Gazetto Inn von Nizi-chan (Ein Tag wie jeder andere. Oder ...?) ================================================================================ Kapitel 43: Rukis Vergangenheit 1 --------------------------------- „Taka-chan?“ „Hmm?“ Ich kicherte. „Was ist?“ „Du reagierst auf -chan!“ „Argh!“ Takanori kniff mir in die Wangen. „Beeil dich endlich! Die anderen sind schon längst gegangen.“ Ich entfernte seine Hände von meinem Gesicht und holte die Kette aus meinem Kimono. „Hattet ihr Spaß im Bad? Ich habe gehört, du hattest Nasenbluten.“ Takanori wurde rot. „Das Stimmt nicht!“ „Du lügst doch, ich habe alles gehört.“ „Ach was.“ Er winkte frech grinsend ab und berührte den silbernen Totenkopfring. „Sag mal, habt ihr Kyoko-san extra ausgefragt?“ Seine warmen Fingerkuppen berührten jetzt meinen Hals. „Wegen Yuu?“ Ich fasste seine Hand an. „Habt ihr ihre Vergangenheit mitbekommen?“ „Selbstverständlich. Du hättest Yuu sehen sollen. Man hat gemerkt, dass er sehr genau zugehört hat. So sehr konzentriert sah er aus.“ Wir umarmten uns. „Du, Takanori?“ „Ja, meine Liebe?“ „Kannst du mich massieren, wenn wir zurück sind?“ „Nichts lieber als das.“ Er vergrub das Gesicht in meinem Hals. „Danke. Sag mal wie wäre es, wenn wir morgen eine Stadtführung machen und Kyoko unsere Führerin wird? Wir könnten sie und Yuu außerdem auch alleine lassen. Sowas wie »Operation Liebe« Er sah mich lange an und gab mir schließlich einen Kuss. „Eine sehr gute Idee. Lass uns gehen. Wir sind schon fast 20 Minuten zu spät!“ „Whaa? So lange?!“ Unsere Kimonos raschelten, als wir mit schnellen Schritten in die Versammlungshalle gingen. Wir kamen leider zu spät für das No-Spiel an. Die Männer auf der Bühne wurde gerade applaudiert, als wir uns hinsetzten und so taten, als hätten wir alles mitbekommen. Ich tat beleidigt. „Tja, selber schuld, Yasumi.“ Er grinste mich breit und schadenfroh an. Kurz darauf ging eine Geisha auf die Bühne, machte eine Verbeugung beim Sitzen und fing an mit einer Teezeremonie, während eine andere Geisha auf einem Samisen, einer traditionelle japanische Gitarre, spielte. Wir sahen interessiert zu. „Sag mal, wo sitzen die anderen?“ Ich zuckte mit den Achseln. Noch bevor die Teezeremonie zu Ende ging, nahm Takanori meine Hand. „Komm mit.“ Ich wurde unauffällig aus dem Raum gezogen. „Was ist los?“, fragte ich leise, weil ich nicht wollte, dass andere mitbekamen, wie die Besitzerin des Ryokans eine Aufführung schwänzte. Takanori ging mit mir auf mein dunkles Zimmer und knipste das Licht an. Ein matter Lichtstrahl erfüllte den Raum. „Takanori!“, sagte ich diesmal lauter. Das Licht ließ ihn wie ein Gespenst erscheinen. Ein hübscher Gespenst. „Um ehrlich zu sein, fand ich das ein bisschen langweilig. Ich verbringe die Zeit lieber mit dir.“ „Du bist gemein.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich fand das alles sehr interessant.“ „Wenn du dich ausziehst, massiere ich dich.“ Takanori grinste. „Das klingt in der Tat verlockend. Hilfst du mir, bitte?“ Er kam mir näher und legte eine Hand auf meinen Kimono. Dann sahen wir uns an. Minuten verstichen. Die vom Licht bestrahlte Seite seines Gesichtes wirkte so sanft, dass mein Herz Sprünge machte. „Yasumi“, hauchte er in mein Ohr und bannte mich. Automatisch durchfuhr meine Hand ihm durch die Haare, als er mich auszog. Mir wurde es ein bisschen kalt, doch seine Hände wärmten mich. „Uuhhh.“ Er führte mich dazu, mich auf seinen Schoß zu setzen. „Yasumi ...“ Wir küssten uns. „Lass uns heiraten. Bleibe bei mir. Für immer und ewig. Bis der Tod uns trennt.“ Beim letzteren zuckte ich zusammen und der Bann löste sich. „Sag mal, was tun wir hier?!“ Ich stand auf und zog mir den Unterkimono enger um die Taille. „Wir machen uns gegenseitig geil?“, fragte er zurück. Ich gab ihm einen Kuss. „Du bist so schön, dass ich dich am liebsten aufessen würde, weißt du das, Yasumi? Das ist die höchste Form der Liebe.“ Ich lachte. „Liebe mich bitte etwas weniger, ja? Ich will nicht in deiner Speisekarte als dein Lieblingsessen landen.“ Dann setzte ich mich vor ihm und steckte die Haare hoch. „Du kannst anfangen.“ Statt seinen Händen spürte ich Rukis Lippen auf meinem Hals und hatte wirklich für einen Moment Angst, er würde mir die Kehle beißen. Ich schlug ihm auf den Oberschenkel. „Au! Ich mache ja schon. Du kannst echt brutal sein!“ Er fing mit der Massage an. „Mmmhh♥“, machte ich. Ich wurde durchgeschüttelt. „Hör auf mit solchen lustvollen Geräuschen!“ „Sag mal! Du hörst auch nur das, was du hören willst, oder?!!“ „Das auch, aber hör auf damit, sonst liegst du gleich unter mir.“ „Du Schwein.“ Nach fünf Minuten Massage wurde mein inoffizieller Verlobter aufdringlich. Seine Hände gingen immer weiter in Richtung meiner Brust. „So das reicht.“ „Echt?“ Er verzog zuerst das Gesicht, dann strahlte er. „Dann bin ich ja jetzt dran!“ Ich lächelte und er legte sich hin. Während er lag zog ich mir meinen Kimono an und band den Obi wie bei einem Bademantel. Mit kreisenden Bewegungen massierte ich seinen Rücken. „Mmmmh“, machte er. „Du bist echt gut. Ich fange schon an zu sabbern.“ Ich kicherte und löste seine Verspannungen in etwa fünf Minuten, dann hörte ich auf. „Ich frage mich, wie lang die Aufführung dauert... wegen einem gewissen Jemand, konnte ich ja nicht alles mitbekommen.“ „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Mein Freund fing an zu pfeifen. Mit einem Seufzer legte ich mich neben ihm auf die Tetami-Matten. „Takanori, darf ich dich was fragen?“ Er stütze sich mich der Hand und beugte sich über mich. „Was immer du auch willst.“ Ich sah weg. „Eben hast du gesagt … Willst … Ehm ...“ „Sag doch endlich!“ „Du bist echt ungeduldig. Ehm … Also … Du meintest heiraten ...“ „Ah!“ Er strich mir eine Strähne vom Gesicht. „Was ist damit? Willst du etwa nicht?“ Er verengte die Augen, die sich in meine bohrten. Ich sah weg. Die Stelle, die er berührt hatte, schien zu brennen. Ich nahm seine Hand in meine und spielte mir seinen Fingern. „Es ist so … ehm... wie soll ich das meiner Familie sagen? Wären sie einverstanden, dass ich mit einem Buddhisten oder so heirate?“ Rukis Blick änderte sich. Eine kleine Falte erschien über seinen Augenbrauen, die Stirn wurde faltig. „Da bin ich aber enttäuscht!“ Ich schnappte nach Luft. „Ich bin Christ.“ „Was?!“ Ich hatte bis jetzt immer gedacht, in Ostasien wären hauptsächlich Shintoisten und Buddhisten gewesen. „Zwar lebe ich nach dem shintoistischen Regeln, aber ich glaube an Gott.“ Ich bekam einen Kurzschluss. „Geht's dir gut?“ Mit einer Hand fuhr ich ihm über das sanft beleuchtete Gesicht. „Takanori ...“, hauchte ich. „Takanori“ Nur um seinen Namen zu hören. „Takanori.“ Mein Herz klopfte schneller. Was war das? Irgendetwas in meiner Brust tat weh. Dann hatte ich das Gefühl, einen Kloß im Hals zu haben. „Hopp!“ Mein Freund setzte mich auf und wir saßen nebeneinander uns sahen uns an. „Takanori ...“ Rukis Gesicht änderte sich. „Wenn du mich weiterhin so gequält ansiehst, dann ...“ Weiter konnte er nicht sprechen. Erst als ich meine Lippen von seinem löste, sah er mich verwirrt an und schien nicht mehr zu wissen, was er sagen wollte. „Oh … Mist jetzt bin ich rot geworden ...“ Er atmete tief ein. „Was geht in deinem Kopf vor, Yasumi? Was ist?“ Ich stand auf und öffnete die Tür zum Garten. Die frische Abendluft erfüllte sofort den Raum. Mit einer Hand deutete ich Takanori, er solle mit mir auf der Veranda sitzen. Das Holz knackte unter seinen Füßen, als er neben mich trat und sich setzte. Die Grillen sangen und animierten den Garten. Ich sah hoch in den schwarzen Himmel. Der Mond, der in voller Pracht zu sehen war ließ mich die Feinheiten des großen Kirschbaumes sehen. Außerdem war der Garten hell genug, dass man den Weg aus Kieselsteinen erkennen konnte. „Ich warte immer noch.“ Ich sah meinen Freund an. Das Mondlicht war heller als das Licht im Zimmer und tauchte Takanoris Gesicht in ein weiß, welches ihn unmenschlich schön darstellte. Sollte ich ihn wirklich fragen, wie es mit uns weitergehen sollte? Ja. „Wie wäre es, wenn du dich meiner Familie vorstellst?“ „Huch?“, macht mein Freund. „Meinst du wegen heiraten?“ Ich nickte. „Wie wäre es, wenn wir erst heiraten und deine Familie damit überraschen? Denn dann könnten sie uns nicht trennen, auch wenn sie es gewollt hätten. Am besten wäre es natürlich, wenn du schwanger wärst und unseren Erstgeborenen an der Hand hältst.“ „Moment, ich stelle mir das jetzt mal bildlich vor ...“ In meiner Fantasie sah ich mich mit Takanori und einem Kind in den Armen. Dann kam ich in die Realität zurück. „Du bist ja ein süßer Vater!“ Ich kniff ihm in die Wangen. „Noch zum Glück nicht. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Stelle dir das mal vor. Auf einmal taucht ein Kind bei uns auf und behauptet ich wäre sein Va...ter ...“ Yasumi, du machst mir Angst! Okay, stelle es dir nicht vor. War ja auch nur ein Scherz.“ Er schluckte. „Guck mich nicht so böse an, bitte!“ Ich wandte den Blick von ihm ab. „Das ich nicht lache. Hahaha ...“, murmelte ich, dann gab ich ihm den Gnadenstoß. Absichtlich. „Was ist mit deinen Eltern? Werde ich sie auch irgendwann kennen lernen?“ Takanoris Augen weiteten sich kurz auf, dann stockte er. Ich wusste, ich hatte ihn genau da getroffen, wo es schmerzte, aber wir konnten doch nicht die Augen vor der Wahrheit schließen! „Brauchen wir nicht ihren Segen? Ich habe deine Mutter und deinen Vater ...“ Weiter konnte ich nicht sprechen. Ich wollte ihm sagen, dass ich Ukes Mutter gesagt hatte, sie solle auch die Eltern der GazettE-Membern einladen. Ich schob Takanoris Gesicht von meinem weg und wischte mir über den Mund. „Mich zum Schweigen zu bringen, hilft nicht viel!“, sagte ich etwas lauter. Er sah mich kalt an. So kalt, das ich mir wünschte, dass ich es nie gesagt hätte. Der Wind wehte seine Haare zurück, sodass sein Gesicht frei wurde. Er winkelte seine Beine an und zog sie eng an den Körper. Ich merkte, dass er traurig wurde und selbst jetzt sah er unwiderstehlich aus. „Ich werde dich ihnen nicht vorstellen. Sie werden dich nicht wollen. Sie wollen niemanden!“, schrie er halblaut. „A... aber ...“ So erlebte ich ihn das erste Mal. Er atmete tief ein und beruhigte sich. „Yasumi, du weißt nicht, wie sie sind.“ Aus irgendeinem Grund traf mich das. „Ja. Ich weiß es nicht. Wenn ich so recht überlege, weiß ich nichts über dich, Takanori. Nicht über dich, nur über Ruki weiß ich einiges.“ Er schien zu überlegen. „Erzählst du mir bitte etwas über dich?“ Ich nahm seine Hände in meine. Dann lächelte er. Mein Herz setzte aus. So wie er zusammengekauert saß, mich traurig anlächelte und der Mond sein Licht auf ihn warf, erinnerte er mich an ein Kind, das mich brauchte. Ich fiel ihm um den Hals und unterdrückte die Tränen. Dann löste ich seine sich schützende Haltung, ging in mein Zimmer und holte eine Decke. Danach bettete ich seinen Kopf auf meinem Schoß, die Decke erwärmte ihn. „Soll ich wirklich die verdrängten Erinnerungen herausholen?“ Ich sah zu ihm runter. „Ja. Ich werde dich jetzt ausfragen.“ „Ich bin bereit.“ „Als du klein warst, Takanori, warst du da ein außergewöhnliches Kind?“ „Nein, aber mein Vater hat mich immer angeschrien. Wenn ich etwas rebellisches getan habe, haben mich meine Eltern geschlagen. Damals dachte ich, sie hätten Angst um mich gehabt. Das war hart. „Seit wann gibt es in dieser Generation denn so strenge Väter?“ „Damals habe ich gedacht, dass meine Eltern angsteinflößend sind. Meine Mutter war genauso streng wie mein Vater.“ „Warst du denn ein ungezogenes Kind?“ „Nein, aber ich war ein lautes Kind. Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber ich habe einen neun Jahre älteren Bruder. Ich hatte all seine abgetragenen Sachen. Andere Eltern haben ihren Kindern neue Fahrräder oder so etwas gekauft, aber ich bekam nur die alten Dinge von meinem Bruder. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, haben mich meine Eltern so behandelt, als wäre ich nicht ihr leibliches gewesen … Naja … da hat sich bis heute noch nichts geändert.“ Ich streichelte seine Wange und wir sahen hoch zum Mond. „Weiß du, Yasumi, damals waren Nintendos angesagt, aber meine Eltern haben mir keine gekauft.“ „Aber warum sind sie so streng zu dir?“ „Ich habe mir die selbe Frage gestellt: "Warum? Geht es nur mir so?" Wenn ich meine Freunde mit ihren neuen Sachen gesehen habe, habe ich meinen Eltern erzählt, "x-kun und y-kun haben dies und das." Aber ich wurde schließlich nur dafür angeschrien, so etwas zu fragen. Deshalb hasse ich auch heute noch Nintendos!“ Ich schluckte. Nintendo war meine Lieblingskonsole! „Warst du denn kein braves Kind, obwohl du solche Eltern hast?“ „Zu Hause war ich ein gutes Kind, aber außerhalb des Hauses war ich böse.“ Takanori kicherte und mein Schoß bebte. „Immer wenn meine Eltern herausfanden, dass ich draußen ungezogen war, haben sie mich angemotzt.“ „Was wolltest du damals werden?“ „Ein Manga Zeichner. Ich liebte und liebe es immer noch zu zeichnen.“ „Wie süß. Hast du damals Kunststunden genommen?“ „Ich hatte andere Kurse, wie Kalligraphie, Mathe und Schwimmen in der Nachhilfeschule. Meine Eltern wollten ja ein gutes Kind erziehen. „Nachhilfeschule? Gingen da auch deine Freunde hin?“ „Keine von meinen Freunden oder Klassenkameraden mussten zu diesem Unterricht. Nach der Schule da hin zu müssen, war definitiv nervig. Wenn ich nach Hause kam, hatte ich immer noch eine Menge zu tun, deshalb habe ich es gehasst. Dann habe ich angefangen, zu schwänzen. Natürlich wurde ich dafür bestraft. Besonders während der Sommerferien. Alle Leute sind draußen und haben Spaß, aber weil ich immer rebellisch war, musste ich zu Hause bleiben.“ „Was hast du 'rebellisches' gemacht?“ „Ich bin nicht zu diesen Nachhilfestunden gegangen, deshalb wurden meine Noten schlecht. Deshalb habe ich Hausarrest bekommen aber ich wollte ja sowieso nicht zur Nachhilfeschule, also war es so, dass ich es mir viel mehr selbst ausgesucht habe, zu Hause zu bleiben. Wenn meine Eltern zu Hause waren, stand ich unter strenger Beobachtung. Wenn ich zu Hause lernen sollte, hatte ich immer einen Manga in der Schublade. Wenn meine Eltern in der Nähe waren, habe ich ihn versteckt. Seitdem habe ich diese Tricks benutzt, um dem Lernen zu entkommen.“ Wir lachten. „Das ist eine gute Idee!“ „Mit der Zeit wird man kreativ.“ „Wie war denn deine Nachhilfeschule?“ „Sie war nicht normal, weil da andere ungezogene Kinder waren. Deshalb war es normal, den Lehrern nicht zuzuhören. Ich habe einfach immer meinen Manga mitgebracht und gelesen.“ „Was hast du während der Sommerferien zu Hause gemacht?“ „Morgens waren meine Eltern bei der Arbeit und ich somit fast 'frei'. Vormittags habe ich viele Animes und besondere Sommer-Tv-Serien geguckt. Aber bevor meine Eltern nach Hause kamen, musste ich mit den Hausaufgaben fertig sein. Meine Eltern haben die Antworten für die Aufgaben versteckt, also musste ich sie erst suchen und sie dann abschreiben. Manchmal habe ich auch versucht, die Aufgaben selber, ohne die Lösungen, zu machen, aber fast jeden Tag hab ich sie einfach direkt von den Blättern übernommen.“ Ich spielte mit seinen Haaren. „Wusstest du, dass du ein sehr guter Redner bist? Ich höre dir echt gerne zu!“ „Danke.“ Er küsste meine Hand. „Mich interessiert gerade, was Taka-chan damals für Musik gehört hat.“ „Mein Bruder hat X Japan gemocht. Aber wenn ich sie gehört habe, haben meine Eltern mich angeschrien. „Wieso?“ „Der Grund dafür ist, dass die CD, die mein Bruder hatte aus der Indie-Zeit war, "VANISHING VISION"; Das Cover war sehr erotisch. Ist das für ein Kinderherz nicht interessant? Deshalb habe ich mich heimlich in das Zimmer meines Bruders geschlichen und die CD dort gehört.“ Ich lachte. „Wann war das so ungefähr?“ „Da war ich in der 4. Klasse.“ „Also hast du eine Menge Musik wegen deines Bruders gehört? Verdanke ich ihm GazettE?“ Er lachte. „Mein Bruder mochte Metal, deswegen hat er 'Helloween' und 'Guns N' Roses' gehört. Zu dieser Zeit waren Horrorfilme angesagt und es wurde 'heftige' Musik für die Filme benutzt.“ Ich dachte nach. „Inwieweit magst du Horror?“ „Ich bin in dieser Zeit sehr davon beeinflusst worden. Der Film, der mich am meisten beeindruckt hat, war "Child's Play". Ich habe mich immer rausgeschlichen, um ihn mitten in der Nacht zu sehen. Der Raum war extrem dunkel und ...“ „Lass mich raten: Du hast mit dem Kopfhörern gehört!“ „Richtig! Hast du das auch getan?“ „Ja, aber nicht für Horrorfilme. Takanori, bist du rebellisch geworden, weil deine Eltern so streng waren? Ich meine so was wie die umgekehrte Psychologie.“ „Sie haben mir gesagt, dass ich nicht fernsehen darf, deshalb habe ich mitten in der Nacht mit Kopfhörern im Wohnzimmer geguckt. Von da an, war ich ein Nachtmensch. Seitdem liebe ich noch immer Horrorfilme und hasse Nintendos.“ Neeeeiin, nicht Nintendos! „Da Terminator zu der Zeit angesagt war, waren auch Waffen und Messer angesagt. Deshalb bin ich zu solchen militärischen Läden gegangen um Gaspistolen und Messer oder Krieg-Schutzbrillen zu kaufen“ „Was?Warum haben die Angestellten in solchen Shops so etwas an Grundschüler verkauft?“ Er lachte. „Dieser Shop war ziemlich seltsam. Der Angestellte war ein Freak, der ein Band um seine Stirn trug. Er hat solche Sachen total gleichgültig an kleine Kinder verkauft, als wäre das normal.“ „Um Gotteswillen! Und woher bekamst du Geld? Jetzt sag nicht, dass du geklaut hast.“ „Nun, es gab eine Menge Fälle, wo meine Eltern es im Nachhinein herausgefunden haben und mich anschrien, weil ich ihnen nicht direkt sagen konnte, dass ich das Geld brauche, um Waffen zu kaufen. Deshalb habe ich ihnen erzählt, dass ich das Geld brauche, um Snacks zu kaufen. Ich habe ihnen bis heute nichts davon erzählt. Das war jetzt das erste mal, dass ich öffentlich darüber geredet habe. Jedenfalls war das Messer ein Großes, wie Rambos.“ „Rambo? Hat mich noch nie interessiert ...“ „War Taka-chan in Shops für Erwachsene?“ Er lachte wieder. „Was soll denn diese Frage? Zu dieser Zeit war ich nicht interessiert an Erotik. Aber ich mochte gefährliche Sachen. Auch, wenn ich Horrorfilme geguckt habe, habe ich mir die blutigsten und gewalttätigsten herausgesucht“ „Schon gut.“ Ich sah zu dem Kirschbaum. „Hast du andere Spiele gespielt als deine Altersgenossen und Klassenkameraden?“ „Wie gesagt, alle haben mit Nintendos gespielt.“ Wieder Nintendo! „Warst du deswegen ein Außenseiter, weil du keins hattest?“ „Auch wenn ich denke, einer gewesen zu sein, gab es da diese assi Schüler und die unheimlichen Schüler. Es gab eine Menge Leute mit einer besonderen Eigenschaft, also denke ich, ich war kein Außenseiter.“ Ich verstand nicht so recht aber fragte da nicht weiter nach. „Wie warst du in der Mittelschule?“ „Du weißt ja, Kinder fangen da an, sich für Sex zu interessieren. Aber meine Eltern haben es nicht mal so weit kommen lassen, dass ich daran gedacht habe. Als ich auf die Mittelschule kam, sind sie strenger als jemals zuvor geworden.“ „Hattest du damals eine Freundin?“ „Versprich mir, dass du nicht eifersüchtig wirst.“ „Nö.“ „In meinem ersten Jahr auf der Mittelschule, hat mir eine aus dem 3. Jahr ...“ „Was? Aus dem 3. Jahr?“ „Unterbreche mich nicht! Ich glaube, du warst zu lange mit Yumi zusammen. Und ja, aus dem 3. Jahr. Sie hat mir ihre Liebe gestanden. Das Ding ist, sie war ein Yankee und der Anführer einer Gang. Später fand ich heraus, dass sie ein Junkie war. Eine Menge Leute wussten das, nur ich nicht... Aber ich hatte niemals diese Art von Gefühlen für sie.“ „Warst du auch unartig in dieser Zeit?“ Er sah mich an und grinste. „Ich habe im Zimmer meines Bruder Pornos entdeckt und heimlich angesehen.“ „Böser Junge.Für was für Sachen außer Mädchen hast du dich noch interessiert?“ „Haare färben. Anfang haben nicht viele Leute ihre Haare gefärbt. Aber als mein Kumpel sie sich erst einmal gefärbt hatte, hab ich es auch getan. Ich habe sie nach und nach immer heller gemacht und so haben es auch meine Eltern herausgefunden.“ „Ups.“ „Es ist egal, ob Sommerferien oder sonst was sind. Alles, was von der Regel abweicht, ist verboten. Ich hatte sogar eine Ausgangssperre.“ „Wann hast du angefangen zu rauchen?“ „In der Mittelschule als ich 16 war.“ „Haben deine Eltern nichts mitbekommen, wenn deine Kleidung nach Rauch roch?“ „Nope. Ich habe damals nicht zu viel geraucht, deshalb haben meine Eltern davon nichts mit gekriegt.“ „Hast du damals jemadem deine Liebe gestanden?“ „Nein.“ War die Antwort. Ich versuchte etwas daraus zu interpretieren. Vergeblich … Takanori, der meinen Blick verstand, fing an zu erzählen: „Ich würde niemals einem Mädchen meine Liebe gestehen. Wenn ein Mädchen mir ihre gesteht, fühlt es sich so an, als hätte ich sie in der Hand. Wenn ich aber meine Liebe zuerst gestehe, dann bin ich ihr ausgeliefert. Das fühlt sich an, als hätte sie mich an der Leine. Es wäre unerträglich, wenn sie mir jemals einen Korb geben würde. Mein Selbstwertgefühl ist sehr hoch, weil ich es hasse, links liegen gelassen zu werden.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Ja, Yasumi. Bei dir war es anders. Du hast mir zwar indirekt deine Liebe gestanden, aber ich habe den ersten Schritt gemacht.“ Ich wurde rot. „Hast du mal böse zu einem Mädchen?“ Mein Freund nahm meine Hand und sah zu dem Kirschbaum. „Ja, das war ich. Und das bin ich bis heute. Wenn man nicht weint, ist es einem egal. Deshalb habe ich absichtlich etwas gesagt, was sie zum Weinen bringt. Ganz schön hinterhältig, nicht? Dann habe ich mich um sie gekümmert. Ich habe mich gefühlt, als würde ich sie mit Zuckerbrot und Peitsche manipulieren. So, jetzt ist es raus! Mensch!“ „Ich habe mal ein paar alte Bilder von dir gesehen, du hattest gefärbte Haare. Erzähl mir bitte, wie deine Eltern darauf reagiert haben.“ Er seufzte. „Ich hatte einmal meine Haare grün gefärbt. Zu Hause habe ich schwarzes Haarspray benutzt, um es abzudecken. Am Morgen habe ich mir das schwarze Spray dann vor der Schule im Park ausgewaschen. Aber einmal habe ich das schwarze Spray zu lange nicht benutzt und sie sind braun geworden. Ich dachte, ich wäre geliefert!“ Ich lachte. „Sofort habe ich mir eine schwarze Haarfärbung gekauft, aber sie sind nicht wieder schwarz geworden. Dann haben meine Eltern bemerkt, dass etwas nicht stimmte und meinten »Zeig uns mal deine Haare!« Als sie das Braun gesehen haben, haben sie sofort eine Schere genommen und...“ „Nee oder, sag mir nicht, sie hätten ...“ „Meine Haare abgeschnitten... Doch so war es. Es war entsetzlich.“ Ich schüttelte den Kopf. „Wie lief deine Highschool?“ „Ich habe bei den Aufnahmeprüfungen mitgemacht und liebte es noch immer, zu zeichnen. Zuerst wollte ich zu einer Kunst-Highschool gehen, weil ich später Bilderhauer werden wollte. Also habe ich mir eine Highschool ausgesucht, die sich auf Kunst spezialisiert hatte. Aber ich habe vergessen, die Bewerbung vor der Deadline abzuschicken, deshalb wurde ich nicht aufgenommen. Ich bin zu einer niedrigeren Highschool gegangen.“ „Das ist natürlich doof. Aber du wolltest Bildhauer werden???“ „Ob du es glaubst oder nicht. Weil ich gerne geschnitzt habe, wollte ich Bildhauer werden. Natürlich habe ich meinen Eltern nie davon erzählt. Ihnen habe ich nur gesagt, ich wolle Designer werden. Schließlich gab es nur noch eine Highschool, die berühmt war. Als ich meinen Eltern davon erzählt habe, meinten sie »Ist das die Strafe?« Und erst als die Schule besucht habe, habe ich kapiert, was sie meinten.“ „Was ist passiert?“ „Es war von anfang an schlecht. Eine Menge Leute haben ihre Haare gefärbt als die Schule anfing. Eine Menge Lehrer waren ehemalige Kriminelle. Sie sahen aus, als würde sie jede Minute eine Schlägerei anfangen. Deshalb ist nicht lang vor Schulstart etwas Gewalttätiges passiert. Daran Erinnere ich mich sehr gut: Wir waren zum Mittagessen draußen. Wir haben den Schrei einer Frau gehört; Ich dachte »Was ist los?« Dann bin ich dorthin gegangen. Ich sah einen Schüler mit Brille, der ziemlich schwach aussah und zwei Butterflymessern. Er wurde immer gemobbt und alle sahen auf ihn herab, deshalb hatte er die beiden Messer mitgebracht, um sich bei den Leuten zu rächen. Nachdem ich das gesehen hatte »Diese Schule ist echt unmöglich.« Jeden Tag ist so etwas in der Art passiert.“ „Wie schrecklich!!“ „Nicht wahr?Die Schule war wirklich schlecht. Dort gab es absolut keine akademische Atmosphäre. Meine Klasse war zwar eine Kunst-Klasse, aber niemand von ihnen hat später in dem Bereich einen Job bekommen. Vor allem sind eine Menge Leute vorher geflogen. Am Anfang waren es 30 Leute. Ich bin im Sommer meines dritten Jahres auf der Highschool rausgeflogen. Die Abschlussklasse hatte weniger als 10 Schüler. Eine Menge Leute meinten »Warum bist du nicht bis zum Abschluss geblieben?«. Es hatte keinen Sinn, weiter zu machen.“ Ich überlegte und sah hoch zu den Sternen. „Was denkst du?“ „So schlimm war ja deine Kindheit nicht. Naja... außer halt deinen Eltern und dass du ein Möchtegern-Bad-Boy warst.“ „Möchtegern?!“ Er schnippte auf die Stirn. „Das war doch nur meine Kindheit, es geht noch weiter.“ Ich lachte. „Davor musst du mir mal eine Frage beantworten. Diese Frage habe ich mir schon öfters gestellt, aber mir kam sie nicht über die Lippen. Ich habe einmal gesehen, wie du in ein Buch geschrieben hast und dieses dann als ich kam in die Schublade neben deinem Bett getan hast. Was schreibst du da rein?“ Schweigen. Dann legte er los. „Wenn du es unbedingt wissen willst. Es ist mir zwar ein bisschen peinlich aber … Es ist eine Arte Tagebuch für mich. Naja, eher indirekt, denn ich berichte nur über dich. Meine Yasumi-Studie sozusagen.“ Ich sah den Mann an, der zu mir hoch sah. „Inwiefern?“ „Ich schreibe, wie du in welcher Situation regiert hast, wie sich deine Augenfarbe ändert, wenn deine Gefühle sich ändern und wie du mit Gestik und Mimik sprichst. Alles halt! Das ist meine Yasumi-Studie. Da siehst du mal, wie sehr ich dich liebe!“ Stille, dann bekam ich einen Lachflash. Takanori richtete sich auf und sah mich fragend an. „Machst du dich etwa über mich lustig???“ „AHAHAHAH.“ Dann versuchte ich mich zu beruhigen. „Du bist mir ja einer! Deswegen siehst du mich die ganze Zeit so forschend an! Jetzt wird mir einiges klar!“ „...“ „Ich wollte dich nicht verärgern. Tut mir leid.“ Er winkte genervt ab. „Schon gut ...“ „Erzähle bitte weiter. Was hast du als Teenie getan bevor du in die Band kamst?“ „Jetzt habe ich keine Lust mehr zu erzählen.“ Ups! Hatte ich ihn verärgert? Kein Wunder... Ich habe ihn ausgelacht, obwohl er so etwas süßes gemacht hat. Jetzt musste ich mich wieder versöhnen. „Taka-chan?“ Ich nahm seine Hand und er zuckte zusammen. „Yasumi! Warum bist du so kalt?“ „Ich bin ein wandelnder Nordpol“, scherzte ich. „Ich weiß nicht, wann wir das nächste mal unter uns sind. Bitte erzähl mir etwas von dir.“ „Hör auf, so süß zu sein!“ Er setzte sich hin, machte die Beine breit und deutete, ich solle mich dazwischen hinsetzten. Dann deckten wir uns zu und betrachteten den Kirschbaum. „Zieh deine Beine an, sonst werden sie noch kälter als der Nordpol.“ Ich tat es. Egal wie pervers wir hier auf der Veranda saßen, ich fand es total süß von ihm. Er gab mir von seiner Wärme ab, die ich an meinem Rücken und meinen Oberschenkeln entlang spüren konnte. „Und hopp!“ Seine Arme umschlossen meinen Bauch. „Ich hoffe, dir ist es wärmer.“ „Dan...ke“, stotterte ich und versuchte meine Gedanken zu ordnen. „Du bist echt ein toller Mann, obwohl du als Kind unartig warst“, scherzte ich, doch er schien es nicht zu bemerken. „Ich wollte damals eben ein böser Junge sein, gerade weil meine Eltern so streng waren.“ Seine tiefe Stimme brachte mein Herz zum Schmelzen. „Aber egal wie streng deine Eltern waren und du sie nicht magst, Takanori. Im Moment danke ich ihnen, dass es dich gibt.“ Ich spürte ein zucken. „Was ist?“ „Das hättest du nicht gesagt, wenn du sie kennen würdest.“ Seine Stimme klang brüchig. „Ach was! Bestimmt bist du nur traumatisiert davon, was früher passiert ist. Inzwischen müssten sie dich ja so akzeptieren wie du bist.“ Takanori, ich versuche dich darauf vorzubereiten, dass du bald deinen Eltern begegnest. Ich habe sie zu Ukes Geburtstagsparty einladen lassen … Aber davon werde ich dir nichts erzöhlen. Rukis Sicht: Meine Arme um Yasumis Bauch verengten sich. „Ach, Yasumi. Wieso willst du das nicht verstehen?“ Sie drehte leicht den Kopf zu mir und ich schmiegte mich an sie. „Selbst meine Mama hat mich viel weniger bemuttert als du. Wenn wir heiraten will ich nicht so sein wie meine Eltern. Ich ...“ „Du wirst sicher ein toller Papa, Taka-chan.“ Yasumi lächelte, jedenfalls dachte ich, dass sie lächelte, da ich mein Gesicht in ihrem Haar versteckt hielt. „Doofe Gans.“ „Ich mag dich auch ...“ Stille. Dann summte meine künftige Frau ein Lied vor sich hin. Ich kannte es. Ich kannte es zu gut. Oben im Himmel sahen die Sterne auf uns herab, eine Wolke war gerade dabei, den Mond zu verdecken. Der Kirschbaum wurde für eine Zeit dunkel wie auch der Rest des japanischen Gartens. Und Yasumi summte immer noch. Ich wollte mir die Ohren zu halten. Würde Yasumi meine Hände nicht so fest umklammern, hätte ich es auch getan. Dann hörte sie auf. „Dein Herz, Takanori. Es hat seinen Rhythmus verändert.“ „Das bildest du dir ein.“ Wieso sollte ich zugeben, dass das Lied die Erinnerungen in mir hochkommen ließ? „Ich habe dich auch studiert, Takanori. Sowas kannst du vor mir nicht verbergen.“ Die Wolke verschwand und der Mond strahlte weiter. „Was für Gedanken stecken hinter dem Lied »Shishi gatsu Youka«?“ Erwischt. „Ich finde das Lied traurig. Du singst über etwas Trauriges, obwohl die Melodie schnell ist. Aber genau diese schnelle Melodie unterstreicht das Traurige und macht es noch trauriger. Was meinst du eigentlich mit 8. Juli? In dem Lied »Wakaremichi« erwähnst du dieses Datum auch. Ist »Shishi gatsu youka« die Fortsetzung von »Wakaremichi«?“ Ich hielt ihr den Mund zu, damit ich auch mal zur Wort kam. „Yasumi. Manchmal machst du mir echt Angst. Es ist genau so, wie du gesagt hast. Nein, drehe dich nicht um!“ „Okay … Ehm... Wer ist denn diese Frau, für die du zwei Lieder geschrieben hast?“ „Höre ich da etwa die Eifersucht?“ „Takanori!“ Ich wartete kurz und weckte alte Erinnerungen. „Als ich etwas jünger war als du, ich glaube, ich war 17, lernte ich eine Frau kennen. Sie war die Verlobte meines Chefs. Ich selbst habe mal als Kellner gejobbt, um neben der Schule noch etwas Geld zu verdienen. Woher sollte ich auch meine Zigaretten bezahlen? Jedenfalls kamen wir uns näher und trafen uns auch außerhalb meiner Arbeitszeiten. Wir unternahmen sehr viel gemeinsam und hatten viel Spaß. Und eines Tages gestand sie mir ihre Liebe.“ Yasumi zuckte zusammen. „Ja“, sagte ich, „obwohl sie verlobt war. Sie sprach davon, ihren Mann zu verlassen und machte mich zu ihrem Geliebten. Da sie nur verlobt waren, wohnten sie nicht zusammen. Ich ging ab und zu bei ihr vorbei. Eines Tages kam sie frustriert nach Hause, wo ich auf sie wartete, und erzählte mir unter Tränen, sie hätte die Verlobung aufgelöst. Wir schliefen miteinander und sie wollte, dass ich bei ihr einziehe. Ich weiß nicht woher und wie, aber meine Eltern bekamen Wind von der Sache und es gab einen ordentlichen Prügel von meinem Vater. Und danach das Geschreie meiner Mutter. Sie sagte Sachen wie »Was ist nur aus dir geworden?« oder »Was haben wir bei dir falsch gemacht?«. Ich entgegnete, dass ich sie liebte und zu ihr ziehen wollte. »Das bildest du dir nur ein!«, hatte mein Vater gesagt und wir schrien uns weiter an. Ich war mir absolut sicher, dass ich bei ihr mein Glück gefunden hatte. Aber mein Vater schlug mich und schrie: »Dann komm nicht zurück, wenn du verlassen wirst!«. »Das wird nicht passieren!«, versicherte ich meinem Vater.“ Ich machte eine Pause und horchte, ob Yasumi überhaupt atmete. Nein. In meinem Kopf hallte die Stimmer meiner Mutter. Ich war so sauer auf sie gewesen, obwohl ich der Schuldige war. „Mein Vater schmiss mich knallhart aus dem Haus. Es war Winter und ich hatte keine Jacke oder sonst noch was dabei. Lediglich mein Portemonnaie mit dem Geld, was ich gespart hatte. Also machte ich mich auf dem Weg in die nächste Telefonzelle und rief sie an. Sie holte mich mit dem Auto ab und brachte mich zu sich nach Hause. Dort wurde ich verarztet.“ Ich erinnerte mich an sie. Hana heiß sie. Dunkelbraune, kurze Haare, stets ein Lächeln auf den Lippen, ein lebensfroher Mensch. Sie war zart wie ihr Name, wie eine Blume. Immer wenn ich angepisst von meinen Eltern zur Arbeit ging, war sie es, die mich wieder aufgebaut hatte. So naiv wie ich war, hatte ich mich an ihre Freude am Leben verliebt. Das hatte ich an ihr geliebt. Immer hatte sie befremdliche Einfälle und zog sie durch. Es war lustig zusammen gewesen. „Wir hatten viel zusammen gelacht“, berichtete ich Yasumi. Aber so viel, wie sie mich zum Lachen brachte, brachte sie mich auch zum weinen: Kaum fünf Wochen nachdem ich zu ihr zog kam sie taumelnd in ihre Wohnung, die Augen stark angeschwollen vom Weinen. Ich fragte sie, was los sei und nahm sie in die Arme. Sie brach zusammen. Als sie wieder zu sich kam, erzählte sie mir, sie wäre Schwanger und das Kind wäre von ihrem Verlobten. Sie würde es nicht abtreiben. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Mein Herz zersprang in tausende Stücke und plötzlich hasste ich dieses ungeborene Ding. Ich hasste es abgrundtief. Noch an dem Tag wollte sie, dass ich gehe. Sie entschuldigte sich auf den Knien bei mir, dass sie meine Gefühle verletzt hätte und mich nicht verdiene. Ich tat unbeholfen und reagierte gelassen, obwohl es wehtat. Ein letztes Mal umarmten wir uns. Bitte, sagte sie, lass uns nie über den Weg laufen. Ich will dich nicht mehr traurig machen. „Als aus uns nichts wurde und ich ihr Haus verließ, wusste ich nicht ganz, wohin ich gehen sollte. Zu meinen Eltern konnte ich ja nicht mehr zurück. Also entschied ich mich vorübergehend auf der Straße zu übernachten. Ich weiß nicht mehr wie, aber ich wurde von Junkies angesprochen und irgendwie kam dann die Polizei. Ich wurde festgenommen und meine Eltern wurden ins Revier geholt. Dort entschuldigten sie sich meinetwegen bei den Polizisten und meinten, sie hätten mich noch härter erziehen müssen.“ Yasumi sagte nichts. „Obwohl ich nichts angestellt hatte, wurde ich nach Hause geschleppt, geschlagen, gedemütigt. »Von wegen, das wird nie passieren. Sie hat dich auf die Straße gesetzt und wärst fast zu einem Junkie geworden!« »Vater«, hatte ich gesagt, »ich habe es dir doch erklärt, das war anders!« »Sei froh, dass ich dich überhaupt ins Haus lasse!« Doch wie immer hörte er mir nicht zu. Selbst meine Mutter konnte unseren Streit nicht mehr ertragen und sie setzte sich für mich ein. Zum ersten Mal.“ Ich fragte mich, warum Yasumi so plötzlich versuchte meine Arme von sich zu ziehen. Erst Jetzt merkte ich, dass ich sie wortwörtlich zerquetschte. „Tschuldige.“ „In einem Interview habe ich gelesen, dass du einmal einen Streit zwischen deinen Eltern hervorgerufen hättest.“ „Ja, das war er. Ich sperrte mich tagelang in mein Zimmer und kam erst raus, als mein Vater das Haus verließ. Er kam erst Wochen später zurück. Was weiß ich, was und wo er getrieben, aber meine Mutter war sehr depressiv geworden. Das war meine Schuld. Wenn ich jetzt so zurückblicke, dann ...“, weiter sprach ich nicht. Yasumi stand auf und umarmte mich. „Yasumi ...“ „Du bist so süß, Taka-chan.“ Dann legte sie ihren Kopf auf mein Schoß. „Wenn wir zurück sind, lass uns bitte Super Nintendo spielen“, sagte sie müde und schloss die Augen. Mein Herz flackerte. „Ach Yasumi. Du bis so unberechenbar. Ich liebe dich. … Aber leider bist du schon eingeschlafen... Doofe Gans“, lachte ich und blickte in den Himmel. Dann ging die Zimmertür auf und die Haufen Freunde kamen kichernd herein. „Da seid ihr also!“ „Ihr habt was verpasst!“ „Kyoko-chan war so bezaubernd, nicht wahr Yuu-kun?“ „Er wird rot!!!“ „FOTOOOO!“ „Hört auf! Nein!“ Ein Blitzlicht. „Und von den beiden auch!“ Yasumi und ich wurden auch fotografiert. „Geht es ihr gut?“ Uke kam zu ihr und deckte sie zu. Danach berührte er ihre Stirn. Seine Hand wanderte zu ihrer Wange, die er zu streicheln begann. Ich packte seine Hand und die Freunde im Zimmer wurden still. „Ich gebe sie nicht her!“ Meine Stimme klang so, als könnte sie einen Diamanten zerschneiden. Ich sah ihn streng an. „Und ich nehme sie mir.“ Uke klang genauso ernst und seine Blicke bohrten sich in meine Augen. „Einfach wird das nicht.“ „Das werden wir schon sehen.“ Er riss seine Hand aus meiner. Und wir funkelten uns an ohne ein Wort zu sagen. Das Mondlicht ließ ihn vor mir wie ein Gespenst aussehen und einen Moment fragte ich mich, ob ich es mit der Geisterwelt aufnehmen könne. Ja! Wenn es um Yasumi geht, nehme ich es mit jedem auf! „Heißt das etwa …? Heißt das etwa …?“ Bevor Yumi es aussprechen konnte, hielt sie ihren Mund zu. Die anderen Männer sahen sie warnend an. Sie ließ den Kopf hängen.„Geht bitte in eure Zimmern. Ich bin müde und Yasumi schläft bereits.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)