Nullpunkt von Memphis ================================================================================ Kapitel 17: Die meisten Diagnosen stimmen mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit. ------------------------------------------------------------------------------------------ „Wo ist er?“, hörte ich die herrische Stimme von Nicos Mutter und hoffte, dass sie mit diesem Satz nicht mich meinte... „Ja, Begrüßungen werden völlig überbewertet, nicht?“ Er hatte ihr gerade die Tür geöffnet und es lief jetzt schon alles schief, oder? Ich zog mir die Decke über den Kopf. Mir wäre es lieber, wenn Nico noch bei mir liegen würde, während er meinen Hals küsste und mich seine Haarspitzen leicht kitzelten. Aber das würde wohl nicht so gut kommen, wenn seine Mutter das sehen würde. „Ich möchte mit ihm reden!“, forderte sie und ich bekam Kopfschmerzen. Sie war doch wegen Nico hier, oder nicht? Was zum Henker wollte sie denn von mir?! Ich bezweifelte nämlich stark, dass sie mir dafür danken wollte, dass ich ihren Sohn nicht hängen ließ und er nicht unter der Brücke schlafen musste. „Ennoah tut hier doch nichts zur Sache.“ Nicos Stimme klang ziemlich verärgert und kurz fühlte ich mich an das Gespräch mit Eddy erinnert, der auch lieber über Nico gesprochen hatte, als über das eigentliche Problem, das offensichtlich vor lag. „Was heißt hier ´tut nichts zur Sache´?! Natürlich tut der Kerl was zur Sache. Erst verführt er dich und dann holt der dich auch noch in seine Wohnung! Wie alt ist der überhaupt?!“ Ja, schon klar, ich war der Übeltäter. Nur zu, hängt mir ein „bad, old molester!“-Schild um den Hals. Bringt eure jungen, unschuldigen, heterosexuellen Söhne vor mir in Sicherheit... Gah! Ich könnte gerade echt in was reinschlagen! „Mama, er ist bei mir in der Stufe...“ Nico klang völlig empört. Also ich musste sagen, an ihrem Geschwätz hat mir der Punkt mit dem Alter noch an wenigstens gestört. Allerdings sorgte der Satz dafür, dass sie kurzzeitig still war. War sie etwa überrascht? Verdammt, so alt sah ich auch wieder nicht aus! Was dachte die Frau eigentlich? „Das machte es nicht besser!“, kam der etwas verspätete Konter und ich verstand das eigentliche Problem nicht so richtig. Lag es an dem Sex, an dem Fakt, das Nico nicht mehr zuhause lebte oder einfach an mir als Person? Wahrscheinlich alles zusammen. „Bist du nur deswegen hier? Um dich über Ennoah auszulassen?“ Berechtige Frage, dass hätte ich Eddy auch fragen sollen. Offensichtlich war Nico definitiv besser in Streitsituationen. „Gott, nein... Ich wollte sehen wie es dir geht.“ Ihr Worte klangen immer noch harsch, aber diesmal merkte man sogar, dass irgendwie eine verschrobene Art von mütterlicher Fürsorge dahinter steckte. „Gut, wie du siehst“, antwortete er recht reserviert und dann herrschte kurzes Schweigen. Bis Nico empört rief: „Mama! Du musst nicht nach Einstichslöchern von Fixernadeln suchen!“ „Wer weiß, was ihr hier tut!“ Natürlich, Drogen, Sex und eigentlich war ich Nicos Zuhälter... Schon klar. „Gott, für wie bescheuert hälst du mich?!“, herrschte er sie an. Wieder kurzes Schweigen. „Und was machen die Zigaretten da?!“ Anscheinend hatte sie sich nur umgesehen, um einen neuen Punkt zu finden, an dem sie rumnörgeln konnte. Selbst wenn hier alles picobello ausgesehen hätte, sie hätte an der Wohnung bestimmt kein gutes Haar gelassen. Zum Glück hatten wir uns die Arbeit gespart und nicht sauber gemacht. „Jetzt tut nicht so, als hättest du nicht gewusst, dass ich rauche...“ Ich konnte Nicos Augenrollen bei diesem Satz förmlich vor mir sehen. Das nächste, was sie sprachen konnte ich allerdings nicht mehr verstehen. Da sie unvermittelt die Stimmen gesenkt hatten. Ich konnte dem Gespräch sowieso nicht mehr ganz folgen. Hatte sich seine Mutter nun abreagiert? Redeten sie jetzt ernsthaft wie normale Leute miteinander? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es nun zu einer großen Versöhnung kam. Das war so wahrscheinlich, wie die Möglichkeit, dass ich plötzlich Gefallen daran fand, den Haushalt zu schmeißen. Irgendwann mal wurden ihre Stimmen wieder lauter, als Nico die Tür zu seinem Zimmer öffnete. Vermutlich um sie hinaus zu begleiten. „Du kannst hier anrufen, aber ein falsches Wort zu Enno und ich lass dich diese Wohnung nie wieder betreten“, hörte ich Nico in einem sehr ernsten, drohenden Tonfall sagen. Ihre Erwiderung bekam ich schon nicht mehr mit, da er sie wohl mittlerweile auf den Hausflur begleitet hatte. Ihr Besuch war wirklich so ätzend gewesen, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Zum Glück hatte ich ihr nicht gegenüber treten müssen. Ich wäre wirklich nicht sehr charmant zu ihr gewesen. Die Haustür fiel wieder ins Schloss und Nico betrat mein Zimmer. Er fuhr sich durch seine kurzen Haaren und schaute mich echt fertig an. Einmal Hölle und zurück, oder? Ich grinste müde zu ihm hoch. Mit einem Seufzen ließ er sich neben mir auf das Bett fallen und kroch mit unter die Decke. Unsere Körper berührten sich leicht dabei und seine Haut an meiner fühlte sich kühl an. Ich zog ihn nicht näher zu mir und er machte auch keine Anstalten etwas daran zu ändern. „Meine Mutter wusste von der Affäre...“ Er klang so, als wäre er ganz weit weg. „Aber bei uns in der Familie geht’s altmodisch zu, da schweigt man einfach alles tot.“ Seine Berührung verlor langsam ihre Kälte und ich rutsche etwas näher an ihn heran. Es war ein bisschen albern, dass ich mich weder traute etwas zu ihm zu sagen, noch ihn in den Arm zu nehmen. Ich wusste nicht genau, was ich überhaupt tun sollte, also tat ich nichts. „Ich glaube, sie wollte, dass ich die Familie rette. Du weißt schon, so als Mustersohn und so n Kram.“ „Dann bist du ganz schön missraten...“ Mein Mund war trocken und es klang nicht so lustig, wie ich mir das vorgestellt hatte. „Dito“, gab er zurück und schaute in meine Richtung. Wir grinsten uns an. Nico wollte kein Mitleid von mir, er wollte auch nicht getröstet werden. Er wollte es einfach nur mal gesagt haben. Wir küssten uns nicht und berührten uns auch sonst nicht, sondern lagen nur da und schauten uns an. Wir waren uns noch nie so nah gewesen und es wurde mir unangenehm. Ich setzte mich auf und entfernte mich so von ihm. Er verzog kurz das Gesicht, wahrscheinlich deswegen, weil ich den Moment komplett ruiniert hatte. Aber ich wollte gar nicht wissen, wohin uns das alles geführt hätte. Er drehte mir schließlich den Rücken zu, so dass er den Fernseher sehen konnte, nahm die Fernbedienung vom Nachttisch und machte den Ton wieder an, den ich wegen seiner Mutter ausgeschaltet hatte. Die Stimmen aus dem Gerät klangen falsch im Zimmer und schienen sich zwischen uns zu fressen. Ich merkte, dass ich es irgendwie bereute, nicht einfach liegen geblieben zu sein. Aber jetzt war es auch zu spät. Ich seufzte und stand ganz vom Bett auf. Der Kaffee rief, oder so. Ich fühlte mich in jedem Fall müde und mochte dieses Gefühl los werden. Vielleicht wollte ich auch nur ein bisschen weg von Nico. Ich setzte mich auf die Fensterbank in der Küche, während die Maschine den Kaffee aufbrühte. Ich tippte mit einem Fuss auf den Boden. Tapp. Tapp. Tapp. Zwischen mir und Nico hatte sich definitiv in den letzten Wochen etwas geändert. Tapp. Tapp. Tapp. Es fühlte sich fast so an, wie wenn Eddy um mich herum war. Ich merkte, dass mich dieser Punkt störte. Nico würde mir niemals in irgendeiner Weise Eddy ersetzen können, das wollte ich nicht und das ging einfach nicht. Es wäre auch alles anders, wenn dieser dummer Streit nicht wäre. Ich fragte mich wieder, warum Eddy überhaupt vor kurzem vorbei gekommen war. Er musste einen Grund gehabt haben und es war bestimmt nicht Nico gewesen. Hatte er mir am Ende damit sagen wollen, dass er mittlerweile bereit war, mir zu zuhören? Nicht, dass ich ihm noch viel zu erklären hätte. Ich hopste von der Fensterbank und goß mir den fertigen Kaffee ein. Sollte ich ihn in der Küche trinken oder wieder zu Nico gehen? Ich entschied mich für die Küche und merkte, wie sich mein Magen schmerzhaft zusammen zog, als ich einen Schluck von dem Getränk nahm. Laut klirrend landte die Tasse im Spülbecken und ich rannte ins Badezimmer, um mich dort ins Klo zu übergehen. Fuck! Scheiße! Mein Magen zog sich unangenehm zusammen und es tat wirklich weh. Ich hatte das Gefühl, als würde ich nicht richtig Luft bekommen und übergab mich nochmals in die Toilette. Fuck. Fuck. Das sollte aufhören. Mein Magen krampfte sich weiter zusammen und ich konnte nur auf dem kalten Fließenboden liegen, mir den Bauch halten und hoffen, dass es bald vorbei war. Scheiße, ich hasste meinen Körper. Mir liefen Tränen über die Wangen vor Schmerz und ich wünschte, es würde einfach alles aufhören. „Enno?“, hörte ich Nicos Stimme dumpf nach mir rufen. Ich spürte, wie mir es schon wieder hoch kam und versuchte mich aufzurichten, damit ich mich nicht auf den Boden übergeben musste. Ich hielt die Kloschüssel umklammert und würgte Magensäure aus, als Nico schließlich das Bad betrat, um nach mir zu sehen. Ich schaute gequält zu ihm auf und bekam nur einen entsetzen Blick zurück. Sah ich wirklich so beschissen aus, wie ich mich fühlte?! „Okay, jetzt reichts mir, wir gehen jetzt zum Arzt. Sofort!“ Er verschwand kurz aus dem Bad und kam mit meinen Schuhen und meiner Jacke in der Hand wieder, die er vor mich hinwarf. Die Magenkrämpfe hatten wieder etwas nach gelassen, aber ich wusste wirklich nicht, ob es eine gute Idee war, nach draußen zu gehen. Als ich allerdings Nicos Blick sah, war mir klar, dass da keine Widerrede war. Naja, nicht in meinem jetzigen Zustand. Ich zog mir die Schuhe im Sitzen an und kam mir seltsam fremd in meinem Körper vor. Meine Finger waren irgendwie steif, als ich mir die Schnürsenkel band. Ich verfehlte mehrmals die Jackenärmel beim Anziehen, als wüsste ich nicht, was mein Arm da eigentlich tat. Nico war in der Zwischenzeit wieder irgendwo in der Wohnung verschwunden und hatte mich allein mit meinem Elend gelassen. „Ist deine Krankenkarte im Geldbeutel?“, rief er und ich zog mich am Badewannenrand nach oben. Bevor ich ihm antworten konnte, stand er auch schon mit meinem Portemonnaie in der Tür und schaute mich abwartend an. Ich nickte nur. Ich hatte Angst den Mund aufzumachen. Meine Stimme würde nur unnatürlich und seltsam klingen. Nico kannten den Weg zu meinen Hausarzt nicht, allerdings war es zum Glück nicht sonderlich weit und ich war diesen Weg mit meiner Oma oft gegangen. Wir kamen auch gerade noch rechtzeitig zur Sprechstunde, mussten aber trotzdem eine dreiviertel Stunde in einem überfüllten Warteraum sitzen und dabei grummelte es unangenehm in meinem Magen. Es war nichts akutes, ein Krankenwagen und Notaufnahme wäre definitiv nicht nötig gewesen, aber bestimmt schneller gegangen. Nico redete mit mir über irgendwelches belangloses Zeug, wie der anstehenden Klausur in Geschichte, auf die er schon gelernt hatte und ich nicht. Er erzählte mir von irgendeinem Festival, auf dem er vor zwei Jahren mit Freunden gewesen war, heimlich, hinter dem Rücken seiner Mutter. Als ich endlich dran war, hatte ich immer noch ein leichtes Ziehen in der Magengegend und es wurde nicht besser, als der Arzt auf meinem Bauch rumdrückte. Er fragte mich ein paar Sachen, wie zum Beispiel meine Ernährung aussah, in welchen Situationen mich übergeben musste, ob ich oft müde war und am Ende stand eine für mich sehr erschütternde Diagnose fest: Übersäuerung. Erschütternd deswegen, weil er mir Kaffeeverbot erteilte. Das war doch nicht sein Ernst, oder? Ich sollte auch sonst nichts Säurehaltiges trinken, also fiel sowas wie Cola auch flach. Wie sollte ich da überhaupt wieder wach werden? Okay, angeblich lag meine Müdigkeit auch an der Übersäuerung. Aber das war doch absurd, man konnte doch nicht von Kaffee eine Krankheit kriegen, die einen müde machte. Er hatte mir noch ein Medikament verschrieben, von dem ich zweimal am Tag etwas nehmen sollte und abends essen durfte ich auch nicht mehr. Au Mann, ich hoffte nur, dass es dann endlich besser wurde. Als ich Nico, der im Wartezimmer geblieben war, die Diagnose mitteilte, lachte er mich erstmal aus und zwar mit einer fiesen, hämischen Lache, bei der man sich echt verarscht fühlte. Fehlte eigentlich nur noch, dass er dabei auf mich zeigte. Ich würde ihm am liebsten etwas an den Kopf werfen, hatte aber leider nichts zur Hand, also begnügte ich mich damit ihm auf den Hinterkopf zu schlagen, als er endlich neben mir stand. Da hatte er zwar schon zu lachen aufgehört, aber verdient war es immer noch. Wir machten noch einen Umweg über die Apotheke, ich kaufte mein viel zu teueres Medikament, das vermutlich auch noch fürchterlich schmecken würde und Nico wollte noch, dass wir basische Lebensmittel kaufen gingen, da wir das angeblich nicht daheim hatten. Er tat gerade so, als würde er sich damit auskennen. Jetzt hatten wir jedenfalls jede Menge Joghurt im Kühlschrank stehen, den ich essen sollte. Sowas hätte ich nie freiwillig gekauft. Mist, wenn die Kotzerei nicht so unglaublich Scheiße wäre, hätte ich das sicher nicht gemacht. Nico hatte auch symbolisch die Kaffeemaschine ausgesteckt und in sein Zimmer gestellt. Ich hatte dabei das Gefühl, als würde man mir einen wichtigen Teil meines Lebens rauben und ich war mir verdammt sicher, dass er seinen Spass dabei hatte. Er selber trank ja keinen Kaffee, ihm konnte das ja egal sein. Ja, alles in allem war der Freitag ein furchtbarer Tag für mich gewesen und Nico, der friedlich neben mir schnarchte, machte es nicht besser. Er sollte jetzt wach sein und wir sollten Sex haben, weil ich mir das nach diesem Tag verdient hatte. Nico hatte es nicht mal in Erwägung gezogen, wahrscheinlich weil ich immer noch wie der wandelnde Tod aussah. Ich spielte mit dem Gedanken ihn trotzdem zu wecken und boxte ihn schließlich in die Seite. Er gab ein missmutiges Grummeln von sich und zog die Decke an sich ran. Pah, als würde das was gegen mich ausrichten. Ich boxte ihn nochmal in die Seite und beim dritten Versuch öffnete Nico schließlich verärgert seine Augen und blitzte mich an. „Was?“, knurrte er aggressiv. Nico stand überhaupt nicht drauf, wenn man ihn mitten in der Nacht weckte. Aber das war mir im Moment egal. Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn. Als er den Kuss erwiderte, konnte ich nicht anders, als triumphierend zu grinsen. Sieg für mich. Ich wachte relativ früh auf, draußen war es noch dunkel und als ich auf den Wecker schaute, teilte er mir mit, dass wir erst vier Uhr nachts hatten. Allerdings fühlte ich mich aufgekratzt. Ich war aufgewacht mit dem dringenden Bedürfnis etwas tun zu wollen. Ich wusste auch was. Ich kratzelte über Nico, der einfach friedlich weiter schlief, suchte im dämmerigen Licht ein paar Sachen zusammen und ging damit in Nicos Zimmer. Ich wollte malen, ich musste malen. Ich würde erst wieder schlafen können, wenn ich jetzt einen Pinsel nahm und einfach mal was mit Farbe machte. Ich musste an meiner Mappe arbeiten. Ich wollte auf diese Uni und wenn ich dafür Farbe auf die Leinwand kotzen müsste, würde ich das auch tun! Ich wusste nicht, woher dieser innerliche Motivationsschub kam und hatte auch meine leisen Zweifel, dass er lange anhalten würde, aber jetzt wollte ich ihn nutzen. Ich betrachtete kritisch die paar Farben, die ich gefunden hatte im fahlen Licht der Nachttischlampe. Anderes Licht gab es in diesem Raum momentan nicht. Es waren Wandfarben und ein paar Acrylfarben, die mir irgendwer mal geschenkt hatte. Pinsel hatte ich nur paar halbtote, ausgefranste Teile gefunden, aber die mussten es schon tun. Ich wollte ja kein Gemälde malen, ich wollte einfach nur... keine Ahnung. Farbe, Papier, drauf damit. Ich öffnete ein paar Tuben und mir schlug sofort ein unangenehmer, irgendwie verfaulter Geruch entgegen. Okay, absolut widerlich. Ich drehte die Tube wieder zu, die so offensichtlich stank und hoffte, ich hatte mit den anderen mehr Glück. Die rochen zwar nach Farbe, aber davon wurde mir wenigstens nicht gleich schlecht. Ich zog meinen Block mit dem dicken Papier heran und machte probeweise ein paar Striche mit dem Pinsel. Es fühlte sich fremd in meiner Hand an und alles war soviel ungenauer, wie ich es sonst gewohnt war. Bei einem Bleistift machte man einen Strich und dann war dort ein Strich. Mit so einem Pinsel macht man einen Strich, dann ist da Farbe und dort und irgendwie alles verwackelt, keine Ahnung. Ich packte eine Tube drückte Farbe direkt aufs Blatt und schmierte mit den Pinsel darüber. Genau arbeiten konnte ich damit eh nicht, also warum sich die Mühe machen und was darstellen? Ich stellte allerdings schnell fest, dass mich das Malen frustrierte und ich bereute es, etwas von meinem teuren Zeichenpapier genommen zu haben. Das war echt das Papier nicht wert gewesen. Ich ging in die Küche, um dort aus dem Altpapier Zeitung und Kartons zu holen. Dafür musste man wenigstens nichts zahlen. Ich schmierte weiter Farben drauf, ich konnte überhaupt nicht sagen, ob das was ich machte nur im entferntesten was brachte. Ich wurde auch nicht ruhiger dadurch und irgendwie brannte es förmlich in mir, weiter auf diesem billigen Papier rumzuschmieren und immer mehr Farbe drauf zu klatschen. Ich starrte das Bild an und hatte das Gefühl, irgendwas darin zu erkennen, wusste allerdings nicht was. Irgendwas fehlte. Ich schaute mich in dem Raum um und entdeckte ein paar Socken. Ja, Socken schien mir ein guter Plan. Ich tunkte die Socken in Farbe und zog sie über den vollgeschmierten Karton, ließ sie schließlich am Ende davon liegen. Von dort aus schauten mich die verschandelten Socken vorwurfsvoll an. Sie hatten nie als Kunst enden wollen, sie wurden nicht mal oft genug getragen, das sie Löcher hatten. Socken waren nicht dazu da, plötzlich auf einem Karton zu kleben. Socken sollten ihren langen, schleichenden Tod an Füssen finden. Aber jetzt war es auch schon zu spät. Die Socken hatten mir den letzten Rest gegeben, ich wollte wieder ins Bett und schlafen. Ich knipste das kleine Licht aus, ging noch ins Bad, um die ganze widerliche, stinkende Farbe von meiner Haut zu bekommen und kroch dann um sechs wieder zu Nico unter die Decke. Ich fühlte mich jetzt definitiv etwas ruhiger. Wahrscheinlich war auch einfach nur von den vergammelten Farben total zugedröhnt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)