Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 75: Die Geschichte vom Kugelfisch ----------------------------------------- Cole Kaum war er gelegen und hatte das Gefühl ein wenig entspannter zu sein, hörte er das Ankommen einer SMS. Oder vielmehr dem Warnhinweis des Handys, dass da noch eine SMS zu lesen sei. Offenbar hatte er es bisher überhört. Cole zog das Handy aus der Hosentasche und las die kurze, aber alles sagende Nachricht. Antonin hatte die Botschaft verstanden. Und auch wenn er tierisch müde war und wohl innerhalb der nächsten 15 Minute tief und fest eingeschlafen wäre, spürte er die Freude, dass jener kommen würde wesentlich deutlicher als die Müdigkeit. Und letztlich ließ sich ja beides gut miteinander kombinieren. Er hob Corleone von seinem Bauch und räumte nun doch seinen Koffer ins Schlafzimmer, schmiss die Wäsche in den Wäschekorb und machte sich dann daran, in der Küche herumzufuhrwerken. Zumindest Teller und Besteck konnte er schon einmal herrichten. Zudem suchte er noch eine Falsche Wein raus und überprüfte, ob er noch kaltes Bier hatte. Er wusste ja nicht, was Antonin mitbrachte. Und je nachdem wollte er vorbereitet sein. Die Tür hatte er entriegelt und ein Klingelton teilte ihm mit, dass Antonin auf dem Weg zu ihm hoch war. Als jener eintrat blickte er auf und er erwiderte das Lächeln des anderen, bevor er stutzte und auf ihn zutrat. "Griechisch ist großartig", murmelte er nachdenklich "Der Flug war ok. Er ging recht schnell vorbei. Ich wäre lieber früher heimgekommen", beantworte er die Frage und musterte Antonins Gesicht besorgt und mit einem wütenden Funkeln in den Augen. Sacht hob er die Hand und strich Antonin vorsichtig über die Verletzung. "Wer hat dir das angetan?", fragte er und der Unterton dieser Worte machte deutlich, dass er nicht begeistert war. "Hat das mit dem Patentstreit zu tun gehabt?" Fragend blickte er Antonin an. Er hatte Antonin schon einmal zugerichtet gesehen, aber damals war es nicht ganz so schlimm gewesen. Damals hatte er sich offenbar geprügelt gehabt, weil er sich abreagieren musste. Ob er diesmal auch einen Grund dafür gehabt hatte, sich abreagieren zu müssen? "Oder musstest du überschüssige Energie loswerden? Wenn dem so ist, dann lege ich dich gleich noch einmal übers Knie, denn mit deinem Kopf solltest du dich eigentlich auf alles, nur nicht auf eine Prügelei einlassen." Sein Blick wurde mahnend. Antonin Antonin behielt das leichte Lächeln auf den Lippen, als Cole auf ihn zutrat und die Wahl ihres Essens für gut befand. Es blieb auch noch als er die Antwort auf seine zweite Frage bekam, doch es verschwand, als er das Funkeln in den Augen des anderen Mannes bemerkte. Fast wäre er vor dessen Hand zurück gezuckt, doch er konnte es im letzten Moment unterdrücken und ließ die durchaus vorsichtige Berührung zu. Auch wenn es sich doch ein wenig unangenehm anfühlte. Ja, wer hatte ihm das angetan? Und Cole sah ja nur die eher harmloseren Ausläufer davon. Die Frage nervte ihn, denn es wäre auch die Frage gewesen, die er Cole vor kurzem am liebsten gestellt hätte. Doch abermals schienen auf seiner Seite dieser Beziehung andere Regeln zu gelten als auf der anderen. Mit dem Patentstreit? Warum zum Henker sollte das etwas mit dem Patenstreit zu tun haben? Nicht in jedem Business auf dieser gottverfluchten Erde wurde direkt zugeschlagen, nur weil man sich über etwas nicht einig wurde. Und dann bemerkte Antonin seine eigenen Gedankengänge und biss seine Zähne so fest aufeinander, dass es kurzzeitig sogar weh tat. Er durfte Ragnars Worte nicht vergessen und vor allem nicht, was nächste Woche auf Cole zukommen würde. Jetzt wäre der schlechteste aller Zeitpunkte, um bissig auf solche Dinge zu reagieren. Geduld. Geduld. Geduld. Nur langsam entspannte er seinen Kiefer wieder, lauschte auch den nächsten Fragen bis hierhin schweigend. Kam im Endeffekt auch gar nicht großartig dazu etwas zu sagen, denn Cole schien von einer Vermutung zur nächsten zu springen und auch wenn es etwas in seinem Inneren erwärmte, das Ganze wohl mit dessen Sorge um ihn in Verbindung bringen zu können, so solle Cole ihn eigentlich besser kennen. Überschüssige Energie loswerden? Um so etwas auszulösen bräuchte es ein wenig mehr als nur einfache schlechte Laune. So trat er nur einen Schritt zurück und hob die Hand, ganz als wollte er Coles Redefluss stoppen. Dem Blick hielt er stand und auch wenn da in seinen Augen nicht mehr ganz die Wärme wie bei ihrer Begrüßung zu sehen sein mochte, so war da auch keine Ablehnung oder Wut mehr. Hoffte er. Zumindest fühlte es sich nicht so an. "Das ganze wurde mir nicht 'angetan'", erklärte er und wandte sich dann dem mitgebrachten Essen zu, zog die vorbereiteten Teller heran und begann die Portionen aufzuteilen. "Im Endeffekt war es nur eine ...", er stockte kurz und überlegte. "Eine Meinungsverschiedenheit zwischen Nicholas und mir, die sich nicht mehr mit Worten lösen ließ. Danke für deine Sorge, aber du musst mich nicht über das Knie legen, da es nicht meine Absicht war, mich zu prügeln. Und bevor du fragst, ja ich war beim Arzt und bis auf eine Erhöhung meiner Dosis an Medikamenten ist nichts weiter passiert." Er stellte die halb geleerten Plastikdosen und Schüsseln wieder zurück in die Stofftüte und nahm das Eis noch heraus, um jenes in das Gefrierfach zu stellen, bevor er sich Cole wieder ganz zuwandte. "Du siehst müde aus", stellte er fest und seine Augen erwärmten sich augenblicklich wieder. "Willst du, dass ich heute hier schlafe? Ich könnte dir als Gute Nacht Geschichte mehr Informationen über den Patentstreit anbieten. Das Ganze ist wirklich einschläfernd." Er lächelte und legte den Kopf abwartend etwas schief. Cole Cole schwieg als Antonin zurücktrat und die Hand hob. Die Geste war eindeutig, dass er wusste, dass er zu weit gegangen war. Er hatte mal wieder geschafft, dem anderen zu nahe zu treten, ohne eine Berechtigung dafür zu haben. Und auch wenn die Augen des anderen ruhig wirkten, meinte er doch eine Spur Genervt-Sein daraus erkennen zu können. Eine Meinungsverschiedenheit? Mit Nicholas? Irgendwie gefiel ihm diese Antwort nicht so ganz. Gedankenversunken lauschte er den restlichen Worten und nickte schließlich, als er hörte, dass Antonin zumindest schon beim Arzt gewesen sei. Das beruhigte ihn. Und mit einem Mal wusste er auch, was ihn störte. Antonin und Nicholas verstanden sich seit dem Unfall nicht besonders gut. Zumindest hatte ihm das Tayra angedeutet und Antonin bestätigt. Dass sie sich jetzt sogar prügelten beunruhigte ihn ein wenig. Er ging zum Kühlschrank und holte zwei Flaschen Bier heraus und öffnete sie. Eines stellte er Antonin hin. "Verstehst du dich immer noch nicht besser mit Nicholas?", fragte er schließlich und trank einen tiefen Schluck aus der Flasche. Er betrachtete den anderen, wie er das Eis in den Kühlschrank stellte und hielt an sich, dass er ihn nicht einfach zu sich zog und mit ihm ins Bett ging, wo er jetzt am liebsten in dessen Armen liegen würde, um wie ein Baby zu schlafen. Und als würde Antonin seine Gedanken erraten blickte er in diesem Moment in die warmen Augen des anderen, die ihn spüren ließen, wie wenig Kraft er noch hatte. Cole lächelte matt. "Du sprichst mir aus der Seele", erklärte er und blickte auf die Lippen des anderen, die er jetzt einfach nur gerne küssen würde. Doch er wandte sich ab, nun selbst nicht mehr dem Blick, diesem warmen Lächeln des anderen standhalten könnend. Denn es ließ ihn merken, wie gerne er jetzt schwach wäre, wie gerne er sich fallen lassen würde. Aber er war noch nicht so weit. Später vielleicht, wenn sie tatsächlich im Bett liegen würden. "Vielleicht erzählst du mir von deinem Patent lieber morgen, wenn ich fitter bin, denn ich möchte deine Informationen gerne behalten. Aber eine Gute Nacht Geschichte wäre traumhaft. Und bitte keine, in der das Gute über das Böse siegt. Oh ich glaube ich stelle dir unmögliche Aufgaben." Cole griff nach den Tellern, stapelte beide wie ein Kellner auf einem Arm, griff nach seinem Bier und ging mit ihnen in Richtung Wohnzimmer. "Nimmst du das Besteck mit?" Am Sofa angelangt stellte er die Teller ab und ließ sich wieder auf das Sofa nieder. "Vielleicht kannst du mir jetzt noch erzählen, wie es dir die Tage ergangen ist." Ja, wenn Antonin ihm ein wenig erzählen würde, wäre das schön. Dann würde er nicht über seinen 'Ausflug' berichten müssen. Cole nahm seinen Teller und lehnte sich zurück. "Lass es dir schmecken...", erklärte er und begann zu essen. Alles würde er nicht schaffen können. Dafür lag ihm zu viel im Magen. Die Augen von Joshua, die ihn so hilflos angesehen hatten und schließlich gestorben waren. Der Geruch von Blut und Kugeln. Und dann wieder diese Stille, die er kaum ertrug. Sein Blick wurde abwesend, während er in seinem Essen herumstocherte. Antonin Er griff nach dem Besteck und folgte Cole zum Sofa, damit zufrieden, dass es Cole offensichtlich recht war, dass er hier bliebe. Etwas, das ihn sofort mit vielen seiner eigenen, dummen Gedanken versöhnte. Er sollte die Zeit mit dem anderen Mann genießen und sie sich nicht schlecht machen. Zudem Cole gerade wirklich so aussah, als könnte er etwas Schlaf sehr gut gebrauchen. Er würde jenen direkt nach dem Essen ins Bett stecken, ob jener wollte oder nicht. Er setzt sich neben den anderen, reichte ihm das zweite Besteck und widmete sich ein paar Bissen lang seinem Essen bevor er anfing zu antworten. "Eigentlich verstehen Nicholas und ich uns wieder sehr gut. Ich hab mich inzwischen wieder an so einiges erinnert, unter anderem auch das ich ihm mein Leben in jeder nur denkbaren Form schuldig bin. Das wir uns so angegangen sind, hatte auch nichts damit zu tun." Er musterte Cole aus den Augenwinkeln, sah wie jener vielmehr nur in dessen Essen herumstocherte und verkniff sich sein Seufzen. "Und wenn das die einzige Möglichkeit ist, um ihm einzuhämmern, dass er an meiner Seite keine kleine, nette normale Frau erwarten kann, dann würde ich es jederzeit wieder tun. Wir haben uns geeinigt und damit ist gut", erzählte er ruhig und warf dem anderen einen weiteren Blick zu. Ob man das Essen wohl auch in der Mikrowelle nochmal warm machen könnte? Schließlich stellte er seinen Teller kurzentschlossen ab und nahm auch dem etwas verwundert dreinsehenden Cole den Teller aus der Hand, stellte ihn ebenfalls achtlos weg und stand auf. Griff nach einer von Coles Händen und zog ihn zu sich hoch. Zwar meldeten sich seine Rippen und blauen Flecke dabei, doch das war erstmal egal. "Du gehst jetzt ins Bett", murmelte er ruhig, aber sein Tonfall würde nicht viel Spielraum für Verhandlungen Platz lassen. Er zog den anderen, noch immer an der Hand haltend, mit sich bis zu dessen Schlafzimmer und strich ihm dort sanft über die Wange. "Ich bin ein Fan von gesunder Ernährung, aber du brauchst den Schlaf jetzt dringender. Mach dich fertig, ich räume derweil noch eben auf und bin dann gleich bei dir", dirigierte er und ließ Cole dann stehen, um genau das umzusetzen. Die Teller überzog er mit Folie und stellte sie in den Kühlschrank, bevor er das auch mit den übrig gebliebenen Boxen tat. Das Besteck wusch er schnell noch ab und warf auch dem Futternapf des Fellknäuls noch einen prüfenden Blick zu, bevor er sich zufrieden zeigte. Nein, noch nicht ganz, denn da stand noch das Bier auf welches er die Deckel wieder drauf machte und sie ebenfalls in den Kühlschrank stellte. Man würde morgen sehen, ob es dann noch genießbar wäre. In der Zwischenzeit war Cole wohl schon fertig geworden und Antonin trat zu ihm ins Schlafzimmer, wo er das Fenster kippte und nach einem zufriedenen Lächeln zu Cole auch die restlichen Lichter löschte bevor er sich bis auf die Shorts und sein T-Shirt auszog. Der andere sah den Stützverband und die blauen Flecke jetzt besser nicht. Zudem sie Antonin sowieso egal waren. Solche Dinge kamen und gingen und wenn ihn sein oder Ragnars Gefühl nicht trog, dann konnte Cole es jetzt gut vertragen sich mal ein wenig kraulen zu lassen, ohne sich um andere Dinge Gedanken machen zu müssen. Schließlich ließ er sich auf dem Bett, neben Cole nieder, zog sich die Decke über und rückte nahe genug an den anderen heran, um ihn an sich ziehen zu können, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben und danach sachte mit der Nasenspitze drüber zu reiben. "Also pass auf..", fing er leise an, sich selbst erstaunlicherweise nicht einmal dumm vorkommend. Sollte der andere sich ruhig lustig machen, aber wenn er eine Gutenachtgeschichte versprach, dann erzählte er auch eine. Auch wenn sich ein leichtes Schmunzeln in seine Stimme legte, so war sie doch vor allem ruhig. So wie er sie selbst gern gehabt hatte, als seine Mutter ihm solche Dinge vorgelesen hatte. "In einem weit entfernten Land befand sich vor vielen, vielen Jahren der tiefste See der Welt. Und in diesem See lebte auf dem Grund ein kleiner Kugelfisch..." Cole Antonins Worte lenkten ihn wieder von seinen Gedanken ab, auch wenn das Bild der toten Augen nicht so recht verschwinden wollte. "Es freut mich, dass du dich erinnerst", kommentierte er ehrlich, blickte aber nicht von seinem Essen auf, sondern nahm hin und wieder einen Bissen, bis er den letzten Satz des anderen hörte. "Du hast was?", fragte er ungläubig und hob die Augenbrauen. "Ist das wohl seine Vorstellung von deiner Zukunft gewesen?" Cole schüttelte leicht den Kopf, versank wieder in Gedanken, die vergangenen Tage für einen Moment wirklich vergessend. Dann hatte Antonin Nicholas wohl gesteckt, dass er schwul war, bzw. momentan eher auf Männer abfuhr. Und er wird wohl erwähnt haben, dass er, Cole, nicht ganz unschuldig daran war. Wie er wohl ihre 'Beziehung' umschrieben hatte? Nun und Nicholas schien nicht sehr begeistert davon gewesen zu sein. Denn sonst hätte es keiner Prügelei bedurft. Dass Tyra ihrem Mann nichts erzählt hatte, wunderte ihn ein wenig. Außer natürlich, dass auch sie mit so einer Reaktion gerechnet hatte. Sie selbst schien ja gar kein Problem mit Antonins sexuellen Orientierung zu haben, und wohl auch nichts gegen das, was sie beide verband. Cole wurde aus den Gedanken gerissen, als er seinen Teller aus seiner Hand genommen bekam. Verwundert blickte er Antonin an, der ihm klar machte, dass er ihm ansah, wie müde er war und auch gleich darauf ins Schlafzimmer zog. Cole ließ sich bereitwillig ziehen. Erstens, weil er eigentlich wirklich nichts anderes noch wollte, außer zu schlafen, und zum anderen, weil er ohnehin keine Kraft hatte, sich dagegen zu wehren. Im Schlafzimmer angekommen, lehnte sich sein Kopf wie von selbst gegen die kurz streichelnde Hand, als sei sie der Magnet, den sein Kopf endlich gefunden habe. Mechanisch zog er sich aus, legte sich ins Bett und schloss die Augen. Er konnte nicht mehr. Beim besten Willen. Es ging nichts mehr. Doch als er spürte, wie Antonin zu ihm ins Bett kroch, wie er ihn in den Arm nahm, ihn küsste und streichelte, spürte er, dass es doch eigentlich gar kein, überhaupt kein Problem war, dass er einfach mal keine Kraft hatte, dass er einfach einmal schwach war. "Es tut mir leid..", murmelte er schläfrig und kuschelte sich seinerseits an den anderen an, spürte zwar das etwas unter dem T-Shirt des anderen zu sein schien, aber konnte gerade nichts dazu sagen. Er ahnte, was es sein könnte und woher es wohl rührte. "Und danke, dass du da bist." Seine Worte waren kraftlos, erschöpft. Als Antonin zu sprechen begann, musste Cole lächeln. Sacht küsste er den Hals des anderen, wie als wollte er ihm damit sagen, dass es ihm gefiel, dass er ihm wirklich eine Gute Nacht Geschichte erzählte. Zu mehr war er gerade nicht mehr fähig. Antonin hatte ihm ja wirklich einmal versprochen, dass er ihm etwas zum Einschlafen erzählen würde. Damals hielt Cole es für einen Scherz. Und heute fühlte es sich irgendwie ersehnt an. Ob Antonins Mutter ihm die Geschichte wirklich selbst erzählt hatte? Das war anzunehmen. Cole spürte eine gewisse Eifersucht bei dem Gedanken. Denn selbst wenn seine Mutter niemals zu Tode gekommen wäre, hättesie ihm dennoch niemals eine Gute Nacht Geschichte erzählt. Cole entspannte sich in den Armen des anderen und es dauerte nur wenige Worte lang, bis ihn die Müdigkeit und Erschöpfung überrollten und er tiefer schlief, als er es nach dem gestrigen Tag für möglich gehalten hatte. Und so bald würde er auch nicht mehr aufwachen. Antonin Antonin hörte erst auf zu sprechen, als er sicher war, dass Cole tief und fest schlief. Und selbst dann lag er noch geraume Weile einfach nur da, lauschte auf den Atem des anderen und streichelte über dessen Haut, hielt ihn in den Armen und genoss das Gefühl, das sich dadurch in seinem Inneren bildete. Doch an Schlaf war für ihn momentan noch nicht zu denken. Da er ja dummerweise im Laufe des Tages immer mal wieder eingeschlafen war, fühlte er sich dafür noch zu wach. Trotzdem reichte es ihm, hier einfach so zu liegen und sich über den Lauf der Dinge zu wundern. Natürlich waren Nicholas Schläge gegen seinen Kopf medizinisch gesehen nicht sehr vorteilhaft gewesen, doch dafür hatte es viele Dinge wieder an Ort und Stelle gerückt. Und vor allem in die richtige Reihenfolge. Aber diese Erinnerungen erschreckten ihn nicht mehr. Auch seine Narben taten das nicht. Es war so, als hätte sein Geist durch den Erinnerungsverlust beschlossen sich von diesen Dingen nicht mehr beeindruckt zu zeigen. Naja, Antonin bezweifelte nach wie vor, dass er sich von jedem an den Armen berühren lassen würde, aber vermutlich würde es keine sinnlosen, wilden Aggressionen mehr auslösen. Interessanter an der ganzen Sache war, dass er jetzt wieder an seine erste Begegnung mit Cole zurückdenken konnte. An die kleine Rede was 'mein und dein' betraf und die Worte, dass jener Humor mochte, nur nicht gerade in solchen Situationen. Ob der Mann, welcher gerade so seelenruhig in seinen Armen schlief immernoch in der Lage wäre, eine Waffe gegen ihn zu richten? Sie auch noch abzudrücken? Antonin glaubte nicht daran und das fühlte sich gut an. Warum machte er sich eigentlich in den letzten Tagen so einen Kopf um die Sache hier, obwohl sie doch im Grunde genommen ganz gut und friedlich vor sich hin plätscherte? Es war noch gar nicht so lange her, da war es keine Selbstverständlichkeit gewesen, so nahe beieinander einzuschlafen. Da war immer dieses unterschwellige Misstrauen mitgeschwommen, die ständigen Fragen, ob und wie man sich richtig verhielt und die Frage nach einer Definition. Ob ihre Definition wohl immer noch 'schwierig' war? Er hoffte, dass die Antwort darauf in jedem Fall ein Nein wäre, denn auf seine eigene Art und Weise versuchte er dieses Plätschern am Laufen zu halten. Auch wenn Cole wohl immer noch davon ausging, ihn an der Hand zu haben und zu leiten, so war es in Antonins Augen vielmehr der Fall, dass sie sich gegenseitig bei den Dingen weiterhalfen, an denen der andere zu scheitern drohte. Und selbst wenn unterschiedliche Regeln galten, waren sie sich dann nicht trotzdem auf einer anderen Ebene ebenbürtig? Über solche Dinge sinnierend schlief auch Antonin irgendwann ein, Cole irgendwann in der Nacht ein wenig enger an sich drückend, ganz als hätte er Angst, jemand würde hereinstürmen und ihm den anderen wegnehmen. Aber das würde er nicht zulassen. Niemals. Und wenn er dafür wieder Menschen umbringen müsste. Selbst wenn er ihnen dafür eine Überdosis Heroin in die Adern jagen müsste. Das war alles nebensächlich und egal und bestätigte seine eigenen Vermutungen auch nur noch einmal: Er selbst war kein guter Mensch, sondern einer, der zu etwas umfunktioniert worden war, das er selbst nicht wollte, das er aber konnte und für gewisse Dinge keinerlei schlechtes Gewissen darüber empfand, dieses Wissen anzuwenden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)