Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 109: Das Ende --------------------- Cole Es war recht laut gewesen, als sie durch das Tor in das Grundstück eingedrungen waren. Doch sie hatten sich auch nicht bemüht, leise zu sein. Schließlich lenkten sie die Sicherheitskräfte Costellos auf sich, um die anderen, die hinten herum in das Grundstück eindrangen, zu schützen. Dass Costello über ihr Eindringen die Polizei verständigte, war völlig unwahrscheinlich. Doch besonders schnell kamen sie nicht voran. Langsam kämpften sie sich vor. Costello hatte mehr Männer, als Cole sich hatte vorstellen wollen. Offenbar hatte jener einiges mehr vor ihm verheimlicht, als er ohnehin schon geahnt hatte. Aber gut. Es wird ihm nichts nutzen. Als sie schließlich nahe genug am Gebäude dran waren, versprach Sander Feuerschutz, so dass David und Cole nach einem kurzen Spurt die Eingangstür erreichten. Hier drinnen kannte Cole sich aus. Aber er wusste nur ungefähr, welche Sicherheitsmaßnahmen hier ergriffen worden waren. Und so schlichen sie sich vorsichtig in Richtung Büro, wo er Costello vermutete. "Antonin", fragte er schließlich. "Wo bist du gerade?" Die Geräusche in seinem Ohr irritierten ihn ein wenig. Antonin Er sah den beiden Gruppen nach, das Haus - vielmehr die Festung - vor sich musternd. Cocktails mit Schirmchen? Ein schöner Gedanke und ein Versprechen, das schon ausstand, seitdem sie sich das erste Mal nahe gekommen waren. Sie waren zwar am Strand gewesen, aber sich gemütlich irgendwo hinsetzen, um Cocktails trinken zu können... nun das war ein Traum, auf den es sich hinzuarbeiten lohnte. Jetzt sollte er seine Aufmerksamkeit jedoch auf die Aufgabe richten, die vor ihm lag. Für jemanden wie Costello gab es ein sehr passendes Lied: Es war einst ein König, mit großer Macht der hat über Gott und den Teufel gelacht er hatte sein Volk gequält und beraubt bei Hofe da hat er sich sicher geglaubt doch dann kam der Pöbel mit Sense und Axt und hat seinen Herren den Gar ausgemacht aber der König, der größte Tyrann der war wie die Ratte, die schwimmen kann die Ratten verlassen das sinkende Schiff und der, den die harte Strafe dann trifft der war nicht schnell genug, um zu fliehn man sieht die Ratten in Sicherheit ziehn Antonin fand das für die Situation sehr passend und er war sich sicher, dass Costello zu den schwimmenden Ratten gehören würde. Wie magisch wurde sein Blick vom Meer angezogen, das sich hinter der Villa erstreckte. Na, wie würde jemand von Costellos Kaliber wohl aus einem Haus verschwinden, das unter Beschuss stand? Über die Kanalisation? Nein, sicher nicht. Die Melodie des Liedes leise vor sich hinsummend hielt er auf das nächstbeste Fahrzeug zu und zeigte sich zufrieden als der Schlüssel noch steckte. Sehr nachlässig diese Kortunajungs, aber ihm kam es gerade recht. Es dauerte nur wenige Minuten bis er am Strand zum stehen kam und sich, vorbei an drei weiteren Villen, den Weg durch den Sand vorwärts mühte. Es war nie ein Spaß, durch nassen Sand laufen zu müssen, und jetzt stand ihm sogar noch eine Kletterpartie über schroffes Felsgestein bevor. Aber alleine dass es dieses Gestein hier gab, sollte ihm eigentlich recht geben. Oben angekommen warf er einen abschätzenden Blick auf seine leicht aufgeschürften Hände und verfluchte den Zustand, dass er nicht an Handschuhe gedacht hatte. Aber tatsächlich hatte er von hier oben einen guten Ausblick auf ein nettes kleines Boot und ein Gitter, das einen Tunnel versprach. Also würde die Ratte dort aus dem Haus raus kommen und sich mit dem Boot verdrücken, ja? Aber nicht mit ihm. Antonin war kurz davor zu kichern, bevor er sich an den Abstieg machte und schließlich, wieder am Boden angekommen, auch das Gerät einschaltete, das die Kommunikation zwischen Cole und ihm ermöglichen würde. Wenn er sich täuschte und Costello nicht abhauen würde, dann müsste er den Tunnel für sich selbst nutzen, um ins Haus zu gelangen. Doch aus dem Gerät drangen nur entfernt die Geräusche von Schusswechseln und hin und wieder Coles Atem. Etwas, das Antonin als sehr beruhigend empfand. Kurz überlegte er das Boot zu sabotieren, ließ es dann aber sein. Das könnte ihnen noch gut weiterhelfen, wenn es an ihnen war, sich schnell zu verdrücken. So drückte er sich links neben dem Tunnel in den Schatten und wartete. Und obwohl Cole ihm nichts Gegenteiliges durchgab, begann er sich nach einiger Zeit zu fragen, ob ihm seine geschulte Spürnase diesmal nicht einen Streich gespielt hatte. Doch dann quietschte das Eisengitter leise, als es beiseitegeschoben wurde und Costello sowie zwei seiner Leute traten hindurch. Antonin erkannte das Oberarschloch sofort wieder und zog seine Eagle mit einem U unheilverkündendem Lächeln. Wie so häufig, wurde sein Herzschlag ruhiger und während er das eine Auge schloss, konnte er sich diesmal alle Zeit der Welt zum zielen lassen. Noch mehr Spaß würde es nur noch als Scharfschütze machen. Und ja, diesmal bezeichnete Antonin das Ganze tatsächlich irgendwie als Spaß, denn dieser Bastard war nicht nur für Coles körperliche Schmerzen zuständig. Nein, dieses Monster hätte seinen geliebten Freund fast so weit gehabt, tatsächlich daran zu glauben, dass er keine Liebe empfinden könnte. Dass er es vielleicht auch gar nicht verdient hätte. Und so empfand Antonin keine Unze an Mitgefühl für den Kerl. Er zielte, drückte ab und zielte schon wieder ohne sich überhaupt zu versichern, dass der Bodyguard von Costello umfiel. Innerhalb weniger Sekunden hatte er beide erledigt und hob gerade ein drittes Mal an um den herumgefahrenen Costello eine Kugel in den Leib zu jagen, als er Coles Stimme hörte. Fast ein wenig unwillig zischte er und drückte dann aber doch ab, bevor das Arschloch seine Waffe gegen ihn richten konnte. Ein glatter Schuss durch die Hand, wie er zufrieden bemerkte und auch die beiden anderen Männer rührten sich nicht mehr. Bei hellerem Licht wäre zum Geruch nach Schießpulver und Blut wohl auch noch der Anblick von Gehirn im Sand gekommen. Kurz, Antonin war dankbar für die relativ schlechten Sichtverhältnisse und trat fast gelassen auf den aufheulenden Costello zu, um ihn die Knarre an den Kopf zu halten und dessen Waffe mit dem Fuß ins Wasser zu kicken. "Ich bin bei Costello", antwortete er schließlich und beugte sich herab, um den Mann - der Schmerzen offenbar nicht gewöhnt war - zu durchsuchen und von Waffen zu befreien. "Und du solltest dich beeilen, wenn du möchtest, dass er dich noch versteht. Es gibt einen Fluchtgang hier runter zu seinem Privatstrand", erklärte er noch und trat zurück, um seine Waffe abermals zu heben. "Hey, Mister Costello! Ich wusste gar nicht, dass das hier zum Hafen gehört. Wollten Sie nicht los, um Cole aus den Händen der Kortunabrüder zu befreien?", murmelte er schließlich und drückte ein weiteres Mal ab. Diesmal hatte er auf das Knie des Mannes gezielt. "Cole, hab ich schon erwähnt, dass du dich beeilen solltest?" Cole "Antonin", Cole spürte, wie er unruhig wurde. "Pass auf dich auf. Und lass mir was übrig. Ich versuche den Gang zu finden. Ich ahne schon, wo er ist." Er deutete David an, dass er ihm folgen sollte. Zumindest bis zum Eingang des Tunnels würde er ihn mitnehmen. Wer weiß, was Costello auf dem Weg dorthin noch vorbereitet hatte. Er spürte wie in ihm alles zitterte und gleichzeitig jubilierte. Cole konnte nicht abschätzen, was auf ihn zukam, wie er reagieren würde. Aber er spürte, dass es wichtig war, nicht länger zu warten. Es würde eine entscheidende Wende in seinem Leben bedeuten. Und angesichts der Tatsache, dass Antonin ihn weiterhin begleiten würde, konnte es danach doch nur besser werden, oder? Sie erreichten wenige Minuten später das Arbeitszimmer des Mannes, der ihn hier so oft angewiesen hatte, ihm zu gehorchen. Hier in diesem Zimmer hatte Cole so manche Erniedrigung über sich ergehen lassen müssen. Er blickte sich um, aber der Raum war leer. Plötzlich zog der Tresor seine Aufmerksamkeit auf sich. Er stand offen. Kurzentschlossen trat er heran. Es war ein großer Tresor, der hinter einem Wandteppich verborgen gewesen war. Cole hatte ihn noch nie offen gesehen. Nur einmal hatte er überhaupt gemerkt, dass dort ein Tresor war, weil Costello ihn geschlossen hatte, als er eintrat. Sollte er darin noch ein paar Antworten auf seine Fragen finden? Er öffnete die schwere Tür weiter und blickte hinein. Das Geld, das ungeordnet in einigen wenigen Bündeln dort noch lag schien größtenteils eingesammelt worden zu sein. Daneben lagen einige Waffen, Drogen und Baupläne, wahrscheinlich von Grundstücken, die ihm gehörten. Ferner fand Cole darin eine Aktenablage, von der jedoch auch einiges verschwunden zu sein schien. "Antonin", sprach er schließlich und blickte nachdenklich. "Costello hat in seinem Büro einiges mitgehen lassen. Schau mal, ob du irgendwo eine Aktentasche findest. Ich vermute, er hat auch alles, was mich betrifft mitgenommen. Und ich möchte diese Sachen haben. Unbedingt. Wenn er sie nicht bei sich hat, dann hat er sie wohl im Boot. Warte, bis ich bei dir bin. Ich komm jetzt zu euch." Cole entfernte sich von dem Tresor und sah David an, der an der Tür Wache gestanden war. "Den Rest mach ich alleine. Danke für deine Unterstützung, David." Jener nickte und Cole drehte sich, um zu jener Tür zu gehen, die er noch nie durchschreiten hatte dürfen. Hinter der Tür blickte er in einen dunklen Gang, dem er ohne weiteres folgte. Er spürte, dass er entschlossener denn je war, dem ganzen endlich ein Ende zu setzen. Er wollte endlich seine Ruhe haben, endlich sein eigenes Leben führen, endlich aufhören dem Geschwätz Costellos zu folgen. Und dafür müsste er wohl nur diesem Weg folgen, zu Antonin und Costello gelangen und sich dann endlich befreien. Steinerne, gewendelte Stufen führten schließlich hinab und bald war anhand der Kälte spürbar, dass es unter die Erde ging. Die Wand verwandelte sich in massives Gestein. Als die Treppe schließlich vor einer schweren Holztür aufhörte, spürte, dass Coles Aufregung enorm gewachsen war. Sein Herz schlug bis zum Hals, er spürte, dass er fror und gleichzeitig schwitzte. Die Angst, die er auch verspürte, nagte an seiner Willensstärke. Jahrelang war auf ihn eingeredet worden, und heute würde der Tag sein, an dem er die psychischen Fesseln durchbrechen musste. Er öffnete die Tür und hörte bereits die Stimme Costellos. "Cole, endlich", sagte jener und Cole nahm ein leichtes, ungewohntes Zittern in der Stimme dieses Mannes wahr. "Pfeiff deinen Freund hier zurück. Er scheint den Verstand verloren zu haben. Aber das ist ja kein Wunder. Ich wette er ist nur auf mich angesetzt worden. Die Gefühle, die er dir vorspielt, sind einzig und allein da, um an mich heranzukommen. Und dann wird er dir den Mord an mir anlasten. Du wirst ihm doch nicht trauen, Cole, das wirst du doch nicht. Dieser Mann spielt doch nur mit dir. Du weißt, dass es anders nicht sein kann. Erinnere dich daran, was ich alles für dich getan habe, was ich dich gelehrt habe." Cole war an Antonin herangetreten und blickte nun auf den Costello herunter, der ihm so fremd, so verhasst vorkam. Leicht schüttelte er den Kopf, sich wundernd über diesen riesigen Blödsinn, den Costello in der Agonie seines Schicksals von sich gab. Cole war beruhigt, dass nichts in ihm in diesem Moment daran zweifelte, dass Costello hier einfach nur unglaublich große Scheiße redete. Nun sah er Antonin an. Kurz schwieg er, während er diese sturmgrauen Augen betrachtete. "Zeit es endlich zuende zu bringen", wisperte er dann und lächelte. Dann drehte er sich Costello zu und kniete sich zu ihm, um ihm direkt ins Gesicht zu sehen. "Ich habe nichts vergessen, was du mir gelehrt hast", sagte er und wunderte sich über die kalte Ruhe, die er selbst gerade ausstrahlte. "»Stärke, Kraft, ein eigener Wille, Eigenständigkeit und Zorn auf die Mörder meiner Eltern«" Er lachte leicht. "Aber die Dinge haben sich geändert, Costello." Er legte den Kopf leicht schief und war erstaunt, wie schnell Costello zu begreifen schien, denn dessen Gesicht wurde blass, seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, ungläubig starrte er Cole an. "Aber bedenke doch", stammelte Costello. "Hätten deine Eltern das gewollt?" Cole zischte. "Lass meine Eltern aus dem Spiel, du Arschloch." Seine Augen verdüsterten sich und der blanke Hass, den er vorhin vermisst hatte, trat mit einem Mal zu Tage, überrollte ihn fast und ließ ihn selbst erzittern. Doch das wollte er nicht. Daher richtete er sich wieder auf, blickte Antonin kurz an. "Antonin, kannst du die Unterlagen aus dem Boot holen? Geld müsste auch hier irgendwo sein. Bevor ich die Unterlagen nicht habe, kann ich ihn nicht erschießen." Beim letzten Wort wimmerte Costello auf. "Denk doch an meine kleine Tochter. Sie wird ihren Vater verlieren. Möchtest du, dass sie das gleiche durchmacht, was du durchmachen musste?" Cole schluckte, erneut glomm Wut auf. "Halt das Maul", presste er hervor. "Halt dein elendiges Schandmaul." Er funkelte Costello zornig an. "Sie wird nicht das gleiche durchmachen, wie ich, denn im Gegensatz zu meinen Eltern war ihr Vater ein noch größeres Arschloch, als man es sich vorstellen kann. Und diese Wahrheit wird sie irgendwann erkennen." Seine Augen glitten zu Antonin, der mit einem Aktenkoffer zurückkehrte. Cole hob die Waffe und blickte Costello in die entsetzten Augen. "Weißt du Costello, ich habe mir vorgenommen, Mitleid zu empfinden, aber selbst das kann ich nicht so recht. Also bleibt es leider bei dem Zorn gegen den Mörder meiner Familie. Und ich denke, dieser Zorn wird verschwinden, wenn du verschwunden bist." Und damit drückte er ab, um zu beenden, was endlich beendet hatte werden müssen. Antonin Den beiden Leichen einen flüchtigen Blick zuwerfend, sah es nicht so aus, als hätte einer von ihnen einen Aktenkoffer mit sich herumgetragen. Aber immerhin schwieg Costello, auch wenn er immer mal wieder heftiger atmete. Ganz so als hätte er irgendwelche Schmerzen. Kurz erlaubte Antonin sich ein Lächeln, auch wenn es ein müdes, ein wenig abgestumpftes war. Er war sich jetzt schon bewusst, dass es hiernach wieder eine Weile dauern würde, bis er mit sich selbst vereinbart hätte, dass er sich so gehen hat lassen. Aber noch war dieser Zeitpunkt nicht gekommen, also beobachtete er den knienden Mann, als Cole durch den Gang kam. Costello hatte seinen Freund in der gleichen Minute erblickt und begann auch schon sinnloses Zeug auszuspucken. Natürlich hatte Antonin den Verstand verloren, aber das war schon eine Weile her und nichts, was Cole mit wenigen Worten wieder richten könnte. So schnaubte er nur abfällig und musterte seinen Freund. Nach dieser Sache würde er ihn ins Bett legen und eine ganze Weile verhätscheln, auch wenn sie Raphael wohl noch einmal einen Besuch abstatten würden müssen. Von 'ruhig halten', war hier momentan nichts zu sehen. Dann hörte er wie Costello seine Gefühle für Cole durch den Dreck zog und so gut wie jeder seiner Muskeln zog sich, einer Sprungfeder nicht unähnlich zusammen. Wie konnte er es wagen? WIE KONNTE DIESES ARSCHLOCH... Zischend atmete er ein und stieß die Luft dann genervt wieder aus. Ruhig bleiben, lautete die Devise jetzt. Cole war bei Nicholas ruhig geblieben, Antonin würde hier ruhig bleiben, auch wenn sein Opfer auf die eigene Art und Weise ein wenig Würde bewahrt hatte. Ein Wort, das Costello nicht zu kennen schien. Ein Blick zu seinem Freund versicherte ihm, dass nichts von diesen Worten an irgendetwas gekratzt hatte, außer vielleicht an der spröden, kühlen Fassade, die jener um sich herum aufgebaut hatte. Er wusste das Cole momentan schon auf Reserve fuhr, ahnte die verschiedenen Gefühle, die in dessen Augen immer mal wieder an die Oberfläche traten. Das hier war nicht leicht, aber nötig. Antonin lauschte dem Gespräch, den fast schon einer Sekte würdigen Worten. Er sah die großen und kleineren Reaktionen und er spürte den Hass, den Cole plötzlich ausstrahlte. Verständlicher Hass, selbst sein Finger zuckte unruhig am Abzug. Am liebsten... doch dann nickte er und wandte sich dem Boot zu, um dem Wunsch seines Partners Folge zu leisten. Jener hatte die Situation im Griff, Costello war unbewaffnet und angeschossen. Da würde nichts mehr ungewolltes passieren. Er kletterte auf das Schnellboot, das viel von einer Miniyacht hatte und ging unter Deck, durch die wirklich winzige Küche bis er zu dem einzigen anderen Raum kam. Ein Raum, der wohl ein Schlafzimmer darstellte. Dort auf dem Bett befand sich auch der wohl gesuchte Aktenkoffer, diesen greifend wollte er sich schon wieder auf dem Weg nach oben machen, als ihm ein zweiter Koffer auffiel. Jener war schnell geöffnet und hier fand er keine Dokumente, aber dafür andere lohnende Dinge. Schnell zog er den Bezug eines Kopfkissens ab und packte so viel wie ging um, bevor er einen Knoten in den provisorischen Beutel machte und ihn sich an den Gürtel hängte. Den Pullover so gut es ging drüber ziehend, öffnete er eines der runden Fenster und warf den silbernen Koffer raus. Danach dauerte es nicht mehr lange bis er zurück bei Cole war. Was auch immer die beiden gesprochen hatten, jetzt war wieder jene Entschlossenheit in dessen Auftreten und Gestik zu sehen, die Antonin am anderen so vertraut war. Und so furchtbar geliebt. In wenigen Schritten war er bei seinem Freund, als der dröhnende Schuss übers Meer hinweg verhallt war. Obwohl er noch auf dessen Arm achtete, zog er ihn an sich und umarmte ihn schweigend. Es gab gerade nicht sehr vieles, das er sagen konnte, und er hoffte, dass Cole aus dieser Umarmung ein wenig neue Kraft zog. Sie würden darüber sprechen. Ja, er würde verlangen, dass Cole sich das alles von der Seele sprach, aber nicht jetzt. Jetzt wollte er diesem Mann nur nahe sein, ihm zeigen, dass er dort auch immer bleiben würde. Genau soweit weg, dass er mit einem Schritt bei ihm wäre, wann immer der andere ihn brauchen würde. Er vergrub sein Gesicht im Nacken des anderen und fuhr ihm mit der freien Hand über den Rücken: "Sie sind bestimmt sehr stolz auf dich", murmelte er dann und löste sich ein Stück, um Cole sanft zu küssen. "Aber jetzt müssen wir hier wohl weg und ich weiß nicht, was du mit Sander ausgemacht hast." Er ließ den Aktenkoffer kurz fallen und legte die nun freie Hand an Coles Wange, dessen Blick im trüben Licht suchend. "Wir haben es bald geschafft, Cole. Du musst nicht mehr lange durchhalten." Cole Die Umarmung, in der sich Cole wiederfand, nachdem er wie es ihm schien eine ganze Weile nur Costellos Leiche angesehen hatte, tat gut. Cole schluckte hart und ließ sich gegen den anderen sinken, lehnte sich an Antonin, mit einem mal wieder so erschöpft. Ja, irgendetwas war gerade von ihm abgefallen. Und nun spürte er, wie er wieder erschöpft war. Aber die Arme, die ihn hielten, taten unglaublich gut. Sie waren so warm und so bekannt. Und es dauerte nicht lange, bis er sich wieder ein wenig mehr aufrichtete und Antonin wieder entlastet. Er lauschte den Worten des anderen, blickte ihn ruhig nickend an, als jener sich löste und erwiderte den sanften Kuss. "Ja, das wären sie", murmelte er. Aber im Moment konnte er nicht so recht darüber nachdenken, was das, was gerade geschehen war, wirklich bedeutete. Die Konsequenzen, die das alles haben würde, die Folgen, das was auf ihn zukam. Im Moment fühlte sich sein Hirn so leer an. Sie sollten wohl wirklich erstmal weg. Mit leicht zitternder Hand ergriff er die Hand des anderen. "Lass uns zu ihm gehen", murmelte er und drehte sich um, Antonin mit sich ziehend. "Ich denke er wird oben aufgeräumt haben und David wird ihm gesagt haben, wo ich hin bin." Es war irgendwie seltsam. Mit jedem Schritt, den er ging, fühlte er sich freier, aber dennoch war er nicht so recht fähig wirklich zu denken. Als sie in das Arbeitszimmer zurückkehrten, stand Sander mit seinem Bruder und den anderen schon da. Cole lächelte matt. "Costello ist tot", erklärte er und es kam ihm irgendwie so unwirklich vor, als er es aussprach. Er schluckte, spürte, wie er schwankte. "Ich.. ich habe ihn getötet." Er musste sich zusammenreißen und so streckte er sich leicht, schloss kurz die Augen und versuchte wieder stärker zu wirken. "Wir haben eine Abmachung Sander. In zwei Tagen darfst du zu mir ins Lady-Dream kommen, dann übergebe ich es dir. Aber bis dahin habe ich Zeit, mich um meine Leute zu kümmern." Sander nickte und musterte ihn besorgt, dann drehte er sich zu Antonin. "Geht heim und schlaft euch gut aus. Ich melde mich dann." Als sie in seiner Wohnung ankamen, schien es ihm, als käme er von einer Weltreise zurück. Sie hatten nicht gesprochen, als sie nach Hause gefahren waren. Antonin war gefahren, während Cole sich die Situation vor Augen geführt hatte. Es war nun alles anders. Aber was das ‚Anders‘ nun bedeutete, konnte er noch immer nicht abschätzen. Den Koffer hatte er sich geben lassen und hielt ihn nun umklammert auf seinem Schoß. Nun setzte er sich auf sein Sofa und legte den Koffer auf seine Knie. Corleone kam zu ihm und schmuste ihn an und Cole streichelte ihn einen Moment, dann blickte er Antonin an. "Dann wollen wir mal schauen, was er mir so alles vorenthalten hat." Er lächelte trübe und öffnete den Koffer, für dessen Zahlenkombination er den Geburtstag der Tochter wählte und damit Glück hatte. Im Koffer kamen ein paar Akten zum Vorschein, Teilweise Akten über Projekte. Offenbar versuchte er die Firma seiner Frau zu vergrößern. Zu unters fand Cole, wonach er gesucht hatte. Eine Akte, die den Namen 'Cole' trug. Vorsichtig öffnete er sie und dort fand er zwei mittlerweile recht mitgenommene Fotos, die er so oft hatte ansehen müssen. Eines, das seine Familie glücklich zeigte. Und eines, vom 'Tatort', die Leichen seiner Eltern. Dann fand er noch weitere Bilder, vor allem von seiner Mutter. Cole runzelte die Stirn, wollte aber weiter nicht darüber nachdenken. Schließlich war noch ein Sammelsurium an Dokumenten, die alle Cole betrafen. Seine Geburtsurkunde, seine Zeugnisse, Fotos von ihm, als er jünger war. Ferner befand sich noch eine ziemlich lange Liste an 'Einsätzen' darin, die sogar sehr aktuell war. Sogar sein Einsatz in LA war darin verzeichnet und die Morde, die er in jüngster Vergangenheit begangen hatte. Dazu hin und wieder einige Zeitungsartikel, die dazu erschienen waren. Zuletzt fand er noch ein kleines Buch. Cole erkannte es sofort. Es war das Tagebuch, das seine Mutter über ihre Kinder geführt hatte. Darin hatte sie immer mal wieder geschrieben, wenn etwas geschehen war. Cole blätterte es ein wenig durch. Er musste lächeln, als er über eine Seite quer drüber las. Ja, seine Mutter hatte sogar aufgeschrieben, welche Worte, ihre Kinder nicht gleich völlig richtig hatten aussprechen können. Es wirkte unglaublich surreal, diese Dinge nun zu besitzen. Vorsichtig hob er die gesamte Akte heraus und stellte den Koffer zur Seite. "Ich glaube ich bin jetzt zu müde, mir das noch einmal alles genau anzusehen", meinte er und sah Antonin an. "Lass uns schlafen gehen. Morgen werden wir weitersehen." Als sie im Bett lagen ließ sich Cole in den Arm nehmen. Er merkte, dass er seinen Arm momentan gar nicht spürte, oder zumindest nur wenig. Diese Tabletten schienen wirklich unglaublich stark zu sein. Aber das konnte ihm gerade nur gut tun. Er würde schlafen können. "Danke, dass du ihn gefunden hast, bevor er hatte türmen können", sprach er leise in die Dunkelheit. "Ich bin froh, dass es nun endlich alles vorbei ist, auch wenn ich noch nicht recht weiß, wie es jetzt weitergeht." Er küsste Antonin sanft auf sie Stirn. "Und danke, dass du bei mir bist. Ohne dich hätte ich das alles gar nicht geschafft..." Antonin Sacht über Coles Haut streichend, drückte er ihn leicht an sich. "Wir werden es auf uns zukommen lassen, jetzt musste du erstmal wieder auf die Beine kommen und den Arm auch wirklich mal ruhig halten", antwortete er ebenso leise. "Ja, ohne mich wärst du ein hoffnungsloser Fall", neckte er dann jedoch. "Schlaf jetzt, Cole, morgen ist auch noch ein Tag." Doch im Gegensatz zu seinem Freund lag Antonin noch eine ganze Weile wach und dachte nach, spielte in Gedanken den Tag noch einmal durch. Er hatte vorher noch versucht bei Ragnar anzurufen, doch bereits nach einem Klingeln war Nathan dran gegangen. Der hatte ihm erzählt das Ragnar schlief, er ihm aber ausrichten würde, dass es Cole gut ging, sobald er aufwachen würde. Darüber hatte Antonin lächeln müssen. Es schien, als würde man den Mann wohl kaum vom Krankenbett wegbekommen. Schön dass Coles bester Freund so jemanden für sich gefunden hatte. Zum einen für Ragnar selbst natürlich, aber zum anderen auch, weil sein eigener Freund sonst nie zur Ruhe kommen würde. Solange es diesem nicht gut ginge, würde Cole auch nicht wirklich entspannen. So gut kannte er dann beide doch inzwischen. Es war eine tolle Freundschaft. Eine, auf die er inzwischen fast schon neidisch blickte, da er so etwas nicht mehr besaß, vielleicht auch nie besessen hatte. Doch damit würde er sich zur gegebenen Zeit auseinandersetzen, jetzt besaßen erst einmal andere Dinge eine höhere Priorität. Antonin nahm sich vor, wie ein Adler über den Gesundheitszustand jenes sturen Menschen zu sorgen, der gerade an ihn geschmiegt schlief. Diese dämliche Übergabe hin, diese Übergabe her. Und dann blieb da noch das 'kleine Problem' mit der Psyche zu beachten. Diesmal dürfte Cole nicht einfach nur schlucken und verdrängen, sondern müsste darüber sprechen. Aber vielleicht war jener schon auf einem guten Weg. Auf einem Weg, der nicht nur von Verdrängung geprägt wurde, schließlich hatte er Antonin schon soviel erzählt und ihm sein Vertrauen geschenkt. Solche und ähnliche Gedanken waren ihm durch den Kopf gegangen, als er den anderen über diesen Aktenkoffer gebeugt sitzen sah. Er hatte nicht gefragt, da dies erstmal die Privatsache von Cole war. Jener musste jetzt jede Menge Gedanken und Gefühle bewältigen und Antonin wäre hier, um ihm zu helfen, ließ seinem Freund jedoch die Ruhe, die jener bräuchte, um ein wenig Klarschiff in seinem Inneren zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)