Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 89: Bluthund -------------------- Antonin Es war bereits kurz vor 19 Uhr als Antonin aus dem Schlaf hochfuhr und sich ein wenig gehetzt umsah. Bis sein Blick auf das schwarz-weiß Bild fiel und sein Atem sich langsam aber sicher wieder beruhigte. Was sich dabei nicht beruhigte war der Sturm, der jetzt wieder mit voller Kraft in seinem Inneren tobte. Der gegen seine Schutzwälle schlug. Schutzwälle, die ohne Coles beruhigende Anwesenheit mehr einen niveaulosen Witz darstellten als tatsächlichen Schutz. Mauern, über Jahre mühsam aufgezogen, barsten porös unter diesen Attacken und ließen ihn fallen. Ja, Antonin, der sich immer geweigert hatte unterzugehen, der sich immer geweigert hatte aufzugeben, fiel. Schnell und hart. Schneller und härter als damals als er um seinen Tod gebettelt hatte. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt wollte er es einfach nur beendet wissen. Er hatte sich seinen Peinigern nicht ergeben. Nicht seelisch. Höchstens körperlich. Doch selbst dieser letzte Wall, jenes letzte Aufbegehren stürzte in sich zusammen und ließ nichts anderes zurück als immer präsentere Panik und noch viel schlimmer: Hilfslosigkeit. Die Frage - die eine Frage, die ihn noch irgendwie im hier und jetzt hielt, war nur, warum er so eine Scheiß-Panik hatte? Diese Dinge waren im Grunde erledigt. Verdaut. Verarbeitet aber nicht vergessen. War es, weil er sie jetzt noch einmal in aller Deutlichkeit über sich ergehen lassen musste? Nein.. seine Narben machte ihm auch jetzt keine Angst mehr. Diese Angst war ihm von seinem Doktor genommen worden. Woher kam also der ganze Druck, der in diesem Sturm tobte? War es seine Blutphobie? Hatte er gerade einen Traum über Blut gehabt? Aber nein, auch das konnte es nicht sein. Hm.. irritiert mit sich selbst rappelte Antonin sich auf und tapste ins Bad, wo er sich schwer in Gedanken die Zähne putzte und sich Wasser ins Gesicht spritzte. Ein wenig vor seinen eigenen Augen erschreckend, die ihm angstvoll entgegen blickten. Wo kam all die Angst her? Wo? Mit sich selbst hadernd trat er schließlich in die Küche und beschloss sich dem ganzen so zu stellen, wie er es immer getan hatte. Das Versprechen an sich selbst, das er sich erst vor kurzem gegeben hatte, war vergessen. Weit weg und verdrängt. In einer kleinen Schachtel am Grunde seiner Seele eingesperrt. Weshalb er in der Küche angekommen auch in die Hocke ging und anfing, unter seiner Spüle herum zu wühlen. Bis er schließlich die Flasche mit dem guten Wodka fand und sie auf den Küchentisch stellte. Dazu noch ein Glas und fertig wäre seine Vorbereitung, oder? Fast ein wenig entrückt von sich selbst, fiel sein Blick auf die kleine Schatulle, die er auf die Fensterbank gestellt hatte. Antonin wusste genau was sich dort drin befand. Inzwischen wusste er sogar wieder, wie es sich herstellen ließ. Bewusstseinserweiternd, huh? Vielleicht gab es da tatsächlich etwas, das ihm sein Bewusstsein sagen wollte, es aber nicht konnte. Vielleicht weil er selbst es blockte? Nun, dann würde man eben nachhelfen müssen. Und er wusste genau, dass er sich dafür morgen verabscheuen würde, genau wie er ignorierte, dass Cole später wohl noch einmal vorbeischauen würde. Gerade war nur wichtig, dass er seine wirren Gedanken irgendwie beschäftigte und dem Gefühl der Panik nicht nachgab, das immer wieder gegen die Reste seiner Mauer schlug. Zehn Minuten später, drei Gläser mit jeweils zwei fingerbreit Wodka später, saß er vor der kleinen blauen Kapsel und stierte sie an. Sein Magen rebellierte gegen den Alkohol, hatte er doch in den letzten Tagen kaum Nahrung zu sich genommen und die paar Löffel mit Suppe schienen nicht zu zählen. Es war im Grunde keine gute Idee, richtig? Ja, richtig. Und doch… wie eine Klapperschlange stieß seine Hand vor, ergriff 'Blue Wonder' und schob sie sich in den Mund, mit dem vierten Glas nachspülend. Verdammt sei seine Aversion gegen Drogen! Er würde sein verdammtes Unterbewusstsein jetzt hervorkitzeln. Zwei Stunden, zwei weitere Kapseln und viele Gläser später hielt er das für keine so gute Idee mehr, als er sich die Seele aus dem Leib kotzte und am ganzen Körper zitterte. Und das wirklich schlimme daran war, dass er sich nicht wegen dem Alkohol übergab... er wollte lachen, aber es kam nur ein gurgelnder Laut aus seiner Kehle und ein weiteres Mal Magensäure. Es gab nichts anderes mehr, das er hätte herauskotzen können. Außer seinen Gedärmen vielleicht... hehe. Dann wäre hier auch alles so rot wie damals. Irgendwann sank er von seiner Position vor der Toilette neben der Badewanne auf den Badvorleger und kicherte immer mal wieder vor sich hin. Das Licht im Badezimmer tat seinen geweiteten Pupillen weh, aber das merkte er kaum noch. Alles was er tun konnte war zu lachen, denn die anderen Optionen machten ihm selbst in diesem Zustand Angst. Cole Er hatte es tatsächlich geschafft. Um 1.30 verabschiedete er die letzten Mitarbeiterinnen und schloss das Lady-Dream sorgsam ab, verriegelte die Gitter und schaltete die Alarmanlage an. Dann überlegte er kurz, ob er noch nach Hause fahren sollte, oder nicht. Doch irgendwie stellte er für sich fest, dass er eigentlich einfach nur noch zu Antonin wollte. Sicher wäre dieser leicht davon zu überzeugen, dass es jetzt noch keine Zeit war, um schlafen zu gehen, denn jener hatte ja genug Zeit gehabt, um zu schlafen. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen ging er zu seinem Wagen und fuhr los, mit einem Mal das dumpfe Gefühl habend, beobachtet zu werden. Wissend, wie man sich verhielt, ob es nun Einbildung war oder nicht, mischte er sich in den New Yorker Nachtverkehr und fuhr einen irreführenden Umweg, der mit ein paar gewagten Fahrmanövern ihm das Gefühl gab, nicht mehr beobachtet werden zu können. Dennoch parkte er seinen Wagen einige Häuserblocks weit von Antonin entfernt und fuhr noch eine Station U-Bahn, um schließlich in dem Hauseingang zu verschwinden, seinen eigenen Schlüssel benutzend. Als er in die Wohnung kam, herrschte darin eine seltsame Stimmung. Er schloss die Tür hinter sich, sperrte von innen ab und betrat die Wohnung. "Antonin", fragte er in die Wohnung und blickte in die Küche, wo er nicht nur die Flasche Wodka, sondern auch jenes ihm wohlbekannte Döschen erblickte. "Scheiße", entfuhr es ihm, doch er rief sich zur Ruhe, schließlich könnte es ja auch sein, dass Antonin einfach nur noch nach der Formel forscht. Konnte er sich auch daran erinnern, wenn er sagt, dass er sich wieder an alles erinnern kann? Ein Geräusch aus dem Bad, ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken und so ging er eiligen Schrittes zu der Quelle dieser Geräusche. "Verdammte Scheiße...", murmelte er, als er sah, wie Antonin am Boden lag, mit glasigem Blick, weit geöffneten Pupillen, Schweißperlen auf der Stirn. Sofort kniete er sich zu ihm, hob den Oberkörper auf, blickte ihn streng an. "Antonin Marakow, du verdammte Vollidiot!", fauchte er und überlegte kurz etwas hilflos, was er jetzt tun sollte. Antonin schien nicht wirklich klar zu sehen, seine Augen schienen ins Nichts zu blicken, während er vor sich hin kicherte und unverständiges Zeug brabbelte. In Coles Kopf rotierte es. Wieso um alles in der Welt, hatte dieser Idiot seinen eigenen Scheiß - gut es war keiner - aber wieso hatte er das Zeug geschluckt? Was hatte er damit bezwecken wollen? Eine Bewusstseinsveränderung? Wollte er sich wegbeamen, um nicht mehr nachdenken zu müssen? Nachdenken über die Dinge, die er erlebt hatte, an die er sich jetzt wieder erinnerte? War das alles doch heftiger, als Cole geglaubt hatte? Er hätte ihn heute nicht alleine lassen dürfen... Kurzentschlossen, packte er Antonin unter den Armen und zerrte ihn in die Dusche, wo er begann, den anderen auszuziehen und schließlich die Dusche anstellte, um ihn zum einen zu Waschen, zum anderen wieder ein wenig 'nüchterner' zu bekommen. Dann packte er ihn in zwei große Handtücher und trocknete ihn ab, half ihm auf und brachte ihn hinüber in dessen Bett. Das ganze funktionierte natürlich nicht so einfach und so manches strenge Wort war nötig, um Antonin davon zu überzeugen, dass er zu tun hatte, was er von ihm verlangte. Aber schließlich hatten sie es hinüber geschafft. "Ich hole dir Wasser...", erklärte Cole und ließ seinen Worten Taten folgen, setzte sich schließlich so, dass Antonin sich ein wenig aufrichten konnte und sich gleichzeitig an ihn lehnte, dann schenkte er ihm Wasser ein und wies ihn an zu trinken. Das wichtigste bei diesen Dingen war, dass er nicht dehydrierte. Und so viel, wie jener an Flüssigkeit verloren zu haben schien, war es bitter nötig, dass er trank. Die Einnahme der Pille - wenn es denn eine war - musste schon eine Weile her sein, denn die Wirkung schien schon schwächer zu werden. Normalerweise erreichte bei so einer Pille die Wirkung ihren Höhepunkt nach 2 Stunden, und nach weiteren 2 Stunden war es schon wieder so gut wie vorbei... Allerdings wusste Cole nicht, ob das auch für Antonins Blue Wonder galt. "Du bist wirklich ein Vollidiot, Antonin Marakow", flüsterte er, während er den anderen zwang, immer mehr Wasser zu trinken. "Gerade dir müsste doch klar sein, dass Drogenkonsum nicht nur bewirkte, dass man alles vergessen kann, sondern dass das Ganze auch dazu führen kann, dass man Angstzustände bekommt. Und von den ganzen anderen Nebenwirkungen muss ich dir wahrscheinlich auch nichts erzählen, die wirst du erstens schon bemerkt haben, und zweitens morgen noch den ganzen Tag mit dir herumschleppen. Du bist wirklich ein Vollidiot." Warum er so viel auf den anderen mit ruhiger, leiser Stimme einredete, wusste er nicht. Er wusste ja nicht einmal, ob dieser das alles so wahrnehmen konnte, aber es beruhigte wahrscheinlich ihn selbst. Nachdem er dem anderen drei Gläser Wasser verabreicht hatte, löste er sich wieder von ihm, ging in den Schrank und holte ein frisches Hemd heraus, das er dem anderen drüber zog, damit er nicht so sehr fror. Denn der Körper des anderen hatte begonnen zu zittern. Dann deckte er ihn zu. "Ich komme gleich zu dir...", murmelte er und strich dem anderen über die Stirn. Cole ging ins Bad und beseitigte die Spuren, die Antonin dort hinterlassen hatte. Dass er mal das erleben durfte... Er seufzte, spürte, wie das Ganze an seinen Kräften gezehrt hatte. Aber er hatte jetzt keine Zeit, sich mit sich zu beschäftigen. Im Schlafzimmer zog er sich aus und legte sich zu Antonin, zog ihn in seine Arme. "Du darfst mir nie wieder so einen Schreck einjagend", murmelte er und küsste Antonin auf die wieder leicht schwitzige Stirn. Antonin Viel bekam er nicht mit, als Cole so plötzlich bei ihm war. Antonin vermutete zumindest, dass es Cole sein musste. Dessen Stimme klang irgendwie verzerrt. Lustig. Und die grünen Augen strahlten ihn an. Fast wie eine Lasershow. Er wollte dem anderen davon erzählen, doch so ganz schienen seine Worte nicht anzukommen. Etwas, das ihn wieder zum kichern brachte. Weniger lustig fand er die Dusche, wo er immer nur dann ruhig hielt, wenn Cole der Kragen platzte und ihn anfauchte. Aber auch nur weil es ein wenig unheimlich klang. Nicht für lange, denn meist begann Antonin direkt danach wieder zu zappeln, an seinen Kacheln mit den Fingern nachzufahren und einen Mischmasch an verschiedenen Sprachen von sich gebend. Abgesehen vom Wasser störte ihn eigentlich nur das Licht. Die Berührungen des anderen waren ziemlich intensiv auf seiner Haut, er konnte sie überdeutlich wahrnehmen, was ihn abermals zum Lachen brachte, als Cole über seine empfindlichen Seiten fuhr. War er dort schon immer so kitzlig gewesen? Egal... Das Abtrocknen ließ er ohne viel Widerstand über sich ergehen, hin und wieder wankend und von dem Lichtschauspiel in seinem Bad erzählend. Doch darüber konnte er sich nicht lange freuen, denn Cole zog ihn ohne Erbarmen zurück ins Schlafzimmer und bugsierte ihn ins Bett. Ob sie jetzt...? Nein, wohl nicht, denn sein grummeliger Partner ließ ihn alleine zurück. War er dem anderen Mann jetzt doch zu anstrengend geworden? Plötzlich war aller fehlangebrachter Humor weg und auch das Licht schien auf einmal weniger leuchtend und die Farbenspiele wirkten fast ein wenig bedrohlich. Doch in seiner Wohnung konnte ihm nichts passieren. Da war er sicher. War er doch? Aber Nicholas war auch hereingekommen. Uneingeladen. Sofort ging sein Atem schneller und seine Hände verkrampften sich in der Bettdecke. Doch nicht lange, denn mit Coles Rückkehr wichen die dunkleren Lichter wieder ein wenig zurück und so lehnte er sich brav gegen den anderen und trank das angebotene Wasser. Antonin hatte keine Ahnung ob er überhaupt Durst hatte, aber wenn Cole das so wollte… Er sah keinen Grund sich zu weigern, weshalb er nach und nach wohl drei ganze Gläser austrank und nebenbei auf diese schöne Stimme lauschte, auch wenn er kein Wort davon verstand. Eine Stimme, die ihm schon immer direkt durch Mark und Bein gegangen war. Selbst bei ihrem allerersten Treffen. Auch wenn er da angepisst war, weil der Idiot seine Waffen so unachtsam zu Boden geworfen hatte. Seine Eagle. Hehe. Die Eagle... abermals begann er zu zittern. Eine Tätigkeit, die sich nur verstärkte als Cole ihn schon wieder alleine ließ. Er wollte ihn festhalten, ihn bitten bei ihm zu bleiben, doch irgendwie schienen diese Befehle auf dem Weg durch seinen Körper verloren zu gehen. Aber dann war er nicht mehr alleine, wurde sogar noch in ein warmes Hemd gesteckt. Ein Gefühl, das ihn auch lange genug ablenkte, um kaum zu bemerken, dass Cole schon wieder verschwand. Wo ging der andere denn ständig hin? So toll war seine Wohnung auch wieder nicht, als dass man ständig darin auf und ab laufen musste. Das schien sein Freund dann auch endlich einmal zu begreifen und als dieser sich zu ihm legte, kuschelte er sich so nahe wie möglich an ihn. Sog dessen Wärme und Nähe wie ein trockener Schwamm in sich auf und schloss die Augen erschöpft. Das hatte er die ganze Zeit nicht tun können - die Augen schließen. Die Bilder waren zu heftig. Zu brutal in ihrer ungeschminkten Ehrlichkeit. Aber jetzt war er hier, bei Cole. Und er wurde nicht alleine zurückgelassen, um damit klar zu kommen. Antonin seufzte, nahm nicht die Worte, dafür aber den Tonfall für sich an und gab ein brummendes Geräusch von sich. Die nächsten Stunden begannen irgendwann nur noch furchtbar zu sein. Er hatte ständig Durst, schwitzte die Flüssigkeit schneller wieder aus als er sie, rein nach Gefühl, zu sich nehmen konnte. Er hatte Krämpfe, von denen er nicht wusste woher sie kamen, befand sich doch nichts mehr in seinem Magen. Immer wenn er doch einmal wieder wegdöste zuckte er schwer atmend wieder hoch und blieb dann für Minuten kaum beruhigbar. Bis er den Mann neben sich erkannte. Immer und immer wieder musste er sich davon überzeugen, dass es wirklich Cole war und keine Einbildung. Dass es niemand anderes wäre, der ihn wieder abholen würde für die nächste Sitzung. Irgendwann war er zu erschöpft, zu ausgelaugt, zu kaputt, um sich weiter zu wehren. Etwas, das er, obwohl er etwas anderes vermutet hatte, trotzdem die ganze Zeit getan hatte. Weshalb Antonin zum zweiten Mal in seinem Leben einen Weinkrampf über sich ergehen lassen musste und alles was er tun konnte war sich wie ein Ertrinkender an Cole zu klammern und zu hoffen, dass es bald vorrüberging. Er versuchte immer mal wieder zu sprechen, doch es klappte nicht. Keines der Worte, die er sagen wollte, kam ihm über die Lippen, egal ob er sich für die Anwesenheit, für die beruhigende Stimme, für die Berührungen - einfach für alles bedanken wollte oder ob er einfach nur vor Wut schreien wollte. Wut, die immer mal wieder hochkochte, jetzt wo sein Verstand aufholte. Jetzt wo die Wirkung seiner Pillen und des Alkohols langsam nachließ. Er konnte nicht einmal nach Kopfschmerztabletten oder allgemein Schmerztabletten bitten. Alles was ihm über die Lippen kam war ein seltsames Krächzen. Was ihn sich total hilflos und unfähig fühlen ließ und in den nächsten Tobsuchtsanfall schickte. Knurrend griff er sich das nächstbeste Kissen und pfefferte es mit aller Kraft von sich... was momentan gerade einmal reichte, um es über das Fußende des Bettes fallen zu lassen. Doch er kam in solchen Aktionen nicht weit, denn Cole fing ihn wieder ein, beruhigte ihn in seinen Armen. Und irgendwann ließ Antonin einfach den Kopf hängen, lauschte auf den Herzschlag des anderen und seufzte. "Danke...", ein Wort das er noch viele Male wiederholen sollte. Das einzige Wort, das ihm über die Lippen kam, mit einer Stimme, die er kaum als die seine erkannte. Jetzt war er ganz unten angekommen. Schlussendlich. Tiefer würde es nur noch gehen wenn jetzt jemand aus dem Schrank springen und Cole erschießen würde. Cole Wenn Cole irgendwann einmal diese Nacht beschreiben müsste, würde er es wohl mit nur einem einzigen Wort tun: schlaflos Denn wann immer er versuchte, die Augen zu schließen, schreckte der Mann neben ihm hoch, offensichtlich panisch über das, was er vor seinem geistigen Auge zu sehen bekam. Und diese Panik ließ sich nur schwer wieder unter Kontrolle bringen. Cole wusste irgendwann, dass er einfach nur dafür zu sorgen hatte, dass Antonin ihn erkannte und so zwang er ihn, ihn anzusehen und redete auf ihn ein, bis jener sich wieder beruhigte. Wenn es keine Panik-Attacken waren, die Antonin aufschrecken ließen, verlangte er nach Wasser, wurde von Krämpfen durchschüttelt, zitterte am gesamten Leib. Doch das Ganze war noch nicht das Schlimmste. Das, was Cole am nähsten ging, war der Weinkrampf, der Antonin irgendwann beutelte, der ihn wie ein kleines Kind voll Verzweiflung aufschluchzen ließ. Cole konnte den anderen nur in den Armen halten, versuchte ihn irgendwie zu beruhigen, indem er ihn streichelte, ihn küsste, ihn festhielt und einfach für ihn da war, auch wenn er selbst das Gefühl hatte, gleich weinen zu wollen. Und dass Antonin offensichtlich nicht fähig war, sich zu artikulieren, endete darin, dass jener wütend auf sich zu sein schien und er dieser Wut freien Lauf lassen musste. Und wieder konnte Cole nichts anderes tun, als den anderen einfach nur festzuhalten und zu warten, bis dieser sich wieder beruhigt hatte. Cole hatte früher selbst öfters Ecstasy geschluckt, er wusste wie beschissen man sich fühlte, wenn man zu viel erwischt hatte, wenn in einem ohnehin alles eigentlich schief lief, wenn die Wirkung nachließ. Wie oft hatte er früher seine Eltern noch einmal sterben gehört, wenn er dieses Teufelszeug geschluckt hatte. Aber es hatte lange gedauert, bis er begriff, dass es nichts brachte, dass sich dadurch nichts änderte, sondern man vielmehr nur noch schlechter dran war. Cole hielt Antonin in seinem Arm, drückte ihn an seine Brust, streichelte ihm durchs Haar und küsste hin und wieder gedankenverloren den anderen dort, wo er halt gerade hinkam. Als sich dieser begann zu bedanken wusste er, dass es Antonin zumindest was die Drogen betraf, bald besser gehen würde. "Ist schon gut", murmelte er und sein Blick war auf die gegenüberliegende Wand geheftet, während Cole in seinen Gedanken das durchdachte, was nun zu tun war. Er musste Nicholas besuchen. Und Cole war sich sicher, dass es kein schöner Besuch sein würde. Aber in Cole schrie alles danach, diesem elendigen Arschloch unglaubliche Schmerzen zuzufügen. Schmerzen, die dafür waren, um Antonin zu rächen. Wieso um alles in der Welt hatte dieser Mann Antonin so etwas antun müssen? Warum, verdammte Scheiße, warum? Cole wusste es nicht, und vielleicht interessierte es ihn auch gar nicht, aber ihm war klar, dass dieser Mann dafür verantwortlich war, dass es Antonin schlecht ging. Und dafür musste er zur Rechenschaft gezogen werden. Es war bereits Vormittag, als Cole doch noch ein paar Minuten Schlaf bekommen schien, weil Antonin nun doch ein wenig eingeschlafen war. Doch so richtig schlafen konnte er nicht. Ihm ging zu viel im Kopf herum. Zu viele Dinge, um die er sich nun würde kümmern müssen. Und wirkliche Ruhe würde er ohnehin nur finden, wenn er wusste, dass es Antonin wieder gut ging, wenn er wusste, dass sich jener stabilisiert hat. Dennoch ruhte er sich ein wenig aus, hielt die Augen geschlossen und versuchte sich zu entspannen. Der Tag heute würde sehr anstrengend werden. Aber vielleicht würde er Ragnar dazu überreden können, dass er heute früher gehen konnte. Ob er Antonin mit ins Lady-Dream nehmen sollte? Er konnte ihn schlecht alleine lassen. Schließlich schlief er doch noch über seinen Gedanken ein. Antonin Antonin hatte keinerlei Zeitgefühl mehr, aber als er die Augen aufschlug und sofort erkannte wo er war, fühlte er eine immense Erleichterung in sich. Und Kopfschmerzen. Eine Weile blieb er ruhig liegen, Coles Geruch einatmend, an dessen Brust er wohl irgendwie lag. Das musste eine der furchtbarsten Nächte in seinem Leben gewesen sein. Abgesehen von den Dingen natürlich, die sie hervorgeholt hatte, die waren noch furchtbarer und schrecklicher, jedoch im Moment nicht mehr so vordergründig spürbar. Er seufzte und schloss seine Augen wieder, um noch eine Weile einfach so liegen zu bleiben. Langsam für sich selbst die Ereignisse der letzten Stunden und auch Tagen kapitulierend, Stück für Stück weiter in die Vergangenheit schweifend und sich den neuen Erinnerungen stellend. Erinnerungen, die er selbst vor seinem Unfall so tief in sich verschlossen hatte, dass er sie als nicht wahr deklariert hatte. Doch das waren sie wohl. Vorsichtig löste er sich aus Coles Arm, den dieser um ihn geschlungen hatte und blinzelte, das Gesicht seines Retters betrachtend. Denn das war er. Vielleicht hätte Antonin sich gestern Nacht noch mehr Pillen und mehr Alkohol verabreicht und vielleicht wäre er daran zugrunde gegangen. Aber nicht nur seine Hülle war von Cole erhalten worden, sondern auch irgendwie seine Seele. Mit langsamen, ein wenig ungelenken Bewegungen setzte er sich auf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Wie spät es wohl war? Abermals schloss er die Augen, versuchend dem beständigen Hämmern in seinem Kopf ein wenig entgegen zu wirken, ließ den Kopf sinken bis sein Kinn schon fast wieder Haut berührte. Ruhig hob und senkte sich sein Brustkorb, so dass er sich selbst wieder ein wenig einlullen konnte. Schon alleine weil er Cole nicht aufwecken wollte. Der arme Kerl hatte die Nacht schon genug mit ihm mitgemacht, zudem Antonin auch gar nicht so recht wusste, wie er ihm jetzt gegenübertreten sollte. Das Bild des professionellen, ruhigen und starken Guards, das er einmal verkörpert hatte, war jetzt wohl komplett über den Jordan gegangen. So leise wie möglich rutschte er schließlich unter den Laken hervor, kurz inne haltend, weil ihm schwindlig wurde, und schlich dann so gut als möglich in seine Küche. Wenn er nicht bald etwas zu Essen bekäme, würde er direkt nochmal zusammenklappen. Ohne den Tisch eines Blickes zu würdigen, trat er an seinen Ofen, zog nebenbei einen Löffel aus der Schublade und machte sich sofort über die kalte Brühe von gestern her. Sein grollender Magen gab ihm auch deutlich zu verstehen, dass es inzwischen höchste Eisenbahn war, genau wie er gleichzeitig davor zu warnen schien, ihn zu überfordern. Doch auf letzteres konnte Antonin gerade nicht hören, weshalb er auch den Kühlschrank aufriss, sich den nächstbesten Käseaufschnitt schnappte und die Plastikumhüllung entfernte. Das Brot wurde nicht geschnitten sondern direkt vom Laib abgebissen. Er kam sich vor wie ein Steinzeitmensch, aber eigentlich war es egal. Immer mal wieder abwechselnd vom Brot oder Käse abbeißend, wandte er sich doch herum und betrachtete seinen Küchentisch. Oder vielmehr das was sich darauf befand. Die fast leere Wodkaflasche und die Schatulle mit den Pillen. Sofort verdüsterte sich sein Blick und er stellte die Lebensmittel irgendwo ab, schnappte sich die Flasche und goss den Rest in den Abfluss. Das gleiche Verfahren erlitten die Pillen. Alle und jede einzelne. Sie hatten ihren Zweck erfüllt - ein wenig zu gut sogar. Sich dann noch eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank nehmend, schlich er sich zurück ins Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante, Cole betrachtend und sich dann fast erschreckend als jener ohne Vorwarnung die Augen öffnete. Ob er schon länger wach war? Eine Weile starrten sie sich einfach nur an. Es kam Antonin schon fast unwirklich vor nach so einer Nacht einfach hier zu sitzen und in diese grünen Augen zu blicken. Ohne zu zittern, ohne zu weinen, ohne zu toben. "Ich würde dir gerne einen guten Morgen wünschen, aber ich befürchte das ist er nicht." Und schon wieder klang seine Stimme heiser. So als hätte er sie die ganze Nacht gebraucht. Lag das an seiner Dehydrierung? Er hob die Hand um sich durch die Haare zu fahren. Eine unsichere Geste, die ihn genauso sehr verriet wie die nächsten Worte. "Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich sagen soll, außer vielleicht, dass ich jedem übersinnlichen Wesen dieser Welt für dich danke?" Hier versuchte er sogar ein Lächeln. Etwas das sich seltsam auf seinem Gesicht anzufühlen schien. Ganz so, als würde es dort nicht hingehören. "Es tut mir leid." Cole Cole hatte nicht gespürt, wie Antonin aufgestanden war, aber er merkte, dass sich ihm jemand näherte, jemand ihn ansah. Und so lauschte er den Bewegungen, realisierend, dass es Antonins waren, bis jener saß. Dann schlug er die Augen auf und blickte den anderen an. Wenn er das mal so sagen durfte, Antonin sah bescheiden aus. Aber nach so einer Nacht war das kein Wunder, und wenn er besser aussehen würde, dann würde er einen Besen fressen. Cole wartete, gab Antonin die Möglichkeit, sich zuerst zu äußern. Schließlich hatte Antonin Erklärungsbedarf, nicht er. Matt lächelte Cole, als er die ersten Worte hörte. Dann hob er die Augenbrauen. Antonin hatte nicht ganz unrecht, wenn er dafür dankte, dass er gefunden worden war. Aber dafür zu danken, dass es ihn gab? Ohne ihn wäre das alles nie passiert. Und jetzt auch ohne Nicholas, mehr denn je. Als er die Entschuldigung hörte, seufzte Cole, richtete sich ein wenig auf, drehte sich zur Seite und stützte sich auf seinen Unterarm, um den anderen besser ansehen zu können. "Das sollte es auch, du Vollidiot!", knurrte er und blickte Antonin ernst an. "Aber ich vermute, dass deine Kopfschmerzen und auch sonst die ganzen Begleiterscheinungen Bestrafung genug sind, denn sonst würde ich dich jetzt nehmen und dir so dermaßen den Hintern versohlen, dass du nicht mehr weißt, wo oben und unten ist, und fünf Tage nicht mehr sitzen kannst." In seinen Worten schwangen noch immer die Vorwürfe mit. Einen Moment schwieg Cole, dann hob er die Hand und strich Antonin über das Gesicht zu dessen Kinn. "Ich hoffe das Ganze war dir eine Lehre die Finger von solchen Cocktails zu lassen, egal wie viel Scheiße dir gerade die Luft abschnürt. Wieso hast du mich nicht angerufen? Oder sonst irgendwie um Hilfe gebeten? Ist es dir egal, wie ich mich dabei fühle, wenn ich dich so erleben muss?" Cole schloss kurz die Augen und strich sich mit der Hand über das Gesicht. "Egal, wie auch immer. Ich habe keine Ahnung, was dich so weit treibt, so viel Scheiße zu bauen, aber ich würde es gerne wissen, denn sonst kann ich es nicht nachvollziehen. Im Moment kann ich nur gut nachvollziehen, wie du dich gefühlt hast, solange du noch nichts über mich und meine Geschichte gewusst hast. Und ich habe das dringende Bedürfnis zu verstehen, wieso du dich heute Nacht wegbeamen musstest..." Er konnte Antonin nicht dazu zwingen, zu verbalisieren, was jener durchlebt zu haben schien. Letztlich hatte er auch keine Ahnung, welche Dimensionen das alles hier hatte. Ging es nur um die Erinnerungen an die Folter? Oder war da noch viel mehr in ihm verborgen, was nur noch nicht ans Tageslicht gekommen ist? "Ich weiß, wie schwer das ist, deswegen werde ich nicht jetzt von dir verlangen, dass du mir das alles erzählst, aber ich hoffe, dass du es mir bald sagst. Und ich hoffe, dass du bis dahin erstens - er blickte Antonin noch immer sehr ernst und sehr kühl an - die Finger von Alkohol und Drogen lässt, und zweitens mich anrufst, wenn du Hilfe brauchst. Ich habe dir nicht umsonst gestern Mittag noch gesagt, dass du mich jederzeit anrufen kannst, du elendiger Sturkopf." Cole atmete tief ein und langsam wieder aus. "Scheiße, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie beschissen es sich anfühlt, dich so hier vorzufinden..." Seine Stimme änderte sich leicht. Sie klang nicht mehr streng, nicht vorwurfsvoll, sondern es schwang eher etwas wie Verzweiflung mit ihr mit. Antonin Automatisch wich Antonin ein Stück zurück, als Cole ihn sofort als Vollidioten beschimpfte, doch er hätte nichts anderes erwarten dürfen. Obwohl er den Blickkontakt am liebsten lösen und sich unter der Bettdecke verkriechen wollte, hielt er ihm stand. Versuchte den vorwurfsvollen Ton und Wortlaut für sich anzunehmen, denn er sah es als verdient an. Was es nicht leichter machte, denn da war momentan keine Kraft mehr in ihm, um sich zu schützen. Die Hand an seinem Kinn, die streichelnde Berührung stand im krassen Gegenteil zu Coles Worten, was ihn dann ebenfalls ein wenig aus der Bahn warf. Aber genaugenommen schien der andere die Nacht über auch sehr geduldig und zärtlich mit ihm gewesen zu sein. Und ja, jetzt waren die Schuldgefühle da, sich Cole so gezeigt zu haben. Es zugelassen zu haben, dass jener sich Sorgen um ihn machen musste und ihn so zerstört erlebte. Schlimmer noch als zu dem Zeitpunkt als er seine Erinnerungen verloren hatten. Antonin schluckte hart. Nein, es war ihm nicht egal wie Cole sich dabei fühlte. Nur leider war es ihm gestern egal gewesen. Kurz wich er dem Blick des anderen aus, betreten auf die Bettdecke blickend, bevor er sich zusammenriss und doch wieder aufsah. Immerhin das war er dem anderen doch schuldig. Unsicher blinzelte, als er den Wunsch des anderen vernahm. Ja, Cole hatte nicht nur ein Anrecht auf die Geschichte - auf seine Vergangenheit - sondern er musste sie inzwischen wohl auch erfahren. Noch etwas, was er ihm schuldig war. Auch wenn sich alleine beim Gedanken daran ein eisiger Klumpen in seinem Magen bildete. Und dann merkte er wie seine Augen schon wieder feucht wurden. Und wenn ihn dieser Grad an Verzweiflung in Coles Stimme schon fertig machte, wie musste dieser sich dann die letzten Stunden gefühlt haben? Ohne ein Wort rutschte Antonin näher an den anderen und umarmte ihn. Zog ihn aus der leicht liegenden Haltung heraus und drückte ihn an sich, sein Gesicht in dessen Hals vergrabend. "Es tut mir so wahnsinnig leid. Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es tut. Aber dabei konntest du mir nicht helfen", murmelte er, den anderen fester an sich pressend. "Das konnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Aber ich hätte es wohl trotzdem tun sollen. Ich weiß. Bitte verzeih mir…" Jetzt auch noch wissend, dass Cole sehr böse auf ihn war, das wäre wirklich tödlich. Er hielt Cole fest, bis sich sein plötzlich schnell gegangener Herzschlag wieder beruhigte. Tief durchatmend löste er sich von ihm und suchte dessen Blick. Ein Blick aus müde wirkenden Augen. Ob es wirklich ein guter Zeitpunkt war, seine Geschichte zu erzählen? Aber andererseits gab es keine guten Zeitpunkte dafür, oder? "Ich werde es dir erzählen, Cole", erklärte er schließlich. "Und vorneweg muss ich wohl erwähnen, dass ich das Schlimmste davon bis gestern nicht mehr ahnte. Auch vor meinem Unfall nicht. Ich habe die Drogen genommen, weil ich mir davon Klarheit erhoffte. Klarheit darüber, warum ich so unerklärliche Panikattacken hatte. Es hat gewirkt…" Er wandte den Blick ab, hielt jedoch mit den Händen weiterhin Kontakt zu Cole. Antonin würde ihn jetzt eine Weile nicht mehr loslassen können. Er atmete tief durch, hob seinen Kopf dann jedoch nicht mehr, als er zu erzählen begann. Und auch wenn er immer mal wieder Pausen einlegen musste, weil seine Stimme versagte, oder er zu zittern begann, so sprach er es doch in einem Mal runter. Er verschwieg ein paar der Details, da man sie sich denken konnte, aber im Grunde hielt er nichts zurück. "Mein Vater war mal ein halbhohes Tier in Russland, der sich bei den falschen verschuldete und ihnen eines seiner Kinder versprach, als eine Art Schuldschein. Das konnte er tun, da er sich für zeugungsunfähig hielt. Wie man an mir sieht, hat er sich geirrt und diese Gruppe hat das herausgefunden. Am Tag meines Abschlusses standen sie plötzlich zu dritt auf dem Schulgelände und bevor ich wusste was überhaupt passierte, wachte ich Tage später in Russland wieder auf. Ich sprach die Sprache zu diesem Zeitpunkt zwar, aber keineswegs fließend, was es mir anfangs noch schwerer machte. Die Ausbildung zum Bloodhound - er verwendete den russischen Eigenbegriff - Bluthund oder auch Guard geschieht eigentlich freiwillig. Ich war die glorreiche Ausnahme, was jedoch niemanden zu stören schien. Mich zu weigern und zu verlangen, zum Amerikanischen Konsulat gebracht zu werden, gab ich sehr schnell wieder auf, nachdem ich ein paar Mal ganz übel verprügelt wurde. Und mein Gott... ich war gerade einmal 18 Jahre alt und obwohl meine Familie aus einer Art Ghetto kommt, hatte ich mich jahrelang nur auf meine Schule konzentriert. Ich habe dir ja erzählt, dass ich recht schmächtig gebaut war. Und um mich herum diese Muskelbepackten Russen, für die ich mehr als gefundenes Fressen war. Den einzigen Bonus brachte mir meine Intelligenz. Sie wollten, dass ich ihnen eine Art Wunderdroge zauberte, wenn ich nicht gerade beim Training war. Dadurch reduzierte sich mein Schlaf auf ein Minimum und so kurz aus der Schule raus, war das mehr wirres Herumgepansche mit Chemikalien als alles andere. Das erste halbe Jahr wurde man auf Ausdauer und Kraft ausgebildet und wir haben uns so manches Mal die Seele aus dem Leib gekotzt vor Überanstrengung. Kontakt zur Außenwelt war verboten und auch kaum möglich. Das ist ein altes militärisches Gebäude und darum herum ist meilenweit Sperrgebiet. Ja, Russland ist ein großes Land. Man ahnt erst wie groß es ist, wenn man versucht, aus so einem Gebiet abzuhauen. Wofür meine Bestrafungen auch jedes Mal schlimmer wurden, bis ich es irgendwann sein ließ. Zu diesem Zeitpunkt fielen bereits zwei aus unserer Einheit aus. Wobei ich vielleicht sagen sollte, dass man eigentlich nur ausfällt, wenn man stirbt. Denn selbst wenn man freiwillig dort hin geht, so kommt man nicht mehr so einfach raus. Dann kam das Kampftraining. Nahkampf, Handfeuerwaffen, Scharfschützengewehre, Messer und überhaupt alles was sich im jeweiligen Moment als Waffe verwenden lässt. Es war nicht leicht oder schön, aber es war erträglich. Irgendwann gewöhnt man sich an alles, selbst wenn es so eine Ausbildung ist, in der man gegen seinen Willen steckt. Wir übten und lernten natürlich an Attrappen. Anfangs." Hier brach seine Stimme das erste Mal weg und er musste die Hand heben, um sich den neuen Schweiß von der Stirn zu wischen. "Dabei blieb es nicht, denn dann begannen die Prüfungen. Prüfungen, die erklären, warum ein Bloodhound so teuer ist. Nämlich weil es nur so wenige von uns gibt, da wir uns gegenseitig auslöschen. Nur die allerbesten kommen wirklich bis zum Ende durch. Nur jene, die kein Problem damit haben, Menschenleben auszulöschen, selbst wenn es dein Partner ist, mit dem du schon über ein Jahr durch dick und dünn gegangen bist, weil man alleine einfach nur untergehen würde. Und alle kapierten das. Bis auf mich." Abermals stockte er und sah zu seinen Narben. "Ich blieb bei der ersten Prüfung einfach am Startpunkt stehen und weigerte mich. Das brachte mir einen Armbruch ein und einen zweiten Versuch. Und ich habe nicht gelogen als ich sagte, dass es keine Macht der Welt gibt, die mich dazu bringen würde etwas zu tun, was ich nicht will. Naja, oder ich dachte es bis gestern. Die zweite Verweigerung ließ sie den Arm an der gleichen Stelle nochmal brechen und als ich wieder Nahrung bekam, war ich dem Tod näher als dem Leben. Aber sie hatten begriffen, dass ihr kleiner Chemiker damit nicht zu brechen wäre und steckten mich in Einzelausbildung. Zu Nicholas. Ich habe dir einmal erzählt, dass ich ein Bild von ihm im Kopf habe, wo er mit dem Baseballschläger auf mich losgeht? Das war so ziemlich unser erstes Treffen. Ein weiterer Test. Ich habe ihn entwaffnet und damit auf ihn eingeprügelt bis andere Ausbilder dazwischen sprangen. Man könnte sagen, dass ich nicht mehr sonderlich an meinem Leben hing und es nur so teuer wie möglich verkaufen wollte. Doch soweit sollte es nicht kommen. Die nächsten Monate bestanden hauptsächlich aus taktischem Unterricht, Fahrübungen und Übungen, die reale Einsätze nachstellen sollten. Bis die nächste Prüfung kam. Ein zwei Mann Team gegen ein anderes. Die Überlebenden wären wieder weiter. Und der mir zugewiesene Partner war natürlich kein bisschen über mich erfreut. Was dann wohl meinen ersten Mord darstellte, denn obwohl ich dachte, nicht mehr weiterleben zu wollen, schien ich mich auch nicht einfach über den Haufen schießen zu lassen. Bevor ich überhaupt genau realisierte was passierte, hatte ich ihn erschossen und stand damit alleine inmitten der Pampa, hatte meine Position durch den Schusswechsel verraten und hatte zwei weitere Gegner." Sein Blick schweifte in die Ferne, wurde leerer, doch er sprach weiter. "Ich versuchte zu diesem Zeitpunkt ein weiteres Mal abzuhauen und als das andere Team mich nicht fand, hatte man mich sehr bald wieder aufgegabelt. An der Ausrüstung waren Sender enthalten. Daran hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht. Ich war einfach nur panisch und wollte weg." Er lächelte fast ein wenig traurig. "Da ich so weit gekommen war, dass mich das andere Team nicht fand und ich endlich jemanden umgebracht hatte, ließ man mich weiter und erschoss die anderen beiden vor meinen Augen. Das war der Zeitpunkt, zu dem mein Einzeltraining intensiviert wurde. Nicholas verabreichte mir wahre Drogencocktails und ich wurde stundenlangen Verhören ausgesetzt. Das war die Einleitung zu dem, was ich selbst nur als Gehirnwäsche bezeichnen kann, weil mir kein anderer Ausdruck dafür einfällt. Und das ist das, was ich bis gestern so gut verdrängt hatte." Er musste sich Tränen aus den Augenwinkeln wischen, die sich lautlos ihren Weg bahnten. Es hatte keine Auswirkung auf seine Stimme, schien mehr ein Ausdruck des Verrats zu sein, dem er sich ausgesetzt fühlte. "Immer und immer wieder wurde mir von Nicholas gesagt, wie gern er mich hätte, wie nahe wir uns stünden, was für eine innige Beziehung wir zueinander hätten. Wie Brüder. Natürlich unter Drogen. Aber da ich dann zumeist genießbares Essen und trinken bekam und Zigaretten, wirkte es von Zeit zu Zeit mehr. Irgendwann drang es durch zu mir und ich begann ihm zu glauben. Sie mussten mir die Spritzen zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr gewaltsam geben und noch viel später reichten auch irgendwelche Pillen. Kleine Inszenierungen, die ich erst seit gestern als solche erkenne, ließen Nicholas als einen Helden in meinen Augen wirken. Er 'rettete' mich immer häufiger vor Prügeln, vor Strafen, vor Gewalt im Allgemeinen und mein Vertrauen festigte sich. Als er mir sagte, dass ich töten müsste, um weiter zu kommen, damit ich weiter bei ihm bleiben könnte, tat ich es. Irgendwie schafften sie es, mein Mitgefühl und meine Einstellung zum Leben zu umgehen und mich wirklich wahllos töten zu lassen. Nicholas zeigte auf einen Mann und ich hob die Waffe und drückte ab. Es war so furchtbar leicht. Es brauchte kein Nachdenken. Einfach heben und abdrücken. Heben und abdrücken. Heben und..." Antonin unterbrach sich selbst und brauchte eine Weile, um seinen schneller gehenden Atem zu unterbrechen. "Im letzten Jahr kam dann jene Stunde, bei der alle Drogen nichts halfen. Es halfen kein Nicholas und keine Prügel. Es halfen keine Stromstöße und gar nichts. Ich war nicht bereit, einen Menschen zu foltern, um an Informationen zu gelangen. Was darauf folgte, kannst du an meinen Armen erkennen. Und wieder war es Nicholas, der mich da herausholte. Wieder wurde ich unter Drogen gestellt und wieder wurden mir Dinge eingeredet. Dinge, die, wie ich jetzt erkenne, gar nicht sein konnten und niemals sein würden, wenn sie das nicht getan hätten. Das Problem, das eine Problem, das sie hatten, mich umzubringen war meine scheiß Genialität, wenn es zu Drogen kam. Natürlich nichts, das an CI-4 rankommt, aber ich entwickelte einfachere Verfahren zu Herstellung und spülte ihnen Geld in die Kassen. Immer wenn ich klar im Kopf war, stand ich im Labor. Stand ich nicht im Labor wurden mir Dinge eingeredet. Immer und immer wieder, bis ich wieder an dem Punkt war, an dem ich einfach tat, was man mir sagte. Doch ein weiteres Mal versagte ich bei der Folter und damit brachen sie diese Prüfung für mich ab." Antonin musste hart schlucken und suchte schließlich doch Coles Blick. Mit ein wenig Verzweiflung in den Augen aber auch einer Ruhe, von der er selbst nicht sagen konnte, ob sie anhalten würde. "Abermals wurde mir klar gemacht, wie sehr ich Nicholas brauchte, um weiter existieren zu können. Um dort heraus zu kommen. Sie ließen mich zwar offiziell durchfallen, aber inoffiziell bin ich so eine Art Prototyp von ihnen, da ich der erste war, an dem diese Methode ausprobiert wurde. Soviel bekam ich immer mal wieder mit, wenn sie sich unterhielten, wenn sie dachten, ich würde schlafen oder zu zugedröhnt sein. Darauf folgte ein kalter Entzug und der Entschluss - falls ich das jemals überstehen würde - einen Stoff zu kreieren, der diese verdammten Schmerzen abstellen würde. Es kam mir vor wie Jahre, aber es waren wohl 'nur' Monate und als ich herauskam wurde mir ein Ziel gestellt. Ich hasste es. Andrej Trokonj. Ich hasse ihn immer noch. Und als es zu meiner Entlassung kam, weil ich ihn aus einem Wutanfall heraus fast todgeprügelt habe und mich kein einziger seiner Befehle stoppen ließ, wurde ich im Gegenzug dazu fast todgeprügelt. Daraufhin beschloss man, in mir eine Art Schläfer zu sehen, den man in Nicholas Obhut gab und den man weiterhin im Auge behalten würde, wie ich mich wieder in 'freier Wildbahn' entwickeln würde. Ich habe den Schänder meiner Mutter gefoltert, auf Nicholas Suggestionen hin. Damit galt ich als Erfolg und erst als Nicholas Tayra kennenlernte, hörten die Drogen auf. Es gab eine Art letzte Sitzung, bei der mir gesagt wurde, dass das alles nur ein Alptraum wäre und ich häufig von Blut träumen würde und damit endete es. Damit begann ich tatsächlich von Blut zu träumen und ich vertraute Nicholas wie einem Bruder. Ich begann mein eigenes Leben zu führen, kontaktierte ihn so gut wie nicht mehr und dann traf ich dich." Er lächelte kurz. "Und wenn du dir jetzt eine Sekunde lang Vorwürfe machen solltest, dann hör sofort wieder damit auf. Jeder hätte im Grunde das Gefühl in mir hervorholen können, dass ich ihn zu jedem Preis beschützen will. Der Rest ist alleine Nicholas Schuld..." Und hier wurden seine Augen wieder leerer und er schniefte ein wenig. "Jetzt kennst du mein Leben. Jeden noch so kleinen und großen Teil. Sogar Dinge, die ich bis gestern nicht mehr wusste und auch wenn ich es gerade im Griff habe, bin ich mir sicher, dass ich noch lange damit zu kämpfen habe... Ich habe ihm vertraut, Cole... Ich habe ihm wirklich vertraut." Cole Cole hörte aufmerksam zu, die Hand des anderen nicht loslassen, vielmehr hin und wieder darüber streichelnd. Immer dann, wenn Antonin stockte, drückte er leicht die Hand, als wollte er sagen: 'Ich bin bei dir', oder ihm anders irgendwie signalisieren, dass er Anteilnahme nahm an den Dingen, die ihm offenbart wurden. Und immer wenn er merkte, wie Antonin mit sich kämpfte, wurde das ohnehin schon mulmige Gefühl in seinem Inneren heftiger. Er spürte, wie ihm schlecht wurde, wie er das Gefühl hatte, am liebsten genauso zu kotzen, wie Antonin es in der vergangenen Nacht getan hatte. Und er spürte, dass seine unglaubliche Wut, weitere Nahrung bekam. Doch davon ließ er sich nichts anmerken. Seine Augen waren auf Antonin gerichtet, abwartend, bis dieser fertig wäre mit seinem Bericht. Die 'Geschichte', die Antonin ihm erzählte, war einfach nur heftig, und Cole meinte darunter ersticken zu müssen. Es fühlte sich an, als wurde gerade ein riesiger Felsbrocken auf ihn abgelagert. Natürlich war das ein eingeforderter und auch nicht unwillkommener Felsbrocken, aber er würde lügen, wenn er sagte, es würde ihn nicht belasten. Das Ganze nahm ihn unglaublich mit. Und er wusste, dass er daran noch lange zu knabbern haben würde, noch lange darüber würde nachdenken müssen. Das waren Informationen, die man nicht so einfach verarbeiten konnte. Und Cole war bewusst, dass, wenn es ihm schon so ging, es Antonin natürlich noch viel schlimmer ging. Denn er war die Hauptperson in diesem Psycho-Horror-Film. Aber die Erzählung ließ Cole auch Dinge Erfahren, die die etwas unvollständigen Bilder von ihrem bisherigen gemeinsamen Lebensweg vervollständigten. Antonins Alpträume in der ersten Nacht, sein Hang, Wodka in sich zu schütten, wenn er emotional aufgewühlt war, das Gefühl, das er von Anfang an bei ihm hatte, dass diesen Mann wenig schocken konnte, seine Aversion gegen die Medikamente nach seinem Unfall, seine Angst vor Nicholas nach dem Unfall, der Drogenmissbrauch von gestern Nacht. Das Puzzel, das Cole von Anfang an begonnen hatte zu legen, setzte sich durch diesen Bericht nach und nach selbstständig zusammen. Aber das Bild, das er nun als Ergebnis betrachten durfte, erschreckte Cole fast zu Tode. Es war einfach nur grausam. Letztlich war es auch eine Absurdität, dass ausgerechnet der Chemiker in Antonin ihn am Leben hielt. Und Cole dankte innerlich welchem höheren Wesen auch immer dafür, dass er Antonin mit dieser Gabe versehen hatte. Nun und dann kam die Wahrheit über Nicholas noch ans Tageslicht. Über den Menschen, der bei Cole nun in Zukunft der Feind Nummer eins war. Er begriff nun, weshalb jener gegen ihre Verbindung war, weshalb er Antonin das angetan hatte, was am Wochenende gewesen ist. Er hat den Schläfer erweckt, um ihn an seine 'Verpflichtungen' zu erinnern. Dass er sich dabei ins eigene Knie geschossen hatte, war sicher nicht so geplant gewesen. Vielleicht hatte jener gehofft, dass Antonin nun sich wieder ihm verpflichtet fühlen würde... Und egal was Antonin sagen würde. Cole wusste, dass er Nicholas umbringen wird. Dieser Mann hatte den Tod verdient, und Cole würde sich vorbereiten und ihn dann töten. Koste es, was es wolle. Als Antonin verstummte, klärte sich Coles Blick wieder, kam aus seinen Gedanken zurück und er blickte Antonin wieder an. Vorsichtig richtete er sich auf, setzte sich langsam so hin, dass er vor Antonin saß, seine Beine rechts und links von diesem wegstreckend, so dass er Antonin zu sich ziehen und in einer Umarmung festhalten konnte. Sanft küsste er ihn auf die Stirn, strich ihm über den Rücken, schmiegte sich an ihn. Er wusste noch nicht so recht, was er sagen sollte, er fühlte sich noch immer überfahren, und die Zeit, bis er wusste, was er sagen wollte, überbrückte er mit Nähe. Er wollte, dass Antonin nicht das Gefühl bekam, dass ihn das überforderte, auch wenn Cole selbst noch nicht wusste, ob ihn das überforderte oder nicht. Er wollte ihm zeigen, dass er sich nicht von ihm abwandte oder abkehrte. "Jetzt verstehe ich zumindest, warum du dich gestern zugedröhnt hast, daher nehme ich meinen Idioten zurück", murmelte er schließlich, Antonin an sich drückend. Seine Hand glitt in die Haare des anderen und sanft küsste er ihn erneut an die Schläfe. "Das ist ganz schön heftig", stellte er dann fest und man merkte, dass er noch immer nach Worten rang. "Ich denke ich werde noch ein wenig brauchen, bis ich das verdaut habe und wenn ich darf, werde ich noch ein wenig nachfragen hin und wieder, wenn ich merke, dass mir etwas unklar ist. Aber das ist mein Problem, nicht deines. Denn auch wenn ich das alles noch ein wenig verdauen muss, darfst du nicht eine Sekunde glauben, dass das etwas zwischen mir und dir ändert. Denn das tut es nicht, außer vielleicht das Bedürfnis, noch mehr für dich da sein zu wollen." Er seufzte tief. Dann lächelte er, löste sich leicht von Antonin, um ihm ins Gesicht zu sehen. "Ich denke wir müssen darüber reden, wie es jetzt weitergeht, nachdem du diese Erkenntnisse gewonnen hast. Ich befürchte, wir werden das bisherige Leben nicht so weiter plätschern lassen können. Nicholas ist nach wie vor eine große Gefahr für dich, denn ich denke, er möchte seinen getreuen Bluthund zurückhaben, anders kann ich mir das Wochenende nicht erklären. Vielleicht hat er auch Befehle von oben erhalten, dass er dich 'reaktivieren' muss. Ich habe keine Ahnung. Aber ich denke, wir sollten besprechen, was alles in nächster Zeit geschehen könnte und sollte, damit wir vorbereitet sind." Er strich Antonin über die Wange, zog dessen Kinn zu sich und küsste ihn sanft. "Ich werde dich nicht hergeben, koste es was es wolle." Eindringlich sah er den anderen an. "Auch wenn ich ein wenig gekränkt bin, dass ich wohl jeder andere auch sein könnte..." Er grinste ein wenig schief. Antonin Es war nicht nur einfache Erleichterung, als Cole ihm nach dieser 'Geschichte' Nähe und Zärtlichkeit gab, es war die Sicherheit nicht mehr komplett austicken zu müssen. Nur ganz kurz wand er sich aus dessen Armen, sich das Hemd über den Kopf ziehend und achtlos neben sich werfend, bevor er wieder die Nähe des anderen suchte. Antonin musste dem Wunsch nach Hautkontakt nachgeben, wollte nicht durch Stoff gestört werden. Am liebsten wäre er in Cole hineingekrochen, sich wie ein Baby an ihn geklammert und nicht mehr hergegeben. "Du musst das nicht zurücknehmen. Vielleicht wäre ich nicht so zusammengeklappt, wenn ich dich angerufen hätte", murmelte er gegen die Halsbeuge des anderen. Gerade fühlte er sich ausgelaugt aber ruhig. Natürlich war ihm bewusst, dass diese Ruhe eine trügerische war, eine die eventuell nicht lange anhalten würde, aber gerade war er dankbar dafür. Es könnte daran liegen, dass er sich das alles mal von der Seele geredet hatte, einmal offen zugegeben zu haben, was für ein Psychopath aus ihm gemacht worden war. Und es war dieser Moment, in dem er begann dankbar für Coles Beruf zu sein, denn ein geringerer, ein Mensch mit einem normalem Beruf, wäre wohl so schnell und weit geflüchtet wie ihn dessen Beine tragen konnten. Aber Cole könnte wohl Teile davon nachvollziehen. Wie leicht es schlussendlich war ein Menschenleben auszuradieren. Wie wenig man in solchen Momentan an die andere Person dachte, sondern nur an sich und das eigene Überleben. Wie wollte man so etwas jemandem erklären, der das Gefühl selbst noch nie gefühlt hatte? Er nickte, auf die Bemerkung hin, dass es heftig sei. Ja, heftig war ein guter Begriff dafür und Cole schien deutlich daran zu knabbern. Ob er es vielleicht doch nicht hätte sagen sollen? Nicht so deutlich? Dieser Mann hatte ja nun wirklich genug eigene Probleme und jetzt lud er ihm seine auch noch auf, obwohl ja eigentlich er der Halt für Cole sein wollte. Er wollte ihm Kraft geben, nicht entziehen wie ein gieriger Blutsauger. Verdammt sei dieser Milenkof! Selbst in Gedanken würde Antonin ihn nicht mehr bei dem vertrauten Vornamen nennen. Dafür war der Bruch zu groß, egal wie ehrlich sich ihre Beziehung in der letzten Zeit angefühlt hatte. Alleine der Gedanke daran, dass er eigentlich nichts anderes als eine zu groß geratene Laborratte für den älteren Russen war, war schier unerträglich. "Du kannst fragen so viel du willst, da gibt es keine Grenzen, Landminen oder Fallgruben mehr für dich." Er stieß Luft aus. "Ich hätte dich damit nicht so überfallen sollen, du hast wirklich genug Eigenes, mit dem du umgehen musst. Und da schwinge ausgerechnet ich große Reden darüber, da zu sein, um dir Halt zu geben." Es war natürlich eine Selbstanklage, aber er meinte sie genau so wie er sie sagte. Es war eine Art Entschuldigung, Coles Leben so zu verkomplizieren. Irgendwie schien er sich in letzter Zeit zu einem unglaublichen Troublemaker zu entwickeln. Oder war er das schon immer gewesen, aber er hatte sich zu gut unter Kontrolle gehabt? Oder zu wenig Kontakt zu Menschen? Im Grunde war er ja mehr oder minder ein Einsiedler in seinem Labor gewesen. Er verstärkte seinen Halt um Cole und schloss die Augen kurz. "Ich möchte auch für dich da sein können...", Antonin seufzte und begann damit über Coles Rücken zu streicheln. Um sich zu beruhigen, um Cole zu beruhigen. Einfach um mehr Kontakt zum anderen zu haben. Es tat ihm gut. Als Cole sich dann ein wenig von ihm löste, suchte er den Blick des anderen, bemerkte die Rötung, die wohl vom wenigen Schlaf resultierten, von der Erschöpfung erzählten. Und abermals hätte Antonin am liebsten geseufzt. Je mehr Sorgen er sich wieder um diesen wunderbaren Mann machen konnte, desto uninteressanter erschien er sich selbst. Mit dem meisten davon war er bisher klargekommen. Er würde sich auch dem Rest stellen und es schaffen. Er müsste es schaffen, denn dieser Brocken, den er seinem Partner da gerade aufgeladen hatte, der müsste da wieder runter. Coles Worte enthielten viel Wahrheit. Fast schon wieder zu viel. "Eine Gefahr für mich...", echote er ein wenig nachdenklich. "Ja, vielleicht. Aber du übersiehst gerade das gleiche, was du vermutest, das er übersehen hat. Nicht er ist mein Ziel. Du bist es, Cole." Eindringlich sah er in diese momentan unruhigen Augen. Er hatte einmal einen Bergsee in Russland gesehen, mit der gleichen grünen Farbe. Das Wasser war so klar gewesen und doch so kalt, das man selbst im Hochsommer nicht darin baden konnte und immer mal wieder kleine Eisschollen darin schwammen. Daran erinnerten ihn Coles Augen gerade mit aller Deutlichkeit. "Er könnte mich vielleicht überrumpeln, aber er kann mich nicht mehr 'aktivieren'. Er konnte es ab dem Zeitpunkt nicht mehr, als ich dich akzeptiert habe. Selbst wenn da noch Dinge in mir schlummern sollten, Dinge auf die ich vielleicht hören muss, so hast doch immer du das letzte Wort. Das habe ich dir erklärt, nicht wahr? Dass ich keine Maschine bin, aber mich bestimmten Befehlen nicht entziehen kann? Du wirst davon Gebrauch machen, wenn es die Situation erfordert. Du wirst es müssen." Er sprach leise, aber mit aller nötigen Ernsthaftigkeit. "Sie haben nie damit gerechnet, dass ich mir selbst jemanden suchen könnte und mich danach ausgebildet. Damit beginnt und endet die Befehlskette mit dir. Aber über Optionen sollten wir wirklich sprechen", stimmte er zu und lächelte schließlich sogar unbemerkt als Cole ihm über die Wange strich, ihn zu sich zog und zärtlich küsste. Er konnte gerade noch warten, bis der andere fertig gesprochen hatte, bevor er ihn abermals heftig umarmte. Jedes Fleckchen Haut küsste, das er erwischte. Antonin konnte seine Gefühle gerade nicht anders ausdrücken. Ihm fehlten die schönen Worte dafür. Außer vielleicht: "Jeder mit deinen Augen. Also niemand." Er lächelte gegen Coles Halsbeuge und lehnte sich dann ein Stück zurück, abermals in diesen Augen versinkend. "Ich fürchte du wirst mich sowieso nicht mehr los, denn ich bin auch nicht bereit dich herzugeben. Unter keinen Umständen. Nicht in diesem Leben und nicht im nächsten." Diesmal war er es, der Cole küsste. Ein emotionaler Kuss, der doch aber hauptsächlich aus dem Wunsch nach Nähe entstand. Eine Hand schob sich in die Haare des anderen, strich durch die feinen Strähnchen. Und für einen Moment war nur das hier und jetzt interessant. Nur Cole und er waren wichtig und Antonin bekam das Gefühl, dass, abgesehen vom Tod, sie so schnell nichts mehr auseinander reißen könnte. Nichts und niemand. "Lass mich heute bitte nicht alleine", murmelte er schließlich als er den Kuss löste und seine Stirn an die des anderen lehnte. Cole „Ich fürchte, du bist doch ein Idiot, wenn du so redest“, knurrte Cole und löste sich leicht von Antonin, um ihn anzusehen. „Natürlich habe ich genug eigenen Scheiß, um den ich mich kümmern muss. Und jeder Mensch hat letztlich genug eigene Probleme, um sich nicht mit den Problemen anderer beschäftigen zu müssen, aber Antonin,“ Cole strich dem anderen über die Wange, blickte ihm in diese wunderschönen Augen, „ich dachte eine Beziehung definiere sich eben darüber, dass man nicht mehr alleine ist und dass jeder dem anderen Kraft gibt und für ihn da ist. Und daher darf ich doch genauso für dich da sein, wie du es immer für mich bist.“ Er lächelte. Hatte er wirklich gerade ausgesprochen, dass sie eine Beziehung hatten? Er wunderte sich über sich selbst. Aber so schwer war es gar nicht gewesen, es auszusprechen. „Und du bist für mich da, immer gewesen und wirst es immer sein. Also mach dir keine Gedanken über etwas, was blödsinnig ist.“ Er schüttelte leicht den Kopf und seufzte. Dann küsste er den anderen kurz, um sich dann wieder an ihn zu lehnen, ihn zu umarmen, um dieser Situation wieder zu entkommen, um abgelenkt zu sein. Als Antonin ihm in die Augen sah und ihm erklärte, dass er nachwievor sein Ziel war, wurde sich Cole bewusst, welche Verantwortung er nun zu tragen hatte. Letztlich konnte es sein, dass das Leben des anderen in gewisser Weise nun von ihm abhing. Der Felsbrocken, der ohnehin schon auf ihm lastete, erhielt zusätzliche Nahrung. Aber Cole wäre nicht Cole gewesen, wenn ihn das irgendwie gestört hätte. Er registrierte es, aber das war für diesen Mann kein Grund, sich irgendetwas anders zu überlegen. Keine Sekunde dachte er darüber nach, ob ihm das zu viel sein könnte. Und wie so oft in seinem Leben zitierte er in diesem Moment, mit diesem Bewusstsein Homers Odyssee ‚Halte aus mein Herz, du hast schon Hündischeres erlebt.‘ Er würde Befehle geben müssen? Würde Entscheidungen treffen müssen, die um Leben und Tod bestimmen? Er hatte sich das selbst eingebrockt und im Moment war er sehr froh darüber, denn damit hatten sie Nicholas weniger Angriffsfläche gegeben. Allerdings war ihm auch bewusst, dass damit er, Cole, ins Schussfeld gerückt war. Wenn Nicholas Antonin haben wollte, so würde er erst an Cole vorbei müssen. Und Antonin würde verhindern, dass das geschah. Eine verzwickte Situation, aber unwiderruflich. „Ja, das hast du mir erklärt“, nickte Cole und dachte an jenen Tag, nach dem Gemetzel in seinem Elternhaus. „Und ich werde diese Verantwortung auch tragen. Aber wenn es darum gehen wird, dich zu schützen, verlange ich auch von dir, dass du die Befehle auch befolgst, selbst wenn du mich dafür nicht mehr schützen könntest. Und, Antonin, ich befehle dir, dass du dich niemals für mich opfern wirst.“ Seine Augen blickten in die des anderen. „Und wir werden zusammenarbeiten, keine Einzelaktionen, von denen der andere nichts weiß.“ Er strich sich kurz über das Gesicht. „Aber darüber habe ich jetzt keine Lust weiter zu diskutieren“, murmelte er dann und lächelte kurz. „Ich denke wir können nachher im Lady-Dream ein wenig Kriegsrat halten. Wenn es dir recht ist, informiere ich auch Ragnar, das würde mir gut tun…“ Als er in die intensive Umarmung gezogen wurde, wurde dieses Lächeln wieder zurück auf seine Lippen gezaubert. Der Kuss des anderen regte in ihm das Bedürfnis, das er schon geraume Zeit hatte, erneut. Und er erwiderte den Kuss genauso tief, wie er ihn erhielt, während seine Finger begannen über die Seite, den Rücken des anderen zu streicheln. „Ich werde dich heute nicht alleine lassen“, bestätigte er den Wunsch des anderen und küsste diesen sogleich wieder, dabei leidenschaftlicher werdend und drückte ihn langsam zurück auf das Bett. Er brauchte Sex, dringend… Ein wenig abschalten, ein wenig Entspannung, ein wenig alles andere vergessen können. Dennoch lauschte er auf die Reaktion des anderen, die ihm aber keinerlei Anzeichen zu geben schien, dass Antonin ein Problem damit hätte. Und so fuhr er fort, den anderen zu streicheln, ihn zu berühren. Bald ließ er von dessen Lippen ab und arbeitete sich hinab, um Antonin wirklich alles vergessen zu lassen. Sie schliefen miteinander und es fühlte sich diesmal um so vieles intensiver an, als jemals zuvor. Es war schon fast gruselig, wie unbeschreiblich das Gefühl war, als sie ineinander verschmolzen. Nun, sie hatten keine Geheimnisse mehr voreinander und sie wussten, dass sie nur miteinander bewältigen würden können, was da vor ihnen lag. Letztlich war es nur verständlich, dass sie deswegen sich näher waren, als jemals zuvor. Antonin Nur kurz regte sich so etwas wie Misstrauen in ihm, wurde aber schnell wieder von dem kleinen Glückstaumel abgelöst, das trotz aller Widrigkeiten in ihm ausgelöst worden war, als Cole von einer Beziehung sprach. Und natürlich hatte jener dazu wohl die richtige Idee. Aber Antonin konnte es auch nicht wirklich wissen, denn obwohl ihm seine Emotionen und Gefühle häufiger halfen als das Coles taten, so war das auch seine erste. Wo und wie hätte er auch eine führen sollen? Von ein paar Mädchen einmal abgesehen, doch während der Schulzeit waren das doch vielmehr Spielereien als etwas anderes. "Das mit Ragnar ist in Ordnung, aber ich möchte nicht, dass er Dinge über mich erfährt, die ich selbst kaum aussprechen kann", stimmte er schließlich zu. Seine Folter ging Ragnar nichts an. Punktum. Als Cole zustimmte ihn heute nicht alleine zu lassen, lächelte er erleichtert und sein Atem begann sofort ein wenig schneller zu gehen als er zurück in die Matratze gedrückt und verwöhnt wurde. Sex war genau das was er jetzt sehr gut brauchen konnte, aber nachdem der andere ihm schon mal an den Kopf geworfen hatte, nicht einmal daran zu denken ihre Probleme durch Sex zu lösen oder zu verdrängen, hatte er sich nicht getraut deutlicher zu werden. Denn gerade würde er sehr gerne ein wenig verdrängen. Er berührte, streichelte und küsste Cole wann immer er einen Fetzen Haut oder diese Lippen erreichte, ging ganz auf in diesem intensiven Erlebnis und ließ sich ein weiteres Mal fallen. Etwas, das ihm nur bei dem anderen gelang oder gelingen würde. Sein Vertrauen in Cole war grenzenlos. Und selbst wenn da Grenzen wären, so hatte er sie zumindest beim Sex noch nie erreicht, da er es hier mehr als genoss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)