Schwere Entscheidung von SamanthaGallin ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kalt wie Stein! Ja, was sollten die Mauern hier auch anderes sein? Er hörte den leisen Hall seiner Füße auf dem bloßen Boden weit in den Gang hinein schallen. Ein feiner Pilzgeruch von den tropfnassen Wänden durchdrang seine Nase. Schwarzer Schimmel, auch Aspergillus niger genannt. Und soweit er wusste für Menschen eine nicht ganz ungefährliche Sorte, wenn sie ihm zu lange ausgesetzt waren. Ein recht interessantes Thema, aber auch ein sehr müßiges, denn hier gelangte nie je ein Mensch her, geschweige denn für längere Zeit. Ein Seufzen entrang sich seiner Brust - ein weiterer hohler Klang in diesem leeren Gang. So ausgestorben, wie eben dieser anmutete, konnte man glauben, man sei ganz allein auf der Welt. Es war kaum vorstellbar, dass nur einige Stockwerke über seinen Kopf ein geradezu rauschendes Festgelage abgehalten wurde. Er hörte nichts davon – zum Glück! Ein weiterer Seufzer entfuhr seiner Brust. Die Brüder waren sogar für ihre Spezies sehr intelligent und redegewandt, besonders Aro. Nie hatte Carlisle ein Streitgespräch geführt, was ihm einerseits argumentativ mehr abverlangt hatte. Andererseits hatte er aber auch nie eines geführt, das er mehr genossen hatte als jene mit Aro. Jedoch konnte er seiner Lebensweise einfach nichts abgewinnen. Nein, die Lebensführung traf es nicht, ihre Essgewohnheiten waren einfach nicht dieselben, was dazu führte, dass er jedesmal wenn Aro zum Essen lud oder noch treffender zu trinken, dann fluchtartig das Schloss verließ und die Stadt gleich mit. Meist um irgendein Tier zu jagen um selbst nicht in Versuchung zu geraten. Er nahm, was er finden konnte und sei es auch nur eine streunende Katze. Zu sehr schmerzte ihn der Anblick auch nur eines zerstörten menschlichen Lebens. Oft hatte er deswegen nicht nur Aros Spott, sondern auch den aller anderen zu hören bekommen. Wehmütig dachte Carlisle an ihr letztes Gespräch. „Weißt du Carlisle, mein Freund, es ist ja nicht so, dass ich deine Selbstbeherrschung nicht bewundere. Ich denke nur an die Kleine, der du letzte Woche geholfen hast bei dem Verband und sie roch wirklich vorzüglich, aber ist es nicht dumm etwas zu verurteilen und zu verweigern, was du noch nie probiert hast? Ich bin sicher, menschliches Blut ist dem Kleinwild, das du nimmst, bei Weitem vorzuziehen.“ Mit einem feierlichen, fast schon enthusiastischen Tonfall fuhr er fort: „Mein Freund, ich bin bereit dir einen Vorschlag zu machen. Bleib beim Mahl dabei und leiste uns aktive Gesellschaft, ich wäre sogar erfreut dir das Recht der Ersten Wahl einräumen zu dürfen und wenn du dann immer noch der Meinung bist, dass deine Nahrungswahl besser schmeckt, versuche ich es vielleicht auch einmal.“ Angesichts Carlisles geschockten und angewiderten Gesichtsausdruck, den er nicht schnell genug hatte verbergen können, war alles rings umher in schallendes Gelächter ausgebrochen. Sie begriffen einfach nicht, dass es ihm nicht um Genuss, sondern um Moral ging. „Nein!“, meinte Aro, der Carlisles Hand leicht berührte. „Was wir nicht begreifen, ist, warum du dich so unbedingt an menschliche Moralvorstellung halten willst. Mehr noch als es die meisten Menschen bereit sind es zu tun. Du bist kein Mensch, wir sind keine Menschen, wir sind soviel mehr, wir haben solch ein Wiederstreben überhaupt nicht nötig.“ Jedes Mal nach so einem Gespräch fühlte sich Carlisle ein wenig leerer, kälter, als hätte er jemanden in Stich gelassen. Schon zu lange sah er nur zu und fühlte sich hilflos und schuldig! Viel zu lange tat er nichts! Niemanden hatte er von seinem Weg überzeugen können. In 32 Jahren nicht einen. Das bekümmerte ihn mehr, als er bereit war zu zugeben. Und mit jeder Berührung sah Aro die nagenden Zweifel in seiner Brust, aber noch war er nicht bereit die Suche aufzugeben es zu versuchen jemanden zu finden. Er konnte nicht der einzige Vampir sein auf der ganzen Welt, der bereit war auf diese Weise zu leben. Vielleicht musste er seinen Blick nur in eine andre Richtung lenken, vielleicht woanders nach Gleichgesinnten suchen. Die Neue Welt, so wurde sie noch immer genannt, war noch immer mit allen Hoffnungen der Menschen verbunden, vielleicht würde sie auch für ihn Hoffnung bedeuten. Vielleicht folgen da auch andere seinen Weg. Vielleicht hatte er nur am falschen Ort gesucht? War es falsch sich Hoffnungen darauf zu machen? Nein, nein das wollte und konnte er nicht glauben; er würde weiter seinem Weg folgen, Tag für Tag, Jahr um Jahr. Doch um dies zu können, musste er jetzt erstmal den eigenen brennenden Durst stillen. Während dieser Gedanken hatte er den Tunnel verlassen, welcher außerhalb der Stadtmauern endete, angelegt von den Volturi selbst, ein Fluchttunnel noch aus Zeiten, als ihre Herrschaft längst nicht so gefestigt und unumstößlich gewesen war wie jetzt. Gebannt hatte Carlisle all den Geschichten aus alten Tagen gelauscht, wenn Aro bereit war zu erzählen, manchmal, wenn er einen guten Tag hatte, auch Caius. Er hatte sich das Wissen angeeignet, das keinem Geschichtsbuch zu entnehmen war. Er hatte Glück, kein Hund oder eine streunende Katze war es, was seine Witterung wahrnahm. Nein, unweit Volterras – nach Vampirmaßstäben- doch weit genug entfernt von jedem Menschen, fand er eine Gruppe Wildschweine. Ein Glücksgriff und er genoss ihn - entgegen jeder von Aros Überzeugungen. Das Wetter war so sehr warm, dass sogar Carlisles Haut nicht ganz so eisig war. Eine wunderschöne sternklare mondlose Nacht. In einem Olivenhain schwang er sich auf am höchsten Baum empor und blickte in den Himmel. Langsam nahmen seine Pläne eine konkrete Gestalt an. Er wollte sich nicht mehr schuldig fühlen und wollte den Menschen endlich etwas zurück geben. Er hatte bereits bewiesen, dass er dazu in der Lage war. Es würde ihm dennoch schwer fallen jetzt zu gehen, er mochte seinen alten Freund. Und es gab noch so viel, was er wissen wollte, doch sein Entschluss stand fest. Die nächste Passage über den Atlantik würde seine sein, er konnte auch an einem anderen Ort lernen über sich und seinesgleichen. Und es war kein Abschied für immer, immerhin hatte er ja die Ewigkeit Zeit. Ein schöner Gedanke, der zur Nacht passte, die abermillionen Sterne über ihm funkelten genau wie die Möglichkeiten, die sich jetzt vor ihm erstreckten. Er würde Aro nur noch ein letztes Mal die Hand reichen. 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