Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 104: Krieg ------------------ Cole Als sie später im Lady-Dream ankamen, war Ragnar bereits dabei, die Leute zu koordinieren. Es waren einige da - teilweise auch bekannte Söldner, die sich anheuern ließen, um auf die Pauke hauen zu dürfen. Das Dream würde heute geschlossen sein. Dafür gab es ein Zentrum für die Organisation ab. Cole war für alle Eventualitäten gerüstet. Heute Abend durfte nichts schief gehen. Aber er hatte alles Menschenmögliche getan, damit dem auch so sein würde. Anders als erwartet kam auch Costello kurzzeitig vorbei. Schnell lotste er diesen in sein Arbeitszimmer, damit er Antonin nicht sehen würde. Costello sollte nicht wissen, dass er hier und dabei war. Cole hatte Angst, dass er dann dafür sorgen würde, dass Antonin den Tag nicht überlebte. Er traute ihm alles zu. Costello wollte allerdings nur sehen, dass es voranging. Zudem gab er ihm Anweisung, nach dem Kampf heute Abend für morgen gleich ein Treffen der übrig gebliebenen Clanoberhäupter zu organisieren. Sie dürften dann keine Zeit verlieren. Cole hörte ihm nur halbherzig zu, darauf hoffend, dass Antonin nicht zu ihnen käme, dass er bliebe, wo er war. Und offenbar hatte jener seine stummen Gebete erhört, denn Costello war schließlich früher weg, als erhofft. Und nun war es an der Zeit, mit Antonin die Gegebenheiten des Viertels anzusehen, damit jener ihm vielleicht ein paar Tipps geben könnte, wo Schwachstellen sein würden. Und so holte er ihn und Ragnar zu sich ins Büro, wo sie gemeinsam sich mit den örtlichen Gegebenheiten auseinandersetzten. In zwei Stunden war das Treffen vereinbart. Die Diskussion, die er mit Ragnar führen musste, was dessen Aufenthaltspunkt betraf, gestaltete sich heftiger als geplant. Jener zeigte sich ungewöhnlich stur und uneinsichtig. Aber Cole fand, dass es für ihn besser war, wenn er hier im Dream bliebe, um alles zu koordinieren, falls etwas schief laufen würde. Ragnars Künste, was den Computer betraf hatte ihm nicht erst einmal den Arsch gerettet. Noch zwei Stunden. Antonin Antonin seufzte, nickte dann jedoch entschlossen. "Na schön. Kein 'was wäre wenn' also. Wir gehen rein, ziehen das Ding durch und gehen wieder raus." Er erwiderte den Kuss und verhinderte sogar, dass Cole sich zurückzog, um ihn nochmal zu vertiefen. Es war eine Art letzte Versicherung der Dinge, die sie beide nicht aussprachen, aber wohl ahnten. Egal was da heute passieren würde, es wäre vielleicht dieser Kuss, an den er sich als letztes erinnerte, bevor die Lichter womöglich ein letztes Mal ausgingen. "Das Leben ist kein Wunschkonzert, Cole", murmelte er gegen die Lippen des anderen. "Das solltest du am besten wissen." Im Lady Dream fiel Antonin ein Stück zurück, um sich mit Simon zu unterhalten und wie zufällig die ihm fremden Gesichter zu mustern. Ein paar davon gehörten zu der Sorte extrahart, während er andere nicht direkt einschätzen konnte und jene alleine dadurch nach oben stufte. Antonin hoffte, dass Cole wusste was er tat, so auf den ersten Blick wirkte kaum jemand der Fremden besonders vertrauenerweckend. Andererseits war das wohl kaum ihr Job. Er seufzte unhörbar und nickte zu etwas, das Simon gerade erwähnte und als JJ noch dazu kam übersah er Costello, da er zwar von den beiden gedeckt stand, aber selbst auch nicht mehr wirklich in den Raum hineinsah. Es war eine seltsame Stimmung. Vielleicht noch am ehesten mit einem bald bevorstehendem Gewitter vergleichbar, dann heizte sich die Luft auch immer wie elektrisch auf und alles schien nur auf den erlösenden Donnerschlag zu warten. Und wenn er sich so umsah, würde das vielleicht ein gewaltiger Schlag werden, da blieb nur noch zu hoffen, dass der Regen danach auch die nachgesagte bereinigende Wirkung hatte. "Ich bin froh, dass du heute hier bist", murmelte Simon, was Antonin dazu brachte, jenen ein wenig überrascht anzusehen. Selbst JJ, der ja ein sehr guter Freund von Simon war, hob eine Augenbraue und so sprach jener schnell weiter. "Es steht mir nicht zu sowas zu sagen, aber du bist nicht wirklich oft im Dreams, warst aber bei einigen Deals dabei und hast dich umgesehen wie ein Raubtier auf Beutejagd. Ich hoffe einfach, dass deine Anwesenheit sowas wie ein Good-luck-Charme ist, weil bisher ist nie was passiert, wenn du dabei warst." Antonin lächelte ein wenig traurig. "Das liegt nicht an mir, sondern an der ausgezeichneten Planung. Aber wenn ich so ein Omen bin, dann hätte ich nichts dagegen einzuwenden." Er ließ seinen Blick abermals durch den Raum schweifen. "Aber auf Beutejagd bin ich wohl tatsächlich..." Letzteres murmelte er mehr zu sich selbst und ließ sich dann von JJ gerne ein Glas Wasser geben, bevor er zu Cole gerufen wurde. Wie schon häufiger davor versetzte er sich gedanklich zu den Gegebenheiten vor Ort, hinterfragte manche Stellungen und die Fähigkeiten der Leute, die dort platziert wurden und tauschte sich am Schluss gegen jemanden, den er nicht kannte aus. Es war ihm einfach wohler, wenn keiner, mit dem er zuvor nicht mal gesprochen hatte, bei so einer Aktion so nahe an Cole dran wäre. Ansonsten gab es nicht viel zu beanstanden, nur noch ein paar Gedankenspielereien wie man das Maximale herausholen konnte und das war‘s. Ihm fiel dabei höchstens auf, wie vergeudet Coles Talent bei so einem Monster wie Costello war. Würde jener ganz oben stehen, hätte er vielleicht sogar mehr Freizeit. Wobei das natürlich sehr egoistisches Denken war, sich aber durch das Wissen darum nicht abstellen ließ. Antonin hielt sich selbst bei Laune, indem er an ihren Urlaub dachte, von dem er tief im Innersten ahnte, dass es so schnell nichts werden würde. Trotzdem war es etwas, an dem er sich festhalten konnte, wenn ihn zu düstere Gedanken überrollten. Auch Ragnar gab seine Ideen dazu und Antonin musste die meiste Zeit zustimmend nicken. Im Grunde war er für diese Planungen überflüssig, aber er fand es gut, sich seine Position selbst raussuchen zu können, daher würde er das lieber nicht erwähnen. Das Gespräch, fast schon Streit, der dann zwischen den beiden Männern folgte ließ ihn erstaunt an seinem Wasser nippen. Er mischte sich nicht ein, war jedoch auf Coles Seite. Sollte Ragnar doch so ungefährlich wie möglich durch die Sache rutschen. Nathan würde es ihnen danken, so wie er es ihnen danken würde, wenn er an dessen Stelle wäre und er Cole hier im Dreams wissen könnte. Konnte es sein, dass es nicht nur die kleinen Kommentare waren, sondern dass Ragnar wirklich nicht mehr viel auf sein Leben gab? Antonin empfand das als pure Dummheit, abermals etwas, das er niemals aussprechen würde. Es stand ihm als gesunden Menschen garantiert nicht zu, so etwas zu einem wohl todkranken zu sagen. Doch schließlich platzte ihm doch der Kragen: "Himmel, Arsch und Zwirn! Wenn ich wüsste, dass es Cole mehr bringt, wenn ich hier am Rechner vergammle, dann würde ich es tun! Können wir wenigstens so tun, als gingen wir in uns, um eine gewisse Konzentration aufzubauen? Weil wir nicht draufgehen wollen?!", giftete er und wandte sich ab. "Ich brauch ‚nen Drink..", grollte er beim hinausgehen unbewusst auf Russisch und hielt auf die Bar zu. Er war schon länger nicht mehr so 'frech' gewesen. Fast musste er, trotz seiner aufwallenden Gefühle lächeln, als er an die verschiedenen Zeitpunkte zurückdachte, als Cole und er deswegen zusammengerückt waren. Sogar bei ihrem allerersten Treffen hatte Antonin ausgesprochen was ihm im Kopf herumging. Wann hatte er eigentlich damit aufgehört und dachte so viel nach, bevor er den Mund aufmachte? Er hielt zwar auf die Bar zu, entschied sich dann aber gegen Alkohol. Würde nur seiner Therapie schaden... Und so suchte er sich wirklich ein ruhigeres Eckchen und rauchte in aller Ruhe eine. Er konnte es wirklich nicht leiden so kurz vor etwas Größerem noch durch Streitigkeiten zu gehen. Es lenkte ihn ab. Würde ihn vielleicht mitten im Geschehen darüber nachdenken lassen, ob es nicht doch besser gewesen wäre, Ragnar mit raus zu nehmen. Hätte jener nicht einfach ja und Amen sagen können? Selbst er hielt sich an die Befehle, die in diesem Zusammenhang von Cole kamen, und er hatte es ernst gemeint. Wenn er dessen Leben am besten schützen könnte, indem er auf der anderen Seite der Erdkugel war, dann würde er sich sofort in den nächsten Flieger setzen. Keiner konnte auch nur ahnen wie erleichtert er war, als sie sich endlich in Bewegung setzten. Das war immer das schlimmste für ihn gewesen: Das ewige Herumsitzen und Warten. Es gab einem zu viel Zeit über sinnlose Dinge nachzudenken und sich Sorgen zu machen. So war es nicht schwer, wieder in seine Masken zu finden, sprich sein leichtes Lächeln um den Mundwinkel herum. Doch seine Augen könnten heute niemanden täuschen. Alarmbereitschaft wäre ein zu kleines Wort, um zu erklären, was sie alles ausdrückten. Aber das ließ sich nun nicht ändern. Als letzte Tätigkeit bevor er ausstieg, stellte er sein Handy auf lautlos und schob es in die Gesäßtasche seiner Hose. Zeit für ein wenig Action. Cole Überrascht blickte Cole Antonin hinterher. Dass er seine Stimme in dieser Art und Weise erhob, war schon lange nicht mehr vorgekommen. Aber es zauberte augenblicklich ein Lächeln auf seine Lippen. Er mochte Antonins impulsive Art. Wann hatte es eigentlich aufgehört, dass jener sein Herz auf der Zunge trug? Er blickte zu Ragnar. "Wo er recht hat..." Cole zuckte mit den Schultern, war aber zufrieden als er sehen musste, dass Ragnar nachgab. "Und Nathan wäre bestimmt nicht begeistert, wenn du dich ins Schussfeld begibst." Er nahm das Seufzen des anderen wahr. "Ich möchte, dass du über kurz oder lang, dich hier ganz zurückziehst, Ragnar", erklärte er seinem besten Freund. "Du solltest dein Leben noch einmal so richtig leben und nicht einfach nur auf einen schnellen Tod hoffen." Cole zog Ragnar in eine Umarmung und küsste ihn auf die Stirn. "Und ich kenne da jemanden, der das genauso sieht und der dabei sein möchte, wenn du lebst." Seine Augen suchten die des anderen. "Und mit deiner Qualifikation bekommst du auch einen Job, bei dem du genug Kohle verdienen wirst." Ragnar schwieg, innerlich einen Kampf austragend. Er wusste, dass Cole recht hatte, doch so ganz konnte er sich nicht damit anfreunden. Er hatte Verpflichtungen, Cole gegenüber. Er wollte ihn hier nicht allein lassen, auch wenn er nicht mehr alleine war. Doch er sagte nichts, ließ sich noch einen Kuss geben. "Ich hacke mich wieder in diesen chinesischen Satelliten ein und beobachte euch. Du hast den Knopf im Ohr und gibst die Infos weiter." Cole nickte. "Ich danke dir, Ragnar." Sie hatten alles bedacht, was man bedenken musste. Ein Teil der Truppe war bereits früher aufgebrochen, um zu Fuß sich dem Gebiet zu nähern. Es sollte nachher so aussehen, als ob sie wenige wären. Lex, das stellvertretende Oberhaupt des Sundancer-Clans, würde sich ohnehin nicht auf ein Gespräch einlassen. Er war ein Psychopath in Coles Augen, jemand der dem Wahnsinn sehr nahe kam. Aber er würde ca. 10 Minuten schinden müssen, bevor es losgehen sollte. Er würde wieder einmal sein Verhandlungsgeschick benötigen. Ob es klappte, konnte er bei Lex allerdings nie sagen. Cole überlegte, ob er Antonin nicht noch einmal 'alleine' sprechen wollte, aber er entschied, dass er sich nicht noch einmal verabschieden musste. Letztlich hatten sie heute Früh alles gesagt, was es zu sagen gegeben hatte. Alles bis auf eines. Aber musste er diese bedeutsamen Worte Antonin wirklich sagen? Das Gebiet, in dem sie sich trafen, war eine alte verfallene Straße nahe des Hafens, in der nur noch Obdachlose hausten. Man traf sich für solche Dinge immer auf neutralem Gebiet, damit niemand einen Vorteil hatte. Es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass man einen anderen Clan nicht in deren Gebiet angriff. Wer es dennoch tat, hatte keinen Anspruch mehr, nicht auch im eigenen Gebiet angegriffen zu werden. Meistens endete so etwas darin, dass die zentralen Gebäude gesprengt wurden. Es war bereits 21.30 Uhr. Noch war es relativ hell und es war schwül-warm. Cole mochte das nicht und hoffte, dass es bald zu gewittern beginnen würde. Die Schwüle drückt auf die Nerven und würde provozieren, dass unbedacht gehandelt wurde. Als sie vorfuhren, waren die anderen schon da. Gut, es sollte alles so aussehen, als hätten diese einen Vorteil. Cole überprüfte, ob alles dort saß, wo es war, dann stieg er aus. Die Autos waren quer zu den anderen gestellt, so dass sie dahinter Schutz suchen konnten, wenn es soweit war. Cole stieg aus, schaltete sein Handy an. "Ragnar, bist du soweit?" – „Sie haben einige Leute auf den Dächern. Ich weiß nicht, ob Scharfschützen dabei sind“, bekam er als Antwort. Cole blickte zu Mikael, einem der Söldner und nickte ihm zu. Er hatte eigentlich keine Scharfschützen haben wollen, aber wenn die anderen damit spielten, hatte er ein paar Leute, die diese liebend gerne ausschalteten. Scharfschützen waren in der Regel sehr unbeweglich. Cole zog seine Handschuhe an, dann ging er vor seinen Wagen. Zeit schinden - noch 8 Minuten. Als er an Antonin vorbei ging, blickte er ihn einen Moment an, kurz überlegend, ob er ihn nicht noch einmal küssen sollte. Aber er schalt sich für deinen dummen Gedanken. Es würde nichts bringen, nur Verwirrung stiften, für alle Beteiligten. "Cole!", hörte er Lex schreien. "Beweg deinen Arsch hierher, du Bastard!" Cole knurrte. "Du hast ja wieder eine sehr blumige Umgangsform, Gesetzeshüter!" Cole beobachtete die Aufstellung der anderen. Seine Hand glitt zu seiner Tasche. Die Rauchbomben würden ihnen weitere 3 Minuten geben, in denen sie sich zurückziehen würden können, falls es zu Problemen in der obligatorischen Verhandlungsphase kam. "Ich gehe alleine", erklärte er den um ihn stehenden. "Jeder weiß, was er zu tun hat. Mein Leben liegt in eurem Schuss, vergesst das nicht." Er war sich der Loyalität seiner Mitarbeiter bewusst. Und auch die Söldner, mit denen er schon öfters gearbeitet hatte, vertrauten ihm. Es sollte nichts schief gehen... Dann lief er los. In der Mitte zwischen den Parteien traf er auf Lex, der ihn mit jenem irren Blick bereits erwartete. Er kannte Lex schon sehr sehr lange. Aber dass er so abgedreht war, hatte sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Cole vermutete eine wahnsinnige Kombination aus Gewalt, Sex, Alkohol und vor allem Drogen. Ruhig blickte er dem Mann entgegen, der ihn seinerseits musterte. "Eine friedliche Lösung kommt nicht in Frage, Lex?", sagte er schließlich ruhig. Dieser lachte und schüttelte den Kopf. "Du kennst doch unsere Bosse, Cole. Ihnen geht nichts über ein Massaker, bei dem sie nicht dabei sein müssen." Cole lächelte. "Eigentlich eine ziemlich unfaire Sache. Und wir dürfen unseren Kopf für ihren Wahnsinn hinhalten." Lex blickte ihn unwillig an. "Lass es uns hinter uns bringen. Ich bin müde." Cole wusste, welche Art der Müdigkeit das war, er hatte sie auch erlebt und auch diesmal hatte er das gleiche Gefühl, wie sein Gegenüber. "Ich weiß", murmelte er. "Bringen wir es hinter uns." Interessant an dieser Müdigkeit war nur, dass man immer allzu deutlich spürte, dass man weiterleben wollte, wenn man in tödlicher Gefahr war. Lex nickte ihm zu. Und dann passierte etwas, das so nicht geplant war. Jemand feuerte einen Schuss ab. An Lex Gesichtsausdruck sah er, dass auch er es nicht so geplant hatte. Cole taumelte zurück. Der Schuss hatte ihn in den linken Arm getroffen. "Halt", schrie Lex und hob die Arme. Es gab Regeln in diesem Krieg, und die oberste war gerade gebrochen worden. Doch die Anweisung kam zu spät. Cole zückte die Rauchbomben und aktivierte sie. Er musste sich in Sicherheit bringen. Seinen linken Arm spürte er nicht mehr. Kaum hatte sich der gesamte Rauch ausgebreitete, brach das Inferno über ihnen ein. Im Schutz des Rauches bahnte sich Cole seinen Weg zu ihren Wagen. Ein Glück, dass er an diese Eventualität gedacht hatte, denn sonst wäre er jetzt nicht mehr. Antonin Ihm war überhaupt kein bisschen wohl, dabei zusehen zu müssen, wie Cole auf diesen anderen Penner zuging und damit für Gott und die Welt in freier Schussbahn stand. War das eine Regel? Wenn ja, dann war sie beschissen. Wer kam auch solche beschissenen Ideen? Wer würde es austüfteln, die Köpfe beider Seiten in freie Zielbahn zu stellen? Kopfschüttelnd ruhten seine Augen auf den beiden Männern, nur immer mal kurz abweichend, um die Lage zu überprüfen. Tatsächlich gefiel Antonin die ganze Straße nicht. Viele Ecken wirkten hier unübersichtlicher als auf dem Plan und die Häuserdächer boten sich ja gerade für Scharfschützen an. Hätte er das gewusst, würde er selbst da oben sitzen. Schneller als mit einem einzigen guten Schützen, ließen sich Leute gar nicht dezimieren. Noch sah das Gespräch relativ harmlos aus, aber das mochte nichts heißen. Ein weiteres Mal kochte die pure, kalte Wut auf diesen Costello in ihm hoch. Wo war dieser Bastard in Momenten wie diesen? Warum musste sein Freund jetzt da vorne auf dem Präsentierteller stehen? Warum nicht dieses abartige Arschloch? Unruhig zuckten Antonins Finger zu seinen Waffenholstern, um den Verschluss zu lösen. Ob es wohl vorbei wäre, wenn man diese Lex so schnell als möglich beseitigte? Ab wann durfte man schießen? Antonin schluckte hart, um seine sich trocken anfühlende Kehle wieder zu befeuchten, bevor alles in ihm gefror. Von einer Sekunde zur anderen schien jeder noch so kleine Muskel zu erstarren und er fühlte sich nicht einmal mehr zu einem Blinzeln fähig. Diese verfickten Arschlöcher hatten auf Cole geschossen! Er gab einen knurrenden Laut von sich, jedes kleine Zucken seines Freundes beobachtend, das Zurücktaumeln sehend, die Blutspritzer aus dem Arm. Nur noch verzerrt drang die andere Stimme an sein Ohr, die irgendwas von Halt schrie. Doch für Antonin gab es kein Halten mehr. Dieses unwürdige Gewürm hatte sein Lebensrecht verwirkt. Jede weitere Sekunde, die sie atmen dürften, war gestohlene Zeit. Als der Rauch sich ausbreitete, zog er beide Waffen und wartete ab. Zwar hörte er um sich herum schon Schüsse, doch er behielt die Stelle im Auge, aus der er Coles Auftauchen hier vermuten würde. Tatsächlich lag diese Schätzung nicht weit von der Wahrheit weg und sobald er auch nur den Schatten seines Partners erkannte, sprang er auf und zog jenen, wohl vom Rauch garantiert ein wenig blind gewordenen, zu sich hinter die Fahrzeuge. Ohne weiter nachzudenken, löste er seinen Gürtel, zog die beiden Waffenholster ab und legte eine Art Schlinge um Coles Oberarm. Das tat er ohne sich von diesem verschrecken zu lassen, denn dass der Idiot gleich wieder losspringen würde, war Antonin mehr als klar. Aber so ein Schuss gehörte abgebunden, wenn auch nicht ganz, damit der Arm noch halbwegs durchblutet wäre. Er führte das in zügigen Bewegungen aus, versuchte etwaige Schmerzlaute zu ignorieren - was inmitten einer Schießerei nicht weiter schwer war - und trat dann wieder einen Schritt zurück. "Lange wird das nicht halten", murmelte er und langte zum Boden, um seine beiden Waffen aus den fallengelassenen Holstern zu nehmen. Zeit um sich dafür zu revanchieren, dass irgendwelche Bastarde es wagten, sein Ziel zu verletzen. Antonin bekam selbst nur am Rande mit, dass er seine Sorge um Cole, seine Angst um diesen mit aller Macht beiseiteschob. Genau wie alle anderen Gefühle, die gerade nur hinderlich sein würden. Mit einem letzten Blick auf das Blut, das es von Cole an den Händen trug, schob er sich entlang den Fahrzeugen nach außen. Er würde näher ran müssen, um jene zu erledigen, die kein Fischfutter waren, und er hatte vor das auch zu tun. Cole Cole wehrte sich nicht, als Antonin ihn hinter den Wagen zog. Erst jetzt setzte langsam der Schmerz ein. "Ein Glück, dass der Schütze nicht zielen kann", murmelte er noch immer nicht wieder ganz bei Sinnen. Sonst hätte er das Herz getroffen." Dass eben das das Ziel dieser Aktion gewesen war, war ihm gerade nicht so bewusst. "Ich hoffe die anderen sind in Position… Argh… pass auf…" Um sie herum brach ein Krieg aus, dessen Lautstärke kaum zu übertreffen war. Als Antonin fertig war, blickte er ihn an. Am liebsten hätte er ihn geküsst, ihn genommen und nach Hause gebracht, oder besser noch: weit weit weg gebracht. Aber das ging jetzt nicht. "Antonin", sagte er mit einem Mal, als dieser sich schon bereit machte, in den Krieg einzusteigen. Als sein Freund ihn ansah, erwiderte Cole den Blick einen Moment. Sollte er es sagen? Nein, es würde nur ablenken. Es gehörte hier einfach nicht her. "... pass auf dich auf. und kümmer dich um Lex. Er ist der Schlüssel. Haben wir ihn, ist alles andere vorbei." Dass es gleich bedeutend damit war, dass es andersherum genauso vorbei wäre, wenn Cole sterben würde, sagte er natürlich nicht. Er versuchte ein Lächeln, dann hörte er ein Klopfen im Ohr. "Ragnar?" Er lauschte den Worten, die ein paar interessante Details preisgaben. "Danke dir, funk die drei Strantins an und gib ihnen Bescheid. Dann kümmer dich um die Zwillinge." Kurz blickte er sich um. Er konnte noch immer seinen linken Arm nicht bewegen. Ob irgendwas durchtrennt war? "Ragnar hat gesehen, dass sie sich von den Autos zurückziehen. Ich fürchte, dann sollten wir das auch machen. Sieht so aus, als würden sie die in die Luft jagen. Also alle Mann weg von den Autos. Wir bekommen gleich Rückendeckung." Und in der Tat begann mit einem Mal eine Salve loszugehen, mit deren Hilfe sie sich zurückziehen konnten. "Ihr zwei kümmert euch darum, dass wir B2 Einnehmen können..." Jeder der Anwesenden und für ihn Arbeitenden hatte eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, eine bestimmte Position auszufüllen. Und nun lief diese Aufgabenverteilung, wie ein Dominoeffekt bedingte eines das andere. Eigentlich war Cole dafür da, mitzugehen, aber der Arm ließ ihn zweifeln, ob er es tun konnte. Als eine Explosion seine Vermutung bestätigte ruckte sein Arm automatisch in einer Schutzreaktion nach oben. Der Schmerz, der darauf folgte, war enorm. Cole keuchte und lehnte sich an die Wand. "Duncan, du musst für mich einspringen", erklärte er einem der bei ihm stehenden. "Du weißt, was du zu tun hast?" Als jener nickte, war Cole zufrieden. Das Blut strömte mittlerweile wieder seinen Arm hinab. Kurzerhand packte er seine unbrauchbare Hand und steckte sie sich in die Jackentasche. Dann würde man das Blut nicht so sehen. Er entsicherte mühsam seine Waffe und machte sich auf den Weg, Duncans Job zu übernehmen. Einfach nur ein Stockwerk höher beginnen zu säubern. Wo war Antonin eigentlich gerade? Irgendwie hatte er ihn aus den Augen verloren. Antonin Antonin, der sich bis zum letzten Auto entlang bewegte, bekam fast ein wenig zu spät mit, dass sie sich zurückziehen sollten und merkte selbst, dass er nicht mehr schnell genug wäre. Er warf sich hinter dem nächsten Müllcontainer auf den Boden und fluchte herzzerreißend, als jener durch die Detonation über ihn drüber rollte. Aber immerhin war er unverletzt. Den Dreck und Staub, den er in den Mund bekommen hatte, ausspuckend, robbte er sich schon wieder weiter, noch bevor sich die Sicht wieder aufklären konnte und hechtete auf den nächsten Hauseingang zu. Es gab keine Haustüre mehr und so stand er alsbald schnell atmend im dem heruntergekommenen Gebäude. Wo genau war jetzt wohl seine Position? Skeptisch sicherte er die nächstbesten Türen und überlegte. Hier wieder bei der Tür rauszulaufen wäre keine besonders gute Idee, vermutlich war er gerade genau zwischen den Parteien. Ob er nach oben sollte? Antonin war gerade dabei, den Fuß auf den Treppenansatz zu stellen, als ihm am Ende des Ganges ein seltsames Brett auffiel. Und obwohl der Krieg draußen mit aller Macht weitertobte, wenn die Geräusche ein Hinweis darauf waren, so wandte er sich doch um und hielt auf seine Entdeckung zu. Nach ein wenig zerren und rütteln stand er abermals vor eine Treppe. Wenn man das noch so nennen wollte. Allerdings führte diese nach unten und als diese Erkenntnis ihren Weg durch seine Gedanken machte, glomm ein triumphierender Funke in seinen Augen auf. So heruntergekommen wie hier alles war, müsste man so doch ebenfalls seinen Weg auf die 'andere Seite' machen können, oder? Ohne weiter zu zögern sicherte er seine Waffen wieder und steckte sie sich locker in den Hosenbund, bevor er ein paar vorsichtige Schritte hinunter in die kühle Dunkelheit tätigte. Das Brett hinter sich wieder festziehend stand er in wenigen Sekunden in absoluter Schwärze, umhüllt von modrig, schimmeligen Geruch. Gut das er selbst der Mann war, vor dem man sich in solchen Situationen fürchten musste, sonst könnte man hier schon eine gewisse Paranoia bekommen. Besonders wenn man den heftigen Unterschied bedachte. Raus aus der hellen, schwülen Hitze mit ihrem laut tobenden Krieg, hinein in diese vergammelte Dunkelheit, in der die einzigen Geräusche sein eigener Atem und die knirschenden Steine unter seinen Füßen waren. Sich vorsichtig tiefer tastend, stellte Antonin bald fest, dass es keine absolute Dunkelheit war, die ihn umhüllte. Es gab sie, die minimalen Lichtquellen, die durch Löcher nicht nur ein wenig Luft, sondern auch Licht in diese Kellerräume ließen. Gerade genug, um nicht völlig blind tastend hier durch taumeln zu müssen. Doch bald stieß er an die erste Wand und jetzt blieb zu hoffen, dass sich seine Theorie bestätigte. Die Wand abtastend und dabei immer mal wieder angeekelt das Gesicht verziehend wenn er feuchte, weichere Stellen berührte, von denen er lieber nicht wissen wollte, was sie darstellten, hangelte er sich entlang, bis er ganz im Eck tatsächlich eine Art Durchbruch fand. Bingo! In den nächsten Kellerraum musste er sich durch eine Art Tunneldurchgang robben, in dem man wirklich nicht klaustrophobisch veranlagt sein dürfte. Selbst Antonin merkte wie ihm der Schweiß auf der Stirn stand und die leise Erleichterung, als er dort hindurch war. Auch wenn er mit einem furchtbar bestialischen Gestank belohnt wurde. Verdammte Scheiße! Lagerten die hier ihre Toten oder was roch hier so verwest? Er beschloss, dass man nicht immer alles wissen musste, und durchquerte auch diesen Raum so gut es eben ging. Immer mal wieder gegen leere Regale stoßend und schließlich tatsächlich auf etwas tretend, das ihn fast kotzen ließ. Leichen ja, Menschen nein. Die armen Viecher. Zeit hier raus zu kommen! Der Übergang in den nächsten Raum war ein wenig leichter, es gab eine Stahltür, die er mit etwas Kraftaufwand aufzog. Hier kam er tatsächlich in einer Art Raum zu stehen, den er auch als Kellerraum identifizieren würde. Und das Beste: Es gab eine Art Schacht, der nach einer kleinen Biegung wohl entweder an einem Fenster enden würde. Oder an einem Ausgang, der früher mal durch ein Fenster gekennzeichnet gewesen wäre. Sich ein letztes Mal mit dem Ärmel den Schweiß, Dreck und auch Staub aus dem Gesicht und Augen wischend, suchte er sich einen Eimer, der stabil genug aussah, um ihn auch tragen zu können und stellte ihn unter den Schacht. Ein letztes Mal tiefdurchatmend, dachte er kurz an Cole zurück. Und an dessen Worte. Wäre Lex erledigt, wäre die ganze Auseinandersetzung erledigt. Nun, Coles Worte in seinem Ohr habend, brauchte er zwei Anläufe, um hoch genug zu springen, um sich an dem Schacht festhalten und hochhangeln zu können. Fast sofort traten die lauten Schüsse wieder an seine Ohren und wenn ihn nicht alles täuschte waren sie sehr nah. Mit nicht unerhebliche Kraftanstrengung, schließlich gab es hier nichts, um sich festzuhalten, außer seinen Körper fest gegen die Schachtwände zu pressen, kam er höher und höher, bis der Ausgang tatsächlich genau über ihm war. Sich verrenkend zog er sein Handy aus der Tasche und hob es kurz über seinen Kopf, schnell drei Bilder machend und sich wieder zurückziehen. Erstmal sehen, wie die Situation da oben wäre. Nach dem ganzen Aufwand wollte er seinen Kopf nicht unbedingt sofort weggeschossen bekommen. Cole Langsam setzte Cole Fuß vor Fuß. Er hatte seinen Revolver im Anschlag, seine unbewegliche Hand in der Jackentasche verstaut. Er war mittlerweile im Stockwerk höher und lauschte nun, soweit es der Lärm von draußen zuließ, was um ihn herum geschah. Zum Glück war er nicht alleine und Steve schien durch seine Anwesenheit beruhigter zu sein. Eigentlich lustig. Steve war normalerweise einer von denen, die in der Schule wohl wegen Hyperaktivität aufgefallen wären. Nie konnte jener stillstehen oder stillsitzen, ständig musste er sich bewegen. Und soweit er wusste, machte er auch enorm viel Sport. Aber jetzt wirkte er ruhiger und konzentrierte als jemals zuvor in seinem Leben, und zwar seit dem Moment, an dem er Duncan abgelöst hatte. Steve hatte ihn fast angestrahlt, während er ihm mitteilte, dass er auf ihn aufpassen würde. Coles Augen fixierten Steve, der nickte. Cole machte eine Bewegung nach links und Steve folgte seinem Befehl, sich in eine bestimmte Position zu bringen. Cole trat gegen ein Stück Holz, das auf dem Boden lag und kickte es so vor die Tür. Keine Sekunde später hörte man, wie in dem Raum sich etwas bewegte und Schüsse abgegeben wurden, unpräzise Schüsse, wilde Schüsse und viele Schüsse. Der Schütze schien panische Angst zu haben. Schließlich hörte man, dass das Magazin leer war. Cole drehte sich zur Seite und schoss einmal. Der Mensch, der dort gestanden hatte, knickte ein und kam ächzend am Boden zum liegen. Es war eine junge Frau. Cole stutzte, er hatte sie bewusst nur am Knie getroffen. Einen Moment blickte er in ihre wilden Augen, doch als sie bereits wieder begann, an ihrer Jacke herzunesteln, hob er erneut die Waffe. Dann entschloss er sich, weiterzugehen. Steve folgte ihm. Und so arbeiteten sie sich langsam aber sicher weiter in Richtung 'gegnerische Front' durch. Um sie herum hörte man viele Schießereien. Wo Antonin nur war? Er hatte ihn seit der Explosion nicht mehr gesehen. Cole versuchte den Gedanken an seinen Freund zurückzudrängen, aber immer wieder drang jener zu seinem Bewusstsein durch. Als es in seinem Ohr klopfte, lauschte er Ragnars Lagebericht, der ganz gut klang, bevor er ihn bat, ihm Bescheid zu geben, falls er Antonin sehen würde. Ob jener hinter Lex her war? Hoffentlich war er vorsichtig... Einen Moment schwankte er und musste sich an der Wand abstützen. Er fing einen besorgten Blick von Steve ein, sagte diesem aber mit seinem Blick, dass er sich keine Gedanken machen sollte. Mittlerweile war ein dunkler Fleck der sich auf der schwarzen Jeans ausbreitete. Er verlor zu viel Blut. Er musste so bald wie möglich zum Arzt. "Ragnar, kannst du Raphael sagen, dass ich seine Hilfe brauche? Er soll zum Hafen kommen. Das ist die nächste Verbindung. Und ich brauche Blut." Er hörte, dass Ragnar panisch wurde, auch wenn dieser nichts sagte. Er konnte förmlich spüren, wie die Sorge Ragnar das Herz zerquetschte. "Ich werde mich drum kümmern, Cole", erwiderte Ragnar tonlos. "Danke." Dann war Ragnar nicht mehr in der Leitung. "Steve, wir müssen einen Stock höher, dann können wir in das nächste Gebäude." Steve nickte und bestand darauf, vorne weg zu gehen. Es ging sehr schnell. Cole reagierte nur intuitiv. Sie hatten nicht mehr an die Frau gedacht, als sie zurückgelaufen waren. An die Frau, die Cole verschont hatte. Und diese hatte sich in Position gebracht, mit dem Wissen, jeden töten zu wollen, der der Tür zu nahe kam. Der Schuss traf diesmal besser als gezielt. Steve ging vor ihm zu Boden, währen Cole vorsprang und mit einem schnellen Schuss die junge Frau ausradierte. Schnell ging er zu Steve, kniete sich neben ihn und maß seinen Puls: nichts. Cole rüttelte an Steve, sprach ihn an, doch es kam keine Reaktion. In der Wut, die ihn überströmte, griff er zu seinem Revolver und schoss auf die bereits tote Frau. In ihm herrschte ein Sturm. Dieser Krieg war nicht zu rechtfertigen. Und die Opfer, die er forderte waren vergeudete Lebenskraft. Als Ragnar anklopfte, saß Cole mit Steve auf dem Schoss da und wusste nicht so recht, was er nun tun sollte. Er wusste nicht so recht, was er hier überhaupt tat. "Die Zwillinge kommen gut voran. Und auch Duncan macht seine Sache gut. Die anderen werden nach und nach immer mehr eingeschlossen und umzingelt. Der Westflügel scheint gesäubert. - Cole?" "Steve ist tot." Schweigen. "Halt noch ein wenig aus Cole. Es wird bald vorbei sein. Deine Leute sind super." Cole schloss einen Moment die Augen, sich gegen die Wand lehnend. "Konzentriere dich, Cole. Du darfst jetzt nicht deine Konzentration aufgeben, lass dich nicht ablenken." Cole senkte den Kopf. Er spürte sich in diesem Moment so unglaublich schwach, so unglaublich verflucht schwach. Und wo war eigentlich Antonin? Antonin Langsam aber sicher begannen seine Muskeln sich zu beschweren. Es wurde mühsam, sich die drei Bilder auf dem Handy anzusehen, aber noch hielt Antonin es aus, ohne auf pure Willenskraft zurückgreifen zu müssen. Aber immerhin war das, was er sah, der heimliche Wunsch eines jeden Profikillers. Lex stand in einer Reichweite, die er schaffen würde, in einem Winkel der schwierig aber nicht unmöglich war. Leider würde er nicht besonders viel Zeit zum Zielen haben. Zum einen, weil seine Muskeln demnächst zu zittern anfangen würden, und zum anderen, weil dieses Arschloch nicht alleine da stand. Wie lange würde man einen Kopf aus einem Loch schon übersehen? Die Antwort brauchte Antonin sich nicht einmal geben. Wenn er schnell schoss, könnte er noch zwei oder drei andere mitnehmen. Immer vorausgesetzt, er würde Lex direkt beim ersten Mal tödlich treffen. Doch in solchen Dingen besaß er ein fast unmöglich großes Vertrauen in sich selbst. Ein letztes Mal die Augen schließend, dachte er kurz an Cole und dessen Wunde. Eigentlich hätte jener direkt zum Arzt müssen, aber so etwas vorzuschlagen war sinnlos und hätte seinen Freund am Ende nur noch mehr aufgeregt. Ob dieser wenigstens ab und zu die Schlaufe nachzog? Aber daran durfte er jetzt eigentlich gar nicht denken, jetzt galt es ein Leben auszuradieren und damit andere am Leben zu halten. Die plötzlich ruhig gewordenen Augen wieder öffnend, hangelte Antonin sich von seiner Position frei und weiter nach oben. Das würde, wenn er das überlebte, morgen trotz allem Training einen saftigen Muskelkater geben. Vorsichtig hob er seine Hände über den Rand des Schachtes und zog sich ein Stück weit nach. Noch sah niemand in seine Richtung, was ihn seine Bauchmuskeln abermals anspannen ließ. Er würde Lex einen Doppelschuss verpassen, um der Vorsicht willen. Dadurch konnte er aber nur mit der einen Waffe wirklich gut zielen, die andere war dann mehr für den Schaden da. Die Beine gegen die Schachtwände spreizend, um sich mehr Halt zu geben, hob er beide Arme an und nahm sein Opfer ins Visier. Dummerweise zitterte gerade seine bessere, rechte Hand schon bedenklich vor Kraftanstrengung, doch es musste gehen. Antonin zählte von drei Rückwärts und drückte beide Waffen ab, sich danach sofort die nächstbesten Ziele für die nächsten Kugeln suchend, waren seine Schüsse immernoch nicht wahl- oder ziellos, aber sie kamen rapide. Schuss, Rückstoß, Neuausrichtung, Schuss. Bis überhaupt einer der Männer realisierte, dass sie beschossen wurden und woher die Schüsse kamen, war Lex mit schockgeweiteten Augen in die Knie gegangen. Die Hand an der Halsschlagader würde diesem nichts mehr bringen, denn die Lunge war ebenfalls getroffen. Fast meinte Antonin durch den Lärm hindurch dessen letzte Röchelversuche zu hören und es setzte einen gewaltigen Staudamm an Befriedigung in ihm frei. Genau wie die anderen drei, die entweder mit schmerzerfüllten Lauten zurücktaumelten und direkt umkippten. Doch genug war genug, seine Position wurde zu gefährlich. Die Arme zu sich ziehend, schluckte Antonin einmal hart und entspannte seine Beine. Was zur Folge hatte, dass er geradewegs nach unten, in die Dunkelheit sauste und mit einem dumpfen Geräusch im Keller aufkam. Er versuchte sich so gut es ging abzurollen, konnte einen schmerzerfüllten Laut jedoch nicht unterdrücken. Vermutlich hatte er sich gerade mit seiner Ninjaturtleaktion seine Schulter verrenkt. Aber das war immernoch harmloser als die letzten Male, wo er noch immer angeschossen worden war. Im höchstmöglichen Tempo ertastete und zwängte er sich seinen Weg zurück durch die dunkle Kellerlandschaft und als er das Brett schließlich wieder zur Seite wuchten konnte, spürte er wie sein Adrenalin langsam nachließ. Und damit kam die Sorge um Cole. Ohne den Hauseingang noch groß zu sichern, griff er zu seinem Handy und drückte die einzige Schnellwahltaste, die er eingespeichert hatte: Die seines Partners. Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, bis dieser auch endlich mal ranging. Sekunden, die sich wie Stunden hinzogen und ihm allen Platz für mögliche Geschehnisse einräumten. Was wenn Cole getötet worden war? Oder so schwer verletzt war, dass er nicht mehr rangehen konnte? Was wenn Cole in irgendeiner Ecke lag und verblutet? Was wenn... in dem Moment ging der andere ran und Antonin spürte wie ihm ein riesen Felsbrocken vom Herz gehoben wurde. "Gott sei Dank, du lebst! Lex ist erledigt, wo bist du?", überfiel er ihn sofort und machte sich in dem Moment auf den Weg als er die Beschreibung hatte. Ohne Rücksicht auf Verluste oder auf die eigene Sicherheit. Zu lange war die Zeit gewesen, die er sein Ziel gerade in so einer Situation alleine gelassen hatte. Ohne zu zögern betrat er das Gebäude und lief die Treppe in großen Schritten nach oben. Er ging einfach mal davon aus, dass hier aufgeräumt worden war und wenn nicht, dann würde er das tun. Antonin hatte keine Geduld mehr für Vorsicht oder sinnvolles Vorgehen. Er wollte nur noch zu Cole. Den er auch genau der Beschreibung nach ausmachen konnte, mit einem offensichtlich Toten auf dem Schoß, in den Armen. Und in diesem kurzen Moment fand Antonins Hass auf Costello ein neues Höchstmaß. Eine weitere Rekordgrenze wurde gesprengt und wenn er nicht so unglaublich erleichtert über Coles Anblick gewesen wäre, könnte er nicht sagen, was er in diesem Moment wohl alles getan hätte. Vielleicht sogar ins nächstbeste Auto steigen und zu einer Harakirisituation fahren. Mit einem Kopfschütteln riss Antonin sich aus seinem momentanen Stupor und hielt auf seinen Freund zu. "Cole... wir müssen hier raus. Du brauchst dringend einen Arzt" - und eine Umarmung - aber in diesem Fall musste er sich wohl an die Verordnung halten. Antonin würde es später gut machen und seinen Freund von vorne bis hinten ein wenig betüdeln und verwöhnen. Danach stand ihm der Sinn und sein Freund könnte es brauchen, dessen Augen verrieten ihn… Cole Cole strich Steve die Haare aus der Stirn. "Du bist ein Idiot, Cole. Du hättest auf ihn aufpassen müssen", schalt er sich in Gedanken. "Und du hättest keine Gnade zeigen dürfen." War er so weich geworden? Früher hätte er nicht eine Sekunde gezögert, diese Frau umzubringen, nicht eine Millisekunde. Sie war der Gegner und sie dankte ihm sein Mitleid nicht, wie man sah. Was hatte ihn nur geritten, sie zu verschonen. Cole ahnte die Antwort, die hinter seinen Fragen stand. Eine bittere Wahrheit, die tiefgründiger lag. Dort nämlich, wo der Grund dieser Situation lag. Wieder einmal hatte Costello es geschafft, ihm vor Augen zu führen, dass es keinen Platz für Gnade gab und dass nur die Erfüllung seiner Pflicht das Wahre war. Aber nie hatte diese augenscheinliche Tatsache auch so unglaublich nach einer Lüge geschrien. Es war nicht diese Aufgabe, den Clan komplett auszulöschen, die er hätte befolgen sollen, sondern er hätte einfach niemals mit dergleichen Dingen anfangen sollen. Er hätte sich niemals von Costello so weit bringen lassen dürfen, nicht in Frage zu stellen, was richtig und was falsch war. Und er hätte sich niemals zu diesem Schoßhund erziehen lassen dürfen. Aber hatte er jemals wirklich eine Wahl gehabt? Außer seinem Tod? "Cole, die anderen ziehen sich zurück, irgendwas ist geschehen, aber ich kann nichts erkennen. Ich glaube sie sind in R7… Oh, sie tragen gerade eine Leiche weg... Es könnte Lex sein. Die Autos stehen offenbar wirklich in der Halle, wie wir schon vermutet haben. Soll ich die anderen anfunken?" Cole musste lächeln. "Lass sie entkommen. Sie werden uns nichts mehr tun. Pfeif die anderen zurück. Ich..." Cole hörte ein Klopfen. Ob er rangehen sollte? Wer war das? Costello am Ende? "Ich möchte, dass du die anderen zum Treffpunkt schickst, sie sollen die Toten mitnehmen. Dasselbe Prozedere wie immer. Sie sollen sich beeilen, die Bullen werden sich wohl bald wieder reintrauen." Ragnar schnaubte. "Und du? Wer kümmert sich um dich? Wo ist Antonin?" "Er hat grad dafür gesorgt, dass es nicht ewig sich hinzieht und noch mehr Leute sterben. Er wird sicher gleich kommen." Ragnar schwieg einen Moment. "Raphael weiß Bescheid. Du fährst auf direktem Weg dorthin! "Ist gut" Cole wechselte den 'Kanal'. "Hm?", fragte er und war erleichtert, als er die polternde Stimme seines Freundes hörte. Wenigstens einer, der sich freute, dass er lebte. "Ich bin im zweiten Stock auf D4 im Gang, wenn du dir Treppe hinaufgehst." Kurz zögerte er, dann drückte er Antonin weg, bevor er ein "Beeil dich" flüsterte. Cole versuchte sich zu bewegen, aber der tote Körper auf seinem Schoß bewegte sich nicht und er war zu schwach. Als er Schritte hörte, hob er seinen Revolver. Auch wenn er wusste, dass es letztlich vorbei war, war er vorsichtig. Als er Antonin sah, war er erleichtert. Ein Lächeln umspielte kurz seine Lippen. "Hilf mir...", murmelte er, ohne auf die Worte des anderen zu reagieren. "Wir müssen Steve hier raus bringen..." Er wartete bis Antonin den Leichnam angehoben hatte, dann nahm er seine langsam wiederkehrenden Kräfte zusammen und richtete sich mühsam auf. Wieder hörte er Schritte und Duncan dicht gefolgt von Simon traten in den Gang. "Nehmt Steve mit...", wies Cole sie an, sich aufrichtend, seine Fassade wieder aufrichtend. Antonin durfte ihn geschwächt sehen. Niemand sonst. "Antonin, bring mich zum Hafen. Raphael wartet schon auf mich..." Sie hatten ihre eigentlichen Autos ein Stück weiter Weg geparkt. Wissend, dass ihre anderen Autos unter Beschuss kommen würden. Nun steigen sie in einen der Wagen und Antonin fuhr ihn zum Hafen. Sie sprachen nicht, wussten sie doch voneinander, was der andere dachte. Cole hatte die Wut in Antonins Augen gesehen. Und er wusste, auf wen jener wütend war, er lernte diese Wut mehr und mehr kennen. Auf dem Weg zum Auto war ihm immer schwindeliger geworden. Er hatte verdammt viel Blut verloren. Noch nie hatte er so eine schlimme Verletzung gehabt. Aber Raphael wartete schon auf sie. Der Arzt fluchte in der für ihn typischen Art vor sich hin, als er Coles Arm untersuchte. Sie hatten die Weste abgenommen, sein Shirt aufgeschnitten. "Ihr seid doch alles miteinander Vollidioten. Und du bist der größte, Cole", murmelte Raphael in einer Tour. Er zog die Kugel raus, stoppte die Blutung einigermaßen und legte ihm die Bluttransfusion. "Wir müssen zu mir. Ich muss da einiges reparieren. Eigentlich müsste da ein besserer Chirurg ran, als ich es bin. Es ist einiges kaputt gegangen. Vielleicht wird er seine Hand nie wieder so wie vorher bewegen können." Raphael schien nur noch mit Antonin zu sprechen. Cole rührte sich nicht. Ärzte hatten immer die Angewohnheit vom Schlimmsten auszugehen und hinterher zu sagen, es sei ein Wunder gewesen. Coles Gedanken waren fern von dem hier und jetzt. Sie waren in dem, was als nächstes auf ihn zukommen würde. Das Chaos, bis New Yorks Unterwelt sich neu organisiert hatte. Und dann musste er ein paar Dinge endlich angehen, vor denen er bisher immer zu viel Angst gehabt hatte. Die Wahrheit, die hinter Costello stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)