Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 97: Das Danach ---------------------- Antonin Er erwiderte Coles Blick, als jener sich ein wenig von ihm löste und nickte zuerst nur. "Sie waren nicht übertrieben", murmelte er dann ein wenig stur. Immerhin hätte es sein können, dass es seine letzten Worte an den anderen gewesen wären und damit sollte es schon etwas mit Aussagekraft und Wahrheitsgehalt sein. Der Kuss, den er erhielt, kam ihm vor wie süßer Wein. Wie Nektar aus einer lebensspendenden Blume. Fast unhörbar seufzte Antonin, als die Lippen des anderen sich wieder lösten. "Ich finde das hier repräsentiert die Hölle schon ganz gut", murrte er, fand jedoch keine Kraft mehr in sich, das leichte Grinsen zu erwidern und auf diese wohl entspannende Spielerei einzugehen. So konnte er abermals nur nicken als Cole ihn losließ und warf dem Toten einen prüfenden Blick zu, bevor er zu dessen Fahrzeug wankte und den dort liegenden Rucksack schnell erkannte. In diesem musste er nicht sehr lange herumwühlen, bis er das Gerät in den Händen hielt. Es war sogar zusätzlich mit einem Timer versehen. Abermals seufzend entschärfte er die Minen und gab Cole zu verstehen, dass es erledigt war. Bis sein Freund ihn wieder direkt ansprach, stand er einfach da, mit dem Rucksack in der Hand und starrte ins Nichts. Ein Ort zum Abschied nehmen? Ohne weiter darüber nachzudenken oder auf das bald darauf heranfahrende Fahrzeug zu achten, ging er zur Leiche - nein, zu Nicholas und ließ sich neben diesem im Schneidersitz nieder. Wie sollte er Tayra und Tamara die Möglichkeit geben, Abschied zu nehmen? Damit müsste er die Leiche übergeben und es würden Fragen auftauchen. Unangenehme Fragen. Aber die Leiche einfach so verschwinden lassen konnte er auch nicht. Wie grausam wäre das? Der Familie immer ein wenig Hoffnung zurück zu lassen, nur um sie Jahr für Jahr wieder zu enttäuschen? Nein, das ginge auch nicht. Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte er die Hand nach Nicholas aus, die Linien in dessen Gesicht nachzeichnend nur um dann ein wenig erschrocken zurück zu zucken als dessen Kopf sich bei der Berührung sofort drehte. Es gab keinen Widerstand mehr, der das verhindern würde. Kurz blinzelte Antonin, dieses Schreckensbild in sich aufnehmend als ob es eine Fotografie wäre, bevor er aufkeuchte und sich aufrappelte. Mehr blind als sehend, stolperte er hinter Nicholas Fahrzeug und übergab sich. Oh Gott... er hatte Nicholas getötet. Antonin hatte Nicholas ermordet. Mit seinen eigenen gottverdammten Händen! Er trug nicht nur die volle Schuld, sondern auch die komplette Verantwortung für die zurückbleibende Familie. Eine Familie, die er ab jetzt und bis in alle Ewigkeit anlügen würde müssen. Eine Tochter, die ihren Vater vergötterte, und eine Frau, die ihren Mann nicht nur geliebt, sondern auch bis über alle Maßen vertraut hatte. Eine Frau, die den Mörder ihres Mannes für ihr restliches Leben als besten Freund ansehen würde. Wie sollte er mit so einer Schuld leben? Wie konnte er mit so einer Schuld leben? Ein letztes Mal musste er sich jetzt zusammenreißen. Er war doch angeblich so stark, richtig? Sich lasch über den Mund wischend, spuckte er aus und richtete sich wieder auf. "Wir werfen ihn in den Fluss und hoffen, dass er bald herausgefischt wird", war seine Entscheidung. Ja. Er könnte jetzt einfach nicht erklären, warum er ebenfalls Schnittwunden besaß. Jene sollten heilen, bevor Tayra nach Hause kam, bevor die Leiche gefunden werden würde. Antonin nickte und trat vorsichtig wieder näher. "Die anderen aber nicht. Die müssen wir...", und von einer Sekunde auf die andere war es als hätte jemand das Licht ausgemacht. Ohne weiteren Schwindel, ohne Übelkeitsgefühl, klappte er mitten im Satz zusammen und fiel in eine inzwischen sogar ersehnte Ohnmacht. Cole Sorgen gruben sich in seinen Magen, unglaubliche Sorgen. Cole betrachtete, wie Antonin neben Nicholas saß und diesen berührte, wie seine Augen sich vor Schreck weiteten und schließlich wie Antonin sich aufrappelte, um sich zu übergeben. Seine Augen schlossen sich einen Moment, nicht wissen, was er tun sollte. Er spürte, dass er erneut vollkommen überfordert war. Er ahnte, dass Antonin sich erst in diesem Moment wirklich seiner Tat bewusst geworden war. Er ahnte, dass dem anderen gerade erst klar wurde, was wirklich geschehen war, und vor allem, welche Konsequenzen sein Handeln hatte. Und dass Antonin nun völlig am Ende war, war ihm mehr als bewusst. Er blickte Ragnar kurz entgegen und trat dann näher an Antonin heran, um in seiner Nähe zu sein, wenn er seine Nähe brauchte. Doch als Antonin sich wieder fing und aussprach, was er dachte, blickte er ihn überrascht an. Ob Antonin überhaupt schon einmal eine Leiche hatte selbst entsorgen müssen? Ob er jemals wirklich in dieser Situation gewesen war? Cole schüttelte leicht den Kopf. Ihm war bewusst, in welcher Zwickmühle sich Antonin befinden musste, aber umso wichtiger war es, dass sie jetzt einen wirklichen Plan hatten. Sie mussten Spuren beseitigen, mussten Vorkehrungen treffen und eine neue Geschichte darum weben, die auch Tayra und Tamara irgendwann begreifen würden. Doch noch bevor Cole etwas dazu sagen konnte, fiel ihm Antonin schon entgegen. Aus einem Reflex heraus fing er Antonin auf, ging allerdings mit ihm zu Boden, das Gewicht des anderen nicht wirklich standhaltend. "Ragnar", rief er, hörend, wie jener gerade den Motor ausstellte und nun zu ihm geeilt kam. "Wir müssen ihn in den Wagen hieven..." Sie ließen ihren Worten Taten folgen, dann dachte Cole krampfhaft nach. "Wir müssen die Leichen verschwinden lassen und Nicholas einen anderen Tod verpassen. Aber zuerst muss ich Antonin versorgen. Er ist vollkommen am Ende." Ragnars ruhiger Blick tat ihm gut. "Ich ruf Kieran an. Er wird uns helfen. Den Rest erledige ich dann. Kümmer du dich um Antonin." Cole nickte. "Weißt du wo die anderen Körper liegen?", fragte er noch und erhielt die Information, dass Ethan sie bereits zu ihm gebracht hatte, zumindest das, was von den ursprünglich einmal drei Männern noch übrig war. Cole nickte und dachte nach. "Lasst die drei Russen komplett verschwinden, Nicholas darf nicht von der Polizei gefunden werden. Er hat an sich zu viele Spuren von Antonin. Es muss anders..." Cole stutzte. Ihm kam gerade eine Idee. Und diese teilte er Ragnar mit, bevor er sich in den Falcon setzte und Antonin zu sich nach Hause fuhr. Es war etwas mühselig, den anderen in seine Wohnung zu verfrachten, wo er ihn entkleidete, wusch und schließlich die Wunden versorgte, die Hämatome einschmierte, ihm Wasser einflößte und sich schließlich selbst duschen ging, um auch ein wenig herunter zu kommen. Als er aus der Dusche kam, erhielt er von Ragnar eine SMS, dass alles erledigt sei. Es war mittlerweile früher Abend. Cole legte sich zu Antonin ins Bett und kuschelte sich an ihn, doch er schaffte es nicht die Augen zu schließen. Die Bilder des Tages tauchten immer wieder auf, und dieses furchbare Geräusch eines brechenden Genicks verfolgte ihn eisig. Er würde für Antonin da sein müssen, denn jener würde sich furchtbare Schuldzuweisungen machen, auch wenn Nicholas Blick zum Schluss wirklich eine Bitte gewesen war. Und er würde sich wahnsinnige Vorwürfe machen, einer Familie den Vater genommen zu haben. Allerdings hatte er wirklich eine Wahl gehabt? Hätte Antonin irgendwie anders handeln können? Cole wusste es nicht. Letztlich nicht, außer er wäre freiwillig mit dem anderen mit nach Russland gegangen, etwas, das außer Frage gestanden hatte. Ragnar Ragnar fluchte leise. "Wieso geht der Idiot nicht mehr ran?" Er stellte den Laptop neben sich auf den Beifahrersitz und warf ihm einen letzten bösen Blick zu. Jenes Mistgerät war ausgegangen. Offenbar war der Akku zu stark gebraucht worden. Unruhig blickte er Ethan an, als endlich sein Handy läutete und er hastig ran ging. "Ist gut", bestätigte er und war furchtbar erleichtert, Coles Stimme zu hören. Offensichtlich war es beendet. Mehr interessierte ihn momentan nicht. Er bekam am Rande mit, wie Ethan Cole noch einmal kurz anrief, während er sich überlegte, ob er die Leichen hier lassen sollte. Er verabschiedete sich von Ethan und dankte ihm, dann fuhr er zu Cole und Antonin. Er konnte nur ahnen, was hier geschehen war. Wer wohl Nicholas letztlich umgebracht hatte? Irgendwie hoffte er, dass es Cole gewesen war. Nicht, weil er es ihm irgendwie wünschte, sondern weil er glaubte, dass Cole besser damit umgehen könnte, weil er einfach mehr Abstand zu Nicholas hatte. Allerdings war es aber nicht sicher, inwieweit das ihre Beziehung dann belasten würde. Es war schwierig. Als er ausstieg, hatte er schon gesehen, dass Antonin umgefallen war. Und damit war ihm letztlich klar, wer den Russen umgebracht hatte. Ragnar half Cole, dann besprachen sie ihr Vorgehen. Als er den Wagen des anderen nicht mehr sah, rief er Kieran an, der sich sofort auf den Weg zu einem gemeinsamen Treffpunkt machte. Keiran war in ihrer Organisation so etwas, wie der 'Aufräumer'. Er hatte ihnen nicht selten letztlich schon den Arsch gerettet. Während er auf den anderen wartete, lud er Nicholas in den Kofferraum, fuhr dann zu Coles Wagen, in den er die Leiche des anderen verfrachtete, bevor er zu den anderen Leichen ging, und diese im Nicholas Wagen verstaute. Bis Kieran kam, hatte er die persönlichen Gegenstände der Männer bereits entwendet. Kieran fuhr nun die Leichen zu einem abgelegenen Ort fahren, wo er sie mit Salzsäure komplett verschwinden ließ. Nichts würde man von ihnen wiederfinden können. Den Wagen ließ er ebenfalls verschwinden. Ragnar hingegen fuhr Nicholas zu Kieran nach Hause, wo er auf jenen wartete. Keiran würde dafür sorgen, dass nichts darauf hindeutete, dass Nicholas mit Antonin gekämpft hatte. Kaum hatte er diesem den Körper übergeben, zückte er die Tüte mit Medikamenten, um sie zu nehmen. Dann ging er auf die Veranda um zu rauchen. Kieran war ein seltsamer, verschrobener Mensch, der aber durch seine Genialität zu Geld kam. Sein Hobby war seltsam, aber er machte den Job einfach gut. Während Ragnar in der Abendsonne saß und über den Tag nachdachte, fiel ihm auf, wie wunderbar er begonnen hatte und wie beschissen er endete. Kurzentschlossen griff er zu seinem Handy. Hey Nathan! Ich hatte einen beschissenen Tag, obwohl er so vielversprechend begonnen hatte. Hättest du vielleicht Zeit mir etwas auf deinem Flügel vorzuspielen? Ich würde mich sehr freuen. Kuss, Ragnar ------------------------------------------------------- Als Kieran Nicholas später so in einem Waldstück unweit von New York hinlegte, dass es aussah, als sei er einfach nur gestürzt, und in den einen danebenstehenden Baum eines der Messer der Russen schlug, ließ er es indirekt so aussehen, als sei hier Rache verübt worden. Er hatte Nicholas zurechtgemacht, hatte alle Spuren von ihm beseitigt und erst am neuen 'Tatort' dafür gesorgt, dass dort wieder neue, zum ‚Tatort‘ passende Spuren auftauchten. Die Polizei würde sicher draufkommen, dass er gereinigt worden war, aber es würde ihnen dennoch nichts helfen. Auch die Abdrücke, die Hämatome, die der Kampf mit sich gebracht hatten, würden der Polizei auffallen. Und ob er allen Sand aus den Augen hatte entfernen können, war fraglich. Dennoch hatte er gute Arbeit geleistet. Er wusste, was er tat. Kieran hatte früher in der Forensik gearbeitet. Er wusste, worauf geschaut werden würde. Dass er dort entlassen worden war, hatte er seiner Familie zu verdanken. Und die Art und Weise, wie es geschehen war, ließ ihn nun gegen die Staatsmacht arbeiten. Vorsichtig schlich er sich später auf dem Schrottplatz zu dem leicht eingestürzten Haus und hinterließ dort den Pass des einen Russen, der eine ähnliche Handspanne hatte, wie die des eigentlichen Mörders, und weitere Spuren, die im Notfall dafür sorgen würden, dass die Polizei sich in diese Richtung orientieren würde. Mehr konnte er nicht tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)