wenigstens brauchte ich mich nicht zu schämen. Mein Zimmer sah nämlich ganz anders aus. Schüchtern blieb sie im Türrahmen stehen und sah sich neugierig um, während ich begann im großen Kleiderschrank zu wühlen. Ich griff nach der erst besten Jeans und einigermaßen dicken Pullover (es war ein selbst-gestrickter, den Leah nach ganz hinten verbannt hatte) und warf ihr die Sachen zu. »D-danke«, murmelte sie. Als sie nicht die Anstalten machte sich um zu ziehen, zog ich eine Augenbraue hoch: »Worauf wartest du noch?« Sie wurde wieder etwas rot im Gesicht und biss sich nervös auf die Unterlippe. Und dann verstand ich. »Oh!«, ich wurde ebenfalls rot. Ich hatte ganz vergessen, dass das der Moment gewesen wäre, bei dem ich das Zimmer verlasse, »komm einfach runter, wenn du fertig bist. Ich mach uns shcon mal einen Tee und dann erzählst du mir ganz in Ruhe, was dich hierher führt.« Sie nickte dankbar und ich lief schnell nach unten. Die Sachen waren wirklich ein bisschen zu groß. Sie schien in den Wollpullover fast ganz zu verschwinden und die Hose hatte sie ein paar Mal hoch gekrempelt, weil sie um einiges kleiner war als meine Schwester, doch die Sachen waren trocken und das war die Hauptsache. Ihre Haare hatte sie mit einem Haarband zu einem Knoten zusammen gebunden, sodass nur noch einige nasse Strähnen im Gesicht klebten. Sie sah einfach wunderschön aus und ich musste noch ein Mal tief durch atmen, um meine Gefühle für sie wieder in den Griff zu bekommen. Ich räusperte mich einmal und hielt ihr dann eine Tasse hin: »Ich hoffe du magst Fencheltee.« Sie nickte und schloss stumm ihre zierlichen Finger, um die heiße Tasse. Ich setzte mich neben sie aufs Sofa und für eine Zeit lang schweigen wir uns an. Es war kein unangenehmes Schweigen. Trotzdem war ich erleichtert, als sie nach einiger Zeit mit leiser Stimme zu sprechen begann: »Ich wusste einfach nicht, wo ich sonst hin sollte. Ich meine, wir kennen uns zwar nicht so gut, aber...ich schätze mal, ich musste einfach mit jemanden reden, der nicht jeden Tag, um mich herum ist.« Sie blickte mich von der Seite an und ich wagte es nicht meinen Kopf in ihre Richtung zu bewegen, aus Angst sie würde ihren Blick wieder abwenden. Denn aus irgendeinem Grund wollte ich, dass sie mich ansah. »Hast du jemals das Gefühl gehabt den Boden unter den Füßen zu verlieren? In ein schwarzes Loch zu fallen und alle Menschen, die dir etwas bedeuten zu hintergehen?« Es war ein rhetorische Frage, deshalb antwortete ich auch. Geduldig wartete ich darauf, das sie weiter sprach. Mein Herz zuckte krampfhaft und ich wollte endlich wissen, warum es ihr so schlecht ging. Und dann erzählte sie die ganze Geschichte. Von ihrem Traum Tänzerin zu werden und ihren Eltern, die bis vor kurzem noch nichts davon wusste. Von ihrer Großmutter, die sie vermisste. Und von ihrer Tanzlehererin, die ihr das Angebot gemacht hatte an einem Musical teil zu nehmen. Wie sie sich nicht getraut hatte ihrer Mutter davon zu erzählen und das ihre Freundinnen ihr dazu geraten hatte. Bis sie dann zu dem heutigen Tag kam. Sie berichtete von der Lüge, die sie ihrer Mutter aufgetischt hatte, um mit diesem Jungen und dessen Vater in den Wald fahren zu können. Er musste dabei grinsen, wurde aber gleich wieder ernst als sie zu den Konsequenzen dieser Lüge kam. Und dem Streit mit ihren Eltern und zwischen ihrer Mom und ihren Dad. Als sie dann noch schildert wie ihr Vater seine Koffer gepackt hatte, konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Sie begann zu schluchzen und versuchte sich hartnäckig die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Da konnte ich nicht mehr an mich halten und schob meine Hand über ihre. Sie lächelte dankbar und mein Magen machte eine Karussellfahrt der feinsten Art. Diese kleine Berührung löste so viel in mir aus, dass es nicht mehr mit Worten zu beschreiben war. Doch dann überraschte sie mich. Sie warf ihre Arme um meinen Hals und drückte ihr Gesicht gegen meine Brust und weinte sich die Seele aus dem Leib. Ich war überrascht, glücklich und überwältigt zu gleich. Ihr süßer Geruch flog in meine Nase und raubte mir alle Sinne. Ihr Körper gegen meinen gepresst war als würde der Mond die Sonne küssen (und das sollte jetzt nicht sexuell oder so gemeint sein). Sanft drückte ich sie noch fester an mich und fuhr etwas unbeholfen über ihren Rücken, um sie zu beruhigen. »U-und ich weiß nicht, ob sie sich wirklich scheiden lassen wollen?«, murmelte sie nach einiger Zeit in mein T- Shirt. »Warte es doch erstmal ab. Vielleicht renkt sich alles wieder ein«, versuchte ich sie mit leiser Stimme zu beruhigen. »Aber alles ist meine Schuld. Nur durch meine Lügengeschichte haben sie sich in die Haare bekommen«, meinte sie bitter. Ich knirschte mit den Zähnen. »Du darfst dir nie, nie die Schuld dafür geben. Hast du gehört, Maddy?«, meinte ich fest. Langsam blickte sie zu mir hoch und es blitzte draußen als ich in ihre goldenen Augen Blicke. Ich bekam einen ganz trockenen Mund und hätte sofort in ihnen versinken können. Stattdessen redete ich einfach weiter: »Deine Eltern müssen vorher schon Probleme gehabt haben. Das ganze hier war doch nur ein Vorwand, um den eigentlichen Grund zu vertuschen.« Sie knabberte nachdenklich auf ihrer Unterlippe und strich sich eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. Ihre Schluchzen war schon weniger geworden und das ließ mich wieder ein wenig entspannen. Doch plötzlich fing sie wieder an und ich zuckte erschrocken zusammen. »Und Daniel«, jammerte sie. »Was ist mit dem? Hat er dir doch was getan?«, knurrte ich und auf einmal spannten sich meine Muskeln wieder an. Ich würde ihn umbringen. Auf der Stelle. Doch sie schüttelte den Kopf: »Nein. Nicht wie du denkst. Er hat nur behauptet ich würde ihn nur mögen, weil er beliebt ist. Dabei stimmt das doch gar nicht. Ich mochte ihn schon, als kein anderer auch nur in seine Nähe kommen wollte.« »So ein eingebildeter Schnösel!«, schnaubte ich wütend. Ich würde ihm aufs Maul hauen. Ganz bestimmt. Nächstes Mal würde mich auch nicht mal mehr Jacob davon abhalten können. »Hey«, meinte sie und schlug mir leicht auf den Arm. Ich spürte es nicht einmal. »Aber ist doch war. Jemand, der so etwas von dir denkt, der hat dich doch gar nicht verdient.« Sie lachte leise: »Es hat mich wirklich verletzt, dass er mich wirklich für so oberflächlich hält.« Doch dann fiel ihr anscheinend ein, dass sie erst auch nicht mit mir reden wollte, weil ich eben ein Qui war. »Hups«, murmelte sie verlegen und musterte grinsend ihre Fingernägel. Ich musste lachen. Dann blickte sie mich wieder an und wurde ganz rot: »Tut mir Leid, wenn ich dich mit meinen Problemen belästige, aber ich brauchte jemanden zum reden, auch wenn wir uns gar nicht richtig kennen.« Hastig rutschte sie wieder von mir weg und mir fiel es schwer meine Enttäuschung zu verbergen. »Hey, du kannst immer zu mir kommen, wenn was ist, klar?«, ich grinste sie schief an und sie erwiderte mein Lächeln leicht. Diesmal wusste ich das es echt war. »Ich geh dann auch mal wieder. Vielen Dank für alles, Seth«, sie wollte schon aufstehen, doch ich drückte sie zurück auf die Couch. »Du spinnst ja wohl! Schaue mal wie spät es ist. Du glaubst doch nicht, dass ich dich so spät abends noch draußen herum laufen lasse! Es war sowieso schon eine Schnappsidee von dir alleine hierher zu kommen!« Ich biss mir auf die Zunge. Blöder Seth. Blöder, blöder Seth. Erstens klang ich so wie ihr Vater und zweitens so, als ob ich es nicht gut gefunden hätte, dass sie gekommen war. »Aber ich kann doch nicht hier bleiben«, murmelte sie und blickte auf unseren verdreckten Teppich. »Und ob du kannst«, widersprach ich und meine Miene hellte sich auf bei dem Gedanken, dass sie die ganze Nacht bei mir blieb, »Meine Schwester ist sowieso nicht da, deshalb kannst du in ihrem Bett schlafen.« »Aber- « Ich fuhr ihr über den Mund: »Keine Sorge. Auch wenn sie austicken wird, rufe ich nachher deine Mutter an und sag ihr, dass es dir gut geht. Vielleicht ist es mal ganz gut, wenn ihr Abstand von einander habt.« »Seth?«, fragte sie und die Art wie sie meinen Namen aussprach, verursachte bei mir Herzklopfen. »Huh?« Ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Und die dunkle Nacht hellte sich auf und begann zu strahlen wie ein Stern. »Danke. Für alles.« Ich grinste bloß und kratzte mir verlegen am Hinterkopf. Dieses Mädchen brachte mich nochmal um meinen Verstand. Dieser Tag war auf jeden Fall anders gekommen als ich gedacht hatte. Das sich das Blatt einmal so wenden würde hätte ich nicht gedacht. Das sie sich mir anvertraut hatte war wirklich ein mächtiger Fortschritt und das sie kurze Zeit in meinen Armen gelegen hatte, war noch der Bonus. Wir hatten noch über dies und jenes geredet. Um sie von ihrer Trauer abzulenken, hatte ich ihr ein paar lustige Geschichten aus dem Reservat erzählt. Ab und zu hatte sie wirklich mal gelacht und es klang als würde ein Engel singen. Jedes Mal wenn sie das tat musste ich ebenfalls lachen und ich betet, dass sie die schmachtenden Blicke meinerseits nicht zu sehr bemerkte. Als sie dann anfing zu gähnen, schlug ich vor, dass sie ins Bett ging. Immerhin war es für sie ein harter Tag gewesen und es war bereits weit nach Mitternacht. Ihr schien der Gedanke gar nicht zu behagen in einem fremden Bett schlafen zu müssen, aber sie sagte nichts. Einerseits war sie zu schüchtern und andererseits zu erschöpft. Sie torkelte regelrecht die Treppe hinauf und ich folgte ihr ganz dicht, damit ich sie auffangen konnte, wenn sie fiel. Nachdem sie sich umgezogen hatte, schaute ich noch einmal bei ihr vorbei. Sie lag bereits im Bett und hatte die Augen geschlossen. Der Knoten hatte sich gelöst, sodass ihre Haare wirr in ihrem Gesicht lag. Ihr Mund stand leicht offen und auf ihrem Gesicht lag der Schatten des roten Mondes. Ein ganz besonderer Mond wie ich bald erfahren sollte. Ich lachte leise und zog die Decke noch etwas höher. Ganz vorsichtig, damit sie nicht aufwachte, strich ich über ihr schmales Gesicht. Heute hatte ich sie das erste Mal richtig kennen gelernt und die war noch großartiger als ich gedacht hatte. Sie war lieb, temperamentvoll, intelligent und einfach nur liebenswürdig. Ich konnte nicht anders. Ich beugte mich vor und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Träum schön, Prinzessin!« Wow, war das kitschig, aber es war mir nicht peinlich. Ganz im Gegenteil. Mir kam es so vor, als wäre alles, was ich in ihrer Nähe tat das normalste von der Welt. Als wäre ich das erste Mal im meinem Leben vollkommen und ich selbst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)