Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 42: Über die Schwierigkeit, einen Anruf zu tätigen ---------------------------------------------------------- Antonin Als sein Telefon am Abend vor Coles vermutlicher Rückkehr klingelte und er dessen Stimme vernahm, konnte er es zuerst nicht wirklich glauben. Doch dann lächelte er hoch erfreut und seltsamerweise begann sogar sein Herz sofort wieder schneller zu klopfen. Oh man, er fiel wirklich hart für diesen Kerl, oder? "Cole!", begrüßte er den anderen und setzte sich in seinem Bett auf. Momentan versuchte er zu schlafen, wann immer er Zeit dafür fand, doch er war noch nicht einmal weggedöst gewesen, darum war er auch sofort wieder hellwach. "Ja, ich habe sie bekommen, vielen Dank. Bist du schon wieder zurück oder hängst du noch in einem dieser wunderbaren Hotels herum? Du wirst hier übrigens von der Presse als Verbrecher in weißer Weste hochgelobt. Als der Rächer der armen Steuerzahler und so weiter und so fort. Aber das wird Ragnar dir wohl schon erzählt haben?", er stockte und runzelte die Stirn. "Sorry, ich wollte dich nicht so zutexten." Cole Ein erleichtertes Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit und er schloss die Augen, der Stimme lauschend, die ihm die neuesten Neuigkeiten mitteilte. Dabei war der Inhalt der Worte gar nicht das Entscheidende, wie er feststellte, sondern einfach nur der Klang der Stimme, die in ihm von einer Sekunde auf die andere ein ersehntes Gefühl von Ruhe verströmen ließen. Sein ganzer Körper schien sich zu entspannen, seine Muskeln, seine Seele. Das erste Mal nahm er so richtig wahr, wie anstrengend die letzten Tage gewesen waren, und wie weich das Bett unter ihm eigentlich war. Das Bett, das in den vergangenen Nächten ihm so fremd gewesen war. Cole schlief nie gut, wenn er unterwegs war. Nirgendwo fühlte er sich so sicher, wie zu Hause in seinen eigenen vier Wänden. Er schlief unruhig und schien bei jedem Auto, das draußen vorbeifuhr, hochzuschrecken. Wenn er morgen nach Hause reisen würde, würde er froh sein, wenn er sein eigenes Bett wieder hatte… Es war schon recht spät und eigentlich war er nachher noch eingeladen, aber Cole wusste nicht so recht, ob er in den Hostclub mitgehen sollte. Wahrscheinlich wären dort nur Frauen, die ihn betatschen würden und ihm mit ihrem Gekicher auf die Nerven gehen würden. Ganz zu schweigen davon, dass das meist die Sorte Frau war, die er absolut nicht leiden konnte, weil er sich durch sie an seine Mutter erinnert fühlte. Andererseits verging die Zeit schneller, wenn er an der Gesellschaft teilnehmen würde. Für die geschäftlichen Beziehungen würde es sicher auch wichtig sein. Also Augen zu und durch. Aber nun war erst einmal Antonin wichtig. Antonin, der sich ein wenig zu freuen schien, dass er ihn anrief, der ihn gleich mit Informationen überschüttete. Aber das störte Cole nicht im Mindesten. „Ich bin im Hotel, liege auf dem Bett und dachte, ich nutze die Stunde, die mir gewährt wurde, um mich bei dir zu melden“, murmelte er und wunderte sich wie leicht es ihm fiel, ehrlich zu sein. Er hatte eben noch, bevor Antonin gesprochen hatte, überlegt, dass er das Gespräch am besten so kurz wie möglich halten sollte, doch nun war er eher der Ansicht, dass er so lange wie möglich diese schöne Stimme hören wollte. Antonins Bericht über die Zeitungsmeldungen ließ ihn stutzen. Er hatte mit seinem Kontakt vereinbart, dass sein Name nicht genannt wird, oder? Ob er wirklich namentlich erwähnt wurde, oder ob Antonin nur ergänzt hatte? „Werde ich das? Aber mein Name ist nicht genannt, oder? Außerdem bin nicht ich der, dem die Lorbeeren zukommen: ohne dich hätte ich das nie geschafft. Und daher geht es nicht um einen Verbrecher in der weißen Weste, sondern eher um einen Schutzengel. Also schieb nicht mir alle Verantwortung dafür zu, dass wir die Bürger vor einem Arschloch befreit haben. Zudem ich nur aus persönlichen Gründen gehandelt habe. Schließlich kam der Typ mir zu nahe und Ragnar stand im Visier. Und wenn es um meine Leute geht, kenne ich nichts.“ Er lächelte bei diesen Worten, denn in Gedanken war ihm klar, dass es vor allem eine Person war, die er letztlich hatte schützen wollen, die ihm die Kraft gegeben hatte, Klinger zu erschießen. Die Person, mit der er telefonierte. „Mit Ragnar habe ich heute noch nicht gesprochen. Ich sehe ihn ja morgen. Das reicht.“ Kurz schwieg er. „Und du textest mich nicht zu“, murmelte er leiser geworden. „Ich freue mich, deine Stimme zu hören.“ Er strich sich mit seiner freien Hand die Haare aus der Stirn und fuhr gleich fort, um seine Verlegenheit nicht preiszugeben. „Ich hoffe du hast dir ein paar nicht allzu stressige Tage gemacht. Wie waren deine ‚Nachtstunden‘, die du auf eher ungewohnte Art verbracht hast?“, fragte er nach, doch ein wenig neugierig, weshalb Antonin in jenem Restaurant so unglaublich glücklich war. Ja, dieses Strahlen war ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Antonin Antonins Herz stand wiedermal kurz davor Überstunden zu schieben. Aber konnte es sein? Konnte es wirklich sein, dass Cole ihn vermisste? Vielleicht genauso sehr, wie Antonin ihn vermisste? Oder warum bekam er hier mehr Worte aus dem Telefon von ihm als jemals zuvor? Das war neu. Es war ungewohnt. Es war absolut in Ordnung und wunderbar. Die Tatsache beruhigte ihn fast noch mehr als der Anruf an sich. Und Cole konnte ihm erzählen was er wollte, für Antonin war der Weg mehr als deutlich zu erkennen und notfalls würde er den anderen darauf entlang tragen. Spätestens jetzt wurde Antonin bewusst, dass dieser Mann ihm nicht nur wichtig war, sondern unersetzlich. Nicht mehr auszutauschen. Antonins Augen bekamen einen entschlossenen Glanz während er an seine Decke starrte und Coles Worten lauschte. Er würde tatsächlich viel Geduld brauchen, aber das hatte er im Labor auch. Und wie bei CI-4 wusste er auch hier, dass es sich lohnen würde. Dass das Ergebnis am Ende all die Arbeit, den Stress, das Unwohlsein und die hin und wieder auftauchende Niedergeschlagenheit aufwiegen würde. Doch das schob er ertmal beiseite und konzentrierte sich auf das Gespräch. "Ich wette ich liege im bequemeren Bett", zog er Cole auf. "Aber ich finde es schön, dass du dich meldest", erklärte er und musste das Lächeln in seiner Stimme nicht wirklich hervorkitzeln. Das kam ganz von selbst. Was er alleine auf die schöne Stimme von Cole schob, die ihm schon toll vorgekommen war, als jener gesungen hatte, berauschend, als er gestöhnt hatte und einfach nur herrlich so aus dem Telefon, wo er nichts anderes tun konnte, als sich auf eben jene zu konzentrieren. "Nein, tut mir leid, da habe ich mich falsch ausgedrückt. Es werden überhaupt keine Namen genannt, aber ich münze das ganz automatisch auf dich um, schließlich warst schlussendlich du es, der die Welt von diesem Psycho befreit hat", korrigierte er sich und lachte dann ein wenig unwohl. "Schutzengel, ja? Ich fand mich so im Nachhinein recht unnütz, aber will dir natürlich nicht widersprechen. Und was deine Gründe dafür waren, das weiß die Öffentlichkeit der armen Steuerzahler ja nicht." Antonin verzog die Lippen bei dem Gedanken daran, wie lächerlich er sich außer Gefecht hatte setzen lassen. Sobald das mit CI-4 wieder ruhiger lief, würde er das Versprechen wahrmachen, das er sich gegeben hatte. Er würde besser werden. Sehr viel besser. "Solange du keine Gute Nacht Geschichte erwartest, kannst du meine Stimme noch ein wenig länger hören", gab er schließlich zurück, ein wenig unsicher, wie er darauf reagieren sollte. Alle seine ersten Gedanken dazu, waren wohl zu übertrieben. "Wobei es mir andersherum sogar recht wäre. Liest du mir eine vor?" Er lachte leise. "Spaß beiseite, natürlich bin ich im Stress geschwommen. Ein gewisser Ragnar hängt mir schon wieder im Nacken und pocht auf die nächste Lieferung und ich habe ja auch noch normale Arbeit, nicht zu vergessen meine Sitzungen und mit Nicholas muss ich mich auch wieder gut stellen", erzählte er freimütig. "Und wenn du dich wunderst warum, dann kann ich dir erzählen, dass es mit meinen ungewohnten Nachtstunden zusammenhängt. Tayra, die übrigens Nicholas Frau ist, hat mich als ich gerade frisch in New York angekommen war, mal mit zu einem der illegalen Rennen genommen. Ist ein Nebenverdienst von Nicholas, die Karren ein wenig aufzumotzen. Aber wie dem auch sei… ich hatte Blut geleckt und bald durfte ich mal als Beifahrer und so ne Art Navigator mitfahren. Wobei Navigator mehr damit zu tun hat, die Reifen der anderen Fahrer zu zerschießen. Mein eigenes Fahrzeug ist beim vorletzten Rennen leider ein wenig ramponiert worden und Nicholas ist angepisst, weil Tayra und ich beim letzten Rennen ohne sein Wissen mitgefahren sind und das nächste Auto ein wenig... äh sagen wir ‚zugerichtet‘ haben. Aber man", er wusste es war kindisch, aber er konnte nicht anders, "ich hasse es, zu verlieren. Ich hasse es wirklich und wir hätten auch gewonnen, wenn dieser dämliche Vollidiot nicht mehr getroffen hätte." Er seufzte. "Für das nächste Rennen ist mein Falcon, so nenne ich mein Auto, frag mich nicht nach der Marke, ich habe keine Ahnung, wieder bereit und dann wollen wir doch mal sehen." Er schwieg kurz. "Bist du jetzt überhaupt noch wach? Oh man, ich finde immer kein Ende, wenn es um mein Hobby geht." Cole „Dein Bett ist allein schon deswegen bequemer, weil es dein eigenes Bett ist.“ Cole musste schmunzeln. „Und, wie ich selbst schon erfahren durfte, ist es tatsächlich recht bequem, auch wenn es weit entfernt von meinem ist.“ Ja, damals war er so müde gewesen, dass er dort gut hatte schlafen können. Oder hatte er dort gut schlafen können, weil das gesamte Bett nach Antonin gerochen hatte? Vielleicht würde sich ja noch einmal die Gelegenheit ergeben, das auszutesten. Zufrieden nahm er den Satz wahr, dass sich Antonin freute, ihn zu hören. Dann hatte er das Lächeln in der Stimme des anderen also wirklich gehört. Gut, dass er also nicht allein mit seiner Freude dastand. Das Thema, wer nun der eigentliche Held war, ließ er so stehen. Für Cole stand fest, dass er zwar Klinger erledigt hatte, Antonin aber der Antrieb dafür war. Ungern erinnerte er sich an den Moment, als er Panik bekommen hatte, dass Klinger jenen getroffen hatte. Und es war eben diese Panik, die ihn angetrieben hatte, zu vollenden, was sie begonnen hatten. Aber davon konnte Antonin nichts wissen, und das war vielleicht auch besser so. „Eine gute Nacht Geschichte willst du von mir hören?“, Cole lachte leise. „Ich fürchte ich könnte dir nur Horrorgeschichten erzählen. Ich weiß gar nicht, ob ich jemals in meinem Leben eine Gute Nacht Geschichte erzählt bekommen habe…“ Er merkte, dass er in eine Richtung redete, auf die er eigentlich nicht eingehen wollte. „Ich fürchte, ich kann dir den Wunsch nicht wirklich erfüllen.“ Cole drehte sich leicht auf die Seite, um bequemer zu liegen, und rollte sich leicht ein. Mit geschlossenen Augen, nur den Worten des anderen lauschend, um wahrzunehmen, wie sich die Stimme je nach Inhalt veränderte, um sich voll und ganz auf den anderen konzentrieren zu können, und – wie er feststellen musste – sich Antonin besser vorstellen zu können. Denn er sah den anderen neben sich liegen, wie neulich nachts, während er mit ihm sprach. War er schon so schwach, dass er sich wie ein Kind benahm? Durfte er überhaupt so sehr den Wunsch verspüren, den anderen bei sich haben zu wollen? Cole wusste es nicht, und für den Augenblick entschied er, dass es ihm egal war, ob es richtig oder falsch war. Doch das, was Antonin erzählte, ließ ihn ein wenig unruhig werden. Autorennen mit getunten Autos? Cole war zwar noch nie bei einem Rennen gewesen, aber er wusste, dass das ein beliebter Sport im Untergrund war. Und nicht nur das: es war ein mörderischer Sport. Doch die Aufgeregtheit, mit der Antonin erzählte, ließ ihn förmlich jenes Leuchten in den Augen des anderen hören. Offenbar war dieser Sport ein Hobby für Antonin, das ihm mehr als zusagte. Ob Antonin bewusst war, dass er Kopf und Kragen riskierte? Cole stutzte. Was dachte er da eigentlich? Warum machte er sich Gedanken über die Sicherheit des anderen, wenn er selbst doch eigentlich jemand war, der sich ständig in Gefahr befand. Gut, er suchte die Gefahr nicht immer, sondern sie kam zu ihm, aber letztlich kannte er doch nur zu gut diesen Adrenalinkick, der solche Sportarten ausmachte, der es spannend machte. Nur, dass er diesen Kick nicht beim Autofahren bekam, sondern in seinem Beruf. „Ja, ich bin noch wach. Bei deiner abenteuerlichen Schilderung kann man nicht wirklich einschlafen.“ Er grinste leicht. „Dein Hobby ist es also mit getunten Autos herumzufahren und anderer Leute Reifen zu zerschießen.“ Er lächelte aber das „tztztztz“ in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Hast du mir nicht vorgeworfen, dass ich lebensmüde bin, als ich meine Ratte gejagt habe?“ Diesmal war deutlich zu hören, dass seine Worte nicht zu ernst genommen werden sollten. „Nun ja, es scheint dir ja mächtig viel Spaß zu machen. Und ich kann mir schon vorstellen, dass der Adrenalinrausch bei einem solchen Rennen betörend ist. Auch wenn ich dachte, dir bei Klinger genügend Adrenalin verabreicht zu haben.“ Er lachte kurz, dann war er wieder ernster. „Ich hoffe nur, dass Nicholas auch in die Sicherheit der Fahrer investiert…“ Zumindest ein wenig sollte er den mahnenden Zeigefinger heben, oder? „Und dass Nicholas ein wenig angesäuert war, wenn seine Frau und Mutter seiner Tochter ohne ihn zu fragen auf solche Spritztouren geht, kann ich ehrlich gesagt gut nachvollziehen.“ War er in diesem Punkt altmodisch? Oder war es nur die Tatsache, dass diese Frau ihr Leben riskierte, das sie eigentlich ihrem Kind widmen sollte, die ihn störte? Der Gedanke gefiel ihm nicht wirklich, das musste er zugeben. Vielleicht, weil er keine Mutter gehabt hatte. Aber er durfte sich nicht einmischen in Angelegenheiten, die ihn nichts angingen. „Schade, dass du die Marke deines ‚Falcon‘ nicht kennst. Ich mag schnelle Autos. Aber vielleicht kann ich beim nächsten Rennen ja vorbeischauen. Es würde mich ziemlich interessieren, wie so etwas abläuft. Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit bei einem ‚speed race‘ dabei zu sein.“ Antonin "Was heißt hier weit entfernt?", empörte sich Antonin. "Mein Bett kann es locker mit deinem aufnehmen. Also Vorsicht mit dem was Sie hier von sich geben, Mister 'Mein Bett ist ja sooo toll'", es fiel ihm erstaunlich leicht, sich Cole diesmal auf dieser Ebene zu nähern. Auf einer Ebene, die er all seinen engen Freunden zukommen ließ. Es gab soviel in seinem Leben, das ihm alles vermieste, soviel das ihn bei voller Konzentration und Ernsthaftigkeit brauchte, da zog er es vor, sich zu jeder bietenden Gelegenheit ein wenig von diesem Teil seines Ich's zu entfernen. Und momentan erschien ihm Cole dafür empfänglich. Oder zumindest hoffte er, dass jener dann nicht von ihm denken würde, dass er ein kindischer Volltrottel war. Doch dann runzelte die Stirn und ohne es zu merken wurde seine Stimme wieder ruhiger und irgendwie auch weicher. "Keine einzige, Cole? Das ist zu wenig. Vielleicht sollte ich dir doch eine erzählen, allerdings wären die auf Russisch. Sie aus dem Stehgreif Eins zu Eins zu übersetzen würde sich eher schrecklich anhören. Also vielleicht das nächste Mal. Damit du auch Bescheid weißt wie die schlaue Kröte ihr Leben vor dem bösen, bösen Storch schützen konnte. Das ist momentan nämlich eine absolut unhaltbare Bildungslücke deinerseits." Abermals ein Stück Information. Stücke, die er momentan noch gieriger aufsaugte als sonst. Informationen, die er weiterhin sammeln würde, für einen Moment, an dem er sie verwenden können würde. Und Antonin hoffte sehr, dass so ein Moment auch tatsächlich kommen würde. Ja, es ruhten sogar sehr viele seiner Hoffnungen darauf. "Ah gut", gab er erleichtert von sich. "Wenn du jetzt eingeschlafen wärst, würde ich mir ziemlich dumm vorkommen. Und naja... irgendwie ist es das schon. Wobei es mir anfangs nur um das Reifen zerschießen ging. Ich war ziemlich kaputt als ich aus Russland zurückkam, nicht nur wegen den Narben. Mir war jedes Mittel recht, um mich irgendwo austoben zu können und da kam mir das mit diesen Rennen sehr gelegen", erklärte er ein wenig stockend und fuhr sich dann seufzend durch die Haare. Was hatte Cole nur an sich, dass er die Informationen nur so ausspuckte, obwohl jener bisher noch nie danach gefragt hatte? Wollte er, dass Cole ihn besser kannte? Oder war es ein inneres Bedürfnis, sich dem anderen Mann mitzuteilen? Egal was es war, gerade bekam er das Gefühl, dass er dem anderen wirklich alles erzählen würde. Von Anfang bis zum Ende, ohne Verschönerungen, ohne Lügen und vor allem ohne gewalttätige Ausbrüche. "Inzwischen fahre ich im Grunde nur noch mit wenn Tayra mit von der Partie ist. Entweder als Fahrer oder eben als Schütze. Wir sind ein gutes Team und ich habe so immerhin das Gefühl, auf sie aufpassen zu können. Auch wenn wir das beide, zugegebenermaßen häufiger vergessen. Irgendwann kommt der Tunnelblick und es geht nur noch darum, als erstes durchs Ziel zu kommen." Antonin schwieg kurz, griff sich sein 'Colekissen' und drückte es an sich. Ob er das mit den Rennen lieber sein lassen sollte? Er selbst würde im Dreieck springen, wenn Cole an so etwas teilnehmen würde. Lag es da inzwischen nicht auch in seiner Verantwortung etwas mehr auf sich selbst aufzupassen? Sich nicht mehr unnötiger Gefahr auszusetzen? "Du hast Recht", murmelte er schließlich ein bisschen beschämt. "Eigentlich hätte mir das Adrenalin mit Klinger gereicht. Ich vermute es ist mehr die Gewohnheit als noch wirklich der Drang dort mitzumachen. Zudem ich gerade Nicholas nie an den Falcon gelassen habe, da er mir zu sicherheitsfanatisch war. Vielleicht sollte ich das nun doch zulassen…" Er ließ den Satz auslaufen, sich nicht ganz sicher darüber seiend, wie er fortfahren sollte. Würde er jetzt wieder Grenzen überschreiten? Wäre es in Ordnung? "Und natürlich ist es Nicholas gutes Recht, sauer zu sein." Er seufzte und drückte das Kissen näher an seine Brust. "Ich glaube niemand sieht es gern, wenn sich die Person, die einem nahe steht, freiwillig solcher Gefahr aussetzt. Aber manchmal ist der Mensch unvernünftig und tut Dinge, die er nicht tun würde, wenn er ein wenig darüber nachgedacht hätte." Noch näher würde er sich nicht an dieses Thema heranwagen, denn er konnte sich nicht sicher sein, ob Cole sich wirklich Sorgen um ihn machte. Oder machen würde. Aber er wünschte es sich. Oh ja, wie sehr er es sich gerade wünschte zu hören, dass Cole sich Sorgen machte. Wunschdenken.. "Ich zeige ihn dir beizeiten. Er ist dunkelblau mit einem Falkenkopf auf der Motorhaube und wenn man die beiden Seitentüren öffnet, worauf sich Flügel befinden, sieht es so aus, als würde er jeden Moment abheben", erzählte er, sich selbst ein wenig ablenkend weiter. "Und ich nehme dich gerne einmal mit. Selbst wenn man nicht fährt, ist das eine Riesensache. Sogar dein Hafen wird hin und wieder als Start oder Ziel missbraucht. Na, geschockt?" Er lachte leise und kurz wurde sein Blick melancholisch. "Waren deine Geschäfte eigentlich erfolgreich?", fragte er einer plötzlich Eingebung folgend. Alles, um nicht das auszusprechen, was ihm gerade auf der Zunge gelegen hatte. 'Ich wünschte du wärst jetzt hier'. Aber aussprechen? Wohl eher nicht.. Cole Das Schmunzeln, das Antonins Protest wegen seines Bettes heraufbeschwörte, blieb auf seinen Lippen. Doch er beschloss nicht weiter auf das Thema einzugehen. Es war schon seltsam, wie unbefangen sie mit einem Mal miteinander umgingen. Hatte er nicht nach ihrem letzten Gespräch das Gefühl gehabt, dass das alles überhaupt keinen Sinn machte? Dass er sich sogar niemals darauf hätte einlassen dürfen, dem anderen nahe zu kommen? Aber Antonin war in seinem Wesen so einnehmend, so besitzergreifend. Und besonders, wenn er so fröhlich wirkte, hatte Cole das Gefühl alles andere vergessen zu können. War es das, was er suchte? Irgendwie schon... Aber so ganz konnte er es noch nicht begreifen, ganz konnte er das noch nicht sehen. "Ja, vielleicht gibt es irgendwann einmal die Gelegenheit, dass du mir deine Kröte nahe bringst", gestand er dem anderen zu. Ob das so bald möglich wäre, wusste Cole nicht. Er wusste nur, dass er wegen der Razzia bald viel Arbeit haben würde, und dass er in einer Woche sein Examen einreichen musste, und er nicht wusste, wie viel Arbeit damit noch auf ihn zukam. Er hinkte wegen der vier Tage in seinem Zeitplan letztlich hoffnungslos hinterher. "Mal sehen." Seine Stimme war nachdenklich geworden. Ob sich jemals etwas in seinem Leben geändert hätte, wenn seine Mutter nicht Abend für Abend anschaffen gegangen wäre, sondern ihnen vorgelesen hätte? Oder sein Vater nicht Abend für Abend entweder irgendwelche Deals abgewickelt hätte oder in diversen Clubs das Geld verzockt hätte? Er wusste es nicht, und er würde es niemals wissen. Also sollte er auch nicht darüber nachdenken. Russland; Da war das Wort, das auch Cole seit jenem heftigen Streit beschäftigte. Was Antonin dort alles hatte ertragen müssen? Und wie passte seine Ausbildung da mit hinein? Wie hat er überhaupt seinen Abschluss gemacht? Cole wusste, dass er noch so viele Fragen hatte. Das wusste er schon, sei Nicholas ihm angedeutet hatte, dass da noch einiges hinter Antonin stand, was wichtig war, um ihn wirklich zu kennen. Und seit sie sich auf dieser seelischen Ebene weiter angenähert hatten, war in Cole der Wunsch nach mehr Informationen gewachsen, was ihm aber nur dann bewusst war, wenn er eben in Gesprächen auf seine Fragen stieß. "Ich kann mir vorstellen, dass du nach Russland Ablenkung gebraucht hast, auch wenn ich nicht wirklich abschätzen kann, was dort alles geschehen ist." Er würde das so stehen lassen. Zum einen zeigte das Antonin, dass er ihn verstand, zum anderen hoffte er, dem anderen damit klar gemacht zu haben, dass er bereit wäre, mehr zu erfahren. Aber das musste nicht jetzt sein. Er könnte Antonin auch nicht einfach so von seiner Lebensgeschichte erzählen. Ganz im Gegenteil. Wenn es nach ihm ginge, würde er überhaupt nie mehr daran einen Gedanken verschwenden wollen. Aber das Leben war kein Wunschkonzert und dafür, dass er es jemals ganz ausblenden würde können, war dieser Teil seines Lebens zu einschneidend gewesen. Und so fuhr er gleich fort. "Aber es beruhigt mich, dass du und Tayra so ein eingespieltes Team seid. Ich denke, das ist eine wichtige Grundvoraussetzung für den Sieg. Und was den Ehrgeiz des Siegens betrifft, sind wir uns wohl gar nicht so unähnlich. Irgendwann schaltet man die Vernunft aus und will es nur noch erfolgreich hinter sich bringen, egal ob es ein Autorennen oder ein Deal oder sonst etwas ist. Aber was die Sicherheit betrifft, wäre ich vorsichtig. Du solltest deine Sicherheit vielleicht wirklich mehr in den Vordergrund stellen." Denn wenn Antonin etwas passierte, wüsste Cole nicht, was er tun müsste, um die Lücke aufzufüllen, die Antonin in seine Mauern geschlagen hatte, um sich darin niederzulassen. Aber das wollte er sich lieber auch gar nicht ausmalen. Lieber nicht darüber nachdenken, denn das hieße ja, darüber nachzudenken, was er ihm bedeutete. "Und damit sprichst du sehr wahre Worte aus", murmelte Cole nachdenklich. Mittlerweile schien es fast, als würden sie sich nur noch zuflüstern, als lägen sie wirklich nebeneinander. "Wenn man geliebte Menschen zurücklassen würde, sollte man darüber nachdenken, welcher Gefahr man sich aussetzt." Cole dachte in diesem Moment nicht an seine Sorge um Antonin. Er dachte an seine Eltern, die mit dem Feuer gespielt hatten und sich dabei ziemlich heftig verbrannt hatten. "Aber lassen wir die Vernunft Vernunft sein", meinte er schließlich und seufzte. "Ja, zeig mir deinen Wagen beizeiten. Das fände ich interessant." Wieder etwas wie eine Verabredung, von der er nicht wusste, ob und wann er sie erfüllen könnte. Antonin schaffte es wirklich gut, ihn immer wieder für sich zu verpflichten. "Interessant, dass der Hafen auch für Start und Ziel genutzt wird. Ich wusste zwar, dass immer mal wieder durchgefahren wird, aber mehr wusste ich auch nicht." Es störte ihn auch nicht, solange nicht in seinen Deal geplatzt wurde... "Meine Geschäfte?", Cole war mit einem Mal wieder hellwach. Wie viel Zeit war vergangen? Er richtete sich auf und blickte auf die Uhr. Er sollte wohl bald los. Ob Padrick ihn abholen würde? "Gut, dass du mich erinnerst. Ich habe leider gleich noch eine Verpflichtung." Nun war es wohl an der Zeit, das Telefonat zu beenden. "Ja, die Zeit hier war schon in Ordnung. Hier war in letzter Zeit ziemlich der Punk abgegangen, aber mittlerweile scheinen ganz gute Leute hier zu arbeiten. Letztlich haben wir nur unsere Handelsbeziehungen intensiviert. Und ich hatte die Gelegenheit neue Leute kennenzulernen. Insgesamt nichts Besonderes, aber in Ordnung. Die Hauptarbeit wird dann morgen folgen, nämlich die beschlossenen Dinge in die Tat umzusetzen und das alles in die Wege zu leiten." Ja, wenn die Zusammenarbeit klappen sollte, so war damit immer ein großer Aufwand an Organisatorischem verbunden. Aber vielleicht würde ihm Ragnar morgen ein wenig abnehmen können. "Ich denke ich werde gleich abgeholt", sagte er dann und seine Stimme wurde leise. "Wenn ich morgen wieder daheim bin, sag ich dir Bescheid. Ich weiß nur noch nicht, wann ich wieder ein wenig Luft habe und was sonst noch alles zu Hause auf mich wartet." Nun, zumindest wusste er, dass bei ihm zu Hause einiges auf ihn wartete. Zudem hatte er das Gefühl, dass Costello momentan ihm mehr und mehr aufhalsen wollte. Antonin Fast blind auf einen Punkt vor sich stierend lauschte er den Veränderungen in Coles Stimme. Wie sie von leichten Humor zu Nachdenklichkeit wankte, von Neutralität zurück zu einer gewissen Traurigkeit und abermals zurück. Und wo er vorher fast ein wenig erleichtert gewesen war, den anderen nicht zu sehen, so schmerzte es ihn jetzt fast. Antonin hätte Cole jetzt so gern bei sich gehabt, seine Arme um den schlanken Körper geschlungen und fest an sich gedrückt. Eine ebenso besitzergreifende Geste wie verzweifelte. Doch Cole war nicht hier, sondern am anderen Ende des Telefons, in einer anderen Stadt, in einem anderen Bett und damit viel zu weit entfernt für solche Wunschgedanken. Er lauschte wie Cole wieder geschäftig wurde, horchte auf das Versprechen, sich bei ihm zu melden, nahm die gleich darauf folgende Einschränkung wahr. Damals im Club hatte er einem Trottel namens Ben drei einfache Regeln zu Cole gesagt und er glaubte immer noch einen Funken Wahrheit darin zu finden. Weshalb er auch kein genaueres Datum, keine Uhrzeit und kein genaueres Versprechen forderte. Weshalb er seine eigenen Grenzen soweit ausdehnte, dass er sie selbst schon kaum mehr sah. Weshalb solch unzuverlässigen, lapidaren Worte auch ausreichten, um weiterhin etwas Hoffnung für sich zu beanspruchen. Antonin schloss die Augen kurz und schluckte trocken. Er durfte nur einfach nicht vergessen, was das Ziel war. Und in diesem Fall war nicht der Weg das Ziel, sondern der Platz dahinter. "Ja, mach das", stimmte er zu und zwang sich selbst ein Lächeln auf die Lippen, das ihm bei den eher schwereren Gedanken entglitten war. Nur dann wäre es noch ansatzweise möglich eben selbiges in seiner Stimme mitklingen zu lassen. "Mach dir keinen Stress, Cole. Zumindest nicht dafür", murmelte er und fragte sich, wo die eben noch unbeschwerte Stimmung hin war. Fragte sich, warum er das Gefühl bekam, bei den zurückgebliebenen, geliebten Menschen nachfragen zu wollen. Fragte sich, ob er dem anderen seinen Wagen wirklich jemals zeigen könnte. Und ein anderer Teil fragte sich, wohin Cole heute noch ging. Aber den Gedanken wischte er beiseite wie eine lästige Fliege. Er würde sich nicht freiwillig auf selbstzerstörerische Wege begeben. Was sollte es ihn interessieren, was Cole jetzt noch trieb? War es nicht viel interessanter, sich auf die Zeit zu konzentrieren, die sie zusammen hatten, als auf die, die sie eben nicht hatten? "Ich wünsche dir einen angenehmen Abend", sagte er noch und legte dann auf. Immerhin hatte seine Stimme ganz entspannt geklungen. Seufzend ließ er sein Handy neben sich vom Bett fallen, lauschte auf das Geräusch, das jenes auf dem Parkettboden auslöste und wandte seinen Blick von der Decke zu seinem geliebten schwarz-weiß Bild. Warum konnte in seinem Leben eigentlich nicht mal irgendwas einfach sein? Cole "Und pass auf dich auf", murmelte Cole noch, als Antonin schon längst aufgelegt hatte. Er hatte gehört, wie die Stimmung des anderen sank, als es darum ging, sich zu verabschieden. Oder bildete er sich das nur ein? Wenn er ehrlich zu sich war, dann hätte er auch lieber noch länger telefoniert, aber es ging nun einmal nicht. Und so hatten sie sich schließlich doch verabschiedet. Er würde sich melden, wenn er Zeit hatte. Ob er noch einmal hätte betonen sollen, dass Antonin ihn auch ruhig anrufen dürfte? Aber das würde er doch tun, wenn er etwas bräuchte, oder? Cole wusste es nicht, hoffte aber, dass es so war. Als sein Handy läutete schreckte er aus seinen Gedanken hoch. "Ja", sagte er knapp, lauschte Padrick, der ankündigte, ihn abzuholen. "Ich werde unten auf dich warten." Dann legte er auf. Dabei fiel ihm auf, dass er noch nie in seinem Leben, so lange telefoniert hat, wie mit Antonin eben. Eine interessante Feststellung, aber weiter darüber nachzudenken dazu hatte er keine Zeit mehr. An diesem Abend erfuhr er, dass Costello bei einem der Obersten in Chicago einen Deal angezettelt hatte. Es würde um Waffen gehen. Und so wie es Cole erwartet hatte, bedeutete das enorm viel Arbeit mehr. Er würde nicht nur den Deal organisieren müssen, sondern wohl auch in nächster Zeit öfter einmal nach Chicago reisen müssen. Cole fluchte innerlich, verwünschte alle und jeden. Warum konnte das Ganze nicht noch eine verdammte Woche warten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)