Hades von Franlilith (The bloody rage) ================================================================================ Kapitel 10: Control ------------------- „Sieh es mir bitte nicht übel, mein Junge. Du passt einfach umwerfend gut in meine Sammlung“, säuselte er und für einen Moment flackerten Bilder durch Ciels Kopf, die ihn mehr und mehr an eine Szene aus seiner Vergangenheit erinnerten. Das entstellte Gesicht seiner geliebten Tante, die der Mordlust und gleichermaßen ihren Rachegelüsten verfallen war. Das Messer in ihrer Hand, mit dem sie ihren einzigen Neffen hatte töten wollen und es doch nicht über sich gebracht hatte. „Was für eine Sammlung?“, zischte Ciel und wich dem Arm aus, der nach ihm greifen wollte. Richard lachte. „Meine wundervolle Sammlung! Sieben, sieben junge Männer müssen es sein. Du hast das Schauspiel mit Sicherheit gesehen, meine wundervolle Sammlung, die London ziert“, lächelte er und für einen Moment hatte Ciel das Gefühl, es wäre nicht Richard, der aus diesem Körper sprach. Schnell duckte der junge Adlige sich unter dem ersten Hieb des Dolches weg und zerrte seine Augenklappe herunter. „Wie schön, du wärst Nummer sieben!“, rief der Mann weiter. Ciel verzog das Gesicht. Warum wäre er Nummer sieben? Wer war der sechste gewesen? Ciel sprang auf und ging einige Schritte rückwärts, um den ständigen Angriffen des Mannes auszuweichen. Er schien gar nicht mehr zu wissen, wer er eigentlich war. Aus dem ruhigen, besonnenen Mann von eben war ein wahres Monster geworden, das im Augenblick mehr nach Blut und Tod als Rettung hechelte. Warum wäre er Nummer sieben? War der Junge auf der Liste bereits tot? Ciel hatte kaum Zeit seine Gedanken zu sortieren. Das Pentagramm in seinem Auge brannte, als er sich unter der nächsten Attacke – die beinahe sein Gesicht getroffen hätte – wegduckte und gar nicht anders konnte, als seinen Befehl loszuwerden. „Sebastian!“, rief Ciel auf und keine paar Sekunden später brach das Glas des vorher verdeckten Fensters. Splitter verteilten sich auf Boden und Schreibtisch, trafen die Lampe, ohne dem Earl auch nur einen Kratzer zu bescheren. Kalter Atem hauchte in den Nacken Ciels und ließ ihn kurz schmunzeln. Richard Bard hatte beim Brechen des Fensters seine Augen verdeckt, sah nicht, wie Sebastian mit dämonischer Vorfreude seine Hände nach dem Mann ausstreckte, ihm unbarmherzig das Ende seines Lebens bringen wollte. Doch er hielt inne. Ciel blinzelte, als er das dunkle, sich windende Violett in den Augen des Dämons aufflackern sah. Sein Körper verkrampfte sich kaum sichtbar, als er den Blick von dem zitternden Menschen am Boden hob und geradeaus in die roten Augen eines Mädchens blickte, das die Tüte in ihrer Hand fallen ließ und ihn ansah. Für einen Augenblick - in dem Ciel dachte, die Zeit wäre einfach stehen geblieben - starrten sich beide an, bevor Sebastian sich wieder gerade hinstellte und seinen Arm fast beschützend vor Ciels Leib hielt. Das Mädchen starrte ihn an, dann zu ihrem Vater nach unten. „Vater“, wisperte sie und sogleich zuckte der Körper Richards zusammen. Der den Kopf hob und in Alices dunkle Augen starrte. Dann kroch er auf Knien, die er sich durch die überall verstreuten Glassplitter aufriss, zu seiner Tochter, um nach ihrer Hand zu greifen. „Verzeih...ich habe ihn nicht töten können...nicht töten können“, wisperte er und sah das Mädchen mit wahnsinnigem Blick an, den sie ruhig und kühl erwiderte, bevor sie sich hinab beugte und ihm durch die blonden Haare strich. „Du Narr, sei doch still“, mahnte sie mit weicher Stimme und hob dann ihren Blick, um Ciel regelrecht zu durchbohren. Allein diese kurze Geste reichte aus, um den Jungen erschaudern zu lassen. Sebastian knurrte hörbar und verdeckte mit seinem Körper ihre direkte Sicht auf seinen Master. Was hatte das hier zu bedeuten? Das Mädchen legte den Kopf etwas schräg. „Vater, wir gehen nach draußen“, bestimmte sie und hob den Körper des Mannes mit einer Leichtigkeit hoch, die selbst Ciel überraschte. Dann sah sie Sebastian in die Augen. „Folgt mir“, sprach sie und ging auf das kaputte Fenster zu – vor dem Ciel und sein Butler noch immer standen - und sprang einfach hinaus. Der junge Adlige wollte gerade Luft holen, als er bereits von Sebastian gepackt und hinter dem Mädchen her nach draußen gebracht wurde. Die Wolken über London wogen schwer, verbreiteten den Geruch von Regen, ohne sich selbst tatsächlich diesem zu ergeben. Alice setzte ihren Vater auf dem Boden ab und trat dann vor ihn, ebenso wie Sebastian es bei Ciel tat. Dieser wusste nichts mit der gesamten Situation anzufangen. Er brauchte eine Weile, um sich dem Ausmaß der Dinge überhaupt klar zu werden. Das Mädchen grinste plötzlich leicht, worauf der Butler bereits in eine Art Angriffsstellung verfiel, die man sonst nur von wilden Tieren kannte, die ihre Beute verteidigten. Welch makaberer Gedanke. Ciel schüttelte den Kopf. Sie starrten sich weiterhin an, schienen nicht fähig zu sein, irgendeinen Ton zu sagen. Dennoch war es Sebastian, der nach geraumer Weile seine Stimme leise und belustigt hob. „Ich hätte nicht erwartet, jemanden wie dich hier zu treffen“, wisperte er und lächelte auf seine übliche verhaltene Art und Weise, die nun jedoch mehr nach Spott als Freundlichkeit aussah. „Akasha“, setzte Sebastian noch leise an seinen Satz, wirkte fast so, als hätte er in diesem Augenblick eine Art Zauberformel ausgesprochen. Das Mädchen zuckte leicht und begann dann laut und schrill zu lachen. Ciel hielt sich schmerzerfüllt die Ohren zu. Ihre Stimme schmerzte, kein Vergleich zu den weichen Worten, die sie vor ein paar Stunden an Ciel gewandt hatte. „Wie lange ist es her, dass ich diesen Namen gehört habe? Hundert, zweihundert Jahre?“, kicherte sie und legte ihren Kopf schräg. Ihre Augen brannten violett, als sie Sebastian angrinste. Dieser schmunzelte. „Ja, es ist in der Tat lange her, dass ich dich zu Gesicht bekommen habe. Ich hätte dich in dieser Gestalt beinahe nicht erkannt“, gestand er. Ciel blinzelte verwirrt und sah zwischen seinem Butler und dem teuflisch grinsenden Mädchen hin und her. Sie wirkten sich einander so bekannt, dass der Earl nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, ob sie sich tatsächlich kannten. Woher wusste er schon, mit welchen Leuten es Sebastian in seinen vielen hundert Jahren des Lebens zu tun gehabt hatte? Das junge Mädchen lachte und drehte sich ein paar Mal um die eigene Achse, um dann die Arme auszubreiten. „Gefällt es dir? Dieser Körper hat viele Vorteile“, sprach sie auf eine Art und Weise, die Ciel unterdrückt knurren ließ. Dann zuckte er erschrocken zusammen, was hatte er gerade getan? Er spürte kurz Sebastians belustigten Blick auf seinem Körper, sah aber nur unbeeindruckt zurück. War das gerade so etwas wie Eifersucht gewesen? Aber warum, diese Akasha - wie Sebastian sie genannt hatte – tat nicht mehr, als simple Fragen zu stellen, die nicht einmal ansatzweise etwas mit Sebastian zu tun hatten. Oder etwa doch? Plötzlich begann sie wieder zu lachen, nicht so hoch wie vorher, aber dennoch ohrenbetäubend. „Oh, sag mir bitte, dass das nicht wahr ist!“, amüsierte sie sich mit einem Mal und sah Ciel mit einem abschätzigen Blick an, der dem Jungen deutlich zeigte, dass er dieses Gespräch einfach nicht verstand. Sebastian seufzte hörbar und legte sich eine Hand auf die Stirn. „Du wusstest es bereits, als er dieses Gebäude betrat. Nun lach nicht so schäbig“, mahnte der Butler und verschränkte seine Arme, bevor er mit Ciel einen schnellen Blick tauschte. Der junge Earl grübelte. Ging es um die Tatsache, dass Sebastian Ciel zu Diensten war? Schließlich wäre diese Frau nicht die erste, die sich daran amüsierte. „Nenn es schäbig, der gleiche Gedanke ereilt mich, wenn ich dieses Kind an deiner Seite sehe“, lachte Akasha und zuckte belustigt mit den Schultern, als Ciel schnaufte. „Kind“, darüber war er langsam hinaus. „Nenn es wie du möchtest. Wenngleich du doch denselben Weg eingeschlagen hast“, erwiderte der Dämon und lächelte sie überheblich an, worauf das Mädchen allerdings nur ihre Haare richtete, ehe sie einen Blick auf den am Boden liegenden Mann warf. Er schien die Besinnung verloren zu haben, nachdem sie das Gebäude verlassen hatten. „Du solltest nicht von dir auf andere schließen. Ich bin nicht so schäbig einem Menschen zu dienen“, erwiderte sie kühl. „Nun sag mir besser, wie soll ich dich im Augenblick nennen?“ Der Angesprochene warf Ciel einen kurzen Blick zu und stellte sich dann dichter vor ihn, als hätte er Angst, Akasha würde seinen Master angreifen. War dem wirklich so? Ein Beschützerinstinkt, der so gar nicht zu ihm passte? „Für den Augenblick bin ich für meinen jungen Herrn Sebastian“, erklärte er und lächelte kurz in alter Butlermanier, was Akasha zum Grinsen brachte. „Sieh einer an, Sebastian. Dein Master scheint dir einen sehr treffenden Namen gegeben zu haben“, stichelte sie weiter und verschränkte die Arme, ehe sie ihren Blick auf Ciel fallen ließ. Dieser blinzelte etwas, als sie sich umdrehte und ihren Vater weit neben sich an eine Wand lehnte. Wieder lachte sie. „Also, was ist nun deine Option, Sebastian?“, fragte sie, spuckte das letzte Wort aus, als wäre es pures Gift. Der Dämon schenkte ihr nur einen nüchternen Blick, ehe er sich zu Ciel umwandte. „Sie ist der Urheber des Ganzen“, erklärte er Ciel lächelnd, der die Stirn kraus zog und an Sebastian vorbei auf das junge Mädchen blickte, die er niemals mit all diesen schrecklichen Morden in Verbindung gebracht hätte. „Na, hier herrscht ja reger Betrieb!“, hallte es plötzlich durch die leeren Gassen der dunklen Straßen, als Ciel seinen Kopf ruckartig in Richtung des Hausdaches - von dem aus er die mehr als bekannte Stimme vernommen hatte - drehte und in die gelben Augen eines alten Bekannten blickte. „Grell!“, rief er verwirrt und für einen Augenblick flatterten Bilder, wie Herbstblätter, durch seine Gedanken. Was hatte dieser Shinigami hier zu suchen? Hatte er etwa wieder etwas mit diesen makaberen Morden zu tun? Das würde ihm ähnlich sehen. Doch anstatt – wie Ciel vielleicht erwartet hätte – Grell an die Seite Akashas trat, sprang er vom Dach und hing sich an Sebastian, der genervt seufzte. „Du bist vorhin so schnell weggelaufen, das war nicht nett“, faselte der Rothaarige grinsend vor sich hin. „Was tust du hier?“, fragte Ciel verwirrt und unterdrückte das Gefühl, den verrückten Shinigami von Sebastian wegzuziehen. Dazu würde er sich gewiss nicht hinreißen lassen. Grell ließ sich von Sebastian abschütteln, als er überlegte und danach ein Gesicht machte, als wäre ihm so etwas wie ein Licht aufgegangen. „Eigentlich arbeite ich“, meinte er und hob dann seinen Blick, um Akasha anzusehen. „Aber ich kann meinen Auftrag nicht in Ruhe zu Ende bringen, weil dieses Mädchen mein Zielobjekt am Leben erhält.“ Die letzten Worte schnaufte Grell geradezu und schulterte seine Sense, während er Akasha genau beobachtete. Diese seufzte genervt. „Herrje“, machte sie. „Ein Shinigami? Ein Mensch mit einem Dämon als Haustier? Was ist los mit dieser Stadt?“ Sie stemmte ihre Hände schnaufend in ihre Hüfte und sah die drei Personen ihr gegenüber entnervt an. Ciel fragte sich unterdessen eher, woher sie soviel über sie alle wusste und vor allem, woher sie Sebastian kannte. Oder eher umgekehrt? Sein Butler hatte das Mädchen früher demaskiert. „Was ist hier los?“, zischte der Earl Sebastian zu, der ihm in die Augen sah und dann wieder geradeaus auf den Körper Richards blickte. „Dieser Mann ist kein Mörder, er handelt in ihrem Interesse, sie kontrolliert ihn und lässt ihn glauben, es handle sich bei ihr um seine Tochter“, erklärte Sebastian, worauf Grell seufzend die Luft einzog. „Um genau zu sein, sollte dieser Mann bereits vor über einem Monat gestorben sein. Doch sie hält ihn am Leben, verstößt also nebenbei noch gegen ein paar Gesetze. Aber daran hält sich ja ohnehin niemand“, meinte er und zuckte gelangweilt mit den Schultern. Ciel zuckte mit der Augenbraue. Ja, vor allem dieser Kerl hielt sich an keine Regeln. Sebastian sah seinen Herrn lächelnd an. „Um es so auszudrücken, sie ist ebenfalls ein Dämon.“ Ciel starrte Sebastian irritiert an. Sie war bitte was? Wie konnte es möglich sein, dass es noch jemanden wie Sebastian hier in London gab? Oder gab es gar noch mehr? Aksaha begann zu lachen. „Nun gut, jetzt da die Märchenstunde beendet ist, würde ich mich gern um meine Arbeit kümmern. Sebastian, war schön dich getroffen zu haben, aber ich muss deinen süßen Master nun mitnehmen“, bestimmte sie und sogleich trat Sebastian wieder vor Ciel. „Verzeih, aber Dämonen sind von Natur aus sehr besitzergreifend, das solltest du wissen“, erwiderte er und sogleich spürte Ciel, wie sich sein Gesicht dunkler färbte. Abgesehen von Akashas so selbstverständlichen Aussagen konnte Ciel einfach nichts gegen Sebastians Worte sagen. Grell klimperte gespielt mit den Wimpern. „Oh, mich darfst du gern besitzen“, säuselte er, wurde aber eiskalt von Sebastian ignoriert. Akasha lachte. „Selbstverständlich, ich möchte dir deinen Master auch nicht wegnehmen“, meinte sie, doch ihr teuflisches Grinsen strafte ihre Worte Lügen. „Ich möchte den kleinen Mensch eigentlich nur...“, sie sah Sebastian herausfordernd an. „...töten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)