Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 18: Unsexuelle Taten ---------------------------- Cole Es war nicht nur dieses Gespräch gewesen, worüber er hatte nachdenken müssen. Es war vor allem jene Situation im Haus gewesen, jener Moment, als ihm klar wurde, dass er aus ihm unerfindlichen Gründen an seinem beschissenen Leben hing. Und es dauerte eine Weile, bis er sich davon erholte hatte, es wieder verdrängt hatte, es aus seinen Gedanken getilgt hatte. Und was ihm dabei nun mal am besten half war Sex, den er sich in seiner selbstverschriebenen Auszeit zu Genüge gönnte. Schließlich bat er Ragnar die geschäftlichen Beziehungen zu Antonin wieder aufzunehmen, damit das Geschäft endlich wieder unter Dach und Fach war. Die Bedingungen, die jener damals gestellt hatte, befürwortete er. Sollte Antonin nur bekommen, was er wollte. Dann ließ er sich die Nummer des anderen geben. Und rief ihn an. Er spürte, dass er nervös war, als er das Läuten hörte. Aber als er die Stimme des anderen hörte, war er irgendwie beruhigt. „Hey Antonin“, meinte er und bemerkte, dass er ihn tatsächlich begrüßte, was er nie tat. „Können wir uns sehen?“ Antonin An jenem Abend war er mit dem Jeep zu sich gefahren, hatte sich wie ein Roboter in seine Wohnung geschleppt und sich einfach nur noch ins Bett gehauen. Natürlich hatten Alpträume ihn mehrmals wieder hochgerissen, aber das war abzusehen gewesen. Besonders da er auf den Alkohol verzichtete. Der nächste Tag war seltsam. Ein anderes Wort wollte ihm dafür nicht einfallen und so blieb er dabei. Nicholas hatte angeboten vorbei zu kommen, doch Antonin schlug dieses Angebot dankend aus. Tatsächlich stellte er sich nach einem leichten Frühstück mit bloßem Oberkörper vor den Spiegel im Schlafzimmer und musterte sich kritisch. Den Verband den er bald einmal wechseln müsste, den gut ausmodelierten Brustkorb mit Schultern, die dazu passten und nicht übertrieben wirkten, und zu guter Letzt das, dem er sich so ungern stellte. Jene beiden Narben, die Cole zwar nicht komplett gesehen, aber durch die Cole durchaus richtig erkannt hatte, dass Antonin vor sich selbst davonlief. Auch wenn er es offensichtlich recht erfolgreich abgestritten hatte. Nachdenklich folgte er den beiden blasseren Linien wie sie sich um seine Arme wanden. Nicholas hatte ihm mehr als einmal gesagt, dass ihn diese Narben nicht entstellten, doch Antonin sah das anders. Obwohl sie im Grunde genommen nicht so furchtbar offensichtlich waren, sprangen sie ihm jederzeit sofort ins Blickfeld, wenn er nach der Dusche in den Spiegel sah. Und mit diesem Auftakt begannen ein paar äußerst schwierige Tage für ihn. Natürlich nachdem er sich auf unbestimmte Zeit unentgeltlich von seinem Konzern beurlauben ließ. Jene gewährten ihm das gern nach seinem kürzlich vorzuweisenden Durchbruch und Antonin wusste nicht so genau, ob er darüber jetzt erleichtert und erbost sein sollte. Aber schlussendlich war es so in Ordnung, denn so erhielt er die Möglichkeit, sich wirklich bewusst zu werden, dass er jetzt doch das war, was er niemals wieder werden wollte. Und dass der Gedanke daran, dass es Cole betraf, ihn nicht mit Abscheu, Hass und noch mehr Selbsthass untergehen ließ. Nein, tatsächlich war da kaum mehr als Ruhe in ihm. Jener Ruhe nicht unähnlich, die er empfunden hatte, als er Coles Wagen angezapft hatte. Es war also in Ordnung? Als Ragnar ihn anrief, um ihren Deal wieder aufzunehmen, wusste er ebenfalls zuerst nicht so recht, was er davon halten sollte, wie er damit jetzt umzugehen hätte. Doch dann gab er sich einen Ruck und bestätigte, dass sie im Geschäft wären, aber er aus gesundheitlichen Gründen momentan nichts herstellen könne. Nun, Ragnar war nicht begeistert, aber ändern konnte er es auch nicht. Danach begab sich Antonin zu seinem Arzt, ließ die Wunde nochmal begutachten und neu verbinden. Nicht dass er Coles Arzt nicht vertrauen würde... Er vertraute ihm nur einfach nicht. Als ihm sein Doc bestätigte, dass er mit einer weiteren Narbe zu rechnen hätte, verdrehte Antonin nur noch die Augen. Darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. So alles in allem konnte er also ruhigen Gewissens von sich behaupten, sich ein wenig mehr mit sich selbst befasst zu haben, als die ganzen letzten vier bis fünf Jahre. Was immer noch nicht viel oder genügend war, aber es war ein Ansatz. Etwas, das er irgendwie für Cole und nicht für sich selbst tat, richtig? Immerhin brächte es nichts, weitere Zusammenbrüche zu riskieren, nur weil jener dachte, Antonin würde sich selbst wirklich akzeptieren. Als das Telefon klingelte und statt Ragnar oder einer seiner Bekannten tatsächlich Cole dran war, machte sein Herz einen kurzen Hüpfer. Bis jetzt konnte er es einfach nicht realisieren, dass jener die Worte in dem Krankenzimmer wirklich voller Überzeugung gesagt hatte. Doch er musste abwarten... ihr Gespräch und noch so einiges mehr. Dennoch, er würde Cole keinen Rückzieher mehr zugestehen, schließlich hatte er jenem seine Augen und Herz doch quasi schon übergeben. Das dämliche kleine Ritual, bei dem er seinem ersten Ziel am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte. "Heya Cole", begrüßte er ihn schließlich, als ihm auffiel, dass er zu lange geschwiegen hatte. "Entschuldige, ich war in Gedanken. Sag mir wann und wo und ich werde da sein." Cole "Dann hol ich dich in 30 Minuten ab. Bis dann!", entschied er und legte auf, bevor Antonin überhaupt etwas sagen konnte. Er wollte es endlich hinter sich bringen. Er wollte endlich ein paar Dinge los werden, wollte Informationen haben, um abschätzen zu können, worauf er sich eingelassen hatte. Cole blickte einen Moment auf sein Handy. Dann stand er auf, nahm sich seine Jacke und zog sie umständlich an. Mittlerweile musste sein Arm zwar nicht mehr in einer Schlinge ruhen, doch er war noch immer nicht richtig beweglich. Raphael hatte diesbezüglich sogar angedeutet, dass dieser 'Defekt' sehr langsam weggehen würde, wenn überhaupt. Aber gut. Das würde nur eine Frage des Trainings sein. Und auf den linken Arm konnte man ja normalerweise ein wenig verzichten. Und er war ja auch nicht vollkommen unbeweglich. Er konnte ihn nur nicht mehr richtig heben, ab einem gewissen Punkt schien er zu blockieren. Cole ging zu seinem Auto und fuhr schließlich zu Antonin. Es war schon seltsam, was an jenem Tag alles geschehen war, und noch immer hatte Cole nicht das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Oder sagen wir besser, er wusste nicht, ob er alles für sich begreifbar machen konnte. Angefangen von der Situation im Haus, in dem er sich ganz offensichtlich wirklich selbst opfern wollte, in dem er eine Todessehnsucht ausgelebt hatte, die er nie zuvor so intensiv erlebt hatte. Er dachte schon seit er 7 Jahre alt war, darüber nach wie es wäre, selbst zu sterben. Mehr als einmal war ihm alles, was mit seinem Leben zusammenhing über den Kopf gewachsen, und er hatte das Gefühl gehabt, dass es nicht das Schlechteste wäre, würde ihn jemand einfach umlegen. Aber in jenem Haus hatte er an diesem Tag wirklich wie im Delirium gehandelt und sich wahrer Todesgefahr ausgesetzt. Nun und das Ergebnis war, dass er das erste Mal hatte spüren können, dass er Angst vor dem Sterben hatte. Und zwar so große Angst, dass er weinen musste, so groß, dass er aus Verzweiflung auf Antonin gefeuert hatte, und so groß, dass ihm Antonin wie ein Engel, ein Schutzengel vorgekommen war, dem er vollkommen vertraute, sich von ihm hatte wieder aufrichten lassen, der ihm wieder Kraft gegeben hatte. Und das war auch schon der zweite Punkt, den er für sich begreifbar machen musste. Nämlich die Tatsache, dass Antonin ein Bestandteil in seinem Leben geworden ist. Nicht plötzlich, sondern schleichend, und zuletzt doch wie eine Explosion. Wann es begonnen hatte, dass er jenen an seiner Seite duldete, könnte er gar nicht mehr genau betiteln. Er wusste nur, dass ihm dessen Art, seine Hitzköpfigkeit, sein Selbstvertrauen und seine Entschlossenheit imponiert haben. Und letztlich war er auch fasziniert von dessen 'Arbeit' gewesen, als sie sich bei den Russen unbeliebt gemacht hatten. So fasziniert, dass es für ihn normal gewesen war, diesen mit in seine Welt zu nehmen - zumindest ein kleines Stück weit. Aber auch, wenn Cole mittlerweile wusste - und das hatte er dem anderen ja auch gesagt -, dass er Antonin bei sich haben wollte, so wusste er mittlerweile auch, dass jener ihm niemals über bestimmte Punkte hinaus nahe kommen durfte. Jener indirekte Kuss auf die Stirn und das Herz hatte ihn überrumpelt, hatte ihm vollkommen an Nähe gereicht – für den Rest seines bescheidenen Lebens. Klar ließ er Menschen an sich heran. Menschen, die er fickte und danach wieder vergaß. Aber Antonin war in dieser Situation auf einer Ebene an ihn herangetreten, die absolutes Sperrgebiet war, die niemand betreten durfte. Niemals. Und dies galt es jetzt zu besprechen. Er hielt vor dem Haus, in dem Antonin wohnte und zog sein Handy, um ihn anzurufen und ein "Komm runter", in das Handy zu sprechen, als jener dran ging. Wieder legte er auf, ohne abzuwarten, was der andere erwidern würde. Er war es so gewohnt. Er gab immer knappe Anweisungen. Dass er seine Leute dabei wie gut dressierte Hunde behandelte, das fiel Cole gar nicht auf. Er wartete bis Antonin eingestiegen war, nachdem er ihn schon auf dem Weg zum Wagen beobachtet hatte. Ruhig blickte er ihn an. "Schön, dich wieder zu sehen", erklärte er dann und seine Augen lächelten leicht, während er in gewohntem Maße relativ kühl wirkte. Die Fahrt dauerte nicht lange und endet schließlich an einem Parkplatz, der zu einem griechischen Restaurant gehörte. "Ich hoffe du hast ein wenig Hunger. Ich für meinen Teil kann Tiefkühlpizza nicht mehr ausstehen." Er lächelte matt. Mit diesen Worten betrat er die Taverne, setzte sich an einen Tisch am Fenster, von dem aus man das anschließende Meer gut sehen konnte. Und nun, da dies geschehen, spürte Cole mit einem Mal die Anspannung wieder, bezüglich dessen, was er los werden wollte. "Ich denke, wir sollten uns ein wenig unterhalten...", begann er zögerlich. "Ich weiß viele Dinge noch nicht über dich. Und gleichzeitig habe ich auch Fragen, die dich betreffen." Antonin Perplex starrte er auf sein Handy bevor er es schulterzuckend wieder einsteckte. War ihm auch recht, dann würde Cole ihn eben abholen. "Aber was wenn ich gar nicht zuhause gewesen wäre, Bossmann?", brummte er noch bevor er sich ins Schlafzimmer begab, um sich aus seinen gemütlichen Klamotten zu schälen und sich in etwas für die Öffentlichkeit Vorzeigbares zu werfen. Statt der Jeans gab‘s heute mal eine schwarze Stoffhose, weil es mit seiner Wunde so einfacher zum sitzen war und einen schlichten aber gut sitzenden beigen Pullover dazu. Er ging jetzt einfach mal davon aus, dass er seine Waffen heute nicht brauchen würde. Vermutlich utopisch, wenn man seine kleine aber feine Vergangenheit mit Cole bedachte, aber andererseits war dieser bestimmt auch noch angeschlagen und würde keine großen Sprünge machen. So steckte er sich nur seinen Geldbeutel sowie seinen Schlüsselbund ein und zupfte seine Haare noch mit Gel zurecht. Irgendwie wurden die gerade ein wenig zu lang, dagegen müsste er beizeiten einmal etwas tun. Als das Handy abermals klingelte fiel ihm auf, dass Frauen es mit Handtaschen viel einfacher hatten. Sollte er doch die Jacke auch mitnehmen? Kaum dass er rangegangen war wurde er auch schon sehr freundlich, rücksichtsvoll und zuvorkommend darum gebeten, nach unten zu kommen. Bei diesem Gedankengang verdrehte er die Augen und nahm sich eine seiner normalen Jacken vom Haken, wo er auch noch schnell seine Zigaretten mitsamt dem Handy verstaute und dann über die Treppen nach unten lief. Wo auch schon das altbekannte, bestimmt überteuerte aber superschicke Auto auf ihn wartete. Sein Omen - nach wie vor. Ob‘s allerdings noch ein böses war? Es blieb irgendwie spannend in seinem Leben. Relativ entspannt nahm er auf dem Beifahrersitz Platz und warf Cole eines seiner üblichen Lächeln zu. "Dito, auch wenn du mit deiner überschäumenden Freundlichkeit am Telefon keine Bonuspunkte sammelst", gab er zurück und wunderte sich selbst wie schnell er wieder zurück auf die Spur fand. Auf jene Spur, von der er so drastisch abgewichen, die aber so ungemein wichtig für seinen eigenen Seelenfrieden war. Und daher war er mehr als erleichtert, hier auch wieder jenen Mann sitzen zu sehen, für den er langsam aber sicher ein Gefühl entwickelte, wie er ihn zu händeln hatte. Auch wenn ihm die immer dahinschlummernde Unberechenbarkeit in jenen grünen Augen nach wie vor verunsichern würde, dessen war Antonin sich sicher. Aber alles war besser als blutige Tränenspuren und diese leeren Augen. Wirklich alles. Er grinste nur, zustimmend nickend auf Coles Bemerkung hin und folgte ihm in das Gebäude. Was er nach einem schnellen Rundumblick als durchaus tauglich einstufte. Vielleicht bekam er hier tatsächlich nicht den üblichen Fraß, sondern etwas das er sich auch selbst kochen würde. Die Zeit für fettige Pommes war schon eine Weile wieder rum. Zudem er mehr als stolz auf sich selbst war, trotz aller Geschehnisse nicht zum Alkohol gegriffen zu haben. Alpträume hin, Alpträume her. Gelassen zog er seine Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne, er war niemand, der solche Dinge unbeaufsichtigt an der Garderobe zurückließ, bevor er sich schließlich ebenfalls setzte und es sich gemütlich machte. Doch jene, ein wenig träge gemütliche Stimmung, die er in sich trug hielt nicht besonders lange an, denn Cole schien nicht vorzuhaben bis nach dem Essen zu warten. Schade eigentlich. Aufmerksamer für sein Gegenüber werdend maß er ihn mit einem langen Blick ab, bevor er seufzte und nickte. "Na schön, unterhalten wir uns", stimmte er zu. "Mit Fragen habe ich kein Problem, aber du wirst hinterher noch immer vieles nicht wissen. Ich bin kein Buch, das man je nach Laune auf einer bestimmten Seite aufschlagen kann, um seine Neugierde zu befriedigen. Ich verstehe und unterstütze Fragen die hierfür wichtig und nötig sind, aber ich verspreche nichts darüber hinaus ohne einen: 'Auge um Auge, Zahn um Zahn'-Deal" Immerhin war Cole hier nicht der einzige den mal ein paar Dinge interessieren würden.. Cole Seine kühlen grünen Augen erwiderten den Blick des anderen ruhig. "Gut", entgegnete Cole. "Kündige mir an, wenn es eine 'Auge um Auge - Zahn um Zahn'-Frage ist, dann kann ich mir immer noch überlegen, ob ich sie zurückziehe." Cole wandte den Blick von Antonin ab, als der Wirt an ihren Tisch trat. "Cole", begrüßte er den Halbiren. "Man, du hast dich ja rar gemacht in letzter Zeit." Ein typischer Grieche, der wirklich jedes Klischee erfüllte, angefangen von dem schwarzen Schnurrbart, über den südländischen Typ bis hin zu seinem untersetzten Bauch, blickte Cole strahlend an. Cole lächelte milde. "Christos", begrüßte er den Restaurantbesitzer. "Ich hatte viel zu tun, und viel nachzudenken." Er warf Antonin einen kurzen Blick zu. "Aber nun genieße ich es, wieder hier zu sein." Christos lachte. "Ich werde dich und deinen Freund verwöhnen." Er reichte jedem eine Karte. "Was darf ich euch zu trinken bringen?" Nachdem sie ihre Wünsche genannt hatten, wuselte Christos los, um die Wünsche zu erfüllen und es dauerte nicht lange - Cole hatte eben erst die Karte aufgeschlagen -, bis er zurück war, jedem sein Getränk zusammen mit einem Glas Ouzo hinstellte. "Wisst ihr schon, was ihr esst?" Cole blickte ihn ruhig an. "Gib uns noch 5 Minuten" Christos nickte und verschwand. Cole musterte kurz Antonin, dann erklärte er. "Ich weiß zwar nicht, was du gerne isst, aber ich kann dir ein paar Sachen empfehlen. Zum einen die überbackenen Auberginen. Das ist eigentlich eine Vorspeise, aber wenn man noch einen Salat, Zaziki oder ein Fladenbrot dazu nimmt wird man ausreichend satt, nun ja, ich zumindest. Und die überbackenen Hackfleischbällchen sind auch Klasse. Was auch unglaublich gut ist, ist das Lamm oder der Fisch als Hauptgerichte. Du kannst aber auch verschiedene Fleischspezialitäten zusammenmischen. Wenn du damit einverstanden wärst, könnten wir uns auch etwas teilen. Ich kann mich, wenn ich essen gehe nie entscheiden, weil ich so vieles gerne probieren möchte. Eine furchtbare Unart von mir." Er lächelte kurz. Nachdem sie bestellt hatten, blickte Cole kurz aus dem Fenster, auf das Meer, als müsste er sich noch einmal Kraft holen, um mit dem Thema fortzufahren, bei dem sie zuvor unterbrochen worden waren. "Ich habe ein wenig nachgedacht. Nein, eigentlich habe ich sehr viel nachgedacht. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich in dem Haus meiner Eltern tatsächlich das erste Mal in meinem Leben gespürt habe, dass ich leben möchte, dass ich nicht sterben will. Das ist eine Erfahrung, die mich ziemlich aus der Bahn geworfen hat, denn dieses Gefühl hatte ich bisher noch nie gehabt." Seine Augen wanderten wieder zu Antonin. Er hatte in der Woche, in der er auch das niedergebrannte Haus besichtigt hatte, viel darüber nachgedacht, wie er Antonin gegenübertreten wollte. Und er hat sich dazu entschlossen so ehrlich wie möglich und nötig zu sein. "Und du warst der, der mir das vor Augen geführt hat. Sicher nicht ganz taktvoll, aber ich bin nicht weniger taktvoll gewesen zu dir." Er lächelte unsicher. "Nun ja, letztlich hat das Ganze dazu geführt, dass wir nun offenbar in gewisser Weise miteinander verbunden sind. Und das ist ein Punkt, der mich unsicher macht. Ich habe noch niemals jemanden an meiner Seite gehabt, aber wenn ich dich recht verstanden habe, wird das nun auf uns zukommen. Daher ist meine erste Frage, was genau auf mich zukommen wird. Bist du auf Abruf, oder stets präsent? Bei ersterem wäre ich ganz zufrieden, wenn es so weiterginge, wie bisher. Und bei letzerem kann ich dir nicht versprechen, dass du es einfach mit mir haben wirst. Ich bin ein einsamer Wolf, und dieses Leben gefällt mir eigentlich ganz gut." Aufmerksam musterte er den anderen, während er nun zu seinem Bier, das er sich bestellt hatte, griff und trank. Antonin Er beobachtete den Umgang der beiden Männer mit mildem Interesse. Hauptsächlich, weil er immer ein gewisses Amüsement über so klischeehafte Menschen hegte und pflegte. Meistens meinte er das nicht einmal böse, aber er fand es einfach herrlich wenn man Personen sofort an der Nasenspitze ansah, woher sie kamen, oder was sie taten. Zudem es irgendwie in seinem Blut lag, andere zu beobachten. Die meiste Zeit bemerkte er es selbst nicht einmal, bis er sich gewisse Dinge wieder ins Gedächtnis zu rufen hatte. Vermutlich könnte er jetzt noch sagen an welche Stelle ihm Cole die Waffe an den Hals gehalten hatte. Ok, nicht nur vermutlich. Er konnte es. Er bestellte sich ein Wasser ohne Sprudel und lauschte dann aufmerksam den Vorschlägen und beschloss dann einfach großzügigerweise Cole bestellen zu lassen. Wenn auch mit dem Hinweis, dass es nichts vor Fett Triefendes für ihn sein sollte und dass es ihm auch recht wäre, wenn sie teilen würden. Antonin war kein großer Esser, dafür aber umso häufiger. Also genau die Art von Einstellung, die laut Gesundheitsfritzen korrekt war. Daran hielt er sich, bis Probleme im Labor oder mal wieder eine Schießerei anstanden. Denn dann ging sowieso wieder alles den Bach runter. Sich von diesen Gedanken lösend beobachtete er Cole dabei wie jener durchs Fenster blickte. Eigentlich hatte sein Bossmann ein recht markantes Profil. Es gab keine übermäßig weichzeichnenden Gesichtszüge, aber genau das machte es zu einem interessanten Gesicht. Sein Gegenüber war definitiv keiner dieser Stereotypen und hier sprach er nur vom Aussehen, denn dass diese Einschätzung vom Charakter her auch zutraf, wusste er ja schließlich bereits. Er griff nach seinem Glas und nahm einen Schluck bevor er nickte. "Es ist manchmal nicht leicht den Wert seines eigenen Lebens zu erkennen und meine eigene Erfahrung dazu war ziemlich ernüchternd. Ich denke die meisten Menschen könnten darauf verzichten. Trotzdem weiß ich nicht so ganz, ob ich jetzt damit unzufrieden sein soll, die Person zu sein die dir das vor Augen geführt hat. Ich denke in deinem Job ist es wichtig seinen eigenen Wert auf einer Skala einzuschätzen und danach zu handeln." Coles Lächeln war gerade unsicher, oder? ... oder?! Und das reichte um ihn selbst ein wenig unruhig zu werden. Natürlich war das eine Emotion die Meilen von jenem Abend entfernt war, aber sie war trotzdem vorhanden. Woraufhin Antonin gleich nochmal einen Schluck von dem Wasser nahm um sich mit irgendetwas anderem als Coles Gesicht beschäftigen zu können. Doch schließlich sah er wieder auf, ein wenig ernster geworden. Die Fragen die Cole nun stellte waren wichtig und da war es von Nöten seinen Standpunkt klar zu machen. Seine ganze Funktion klar zu stellen. "Verbunden trifft es ganz gut", fing er an und lehnte sich ein wenig in seinem Stuhl zurück. "Und zum Rest: das liegt offen gesagt ganz an dir, Cole. Du bist weder blind noch taub, daher brauchst du im Endeffekt auch niemanden, der ständig um dich herumtanzt und einen auf Glucke macht. Das ist dann auch nicht meine Aufgabe." Er hielt kurz inne und sah seinerseits ein wenig nachdenklich durchs Fenster hinaus aufs Meer. "Im Grunde hast du alle Zügel in der Hand und damit volle Befehlsgewalt. Wenn dein Leben davon abhängt, werde ich keinen einzigen davon in Frage stellen. Ansonsten... naja, das Ganze ist ein wenig schwer zu erklären…" Er wandte den Blick vom Meer ab, sah zu Cole und beobachtete diesen wie er sein Bier wieder abstellte. "Ich bin, obwohl ich mich solchen Befehlen nicht entziehen kann, keine hirn- oder gefühlslose Maschine. Wenn ich das Gefühl einer Bedrohung für mein Ziel habe, dann wird mich nichts davon abhalten können, nach Informationen zu graben und die Gefahrenquelle gegebenfalls auszuschalten. Streng genommen muss sich aber auch gar nichts an deinem Leben ändern, schließlich bin ich keine Krankenschwester, die einem ständig mit einem Blutdruckgerät hinterher rennt. Ich bin mehr so eine Art stille Lebensversicherung, deren Aufgabe ich mich selbst nicht entziehen kann." Er zuckte mit den Schultern und sah dem Kerl entgegen, der da wohl gerade ihr Essen brachte. Cole Schweigend lauschte er den Worten des anderen und hin und wieder nickte er nachdenklich. Seine Augen musterten Antonin aufmerksam. Was dieser wohl schon alles in seinem Leben gesehen und erlebt hatte? Aber diese Frage war sicher eine derer, auf die er selbst mit Informationen zum selben Thema herausrücken würde müssen. Und das war für Cole Tabu-Zone. Seine Vergangenheit war vergangen. Auch wenn sie ihn immer wieder einholte, aber das, was er Antonin bereits gesagt hatte, musste reichen. Erst, wenn es notwendig werden würde, würde er mehr sagen – wenn überhaupt. Das, was ihm Antonin mitteilte, beruhigte ihn sehr. Er hasste es, wenn man ihn bevormundete, wenn man die 'Glucke' machte - wie Antonin es so treffend formulierte. Er konnte es nicht ertragen, wenn ihm jemand zu nahe kam, genauso wenig, wie er es leiden konnte, wenn jemand ihn kontrollierte, seine Bewegungen verfolgte, ihn im Auge behielt. Es gab einen Menschen, der das tat und gegen den er sich nicht zur Wehr setzen konnte – aber mehr durften es in keinem Fall sein. Allerdings bereitete ihn die Aussage, dass er volle Befehlsgewalt haben würde, Unbehagen. Deshalb, weil er es stets vermied, seine Leute in gefährliche Situationen zu bringen. Klar, er wusste, dass sein ganzes Milieu eine einzige Gefahr darstellte, aber man musste seinen Mitarbeitern nicht in unnötige Risiken verwickeln. Und Cole hatte ein Gespür für Gefahr, der er sich nur zu gerne selbst aussetzte, um seine eigenen Leute zu schützen. Und er genoss diesen Nervenkitzel normalerweise bis zu einer gewissen Stelle. Aber im Moment wusste er nicht, ob das in Zukunft auch weiterhin so sein würde. Das würde abzuwarten sein. Eine stille Lebensversicherung - die aber auf Kosten eines anderen Lebens gehen konnte. Und da war der Punkt, der ihn am meisten bei dieser ganzen Geschichte störte. Was war mit Antonin? Was war mit seinem Leben? Was war mit seiner Sicherheit? Er sagte er sei keine willenlose gefühllose Maschine, aber dennoch würde er für ihn in die Presche springen, wenn es darauf ankam. Eine schwierige Situation... Und eines war Cole klar. Er wollte eigentlich alles, nur Antonin nicht gefährden. Als er ihn bei den Russen in Gefahr gebracht hatte, hatte ihn schon sein schlechtes Gewissen geplagt. Cole blickte auf, als vor ihnen verschiedene kleine Teller abgestellt wurden, die verschiedenste Leckereien bereithielten. "Also", begann er Antonin zu erklären. "die Auberginen sind fantastisch, Zaziki und Schafkäse kennst du sicher, Krautsalat, Hähnchenspieße und das sind die Hackfleischbällchen. Dazu Salat und Pita." Zufrieden nickte er. Cole war kein großer Esser. Meistens hatte er nicht einmal Appetit. Ragnar bezeichnete ihn als unterernährt und als Hungerhaken, an dem nichts dran war. Aber sein Leben, so hatte er für sich analysiert, ließ ihn nur dann Hunger haben, wenn es ihm potentiell gut ging, wenn er entspannt war oder wenn er längere Zeit Ruhe hatte, so wie heute. Wenn er viel zu tun hatte, aß er oft am Tag nur einmal und manchmal auch nur irgendwelchen Scheißdreck. "Lass es dir schmecken." Cole nahm sich etwas von dem Brot und aß einen Bissen. "Ich bin froh, dass du das alles sagst", fuhr er dann ihr Gespräch fort. "Ich mag es nicht, wenn man mir zu nahe kommt. Ich mag es nicht, wenn man mich kontrolliert und mir auf Schritt und Tritt hinterherrennt. Ragnar nervt mich da teilweise schon. Aber er weiß meistens, wann er stehen bleiben muss." Erneut nahm er einen Bissen, blickte kurz aus dem Fenster. An dieser Stelle wäre es unklug zu erwähnen, dass schon einige versucht hatten, ihm zu nahe zu kommen. Und diese Personen lebten entweder nicht mehr oder waren zwangsversetzt worden. "Deshalb wäre ich eigentlich ganz glücklich damit, wenn wir einfach so weiter machen, wie bisher. Und wenn ich das Gefühl habe, dass ich deine Hilfe brauchen könnte, versuche ich dich darüber in Kenntnis zu setzen. Aber da du ja ohnehin nun mehr mit Ragnar wieder zu tun haben wirst, wenn du gesund bist, werden wir uns denke ich öfters sehen." Erneut suchten seine Augen die des anderen. "Eine Sache würde mich noch interessieren. Ich möchte wissen, was deine Sicherheiten sind. Du sagst, du bist meine stille Lebensversicherung, aber wer ist die deine?" Antonin Antonin wandte seinen prüfenden Blick von Cole auf das vor ihnen stehende Essen und folgte den Erklärungen. Das meiste erkannte er, schließlich war er ja nicht im Hinterhof eines McDonalds aufgewachsen, aber er würde Cole die kleine Freude lassen und nickte nur als jener geendet hatte. Dann nahm er sich seinen leeren Teller und füllte ihn zielgerecht mit Salat, ein paar Auberginen und einem von den Hähnchenspießen. Erstmal probieren und danach könnte er sich ja gegebenfalls immernoch nachnehmen. "Danke, du dir auch", erwiderte er den Wunsch des anderen und pickte sich probeweise ein paar Salatblätter auf die Gabel um gleich darauf genüsslich darauf herum zu kauen. An solchen Dingen ließ es sich meist recht gut sagen, ob ein Restaurant mit frischen Waren arbeitete oder nicht, und Cole schien ihn in ein gutes mitgenommen zu haben. Tatsächlich war der Salat sogar vorzüglich und so griff er ersteinmal eine Weile herzhaft zu, bevor er eine Pause einlegte und über das Gehörte nachdachte. "Kein Problem", erwiderte er schließlich. "Für mich ändert sich eigentlich sowieso nur, dass ich es jetzt offen akzeptiert und weniger zögerlich zu reagieren habe. Und du kannst weiterhin tun, was du eben so tust - nur mit der Gewissheit, dass ich dich KO schlagen und ganz unsexuell ins nächste Bett zerren werde, wenn ich dich noch einmal in einem solchen Zustand erwische." Bei jenen Worten sah er Cole nicht an, sondern säbelte an seinem Hühnerspieß herum, um das Fleisch herunter zu bekommen. Besser er sah dem anderen jetzt nicht in die Augen, denn für ihn änderte sich damit eigentlich jede Menge. Aber was Cole nicht wusste, machte Cole auch nicht wütend oder unsicher. So wie Antonin ihn einschätzte würde jener ihm sowieso nur zähneknirschend das absolute Minimum zugestehen und das inzwischen auch nur noch aus Schuldgefühlen heraus oder weil er gerade nichts Besseres mit der Situation anzufangen wusste. Aber mit einem solchen Minimum ließ sich nunmal nicht arbeiten und somit würde er wohl zu ein paar der eher trickreicheren Methoden greifen müssen. Und wenn Antonin irgendetwas war, dann war das trickreich. Genau genommen war er ein fulltime Schauspieler, der nur in diesem Krankenzimmer für einige Minuten aus allen Rollen herausgeschlüpft war. Und nicht einmal das freiwillig, sondern weil Cole ihn weit genug in die Ecke gedrängt hatte, um zuschlagen zu wollen. Endlich das Fleisch nicht mehr am Spieß sondern auf seiner Gabel wiederfindend blickte er auf, genau in Coles dunkle Augen, die da so prüfend auf ihm lagen. Am liebsten hätte er aus reiner Unsicherheit gefragt, ob er denn ein Foto von ihm wollte, aber das verkniff er sich lieber. Auf so etwas würde der andere Mann anspringen wie eine Schlange die Maus. Aber nicht, weil es als Anmache interpretiert werden würde, sondern weil er Cole zutraute, zielgenau hinter diese Worte zu sehen. Phu… am liebsten hätte er mal tief geseufzt. Das ganze würde Kraft kosten, soviel war jetzt schon sicher. "Meine Sicherheiten?", das brachte ihn nun wirklich zum Lachen und so legte er die Gabel mit dem Fleischstück wieder auf den Teller und blinzelte ein paar Mal bevor nur noch ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen zurück blieb. "Das erheitert mich jetzt wirklich", gab er zu und griff nach seinem Glas, um einen Schluck zu trinken. "Denn ich habe das einen meiner ersten Ausbilder auch gefragt. Seine Antwort bestand darin mir den Kinnhaken meines Lebens zu verpassen und zu erwidern, dass es 'sicher' gewesen wäre dem Schlag auszuweichen", er zuckte mit den Schultern und kam dann endlich dazu von dem Fleisch zu probieren, das er sogleich auch als fantastisch einstufte. "Aber worauf du wahrscheinlich hinaus willst, ist warum es so Leute wie mich überhaupt gibt, wenn wir ohne Sicherheiten arbeiten, richtig?", hinterfragte er schließlich mit ruhiger Stimme, auch wenn etwas in seinen Augen kurz flackerte. "Die Wahrheit ist, dass Leute mit meiner Ausbildung im Grunde genommen unbezahlbar sind. Das liegt zum einen an der Art und eben jenen nicht vorhandenen Sicherheiten und zum anderen an der Ausbildung an sich. Wo wir auch schon bei der nächsten Wahrheit wären", er breitete die Hände ein wenig aus, ganz so als wollte er etwas präsentieren. "Tada! Antonin Marakow ist im Grund ein Fehlschlag wie er im Buche steht. Ich habe mich ab einem bestimmten Punkt geweigert andere bestimmte Dinge zu tun und habe dafür eine ganz eindrückliche Strafe erhalten und ein dickes Failture in meinem 'Lebenslauf' stehen. Daher gab es kein Geld für mich - nicht dass ich das jemals gewollt hätte - und mein Käufer und damit erstes und einziges Ziel hat mich auch sehr schnell und ebenfalls sehr eindrücklich aus meinen Diensten entlassen", er stockte und spießte das nächste Salatblatt mit mehr Nachdruck als nötig von seinem Teller auf. "Soviel zur Geschichtsstunde." Cole Cole nahm sich nun da Antonin sprach selbst auch etwas zu Essen auf seinen Teller. Doch er musste bald aufsehen und den anderen kritisch mustern, als dieser davon sprach ihn KO schlagen zu müssen. Weshalb betonte jener es, dass es eine unsexuelle Bettzerrerei wäre? Und warum konnte er ihn dabei nicht ansehen? Ein Schmunzeln legte sich auf seine Lippen und in seinen Augen klomm ein triumphierender Funke auf. Aber er erwiderte erst einmal nichts. Er mochte kleine Details, die er provokant ausspielen konnte. Und so aß er einen Bissen von den Auberginen, nahm sich noch ein wenig Schafkäse dazu. Er mochte griechisches Essen, auch wenn es sehr fleischlastig war. Aber er würde nicht viel essen können. Letztlich lag ihm das Vergangene immer noch im Magen. Zumindest würde er von allem, was er gerne mochte, ein wenig probieren. Ebenso schweigend registrierte er die Ausführungen Antonins hinsichtlich dessen Sicherheiten. Also würde jener jedes Mal sein Leben für ihn riskieren, ohne dass jemand ihn schützte. Nun, außer ihm selbst natürlich. Kein schöner Gedanke, ein sogar überhaupt nicht schöner Gedanke, wenn man bedachte, dass genau das etwas war, was Cole absolut nicht mochte, überhaupt gar nicht mochte. Cole blickte von seinem Essen auf und sein Gegenüber an. Auch wenn er es dem anderen nicht sagen würde, aber sicherlich würde er ihn unter diesen Umständen niemals mit in wirklich gefährliche Situationen nehmen, auch wenn jener sich auf den Kopf stellen und mit dem Knie wackeln würde. Niemals. Dann würde er wohl Antonin KO schlagen müssen und ganz ‚unsexuell‘ ins Bett zerren müssen, bevor dieser es mit ihm tun würde. Ein amüsanter Gedanke. Doch dann verdunkelten sich Coles Augen, als er Antonins 'Geschichtsstunde' vernahm. Er war bestraft worden, weil er sich geweigert hatte, etwas zu tun. Nun zum einen war interessant, welchen Punkt jener nicht hatte überschreiten wollen, zum anderen, welche Strafe... Cole blickte kurz auf die Arme des anderen, die wie ihm nun bewusst wurde, immer verdeckt gewesen waren und sind. Und daher hatte Antonin sicher auch die Jacke nicht ausgezogen, als sie gemeinsam im Club gewesen waren. Langsam aber sicher wurde das Bild deutlicher und deutlicher, nahm Konturen an. Und dass er ihn doch richtig durchschaut hatte, was das Verstecken, das Fliehen vor sich selbst betraf, nahm er für sich wahr, würde es dem anderen aber sicher nicht mehr so schnell unter die Nase reiben. Die Diskussion war sehr hart gewesen, so hart, dass Cole noch immer innerlich daran zu knabbern hatte, was man ihm sicher niemals ansehen würde, aber es war so. Und auf so eine Diskussion würde er sich nie wieder einlassen wollen. Dieses Krankenzimmer lag hinter ihm als auch ein Stück Vergangenheit. So wie er es mit vielem machte, was ihn jemals wirklich belastet hat. Hoffend, dass es nicht wieder zurückkehrte. "Nun, dann muss ich mir weniger Sorgen machen, denn ich werde dich niemals dazu zwingen eine Grenze zu überschreiten, die du nicht überschreiten möchtest", erklärte er nachdenklich. "Und ich muss sagen, dass ich das sehr beruhigend finde." Er schwieg kurz, beobachtete, wie jener von den erzählten Dingen offensichtlich leicht wütend geworden war. "Ich halte dich in keinster Weise für einen Fehlschlag. Und ich bin froh, dass du keine hirn- und gefühllose Maschine bist. Das gibt mir die Sicherheit, dass du dein Leben nicht sinnlos in Gefahr gibst, denn das ist das letzte, was ich möchte. Du darfst gerne ein wenig auf mich aufpassen, aber wenn es zu heiß wird, hältst du dich raus." Eindringlich sah er den anderen an und sein Tonfall ließ durchscheinen, dass er sich darüber nicht streiten würde. Auch wenn Antonin ihm angedroht hatte, dass er ihn in solchen Situationen nie wieder erleben wollte. Es gehörte zu seinem Leben. Er würde nie seine Ruhe haben, nie Sicherheit, niemals frei sein. "Da ich möchte, dass du dich vor allem auf deine Arbeit als Chemiker konzentrierst, wirst du auch keine Lücke mehr in deinem Lebenslauf haben, Herr Doktor. Und was die Bezahlung betrifft. Möchtest du pro Einsatz Geld, oder möchtest du einfach nur die Mittel bekommen, deinen Traum vom eigenen Labor zu verwirklichen?" Fragend sah er den anderen an, bevor er sich entschloss weiterzuessen, damit es nicht kalt wurde. Er würde Antonin bezahlen, wenn dieser es wünschte. Komisch an dem Gedanken war nur, dass er ihn dann wirklich wie einen Angestellten behandeln würde, wie jemand, der für ihn arbeitete, aber eine Arbeit, die ihn eigentlich mit Unwohlsein erfüllte. Ihm wäre es also viel lieber, wenn er Antonin in der Erfüllung seiner Träume unterstützen könnte. Hm.. ein seltsamer Gedanke, jemandem einen Wunsch zu erfüllen. Gut, es war eine geschäftliche Forderung gewesen, die er ohnehin akzeptiert hatte, und das Geld war nach dem Waffendeal ohnehin kein Problem mehr, aber dennoch war es das erste Mal, dass er jemandem eine Wahl ließ, und es war das erste Mal, dass er bereit war, jemandem einen Wunsch zu erfüllen. "Wie geht es eigentlich deiner 'Verletzung'?", fragte er und deutete damit an, dass er das Thema wechseln wollte. Eigentlich hatten sie doch nun alles Wichtige besprochen. Anonin Damit sprach Cole genau das aus, was Antonin befürchtet hatte. Er hätte sich rauszuhalten? Entweder hatte jener es immer noch nicht begriffen oder er wollte sich dem ganzen nicht stellen. "Cole, mach dir einfach nicht so viele Gedanken und lass uns weitermachen wie bisher", brummte er schließlich ohne darauf einzugehen, dass der andere offensichtlich froh darüber war, dass Antonin nicht alle Grenzen überschreiten würde. Auch dazu dass jener ihn für keinen Fehlschlag hielt, würde er nichts erwidern. Er hatte das nicht erwähnt, um irgendwelche unwahre Lobeshymnen zu erhalten, sondern um diesen 'Beruf' ein klein wenig näher zu erklären. "Wenn du jemanden brauchst, der bei ein wenig Schusswechsel nicht den Kopf verliert, ruf mich an. Das kann doch so schwer nicht sein. Vor allem da ich keineswegs lebensmüde bin und bestimmt nicht vorhabe, so schnell ins Gras zu beißen. Ich habe das Ganze nur einmal deutlich machen wollen, wie es sein könnte, ok? Kein Grund jetzt zu meiner Glucke zu mutieren.." Doch als Cole das mit dem Chemiker erwähnte huschte ein ehrliches Lächeln über sein Gesicht und erhellte es damit kurzzeitig ein ganzes Stück. "Tatsächlich habe ich in diesem Lebenslauf alles andere als Fehlschläge aufzuweisen. Und es heißt Professor", zog er den anderen ein wenig auf. Natürlich war da in Russland auch gedreht worden, er war viel zu jung für so einen Titel, aber angeblich war er so eine Art Wunderknabe, der diesen Titel früher verdient hatte. Stimmte nicht, aber früher oder später hätte er ihn auch so gemacht, also befand Antonin das als nicht so tragisch und auch nicht wirklich gelogen. "Geld für Einsätze?", echote er dann mit ein wenig Unglauben in der Stimme. Was sich gleich darauf auch von einem Blinzeln zum nächsten in zornig verengten Augen niederschlug. "Wage es nicht, Cole!", zischte er erbost. "Darüber wird es keine Diskussion irgendeiner Art geben. Mein Labor finanziert sich durch CI-4 und dabei bleibt es auch." Doch wie so viele Male zuvor verzog sich auch jene Gewitterwolke über seinem Kopf sehr schnell und er ging breitwillig auf die Frage nach seiner Verletzung ein: "Naja, es wird wohl eine weitere Narbe zurückbleiben aber mein Doc meinte es war gute Erstversorgung und ich bin bald wieder fit. Was bedeutet, dass ich bald wieder arbeiten gehe, und Ragnar damit endlich wieder aus meinem Nacken raus habe. Und wie sieht‘s bei dir aus? Hast du noch Schmerzen?", hinterfragte er bevor er seinen inzwischen leeren Teller beiseite schob und sich zufrieden mit seinem Sättigungsgefühl entspannt im Stuhl zurücklehnte. Tatsächlich ging es ihm wieder so gut, dass er sogar beschließen könnte heute auch einmal wieder nach ein wenig Sex Ausschau zu halten. Seine eigene Glucke, Namens Nicholas und dessen Frau hatten ihn vor ein paar Tagen daran erinnert, was er wohl nie haben würde. Also wäre es an der Zeit sich dafür etwas zu holen, das er sehr wohl haben könnte, right? Cole Cole nickte zu der Aussage, dass sie weitermachen sollten wie bisher. Ja, das war das Beste. Damit würden wohl alle zufrieden sein. Er aß noch ein paar Bissen von dem Fleisch, das er sich mittlerweile auf den Teller gelegt hatte, und hob dann ungläubig aber doch auch anerkennend die Augenbrauen, als Antonin ihn darüber aufklärte, dass er einen Professorentitel hatte. War jener nicht etwas jung dafür? Ein wenig war er neidisch. Nun ja, etwas in der Art. Die Woche, in der er nun zu Hause geblieben war, hatte ihn in seinem Studium weitergebracht. Dennoch war noch Einiges zu tun, bevor er sich zur Abschlussprüfung anmelden würde. Aber selbst wenn er irgendwann fertig wäre, letztlich würde er niemals diesen Beruf ausüben können. Der Abschluss lief auf einen fremden Namen, niemals würde man mit seinem Register bei der Polizei ihn als Referendar nehmen. Und noch etwas unterschied sie grundlegend: Antonin hatte einen Lebenslauf, den er vorzeigen konnte. Und was hatte Cole? 'Besondere Fähigkeiten: Ich habe schon mehr Menschen getötet, als ich zählen kann; Ich kann hören, ob eine Kugel im Revolver drin ist oder nicht...‘ Er seufzte innerlich bei dem Gedanken. Er würde niemals auch ein 'normales' Leben haben. Damit musste er sich abfinden. "Nun ja, wenigstens kannst du einen Lebenslauf vorweisen. Aber du bist ein alter Sack, wie mir scheint", bemerkte Cole trocken. "Professor klingt alt, aber offenbar hast du dich ganz gut gehalten oder die richtigen Medikamente und Operationen. Ein Glück, dass ich auf natürliche Art jung geblieben bin." Er grinste den anderen kurz an. Blickte dann aber in strafende Augen, denen er mit Kühle begegnete. Nun, wenn der andere so viel Stolz hatte, dass er sich nur über seine Arbeit als Chemiker finanzieren wollte, dann konnte ihm das nur recht sein. Das würde ihm einige Kosten ersparen. Es war faszinierend, wie Antonin zwischen Sonnenschein und Regenwetter hin und her schwenken konnte. Ob er wohl im April Geburtstag hatte? Bei jenem hatte man wirklich das Gefühl, dass seine Emotionen zum einen teilweise recht offen in seinem Gesicht standen, zum anderen, dass sie sich binnen weniger Sekunde einmal komplett umdrehen konnten. Aber gut, das machte es ihm teilweise leichter, zu sehen, mit wem er es zu tun hatte. Allerdings ahnte Cole, dass vieles von dem was Antonin so scheinbar auffällig mit sich herumtrug nur eine große Maskerade war. Eine Maskerade, die notwendig war aufgrund der Ereignisse, und die er geschafft hatte herunterzureißen, als sie in jenem Krankenzimmer waren. Wieder ein Detail im Puzzle. "Es passt", antwortete er auf die Frage, wie es ihm mit seiner Verletzung ginge. Und das tat es ja auch. Es ging - einigermaßen. "Ich fange morgen wieder an. Da sind grad ein paar unschöne Dinge passiert. Mal sehen, was das wird." Er schob seinen Teller, auf dem die Hälfte dessen, was er sich draufgeladen hatte, noch lag. Er hatte keinen Hunger mehr, besonders nicht, wenn er daran dachte, was nun auf ihn warten würde. Die Tage, in denen er zu Hause gewesen war, fehlten offensichtlich deutlich. Nun würde er einiges wieder geraderücken müssen. Außerdem stand bald der nächste Waffendeal an. Die Kunden waren sehr zufrieden gewesen, während er und Antonin sich in seinem Elternhaus vergnügt hatten. Wie als ob seine Gedanken bestätigt werden sollten, klingelte sein Handy. Cole ging ohne Umschweife mit einem "Hm" ran und hörte Ragnar zu, der am Ende der Leitung war. Dann nickte er zu einem "In Ordnung" und legte wieder auf. Cole blickte kurz nachdenklich auf sein Handy, dann sah er wieder Antonin an. "Da gibt es einen Typ, der Reihenweise die kleinen Dealer abwirbt und ihnen Koks etc. gibt, damit sie es verticken können. Und wenn die Dealer etwas tun, was ihm nicht gefällt, zum Beispiel das Zeug strecken, dann knallt er sie ab. Die meisten Dealer, die strecken sind eigentlich immer arme Schlucker, die aus der Not heraus das Zeug panschen. Sie erhoffen sich damit, mehr Gewinn zu machen. Sie machen das, weil sie sonst zu wenig verdienen. Oder weil sie etwas von dem guten Stoff zurückhalten wollen, um damit auch letztlich wieder Geld herauszuschlagen. Aber deswegen muss man sie doch eigentlich nicht abknallen und seine gesamte Familie mit dazu." Cole seufzte. Man konnte fast davon ausgehen, dass es sich um einen Irren handelte, der wahrscheinlich selbst zu viel konsumierte. "Und nun hat er einen ehemaligen Dealer von uns zusammen mit seiner Nutte und zwei Kindern auf dem Gewissen. Und auch wenn er in letzter Zeit häufiger aufgetreten ist, so weiß doch niemand, wer das ist. Es kennt ihn niemand." Cole zuckte mit den Schultern. "Aber eigentlich sollte ich mich wirklich erst morgen wieder damit beschäftigen." Antonin Antonin blickte skeptisch auf Coles Teller. Waren gerade 'Iss die Hälfte'-Wochen bei dem, oder wie? Überhaupt, jetzt wo er so zurückdachte war ihm Cole auch nicht wirklich schwer vorgekommen als er ihn hochgewuchtet hatte. Selbst mit seiner eigenen Wunde nicht. Ein wenig unwillig runzelte er die Stirn und dachte nach. Würde er dem anderen jetzt sagen, dass er mehr essen sollte, käme das ziemlich schlecht. Er selbst wäre auch angepisst wenn sich jemand ungefragt über seine Essgewohnheiten auslassen würde. Also musste man das Ganze ein wenig besser verpacken. Antonin war schon bewusst, dass diese Art der Sorge nichts mit ihrem Deal zu tun hatte, sondern eher damit, dass er sich ehrliche Gedanken um Cole machte. Hin und wieder. Wenn er es gerade zuließ. Doch so hob er schließlich ein wenig herausfordernd den Blick von dessen Teller bis hoch zu den so kühlen grünen Augen. "Auf natürliche Weise jung gehalten, ja?", begann er ein wenig spielerisch, noch auf der Suche nach dem richtigen Tonfall für seine nächsten Worte. "Wenn du dich nur auch auf natürliche Weise so anziehend gehalten hättest…" Er hob die Hand, in der er die Gabel hatte und deutete damit über den Tisch. "Du hast mich mal irgendwas mit geheimnisvollen, mysteriösen Typen genannt, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, und ich hab ne Weile überlegt was man in dir sehen könnte. Tatsächlich vergleiche ich dich in Gedanken eigentlich hin und wieder mit unberechenbaren Raubkatzen. Schätze dafür sind deine Augen mit verantwortlich." Er zuckte mit den Schultern als ob es eigentlich gar nicht wichtig wäre, was er da von sich gab. "Aber dieser interessante Hauch von 'Gefahr' wird ein wenig durch dein Gewicht gemindert. Wenn du dir mal ein paar Kilos angefuttert hast, schleppe ich dich gern wieder in so eine Bar und dann wette ich mal was für Sprüche und Anmachen dann kommen." Antonin klopfte sich innerlich auf die Schulter. Es war eher unwahrscheinlich, dass Cole sich jetzt wirklich angegriffen fühlen würde. Wahrscheinlicher war es, dass der jetzt dachte er würde sich selbst für ihn interessieren. Was er ja auch tat. Wenn auch nur auf andere Art und Weise. Aber lieber ein kleines Missverständnis, bei dem er seine Sorge gut versteckt anbringen konnte, als die Wahrheit, um dann wieder jenes unheilvolle Aufblitzen in den grünen Augen zu erkennen. Dann nickte er nur auf die Informationen die Cole zu seiner Wunde rausgab. Wenn der sagte, es passe, dann würde es wohl auch passen. Niemand, der ganz bei Sinnen wäre, würde sich mit wirklich Schmerzen wieder auf den Stuhl des anderen setzen. Andererseits... war jener wirklich immer bei Sinnen? Prüfend glitt sein Blick über Cole, doch natürlich befand sich da kein kleines Schild das Informationen über das Seelenleben des anderen preisgab. Und überhaupt... Er hatte nicht den Hauch einer einzigen Information bekommen, die er für den Schutz des anderen gebrauchen konnte. Außer dass Cole nicht bereit war Antonins Leben zu gefährden natürlich. Was für ein zäher, verschlossener Kerl. Und Antonin hatte sich für einen Panzerschrank an verschlossenen Emotionen und Geheimnisse gehalten. Na, da war Cole dann wohl der dazu passende Atombunker. Aus jenen Gedanken wurde er erst durch das Telefonklingeln gerissen und verfolgte das Mienenspiel des anderen neugierig. Zumindest bis jener ihm die Informationen zu einem irren Serienmörder gab. Er seufzte dazu erstmal nur tief. "Es gibt schon kaputte Typen, wirklich", murmelte er schließlich. "Ich meine, wenn man sich angepisst fühlt und einen ausradiert bin ich der letzte, den das interessiert. Jeder ist sich selbst der nächste. Aber was es so einem Irren bringt die Familie dazu auszulöschen... Sowas geht mir wirklich nicht in den Kopf." Er stockte kurz und dachte nach. "Oder es geht mir doch in den Kopf…", brummte er schließlich ein wenig zwigespalten." Allerdings nur, wenn davor die Familie des Täters ebenfalls angegriffen worden wäre. Dann gäb‘s da auch kein Erbarmen und kein Unterscheiden zwischen schuldig und unschuldig. Wer meiner Familie weh tut, der hat selbst bald keine mehr." Er griff nach seinem Wasser und trank die letzten Schlucke langsam aus. "Und ja, du solltest dich wirklich erst morgen damit beschäftigen. Einen Tag hin oder her wird die Suppe nicht noch dicker machen", beschloss er und schielte ein wenig sehnsuchsvoll zum Aschenbecher. Aber noch bestand ja die Möglichkeit, dass Cole doch noch etwas mehr Nahrung zu sich nehmen würde. "Ich selbst habe für mich beschlossen heute noch wegzugehen. Allerdings bin ich mir noch nicht ganz schlüssig wohin und aus welchen Gründen." Wollte er einfach nur ein wenig den Kopf frei bekommen oder war ihm wirklich nach einer schnellen Nummer? Schwierig, schwierig. Cole Coles Augenbrauen rutschten nach oben, als er die Ansprache des anderen hörte, die offensichtlich darauf hinauslaufen sollte, dass er zu dünn war, um attraktiv zu sein. Ein fast schon herablassendes Lächeln erschien auf seinen Lippen. "Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass du mir weißmachen kannst, ich sei nicht attraktiv, nur weil ich ein paar Kilos weniger habe." Er lachte leicht. "Erstens wer schleppt hier wen? Wenn ich dich erinnern darf, mein Lieber, habe ich dich geschleppt, nicht umgekehrt. Und zweitens kannst du mir glauben, es hat sich absolut noch niemand darüber beschwert, wie ich aussehe, geschweige denn, dass ich zu dünn bin." Die Bemerkung mit der Raubkatze ließ er bewusst unter den Tisch fallen. Ein interessanter Vergleich, besonders wenn er ganz ähnliche Gedanken bei Antonin hatte. Zumindest anfangs. Neuerdings war er noch nicht sicher, womit er Antonin vergleichen konnte. Durch diese zwei Seiten, war der Vergleich hinfällig geworden. Seine Augen musterten Antonin gelassen. Jener schien sich ja ganz schön mit seinem Körper zu beschäftigen. Erst bemerkte er seinen Knackarsch, dann legte er Wert darauf, ihn unsexuell ins Bett zu ziehen, und nun drückte er ihm rein, dass er ein Hungerhaken war. Unwillig griff Cole zu seiner Gabel und stocherte im Essen herum, bevor er noch einen Bissen aß. "Und drittens würdest du dich wundern, was mir die Typen so alles zuflüstern, wenn ich irgendwo auftauche. Geschweige denn, dass ich 'erfolglos' von der Jagd zurückgekommen wäre." Seine Augen funkelten den anderen an. So was... tztztz. Cole wusste, dass er vom Typ her allem entsprach, was in der Szene als 'höchst begehrenswert' galt. Nichts und niemand würde ihn jemals von der Bettkante weisen... Aber offenbar hatte Antonin ein Problem mit seiner Figur. Aber was ging ihn das an? Er aß einen Bissen. Sollte er selbst doch mehr essen. Gut, er musste zugeben, dass Antonin wirklich gut gegessen hatte. Aber es ging ihn doch verdammt nochmal gar nichts an, wie viel Cole aß. Mürrisch schob er den Teller wieder weg. "Ich habe keinen Hunger mehr." Fast ein wenig zu patzig kamen seine Worte heraus. Fast hätte Antonin ihn soweit gehabt, dass er mehr aß, aber eben nur fast. Vielmehr lauschte er nun den Ausführungen des anderen hinsichtlich der Familie. Seine Miene verhärtete sich von einer Sekunde auf die andere. Der eben noch trotzige Ausdruck war sofort verschwunden und einem dunklen Grün gewichen. "Es gibt niemals einen Grund dafür, eine Familie auszulöschen. Niemals", knurrte er. "Weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Und wenn sich jemand auf dieses Niveau hinab begibt, heißt das noch lange nicht, dass man selbst auch so handeln muss. Das ist absoluter Bullshit." Ein Glück, dass er nicht noch mehr gegessen hatte. Sein Magen verkrampfte sich. Kein gutes Thema, absolut kein gutes Thema. Die Aussage, dass er sich erst am nächsten Tag wieder in die Arbeit stürzen sollte, überhörte er in Gedanken. Der 'Irre', wenn man bei diesem Wort bleiben wollte, hatte etwas an sich, das Cole abstieß. Er war sich nicht schlüssig darüber, ob er Nachforschungen anstellen würde, aber letztlich wusste er schon jetzt, dass er es eben aus dem Grund, dass er Familien auslöschte, tun würde. Vielleicht würde er doch irgendwann... Nein, das war vorbei. Ein Stück Vergangenheit. "Hm?", er blickte auf, als er die letzte Bemerkung Antonins hörte. Er hatte sich wieder unter Kontrolle, blickte gleichgültig. "Du meinst, ob du nur abzappeln willst, oder ob du nen Fick brauchst? Und dann muss sich deiner einer ja auch noch entscheiden, welche Art von Fick." Er hob die Augenbrauen. Zumindest bei der einen Art, kann ich dir einige gute Clubs nennen. Wenn du dir beides offen halten möchtest, könnte ich dir auch etwas empfehlen." Kurz überlegte er, ob er auch weggehen wollte. Eigentlich hatte er geggen einen Fick nie etwas einzuwenden, aber im Moment fühlte er sich irgendwie nicht ganz danach. Andererseits war er momentan entspannt genug, dass er ruhig mal wieder etwas Intensiveres gebrauchen könnte... "Weggehen ist vielleicht keine schlechte Idee", überlegte er halblaut. "Ich könnte dich also auch mitnehmen, wenn du möchtest." Antonin Anontin hatte Mühe sich seine Gereiztheit mit sich selbst nicht anmerken zu lassen. Das kam dann wohl davon wenn man sich selbst für so überaus gewieft hielt: Ein sowas von übler Schuss in den Ofen. Am liebsten würde er jetzt vor sich hinknurren und unwillig mit den Fingern auf dem Tisch herumtrommeln, aber das war dann wohl auch kein guter Stil und so hob er einfach nur geschlagen die Hände. "Schon gut, schon gut", er verdrehte die Augen. "Demnächst sage ich dir einfach, dass du meiner Ansicht nach zu wenig isst, dann kannst du es mir ersparen, zu erzählen was für ein toller Hengst du doch bist. Und natürlich will ich dir keineswegs weißmachen, dass du unattraktiv bist. So offensichtlich sind meine Lügen eigentlich nicht." Antonin schwieg kurz und beschloss, nicht mehr so viel nachzudenken. Das hatte vor Coles kleinen Ausflug in die Selbstmörderspalte ja auch ganz gut funktioniert und überhaupt, was juckte es ihn eigentlich, ob der was vernünftiges zu sich nahm oder nicht? Und warum irritierte es ihn gerade so furchtbar, so offensichtlich abgewatscht zu werden, dazu noch mit Worten, die verkündeten, was für ein super Abschlepper der andere war? Konnte ihm doch herzlich egal sein. Sollte Cole sich doch durch die ganze Stadt ficken, nur um zu beweisen, dass er nicht zu dünn war. Wen juckte das schon? Anscheinend… also allem Anschein nach juckte es: ihn. Denn er brachte das Lächeln nicht mehr auf sein Gesicht. Ums verrecken nicht. Und noch schlimmer - Antonin war sich sicher, dass jede Menge Unwille in seinen Augen stand. Ähnlich wie der Trotz, den er in Coles Augen zu erkennen glaubte. Hmpf, was sollte es? Sie waren ja schließlich keine Chorsänger. Er warf dem Glas Ouzo einen kurzen Blick zu, hielt sich dann jedoch selbst am kurzen Zügel. Er würde doch jetzt nicht auch noch wegen so einem minimalen Rückschlag zu Alkohol greifen! Cole trieb ihn echt noch in den Wahnsinn. Er sah es wirklich kommen. Und vom Wahnsinn dann auch direkt in einen trockenen Schwamm der Informationen jeder Art in sich aufsog wie frisches Wasser. Woah, was war das? Da kam sie aus dem Nichts angesprungen, die Seite an Cole, die ihn ursprünglich mal auf Zehenspitzen um jenen rumtanzen hatte lassen. Und diesmal war sie noch viel eindrücklicher und deutlicher als all die anderen Male zuvor. Was den Grund dafür darstellte, dass er dieses Wissen bei sich ablegte und erst einmal ruhen ließ. Wenn auch mit dem Entschluss, tiefer danach zu graben. Es war nur fair, dass er hier nicht der einzige war, der höchst private Dinge von sich gab. Aber alles zu seiner Zeit. Alles zu seiner verfluchten Zeit. Noch lief ihm nichts davon. So ließ er dieses Thema ohne weiteren Kommentar dazu fallen. Ob es jetzt daran lag, dass er vom Tonfall des anderen wirklich ein wenig eingeschüchtert war, oder tatsächlich daran, dass er das rein aus taktischen Gründen tat, hinterfragte er nicht. Antonin hinterfragte sich selbst nie. Und dann war sie da wieder, die absolute Gleichgültigkeit. Wo er selbst zwischen offensichtlichen Emotionen zu Neutralität umsprang wie ein Lichtschalter, waren das bei Cole gedämpfte, unterdrückte Emotionen und die kühle Gleichgültigkeit. Waren sie sich eigentlich wirklich so unähnlich? Noch immer wollte das Lächeln nicht zurückkehren und so beließ er es bei einem Schulterzucken. "Ich glaube du verstehst mich falsch, aber im Gegensatz zu dir habe ich nicht das Gefühl, mich und mein Libido in diesem Zusammenhang näher erklären zu müssen." Sonst hätte er wohl erwähnt, dass er bisher nur Sex mit Männern gehabt hatte, wenn etwas wirklich Übles passiert war. Weshalb ihm auch fremd war, wonach man bei Männern ging, was man an ihnen wirklich anziehend finden konnte. Er war besoffen gewesen und hatte sich dann mehr oder minder überrumpeln lassen. Viermal insgesamt und er hatte nur dem ersten einen Arm gebrochen als er wieder nüchtern gewesen war. Als Strafe für seinen schmerzenden Hintern. Beim Rest glaubte er im Nachhinein gewusst zu haben, dass eine gewisse 'Mindblowing' Befriedigung in ihrer sexuellen Interaktion Platz gefunden hatte. Und trotzdem bezweifelte er, dass er sich im normalen Zustand, selbst wenn er besoffen wäre, so einfach dazu hinreißen lassen könnte, das zu wiederholen. Dazu war er zu sehr Kontrollfreak. Was seltsam war, denn andersherum verspürte er überhaupt keinen Reiz, einen Kerl unter sich selbst zu wissen. Dann lieber eine Frau. Womöglich hatte er dazu aber auch zu wenig Erfahrung in dieser ganze Schwulenszene und er verpasste dadurch das 'Beste'. Aber wie bereits gesagt, im Gegensatz zu Cole musste er mit seinen Gedanken nicht hausieren gehen. Zudem er sich selbst auch nicht ansprechend fand - was an den Narben lag. Selbst wenn er seinen Oberkörper nicht zeigte. Noch ein Grund dafür, sich fast ins Koma gesoffen zu haben für den Sex mit dem gleichen Geschlecht. Cole hatte es da sicherlich einfacher. Wonach man nach dessen Worte auch ausgehen konnte. Jener wusste um seine Wirkung, wusste um sein 'Können' und nutzte das weidlich für sich und seine Triebhaftigkeit aus. "Wenn du nicht rein in einen Fickclub fährst, komme ich mit", beschloss er schließlich und zündete sich endlich die heißersehnte Zigarette an. Manchmal verwirrten ihn seine eigenen Gedanken. Cole Seine Augen, die auf Antonin ruhten, registrierten den Unwillen, des anderen, darüber, dass er zugeben musste, dass Cole ihn anscheinend wirklich durchschaut hatte. Die Frage war nur, worüber er genau genervt war. Dass Cole ihm auf die Schliche gekommen war, oder waren es die Inhalte gewesen? Cole beschloss dass lieber nicht so genau wissen zu wollen. Genauso wie jener offenbar - und zu dessen Glück - nicht nachfragte, was das Thema 'der Irre' anbelangte. Cole wusste, dass Gerüchte über seine Vergangenheit kursierten. Aber die wenigsten kannten die Wahrheit. Und er selbst würde sie niemandem erzählen. Niemand stand ihm so nahe, dass er es ihm erzählen wollte. Und das war gut so. Und so war er erleichtert, als sie endlich beschlossen hatten, was sie diesen Abend tun würden. Eigentlich wunderte es ihn, dass er wieder mit Antonin wegging, aber es störte ihn auch nicht. Sie sollten beide ein wenig ihren Spaß haben, nach er den jüngsten Ereignissen. Sie sollten sich beide ein wenig entspannen. Cole trank sein Bier aus und signalisierte Christos, dass er zahlen wollte. "Dein Wunsch sei mir Befehl", murmelte er und drückte dem Griechen Geld in die Hand, als dieser kam. "Du bist eingeladen", sagte er zu Antonin. Dann stand er auf und nahm seine Jacke und verließ das Restaurant und stiegen ins Auto. "So mein Lieber, rein homo oder gemischt?" Er blickte Antonin fragend an und wartete auf die Antwort, die ein "egal" war. "Gut, dann homo." Cole startete den Motor und fuhr los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)