Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 27: Gründe ------------------ Cole Cole wachte an diesem Tag relativ bald auf. Es war wohl die innere Unruhe, die ihn aufweckte, aber er war überraschend munter. Das frühe Schlafen hatte ihm gut getan und ihn zu Kräften kommen lassen. Gut, die Couch, auf derer durchgeschlafen hatte, war nicht ganz so bequem wie sein großes Bett, das er heiß und innig liebte, aber auch durchaus zum Schlafen geeignet. Corleone hatte es zumindest gefreut, dass er dort geschlafen hatte, denn ins Bett durfte er nicht mit. Die Dusche, die er sich ein wenig länger als sonst gönnte, belebte alle seine Geister. Im Spiegel sah er die Narbe, die frisch war, an seiner linken Schulter, ein hässliches Loch, das ihn vielleicht interessanter machte, aber nicht wirklich hübscher. Aber gut, er war in gewisser Weise selbst schuld. Deutlich sah man, wo die Narbe wieder eingerissen war. Als die Fäden gezogen worden waren, hatte Raphael durchaus noch einmal deutlich gemacht, dass er ein Idiot sei. Aber in jener Nacht und in jenem Club war ihm das egal gewesen. Aber daran sollte er lieber nicht mehr denken. Er machte sich Frühstück, hatte vor kurzem sogar Obst gekauft, das er nun versuchte seinem Körper zuliebe häufiger zu essen. Zumindest ein paar Vitamine konnten ja nicht ganz verkehrt sein. Und man wurde davon ja auch nicht dicker. Aber wirklich viel Hunger hatte er ohnehin nicht. Und so blieb es bei einem Joghurt mit ein wenig Müsli und einer Banane. Aber er war schon recht stolz auf sich. Bis vor kurzem hatte er nie gefrühstückt. Genervt blickte er auf den Stapel Bücher im Wohnzimmer, und räumte ein wenig auf. Am vergangenen Abend war er nicht dazu gekommen, noch etwas für sein Examen zu machen. Sobald der Deal beendet war, würde er sich diesem auch wieder mehr widmen können. Er musste, schließlich hatte er nicht einmal mehr zwei Wochen, um die Prüfungsunterlagen zurückzuschicken. Andere Teilnehmer, das ahnte er, steckten viel mehr Arbeit und Zeit hinein, doch er hatte sie einfach nicht, die Zeit... Gegen 12 war er im Lady-Dream. Er mochte den Club um diese Uhrzeit am liebsten. Die Mädchen übten für ihre Performance, aber generell war Ruhe und es war alles sehr entspannt. Ragnar war bereits da, arbeitete offenbar an einem Plan für diverse Übergaben. Er war wirklich raffiniert, wie er es immer wieder schaffte, ungesehen den Unterhändlern die Ware zu liefern. Und Cole wunderte sich hin und wieder mal, dass er nie hörte, dass einer der kleineren Probleme bereitete. Als Don noch den Posten hatte, lag dieser ihm ständig in den Ohren, dass dieser oder jener nicht zahlte oder unzuverlässig war. Allerdings: Wieso wunderte er sich? Cole kannte Ragnars Art, wie er sich Respekt bei den Leuten verschaffte. Er kannte sie recht gut... In seinem Büro ging er die Pläne in Ruhe noch einmal durch, jeden Schritt, wie so oft in den letzten Tagen. Drei Stunden, dann wäre der Spuk vorüber. Drei Stunden, in denen nichts schief gehen durfte. Und in zwei Stunden würde es losgehen. Cole bekam nicht mit, wie Ragnar Antonin und den Bodyguards an der Tür Bescheid gab. Antonin Zufrieden schloss er sein Handy und blickte auf die Uhr. Das passte alles sehr gut in seinen neuen Zeitplan und damit schnappte er sich die bereits gepackte Reisetasche, schulterte sie und begab sich in die Tiefgarage zu seinem Jeep. Und wieder war er dankbar für die verspiegelten Scheiben, auf die Frontscheiben natürlich und das verstärkte Metall an den Türen. Man wusste ja schließlich nie. Wie üblich hatte er sich heute wieder in seine Jeans und ein dunkles, langärmliges Hemd geworfen. Zum einen fühlte er sich nicht bereit, wirklich schon anders unter Menschen zu treten, und zu anderen würde es Cole vermutlich ein wenig Sicherheit geben, wenn er so aussah wie er das immer zu ihren geschäftlichen Treffen getan hatte. Aber wen wollte er eigentlich verarschen? Er selbst war mit der ganzen Vorlaufzeit vermutlich nervöser als es Cole überhaupt werden konnte. Wenn man da überhaupt von Nervosität sprechen konnte. Vermutlich wäre es eher Abneigung, Zorn, Wut und der übliche Sarkasmus mit dem Antonin rechnen musste. Und genau deshalb tat er das auch und er fühlte sich so vorbereitet wie man nun einmal für so ein Gespräch sein konnte. Schließlich vor dem Lady-Dream parkend und seine Tasche mit aus dem Fahrzeug nehmend sah er sich kurz streckend auf dem Parkplatz um. Wie seltsam hier alles tagsüber aussah. Ganz anders als nachts mit den ganzen leuchtenden Reklamebildern und den dicken Autos zwischen den Normalos. Noch einmal tief durchatmend machte er sich auf den Weg und war bald darauf auch schon im Inneren des Gebäudes. Er nickte den probenden 'Ladys' grinsend zu und stand kurz darauf auch schon vor den persönlichen Türstehern. Immernoch mit dem leichten Grinsen im Gesicht wurde er kurz gemustert bevor ihm einer von beiden die Tür öffnete und er nach einem letzten Durchatmen auch eintrat. Sofort ruhte sein Blick auf der ein wenig irritiert aufblickenden Person: Cole Und während da verschiedenste Gefühle auf ihn einstürmen wollten, gab er sich redliche Mühe sein Gesicht emotionslos zu halten. Es zuckte kein Muskel, der nicht sollte, und so trat er schweigend näher und stellte seine Tasche auf dem Stuhl gegenüber des Schreibtisches ab. Während er den Reisverschluss öffnete begann er zu sprechen: "Du hast jetzt zwei Optionen Cole. Die erste ist, dass du deine Waffe ziehst und abdrückst, während die zweite ein vernünftiges Gespräch darstellt. Und es sind tatsächlich nur diese beiden Optionen, denn du wirst diesen Raum nicht verlassen können ohne mir zumindest zugehört zu haben." Damit sah er von der geöffneten Tasche auf, direkt in Coles kühle, grüne Augen. Versuchte sich nur an die kleinen Details zu halten. Erschöpfungsgrad, Gesamteindruck und mögliche Muskelzuckungen. Aber im Grunde brauchte er das alles gar nicht. Ragnar hatte gut daran getan ihn anzurufen und Nicholas hatte gut daran getan ihn daran zu erinnern was seine verfluchte Aufgabe war. Und davon durfte er sich nicht durch eigene Unsicherheit abhalten lassen. Cole war einen bindenden Vertrag mit ihm eingegangen und wenn man seinen Guard so schnell und einfach loswerden könnte, dann gäbe es sehr viel mehr arbeitslose Profi-Schilder als es tatsächlich der Fall war. Jeder bekam irgendwann einmal gesagt, dass seine Dienste nicht mehr erwünscht waren. Gerade zu stressigen Zeitpunkten, zu denen das Ziel nicht mehr gerade denken konnte. Und dann war es seine verdammte Aufgabe das zu übernehmen! Und genau das hatte er jetzt auch vor, und wenn Cole sich in ein Tütü werfen und mit Hullahuppreifen tanzen würde! Cole Überraschung war gar kein Ausdruck. Er war völlig irritiert. Doch das 'Training' der letzten Tage, in denen er seine eingerissene Fassade wieder aufgebaut und verstärkt hatte, ließ diese Irritation nur kurz durchscheinen, bevor sein Ausdruck in der üblichen Weise hart wurde. Was wollte Antonin hier? Wer hatte ihn überhaupt hier hereingelassen? Ragnar? Wahrscheinlich... Cole spürte, dass die Wut, die er eigentlich glaubte in sich zu tragen, gar nicht so groß war, wie er sie sich immer eingebildet hatte. Ganz im Gegenteil. Im Moment hatte er nicht das Gefühl überhaupt jemals wütend gewesen zu sein, was ihn zusätzlich irritierte. Doch eigentlich wollte er mit diesem Mann nichts mehr zu tun haben. Er wollte nicht mehr spüren, dass die Anwesenheit des anderen ihn beruhigte, dass er sie als angenehm empfand. Er wollte keine Situationen mehr, in denen sie sich nahe waren, in denen sie fast unbeschwert miteinander umgehen konnten. Er wollte nicht mehr, dass Antonin ihm nahe war und ihn mit dieser Nähe verletzte. Und er wollte nicht, dass jener weiter einen Einfluss auf ihn hatte, auf seine Handlungen hatte. Er wollte nicht mehr das Gefühl haben, sich bei diesem anlehnen zu wollen, wie er es in jenem Club getan hatte. Und er hatte ja auch allen Grund dazu, das so für richtig zu halten. Schließlich war es Antonin gewesen, der ihn verbal verletzt hatte, der ihn vor den Kopf gestoßen hatte, der ihm unterstellt hatte, Grenzen zu überschreiten, die er gar nicht wirklich hatte sehen können. Und davon war er überzeugt. Doch warum war jener jetzt hier? Hatte Cole nicht klar gemacht, was er wollte? Konnte irgendetwas nicht verstanden worden sein? Wollte jener ihm noch einmal etwas reindrücken? Ausgerechnet heute? Er hatte keine Zeit für so etwas. Musternd glitt sein Blick über die Gestalt des anderen, über seine Arme, die unter einem Hemd verborgen waren. Nun, zumindest schien er diese Sache wieder zu verdrängen. Vielleicht hatte er dann Glück, dass Antonin nicht wieder ausrastete. Bewegungslos hörte er sich die Worte des anderen an. Und seine Augen wurden dunkler und dunkler. "Ich wüsste nicht, was wir zu bereden hätten. Ich denke, es ist alles geklärt." Er lehnte sich langsam in seinem Sessel zurück und kurz fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare. "Ich dachte ich hätte mich klar genug ausgedrückt, dass ich meine Ruhe haben möchte. Und jetzt marschierst du einfach so hier herein und verlangst ein Gespräch, das wir das letzte Mal doch schon recht eindrucksvoll gehabt haben..." Er lächelte amüsiert. "Entschuldige, Antonin, aber ich habe heute wirklich keine Zeit, mich von dir beschimpfen zu lassen und mir anzuhören, was für ein großes Arschloch ich bin und wie du mich am liebsten umbrächtest." Ruhig ruhten seine Augen auf denen des anderen, ruhig und abwehrend. Er spürte, wie sich in ihm alles verkrampfte. Dafür hatte er im Moment wirklich keine Nerven, keine Kraft. Und die Worte von damals drückten ihn noch immer. Dieser Hass ihm gegenüber, den Antonin kurzzeitig hatte deutlich werden lassen, als er ihm erklärt hatte, dass er ihm gerne einmal die gleiche Folter zukommen lassen wollte. Allein der Gedanke daran ließ ihn seinen Magen verkrampfen. Antonin Jetzt zuckte doch ein Muskel, er spürte es ganz genau und auch die kleinen fiesen Stiche an der Stelle, an der sich sein Herz befinden sollte, gingen nicht unbemerkt vorüber. So schloss er kurz die Augen, um sich noch einmal zu versichern, dass er hier das Richtige tat. Dass Coles Worte das eine sagten, aber dass es eine Wahrheit darunter gab. Nämlich jene, die ihm der andere in Antonins Wohnung offenbart hatte. Und nur weil man es wollte, konnte man solche Gefühle nicht abschalten. Es ging einfach nicht und darauf musste er jetzt einfach aufbauen. Er musste Vertrauen in seine Fähigkeiten haben, wenn Cole das schon nicht mehr hatte. So nickte er schließlich zustimmend. "Du wolltest deine Ruhe und du hast sie gehabt", erwiderte er mit ruhiger Stimme. Er ließ weder durchscheinen, dass ihn die Worte des anderen sehr zielgenau und heftig getroffen hatten, noch dass er sich darüber am liebsten in Grund und Boden schämen wollte. Er hatte Cole wirklich angedroht ihn zu foltern, oder? Oh Gott… "Ich habe nie behauptet, dich umbringen zu wollen, und du warst derjenige, der mich als Arschloch betitelt hat, nicht umgekehrt", stellte er fest. "Aber alles andere geht durchaus auf meine Kappe und ich befürchte, eine Entschuldigung wird die Geschehnisse nicht rückgängig machen. Allerdings arbeite ich daran, denn so etwas darf nicht passieren. Damit hast du vollkommen recht." Er griff in die Tasche und holte eine durchsichtige Flasche mit gelbem Inhalt hervor. Jenes Aufputschmittel, das er Cole schon einmal mitgegeben hatte. Ohne Kommentar dazu stellte er es auf den Schreibtisch. Oh Gott... Wo kam die ganze Schuld her, die ihn gerade zu überrollen drohte? Wie schaffte er es überhaupt gerade so gelassen zu wirken, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug? Wo er sich selbst am liebsten vor den nächsten Zug werfen würde, dafür, Cole so verletzt zu haben. Er hätte wirklich viel, viel früher zu einem Psychiater gehen sollen. Das waren seine Gedankengänge, als er ein schwarzes, quadratisches Objekt als nächstes aus der Tasche holte, zusammen mit hautfreundlichem Klebeband. "Es ist nur so, Cole", fuhr er fort, schwer damit beschäftigt seine Gedanken zusammen zu behalten und nichts von dem auszusprechen, was er dachte. Er musste sich an den Plan halten! "Du bist einen bindenden Vertrag mit mir eingegangen und nur weil man einem Guard in einem emotionalen Moment sagt, dass man ihn nicht mehr braucht, wird man ihn nicht los. Ich glaub,e ich habe so etwas in der Art auch angedeutet. Aber wie dem auch sei", winkte er ab und deutete auf die schwarze Platte. "Du kannst keine kugelsichere Weste tragen, aber das wird dein Herz schützen, solange die Kugel nicht aus unmittelbarer Nähe abgeschossen wird. Das Getränk solltest du kennen. Ich empfehle es eine halbe Stunde bis Stunde vor dem Deal zu dir zu nehmen." Abermals griff er in die Tasche und holte einige Ausdrucke hervor, die er achtlos über den Tisch warf: "Im Grunde möchte ich, dass du die Platte nicht nur für den Deal trägst, da dieser Dealermörder scheinbar kein kleiner Fisch ist." Er runzelte die Stirn, als er daran dachte, was er alles für Indizien hatte. Viele waren es nicht, aber es deutete alles darauf hin, dass es nicht nur die reinen Drogen waren. Denn davon waren jedesmal welche bei den Leichen gefunden worden. Schaumorde? Ein Serienmörder mit seltsamen Anwandlungen? Antonin wusste es nicht. Aber was deutlich wurde war, dass Cole mehr Schutz brauchte als jener sich selbst zugestand. Und wenn es nur diese verdammte Schutzplatte wäre. "Ich habe mich erst gestern daran gesetzt, aber die Morde laufen nach dem gleichen Schema ab. Es passt irgendwas nicht und das macht mich zugegebenermaßen ein wenig skeptisch. Vor allem da ich genau weiß, dass du dich an seine Fersen gehängt hast." Nun wissen tat er es nicht, aber es war so sicher wie das Amen in der Kirche. Und damit wurde Cole zu einer Gefahr für diesen Killer. Und Gefahren für Killer wurden normalerweise recht schnell ausradiert. Er verschloss die Tasche wieder, die ansonsten nur Kleidung enthielt, die er selbst eventuell noch brauchen würde, und verzog die Lippen ein wenig. "Es mag dir nicht gefallen, aber du bist mich nicht los. Was bedeutet, dass ich solche Gefahrenquellen im Auge behalten werden. Mit oder ohne deine Zustimmung", endete er und sah wieder zu Cole. Nur um sich abermals zu fragen, wann er so ein guter Schauspieler geworden war? Er täte gerade nichts lieber als wirklich den Rückzug vor jenen Augen anzutreten, während da noch diese andere Seite war die fand, dass er noch viel zu weit davon entfernt war. Was für ein Desaster! Cole Unwillig schnaubte Cole aus, als er diese verständnisvolle Masche hörte. Entschuldigung? Es darf nie wieder vorkommen? Er stimmte auch noch zu, dass er recht hatte! Cole spürte, dass ihn diese Reaktion, mit der er gar nicht gerechnet hatte, unerwartete verunsicherte. Was war in Antonin gefahren, dass jener nicht in seiner typischen hitzköpfigen Art reagierte, wenn er seine Stacheln ausfuhr? Warum verhielt er sich plötzlich so unberechenbar. Normalerweise funktionierte es doch sonst immer, wenn er bellte, dass der andere zurückbellte. Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. Nicht wissend, was er antworten sollte. Und so blickte er misstrauisch auf die Tasche, seine Hand bereit, seine Pistole zu ziehen, falls eine Waffe zum Vorschein kommen würde. Doch was jener herauszog, ließ seine Stirn noch tiefer in Falten liegen. Was, in Herrgottsnamen, sollte das werden? Seine Augen blickten Antonin irritiert an, bevor er auf die Metallplatte sah. Antonin wollte ihn weiter beschützen? Als sein Guard? Und was war plötzlich mit all den Sachen, die er diesem an den Kopf geworfen hatte? War das alles vergessen? Hatte er nicht eigentlich dafür gesorgt, dass auch Antonin nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte? Offensichtlich zu wenig, denn jener schien den festen Willen zu haben, ihn schützen zu wollen. Aus seinen Gedanken hochschreckend blickte er auf die Papiere, die vor ihm zum liegen kamen. Zeitungsmeldungen, die die Idee von seinem 'Serienmörder' aufgebracht hatten. Und hin und wieder der Name Klinger. Offenbar hatte die Polizei, allen voran Klinger, beschlossen, weiter so zu tun, als sei es ein Serienmörder, damit es einfacher war, weiterzumachen. Aber eigentlich waren es ja in Polizeikreisen wahrscheinlich nur normale Razzien. Langsam hob er seine Hand, griff die Papiere und legte sie zur Seite, den letzten Worten des anderen zuhörend, bis jener geendet hatte. "Weißt du Antonin, dein Ehrgeiz, den du hinsichtlich Blue Wonder gezeigt hast, hat mich ziemlich beeindruckt", begann er gefährlich ruhig. Antonins Abblocken seiner harschen Worte, ließ ihn wissen, dass er diesem offensichtlich auf der gleichen Ebene begegnen musste, dass es nichts brachte, ihm aggressiv gegenüber zu treten. Er musste ebenso ruhig sein, überlegt. "Auch die absolute Bedingungslosigkeit in den eher gefährlichen Situationen ist mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben." Er nickte leicht, als würde er sich diese Situationen noch einmal ins Gedächtnis rufen. "Ich verstehe nur nicht, warum du gewillt bist, diesen wenig erfolgversprechenden Job weiter zu machen, obwohl dir doch dein Ziel klar gemacht hat, dass es das nicht mehr sein möchte." Er blickte Antonin ruhig an. "Mich würde wirklich interessieren, weshalb du den Job weitermachst. Hat dich Ragnar darum gebeten? Ist dir langweilig? Hast du irgendeinen Vorteil davon, den ich nicht kenne? Ich begreife einfach nicht, warum du das machen möchtest. Und sag mir jetzt ja nicht, dass es deine Pflicht ist, denn das ist Bullshit. Ich würde dir nicht glauben." Abwartend blickte er Antonin an. Zu gerne würde er wissen, wer ihn hierher beordert hatte. Dass Antonin freiwillig hierhergekommen war, konnte er sich nicht vorstellen. "Nenn mir bitte nur einen vernünftigen Grund, weshalb du hier bist und mich schützen möchtest, warum du wieder mein Leben retten möchtest. Mein Leben kann dir doch wirklich scheiß egal sein. Als sag mir bitte, warum du mich nicht ein für alle Mal in Ruhe lassen kannst. Dann werde ich deiner Bitte nachkommen, und das hier - er deutete auf die Metallplatte - tragen." Vielleicht würde Antonin aufhören, wenn er die Wahrheit sagen müsste. Vielleicht würde er dann entweder endlich wissen, was jener von ihm wollte, oder ihn wirklich los sein. Was Cole nicht bedachte war, dass er tief in seinem Inneren auf eine Antwort hoffte. Die Antwort, die er wahrscheinlich selbst geben müsste, wenn er nun gefragt werden würde, weshalb er Antonin nicht einfach erschoss, oder ihn aus dem Zimmer, dem Club, seinem Leben warf. Die Antwort auf alle Fragen, alle unbekannten Gefühle. Eine Antwort, die er selbst nicht bereit wäre, auszusprechen. Denn seine Antwort auf die Frage wäre: Weil Antonin Antonin ist. Weil er ein Mensch ist, der ihn berührte. Antonin Unbewusst stieß Antonin einen langen, tiefen Atemzug aus. Das war der Supergau. Das war die Atombombe unter all den kleinen und größeren Bomben, die er hier hatte hochgehen sehen. Fast erwartete er einen Auftritt der Apokalyptischen Reiter oder ein kleines Höllentor, das sich hinter ihm öffnen und ihn verschlingen würde. Und beide Optionen wären ihm lieber, als auf diese Fragen zu antworten. Denn obwohl er sich mit Sicherheit eine Lüge aus den Fingern saugen könnte, die wohl halbwegs sinnig klänge, so spürte er in sich nicht den Hauch einer Motivation dazu. Er wollte Cole nicht anlügen. So fielen seine Schultern ein Stück nach vorne, als sich seine 'Ich bin ganz entspannt'-Körperspannung löste und er griff nach seiner Tasche, um sie auf den Boden zu stellen und sich selbst auf den freigewordenen Platz zu setzen. Gestresst fuhr er sich durch die Haare und überlegte wo und wie er überhaupt ansetzen sollte. "Warum ich dich nicht in Ruhe lassen kann, hm?", echote er leise und lehnte sich zurück. Ein Versuch seine sich inzwischen verkrampfenden Bauchmuskeln wieder zu entspannen. Cole verlangte hier wirklich Unmenschliches und vielleicht war das auch der Grund dafür. Konnte es sein, dass der andere damit aufwartete, um ihn tatsächlich los zu werden? Aber was für einen Grund könnte er denn dann wirklich noch haben, weiterhin in Coles Leben zu sein? ... Rein zum Beschützen natürlich. Quatsch. Es ging nicht nur um das reine Beschützen und das war ein weiterer Punkt, der diese Fragen so unglaublich schwierig machte. Wie sollte man etwas beantworten worüber man sich selbst noch keine Gedanken gemacht hatte? Antonin hatte die Beantwortung dieser Fragen für sich selbst nach hinten verschoben, denn momentan lagen dringlichere Dinge zur Hand. Auch wenn das Cole nicht so zu sehen schien, wenn dessen Aussage in den Augen für irgendetwas zu gebrauchen war. Verdammt. Warum musste es ausgerechnet Cole sein, der alles durcheinander brachte? "Okay", gab er sich schließlich geschlagen. "Wenn du langweilige Geschichten hören willst, erzähle ich sie eben", murmelte er und sah kurz zur Minibar, bevor er sich zusammenriss und sich Coles prüfendem Blick stellte. Natürlich waren da noch Masken vorhanden, aber er kam nicht drum herum genügend Emotionen durchscheinen zu lassen. Es war ihm nicht wohl dabei, dass alles vor Cole auszubreiten. Er bot dem anderen Mann damit so unglaublich viel Angriffsfläche an. Aber andererseits, hatte ihm jener noch nie angedroht, ihn foltern zu wollen. "Als du mich das erste Mal in meinem Haus bedroht hast, bin ich danach zwei Stunden sinnlos im Hausgang gesessen, weil mir deine Augen so eine Scheiß Angst eingejagt haben", fing er an und massierte sich die Schläfen, um besser nachdenken zu können. Um es richtig auf die Reihe zu bekommen. "Bei dem Mord hielt ich dich für einen kleinen Größenwahnsinnigen, den ich nur wegen eben dieser Augen nicht umbrachte. Als ich meinen kleinen Frustanfall hier im Büro hatte und wir danach zu den Russen fuhren, fiel mir auf, dass ich deinen Befehlen entgegen meiner misstrauischen Gefühle Folge leistete, ohne sie zu hinterfragen", fuhr er fort und fragte sich, ob es wirklich die beste seiner Ideen gewesen war, das alles hier auszurollen. "Der Abend in dem Club war ganz witzig, bis sich eine gewisse Nüchternheit bei mir breit machte. Es passte mir nicht, in dir einen Menschen zu sehen, auch wenn mir das zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst war. Da war nur eine gewisse Irritation in mir selbst, die ich erkannte. Doch du hattest genug Eindruck hinterlassen, um mich Ragnars Wünschen zu beugen. Dich dann vor dem Club zu sehen war eher Zufall und ich habe dich zu dem Zeitpunkt nur in meine Wohnung genommen, weil ich mich sowieso schon umziehen sah. Tatsächlich lief dann am folgendem Abend so ziemlich alles aus dem Ruder, was nur schiefgehen konnte und als ich ins Haus kam, da hab ich nur noch Rot gesehen, Cole." Er hielt inne um tief durchzuatmen. "Nicht wegen dem Blut, gegen das ich eine Phobie habe, sondern weil du verletzt warst. Es war als würde man mir irgendwo einen Schalter umlegen und der Rest dieser Aktion war nicht durchdacht sondern reiner Instinkt. Auch wenn mir dann das Herz fast stehengeblieben ist, als du mich abknallen wolltest." Er zog ein ironisches Lächeln. "Vielleicht wäre das besser gewesen für alle Beteiligten. Aber es ist nicht passiert und ja, ich wollte flüchten. Aus guten Grund wie du inzwischen am eigenen Leib gespürt hast. Bei den nachfolgenden Gesprächen fiel es mir das erste Mal auf, dass ich keine Abneigung dagegen spürte, wieder in diesem Zweig tätig zu werden. Es war völlig in Ordnung und ich machte mir auch keine zweiten Gedanken darüber. Du warst mein Ziel und damit konnte ich gut leben. Im Club warst du allerdings nicht mein Ziel." Er stockte kurz und überlegte, wie er das ausdrücken sollte. "Du warst jemand dem ich jederzeit den Rücken zugekehrt hätte im Wissen, dass mir nichts passiert wäre. Du warst in diesem Moment nicht mein Boss oder mein Ziel sondern jemand, mit dem man so einen Abend guten Gewissens verbringen konnte." Abermals stockte er kurz und sammelte seine Gedanken. Er durfte nicht zuviel aber auch nicht zu wenig verraten. "Dass ich danach für dich gekocht habe, fand ich nicht normal. Ich war nervös, denn du wurdest immer mehr zu einer Person, die Bestand hatte. Von der ich wusste, dass sie da wäre, in welcher Form auch immer. Normalerweise schrecken die Leute viel früher vor mir zurück und sind aus irgendwelchen Gründen überfordert. Du nicht. Naja... noch nicht. Was danach folgte tut mir furchtbar leid." Jene Worte der Entschuldigung kamen nicht einmal schwer über seine Lippen, denn er meinte sie absolut ehrlich. "Ich war danach in Washington. Wollte mich abermals feige verdrücken. Aber wer hätte mir garantiert, dass es nicht wieder passiert wäre?", hinterfragte er ruhig und schob sich einen Ärmel hoch, um eine Narbe freizulegen. "Mir fällt es schwer das zuzugeben, aber ich befinde mich momentan in psychiatrischer Behandlung. Ich habe täglich Sitzungen und lerne damit umzugehen. Ich will keine Gefahr mehr für meine Umwelt oder mich selbst darstellen. Nicht wegen zwei Narben. Aber so sicher ich mir deswegen war, so unsicher war ich mir mit dir. Wie es weitergehen sollte? Gerade weil mir, als du aus meiner Wohnung verschwunden bist, bewusst wurde, dass ich selbst dort keine Angst hatte, dass du abdrücken würdest." Er zuckte mit den Schultern. "Die Kurzform ist, dass ich dir vertraue, dass mir dein Leben wichtig ist, weil du jetzt irgendwie mit dazu gehörst. Ich weiß nicht genau wie oder wann, aber du bist jetzt ein Teil meiner Gegenwart und das zu verdrängen würde es nicht besser machen. Darum bin ich hier und darum will ich auch weiterhin dafür sorgen, dass du dich zumindest zu einem Minimum an Schutz bereit erklärst." Eigentlich war es das gewesen, oder? Obwohl.. "Und ich weiß nicht, ob das ein vernünftiger Grund ist, aber es ist meiner." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)