Pierced von Sarano (Sequel of the ´Fallen´) ================================================================================ Kapitel 1: Part I - Distance ---------------------------- Sarano and Arani Shadon present Pierced Sequel of the 'Fallen' Band: Dir en grey Pairing: Toshiya/Shinya, Kaoru/Die, Kyô /Shinya (one – sided), OC/Toshiya (one-sided) Genre: ooc, romance, angst, trauma, depression, self - hate, dark, lemon Time: 2001 Place of the Act: Tokyô Begonnen: 10.11.2008 Beendet: ~~~~~ Act One - Distance 2001 - March 3th Shibuya Palace [1] Tokyô 14.23 Uhr Regen fiel leise gegen die Wagenscheiben, perlte dort zu winzigen Tropfen, die sich durch die Bewegung des schwarzen Rover zusammenfanden und zu Rinnsalen wurden, dabei lange tränengleiche Spuren auf dem kalten Glas hinterließen. Sie blieben nur Sekunden bestehen, dann wurden sie von den Scheibenwischern vernichtet, aber die Invasion der zerbrechlichen Krieger ließ sich dadurch nicht entmutigen. Wieder und wieder nahmen sie die glatte Oberfläche ins Visier und suchten sie vollständig einzunehmen, so wie es ihnen schon an Hunderten von Objekten der riesigen Stadt gelungen war. Die dunklen Augen des Leaders Dir en greys starrten auf eben jene Muster, ohne sie wirklich zu sehen – auf seinem Schoss lag ein schmaler schwarzer Hefter, in seinem Inneren zwei Blatt Papier. Sie waren sorgsam von Hand beschrieben und seine Finger ruhten darüber, als würde es der größte Schatz des Langhaarigen sein, dessen violette Strähnen ohne jegliches Styling in einem eleganten, geflochtenen Zopf gefasst worden waren, der nun über seine Schulter fiel. Kaoru trug einen dunkelblauen Anzug, darunter eine Weste und einen Schlips, auf dem Armaturenbrett des schnittigen Fahrzeuges prangte eine große Sonnenbrille mit fast schwarzen Gläsern, das Radio dudelte leise vor sich hin und von Zeit zu Zeit bekamen sich die Teilnehmer des nachmittäglichen Verkehrs in die Wolle, taten ihre Meinung dann mit wütendem Hupen kund. All dies registrierte er in seinem Geist nicht. Es war dumpf und weit entfernt, weswegen es die dunkle Stimme von Jiyu brauchte, um ihn aus der Lethargie zu locken, in welche er sich geflüchtet hatte, damit er einen Moment alles von sich schieben konnte. „Kaoru-san. Ihr Telefon klingelt.“ Ein, zwei Mal blinzelte der Angesprochene, zog die Brauen zusammen und tatsächlich, nun hörte er die feine Melodie, fühlte das Vibrieren des kleinen Gerätes gegen sein Bein. Ein wenig umständlich beförderte er das Telefon aus seiner Tasche, starrte auf das kleine Bild, bevor er es an sein Ohr hob und abnahm. „Ja.“ „Ich dachte, dass dir etwas Beistand gut tun würde.“ Ein schmales Lächeln zupfte ob der warmen, vertrauten Stimme an einer seiner Mundwinkel, derweil sich sein Blick wieder nach draußen richtete – über dem gesamten Tokyô lag ein deprimierend dunkler Teppich aus Wolken, selbst die sonst so helle Neonreklame fügten sich nahtlos in das überall herrschende Grau ein. „Damit es mir wieder gut geht, müsstest du schon hier her kommen und meinen Platz einnehmen, Kyô.“ Der Sänger lachte leise, aber wahrscheinlich nur, weil er wusste, Kaoru würde es gut tun, diesen Laut zu hören. „Wir haben doch einstimmig beschlossen, dass du, oh Leader-sama, zur Schlachtbank geführt wirst.“ „Ja, nachdem ihr die Streichhölzer so manipuliert habt, dass ich nur verlieren konnte.“ „Natürlich, aber wir mussten ja wenigstens so tun, als würdest du eine Chance haben.“ Nun war es Kaoru der leise lachte, leicht den Kopf schüttelte, obwohl der Blonde das nicht sehen konnte. „Du schämst dich deiner Tat wohl gar nicht.“ „Nicht im Geringsten.“ Er hörte das selbstzufriedene Grinsen in der Stimme und dann schwieg sein Freund einen Moment und Kaoru konnte praktisch greifen und fühlen, wie sich die Aura ihrer Unterhaltung veränderte, dunkler und schwerer wurde. „Er ist heute schon wieder schreiend aufgewacht.“ Die Lider des Violetthaarigen fielen zu, sein Herz schmerzte, wie jedes verdammte Mal, wenn man ihm solche Botschaften überbrachte und nicht selten in diesen letzten Wochen hatte er sich gewünscht, dass er es nicht mehr erfuhr, dass es ihm egal war und er einfach nicht mehr darüber nachdenken wollte – bis ihn die Reue und die Schuldgefühle, so etwas überhaupt nur in Erwägung gezogen zu haben, auf die Knie warf. „Wie schlimm war es?“ „Sehr schlimm.“ Kyôs Stimme hielt den gleichen Kummer, die Machtlosigkeit, die auch er selbst fühlte und wieder schwieg der kleine Sänger einige lange Sekunden. „Ich... ich habe befürchtet, dass er nicht mehr zurückfindet.“ In seiner Kehle bildete sich ein Schluchzen, doch er hielt es mit aller Macht gefangen, er konnte dies nun nicht erlauben, nicht vor Jiyu und schon gar nicht vor einem wichtigen Termin wie diesen. Er hatte wohl zu lange geschwiegen, denn auf der anderen Seite des Telefons hörte er ein kleines, unglückliches Seufzen. „Es tut mir leid, Kaoru. Ich dachte nur, dass du es wissen solltest.“ Der Wagen stoppte sanft und der Leader starrte einfach nur aus dem Fenster und auf das Gebäude, in welchem die Pressekonferenz stattfinden würde, dann schüttelte er noch einmal leicht seinen Kopf. „Du musst dich für nichts entschuldigen, es war gut, dass du es gesagt hast. Ich muss dann.“ Eine kleine, unsichere Pause, als würde Kyô nicht richtig einschätzen können, wie er die Worte aufnehmen sollte und dann ein leises: „Viel Glück.“ Dann legte der Sänger auf und Kaoru ließ seine Lider zufallen, schnallte sich ab, die Hand an dem Türgriff, doch er zögerte, bis er ihn tatsächlich zog und dem Rover entstieg. Das Shibuya Palace starrte wie ein strenger Richter auf ihn herab und er fühlte sich immer mehr einem hilflosen Tier gleich, welches an einer Leine gegen seinen Willen gezerrt wurde, statt dem aufrechten Mann, der er eigentlich war. Isoa war an seiner Seite, hielt ihn sanft am Unterarm, als würde ihn der mächtige Bodyguard gegen einen ganzen Mob verteidigen, doch tatsächlich war niemand da, denn die Leute der Presse würden im Inneren warten, hier draußen war er unbehelligt und auch durch die langen Gänge hindurch schenkte man ihm keine Beachtung. Kaoru war froh darüber. Der Leader brauchte die Zeit dringend, um sich vorzubereiten und mit einem allerletzten tiefen Atemzug, sowie einem Blick auf die Armbanduhr, um sich zu vergewissern, dass er pünktlich war, nickte er Yutaka zu, welcher ihn ermutigend anlächelte und dann die Tür zu dem Pressesaal öffnete. Im Inneren des großen Raumes herrschte Stille und als er diesen betrat, erhob sich unruhiges Gemurmel, Kameras wurden ausgelöst, Stühle ruckten und Papier raschelte, ein Stimmengewirr und dennoch konnte er einzelne Fetzen schon verstehen, man studierte ihn, seine Züge und Kleidung und in diesem Moment war er froh, die Sonnenbrille mitgenommen zu haben, sie verbarg nun zumindest seine Augen und den Ausdruck in ihnen. Er setzte sich nach einer leichten Verbeugung auf den ihm zugewiesenen Platz, den Hefter vor sich und für einen langen, schier schmerzhaften Moment starrte er nur darauf, bevor er in die Gesichter der wartenden Journallisten blickte. Einen letzten tiefen Atemzug nahm er noch, dann begrüßte er die Anwesenden, sah dann auf sein Schriftstück, begann die Worte darauf klar und langsam zu verlesen, Yutaka übersetzte es zeitgleich, da es auch Presse aus den Staaten in diesem Raum gab. „Im Namen von Dir en Grey bitten wir um Verzeihung und Rücksicht, aber bis auf eine unbestimmte Zeit sind alle öffentlichen Termine - egal in welcher Form – abgesagt. Die Band wird sich vollkommen zurückziehen und auch die angesetzte Dokumentation über das neue Album wird aufgelöst. Bis auf Weiteres sieht sich Dir en grey nicht in der Lage, anzugeben, wann wieder eine musikalische Veröffentlichung stattfinden wird.“ Es dauerte ein paar Sekunden und dann brach der Sturm aus Stimmen los, mehr Blitze, die ihn blendeten, Mikrofone und Tonbandgeräte die in seine Richtung geschubst wurden und so entsetzlich viele Fragen, die auf ihn einschlugen, entgegen prallten, eine von ihnen schlimmer als die nächste. „Ist es wegen Shinya?“ „Hat er sich nun doch in eine Klinik einweisen lassen?“ „Bestätigen Sie das Gerücht um eine erneute Magersucht von Die?“ „Hat Kyô einen weiteren Herzinfarkt erlitten?“ „Fühlen Sie sich mit Shinyas Eskapaden überfordert? Werden Sie ihn aus der Band entlassen?“ „Was ist mit den Gerüchten, dass Toshiya und Shinya in England verblieben sind, weil sie ihre Solokarrieren voran treiben wollen?“ „Nimmt Toshiya Drogen?“ „Haben Sie ein kreatives Down, denken Sie dass Dir en Grey nicht weiter leben wird?“ „Gibt es Streit zwischen den einzelnen Mitgliedern der Band?“ Kaoru wollte seine Ohren bedecken und nur noch schreien, doch stattdessen prallte seine Faust mit einer solchen Wucht auf den Tisch, dass das Glas darauf umfiel, Wasser ergoss sich über seine Papiere, Stifte und das Mikrofon rutschte unter der Gewalteinwirkung vom Holz. „Ruhe!“ Seine Stimme donnerte durch den gesamten Saal, sie war von einer beängstigenden Kälte und einen stummen Zorn, den er nur sehr selten in seinem bisherigen Leben gefühlt hatte. Die anwesenden Frauen und Männer sahen ihn furchtsam und eingeschüchtert an, schienen in sich zusammen zu sinken, er war von seinem Stuhl aufgesprungen, dieser lag umgekippt hinter ihm und wurde gerade von Isoa aufgestellt, derweil ihn Yutaka am Arm hielt, wispernd auf ihn einredete, aber er hörte die Worte gar nicht, war wie ausgeklinkt, selbst sein Blick glich einem schmalen Tunnel. Jemand strich ihm über den Nacken und er knurrte heiser, fast wie ein Wolf, den man zu weit gereizt hatte und dann – fand er wieder zu sich, blinzelte, stöhnte dunkel, fuhr sich durch das Haar, ließ sich dann auf den Stuhl fallen. Einen Moment blieb er so, starrte nur an die Decke, bevor er sich nach vorne lehnte, die Hände in seinem Haar vergrub, die Lider fest aufeinander gepresst. Das hier war nicht gut. Stille lag über dem Saal, alle starrten ihn an und Kaoru suchte verzweifelt seine Kontrolle wiederzubekommen, Worte zu finden. Wie hatte ihm das nur entgleiten können? Yutaka hockte an seiner Seite, die Hand auf seinem Oberschenkel, sein Dolmetscher redete leise mit ihm, so lange, bis er tatsächlich ein Nicken zu Stande brachte, wieder aufsah. Shinya würde ihn hierfür hassen. Er blickte in die Gesichter der Presse, Frauen und Männer die seinen Blick erwiderten, einige von ihnen neugierig, andere erwartungsvoll und wieder andere als wäre ihm nun ein zweiter Kopf gewachsen. Ein paar Sekunden nahm er sich noch, ordnete das Papier, welches ihm Yutaka vom Boden aufgesammelt hatte, dann richtete er das Mikrofon, öffnete die Lippen. „Die Gründe, weswegen Dir en grey vorerst alle Aktivitäten einstellen wird, liegen in einem schweren emotionalen und psychischen Trauma von Shinya, welcher das gesamte letzte Jahr über massiv von einem Stalker bedrängt, verfolgt und genötigt wurde. In London eskalierte die Situation soweit, dass es zu schweren Verletzungen von Shinya, aber auch Toshiya kam. Wir, in diesem Falle Kyô, Die und ich selbst, als Freunde und Bandmitglieder, aber vor allem als Familie der Beiden, wünschen nicht, dass in irgendeiner Form Druck auf einen von ihnen ausgeübt wird. Sie brauchen die Ruhe, um sich von den Attacken erholen zu können.“ Kaoru ließ seinen Blick ruhig über die Menge gleiten. „Ich wünsche keine Fragen zu diesem Thema, sollten sie mir dennoch bekannt werden, leite ich rechtliche Schritte gegen die betreffende Person ein, unabhängig von der herrschenden Pressefreiheit. Bitte haben Sie Verständnis dafür. Einen angenehmen Tag noch.“ Er wartete nicht ab, ob die Meute in irgendeiner Form über ihr sprachloses Erstaunen reagieren würde, sondern erhob sich elegant, verbeugte sich tief und verließ dann den Saal. Yutaka und Isoa ließ er hinter sich zurück, stoppte nicht, bevor er in der Herrentoilette war, wo er sich in einem der Ställe einschloss, still auf die Schüssel setzte, nur vor sich hin starrte. Die ersten Tränen kamen ganz unbemerkt, doch dann brach sich der verdammte Damm und Kaoru zog die Knie zu sich hoch, verbarg sich und rollte sich zusammen, derweil sich seine Schultern harsch schüttelten. Bei den Göttern, was hatte er nur getan? ~~~~~ 14:35 Uhr Ein letztes Mal drehte sich der Körper des Liegenden in die andere Richtung, weg von dem Fenster, dem Sonnenlicht, welches schon seit Stunden den Raum mit seinen Strahlen erhellte, noch immer versucht, den einzig Anwesenden aus dem Bett zu locken, doch bisher ohne Erfolg. Der mindestens zehnte Fluch perlte von zusammen gepressten Lippen, galten die Worte demjenigen, der es gewagt hatte, die Jalousien zu öffnen und nicht wieder zu schließen. Oh ja, er kannte den Übeltäter nur zu gut, dieser kleine, blonde Mistkerl. Kyô hatte es mit Absicht getan, das war ihm klar, natürlich nur mit guten Absichten, dennoch, der Sänger wusste ganz genau, warum er lieber weiter geschlafen hätte, aber nein, dieser kannte keine Gnade. Ein Murren, ehe sich müde Augen öffneten, den Kampf endlich aufgaben, auch nur noch eine Minute ins Traumland entfliehen zu können, versuchte er es schließlich seit dem Zeitpunkt, nachdem sein Freund es für nötig gehalten hatte, ihn zu wecken und dies war nun schon zwei Stunden her. Manchmal verfluchte er den kleinen Dämon. Der Oberkörper des Rothaarigen erhob sich, ehe er versuchte, sich aus der Decke zu kämpfen, in welche er sich bis zuletzt vergraben hatte. Dann stand er auf, streckte sich ausgiebig, bevor ihn seine schleppenden Schritte in Richtung seiner Zimmertür lenkten. Diese öffnend und den Raum verlassend, trat der junge Mann in den kurzen Flur, nur um anschließend in der Küche zu verschwinden, die Augen zukneifend aufgrund des Lichtes, welches ihm augenblicklich ins Gesicht schien, hatte die Sonne hier ihre ganze Macht entfaltet. Blinzelnd und sich langsam an die Helligkeit gewöhnend, bewegte sich der Gitarrist in die Nähe der Kaffeemaschine, erkannten die dunklen Opale das noch ein wenig Kaffee übrig geblieben war… etwas, das ihn verwunderte, denn in letzter Zeit, war dies das Grundnahrungsmittel ihres Leaders, aber scheinbar kam dieser heute mit einer geringeren Dosis aus als sonst. Seine Gedanken verweilten bei seinem Geliebten, als er sich eine Tasse aus einem der oberen Schränke nahm, sich danach an dem dunklen Gebräu bediente, war das Getränk auch für ihn die letzten Tage unentbehrlich geworden. Die wurde das Gefühl nicht los, als hätten sie Kaoru im Stich gelassen. War er es, welcher sich als einziger der Meute an Journalisten stellen musste, nachdem Kyô es hervorragend hinbekommen hatte, die Auslosung, wer sich den Presseleuten stellen sollte, zu manipulieren. Natürlich war er dem Sänger innerlich unendlich dankbar, hätte er selbst nicht gewusst, was er hätte tun oder erklären sollen, würde er anstelle des Violetthaarigen sein. Dennoch nagte das schlechte Gewissen an ihm. Sie alle hatten eine verdammt schwere Zeit hinter sich und bei Gott, noch lange waren die Ereignisse nicht zu verkraften, sowohl an ihm zerrte das schlechte Gewissen, aber auch an Kyô und seinem Freund und dennoch, ließen sie Kaoru in die Höhle des Löwen, ohne Beistand, vollkommen allein. Der Rothaarige schämte sich auf eine gewisse Art, keine Hilfe sein zu können für seinen Geliebten. Hasste sich selbst für all den Ärger, welchen er seinem Leader beschert hatte, nur weil er so verdammt schwach war. Aber er konnte nicht anders, gleichgültig wie oft er sich selbst noch dafür verfluchte, ihm waren die Hände gebunden, weil er so verdammt feige war. Eine Träne perlte die blassen Wangen hinab, nur um an dem Kinn zu verweilen, ehe sie hinab stürzte, den kühlen Fließen entgegen, um einen kurzen Tod zu sterben. Der Gitarrist schüttelte den Kopf, wusste das es ihm nichts brachte, sich hier und jetzt zu bestrafen für dass, was er fühlte, es würde seinem Schatz nicht helfen. Dennoch, ihm war schlecht, auch wenn er dieses Gefühl versuchte zu unterdrücken, etwas, was ihm nach einem Moment auch gelang. Noch eine Weile lang verharrte der Rothaarige in seiner Position, starrte durch das Fenster hinaus, in die Welt, welche sich weiter drehte, beobachtete die Menschen in ihrem Treiben, welche so wenig wussten, von dem Schmerz der in ihm tobte. Dann raffte er sich endlich auf, nahm die Augen von dem Bild vor sich und setzte sich wieder in Bewegung, die Tasse in seiner Hand, fest umklammernd, so dass das Weiß seiner Sehnen deutlich zu sehen war. Die Schritte des jungen Mannes, führten ihn in das Wohnzimmer seines Leaders und kaum hatte er den Raum betreten, ließ er sich auf das nahe gelegene Möbelstück fallen, das Porzellan auf dem Tisch abstellend und einen tiefen Atemzug nehmend. Wenn doch alles endlich ein Ende nehmen, alles sich zum Guten wenden würde… ein Seufzen verließ seine Lippen, ehe er die Fernbedienung an sich nahm, das TV-Gerät einschaltete und dann durch die Programme zappte, ehe er den gewünschten Sender gefunden hatte. Wenn er seinem Freund schon nicht mit seiner Anwesenheit beistehen konnte, wollte er wenigstens diesen kleinen Teil tragen, in der Hoffnung, dass Kaoru wusste, dass er gedanklich immer bei ihm war. Eine Zeit lang verging, ohne dass der Sender etwas zu der nahenden Pressekonferenz sendete, Minuten in welchen die Gedanken des Rothaarigen wieder zu kreisen begonnen hatten, bis sie auf ihrem Sänger zu liegen kamen. Wo war Kyô? Warum war er nicht hier bei ihm, wartend wie er, um zu sehen was auf der Konferenz passieren würde? Noch im selben Augenblick, er diesen Gedanken zu Ende dachte, beantwortete er sich die Frage selbst. Kyô war im Krankenhaus, wo auch sonst. Bei Shinya und Toshiya. Wieder füllten sich die braunen Augen mit Tränen, als seine Gedanken zu ihren abwesenden Freunden glitten, schüttelte sich sein Körper, ob der Schuldgefühle welche sich wie Schlangen durch sein Innerstes fraßen, wenn er daran dachte, was alles passiert war und dass er sie nicht ein einziges Mal besucht hatte. Er konnte es einfach nicht, plagte sich Nacht um Nacht, Tag um Tag, mit seinem schlechten Gewissen. Dem Wissen, dass er vielleicht all das hätte verhindern können, doch nichts getan hatte, aus reiner Feigheit. Die hasste sich so sehr für alles, was geschehen war und selbst nach alledem, hatte er noch immer nicht den Mut gefunden, Kaoru, seinem Ein und Alles, oder Kyô, einem seiner engsten Freunde, die Wahrheit zu sagen. Das er gewusst hatte, was los war, was mit Shinya war. Nein, er hatte es soweit kommen lassen und niemandem geholfen. Was für ein elender Feigling er war. Dennoch, versuchte er sich, wie jedes mal zusammen zu reißen. Hielt sich vor Augen, wer es war, der mehr litt als er, schluchzte auf, als sich das Bild ihres Drummers und Bassisten in seine Gedanken brannte… wischte sich ein letztes Mal die Tränen von seinen Augen, bis er seine Fassung wieder fand. Was nur Kaoru und Kyô sagen würden, kannten sie die ganze Wahrheit? Ein paar Minuten dauerte es noch, ehe sich der Gitarrist vollkommen gefangen hatte, mit starrem Blick auf den Fernseher starrte, versucht, all die anderen quälenden Gedanken zu vergessen, als ihm plötzlich das Herz stehen blieb, er beobachtete, wie der eingeschaltete Sender nun endlich auf die Konferenz schaltete, er sehen konnte , wie sein Geliebter die Höhle des Löwen betrat. Die Augen des Rothaarigen klebten förmlich an der Gestalt des Älteren, verfolgten jeden Schritt den dieser tat, vorbei an dem Blitzlichtgewitter der vielen Fotografen, nur um sich am Ende vor den neugierigen Schmierblattschreiberlingen nieder zu lassen. Der in der Wohnung Verbliebene erkannte die angespannte Haltung seines Leaders, auch wenn er sich alle Mühe gab, so professionell wie möglich zu wirken, Die sah, wie schwer es seinem Geliebten fiel, ruhig zu bleiben, den tiefen Atemzug , den dieser nahm, bevor dessen Stimme ertönte. Kaum waren die Worte des Violetthaarigen verklungen, dauerte es nur wenige Sekunden und dann geschah dass, was sie alle befürchtet hatten, der Ansturm der Journalisten, welche Kaoru förmlich bedrängten, in Die erneut das schlechte Gewissen aufkommen ließen, auch wenn er wusste, dass dies nichts brachte. Sie waren nun einmal dazu verpflichtet gewesen ein Statement abzugeben… selbst wenn es ihn noch so sehr ärgerte, er verstand, warum sein Freund da jetzt durch musste, gefallen tat es ihm trotz allem nicht. Mit einem leisen Seufzen verfolgte der Jüngere die Pressekonferenz weiter, runzelte die Stirn aufgrund der dummen Fragen, die diese Leute stellten. „Natürlich, Shinya sitzt in der Klapse und weil ich magersüchtig bin, hat man mich gleich mit eingewiesen. Ach und ja Kyô hatte einen Herzinfarkt, Toshiya sitzt drogenabhängig zu Hause und Kaoru, der, ist mit uns allen Verstritten und löst die Band auf… Idioten.“ Nur ein Murmeln des Braunäugigen, während sich sein Kopf fassungslos schüttelte, konnte er nicht begreifen, woher diese Journalisten auf so einen Mist kamen… ja, sie hatten Probleme, aber dass? Der Kleinere schien seiner Meinung zu sein, verfolgte er auf dem Bildschirm, wie dieser plötzlich aufsprang, so dass der Stuhl nach hinten kippte, seine Faust mit einem Schmettern auf den vor ihm befindlichen Tisch nieder sausen ließ, so dass alles darauf Befindliche von diesem fiel. „Ruhe!“ Oh ja, Leader-sama war sauer, das war deutlich zu sehen und auch zu hören, etwas, dass die bisher bellende Meute augenblicklich verstummen ließ und Die konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen, als er sah, wie die Anwesenden immer kleiner zu werden schienen. Sie hatten wohl begriffen, dass es keine gute Idee war, den Mann vor ihnen noch weiter zu reizen, rührten sich nicht und für einen kurzen Moment war es, als würde die Zeit still stehen. Isoa nahm sich des umgekippten Möbelstückes an, während Yutaka auf den Leadgitarristen einredete, zumindest sah es so aus, auch wenn keine Worte zu hören waren, löste sich die starre verkrampfte Haltung seines Geliebten. Es wirkte beinahe so, als wäre sein Freund aus einer anderen Welt wieder gekehrt. Mit den Zähnen auf seiner Unterlippe kauend, verfolgte der Rothaarige das weitere Geschehen und zu gerne hätte Die jetzt gewusst, was in den Gedanken des Älteren vor sich ging. Ihm war klar, dass der Andere mit seiner eigenen Reaktion unzufrieden war – es war nicht seine Art, dermaßen aus der Haut zu fahren – auch wenn man ihm sicher keinen Vorwurf machen konnte. Nein, er oder Kyô hätten sicherlich genauso reagiert, wenn nicht noch schlimmer, aber Die kannte seinen Geliebten zu gut um nicht zu wissen, dass dieser es nicht ebenso locker sah. Ihr Leader war eben in allem was er tat ein Perfektionist, duldete solche Gefühlsausbrüche bei sich nicht. Wahrscheinlich dachte dieser jetzt schon fieberhaft über eine passende Entschuldigung nach oder aber, er würde die Konferenz gleich beenden, ohne weitere Worte und so tun als wäre nichts geschehen!? Angespannt wartete er weiter ab, diese Ruhe, die dort in dem Presseraum herrschte war unerträglich, keiner der Journalisten hatte sich bis jetzt getraut auch nur ein Wort zu sagen… nein, die Kamera, welche in diese Richtung schwenkte, zeigte nur stumme und erstarrte Gesichter, deren Augen alle auf derselben Person gerichtet waren. Ein Schauer geisterte ihm über den Rücken, er konnte nur erahnen, wie es Kaoru in diesem Moment wohl ging… er selbst hätte schon längst die Flucht ergriffen. Minuten schienen zu vergehen, in welchen sich an dem Bild das der Fernseher zeigte, nichts änderte, noch immer saß sein Freund einfach nur da, den Blick vor sich auf die Tischplatte gerichtet, Yutaka neben sich, welcher mit ihm redete, bis er sich doch endlich rührte, nickte, den Kopf hob und in die Menge vor sich blickte. Wieder kaute der Rothaarige auf seiner Unterlippe, sich fragend, was der Kleinere nun vorhatte, welchem in diesem Moment die Papiere von ihrem Bodyguard überreicht wurden. Die Hand des Violetthaarigen richtete das Mikrofon und die Luft in dem Saal schien zu knistern, ehe Worte den Mund des Älteren verließen… Worte, welche die Augen Die´s größer werden ließen. Fassungslos starrte der Gitarrist auf den Bildschirm, gefangen in den letzten Sätzen, die Kaoru gesprochen hatte, bekam kaum mehr mit, wie dieser die Pressekonferenz verließ, erst als einer der Organisatoren erschien und das offizielle Ende bekannt gab, bemerkte er, dass dieser nicht mehr anwesend war. Abwesend schaltete Die den Fernseher ab, lehnte sich zurück in die Couch, die Augen geschlossen, in Gedanken bei dem, was sein Geliebter den Journalisten bekannt gegeben hatte. `Warum Kao? Wir waren uns doch einig? Warum hast du jetzt doch die Wahrheit gesagt? Es war beschlossen zu warten, wir wollten den beiden Ruhe… uns eine Verschnaufpause von all den tragischen Ereignissen gönnen doch nun… diese gierigen Aasgeier werden uns jetzt doch sicher nicht in Ruhe lassen. ` Die wusste einfach nicht was er davon halten sollte und noch weniger wusste er, was er Kyô sagen sollte, welcher soeben Nachhause gekommen war. Die Wahrheit? Er wusste, dass der Sänger alles Andere als begeistert sein würde… verdammt, warum hatte ihr Leader sich nicht an die Absprache gehalten? Diese und noch mehr Fragen, hämmerten durch seinen Kopf, doch zu keiner fand er auch nur eine Antwort und plötzlich schienen diese auch nicht mehr nötig… jetzt erst einmal musste er ihrem Vocal irgendwie beibringen, dass die Öffentlichkeit Bescheid wusste. Der Jüngere betrat soeben das Zimmer, überbrückte die wenigen Schritte, welche sie trennten und setzte sich neben ihn. „Hey.“ „Hey… kommst du aus dem Krankenhaus?“ Der Blonde nickte nur, ehe er die Augen schloss und sich gegen die Polster sinken ließ… der Besuch schien nicht gut verlaufen zu sein, wirkte sein Freund wie erschlagen und Die wusste nicht so recht, ob er Kyô darauf ansprechen sollte. Aber er wollte wissen, wie es den Beiden ging und er wollte ablenken, von seiner Nervosität… denn der Kleinere würde sofort bemerken dass etwas nicht stimmte. „Na los, frag schon?“ Die, so plötzlich aus den Gedanken gerissen, blickte seinen Gegenüber nur fragend an, welcher die Augen nun wieder öffnete, nachdem er keine Reaktion bekommen hatte. „Wolltest du nicht wissen wie es den Beiden geht?“ Der Ältere blinzelte leichte, nickte dann jedoch. „Du könntest dir diese Fragen leicht ersparen, wenn du sie selbst besuchen würdest.“ „Kyô…“ „Ich kenne deine Gründe. Für dieses Mal ist es in Ordnung, jedoch sieh zu, dass du deinen knöchernen Hintern endlich selbst dort hin bekommst. Toshiya ist noch immer nicht aufgewacht, die Ärzte sagen jedoch, dass es nur eine Frage der Zeit ist und Shinya… es geht ihm den Umständen entsprechend.“ Wieder nickte der Rothaarige nur, was sollte er auch sagen? Er hatte mit dieser Nachricht gerechnet, auch wenn es ihn verbitterte… keine Besserung und das schon seit so vielen Wochen. Wann würde sich daran endlich etwas ändern? Er wusste es nicht, fragte sich immer wieder dasselbe, jeden Tag, nach einem Besuch von Kyô oder Kaoru im Krankenhaus. Es war schrecklich, diese Ungewissheit wie es weiter gehen sollte und jetzt auch noch der Ärger mit der Presse… diese verdammten Journalisten werden alles nur noch schlimmer machen! Seine Hände ballten sich zu Fäusten und mit Mühe unterdrückte er das Zittern seines Körpers, denn er war sich bewusst, dass die Augen des Sängers noch immer auf ihm ruhten. „Willst du mir etwas sagen?“ „Wie kommst du darauf?“ „Du bist nervös, verspannt und völlig aufgelöst und versuch nicht, mir etwas vorzumachen, ich kenne dich lange genug. Du wolltest nicht nur wissen, wie es den Beiden geht, irgendetwas ist passiert. Ich sehe es dir an.“ „Ich weiß nicht, was du meinst.“ „Du hast schon immer schlecht gelogen, Die, und jetzt rück mit der Sprache raus.“ Der Gitarrist wusste, dass er keine andere Wahl mehr hatte, als Kyô von dem Vorfall zu erzählen. Der Kleinere hatte ihn schon längst durchschaut. „Also gut, du hast Recht. Es betrifft die Pressekonferenz.“ „Was ist passiert?“ Die braunen Augen lagen wie die eines Habichts auf ihm, studierten ihn und Die suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, doch gab es die hierfür überhaupt? Noch ein letztes Mal atmete er tief durch, ehe sich Worte einfach nur lösten, er dem Blonden von den Vorfällen berichtete und dabei beobachtete, wie sich der Blick seines Gegenübers immer weiter verfinsterte. „Kyô, er hatte sicher seine Gründe.“ ~~~~~ 2001- March 4th 3.48 Uhr Shinya keuchte erstickt, die Hände über seinen Mund, während er krampfte und sich schüttelte, einfach nur darum kämpfte, den Schrei hinter seinen Lippen gefangen zu halten, sein Atem ging heftig, wie als wäre er viel zu lange und viel zu heftig gerannt. Sein ganzer Kreislauf kippte, aber darum konnte er sich nicht kümmern, er schluchzte immer wieder und dann wurde ihm schlecht und er suchte einfach nur auf den Boden zu kommen. Er riss alles mit herunter, was sich auf seinem Bett befunden hatte, das Laken und selbst die Matratze, die Nadel für seinen Zugang löste sich, während er wimmernd zu dem kleinen Bad kroch, sich dort heftig ergab, es war nichts mehr da, er hatte den ganzen Tag gehungert und nun war es nur die bittere Galle, gemischt mit einigen Tropfen Blut – all die aggressive Säure seines regelmäßigen Erbrechens beschädigte seine Speiseröhre. Er wusste das und konnte dennoch nichts dagegen tun... er hatte einfach nicht die Kraft, seinen Körper zu retten, ließ ihn unter seinen eigenen Fingern einfach zerbrechen. Irgendwann ließ es nach und er stemmte sich hoch um zu spülen, den Deckel zu schließen, dann sank er mit dem Oberkörper auf die Toilette. Niemand kam, um nach ihm zu sehen und Shinya war dankbar dafür, er war ohnehin schon so tief gesunken, fühlte sich erniedrigt, wenn nun auch noch fremde Augen auf ihm ruhten, dann würde er endgültig als die winselnde, bemitleidenswerte Kreatur dastehen, die er jeden Morgen im Spiegel sah. Ein wenig noch, dann erhob er sich, sein Arm heilte, viel zu langsam, aber er tat es und Shinya musste darauf achten, dass er ihm nicht schon wieder zu viel zumutete, als er sich nun aufstützte, sich den Mund ausspülte, dann das Gesicht wusch. In sein Krankenzimmer zurückgekehrt machte er sich daran, sein Bett wieder zu ordnen, selbst wenn er unter dieser minimalen Kraftanstrengung bereits keuchte. Es war erschütternd, wie schwach er war, so ausgelaugt und erschöpft, dass er nur schlafen könnte, aber das wurde ihm verwehrt. Wann immer er es versuchte, kehrten die Bilder zu ihm zurück, grausam und so realistisch, sein aufgewühlter Geist machte sie noch viel schlimmer, wiederholte in einer Endlosschleife, was Toshiya widerfahren war. Das Messer... bei den Göttern... es hatte so tief in dem schlanken Leib gesteckt, so viel Blut... Shinya drehte den Kopf, verbarg ihn gegen seine eigene Schulter – wie lange war er nun schon hier? Wie viele Tage waren seit London vergangen? Er konnte es nicht mehr bestimmen, deswegen hatte er begonnen, jedes neu angebrochene Datum mit einem schwarzen Stift durchzustreichen. Shinya fühlte sich hier wie in einem Gefängnis, obwohl er sich innerhalb dieses Komplexes frei bewegen konnte. Das hatten sie ihm gesagt... der wahre Ort seiner Gefangenschaft ruhte in seinem Kopf, doch das wollte er nicht wahrhaben. Wenn Toshiya doch nur endlich erwachen würde. Es würde so vieles einfacher machen, wenn der Größere bei ihm war, hatte er einen Fokus, etwas auf das er sich konzentrieren konnte, aber so kreisten seine Sinne wieder und wieder um das, was geschehen war, er konnte davon einfach nicht abschalten. Er ließ sich entkräftet auf den Stuhl sinken, die Hände in seinen wirren Strähnen vergraben – er musste hier raus, sonst würde er durchdrehen. Vielleicht würde er Kyô morgen überreden können ihn mit nach Hause zu nehmen, zur Hölle, er würde den Kleineren auf den Knien rutschend darum anflehen, wenn er schon nicht konstant bei seinem Geliebten sein konnte, dann brauchte er etwas anderes, mit dem er sich beschäftigen konnte. Kyô war süß, wirklich, kam jeden Tag unterhielt sich mit ihm, brachte ihm Dinge vorbei, schaute mit ihm das wirklich eintönige und langweile TV-Programm, nur damit sie beide etwas leichtes hatten, über das sie reden konnten... sie alle gingen so behutsam mit ihm um und er entfernte sich dennoch immer weiter von ihnen. Sein Arzt hatte ihm eine psychologische Behandlung empfohlen, um das Trauma zu verarbeiten. Shinya hätte den älteren Mann beinahe ausgelacht. Er wusste, was nicht stimmte mit ihm und er wusste, was für ein Trauma er erfahren hatte – er brauchte nun wirklich niemanden, der ihm das jeden verdammten Tag ins Gesicht rieb und mit behutsamer Stimme suchte, ihn zum reden zu bringen. Der Drummer wollte über die Geschehnisse nicht sprechen, Ende der Diskussion. Dies war der eine Punkt, in dem er seinen feurigen Willen hatte halten können und er würde ihn verteidigen und nach allem schnappen und beißen, dass ihn in eine andere Richtung drängen könnte. Toshiya würde aufwachen... und dann konnte er mit diesem zusammen sein und den ganzen Rest vergessen. Diese Hoffnung hatte ihn die letzten Wochen durchgebracht und sie würde es auch noch so lange tun, wie sein Geliebter brauchte, um wieder zu ihm zu finden. Einen kurzen Blick warf er auf die Uhr, es war vier Uhr früh, die Nachtschwester würde erst in einer Stunde ihren Kontrollgang machen und so nur kommen, wenn es irgendwo auf der Station einen Notfall gab, er wusste, dass sie nun die Tabletten für den Frühdienst zusammenstellte und sie dabei höchste Konzentration brauchte, um nichts zu verwechseln oder sich zu verzählen. Seine Hausschuhe zog er aus, auf Socken war es zwar kälter aber er war viel leiser so, als er sich aus der Tür zu seinem Zimmer schob, über den dunklen Flur lief, das Herz dabei schmerzhaft in der Brust. Er kam sich vor, als wäre er ein Krimineller, der sich von einem verbotenem Ort zum Nächsten schlich, ihm war schlecht dabei, aber sein Verlangen Toshiya zu sehen, war wesentlich größer und am Ende huschte er leise über den breiten Gang nahe des Schwesternzimmers, presste sich dann gegen die Wand, derweil er die Tür vorsichtig öffnete, in das dunkle Zimmer trat. Toshiya lag ruhig und unbewegt in dem Bett und obwohl über die Tage immer mehr der Geräte verschwunden waren, machte es den Anblick nicht besser, doch Shinya hielt die Tränen zurück, wie jedes Mal, wenn er herkam – Toshiyas erstes Bild nach dem Erwachen sollte nicht sein verheulter Freund sein. Leise ließ er sich auf den Stuhl neben dem Bett sinken, griff dann behutsam nach der Hand des Bassisten – inzwischen war sie wieder wärmer und so wunderbar weich, wahrscheinlich cremte Kyô sie ein, er kämmte auch die Haare und wusch Toshiya, das hatte er ihm erzählt und ihm selbst half Kyô auch immer, wenn er da war. Allein würde der Drummer seine Haare niemals bewältigen können. Mit dem Daumen streichelte er einfach nur über den Handrücken, er schwieg, wusste einfach nicht mehr, was er sagen sollte. Die ersten Nächte hatte er nur darum gefleht, dass Toshiya dies durch stand und wieder zu ihm zurück kam, dass es ihm gut gehen sollte und er hoffte, ihm bald in die Augen sehen zu können. Aber nun waren alle Worte versiegt und Shinya saß nur still neben ihm. Sein Blick streifte immer wieder über das Gesicht und dann wanderte er ziellos im Raum umher, auf dem Nachttisch lag ein Buch. Einen Moment zögerte er, dann nahm er es doch auf, strich mit den Fingern sanft über den harten Umschlag. Es gehörte zweifelsohne Kyô, denn es war ein düsteres Cover, der Grund schwarz und darauf verschwommen eine bleiche Hand, ein Auge und ein paar Blutspuren – wahrscheinlich hatte der Blonde das Buch nur aufgrund des Bildes gekauft. Im ersten Drittel steckte ein Lesezeichen, wahrscheinlich hatte der Sänger dem Schlafenden vorgelesen und vielleicht konnte er es fortführen... die Stille hier drin war grausam, fraß an seiner ohnehin zerschmetternden Seele. Vorsichtig platzierte er das Buch so auf seinem Schoss, dass es nicht fallen würde und er weiterhin die Hand des Bassisten festhalten konnte, dann öffnete er es und erstarrte. Das ehemals weiße Lesezeichen wies nun eine grobe Zeichnung eines Kugelschreibers auf und als er es hoch hob, näher betrachtete, erkannte er sich selbst... und auch Toshiya. Sie beide hielten sich fest, sie wirkten ruhig, friedlich auf diesem Bild, umgeben von den Umrissen von Federn und Kristallen und einen Moment lang konnte er es nur eng gegen seine Brust drücken, die Lider dabei fest aufeinander gepresst. Woher wusste Kyô nur immer, was seine sehnlichsten Wünsche waren? Er brauchte einen Moment, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte, dann atmete er tief durch und legte das schmale Zeichen weg, sodass er es nicht sehen konnte. Sonderlich hell war es nicht in dem Raum, doch es würde ausreichen, als er zu lesen begann, erst noch vorsichtig, weil man ihn vielleicht doch hören würde können, doch dann immer fester und lauter. Shinya wusste nicht genau, wie lange er las, die Seiten gingen ihm verloren, doch er stoppte, als er Druck auf seiner Hand spürte... hatte Toshiya sich eben bewegt? Er legte das Buch wieder zurück, erhob sich dann auf reichlich zittrigen Beinen, lehnte sich über den Dunkelhaarigen, strich ihm sanft über die Wange. „Toshiya?“ ~~~~~~ 8.23 Uhr Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Bewusstsein des Schwarzhaarigen ihn langsam erwachen ließ, die Lider leicht zuckten, bevor sie sich blinzelnd einen Spalt breit öffneten, doch erkennen taten die braunen Augen nichts, sahen nur verschwommen etwas über sich. Fragen bedrängten den noch dämmernden Geist des Liegenden. Was war geschehen? Wo war er? Er fühlte das er lag… ein Bett, doch nicht sein Eigenes… seine Gedankengänge wurden durchbrochen, glaubte er eine Stimme zu hören… ein einzelnes Wort, es wiederholte sich, doch noch konnte er es nicht verstehen. Die zuvor noch verschwommene Sicht besserte sich, mit jedem Mal, dass sich die Lider erneut öffneten und langsam formten sich Konturen. Toshiya konnte nicht viel erkennen, da es Dunkel war, doch eines sah er ganz deutlich vor sich, das Gesicht des Drummers, der mit geweiteten Augen auf ihn nieder starrte, die Lippen wie im Schock geöffnet und dann… da war es wieder, dieses einzelne Wort… sein Name. Seine Augen schlossen sich für einen Moment wieder, als er versuchte sich zu sammeln, denn noch immer quälten so viele Fragen seine Gedanken und als er den Blick des Anderen erneut erwiderte, schien dieser das genau zu spüren. „Du bist im Krankenhaus.“ Die Stimme des Kleineren war nur einem Wispern gleich und dennoch hatte er diesen gehört, wollte selbst etwas sagen, doch sein Hals war wie zugeschnürt, brachte der Liegende nicht einen einzigen Laut zustande und auch dies, war seinem Freund sofort aufgefallen. „Nicht… du musst dich noch schonen.“ „Was… warum?“ Ein jämmerliches Krächzen, das fürchterlich in seinem Rachen brannte und er bezweifelte, das der Andere ihn verstanden hatte. Dieser entschwand seinem Sichtfeld und er wollte nach ihm greifen, doch jeglicher Versuch seinen Arm auch nur anheben zu wollen, scheiterte. Was war nur los mit ihm? Wieso fühlten sich seine Glieder so schwer und wo war Shinya hingegangen? Panik machte sich in seinem Inneren breit, doch bevor er dieser vollständig erliegen konnte, war der Jüngere schon wieder neben ihm, ein Glas Wasser in der Hand, welches dieser nun an seine Lippen setzte. „Vorsichtig… trink nicht zu hastig.“ Das kühle Nass war unglaublich angenehm, als es seinen Hals hinab floss, doch viel konnte er nicht aufnehmen, denn auch das Schlucken brannte wie Feuer. Sein Freund nahm das Glas wieder fort, stellte es auf das Schränkchen, welches sich zu seiner Linken befand, bevor er abermals dessen leise Stimme vernahm. „Ich bin so froh, dass du endlich aufgewacht bist.“ Verwirrt blinzelte er sein Gegenüber an, verstand noch immer nicht wirklich was vor sich ging, auch erst jetzt fiel ihm auf, wie fertig der Drummer doch aussah… unglaublich dürr, ausgemergelt und dicke Ringe unter den Augen… wieder setzte er zu sprechen an, doch ein Finger legte sich gegen seine Lippen. „Shht… dein Körper ist noch geschwächt, schließlich warst du eine lange Zeit bewusstlos. Als sie dich hier hergebracht haben, dachte ich, es sei schon zu spät. Du hast unglaublich viel Blut verloren und die Wunde war sehr tief. Sie haben dich zwar sofort operiert, doch mussten sie dich anschließend in ein künstliches Koma versetzen.“ Völlig verständnislos blickte Toshiya in das Gesicht seines Freundes… wusste überhaupt nichts mit dessen Worten anzufangen. Warum war er verletzt? Shinya schien bemerkt zu haben, das er nicht die geringste Ahnung hatte, warum er überhaupt im Krankenhaus war, denn dessen erleichterte Miene wandelte sich und schockiert schlug dieser die Hand gegen seine Lippen. „Oh mein Gott… Du kannst dich nicht erinnern!“ Toshiya wollte sich aufsetzen, den Anderen beruhigen, denn offensichtlich hatte er diesen unbewusst sehr heftig erschreckt, doch noch immer hatte sein Körper entschieden etwas dagegen, weswegen er wieder zu sprechen versuchte, nachfragen wollte, warum der Drummer so reagierte… doch hielt er inne. Ihm war, als hätte sich plötzlich ein Schalter in seinem Kopf umgelegt, erschienen nach und nach Bilder vor seinem geistigen Auge, die ihn und seine Bandkollegen zeigten. Doch wo… er versuchte sich zu erinnern, dem was ihm gezeigt wurde, eine Zeit zuzuordnen, aber es wollte ihm nicht gelingen. Der Schwarzhaarige glaubte Stimmen zu hören, hämisches Lachen, ein Schluchzen, ein Schrei… alles vermischte sich, hämmerte sich unnachgiebig in seine Gedanken… die Bilder, sie liefen wie bei einem Stummfilm ab und trotz dessen er die Augen bereits geschlossen hatte, konnte er diese noch immer sehen. Eine Frau, Shinya, Kyô, Kaoru und Die… die ganze Crew, aber wann… der junge Mann keuchte erstickt, als das ganze mit einem Mal einen Sinn zu ergeben schien und er erinnerte sich. An das Konzert in England… ihr Unfall… die tote Miyu, der Aufenthalt in Schottland… der Bassist verkrampfte sich, schüttelte den Kopf, wollte das alles nicht sehen… diese schrecklichen Bilder und doch schien es von Minute zu Minute schlimmer zu werden. War es, als durchlebte er die ganzen Momente noch einmal, ohne sich dagegen wehren zu können Wieder hörte er Stimmen, panisch, sie schrieen durcheinander… darunter Shinyas, der Jüngere rief seinen Namen, doch er konnte es nicht mehr auseinander halten, ob es wirklich war oder doch nur in seinem Kopf. Sein Herz hämmerte heftig gegen seine Brust und er hörte ein schrilles Piepen, welches scheinbar immer schneller zu werden schien. Der Liegende versuchte zu atmen, doch er konnte es nicht, keuchte heftig und verkrampfte sich immer mehr und je weiter die Zeit voran schritt, sah er nur noch diese schrecklichen Erinnerungen vor sich, völlig der Realität entrückt. Die Frau, Shinya… ein stechender Schmerz, der Schuss, danach wurde alles schwarz. ~~~~ 8.39 Uhr Shinya verfiel in Panik, als er der Herzschlag so extrem zunahm, das Piepen in seinen Kopf hämmerte und er lehnte sich über Toshiya, versuchte diesen irgendwie zu beruhigen, doch es war sinnlos, sein Freund hatte ihn ausgeblendet, verloren in seinen Erinnerungen wie es schien, denn immer wieder bewegten sich die Lippen, er verstand Brocken, wie London, die Anderen und Miyu...doch dann löste sich alle Spannung aus dem schlanken Leib, verlor er Toshiya an die Dunkelheit. Hecktisch suchte er um das Bett zukommen, er musste Hilfe holen und in seiner Eile stolperte er mehr, als dass er gezielte Schritte und Bewegungsabläufe hin bekam, er hielt sich am Bett, den Wänden. Die Tür öffnete sich, bevor er diese erreichte, Schwestern und Ärzte rauschten hinein, kümmerten sich um den Bassisten, sahen auch ihn streng an, führten ihn aus dem Zimmer und er ging mit. Wie ein kleiner Welpe, ließ er sich auf eine Bank im kalten, kargen Flur setzen, offenbar würde man sich erst später um ihn kümmern. Er rollte sich auf dem kalten Ledersessel zusammen, legte die Arme auf die Knie und begann leise zu schluchzen, gab sich endlich den Tränen hin, die bereits hinter den Winkeln seiner Augen gelauert hatten. Wie lange sein Anfall ihn von der Realität abschottete, ging ihm verloren. Eine Schwester hatte nach ihm gesehen, ihn ermahnt, nachdem sie sich sicher war, dass ihm körperlich nichts neu Hinzugekommenes verletzt hatte und sie hatte ihn hier in der Nähe von Toshiyas Raum sitzen lassen, wohl von dem Mitgefühl eines Frauenherzens getrieben. Eine Decke legte sich um seine Schultern, brach ihn aus seiner Starre, in welcher er nur zu der Tür hinüber geschaut hatte, dann hörte er ein leises, unfeines Fluchen. „Verdammt. Du bist eiskalt. Was denken sie sich dabei, dich einfach hier sitzen zu lassen, ohne Schuhe, ohne Mantel? Wollen sie, dass dich die Kälte umbringt, oder was?“ Shinya tat einen kleinen Laut in seinem Rachen, undefinierbar, legte dann seine Fingerspitzen auf Kyôs Arm – die Hitze der Haut des Blonden war nahezu unerträglich. „Nicht. Ich habe sie darum gebeten.“ Der Blonde schnaubte leise, zeigte auf diese Art, was er davon hielt, wenn man Shinya seine Wünsche erfüllte und der Drummer sah über den emotionalen Schmerz hinweg, der durch diese Reaktion ausgelöst wurde, er war kein kleines Kind mehr, dessen Entscheidungsrecht man untergraben konnte. „Hier... ich habe dir auch einen Tee mitgebracht.“ Sanft wurde ihm der Becher in die Finger gegeben, und er nickte dankbar, hielt den Blick aber weiter geradeaus gerichtet, Kyô kannte das von ihm und setzte sich dementsprechend genau vor ihn, brach so seine Konzentration. „Wie fühlst du dich?“ Er sah zu dem Blonden hoch, fühlte erneute Tränen, er wollte nicht mehr, konnte nicht mehr, er hasste diese Fragen, er hasste, dass er nicht zu Toshiya zurück konnte, er hasste diesen Ort. „Beschissen.“ Kyô seufzte schwer, schob dann eine Hand in seinen Nacken, zog ihn vor, damit er die Stirn gegen die muskulöse Brust lehnen konnte, hielt ihn, bis er es war, der den Sänger fest ansah – er hatte genug, es musste etwas geschehen. „Bring mich nach Hause.“ Sein Freund seufzte schwer und schüttelte nun leicht den Kopf. „Shinya...“ „Nein. Ich werde mit dir nicht darüber diskutieren. Ich will von hier weg, sie lassen mich nicht bei ihm sein, mein Aufenthalt hier ist sinnlos. Die Medikamente kann ich zu Hause bekommen, meine Wunde heilt dort genauso wie hier. Zur Reha muss ich ohnehin woanders hin und ich werde hier durchdrehen, wenn ich nicht weg kann.“ Er hatte leise gesprochen, aber bestimmend, er würde ein Nein nicht dulden und auch Kyô wusste das, löste sich gänzlich von ihm. „Ich werde den Arzt holen, dann können wir es besprechen.“ Der Drummer nickte, sah dabei zu, wie Kyô sich entfernte und erhob sich dann auch, die Decke eng um sich geschlungen, er wollte Kaoru anrufen – sein erstes Telefonat seitdem er hier drinnen war – und diesem sagen, dass er Heim gehen würde. Es erschien ihm fair, der andere Mann hatte sie komplett abgeschirmt und dafür gesorgt, dass sie unbehelligt blieben. Die Schwester zeigte ihm ein Telefon und gab ihm auch eine Karte mit Guthaben, sie war ihm von Kyô schon vor einiger Zeit hinterlegt worden, aber bisher hatte er sie nie gebraucht. Nun ging er mit ihr zu dem Telefon, lehnte sich dort gegen die Wand und legte die Hand auf den Hörer, verharrte. Was sollte er tun, wenn Die ans Telefon ging? Der Rothaarige war nicht einmal bei ihm gewesen, sie hatten seit dem Desaster in London und Schottland kein Wort mehr miteinander gewechselt und er wusste nicht, wie er auf die Stimme des Älteren reagieren würde. Shinya straffte seine Schultern. Es gab nur einen Weg, dass heraus zu finden. Seine Finger bewegten sich sicher über das digitale Feld, nachdem er die Karte eingeschoben hatte, dann ertönte das Freizeichen. „... Ja?“ Es war Die, der den Hörer auf der anderen Seite abgenommen hatte.... well, fuck. [1] Der Drummer atmete tief durch, er würde das hier schon schaffen. „Hier ist Shinya.“ [1] umgangssprachlich gleichzusetzen mit : Schöner Mist/Scheiße - der englische Ausdruck passte nur besser. End Act I – Distance Kapitel 2: Part II A - Return ----------------------------- Act II Return 2001 – March, 4th Part A 8:50 Uhr Zum wiederholten Male seufzte der Rothaarige tief auf, während er weiter durch die Programme zappte, nicht wirklich etwas fand, das ihn interessierte, doch er brauchte einfach etwas, das ihn ablenkte, denn ständig driftete er mit seinen Gedanken hinfort. Natürlich war es gestern noch zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Sänger und seinem Freund gekommen, kaum das Kaoru zurück gekehrt war. Zu Anfang hatte er noch versucht zu schlichten, doch irgendwann war es ihm zu viel geworden, da beide ihn mehr oder weniger ignoriert hatten. Die hatte somit beschlossen, sich zurück zu ziehen, wissend, dass es einfach nichts brachte, den Vermittler zu spielen. Er war in sein Zimmer gegangen, hatte die Stereoanlage auf volle Lautstärke gedreht, um die schreienden Stimmen auszublenden, bevor er auf seinem Bett zusammengesunken war und dennoch hatte er weiterhin fast jedes einzelne Wort verstanden, bis er zu seinen Kopfhörern griff. Die beiden machten sich gegenseitig Vorwürfe, soviel hatte er noch mitbekommen, doch er verstand einfach nicht warum… bei Gott, sie hatten doch so schon genügend Probleme, warum dann auch noch solch ein unsinniger Streit? Das gemeinsame Abendessen war ebenfalls alles andere als harmonisch abgelaufen… die Anspannung zwischen ihnen einfach nur unerträglich, was dazu geführt hatte, dass er erneut geflüchtet war und die ganze Nacht hatte der Rothaarige kaum ein Auge zu gebracht, nur ständig darüber nachgedacht und auch jetzt ließ es ihn einfach nicht los. Ständig überlegte er, was er nur tun könnte, damit sich die Beiden wieder vertrugen, doch einfallen wollte ihm nichts… er war doch sowieso nutzlos, wie schon die ganze letzte Zeit. Wieder seufzte er leise, während er den Sender wechselte, jedoch inne hielt, als das Läuten des Telefons die sonstige Ruhe in der Wohnung zerbrach. Zuerst überlegte der Gitarrist, ob er überhaupt ran gehen sollte, aber außer ihm war ja keiner da… Kaoru hatte sich in seinem Arbeitszimmer verschanzt, soviel wusste er schon und Kyo… ihn hatte er heute noch gar nicht gesehen, aber wo als im Krankenhaus, sollte dieser schon sein? Also stand er nun doch endlich auf, ging zu der Telefonstation und entnahm dieser das mobile Gerät. „Ja?“ Man antwortete nicht sofort und er hörte ein tiefes Durchatmen, wollte nochmal was sagen, aber es meldete sich nun doch jemand. „Hier ist Shinya.“ Die riss die Augen auf, schluckte schwer und musste aufpassen, dass ihm das Telefon nicht aus den Fingern glitt… Er hatte mit Jedem gerechnet nur nicht mit dem Drummer, wusste so gar nicht, wie er jetzt reagieren sollte und schwieg, bis die Stimme erneut erklang. „Die? Bist du noch dran?“ Wieder schluckte er, räusperte sich, antwortete mit zitternder Stimme. „I… ich… Ja, ich bin noch dran.“ Er hörte wie der Andere seufzte, scheinbar fiel es Shinya genauso schwer, Worte zu fassen wie ihm. Bei Gott, es war so ein seltsames Gefühl, den Jüngeren jetzt am Telefon zu haben, nach allem was war, dennoch fasste er sich ein Herz. „Wie… wie geht es dir… euch?“ „Es geht schon… Toshiya ist heute aufgewacht.“ So recht wollte er seinem Freund nicht glauben, hörte sich dieser mehr als erschöpft an, doch die Nachricht über den Bassisten erfreute ihn. „Da… das ist schön.“ Wieder ein Seufzen. „Die, kannst du mir Kaoru geben?“ Die Frage war so zaghaft gekommen, dennoch nickte er, stellte erst nach weiteren Sekunden fest, dass Shinya dies ja nicht sehen konnte. „Ich… Natürlich, bitte warte kurz.“ Mit schleichenden Schritten bewegte er sich durch die Wohnung des Leaders, kam dann vor der verschlossenen Tür des Arbeitszimmers an, klopfte zaghaft, dabei das mobile Gerät in seiner zitternden Hand umklammert und wartete, dass sein Freund ihm öffnen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit erschien Kaoru endlich und wortlos hielt Die ihm das Telefon hin, war immer noch viel zu überrascht und aufgewühlt durch Shinyas Anruf. Der Ältere nahm es stirnrunzelnd entgegen, blickte dem Rothaarigen besorgt nach, als dieser sich sofort umdrehte und in einem der anderen Räume verschwand. Dann legte er den Hörer an sein Ohr, sprach mit ruhiger Stimme. „Hallo? Hier Kaoru am Apparat!“ „Kaoru… ich bin es, Shinya.“ ~~~~~ 8:57 Uhr Geräuschvoll atmete der Gitarrist aus, als er erkannte, wen er auf der anderen Leitung hatte und augenblicklich landete der Stift, welchen er bis eben noch in der Hand gehalten hatte, auf seinem Schreibtisch, bevor er sich in dem Bürostuhl davor fallen ließ. „Shinya, warum rufst du an? Ist irgendwas passiert?“ Schweigen, bis ihm der Andere doch noch zögerlich antwortete. „Nein, es ist nichts geschehen… doch ja, aber…“ Der Jüngere brach ab, bis er nur noch ein Seufzen hörte, dann wartete und nicht vergebens, denn Shinya sprach nach einem Moment auch schon weiter. „Ich rufe eigentlich nur an, um dir mitzuteilen, dass ich das Krankenhaus heute verlassen werde.“ Kaorus Augen weiteten sich, glaubte er, sich verhört zu haben. „Du wirst was? Shinya verzeih, aber denkst du, dass dies so eine gute Idee ist?“ Abermals erklang ein Seufzen durch den Hörer, ehe sich der Gleichgroße um eine Antwort bemühte. „Kaoru, ich kann nicht anders. Hier werde ich noch verrückt! Ich muss es einfach tun und in meine Wohnung zurück. Außerdem komme ich mir so nutzlos vor.“ Es war sehr selten, dass der Jüngere so offen über seine Empfindungen sprach und Kaoru erkannte, wie schlecht es diesem doch gehen musste und wie ernst es ihm war. Ihm war bewusst, er würde den Drummer nicht davon überzeugen können, doch dort zu bleiben. „Also gut, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als deine Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn ich nicht glücklich damit bin.“ „Ich danke dir.“ „Das musst du nicht, weil du eigentlich weißt, dass ich dagegen bin.“ Schweigen am anderen Ende und so glaubte er fast schon, das stumme Nicken seines Freundes zu sehen, wartete dennoch weiter ab, bis dieser etwas sagen würde, da er glaubte, das Gespräch wäre nun sowieso beendet. „Kao, es ist… Etwas passiert!“ Die Stirn des Leaders runzelte sich besorgt und er wartete darauf, das Shinya weitersprechen würde, was dieser nicht tat, weshalb er dann nachhakte. „Was ist passiert?“ „Toshiya…Er ist aufgewacht.“ Sofort schwand die Sorge auf dem Gesicht des Älteren, wich einem erleichterten Ausdruck. „Das ist schön, endlich eine gute Neuigkeit.“ „Nein.“ Dieses einzelne Wort ließ die Falten auf der Stirn Kaorus beinahe sofort wieder kehren. „Wie?“ Mehr brachte er gar nicht heraus, denn die Reaktion seines Gesprächspartners hatte ihn doch umgehauen. „Es… ja. Gott, ich war so froh, als er mich angeblinzelt hat… Aber alles danach…“ Geduldig wartete der Gitarrist wieder, bis der Jüngere weiter reden würde, ließ ihm Zeit, denn an dessen Stimme, hatte er nur allzu deutlich gehört, wie schwer es diesem fiel, überhaupt davon zu erzählen. Hoffentlich war es nichts allzu Ernstes. „Er hat mich angesehen und sein Blick wirkte so fragend… Ich habe ihm von den Geschehnissen berichtet, war ja so dumm und habe gar nicht darüber nachgedacht… Kao… Er hatte keinerlei Erinnerung an Schottland, London, die Tour und was auch immer. Warum nur habe ich ihm davon erzählt? Ich hätte es doch besser wissen sollen…“ „Shhht, Shin. Beruhige dich!“ Er bemerkte, wie sich sein Freund nur noch selber fertig machte, weswegen er wirklich alles daran setzte, dass dieser runter kam und mit seinen Selbstvorwürfen aufhörte. „Das kann ich nicht, verdammt… Er hat, wegen mir, eine Panikattacke bekommen und ich… stand nur hilflos daneben, konnte nichts tun! Sein Herz, es hat aufgehört zu schlagen und ehe ich mich versah, waren da nur noch Ärzte, bevor ich mich draußen auf dem Flur wieder fand. Wie soll ich mich da beruhigen? Was wenn…“ „Hör auf!“ Kaoru wusste genau, was der Drummer hatte sagen wollen, doch schnitt er ihm dass Wort ab, bevor dieser seine Gedanken auch nur laut aussprechen konnte, er wollte so etwas nicht hören. Er war ehrlich geschockt, von dem was passiert war, doch er musste einen kühlen Kopf bewahren, den Jüngeren beruhigen. Er wusste, auch ohne ihn zu sehen, wie fertig dieser war. „Shinya hör einfach auf! Es geht ihm gut, da bin ich mir sicher. Sonst hätte sich doch längst jemand aus dem Krankenhaus gemeldet.“ Natürlich würde er sich davon noch selbst überzeugen und gleich nach dem Telefonat ins Krankenhaus fahren, denn er war sich sicher, dass Shinya gar nicht mehr in der Lage dazu war, nach dem Bassisten zu sehen, weswegen er auch nicht fragte, warum dieser nicht einfach mit einem der Ärzte gesprochen hatte. Er erkannte spielerisch auch so die Gründe dafür. Der Andere war noch immer still, weshalb er glaubte, dass dieser ausnahmsweise auf ihn hörte. Doch beschäftigte den Gitarristen noch eine andere Frage, die er auch sogleich stellte. „Shinya, weiß Kyo davon?“ „Nein!“ Es hatte eine Weile gedauert, bis die, für ihn, negative Antwort kam und noch bevor er darauf reagieren konnte, würgte der Drummer ihr Gespräch ab, hörte der Leader nach wenigen Sekunden nur noch das gleichmäßige Tuten aus dem Hörer. Wütend und frustriert schmiss er das Telefon von sich… Er hatte es doch gewusst, der Zierlichere hatte das Telefonat beendet, noch bevor er diesen hätte überzeugen können, mit ihrem Vocal zu sprechen und er kannte die Beweggründe für dieses Handeln genau. Shinya wusste, sobald der Sänger von den Ereignissen erfahren und ihn in demselben Gefühlschaos wie Kaoru erlebte… dieser würde an ihm bleiben, wie ein Magnet und ihn keine Sekunde aus den Augen lassen. Und genau das wollte der Jüngere vermeiden. Kaoru spürte dies regelrecht, wusste, dass Shinya ihren Vocal garantiert davon überzeugen konnte, dass er allein klar kam. Er seufzte tief… Er sollte wohl noch heute mit dem Sänger sprechen und diesen informieren, denn sie konnten den Jüngsten in seinem derzeitigen Zustand nicht alleine lassen und er glaubte kaum, dass er Die zu Shinya schicken konnte. Die. Darum musste er sich auch noch kümmern, der Zweitgitarrist war vorhin so schnell verschwunden und unweigerlich machte er sich Sorgen. Seine Schultern sanken von Minute zu Minute weiter nach unten, je länger er sich das Ausmaß dieses Dramas vor Augen hielt. Er fasste in einem klaren Moment den Entschluss, ins Krankenhaus zu fahren und nach Toshiya zu sehen. ~~~~~~ 9:48 Uhr Es war still während sie fuhren, Kyo hatte das Radio nicht eingeschaltet und Shinya war froh über die Ruhe, er konzentrierte sich auf die Fahrgeräusche, die Art, wie die Reifen auf dem Untergrund lagen, wie der Wagen sich auf diesem bewegte. Seine Hände lagen ordentlich gefaltet in seinem Schoss, Kyo hatte ihm seine dicke Jacke gegeben, saß nun selber im Pullover da, die Heizung lief nur minimal, weil der Sänger wusste, dass ihm die trockene Luft Übelkeit bescheren würde und Shinya wusste, dass der Blonde das nur für ihn tat und dennoch konnte er seinen Dank nicht ausdrücken. Die Stärke, die er im Krankenhausflur hatte greifen können, um seine Entscheidung durchzusetzen, war verschwunden. Nun war er abermals hilflos, trieb dahin und wusste nicht wohin mit sich selbst, seinen Gedanken, seinen Gefühlen. An einer Ampel, strichen Kyos Finger sanft über die Seinen, umschlossen sie am Ende zärtlich, sodass er den Kopf drehte und zu dem kleineren Mann sah. „Möchtest du, dass jemand bei dir bleibt, jetzt und heute Nacht?“ Shinya sah seinen Freund einen langen Moment an und obwohl es einen Teil in ihm gab – der Teil, der ein kleiner Junge war und sich nichts sehnlicher wünschte, sich auf dem Schoss des Blonden zusammen zu rollen und zu weinen – der Kyo schon mit einer verzweifelten Sehnsucht in der Nähe haben wollte, schüttelte er den Kopf. „Nein.“ „Shinya...“ Wieder schüttelte er nur den Kopf, hob dann aus einem Impuls heraus die Hand, um sie an Kyos Wange zu legen... die Haut war so heiß unter seinen Fingern und machte ihm bewusst, wie verdammt kalt seine eigene war. „Du hast genug für mich getan. Fahr nach Hause und schlaf. Du brauchst es.“ Der Kleinere seufzte tief, nickte dann aber. „Lass mich dich wenigstens zur Tür bringen.“ Nun nickte der Drummer und Kyo sah wieder nach vorn, das Licht der Ampel hatte sich geändert und hinter ihm hupten die ersten Fahrer bereits. Der Rest ihrer Fahrt verlief ruhig, sie war zu schnell vorbei und als der kleine schwarze Wagen vor dem Block hielt, in dem sich sein Apartment befand, war sich der Drummer nicht einmal sicher, ob er die wenigen Stufen zur Eingangstür hinauf schaffen würde. Kyo nahm seine Tasche von der Rückbank, während er sich abschnallte und sich selbst anherrschte, endlich auszusteigen. Sein Blick noch immer auf das große gepflegte Gebäude gerichtet, welches so amüsiert auf ihn hinab zu starren schien, so als wollte es ihn fragen: 'Bist du dir sicher?' Nein, er war es nicht, definitiv nicht, aber er hatte dies hier verlangt und es war zu spät, sich heraus zu winden... auch wenn das Betteln, das Kyo ihn doch mitnahm, direkt auf der Spitze seiner Zunge lag, als sich die kleinen Finger des Sängers um seine eigenen Schmalen schlossen. Gemeinsam betraten sie den Komplex, er lebte Parterre, aus mehreren, sehr offensichtlichen Gründen, aber nun wünschte er, dass es höher gelegen sein würde, damit die Zeit, welche der Blonde an seiner Seite war, länger andauerte. Dieser stellte die Tasche leise ab, als sie vor seiner Tür standen – bei den Göttern, viel zu schnell! – drückte sanft seine Finger, während er sorgenvoll zu ihm hinauf sah, wohl zu entscheiden versuchte, wie verantwortungslos es war, ihn tatsächlich allein zu lassen. „Versprich mir, dass du mich anrufst, wenn du mich brauchst. Egal wann.“ Shinya nickte langsam, antwortete aber nicht – ihm war jetzt schon schlecht und er hatte nicht einmal die Schlüssel heraus gesucht. Die Stirn des Kleineren runzelte sich und dieser drückte seine Hand ein wenig fester, sah ihn dann durchdringend an. „Versprich es mir!“ Es geschah selten dass der Sänger etwas verlangte, gerade jetzt, und dass er es tat, zeigte nur zu deutlich, wie aufgewühlt dieser war, so dass Shinya abermals nickte und dieses Mal in der Lage war, etwas zu sagen. „Ich verspreche es.“ Sein Freund nickte, ernst und ganz kontrolliert. Dann schloss er ihn in die Arme, so sanft und zärtlich wie alles andere, das Kyo mit ihm tat und als er sich löste, sah Shinya die Tränen in den Augen, die der Sänger nicht bereit war fallen zu lassen. „Ich komme morgen früh und sehe nach dir.“ Ein allerletztes Zögern, so als würde Kyo hoffen, dass er seine Meinung noch änderte, aber Shinya konnte nicht zurückweichen, er war schwach, zu schwach und das hier sollte ihm irgendwie beweisen, dass er erwachsen und reif genug war, sich selbst in den Griff zu bekommen und endlich aufzuhören, die um ihn herum mit dem Gewicht seiner Unzulänglichkeit zu erdrücken. Also nickte er nur, hasste sich selbst dafür, dass er nicht mehr tun konnte und beobachtete, wie der Sänger ging, sich nicht noch einmal zu ihm umdrehte, aber er sah die bebenden Finger, als sie sich an der Ecke am Ende des Ganges gegen die Wand legten Shinya beobachtete es, tat nichts und hasste sich in diesem Moment noch sehr viel mehr. Es brauchte ein paar lange Sekunden bis er sich endlich regte, abermals musste er sich dafür ermahnen und dann schlossen sich seine Finger um das kühle Metall der Schlüssel, der Bund, an dem sie befestigt waren, so verdammt schwer und Shinya musste mental langsam bis zehn und wieder zurück zählen, bis er in der Lage war , den entsprechenden Schlüssel heraus zu suchen und ihn tatsächlich in das Schloss zu führen. Jeder Klick, mit dem das Metall tiefer sank, löste einen Schauer aus und dann drehte er den Schlüssel herum, entriegelte so die Tür und blieb dann einfach regungslos vor ihr stehen, die Hand noch immer fest um den Bund gelegt. Er knabberte auf seiner Unterlippe herum, ein nervöse Geste, die er erst im letzten Jahr entwickelt hatte, es nun schon unbewusst tat und erst als er ein Stück der empfindlichen Haut brach, spürte er es und konzentrierte sich, um es zu unterlassen. Dann stieß er die Tür auf. Die Stille seines Apartment begrüßte ihn, so vertraut und doch fremd – er fühlte sich, als sei er ein Eindringling in seinen eigenen vier Wänden und dennoch trat er in das Innere, stellte sanft seine Tasche ab, auch wenn er nicht nachvollziehen konnte, wann er sie überhaupt genommen hatte. Hinter sich schloss er die Tür, drehte den Schlüssel abermals herum, dieses Mal von Innen, dann schaltete er das Licht ein, zog den Schlüssel ab und hing ihn auf.. Sein kleiner Flur wurde dämmrig erhellt, nichts hatte sich verändert... außer der fehlenden Präsenz von Leben, doch das verdrängte Shinya harsch, er konnte jetzt nicht an Miyu denken, das würde er nicht ertragen und er schützte sich vor einem Zusammenbruch, indem er sich immer wieder sagte, dass sein kleines Juwel bei seiner Familie war, dass es ihr gut ging. Er belog sich und für eine kleine Weile würde es helfen. Das hatte es früher auch getan. Langsam tat er einen Schritt, genau ihm gegenüber befand sich die Küche, nach rechts konnte man dann in das kleine Wohnzimmer gelangen, doch nun gerade konnte Shinya nur auf die Photographien starren, die an den Wänden des Eingangsbereiches hingen – diese waren zu schmal für Möbel gewesen und damals waren alle von seiner Idee begeistert gewesen, inklusive ihm selbst, aber gerade nun bereute er bitter. Er kam einfach nicht an ihnen vorbei, musste sie anschauen und studieren, sie sahen alle so zufrieden aus... er und Die lachten miteinander über irgendeinen dummen Scherz, den Toshiya kurz vor der Aufnahme gebracht hatte, einfach damit sie sich einmal gehen ließen. Es waren Bilder von Kyô, wie dieser entspannt auf seinem Balkon rauchte, Kaoru, der auf seiner Couch schlief, auf dem Bauch ein Stapel an Akten und Toshiyas Hintern, weil dieser sich eben in diesem Moment auch hatte hinsetzen wollen. Shinya fühlte das Lächeln und er fühlte die Tränen, weswegen er sich abwandte, eine Hand vor dem Mund, suchend sich wieder zu beruhigen und als es ihm gelang, trat er in die Küche, holte sich dort ein Glas, welches er mit kühlem Wasser füllte. Er trank es in kleinen Zügen aus, es half ihm, sich zu fokussieren und dann streifte er Kyos Jacke von seinen Schultern, hängte sie über den Stuhl und sah sich dann um, nur um vor der Tür des Wohnzimmers erneut zu zögern. Shinya musste in diesen Raum gehen, wenn er sein Schlafzimmer erreichen wollte, aber hier drinnen würde ihn sein Drumset erwarten und er wusste nicht, wie er auf sein Instrument reagieren würde. Am Ende tat er es doch... er hatte schnell an den schönen Trommeln vorbei huschen wollen, aber wie immer verlangte es mit stummer, zärtlich fordernder Präsenz nach ihm, sodass Shinya zumindest über die einzelnen Teile streicheln musste. Sie waren so glatt und schön unter seinen bebenden Fingerspitzen, leise klirrten die High-Hat als seine Hand von diesen fiel – Shinya weinte, stumm unbewegt im Angesicht seines Sets, dass so lange auf ihn gewartet hatte und nun konnte er es noch nicht einmal benutzen, weil er zu schwach dazu war. Er fühlte sich, als hätte er es betrogen... sicher für andere mochte es nur ein Haufen an Membranen und Metall sein, aber er liebte sein Schlagzeug wie eine Geliebte. „Bitte verzeih mir.“ Seine Stimme war erstickt durch seine Tränen und er lehnte sich vor um die Stirn gegen die Basstrommel zu legen, dann floh er regelrecht in den benachbarten Raum, schloss die Tür hinter sich und sank dann an dieser herunter. Dort vergrub er die Hände in dem Haar und brach jämmerlich zusammen, bebte, weinte und schrie all seinen Kummer heraus, all seine Angst, seine Verzweiflung... so lange bis er heiser war, bis er sich nicht mehr rühren konnte. Auf allen Vieren kroch er zu seinem Bett, schaltete dort die kleine Lampe ein, blinzelte selbst ob des schwachen Lichtes, dann zog er sich irgendwie auf sein Bett hoch, rollte sich da zusammen, unbekümmert dass er in Schuhen und Sachen war. Kraftlos zupfte er an der Decke, zog sie halb über sich und dann sackte er einfach weg, so plötzlich, dass es fast einer Ohnmacht gleich kam. ~~~~~ 9:55 Uhr Ein unfeiner Laut perlte von den Lippen des Violetthaarigen, bestimmt schon der Zehnte, seit er aufgebrochen war. Warum auch musste man einfach rücksichtslos auf die Straße rennen? Wofür gab es denn diese verdammten Fußgängerampeln, wenn sich keiner daran hielt? Kaoru seufzte, suchte sich wieder zu beruhigen, schließlich brachte es ja auch wenig, sich über unachtsame Fußgänger aufzuregen, ändern konnte er ja doch nichts. Nach dem Telefonat mit Shinya war der Leader in sein Schlafzimmer gegangen, wollte zu seinem Geliebten, hatte dieser doch sehr aufgelöst gewirkt, als er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Doch kaum hatte der Gitarrist die Tür geöffnet, wurde ihm schnell klar, dass Die nicht mehr da war, konnte er seinen Freund nirgendwo entdecken und die Wahrscheinlichkeit, der Rothaarige vielleicht nur auf der Toilette sein, stand bei Null… Er wusste einfach, dass dieser die Wohnung schon längst verlassen hatte. Mit hängenden Schultern verließ er den Raum wieder, wenn Die sich wenigstens dazu herabgelassen hätte, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, doch nichts. Warum sollte es auch anders sein, als in den letzten Wochen? So langsam sollte sich der Ältere doch daran gewöhnt haben, dass Die von einem Moment auf den anderen einfach verschwand und sich für Stunden nicht blicken ließ. Überhaupt sollte er die ganze Angelegenheit nüchtern betrachten, denn schließlich war der Andere immer wieder gekommen, nach seinen nächtlichen Streifzügen, also hatte er doch auch keinen Grund zur Sorge! Der Leader wusste, dass er sich eigentlich nur etwas vormachte und war, so schnell wie möglich, von seiner Wohnung geflüchtet und fand sich in seinem Auto vor einer Ampel wieder. Eine der wenigen, vor welcher er gehalten hatte. Er hatte bereits mehrmals schlicht das Signal übersehen und war einfach über die Kreuzung gefahren, zu sehr in seine Gedanken vertieft, er wollte einfach vergessen. Bei Gott, er hätte gerne eine Ablenkung zu den Sorgen, die er sich um seinen Geliebten und die Anderen machte, gefunden, doch gleichgültig was er tat, nichts hatte sich bisher als hilfreich erwiesen. Allein, wenn er schon an ihren Bassisten dachte, schnürte sich seine Brust zu… Er hoffte nur, mit Toshiya war alles in Ordnung. Ein lautes Hupen ließ Kaoru leicht aufschrecken und er bemerkte, dass die Ampel schon längst auf Grün umgeschaltet hatte, fuhr dann auch sogleich los, nahm sich jedoch vor, ab jetzt etwas aufmerksamer und vorsichtiger zu fahren, denn er wollte das Krankenhaus als Besucher, nicht als Patient erreichen. Seine Schritte führten ihn durch die sterilen Gänge und er hörte jeden Schritt laut in seinen Ohren hallen, während ihm wieder dieser beißende Geruch nach Infektionsmitteln in die Nase stieg und eigentlich sollte man meinen, dass er sich mittlerweile daran gewöhnt haben musste, so oft wie er in der letzten Zeit hier war, doch Kaoru wusste, dass würde er nie können. Zielstrebig ging er in das Treppenhaus, welches ihn in das zweite Stockwerk führte, denn nachdem er sich an der Rezeption erkundigt hatte, wusste er, dass sein Freund noch immer in demselben Raum war, kannte den Weg also schon auswendig. Ob dies eine gute oder eine schlechte Nachricht war, konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht einschätzen, aber zu seiner Erleichterung würde er den Jüngeren nicht auf der Intensivstation wieder finden. Er war schon froh darüber, dass der Bassist überhaupt noch auf der Krankenliste geführt wurde… denn wenn er ehrlich zu sich selbst war, Shinyas Worte hatten ihn mehr als erschreckt. Oben angekommen ging es nach links, kurz geradeaus, dann wieder rechts, bis er auch schon vor dem letzten Zimmer, der Nummer 504, stehen blieb. Für einen kurzen Moment zögerte der Leader Dir en greys die Tür zu öffnen. Was würde ihn im Innern erwarten? Er rief sich das letzte Bild, welches er von dem Schwarzhaarigen hatte, vor Augen, die reglose Gestalt, welche sichtlich abgenommen hatte, zwar nicht mehr so schrecklich blass war, wie noch zwei Wochen zuvor und auch nicht mehr an so vielen Instrumenten gehangen hatte, dennoch kein bisschen an den lebensfrohen Menschen erinnerte, den er eigentlich kannte. Kaoru gestand sich ein, dass er eigentlich Angst hatte, dort hinein zu gehen, besonders nach den, von Shinya geschilderten, Geschehnissen, dennoch fasste er sich langsam, atmete noch einmal tief durch, versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass es sicherlich nicht so schlimm, sondern nur besser sein würde. Immerhin war der Bassist endlich aufgewacht. Noch bevor er es weiter hinauszögern konnte, lag seine Hand auch schon auf dem Griff und der Violetthaarige trat sich mental in den Hintern… verdammt nochmal, er stellte sich doch sonst auch nicht so an, war immer gefasst und ließ nie eine Emotion nach außen dringen, also sollte er sich nun wirklich langsam zusammen reißen und ehe er sich versah, fand er sich auch schon im Innern des Zimmers wieder. Es war nicht sehr hell, durch die Vorhänge leicht abgedunkelt, aber der Gitarrist konnte alles erkennen, so auch das einzelne Bett, welches in mitten des Raumes stand, sowie die Person, die mit dem Rücken zu ihm lag. Mit lautlosen Schritten ging er näher heran, bewegte sich auf die andere Seite, um so in das Gesicht des Bassisten blicken zu können, nur um dann in seiner gesamten Bewegung zu verharren. Die Augen seines Freundes waren geöffnet, doch irgendwie… sie waren so trüb, schienen ihn gar nicht wahrzunehmen, sondern blickten starr gerade aus, auch dann noch, als er sich endlich fasste und einen Schritt näher kam, sich auf den Stuhl neben dem Bett fallen ließ… Toshiya reagierte nicht. Die Stirn des Leaders runzelte sich, sein Gegenüber war doch wach, oder etwa nicht? „Toshiya?“ Auch darauf folgte keinerlei Reaktion, blinzelte der Bassist nicht einmal und Kaoru wusste nicht, wie er dessen Verhalten zu deuten hatte, dennoch blieb er äußerlich ruhig, sprach seinen Gegenüber erneut an. „Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst oder mich überhaupt wahrnimmst, aber… vielleicht spürst du meine Anwesenheit? Eigentlich hätte ich mir gewünscht, endlich wieder mit dir reden zu können, aber so…“ Kaoru seufzte, hatte es überhaupt einen Sinn, weiter zu reden? Sein Freund schien ja doch nichts mitzubekommen und dabei hatte er sich so erhofft, das es wenigstens einem von ihnen endlich besser ergehen würde, doch was er jetzt sah, konnte nicht enttäuschender sein… was war nur mit dem Jüngeren? Warum reagierte dieser denn nicht? Er war doch aus dem Koma erwacht? Soviel Fragen hämmerten durch seinen Kopf und noch bevor er sich diese vielleicht auch nur in irgendeiner Form hätte beantworten können, wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als sich plötzlich die Zimmertür öffnete. Sofort war der Kopf des Gitarristen zu jener Stelle geschnellt, erkannte er, wie ein in die mittleren Jahre gekommener Mann das Zimmer betrat, sich dann ihrer beider Augen traf, ehe sich der Ältere räusperte. „Nikura-san, guten Tag. Ich wusste gar nicht, dass Sie hier sind.“ „Dr. Nagoya, guten Tag… nun ja, ich habe mich auch nicht wirklich bei Ihnen angemeldet, bin also direkt hier hergekommen, als ich… Von den Geschehnissen erfahren habe.“ „Ich verstehe, Terachi-san hat Ihnen sicherlich von dem Vorkommnissen erzählt, nicht wahr?“ Der Violetthaarige nickte, hielt weitere Worte nicht von Nöten. „Nun gut, ich denke dass wir uns dringend unterhalten sollten, doch zuallererst möchte ich Herrn Hara untersuchen. Sie verstehen sicherlich. Wenn ich Sie bitten darf, für diesen Moment den Raum zu verlassen.“ „Natürlich.“ Entgegen seiner Worte, war der Leader keineswegs davon angetan, Toshiya mit dem anderen Mann alleine zu lassen, zumal er wissen wollte, was mit dem Jüngeren war, doch er übte sich in Geduld. Kaoru musste nicht allzu lange warten, da öffnete sich die Zimmertür wieder und er stand dem Arzt erwartungsvoll gegenüber, doch dieser schüttelte den Kopf. „Lassen Sie uns das nicht hier besprechen. Ich hoffe, Sie haben etwas Zeit mitgebracht?“ Nachdem er genickt hatte, redete der Arzt auch schon weiter, er wolle alles weitere gerne in seinem Büro bereden, zumal sich auch dort die gesamten Krankenakten jener Patienten befanden, die dieser betreute. Nach etwa fünf Minuten, blieb der Andere stehen, zog einen Schlüsselbund aus einer der Taschen seines Kittels und öffnete die Tür, vor welcher sie standen. Sie befanden sich nun in einem ganz anderen Bereich als zuvor, waren, vorbei an dem Schwesternzimmer, durch einen Flur, welcher nur für Angestellte zugänglich war, hier her gekommen. Der Ältere bat ihn, vor ihm einzutreten, was er auch tat, dann wartete , bis auch dieser herein kam, dabei die Tür wieder schloss und hinter seinem Schreibtisch Platz nahm, ehe er sich selbst Gegenüber von diesem in einen der Stühle sinken ließ. „Nikura-san, bevor ich anfange, wollen Sie vielleicht etwas trinken? Ein Wasser oder Kaffee, dann könnte ich einer der Schwestern Bescheid sagen.“ Der Violetthaarige schüttelte leicht den Kopf, seufzte dann leise, ehe er selbst zu sprechen begann. „Verzeihen Sie Dr. Nagoya, wenn ich etwas direkt sein sollte, aber ich bin nicht mit Ihnen gegangen, um ein Kaffekränzchen zu halten, sondern um zu erfahren, was mit meinen Freund ist, der mir genauso viel bedeutet, als wäre er mein eigener Bruder!“ „Das hatte ich auch nicht erwartet und vielleicht haben Sie meine Frage auch falsch aufgefasst, doch gleichgültig wie dem auch sei, ich möchte Sie nicht länger hinhalten und sicher verstehen Sie, wenn ich darum bitte, dass alles, was ich nun mit Ihnen bereden möchte, unter uns bleibt. Denn wie Sie vielleicht wissen, dürfte ich eigentlich keinerlei Informationen an Sie abgeben. Sie sind kein Familienmitglied des Patienten, doch ich konnte die Eltern Hara-sans nicht erreichen, sie wissen also noch nicht, dass ihr Sohn aus dem Koma erwacht ist. Allerdings halte ich dies für kein schlechtes Zeichen. Sie können sich selbst vorstellen, wie besorgt Familienmitglieder sein können, was nicht heißen soll, dass Sie selbst sich nicht dieselben Sorgen machen… doch Freunde gehen anders an die ganzen Probleme heran. Ein Grund, warum ich sie nun einweihen werde. Ein weiterer Grund ist, dass ich mir durch unser Gespräch ein paar Antworten erhoffe.“ Wieder nickte der Leader nur, während sich sein Gegenüber leise räusperte, dann kurz einen seiner Schränke öffnete und diesem eine Akte entnahm, darin blätterte, ehe sich ihre Blicke abermals kreuzten. „Nun gut, wo soll ich beginnen? Dass Herr Hara aus dem Koma erwacht ist, wissen Sie bereits und auch, dass er auf Ansprechen nicht reagiert. Wir konnten bis jetzt nicht die genaue Ursache für dieses Verhalten feststellen, doch vermuten wir einen schweren Schock. Sie müssen wissen, dass wir die Veränderung an dem Zustand Ihres Freundes nicht sofort bemerkt haben, sondern erst, als der Alarm im Schwesternzimmer ausgelöst wurde, da Herrn Haras Herzschläge sich rapide beschleunigt hatten und Grund zur Besorgnis auslösten…“ „Dann stimmt es, was Shinya gesagt hatte!“ „Wie?“ Kaoru war nicht bewusst, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte, doch sah auf, als er den fragenden Ton des Arztes vernahm. „Terachi-san,… Er sagte mir, das Toshiya, einen Herzstillstand erlitten hat.“ Die Augen des Arztes weiteten sich. „Grundgütiger, aber Nein. (!) Natürlich haben wir Terachi-san in dem Zimmer vorgefunden, nachdem der Alarm ausgelöst worden war, doch mit keiner Minute hat das Herz ihres Freundes aufgehört zu schlagen. Wie bereits erwähnt, hatte er eine Panikattacke, aber nichts weiter Gravierendes. Terachi-san scheint sich dies eingebildet zu haben… ein typisches Zeichen von Schlafmangel und ich bin überzeugt davon, dass er darunter leidet, aber darauf komme ich später zu sprechen. Was Hara-san betrifft, haben wir keinerlei Anhaltspunkte, was dessen derartige Reaktion hervor gerufen haben könnte, doch sind wir sicher, dass es an Terachi-san lag, doch ist es uns nicht möglich, dies zu beweisen, hat man uns jegliche Möglichkeit genommen, diesen zu befragen. Meine Frage an Sie ist, ob Sie uns vielleicht weiterhelfen können…um den Grund für den Zustand ihres Freundes zu finden!“ „Ich habe mit Shinya telefoniert, das muss nach dem Vorfall gewesen sein, doch bevor ich Ihnen davon erzähle, würde ich gerne wissen, wie Sie darauf kommen, dass er der Auslöser für Toshiyas Panikattacke war!“ Der Arzt nickte, schob die Brillengläser auf seiner Nase zurecht und faltete die Hände, ehe er seinen Kopf auf diese bettete. „Also gut Nikura-san, ich will versuchen, es Ihnen zu erklären. Das, was Ihren Freunden widerfahren ist, bezeichnen wir als schwere psychische Traumata. Was die beiden zusammen durchgemacht haben, war nicht einfach zu ertragen, deswegen haben wir sie getrennt behandelt, versucht jeglichen Kontakt zu vermeiden, da die Erinnerungen an das Erlebte immer wieder zu Schockreaktionen führen können. Es war nur zum Besten der Patienten gedacht, doch leider hat sich Terachi-san immer wieder unseren Anordnungen widersetzt, etwas, dass seinen eigenen Zustand nicht wirklich gebessert hat.“ „Ich verstehe, doch was hat das nun mit Toshiya zu tun?“ „Eine ganze Menge, Nikura-san. Wie Sie wissen haben wir Hara-san aus gutem Grund ins künstliche Koma versetzt, da er sehr schwer verletzt war, als er hier eingeliefert wurde. Glücklicherweise war unsere Maßnahme nicht umsonst und die Verletzung ist gut verheilt. Allerdings konnten wir, in Sachen Traumata, noch nicht das Geringste unternehmen, eben da wir noch warten wollten. Er sollte im Beisein der Ärzte erwachen, um seinen Zustand zu untersuchen und zu überwachen, doch dies ist nicht geschehen und erschwert uns nun zusehends die weitere Behandlung. Dazu sollten Sie vielleicht auch wissen, dass es durchaus vorkommen kann, dass ein Patient einen Teil seiner Erinnerung verliert, da das künstliche Koma eben diese beeinträchtigt. Andererseits kann auch alles in Ordnung sein. Unser Problem besteht darin, dass wir es nicht wissen und Hara-san nicht auf uns reagiert! Terachi-san war der einzig Anwesende, als ihr Freund erwacht ist und nur ein falsches Wort oder eine falsche Handlung, könnte Hara-sans Zustand ausgelöst haben, deswegen vermuten wir, dass Ihr Freund Shinya für das Verhalten des Patienten verantwortlich ist!“ Karou nickte nur, versuchte das eben Gehörte zu verarbeiten, ehe er leicht müde aufseufzte… Gott, stand es nicht schon so schlimm genug um sie alle? Musste das nun auch noch passieren? Sicher, der Arzt hatte auch Entwarnung gegeben, es stand nicht so schlecht um Toshiya wie zuvor vermutet, dennoch machte er sich Sorgen um ihn und auch um Shinya. Er beschloss, Dr. Nagoya von dem Telefonat mit dem Drummer zu erzählen, war sich sicher, dass dies weiter helfen könnte. Ihr Gespräch dauerte an, doch das war dem Leader egal, er wollte alles wissen und wenn es noch Stunden dauern würde und während der ausführlichen Unterhaltung, wurde ihm mehrmals angeraten, die Beiden psychologisch behandeln zu lassen, etwas dass Dr. Nagoya bei Toshiya wohl nach weiteren Untersuchungen auch gleich umsetzten würde, doch was war mit ihrem Drummer? Natürlich erfuhr er auch, dass der Jüngere, bisher jegliche Hilfe dieser Art abgelehnt hatte und wieder seufzte der Leader auf. Er kannte den „kleinen“ Sturkopf, wusste nur zu gut, dass, wenn sich dieser etwas in den Kopf gesetzt hatte, es dabei bleiben würde, aber wenn es doch nur zu dessen besten war? Nach einer gefühlten Ewigkeit, verabschiedeten sich dann voneinander und bevor er das Krankenhaus verlassen würde, wollte er noch einmal nach Toshiya sehen. Wie zu erwarten, reagierte der Bassist noch immer nicht auf ihn, also beschloss der Violetthaarige, nach zwei weiteren Stunden, das Krankenhaus zu verlassen. Mit hängenden Schultern ließ er das Gebäude hinter sich, dachte an die Unterhaltung mit dem Doktor zurück. Er musste dringend mit Kyo reden, wenn einer Shinya zur Vernunft bringen konnte, dann war es der Sänger. Ob dieser wohl wusste, wie schlecht es eigentlich wirklich um den Zierlichen stand? ~~~~~~ 12:33 Uhr Kyo schaltete den Motor aus, schnallte sich dann ab und ließ sich einfach nach vorne sinken, die Stirn gegen das Lenkrad gelehnt. Wie er hier sicher angekommen war, war ihm ein Rätsel, seine Gedanken, sein innerer Blick, zur Hölle, er selbst war ohnehin die gesamte Zeit über bei Shinya gewesen. Dessen Augen... Sie hatten ihn angeschrien zu bleiben, aber alles andere an dem Drummer hatte es verweigert und er war weggeschickt worden. Kyo hatte sich niemals zuvor miserabler gefühlt, als in diesem Augenblick. Seine Schultern bebten, ihm war nach weinen, aber seine Augen blieben trocken... er wusste nicht mehr, was er tun sollte. Erst war er machtlos gewesen, als die beiden Jüngeren so weit weg gewesen waren, dann war er zwar jeden Tag im Krankenhaus gewesen, hatte dort alles getan, was nötig war, aber es war niemals genügend gewesen – Toshiya erwachte nicht und Shinya... Shinya entglitt ihm mehr und mehr. Und je weiter sich die atemberaubende Persönlichkeit des Mannes, dem er hoffnungslos verfallen war, entfernte, desto größer wurden seine Schuldgefühle, seine Hilflosigkeit. Hier stand er nun... Shinya sagte ihm immer wieder, dass er ohne ihn nicht durchgehalten hätte, verrückt geworden wäre und doch waren diese Worte so leer und hohl. Oh er glaubte sie, sog sie regelrecht auf, aber statt Stolz und Freude die sie ihm bringen sollten, bohrten sie sich nur in dieses klaffende Loch in ihm. Es reichte einfach nicht. Das was er tat, alles was er tat... es reichte nicht. Seine Hände waren nutzlos und seine Stimme auch. Mit einem schweren Seufzen zog er den Schlüssel ab, steckte ihn irgendwie in die Tasche, als er die Tür öffnete und dem Wagen entstieg, ob er abschloss oder nicht, wusste er schon nicht mehr, als er sich mit schleppenden Schritten in Richtung des Wohnblocks auf der gegenüberliegenden Straßenseite bewegte. Ein paar Fahrer hupten äußerst erbost, als er ohne sich umzusehen über die Straße lief, doch er hob ihnen nur den Mittelfinger entgegen – sollten sie ihn doch platt walzen, wenn es ihnen danach besser ging. Er grinste bitter. Das würde eine schöne Schlagzeile geben und Kaoru würde den Herzinfarkt bekommen, der eigentlich schon längst überfällig war. Seine Schlüssel warf er auf den Küchentisch, als er in der Wohnung angekommen war... niemand außer ihm selbst war hier, was ihm gerade ganz Recht war, so musste er zumindest nicht erklären, warum er sich am frühen Nachmittag mit einer Flasche Whisky auf den nächsten Sessel im Wohnzimmer warf. Kyo machte sich nicht einmal die Mühe, ein Glas mitzunehmen, setzte gleich die Flasche an die Lippen – neben sich hatte er auch noch einen Wodka geparkt, falls die Wirkung der ersten Sorte nicht stark genug war. Doch, er hatte vor, sich bewusstlos zu trinken – vielleicht würden die verdammten Gefühle dann endlich aufhören zu bluten. Nach dem ersten brennenden Schluck überlegte er, ob er die Gardinen zuziehen sollte, es würde seiner Stimmung sehr viel besser entsprechen, doch am Ende war er schlicht zu träge, setzte lieber die Flasche noch einmal an. Der Whisky brannte auf seinen wunden Lippen, seiner Kehle, seinem ganzen Leib und er hieß das Brennen willkommen, denn es war ein anderes, gutes Gefühl, eines, das er endlich einschätzen konnte, weil es bekannt war. Er trank und er kannte die Konsequenzen. Er wusste, dass er die ganze Nacht kotzend über der Toilette hängen würde, wenn er denn überhaupt soweit kam, sonst würde es auch der Blumenkübel von Kaorus Palme tun. Sein Leader würde ihm die Leviten lesen und ihm vielleicht ordentlich eine knallen – je nachdem, wann ihn der Andere fand, aber es war ihm egal. Abermals trank er einen Schluck, hustete dann, weil es zu viel gewesen war, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und biss sich dann harsch auf die Lippen, um das Schluchzen gefangen zu halten. Verdammt, er hätte nicht gedacht, dass es schon so früh passieren würde, er konnte noch viel zu gut denken. Sein Blick fiel auf einen Zettel... Kaoru hatte diese kleinen, weißen Dinger wirklich überall und nun kamen sie ihm zugute, er griff sich einfach den ganzen Block und einen Bleistift, der ebenso akkurat angespitzt war, wie er es von Kaoru kannte. An dem Tag, an dem der Andere zuließ, dass etwas nicht in perfekter Ordnung war, würde eine riesige Hand vom Himmel danieder fahren und Kyo unter sich erschlagen – oder er würde einen solchen Tag schlicht rot im Kalender markieren. Wieder floss ein Schluck der braunen Flüssigkeit seine Kehle hinab und Kyo verzog zufrieden das Gesicht. Alles in seinem Kopf begann sich zu verwischen, wurde verschwommener und das Denken schwerer... sehr gut. Der Stift bewegte sich über den Zettel, er schrieb auf, was ihm in den Sinn kam, zeichnete... unter seinen morbiden, nicht mehr zu greifenden Emotionen kam eine Hand hervor, die wie zur Hilfe ausgestreckt war... aber ihre Finger fehlten und so war sie nutzlos. Eine schwere Kette legte sich um den wunden Rumpf, an ihr winzige bösartige Trolle, die mit spitzen Zähnen und glühenden Augen, Herzen in den kleinen, hässlichen Händen hielten. Vor Kyos Blick begannen sie zum Leben zu erwachen, huschten mit schaurigem Lachen von Papier zu Papier, rissen an Worten wie 'Hoffnung'; zerfetzen sie und zeigten ihm eine gänzlich andere Welt... sie zeigten ihm Shinya, seinen wundervollen Shinya, eingesperrt und so allein. Gefangen hinter dicken Streben aus Stahl und gleichgültig, wie sehr er sich auch bemühte, sich streckte, er konnte nicht durch sie hindurch reichen. Er schrie, tobte, rüttelte an den Gittern, bis er keine Kraft mehr hatte und keuchend auf die Knie sank, immer wieder Shinya rief, doch der Jüngere reagierte nicht, starrte in die Dunkelheit hinter ihm, ließ sich mehr und mehr von ihr umschlingen. Er schien nicht zu fühlen, dass er zu bluten begann, wo ihn die Schwärze berührte, die ihre Krallen in die helle Haut schlug und das Fleisch von den Knochen schälte. Er saß einfach da und verging. Und es gab nichts, dass Kyo dagegen tun konnte. End Part A Kapitel 3: Part II B - Return ----------------------------- Act II - Return Part B (Flashback) 9:03 Uhr Er war nach dem kurzen Telefonat relativ schnell wieder in sein… nein, er verbesserte sich gedanklich… in Kaorus Zimmer, hatte die Anlage angemacht und lag nun schon seit geschlagenen fünf Minuten, einfach nur auf dem Bett, suchte, sich wieder zu beruhigen. Was ein einzelner Anruf des Jüngeren bewirkte… einfach Angst einflößend. Es war nicht so, dass Die sich nicht gefreut hatte, von dem Jüngeren zu hören, sondern einfach die Situation an sich, wie es geschehen war, schließlich hatten sie beide, nach London oder auch Schottland – er wusste es schlicht nicht mehr – keinen Kontakt mehr gehabt und dann dessen Stimme so plötzlich an seinem Ohr zu haben, hatte ihn doch mehr als überrascht, regelrecht aus der Bahn geworfen. Noch dazu, weil Shinya nicht wirklich abwehrend reagierte… nein, der Kleinere hatte ganz normal gewirkt, vielleicht müde, aber nicht angriffslustig, was ihn abermals zu Denken gab… suchte, den Gemütszustand des Drummers allgemein zu analysieren, auch wenn ihr Gespräch nur wenige Sekunden angedauert hatte. Systematisch kamen die Erinnerungen wieder zu ihm zurück, doch so angestrengt der Gitarrist auch nachdachte, nichts wollte ihm einfallen… ob es Shinya nun gut ging oder nicht, dieser noch immer wütend auf ihn war, enttäuscht… doch er fand keinerlei Antworten, war ganz auf sich allein gestellt. Die seufzte, wenn er wenigstens einen klaren Gedanken bekommen würde, doch hier fiel ihm einfach die Decke auf den Kopf und selbst die Musik, welche im Hintergrund spielte, schaffte es nicht, die erwünschte Ablenkung zu bringen. Noch ein paar Mal, wälzte sich der Gitarrist von der einen, auf die andere Seite des Bettes, dann stand er auf. Er musste hier raus, hielt es einfach nicht mehr weiter aus. Nachdem er die Stereoanlage wieder abgeschaltet und sich kurz umgezogen hatte, öffnete er die Zimmertür. Auf dem Flur angekommen, konnte er Kaorus Stimme hören, anscheinend telefonierte dieser immer noch mit Shinya oder doch jemand anderem? Er wollte es, ehrlich gesagt, nicht wissen, sondern einfach nur weg… weg von hier, weg von den Gedanken, weg von Allem und Jedem. Die schlich in die Richtung der Haustüre, zog sich dort schnell seine Jacke und auch die Schuhe an, schnappte sich seine Schlüssel und hatte dann in weniger als einer Sekunde, die Wohnung verlassen. Kaum auf der offenen Straße angekommen, griff er sich in seine rechte Jackentasche, zog aus dieser seine Zigaretten hervor, entnahm eine und zündete sie an. Gott, der erste Zug am Morgen… es war so befreiend, genoss er den Rauch sichtlich in seinen Lungen, ehe er diesen wieder langsam ausatmete, dann los trabte, in gar keine bestimmte Richtung, sondern wohin ihn seine Beine führten… es war ja nicht das erste Mal, das er dies tat… Nein, ständig, seit sie alle bei Kaoru wohnten. Immer und immer wieder, war er einfach irgendwann gegangen, hatte das Haus verlassen, wenn das Denken zu viel geworden war, so wie jetzt, oder Kyo und Kaoru sich stritten oder… was auch immer. Der Gitarrist hielt es nirgendwo mehr lange aus, seit der ganzen Geschichte in England, zwar war ihm bewusst, dass er mit dieser neuen Art seinen Geliebten mehr als sorgte und auch der Sänger sich Gedanken um ihn machte, doch fand er einfach, dass er dies nicht verdient hatte… wollte das alles gar nicht und hätte am liebsten schon längst ausgespuckt, dass er Schuld hatte, an dieser ganzen Misere. Dass er es war, der einfach geschwiegen hatte, all die schlimmen Vorfälle verhindern hätte können, wenn er nur einmal den Mund aufgemacht hätte… und doch, noch immer war die Angst in ihm selbst viel zu groß… er wollte von den beiden Anderen nicht verstoßen werden… nicht jetzt, wo er sich selbst in seinem Kummer immer weiter zerstörte, nicht wusste, wie es Shinya wirklich ging und ob Toshiya in Ordnung war! Nein, erst wenn er Gewissheit haben würde, dann könnte er wieder ruhig schlafen und Kaoru, sowie auch Kyo in das Geheimnis, welches ihn nun schon so lange plagte, einweihen. Seine Schritte hatten ihn in den Park geführt und ein müdes Lächeln zierte Dies Lippen… wie oft er jetzt schon hier war, konnte er gar nicht mehr zählen, doch hier fand er die Ruhe, nach welcher er sich so sehnte. (Flashback End) 14:20 Uhr Einige Stunden später, wie viel Zeit wirklich vergangen war, wusste er nicht, doch die Sonne war ein beachtliches Stück weiter gewandert, regte er sich wieder und erhob sich von der Parkbank, In der gesamten Zeit, die er hier verbrachte, konnte er alles von sich schieben, war sein Kopf frei und vielleicht schlief er sogar immer wieder Mal auf der eigentlich unbequemen Bank ein… Doch es war ihm egal, begrüßte er nur diese Ruhe und streckte langsam seine müden Glieder. Ein leises Gähnen hinter seiner Hand verbergend, griff er sogleich wieder nach seinen Zigaretten, wurde erneut eine angezündet, ehe er sich weiter auf den Weg machte. Sein Magen knurrte… er hatte heute noch keinen Bissen runter gebracht, also kein Wunder, dass sein Körper protestierte und auch wenn ihm so gar nicht nach etwas zu essen war, er würde nach Hause gehen und wenigstens etwas Leichtes hinter würgen. Als etwas anderes konnte er es schon gar nicht mehr bezeichnen, war jegliche Aufnahme von Nahrung schon eine Qual für ihn und dies nicht ohne Grund. Es dauerte nicht lange, da kam er auch schon in die ihm bekannte Gegend, erkannte den Feuerhydrant inmitten auf der Straße, das Haus auf der rechten Seite, mit dem verwilderten Garten und dann, keinen Moment später, fand er sich auch vor Kaorus Wohnblock wieder. Mit einem Seufzen, schnippte er die heruntergebrannte Zigarette in einen der Mülleimer, zückte dann die Wohnungsschlüssel, öffnete den Haupteingang und bewegte sich dann in stetigen Schritten, in das Stockwerk, das sich mittlerweile in seinen Kopf gebrannt hatte. Vor der Wohnungstür angekommen, öffnete er auch diese, verzichtete ganz und gar darauf zu klingeln, wissend dass ihm sowieso niemand öffnen würde, denn sicherlich war Kyo noch immer im Krankenhaus bei Shinya und Toshiya und was seinen Geliebten betraf, hatte dieser sich bestimmt wieder im Arbeitszimmer verschanzt, von wo aus Kaoru sowieso alle Nebengeräusche ausblendete. Die Tür hinter sich wieder ins Schloss fallen lassend, entledigte sich der Gitarrist zuallererst seiner Schuhe und der Jacke, welche er in dem kurzen Flur einfach liegen ließ. Danach führten ihn seine lautlosen Schritte auf direktem Weg in die Küche, er wollte sich einen kleinen Snack machen, etwas Schweres vertrug sein Magen ohnehin schon lange nicht mehr. Ein kleines Sandwich war es geworden, typisch amerikanisch… zu oft hatte er solche in irgendwelchen Sendungen gesehen, es dann einfach ausprobiert und er mochte diese Mahlzeiten, waren sie einfach zu machen, sättigten und er brauchte dafür noch nicht mal Geschirr. Er nahm einen Bissen von seiner Mahlzeit, bewegte sich dann in Richtung des Wohnzimmers, mal sehen, ob er die Zeit mit einer guten TV-Sendung totschlagen konnte… arbeiten war ohnehin seit Wochen ein Tabuthema… er selbst hatte gar keinen Nerv dafür, zu aufgewühlt wegen dem ganzen Chaos. Wie es Kyo dabei ging, wusste er nicht, lediglich seinen Geliebten, sah er ständig, sich in die Arbeit flüchten. Inmitten des Türrahmens blieb der Rothaarige jedoch stehen, als sich ihm ein Bild bot, mit welchem er so gar nicht gerechnet hatte. Ihr Sänger saß mit einer Whiskyflasche in der Hand und einer weiteren voll Wodka vor sich, auf einem der Sessel, setzte nun dazu an, erneut einen tiefen Schluck von dem Alkohol zu nehmen. Es waren nur wenige Schritte, doch in einem Satz, war der Ältere bei seinem Freund, suchte diesem die Flasche zu entziehen, aber ohne Erfolg, Trübe Augen legten sich auf ihn, sprachen zu ihm, voller Emotionen, doch es war zu viel für den Rothaarigen und wie von selbst, zog er seine Hand zurück. Keinen Augenblick später lehnte sich auch Die nun einfach in einem der Sessel zurück, akzeptierte das Glas, welches ihm nur wenige Sekunden danach gereicht wurde, auch wenn er sich fragte, woher dieses gekommen war, zuvor hatten doch keine auf dem Tisch gestanden. Der Gitarrist zuckte mit den Schultern, trank nun selbst einen tiefen Schluck des brennenden Getränks, unterdrückte ein Keuchen und schluckte ein paar Mal, denn er würgte leicht. Gott, ihm war regelrecht schlecht geworden, das Zeug war einfach zu hart, dennoch akzeptierte er auch das zweite Glas, das der Sänger für ihn füllte… war es wie ein innerer Zwang, dass er auch dieses leerte. Weitere folgten, doch in mäßigem Abstand, trank der Rothaarige bewusst, ganz anders als sein Freund, der das Zeug wahllos in sich hinein schüttete und während sie so beieinander saßen, fiel auch nicht ein Wort zwischen ihnen. Die empfand es auch gar nicht als nötig, Kyo war nicht in der Verfassung auch nur noch annähernd zu antworten. So ließ er es von ganz allein bleiben, zu fragen, warum dieser sich sinnlos betrank… er konnte sich die Gründe dafür doch auch denken. Irgendwann, er wusste nicht wie spät es war, es war ohnehin egal, erhob sich der Gitarrist wieder, ließ den Vocal allein im Wohnzimmer zurück. Seine etwas wackeligen Schritte führten ihn zurück in den Flur und wenige Sekunden später hatte er sich seine Schuhe und auch die Jacke wieder angezogen und verließ zum zweiten Mal an diesem Tag das Haus, Draußen auf den Straßen, folgte die übliche Routine, wurde sich zuallererst eine Zigarette angezündet, dann lief der junge Mann auch schon los, selbst wenn er sich seines Ziels noch völlig unbewusst war, aber einfach weg… weg von den Problemen, von Kyo, bevor er noch tief in seinem Innern zerbrach. ~~~~~~~ 21:30 Uhr Shinya schreckte heftig und mit einer vollen Panikattacke aus seinem tiefen Schlaf empor – es war wie im Krankenhaus... er würgte, suchte aus dem Bett zu kommen, verhedderte sich aber innerhalb seiner übergroßen Decke, stürzte zusammen mit dieser nach unten und da war es auch schon zu spät, er schüttelte sich in Krämpfen, spuckte Galle nach oben, stöhnte dabei schluchzend, es tat weh, alles in seinem Inneren brannte wie die Hölle. Als der Anfall vorüber war, kämpfte er sich irgendwie hoch, seine Kleidung war ebenfalls befleckt sein Haar auch, er stank, schwitze und fühlte sich erbärmlich. Was hatte er sich erhofft? Das es besser werden würde, wenn er allein daheim war? Sicher nicht, er war nur hier her gekommen, damit ihn niemand sah, wenn er einen weiteren Anfall hatte, niemand dokumentieren konnte, wie oft es ihn innerhalb einer einzigen Nacht aushebelte. Auf den Knien keuchte er nach Atem, die Augen fest geschlossen, er hatte es so satt zu weinen, aber die verdammten Tränen brannten abermals unter seinen Lidern. Er fluchte, begann an seiner Kleidung zu zerren, hektisch, er musste raus aus diesen, sein Pullover riss unter der schieren Gewalt, die er aufbrachte, als sein Körper das Adrenalin aus zuschütten begann. Shinya kam auf die Beine, stürzte geradewegs ins Bad und die Dusche hinein, dort stellte er das Wasser an – es traf ihn eiskalt und er keuchte erschrocken, heiser und unmenschlich, aber er hieß es willkommen, die beißende Kälte gab ihm seinen Fokus zurück, tilgte die Tränen und die Fetzen der Bilder in seinen Gedanken. Er kauerte sich unter der Dusche zusammen, noch immer nahe am Hyperventilieren, aber es wurde besser, je länger er hier saß und am Ende hob er den Kopf, legte ihn zurück in den Nacken. Das Wasser glich Regen, wenn er die Augen schloss und Regen liebte er, es beruhigte ihn und so verlor er sich in dieser Illusion, bis er in der Lage war, klar zu denken und sich zu bewegen, ohne befürchten zu müssen, gar nicht zu wissen, was sein Körper eigentlich tat. Er stellte das Wasser ab, trat aus der Kabine und griff sich seinen Bademantel, sah dann in den Spiegel... aber nicht, um sich selbst anzusehen, sondern um zu kontrollieren, ob sich noch Spuren seines Erbrechens auf ihm befanden, dem war aber nicht so, weswegen er leicht nickte, dann das Bad verließ. Das Schlafzimmer mied er, er würde es später machen, nun trat er zu seinen Fenstern, öffnete die Tür zu dem kleinen Balkon. Wind und Schnee wirbelte herein und er genoss die Kälte an seinen Füßen, trat dann nach draußen. Eine dichte Schicht der schönen, weißen Kristalle hatte sich auf seinen ehemals hell beigen Fliesen gesammelt und nun sanken seine nackten Zehen in diese – es war so ruhig hier, so friedlich. Ein wenig blieb Shinya stehen, griff nach all der Stille, zog sie um sich, wie eine Decke, die ein kleines Kind beschützen würde. Und irgendwie tat sie das genau das für ihn, indem sie sich über den kleinen Jungen ausbreitete, der in seinem Kopf existierte und dort unaufhörlich schrie und weinte, weil er die Welt nicht mehr verstand. Er trat wieder hinein, als seine Füße den Schnee geschmolzen hatten, als er einfach heftig zitterte, dieses Mal, weil er wirklich fror. Im Inneren berührte er sanft eine Lampe auf dem Boden, sie glimmte in einem schwachen, gelblichen Licht und mehr würde er nun auch nicht vertragen, als er sich auf seine Couch setzte, dass Telefon anstarrte. Irgendwo wollte er eine andere Stimme hören, wollte sich trösten und in den Arm nehmen lassen und er wusste, wenn er nun Kyo anrief, dann würde der Kleinere schneller bei ihm sein, als er die Rhythmen von Umbrella [1] zählen konnte, aber er sträubte sich... der Blonde war erschöpft, musste es sein, jeden Tag war er bei ihm gewesen, dann bei Toshiya, hatte sich um sie beide gekümmert... wie ein Pitbull hatte er ihn und seine Wünsche verteidigt, er war es gewesen, der die Ärzte zusammen gestaucht hatte, wann immer er auch nur die Andeutung von Unbehaglichkeit gezeigt hatte. Er hatte es Kyo zu verdanken, dass er von den stärkeren Beruhigungsmitteln genommen wurde, dass er sich hatte mehr und freier bewegen können, Kyo hatte den weiteren Besuch eines Psychiaters verhindert, nachdem das erste Treffen ein Desaster gewesen war. Shinya verdankte dem kleinen Vocal schon so viel, wie konnte er da auch nur daran denken, ihn zu wecken, anstatt ihm endlich eine Nacht Erholung zu schenken? Der Drummer biss die Zähne aufeinander, so stark, dass sich der Kiefer abzeichnete. Er würde diese paar lächerlichen Stunden Dunkelheit allein bewältigen. Deswegen war er hier her gekommen – er hatte es satt, schwach zu sein. Und morgen würde er sich richten, anziehen und dann ins Krankenhaus gehen und Toshiya um Verzeihung anflehen, für das, was er ihm angetan hatte. Seicht biss er sich auf die Lippen, verdrängte aber alle Gedanken an die Konsequenzen seiner Dummheiten... auch wenn er nicht daran glaubte, dass der sanfte Bassist ihn noch würde haben wollen – dazu hatte er einfach zu viel falsch gemacht. Der Verband an seinem Arm war nass und die Tropfen die sich lösten, auf seinen halb entblößten Oberschenkel fielen gaben ihm etwas, das er tun konnte, er musste die Wunde neu versorgen, auch wenn sie längst nicht mehr so schlimm war, endlich hatte ein wenig heilen können, nachdem er mehrmals an den Fäden gerissen hatte und sie wieder aufgebrochen war. Sein Erste – Hilfe – Kasten befand sich in einer kleinen Kammer in der Küche und so führten ihn seine Schritte dorthin. Er suchte erst alles zusammen, stellte es hin, dann wickelte er die alte Bandage ab, ließ auch sie auf den Tisch fallen. Die Haut unter dem weißen Material war aufgeweicht, spannte und zog, er würde sie erst trocknen und cremen müssen... seine Finger wanderten suchend über den Tisch, bis er mit einem leisen Seufzen feststellte, dass er die beiden Gegenstände vergessen hatte. Und so erhob er sich, wollte in den Flur, zu seiner Kosmetik und den frischen Handtüchern – er war nicht mal zwei Schritte weit gekommen, da begann sich alles zu drehen, Schwindel, Übelkeit und eiskalter Schweiß übermannten ihn von einen auf den nächsten Augenblick und er begriff zu spät, dass sein Kreislauf gerade zusammenbrach. Er suchte sich noch zu setzen, sich irgendwo zu halten, aber der Stuhl, nach dem er griff, stürzte unter seinem Gewicht um, riss noch etwas anderes mit sich, was, dass wusste er nicht... für ihn gab es nichts als der sengende Schmerz, der von seinem verletzen Arm ausging, als er hart zu Boden krachte. ~~~~~~~ Musik: Roxette Physical Facination, The Rasmus Don´t let go Déspairs Ray Oboro no Tsuki, Dir en grey Kodou Heppner kein weg zurück, Sheryll Crow Sweet Child or mine 16:00 Uhr Er stellte den Wagen hab, entzog die Zündschlüssel, lehnte sich dann zurück gegen seinen Sitz und stieß einen tiefen Seufzer aus. Was für ein Tag und dieser war noch nicht einmal zu Ende. Wenn wenigstens die Fahrt hier her, anders verlaufen wäre, aber nein… wieder nur Verrückte auf der Straße, aber zum Glück hatte sein Wohnblock wenigstens eine Tiefgarage, so war er weiterem Chaos entflohen, zwar mussten seine Mitbewohner vor dem Haus parken, aber das war derzeit das geringste Problem, das sie hatten. Gott, wenn er nur daran dachte, was ihm jetzt bevor stand, hätte er seinen Wagen lieber wieder gestartet und wäre weggefahren, einfach irgendwo hin, am besten ins Studio, doch Kaoru war nicht der Mensch dafür. Er lief nicht weg, suchte die Konfrontation und genau das würde er jetzt auch tun, auch wenn er sich sicher war, das Kyo ausrasten würde… aber vielleicht, würde dieser ganz entgegen seiner Erwartungen reagieren. Der Violett haarige schüttelte den Kopf, machte sich nichts weiter vor, er kannte ihren Sänger und wie dieser tickte, besonders wenn es um Shinya ging… der Jüngere konnte Eigenschaften in dem Kleineren zu Tage fördern, von dem er oder einer der Anderen, nicht einmal zu träumen wagten. Ein weiteres Seufzen, ehe er sich endlich einen Ruck gab und dem Wagen entstieg, denn er wusste, dass das, was er hier versuchte, ein reine Verzögerung war, für etwas, das eigentlich so schnell wie möglich geklärt werden sollte, denn es würde Shinya und auch Toshiya nur helfen. Seine Schritte hallten in dem Treppenhaus wieder, als er nach oben ging und unweigerlich stellte er sich Kyos Reaktion vor, wenn dieser von dem Vorschlag des Arztes erfuhr. Er war sich sicher, dass der Blonde nicht zögern würde, direkt zurück ins Krankhaus zu fahren um Dr. Nagoya zu köpfen, der Vocal hielt nicht das Geringste von Psychologen. Aber er hoffte, auf das Verständnis seines Freundes… würde dieser vielleicht Einsicht zeigen, wenn er gehört hatte, was Kaoru ihm zu sagen hatte. Alles wäre für ihn akzeptabel, nur nicht wieder ein Streit… davon hatten sie jetzt schon mehr als genug und es machte ihn, als auch seine Mitbewohner fertig. Der Leader konnte schon nicht mehr zählen, wie oft die Fetzen jetzt schon geflogen waren, das Schlimmste daran jedoch war, dass er sich nicht mal mehr erinnern konnte, warum sie sich ständig an der Gurgel lagen. Ein weiterer Umstand, der scheinbar mit all dem anderen Chaos in seine Wohnung gezogen war. So tief in seinen Gedanken lief er beinahe an seiner Wohnungstür vorbei, war schon im Begriff, das nächste Stockwerk nach oben zu gehen, doch bemerkte es noch rechtzeitig und ging die wenigen Schritte zurück. Er steckte den Schlüssel in das Schloss, doch zögerte für einen kurzen Augenblick… ob sein Geliebter wohl wieder zu Hause sein würde? Vielleicht, aber eigentlich machte er sich nicht allzu große Hoffnungen und es stimmte ihn traurig, denn sein Freund war nur noch sehr selten hier, wusste er schon nicht einmal mehr, wann er mehr als nur fünf Minuten mit diesem gemeinsam verbracht hatte… das er selbst auch an diesem Umstand Schuld hatte, war ihm vollkommen bewusst. Aber er sah einfach keinen anderen Weg, war selbst nur noch überfordert, auch wenn er dies so gut wie nie nach Außen zeigte… die Streitereien mit Kyo, waren wohl die einzigen Anzeichen, dass es ihm nicht anders ging als seinen Freunden… er war fertig. Wieder schüttelte er sein Haupt, ehe er nun doch endlich die Türe aufschloss, eintrat und er brauchte nicht einmal einen Schritt gehen, konnte er schon allein daran, das die Schuhe von Die nicht unordentlich vor seiner Kommode lagen, erkennen, dass der Andere Gitarrist wie vermutet, nicht hier war. Seine hängenden Schultern, sanken noch tiefer, aber er hatte ja nichts anderes erwartet, schloss nun die Tür hinter sich, ehe er weitere Schritte in den Flur tat, sich dann Jacke und Schuhe auszog, bevor er sich auf die Suche nach dem Sänger machte. Dass dieser hier sein würde, daran zweifelte er nicht, denn der Jüngere war entweder in Kaorus Wohnung oder im Krankenhaus und dass er diesen dort nicht angetroffen hatte, sprach Bände… außerdem stand auch dessen Wagen, auf dem erwählten Parkplatz. Kaoru musste gar nicht lange suchen, er fand seinen Freund in seinem Wohnzimmer, doch der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn erst mal auf der Stelle verharren. Er schüttelte den Kopf, war sich nicht sicher, ob das was er da sah der Wirklichkeit entsprach, doch das Bild schwand nicht. Da saß dieses Häufchen Elend, als etwas anderes konnte er den Kleineren im Moment wirklich nicht bezeichnen, zusammengesunken auf einem der Sessel… vor sich eine leere Flasche, welche zuvor noch Whiskey beinhaltet hatte und in der Hand eine weitere, gefüllt mit Wodka, die dieser soeben an seine Lippen führte. Der Leader bezweifelte, dass Kyo noch etwas mitbekommen würde, dieser war wohl mehr als betrunken und in einem kurzen Augenblick, erfasste ihn ein Funken Wut, darüber, wie sich der Vocal so dermaßen gehen lassen konnte, doch war der Anflug genauso schnell vorbei, wie er gekommen war. Irgendwie konnte er den Sänger ja auch verstehen… wahrscheinlich hätte er sogar mit gesoffen, wäre er hier gewesen. Er näherte sich langsamen Schrittes seinem Freund, war sich nicht sicher, ob dieser ihn überhaupt bemerkt hatte und dann, als er vor dem Kleineren stand, legte er eine Hand auf dessen Schulter. Der Kopf des Blonden hob sich und blutunterlaufene Augen blickten ihn an, war deutlich zu erkennen, wie die Pupillen versuchten, ihn zu fokussieren, doch gelang es nicht ganz. Der Ältere schüttelte erneut leicht den Kopf, sein Gegenüber war in keinem Fall mehr aufnahmefähig, da brauchte er erst gar nicht anfangen, irgendwas zu sagen. Das Beste für den Vocal war nun ein Bett und er nahm sich vor, diesen davon zu überzeugen, freiwillig würde Kyo ja doch nicht gehen. Und während er sich voller Tatendrang auf den Kleineren stürzte,um ihn auf dessen Beine zu ziehen, entschloss er sich nebenbei, Morgen früh erneut einen Versuch zu wagen, mit seinem Freund zu reden, auch wenn er wusste, dass der Blonde einen Kater der ganz besonderen Art haben würde. „Kyo, ich denk du solltest jetzt schlafen gehen!“ Ein müdes Blinzeln, war die einzige Antwort, welche er erhielt… also musste er den Kleineren wohl anders überzeugen, suchte erneut, diesen hochzuziehen, denn zuvor wollte dies nicht so recht klappen und auch jetzt war der Sänger mehr als nur träge. „Hrmm… Lass mich… Mir is schlecht.“ „Kyo bitte, hilf mir ein bisschen.“ Seine Worte schienen Früchte zu tragen, denn tatsächlich stellte der Andere den Wodka zur Seite, erhob sich, fiel ihm im nächsten Moment entgegen. Gerade noch rechtzeitig fing er den Anderen auf und er wurde sich bewusst, so würde er Kyo nie ins Bett bekommen, also hob er diesen kurzerhand hoch, so schwer war er ja nicht. Der Leader trug seine Last in dessen Schlafzimmer, legte ihn aufs Bett, auf das Entkleiden verzichtete er, deckte ihn jedoch zu, schloss die Jalousien und ging wieder aus dem Zimmer, nur um mit einem Eimer zurück zu kommen, denn er war sich sicher, das Kyo keine Ruhige Nacht haben würde. Danach ließ er diesen noch einmal für einen kurzen Moment allein, nur um erneut in dem Zimmer zu erscheinen. Er hatte sein Telefon geholt, zog einen Stuhl nah zu dem Bett heran und überwachte den Kleineren, denn er konnte diesen unmöglich allein lassen. Es wunderte ihn, das Kyo überhaupt noch auf ihn reagierte, soviel wie dieser schon getrunken hatte… bei Gott, er hoffte nur, dass sich sein Freund keine Alkoholvergiftung zugezogen hatte, wenn aber doch, war er dafür gewappnet. Auch wenn er selbst mehr als erschöpft war, allen voran geistig, zu viel ging in seinem Kopf vor sich, um Ruhe zu finden, würde er über den Sänger wachen und einen Notarzt rufen, wenn sich der Zustand des Blonden verschlechterte. ~~~~~~~~~ 17:23 Uhr Erneut hatten ihn seine Schritte in den ihm mittlerweile nur allzu bekannten Park geführt, wieder zu der Bank, welche er getrost als seine beste Freundin der letzten Wochen bezeichnen konnte. Doch dieses mal war der Rothaarige nicht allein… ja allein. Ein Kichern löste sich von seinen Lippen, während er die Bierflasche, die ihm Gesellschaft leistete, an seine Lippen führte, einen tiefen Schluck nahm. Soweit war er also nun schon gekommen, fühlte sich mit dem Alkohol in seiner Hand so geborgen, wie als wäre er von seinen Freunden umgeben. Das Kichern wandelte sich zu einem Lachen, doch es war freudlos, mehr als quälend und im nächsten Moment fand sich die Flasche zu seinen Füßen wieder, nachdem er diese einfach fallen gelassen hatte Was machte er sich eigentlich vor? Er war ja regelrecht zu einem Wrack geworden, ließ sich dermaßen gehen, obwohl er um die Sorgen seines Freundes wusste. Welchen Freundes eigentlich? Die Sorgen von Kaoru oder doch die von Kyo? War es denn eigentlich noch von Interesse? Entschieden schüttelte der Rothaarige den Kopf, sie waren doch alle so dermaßen abgefuckt… jeder einzelne von ihnen, da spielten seine Gedanken doch überhaupt keine Rolle mehr. Wieder löste sich ein bitteres Lachen von seine Lippen… bei Gott, wie weit waren sie nur gekommen… so verdammt kaputt… dachte er nur an Kyo zurück, wie dieser zugedröhnt in dem Sessel seines Geliebten hing und was hatte er getan? Natürlich mit gesoffen, wenn auch nur ein Viertel dessen, was der Sänger zu sich genommen hatte, dennoch genug, dass ihn jetzt das schlechte Gewissen plagte. Hätte er den Kleineren vom weiteren Trinken abhalten sollen? Die wusste es nicht, sowieso, hätte der Vocal doch eh nicht auf ihn gehört, zu sehr war dieser schon in seine eigene Welt abgedriftet und wahrscheinlich hatte Kyo ihn noch nicht mal wirklich bemerkt. So kam der Gitarrist zu dem Entschluss, dass es ihm schließlich nichts brachte, mit einer Mauer zu reden, tendierte diese darauf, ihm sowieso nicht zu antworten. Nach einer scheinbar gefühlten Ewigkeit, erhob er sich aus seiner kauernden Position, löste die verkrampfte Haltung und dieses Mal hatte er ein Ziel, ein sehr genaues sogar. Es dauerte auch gar nicht lang, bis er an dem ihm mittlerweile bekannten Block ankam, seine Schlüssel zückte und die Zentraltür zu dem Gebäude aufschloss. Wie immer verhielt er sich dabei ruhig, wollte nicht von irgendwelchen neugierigen Nachbarn erwischt werden, die ihm nur unangenehme Fragen stellen würden und schlich durch den kurzen Gang. An der gewünschten Tür angekommen, öffnete er diese ohne zu zögern, schloss diese mit einem leisen Klicken dann wieder und trat weiter ein. Während er den Flur entlang ging, bemerkte er nichts ungewöhnliches und so bewegte er sich weiter fort, bis in dass Wohnzimmer. Es war unverändert… leer, keiner da, der ihn willkommen hätte heißen können und doch kam er immer wieder hier her zurück… allerdings fiel ihm die Lampe ins Auge, die dort brannte. Hatte er sie bei seinem letzten Besuch versehentlich angemacht und es nicht bemerkt, oder einfach vergessen sie auszuschalten? Er wusste es nicht und mit einem Seufzen verließ er den Raum wieder, konnte das Leuchtmittel auch später löschen. Seine nächsten Schritte führten ihn in dass Bad, auch dort schien alles unverändert, doch vernahm er einen frischen Geruch… dass konnte doch nicht sein. Der Gitarrist seufzte abermals leise, schon wieder spielten ihm seine Gedanken einen Streich, ehe er auch diesen Raum wieder verließ, die Tür hinter sich verschloss. Dann führte in sein Weg in die Küche, wollte er auch dort, wie immer, nach dem Rechten sehen, doch kaum, dass er die Tür geöffnet hatte, blieb er geschockt in dem Türrahmen stehen. ~~~~~~~~~ 21.38 Uhr Ob des dunklen Keuchens schnellte sein Kopf nach oben und dann schien die Welt stehen zu bleiben. Ihm gegenüber, sein Ersatzschlüssel in der Hand, die gegen den Rahmen gelegt war, stand Die. Die Augen seines Freundes waren schwarz in diesem Licht, wirkten verklärt, furchtsam und tief geschockt, das Gleiche spiegelte sich auch auf den hageren, abgemagerten Zügen wieder... der Gitarrist hatte Gewicht verloren und nicht wenig, weswegen Shinya sofort in Sorge entflammte, den Größeren anschreien wollte, dieser musste auf sich aufpassen, durfte das nicht mit sich und seinen Körper tun! „Oh Gott.“ Es brauchte ein paar Sekunden, bis er begriff, dass nicht er, sondern der Rothaarige gesprochen hatte und dann stürzte die Realität zurück auf sie ein und Die geriet in panische Bewegung, rauschte an seine Seite, brach vor ihm einfach so in die Knie, fasste behutsam nach ihm und Shinya war nicht ganz klar, was Die nun hatte... dann sah er das Blut. „Verdammt.“ Er hielt seinen Arm gegen seinen Körper, er musste beim Stürzen – schon wieder! - auf diesen gefallen sein, die Heilung war lang nicht soweit voran geschritten, dass die Wunde keinen Schaden nehmen würde und nun schluchzte er, frustriert und vor Schmerzen... dieser dumme, dumme Arm. Er würde wieder abheilen und seine Chancen, wieder zu spielen, wurden schwächer und schwächer. Die tat einen aufgeregten, aber sehr feinen Laut in seiner Kehle, wickelte behutsam ein sauberes Geschirrtuch von der Ablage, um die Wunde, zog dann behutsam an ihm. „Shinya? Du musst aufstehen, bitte? Hier liegen überall Scherben, ich will nicht, dass du dich schneidest.“ Scherben? Sein Blick fiel auf den Boden und wie es der Gitarrist gesagt hatte, überall Splitter von Glas, Weiß und auch Bunt – was hatte er nur herunter gerissen? Eine von ihnen wollte er berühren, unterließ es dann aber doch, selbst wenn er sah, dass Kyos Jacke ebenfalls von Scherben übersät war. Er nickte abwesend, ließ sich aufhelfen – Dies Finger waren heiß wie Feuer, sie lenken ihn ab und er sorgte sich abermals, ob sein Freund fieberte? Wenn ja, was tat er hier? Was tat er überhaupt hier? Kyo kümmerte sich um seine Pflanzen, oder? Der Vocal würde ihn nicht anlügen, nicht in so einem Punkt. Behutsam wurde er ins Wohnzimmer gebracht, dort auf die Couch gesetzt und dann löste sich Die von ihm – der rationale Teil von ihm wusste, dass der Rothaarige sicher nur etwas holen wollte, damit er seine Wunde versorgen konnte, aber der Rest von ihm eskalierte schlicht in Angst und Panik, dass sein Freund nun wieder verschwand, ohne dass sie die Chance hatten, Worte miteinander zu wechseln. „Nicht!“ Seine Arme wanden sich mit überraschender Kraft um den Hals des Größeren, dieser hatte schon wieder beinahe vollständig gestanden, geriet nun ins Wanken und landete auf ihm, traf ihn hart in den Rippen, aber es war Shinya gleich, er hielt den Älteren fest an sich geklammert. „Shinya?“ Es war so leise, so bekümmert und vorsichtig, dass der Drummer Tränen in seinen Augen brennen fühlte. Dass Die nun so war, war allein seine Schuld. Wenn er stärker gewesen wäre, dann würde es Die nun nicht so gehen, dann hätten sie sich niemals gestritten und alles was in London und Schottland geschehen war, wäre nicht passiert. Es war alles allein seine Schuld. Er hätte Kyo niemals Glauben schenken dürfen. Abermals schluchzte er, packte die Jacke seines Freundes so fest, dass der Stoff in seinen Fingern knirschte. „Nicht. Geh nicht. Lass mich nicht allein hier!“ Der kleine Junge in ihm klammerte mindestens ebenso heftig an Die, suchte bei diesem Schutz, verbarg sich regelrecht und es war ihm dabei auch völlig gleich, dass der Größere nur schwieg, er sollte nur da sein... Den Rest von Shinya machte die lange Stille halb wahnsinnig, so dass sich ein weiteres, hilfloses Schluchzen brach, als sich Die bewegte, auf ihn herab sah, die Haare aus seinem Gesicht strich. „Ich werde nicht gehen. Ich will mir nur deinen Arm ansehen, ihn verbinden, Ist das okay?“ Mit der gesunden Hand schrubbte sich der Drummer über das Gesicht, suchte seine Tränen zu tilgen und irgendwie Kontrolle zurück zu erlangen, als er Die losließ, dabei nickte. Sein Freund hockte sich vor ihn, strich zögernd über seine Wange, sah ihn an, das Herz in den Augen, so erfüllt von Sehnsucht, von Kummer und Shinya wünschte, dass er es alles wieder gut machen würde können. Er wollte, dass es Die wieder gut ging, es so zwischen ihnen wurde, wie es früher war. Gott... er vermisste seinen Freund so sehr! Er wollte etwas sagen – irgendetwas! - aber seine Kehle war wie zugeschnürt und dann erhob sich Die, ging und er konnte es nur beobachten, mit der gesamten Situation überfordert und nicht nur er, dem Älteren schien es ganz genauso zu gehen. Ein gequältes Lachen brach sich von seinen Lippen, als er die Knie an seinen Leib zog, sich verbarg. Was waren sie nun nur für ein Paar! Beide waren sie nun hier, allein und dennoch wussten sie nicht, wie sie miteinander reden sollten... schlimmer noch, er bewies ihnen beiden gerade glorreich, wie bemitleidenswert er doch sein konnte, wie nichtig sein Willen, sein Stolz war. 'Shinya' schwand mehr und mehr... und Die, der Letzte, der es hätte sehen sollen, war Augenzeuge davon. End Act II – Return Part B [1] Wir wissen das Umbrella noch nicht 2001/2002 entstanden ist, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt. Kapitel 4: Part III - Reconnection ---------------------------------- Act III - Reconnection Seine Schritte führten ihn zurück in die Küche des Drummers, waren schleppend langsam, denn, auch wenn Die sein Ziel direkt vor Augen hatte, war ihm tief in seinem Innersten nach weglaufen, fort von hier und von Shinya. Aber er konnte diesen doch nicht einfach sich selbst überlassen… schon allein dessen Verfassung wegen, der offenen Wunde am Arm und überhaupt… Trotzdem, er war dermaßen überfordert mit dieser Situation, konnte es noch immer nicht fassen. Er hatte keineswegs damit gerechnet dem Jüngeren zu begegnen, als er den Weg hierher eingeschlagen hatte, war nur hergekommen, um, wie auch immer, nach dem Rechten zu sehen und dann, dieses Bild… Shinya, wie er am Boden kauerte, das viele Blut. Auch jetzt noch zitterten seine Hände, als er endlich angekommen, die kleine Kammer, die sich hier befand, öffnete und aus dieser den Verbandskasten nahm, die nötigen Dinge zusammen suchte, um den Arm seines Freundes zu verbinden. Er versuchte sich verzweifelt zu beruhigen, sprach sich innerlich Mut zu. 'Komm schon Die, es ist in Ordnung… es ist nur Shinya, der jetzt deine Hilfe braucht… Vergiss jetzt einfach mal, was zwischen euch passiert ist.' Diese und andere Phrasen gingen durch seinen Kopf, doch helfen taten sie wenig, auch wenn sich der Gitarrist, am liebsten selbst in den Hintern treten würde. Er konnte doch froh sein, dass sein Freund ihn noch nicht aus dem Haus gejagt hatte, sondern noch… glücklich über seine Anwesenheit schien? Sogar nicht mal wollte, dass er ihn auch nur für einen Moment allein ließ… also, warum machte er sich jetzt so einen Kopf? Die kannte die Antworten, noch bevor er überhaupt darüber nachdenken musste… er hatte Angst. Auch jetzt noch, nachdem sie sich schon begegnet waren… einfach Angst, wie es nun weiter gehen würde. Er war so verwirrt darüber, dass der Jüngere ihm nicht mit Hass entgegengekommen war, trotz dessen ihr letztes Aufeinandertreffen so ganz und gar nicht herzlich gewesen war. Doch sicherlich lag es einfach an der Verletzung des Zierlicheren. Dieser schien verdammt arge Schmerzen zu haben und dies war wohl der Grund dafür, dass Shinya momentan ganz andere Sorgen hatte, als über ihren Streit nachzudenken. Der Gitarrist nickte sich selbst zu, wie um sich zu überzeugen, dass er wohl Recht mit seiner Vermutung hatte, atmete dann tief durch, ehe er sich endlich ein Herz fasste, um zurück in das Wohnzimmer zu gehen… sich nochmals innerlich verdeutlichte… jetzt war die Ruhe vor dem Sturm, der sicher folgen würde. Als er den anderen Raum wieder betrat, fand er seinen Freund so vor, wie er ihn verlassen hatte, jedoch war dessen Gestalt weiter in sich zusammen gesunken, schien der Drummer ihn noch nicht einmal zu bemerken und irgendwas störte ihn besonders an diesem Bild. Das war doch nicht der Shinya, so wie er ihn kannte! Nicht ein Funken zeugte von dem eigentlich so schlagfertigen Menschen, wie der Ältere ihn in Erinnerung hatte… Nein… Dieses Häufchen Elend war etwas, das der Rothaarige nicht kannte… Denn niemals hätte Shinya seine Gefühle so sehr nach außen gezeigt, doch nun…! Und er war so dünn, förmlich ausgemergelt, als könnte ihn ein Windstoß von den Beinen fegen… bei Gott, warum war ihm das denn nicht vorher schon aufgefallen? War er wirklich so sehr auf sich selbst fixiert gewesen, dass ihm das ganze Ausmaß erst jetzt bewusst wurde? Schnell fand sich der Rothaarige an der Seite des Zierlicheren wieder, war es, als hätte sich ein Schalter in seinem Kopf umgelegt und weggefegt war plötzlich alle Unsicherheit, die ihn zuvor noch eingenommen hatte, als er vorsichtig eine Hand auf die knochige Schulter seines Freundes legte. Er bemerkte sofort, wie der schmale Körper ob der Berührung zusammenzuckte, doch ließ er sich nicht beirren, wartete mit einer Ruhe, die man dem aufgeweckten Gitarristen gar nicht zutrauen würde ab, bis sich der Kopf seines Freundes hob, sich dessen müde Augen mit den Seinen trafen. Der Ältere lächelte sanft, wie um sein Gegenüber zu beruhigen, ehe er leicht über dessen Wange streichelte. „Shinya, bist du bei mir?“ Lediglich ein Nicken antwortete ihm, doch dies allein genügte. „Gut, du wirst mit mir zusammen arbeiten müssen. Schaffst du dass?“ Wieder ein Nicken. „In Ordnung, dann sollten wir erst einmal zusehen, dass du dich aus dieser verkrampften Haltung löst… komm, ich helfe dir und dann werde ich mir deinen Arm ansehen, denn dieser gehört schnellstens verbunden.“ Der Größere wartete nicht erst eine Antwort ab, sondern half seinem Gegenüber sich in eine aufrechte Position zu begeben, so dass dieser nun so vor ihm saß, dass er sich dessen Hand greifen konnte, sie so auf dessen Schoß zurecht legte, damit er an die Wunde herankam. In wenigen Minuten und mit nur ganz wenigen Handgriffen, desinfizierte Die die Verletzung, summte beruhigend, als der Arm fort zucken wollte. Danach trug er eine Wundsalbe auf, legte eine Kompresse auf die Stelle und verband sie anschließend ordentlich. Erst dann ließ er die Hand des Anderen wieder los, lehnte sich auf seinen Ellenbogen zurück, blickte noch für einen Augenblick auf den vor ihm Sitzenden, ehe sich seine Augen auf den Boden senkten. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus und so gerne der Ältere sie gebrochen hätte, er wusste einfach nicht wie. Der Zustand dauerte noch eine ganze Zeit lang an, bis er aufblickte, da Shinya ihn angesprochen hatte. „Was?“ „Ich sagte…. Ich wollte mich bei dir bedanken.“ „Hmm… warum?“ Der Gitarrist blinzelte. „Für deine Hilfe.“ Dabei deutete der Jüngere auf seinen Arm. „Aber das ist doch selbstverständlich, wir sind doch schließlich… Freunde.“ Das letzte Wort, war unsicher gesprochen, schließlich wusste er nicht, ob sein Gegenüber noch so empfand… egal was jetzt im Moment zwischen ihnen war, er konnte die Geschehnisse nicht vergessen, doch atmete leicht auf, als er wieder ein Nicken vernahm, auch wenn sich der Blick des Drummers abermals senkte und wieder herrschte Stille zwischen ihnen. Erneut wurde diese nach wenigen Minuten von seinem Gegenüber gebrochen. „Die?“ Zögerlich war sein Name von den Lippen Shinyas gekommen, doch er summte, als Zeichen, dass er ihn gehört hatte. „Es tut mir leid.“ Der Gitarrist blinzelte, fühlte sich überrannt, da er rein gar nichts mit dieser Entschuldigung anfangen konnte und er spürte die Augen seines Freundes auf sich ruhen, welcher ob seiner Reaktion leise seufzte. „Es tut mir leid, was ich dir zugemutet habe… hätte ich es nur früher gewusst.“ Die begriff die Worte des Jüngeren nicht. „Was meinst du? Eigentlich sollte ich mich entschuldigen!“ Entschieden wurde der Kopf geschüttelt, ehe der Drummer diesen hob, seinen Blick suchte. „Nein, denn ich weiß, wie sehr es dich belastet haben muss… als du von den Erpresserbriefen erfahren hast.“ ~~~~~~~~~ Die wurde sehr sehr still vor ihm, starrte ihn schlicht an und dann verlor er das, was noch an Farbe in seinen Zügen gewesen war, wurde kalkbleich und Shinya bereute seine Worte sofort – warum hatte er auch nicht einfach seinen Mund halten können? Oder sich für etwas anderes entschuldigen? Für den Streit, die Abweisung, sein Verhalten? Warum musste er ausgerechnet nun mit der Wahrheit hinaus platzen, wo er doch hätte wissen müssen, dass es der falsche Zeitpunkt war? Er biss sich auf die Lippen, hob seine Hand, um sie nach Die auszustrecken und der andere Mann wich vor ihm zurück, als hätte er ihn schlagen wollen, so heftig und schnell, dass er über die Seite der Couch stürzte und direkt auf dem Boden landete. Doch auch vom Boden her starrte Die ihn nur weiter an, sagte nichts, bewegte sich nicht und Shinya wusste nicht, was er tun sollte, was er tun konnte... er hatte schon genügend Fehler gemacht, jetzt und in der Vergangenheit. Es war besser, wenn er nun nichts mehr versuchte, wenn er niemanden mehr zu nahe kam. Er schob sich von der Couch herunter, während die Stimmen in seinem Kopf immer wilder wurden, ihm mit lautem und hässlichem Lachen zeigten, was er die ganze Zeit schon gewusst hatte. Das er erbärmlich war und nur auf sich konzentriert. Ein Lügner, einer, der es nicht wert war Freunde zu besitzen und Halt. Er gehörte eingesperrt und gestraft, für das was Toshiya geschehen war, ER sollte sich selbst dafür strafen! Leise begann er vor sich hinzu murmeln, irgendetwas, einfach nur, damit seine Stimme Die ablenkte und er selbst heillos davon laufen konnte und beinahe hatte er es geschafft, da bemerkte sein Freund, was er im Grunde vorhatte und schien entschlossen es zu verhindern. Die kam mit einer Schnelligkeit zurück auf die Füße, die er dem angegriffenen Gitarristen gar nicht zugetraut hätte und noch weniger hätte Shinya damit gerechnet, wie verdammt lang seine Schritte sein konnten, denn plötzlich lag ein Arm des Größeren um ihn, verhinderte so effektiv eine Flucht, selbst wenn er suchte, sich zu entziehen. Die Lippen lagen gegen sein Ohr, während er zuckte, mit der gesunden Hand gegen den Arm drückte, um frei zu kommen, dabei harsch atmete – Gott, begriff Die denn nicht? Er würde nur weiter verletzt werden, wenn er Shinya nicht losließ! Er würde nur weiter leiden und er wollte ihn anschreien, damit der Größere es verstand, begriff, wie gefährlich allein die Nähe zu ihm war, aber offenbar gab es in dem aufgewühlten Die wohl auch eine Stimme, die diesem sagte, was zu tun war... Nämlich genau das Entgegengesetzte zu dem, was ihm seine eigene zu tun drängte. Shinya wollte fort und Die wollte, dass er blieb. Es war eine Situation wie sie nicht schwieriger sein konnte und doch gab Shinya schlicht auf, blieb einfach nur still gegen Die, lehnte sich irgendwann sogar an, als dieser ihn richtig in die Arme schloss. Es fühlte sich seltsam an, denn Die war nicht Kyo, war nicht Toshiya und es war sehr lange her, dass sie einander so nahe gewesen waren, aber der Größere war warm und real unter seinen Händen und selbst wenn es noch so viel gab, dass sie klären mussten, selbst wenn ihr erstes Wiedersehen ein derartiges Desaster gewesen war... Shinya wollte nach wie vor, dass Die bei ihm blieb. Deswegen wanden sich seine Arme irgendwann von allein um den schlanken Mann – er konnte fühlen, wie dessen Rippen hervor standen und da gab es diesen brennenden Wunsch in ihm, das wieder zu ändern, Die zu dem zu machen, was er gewesen war, bevor sie sich nicht mehr verstanden hatten. „Du hast abgenommen.“ Einen Moment lang nichts und dann ein leises, feines Lachen, ein Schatten dessen, was Die zu früheren Zeiten gelacht hatte. Shinya sah zu dem Größeren auf, verwirrt, verunsichert, ob dieser Reaktion und ein Finger strich sanft über seine Wange, während er in den Augen des Gitarristen zum ersten Mal nur eine einzige Emotion sehen konnte – Erleichterung. „Nur du, Shinya, kannst in einer Situation wie jetzt, auf so etwas kommen. Sieh dich selbst an, auch du bist nicht gerade das blühende Leben.“ An Shinyas Lippen zupfte ein sehr wackliges Lächeln. „Ich weiß.“ Die antwortete nicht, verstand wohl, in wie vielen Schichten seiner selbst, seiner Seele er nicht 'In Ordnung' war, hielt ihn nur weiter fest, wisperte irgendwann leise gegen sein Haar. „Wie wäre es, „ und Shinya hörte die Unsicherheit, die Sehnsucht in der Stimme des Rothaarigen, „ wenn wir versuchen, von ganz vorn zu beginnen?“ Einen ganz kleinen Moment schwieg der Drummer, dann nickte er seicht gegen die Brust seines Freundes. „Das würde mir gefallen.“ Der Ältere summte leise, löste sich dann soweit von ihm, dass sie sich in die Augen blicken konnten. „Dann beginnen wir damit, dass wir uns einen Tee machen und uns darüber unterhalten, was eigentlich geschehen ist? Nicht nur heute Nacht, sondern alles – was geschehen ist, dass wir soweit auseinander gedriftet sind. Ich will hören, was dich dazu bewegt hat, was du empfunden hast, was du erreichen wolltest und ich werde es genauso machen. Wäre das okay für dich?“ Shinya nickte leicht, Gott, Die war nun so ruhig, so sicher. Als hätte der Gitarrist irgendwo Stärke gefunden, sie hier beide hindurch zu bringen. Und er brauchte dringend jemanden, der ihn heute Nacht an die Hand nahm und führte. Morgen, da würde es wieder hell sein und er seine eigene Stärke haben... und Die hatte ihn nun so gesehen, jämmerlich und zerbrochen wie er war... vielleicht würde es tatsächlich gut tun, mit diesem zu reden. Vielleicht würden sie wieder zusammenfinden und dann gab es zumindest einen winzig kleinen Teil, denn der Drummer gutmachen würde können. ~~~~~~ Music: Fuji Fummiya -. Snow Crystal/True Love 2001 – March, 5th 7:32 Uhr Die digitalen Zahlen seines Weckers sagten ihm, dass es halb Acht Uhr in der Früh war. Shinya blinzelte langsam, es musste erst sacken, dass er mehr als drei Stunden hatte schlafen können, dann atmete er tiefer aus, es war ein Fortschritt, seine Alpträume waren nicht noch einmal wiedergekommen. Was hatte ihn dann geweckt? Shinya war nicht dumm, er wusste, sein Körper war derart erschöpft, dass er sich die Ruhe in Form von dreizehn bis vierzehn Stunden holen würde, wenn er es konnte, also musste es etwas geben, dass den Drummer unbewusst doch aus dem Schlaf gerissen hatte. Einen Moment später hörte er es – es war das tiefe Brummen eines Straßenreinigungsfahrzeugs und er schob die Hand in seine Strähnen, wollte lachen. Wie lächerlich es war – früher hatte er Laute wie diesen einfach ausgeblendet. Ein paar Momente noch blieb er so ruhig liegen, dann rollte er sich auf die Seite, wollte aufstehen, doch eine Hand berührte sanft seinen Rücken. „Shinya? Du bist schon wach?“ Die. Scheu blickte Shinya über seine Schulter hinweg zu dem Rothaarigen, welcher neben ihm im Bett gelegen hatte, ihn nun mit Sorge beobachtete, dass Haar in hoffnungsloser Unordnung, das Gesicht müde, aber nicht mehr so blass wie noch vor ein paar Stunden. „Ich... die Aufräumarbeiten draußen haben mich geweckt.“ Die summte leise, setzte sich dann ebenso auf – sie waren beide vollständig bekleidet und dennoch war der Pullover des Größeren nach oben gerutscht, offenbarte den viel zu dünnen Körper darunter. „Und du denkst, dass du nicht wieder einschlafen kannst?“ Nun schüttelte der Drummer den Kopf, seicht nur, derweil sein Herz ihn anbettelte, sich nach hinten gegen den Gitarristen zu drücken, etwas so bitter benötigte Nähe zu haschen, doch er blieb so still sitzen, tat nichts, beobachtete Die nur. „Bereust du die letzte Nacht? Dass wir geredet haben?“ Die Frage war ebenso scheu gestellt, wie er sich fühlte, aber Shinya konnte entschieden den Kopf schütteln. „Nein... es war gut. Es hat sich besser angefühlt hier drinnen. Zwischen uns auch. Als würden wir auf dem Weg einer wirklichen Annäherung sein.“ Der Rothaarige lächelte auf seine Worte, er war glücklich, hoffnungsvoll und so herzzerreißend süß, dass der Drummer am liebsten aufgesprungen und davon gerannt wäre, aber stattdessen streckte er die Hand nach hinten aus, glitt mit den Fingerspitzen sanft über die des anderen Mannes. „Ich werde uns Tee machen.“, er zögerte einen Moment, „Danke. Für alles letzte Nacht.“ Und damit meinte der Drummer nicht nur, das Reden, die sanfte Führung des Gitarristen, die Nähe, die er ihm gegeben hatte, obwohl es ihm selbst nicht gut ging... Shinya meinte damit auch, dass Die sein Schlafzimmer aufgeräumt, die Betten neu bezogen und die Wäsche gewaschen hatte, die er zu diesem Zeitpunkt schon vollkommen vergessen hatte. Es war ein Schock gewesen, gestern Nacht und es hatte so furchtbar gestunken, aber Die hatte ihn nur wieder aus dem Raum geschoben und auf die Couch gesetzt. Shinya war sich nicht einmal sicher, wie und wann er dann am Ende doch noch ins Bett gekommen war, aber es hatte so frisch und rein gerochen, dann noch die Nähe von Die, der ihn behutsam umarmt hatte... Er musste darüber nachdenken, was er dem Rothaarigen geben konnte, um sich zu bedanken. Nun aber erhob er sich, trat leise durch seine Wohnung in die Küche – auch hier war alles aufgeräumt und er seufzte schuldbewusst – dazu hätte er allein in der Lage sein müssen. Jetzt blieb ihm nichts anderes als Teewasser aufzusetzen und eine Kräutermischung anzurichten... außer Tee hatte er nichts im Haus, aber er wusste, dass vor allem Die essen musste, weswegen er in den Flur trat, sich dort Schuhe anzog und eine Jacke überstreifte. Sein Haar kämmte er nur leicht, dann ging er zurück ins Schlafzimmer, in welchem Die gerade das Bett machte. „Ich gehe etwas zum Frühstück holen.“ Die strich über die Decke, nickte dann, als er ihn ansah. „Möchtest du, dass ich mit dir gehe?“ Einen kurzen Moment Zögern, dann: „Gerne. Wenn du es willst.“ Die nickte, kam zu ihm, strich ihm über den Arm. „Wenn wir zurück sind, muss ich Kaoru anrufen. Er sorgt sich sicher, er weiß nicht, dass ich hier bin.“ Ihr Leader war in der Tat besorgt gewesen, Shinya hatte es an den paar Worten gehört, die während des Telefonats zu ihm herüber geflohen waren und er knabberte seicht auf seiner unteren Lippe. Es klang, als würde noch so viel mehr zwischen den beiden Geliebten stehen und er hatte Angst, dass er der Grund dafür war. Die verabschiedete sich leise und er hörte, dass Kaoru etwas Zärtliches sagte, auf welches der Rothaarige bekümmert lächelte... es tat weh, diesen Ausdruck auf den Zügen seines Freundes zu sehen. Und es war dieser Schmerz, der Shinya den Impuls gab, seine Hand von sich aus auszustrecken und sie auf den Arm des Gitarristen zu legen, weich über diesen zu streicheln. Die sah ihn an, wirkte, als würde er jeden Moment zu weinen beginnen und Shinya wollte seine Finger wieder entziehen, wusste nicht recht, ob er etwas Falsches getan hatte, aber der Größere schüttelte nur den Kopf, hielt seine Hand dann fest, hob sie, küsste seicht die Knöchel, bevor er wieder in den Hörer sprach. „Ich werde ihn fragen. Ja, wir werden Bescheid sagen. Ich... ich liebe dich auch.“ Shinya lächelte ob der letzten Worte, drückte Dies Finger, welcher den Hörer behutsam zurück auf die Gabel legte, ihn dann ansah und das Lächeln nach einigen Sekunden erwiderte. „Lass uns essen.“ Der Drummer nickte, schloss dann die Hand um seine Tasse, als sie in seiner kleinen Küche saßen, kostete die Wärme aus, die sie abstrahlte. „Ist es sehr schlimm? Zwischen dir und Kaoru?“ Die schwieg eine lange, lange Zeit und Shinya wollte sich gerade dafür entschuldigen, so etwas schrecklich Falsches gesagt zu haben, da seufzte sein Freund, stützte den Kopf auf eine Hand auf. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich... ich habe Angst zu ihm zu gehen und ihn zu fragen. Habe Angst vor dem, was er mir vielleicht antwortet. Dass er nur noch mit mir zusammen ist, weil ich es brauche. Dass ich ihn nur noch verletze. Und deswegen... renne ich vor ihm davon. Renne vor allem davon. Auch vor dir... bis gestern Nacht.“ Shinya schob seine Hand sanft auf die des Gitarristen. „Versuch nicht wegzulaufen. Rede mit ihm.“ „Wirst du denn das Gleiche tun?“ Die Lippen des Drummers öffneten sich, derweil Die den zierlichen Mann ruhig ansah, aber sagen tat dieser nichts, senkte am Ende nur den Blick und nun war es der Rothaarige, welcher die Hand seines Freundes hielt. „Versuchst du es auch? Nicht gleich heute, oder morgen. Aber... versprich mir, dass du es probieren wirst? Dann werde ich dir das Gleiche versprechen.“ Shinya nickte sanft, auch wenn es ein paar Sekunden gebraucht hatte und Die drückte sanft die Hand. „Möchtest du Toshiya besuchen? Wir müssen auch deinen Arm ansehen lassen.“ Shinyas Augen wanderten automatisch auf den weißen Verband, der Blick derart in sich gekehrt, dass Die befürchtete, alle Fortschritte der Nacht wären nun ruiniert, dann aber sprach der Drummer doch. „Sie werden auch da sein, oder? Kyo und Kaoru? Die summte leise. „Werden sie mich hassen?“ Shinya sah nicht auf, als er das fragte, weswegen Die die Stirn in Falten legte... das machte keinen Sinn für ihn, er verstand es nicht. „Shinya... warum fragst du mich das? Was macht dich denken, dass es so sein könnte?“ Schweigen zwischen ihnen, lang und schwer, bis der Braunhaarige sich regte, nein vielmehr bebte. „Für das... was ich Toshiya angetan habe. Wenn ich... nicht erzählt hätte... dann wäre ihm das nie passiert.“ Die verstand noch immer nicht, aber er hakte nicht nach, wollte nur, dass Shinya sich beruhigte, denn dieser schien aufgelöst, der schlanke Leib bebte immer wieder seicht und der Gitarrist war sich sicher, wenn er in die Augen seines Freundes sehen könnte, würde er Panik in diesen entdecken. „Sie werden dich nicht hassen. Niemand von uns. Er fing die Finger wieder ein, die Shinya ihm entzogen hatte, küsste abermals sanft die Knöchel, er wollte irgendwie Nähe geben. „Sie werden froh sein, dass es dir gut geht, dass du gekommen bist.“ Der Braunhaarige nickte leicht, auch wenn er nicht an die Worte glauben konnte... Gerade Toshiya...Wie konnte dieser ihn nicht hassen, nachdem, was er ihm angetan hatte? Er hatte solch schlimme Wunden wieder aufgerissen. Hätte er nicht besser nachdenken können? Wenn er geschwiegen hätte, dann wäre Toshiyas Seele unbefleckt gewesen und der Bassist hätte all die Wunden vergessen können. Es wäre so viel besser gewesen... aber er – Shinya – hatte alles ruiniert. „Shinya?“ Dies sanfter Ruf und er biss abermals auf seine Unterlippe, zog hart an dem Fleisch zwischen seinen Zähnen, nickte am Ende aber doch, er würde gehen. Die zuliebe. Kyo zuliebe. Und dann, wenn er bei Toshiya um Verzeihung gefleht hatte, dann würde er soweit fort rennen, dass er niemanden mehr wehtun konnte. ~~~~~~ 2001 – March, 11th 7:38 Uhr Sein Blick war starr, noch immer gegen die Wand gerichtet, bewegte sich nicht, auch nicht, als sich eine Person direkt neben sein Bett stellte. Es war eine Frau, er konnte ihre Stimme hören, sicherlich eine der Schwestern. Er verstand, was sie sagte, doch auch darauf reagierte er nicht, wollte es nicht, blieb stumm und regungslos, seit dem gestrigen Morgen… oder war dies schon wieder länger her? Der Bassist wusste es nicht, hatte jegliches Zeitgefühl verloren, doch es war ihm egal, sowie alles andere auch egal war. Das Einzige, das er wusste, war, dass sie keinerlei Reaktionen von ihm erhalten würden, solange sie ihm nicht sagten, wo Shinya war, mehr wollte er doch gar nicht. Aber nein, sie waren nicht darauf eingegangen, also, warum sollte er sich ihnen nun beugen? Diesen verdammten Ärzten, die doch nur alles besser wussten. Er hätte einen Schock, haben sie gesagt… vielleicht hatte er dass, vielleicht aber auch nicht, was wussten sie schon? Natürlich war es zu viel gewesen, gleich nachdem er aus dem Koma erwacht war, wieder an die schrecklichen Erlebnisse in Schottland erinnert zu werden, natürlich war er in Panik geraten, doch er hatte sich auch wieder beruhigt. Diese ganzen Ärzte hatten es doch selbst gesagt, dass sie ihm glücklicherweise keine weiteren Beruhigungsmittel geben mussten, er sich trotz seiner heftigen Reaktion wieder von alleine beruhigt hatte, auch wenn es nicht von der einen auf die andere Minute geschehen war. Sie selbst hatten es dem Bassisten gesagt, kurz nachdem man Shinya von hier weg gebracht hatte, kurz nachdem sein Puls wieder gefallen war, seine Erinnerungen soweit wieder hergestellt waren, so dass er diese von der Realität, dem Hier und Jetzt hatte unterscheiden können und dennoch hatten sie seinen einzigen Wunsch missachtet, waren gar nicht erst auf ihn eingegangen. Beruhigen sollte er sich, Aufregung war schlecht für ihn, Kontakt zu seinem Freund wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut für ihn, doch was wussten sie schon? Gar nichts, denn einzig und allein Shinyas Anwesenheit könnte ihn beruhigen. Gott, er machte sich solche Sorgen um seinen Freund, hatte noch immer klar dessen Bild vor sich… Diese abgemagerte Gestalt, welche ihn mit Tränen in den Augen angeblickt hatte… Warum verstanden sie denn nicht, dass er seinen Geliebten sehen musste? Sich davon überzeugen, dass es diesem gut ging? Warum kümmerten sie sich so sehr um ihn? Es ging ihm gut, auch wenn er scheinbar im Koma gelegen hatte… seine Wunden waren verheilt, sein Kopf war klar bei Verstand und dennoch erzählten sie ihm immer wieder etwas anderes. Er hatte mit ihnen geredet, ihnen gesagt, dass es ihm an nichts fehlte und nun, da er schwieg, stellten sie alle möglichen Theorien auf. Pah, sollten sie nur, er wollte nicht mehr mit ihnen reden auch nicht mit diesem Psychiater… dieser unmögliche Mensch würde heute schon wieder bei ihm erscheinen, als ob die letzten Male schon nicht gereicht hätten. Natürlich war Toshiya bewusst, das alle Anwesenden - längst hatte er bemerkt, dass es nicht nur die Schwester war, die sich hier mit ihm auf dem Zimmer befand - nur sein Bestes wollten, wäre er durchaus bereit zu kooperieren, doch nicht wenn sie ihm weiter den Kontakt zu dem Drummer verbieten würden. Er musste diesen einfach sehen, egal was diese Quacksalber von sich gaben, egal ob sie noch frustrierter sein würden, ob seines Starrsinns. Es tat ihm darum nicht leid, sicher nicht… Lediglich bei Kaoru sollte er sich wohl bei Gelegenheit entschuldigen, denn diesen hatte er sicherlich unnötig gesorgt. Sie hatten ihm gesagt, dass der Leader gestern bei ihm gewesen war, glaubten, er hätte es nicht mit bekommen und tatsächlich, sagten sie einmal die Wahrheit, er hatte es wirklich nicht bemerkt, spielte die Rolle des Schweigsamen, welcher absolut ahnungslos gegenüber seiner Umgebung war, vielleicht schon zu perfekt oder lag es einfach nur daran, dass alles langsam zu viel wurde? Der Schwarzhaarige wusste sich darauf keine Antwort zu geben… oder hatten die Ärzte am Ende doch Recht und er war gar nicht mehr er selbst? Ein einzelner Laut perlte von seinen Lippen, ein Seufzen, doch nicht mehr. Würde er Shinya heute sehen? Würden sie ihn zu ihm lassen? Er wagte es nicht, seine Fragen zu stellen, sie würden es ja doch wieder mit einer Ausrede nach der Anderen verhindern. Egal, es war egal… sie konnten machen, was sie wollten, so schafften sie es nie, zu ihm durch zu dringen. ~~~~~~ 2001 – March, 12th 4:53 Uhr Eigentlich hatte es in seiner Absicht gelegen, einen netten, ausländischen Fluch los zulassen, aber alles, dass sich von Kyos Lippen brach war ein krankes Stöhnen und dann ein gurgelndes Geräusch, als er über der Toilette hing und abermals krampfartig würgte – dies Spiel spielte er nun schon seit gut einer Stunde, zwar hatte er keine Ahnung, wie er überhaupt hier her gekommen war, aber so wichtig war das nicht, die Toilette war gerade mehr als heilig und das Porzellan immer noch kalt unter seinen Fingern. Eine Hand legte sich in seinen Nacken und er knurrte – auch dies geschah nicht zum ersten Mal, aber wie zuvor ließ sich Kaoru davon nicht beirren, wischte ihm mit einem kühlen Lappen das Gesicht ab, spülte dann, bevor der Geruch der Galle eine weitere Brechattacke hervor rufen konnte, reichte ihm dann einen Becher, sodass er sich den Mund ausspülen konnte. „Denkst du, dass du es auf die Couch schaffst?“ Kyo stöhnte nur gebrochen, er fühlte sich hier wohl verdammt noch mal, er wollte nirgendwo anders hin, zum Teufel mit Kaoru und seiner Sorge, er sollte ihn einfach hier liegen lassen... er hatte gewusst, dass es ihm so gehen würde, als er entschieden hatte, sich zu betrinken und nun wollte er die glorreichen Konsequenzen mit all dem Selbstmitleid auskosten, das er aufbringen konnte... aber der Leader war so verdammt süß mit ihm, da brachte es mehr Schuldgefühle, dass er den Alkohol überhaupt erst angerührt hatte. Finger strichen abermals über seinen Nacken. „Bitte Kyo. Bitte, lass mich wenigstens um dich kümmern, alle anderen... wollen es ja nicht.“ Autsch. Das war aber verflucht weit unter der Gürtellinie und der Vocal hob den Kopf, suchte Kaoru wütend anzufunkeln, wünschte dann, dass er es nicht getan hätte, denn nun würde er unter Garantie einknicken. Der Leader sah so müde aus, so verletzt und verloren - wie ein Kind, das man inmitten einer zerstörten Welt ausgesetzt hatte und das nun nichts anderes mehr als seinen Willen und seinen Stolz hatte, um weiter voran zu schreiten. Die Hand schob sich unter seinen Arm und er ließ sich mit hochziehen, fiel dann gegen Kaoru, seine Füße führten ein offensichtliches Eigenleben und er starrte auf sie herab, suchte sie dazu zu bewegen, mit ihm zu kooperieren, als sie stolpernd und schaukelnd aus dem Bad taumelten im kurzen Flur irgendetwas von der Kommode rissen, bevor sie es ins Wohnzimmer schafften, wo sie prompt beide auf der Couch landeten. Kaoru seufzte unter ihm, als der erste Moment vorüber war, wollte damit beginnen, sie anders zu bewegen, wohl in der Absicht wieder aufzustehen, doch Kyo – vernebelt, verletzt und noch immer betrunken genug - wand seine Arme um den Leader, hielt ihn schlicht fest. „Will kuscheln.“ Er nuschelte es nur, seine Wut war weg und ersetzt durch das Bedürfnis nach Nähe, dem Gefühl schlicht weg loszuheulen, in der Hoffnung, dass es dann besser werden würde – aber es würde sich nichts ändern, es würde sich nie etwas ändern. Wieder ein Seufzen, lautlos, Kyo fühlte es mehr unter seinem Gesicht, dass auf der Brust des anderen Mannes lag und er drückte fester zu, schloss dann die Augen, suchte Worte zu formen, es war schwer, seine Zunge wie Blei und die Aussprache belegt. „Kao? Bin ich ein guter Freund?“ „Natürlich bist du das, Kyo.“ Die Antwort war leise, mit liebevoller Zärtlichkeit behaftet und Kyo schniefte leise, rieb seine Nase an Kaorus Oberteil. „Warum streiten wir uns dann ständig? Warum kann ich dann Shinya nicht helfen? Warum erreichen meine Worte dann weder Die noch Toshiya?“ Dieses Mal herrschte längeres Schweigen und er fühlte, wie sich Kaorus Finger in sein Haar schoben, seicht durch dieses streichelten. „Ich weiß es nicht, Tooru. Aber es liegt sicher nicht daran, dass du ein schlechter Freund bist.“ Kyo bebte, Übelkeit kam und ging, aber irgendwie war es wie eine Konstante hier mit dem Anderen zu liegen – sie waren sich nah und er konnte sich nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal so gewesen war. „Es ist so lange her, dass du mich Tooru genannt hast... ich vermisse es.“ Nun sah er auf, suchte nach Kaorus Blick und war wenig überrascht Tränen in den braunen Tiefen zu finden, noch fielen sie nicht, aber ewig würde der Größere sie nicht halten können. „Ich vermisse 'uns'. Unsere Familie, unsere Band. Dieses Band, dass uns durch alles gebracht hat... es ist, als würde unter meinen Fingern zusammenbrechen, was ich versuche zu halten.“ Ein feines Schluchzen und als er wieder hinauf sah, hatte der Leader seine Augen geschlossen. „Warum Tooru... sagst du so etwas nur, wenn du so betrunken bist, dass du dich nicht mehr daran erinnern wirst, wenn du erst geschlafen hast? Weswegen lässt du mich dich nur jetzt sehen? Ich vermisse dich. Ich vermisse den Halt, genauso wie du ihn vermisst.“ Die Hand in seinem Haar wurde fester und dann wurde Kyo fest gehalten, es war ungewohnt, so eine Art der Umarmung hatte er noch nie zuvor von Kaoru bekommen, aber er erwiderte sie ebenso feurig. „Erinnere mich an das hier, wenn ich wieder wach bin. Versprich mir das, Kaoru.“ Er war sich nicht sicher, ob der Andere seine Worte hatte verstehen können, undeutlich wie sie waren, aber dann nickte der Leader, lehnte den Kopf gegen den seinen. „Ich verspreche es dir.“ End Act III - Reconnection Kapitel 5: Part IV - Embrace ---------------------------- Kapitel 5: Part IV - Embrace 2001 - March, 12th 10.00 Uhr Part VI - Embrace Er ließ die Hand, welche noch immer das Telefon hielt und aus welchem nur noch ein stetiges Tuten drang, einfach sinken, wusste auch so, dass sein Geliebter längst aufgelegt hatte. Mit hängenden Schultern saß er da, suchte das Gespräch mit Die zu analysieren, denn es beunruhigte ihn. Natürlich war er froh gewesen, dass sich sein Freund gemeldet hatte, schließlich war er sehr besorgt um diesen, aber er spürte einfach, dass etwas zwischen ihnen stand und wusste, das dies nichts damit zu tun hatte, dass Die abermals bei Shinya war. Vielleicht sollte er sich endlich mal die Zeit nehmen und mit Die reden? Wenn er so über sich und den Anderen nachdachte, konnte er sich gar nicht mehr daran erinnern, wann er seinen Freund eigentlich das letzte Mal in den Armen gehalten oder sie gemeinsam etwas unternommen hatten. Selbst, wann sie das letzte Mal zärtlich zu einander gewesen waren… Das alles schien schon so lange zurück zu liegen und auch wenn ihn die Gedanken um den Gitarristen mehr als beschäftigten, schließlich ging es dabei um seinen Geliebten, schob er diese nun endgültig von sich, jedoch nicht ohne sich selbst vorher zu versprechen, das Gespräch mit Die zu suchen. Jetzt erst einmal, hatte er eine andere Sorge, um die er sich kümmern musste. Kyo -der Sänger hatte sich schon wieder betrunken und er diesen allein gelassen, als er das Telefon klingeln gehört hatte. Sich von dem Bett aufraffend, legte er auch endlich bei dem Telefon auf, ging mit diesem zurück zu dem Vocal. Der Kleinere schien noch immer zu schlafen, lag noch so da wie zuvor, bevor er diesen allein gelassen hatte, doch nun fing die Gestalt an, sich zu regen. Er setzte sich nahe zu dem Blonden, strich sanft ein paar Strähnen aus dessen Stirn und beobachtete still, wie dessen Lider leicht zu flattern begannen und sich die braunen Augen langsam öffneten. Das Gesicht seines Gegenübers verzog sich zu einer schmerzverzerrten Fratze und er konnte nachvollziehen, wie sich sein Freund wohl gerade im Moment fühlte. Dass Kyo überhaupt aufgewacht war, erleichterte ihn sehr, denn er hatte wirklich geglaubt, den Sänger zu verlieren, nach den Unmengen an Alkohol die dieser gestern Abend verschlungen hatte… Es war ein Wunder, dass er heute Nacht nicht den Notruf hatte alarmieren müssen, obwohl er einige Male kurz davor gestanden hatte. Besonders nachdem der Sänger ganze zwei Stunden in der Toilette damit verbracht hatte sich zu übergeben, aber das war gut so gewesen, das Zeug hatte aus dem kleinen Körper raus gemusst - auch wenn es auf eine ziemlich anstrengende Art und Weise geschehen war. Doch so war er der Alkoholvergiftung entkommen, nicht jedoch den Kopfschmerzen die dieser jetzt hatte, denn nun wanderte eine Hand gegen die heiße Stirn, berührte dabei die Finger des Älteren. Die dunklen Augen des Blonden suchten die Seinen, blickten fragend und auch etwas irritiert, sicherlich wunderte sich der Jüngere, Kaoru an seiner Seite zu entdecken, denn an das Letzte, an dass sich der Sänger wohl erinnern konnte, war ihr Streit. „Wie geht es dir?“ Eine dumme Frage, dessen war sich der Violetthaarige durchaus bewusst, aber er wollte mit seinem Freund reden, suchend, dessen Stimmung zu erfahren. Die Stirn des Kleineren runzelte sich und der Blick aus den braunen Opalen wurde stechend, ehe sich Kyo aufraffte, ihm zu antworten. „Beschissen.“ Der Ältere ließ sich von der mürrischen Antwort nicht beeinflussen, nickte nur, während der Sänger leicht ächzte, versuchte sich aufzusetzen, doch bestimmt drückte Kaoru ihn wieder nach unten, zwang ihn liegen zu bleiben. „Nicht, sonst wird dir nur schwindlig oder wieder schlecht.“ Kyo schnaubte, doch entgegen seiner Erwartungen folgte der Vocal seinen Worten und blieb tatsächlich liegen. „Was ist passiert?“ „Du meintest dich schon wieder mit Alkohol ertränken zu müssen. Ich habe dich bereits volltrunken gefunden und auf dich aufgepasst - schließlich musste ich fürchten, dass du eine Alkoholvergiftung hast.“ Sein Gegenüber nickte nur, schien zufrieden mit der Antwort des Älteren, auch wenn dies den Leader überraschte. Kyo gab sich sonst nicht so schnell mit einer Erklärung zufrieden, besonders, nachdem ihr letztes Aufeinandertreffen eigentlich alles andere als harmonisch abgelaufen war. Nicht, dass es ihn störte, er war sogar froh darüber, besonders nach der letzten Nacht, was da zwischen ihnen geschehen war… Vielleicht war auch das der Grund für das Verhalten des Sängers, erinnerte sich dieser vielleicht daran? Kaoru blieb keine Zeit, weiter darüber zu sinnieren, denn die Stimme seines Freundes holte ihn aus seinen Gedanken. „Was ist gestern Nacht geschehen?“ Soviel zu seiner Theorie, dass sich der Sänger erinnern konnte. „Du weißt es nicht mehr?“ Eine Routinefrage, um zu erfahren, wie viele Lücken, das Gedächtnis des Kleineren aufwies. „Ich sehe Bilder, doch bin mir nicht sicher, ob sie der Wahrheit entsprechen. Sag du es mir!“ Die Worte waren mit einem gewissen Unterton behaftet, der deutlich verstehen ließ, dass der Vocal die Wahrheit wissen wollte, egal wie sehr er sich danach vielleicht schämte… Dass dies so sein würde, war dem Älteren bewusst und wenn keine Scham, dann Wut, auf sich selbst, dass er sich so gehen hat lassen. Kyo war nicht der Mensch, der seine Gefühle derart intensiv offen legte, doch heute Nacht hatte er es wieder getan, so das Kaoru auch dieses Mal all ihre Streitigkeiten vergessen hatte. Er würde seinem Freund die ganze Wahrheit offen legen, egal was danach sein würde, schließlich hatte er es versprochen, auch wenn der Kleinere zu diesem Zeitpunkt im Delirium geredet hatte. Es war bereits eine viertel Stunde vergangen, seit dem er seinem Freund jedes Detail offenbart und dieser ihm stumm zugehört hatte. Nun saß Kyo, nachdem er sich leicht aufgerichtet hatte einfach da, blickte stur geradeaus, eine der weißen Wände im Blick. Der Leader wartete ab, blieb einfach hier, bis der Sänger seine Stimme wieder finden würde. „Danke.“ Nur ein einzelnes Wort, welches doch so viel aussagte und Kaoru lächelte leicht, nickte dann, als ihn die braunen Tiefen fixierten. „Keine Ursache.“ Kyo zog es vor, nicht darauf zu antworten, begegnete ihm mit seiner typisch schroffen Art, indem er einfach den Blick abwandte, doch Kaoru war ihm nicht böse. Nein, mittlerweile kannte er den Sänger gut genug, um zu wissen, dass das Thema nun erledigt war und auch die Streitereien zwischen ihnen, waren vergessen. „Ich hole dir eine Kopfschmerztablette und danach lass uns Frühstücken.“ Keine Antwort, doch dem Leader genügte dies zur Zustimmung seines Freundes, denn andernfalls hätte dieser widersprochen. Einige Zeit später saßen sie gemeinsam in der Küche, tranken Kaffee - in Kyos Fall Tee - und obwohl der Tisch reichlich gedeckt war, fanden beide nicht den richtigen Appetit zuzugreifen, mochte es daran liegen, dass Kaoru zu sehr in Gedanken schwelgte, während der Sänger noch immer mit den Nachwirkungen des Alkohols zu kämpfen hatte… Sie wussten es nicht, doch es war ihnen auch egal. Die zwischen ihnen herrschende Stille wurde plötzlich unterbrochen, als das Klingeln des Telefons zu ihnen drang. ~~~~~~~~~ 13.14 Uhr Music: Ayaka - Blue Days/Gackt – The next decade Kyo hatte sich auf der Fensterbank im Flur des Krankenhauses geparkt und bedachte jeden, der ihn deswegen missbilligend ansah, mit einem vernichtenden Blick. Er hatte Kopfweh, ihm war kalt und er fühlte sich elend, wenn er also hier sitzen wollte, dann sollen sie ihn verdammt noch mal lassen! Kaoru war fort gegangen um Tee zu holen, murmelte etwas davon, dass es Kyo dann vielleicht wärmer wurde, aber der Sänger war weder blind noch war er dumm – er hatte gesehen, dass der Leader nur nach einer Möglichkeit gesucht hatte, ein paar Momente allein zu sein. Er verstand ihn, die beiden Telefonate mit Die hatten geklungen, als hätte Kaoru mit einem Fremden telefoniert, egal wie zärtlich die Worte gewesen waren, die der Andere mit dem Gitarristen geteilt hatte – und Kyo schämte sich dafür, in diesem Moment dennoch nur an Shinya gedacht zu haben. Erst war er maßlos überrascht gewesen, zu hören, dass Die bei dem Drummer gewesen war, dann hatte er schlicht Angst gehabt, dass das eine Situation schuf, die Shinya nicht bewältigen konnte, später hatte er in die Schuhe springen und sofort zu ihnen fahren wollen, bis er begriff, dass, wenn etwas Schlimmes geschehen war, er nun ohnehin nichts tun konnte und am Ende hatte er eingesehen, dass er aufhören musste, seine Liebe so zu bedrängen, selbst wenn er sich noch so sehr um den Jüngeren sorgte. Also hatte er sich quasi selbst an den Haaren hier her geschliffen, war bei Kaoru geblieben und wartete nun, dass die anderen Beiden endlich hier auftauchten. Seine Hände vergrub er in den blonden Strähnen, starrte dann hinaus, das Wetter schlug um, wurde zunehmend grauer und Kyo sorgte sich darum, ob Die und Shinya gut durch den Verkehr kamen, hoffte, dass sie ein Auto nehmen würden und nicht die überfüllten Bahnen, in welchen man sich so einfach verlieren konnte. Schritte kamen direkt auf ihn zu, weswegen er den Kopf von der kalten Scheibe wegzog und herum drehte, zu Kaoru schaute, der mit zwei Plastikbechern vor ihm zum Stehen kam. Einer davon wurde ihm gereicht und er senkte dankend den Kopf, fühlte dann Kaorus Finger auf seiner Stirn. „Geht es dir besser?“ „Ich werds überleben. Hat Die gesagt, wann sie kommen wollen?“ „Nein, aber er sagte, dass sie nun losfahren.“; der Leader warf einen Blick auf die Armbanduhr, „Sie müssten bald hier sein, wenn sie nichts aufgehalten hat.“ „Dass genau das passiert, sorgt mich ja so.“ Er hatte es nur gemurmelt, aber Kaoru hatte es dennoch verstanden, legte behutsam eine Hand auf seine Schulter, drückte dann leicht zu. „Die wird auf ihn aufpassen.“ Kyo nickte nur, biss sich auf die Zunge, um die Worte gefangen zu halten – glaubte der Leader allen Ernstes, dass Die in der Lage war, auf jemand Anderen zu achten, wenn er bei seiner eigenen Person so erbärmlich versagte? Der Vocal bereute seine Gedanken einen Herzschlag später. Ihr Gitarrist kam um die Ecke, wirkte hager, bleich aber irgendwie verändert, der Blick war noch immer dunkel und von Schmerz behaftet, aber es lag etwas anderes darunter – Hoffnung vielleicht? Die trat langsam auf sie zu, Kyo sah, wie dieser einen tiefen Atemzug nahm und sich dann nah an Kaoru stellte... so nah, dass der Leader den Arm um den Rothaarigen legen und ihn an sich ziehen konnte, so er es wollte. Das 'Hallo' war leise, behutsam, aber er sah, welch Wirkung allein dies simple Wort auf den Kleineren der beiden Gitarristen hatte – es war als würde eine Million unausgesprochener Sätze und Fragen in dem Blick liegen, den die Beiden sich gaben und Kyo lehnte sich nach vorne, berührte Kaoru am Bein. „Geht schon. Redet.“ Der Leader sah ihn an, dankbar, hilflos und unsicher, ob er das tatsächlich machen konnte, doch Kyo nickte nur, lächelte dann für die beiden Gitarristen, derweil er nach den Blumen griff, die Die trug und die er ihm widerstandslos entziehen konnte. „Es ist okay. Ich bleibe und warte auf Shinya.“ „Danke.“ Kaoru murmelte es nur, während sich der Arm des Leaders tatsächlich um die Hüfte seines Geliebten wandte, er führte diesen fort und Kyo sah ihnen nach, ließ erst dann zu, dass die Maske brach, als er voller Sorge in die Richtung starrte, aus welcher Die zu ihnen gekommen war. Weswegen war Shinya nicht bei dem Gitarristen gewesen? Kyo wusste nicht genau, ob er aufspringen und nach dem Drummer suchen, oder lieber hier sitzen bleiben sollte und warten – es war ein schreckliches Gefühl und er schob die Hände in sein Haar, hatte den Drang es sich heraus zu reißen, so frustriert war er, aber dann legten sich kühle Finger auf seine. „Nicht. Du tust dir damit weh.“ Seine Augen öffneten sich – wann hatte er sie geschlossen? - und entgeistert starrte er zu Shinya hinauf, welcher seinen Blick so scheu erwiderte, als würde er jeden Moment herumwirbeln und fort rennen. Und genau dieser Blick sorgte Kyo und er griff sanft nach den Fingern des Braunhaarigen. „Shinya? Was ist los? Wo warst du? Warum bist du nicht mit Die gekommen? Der zierliche Mann schwieg einen langen Moment, wich seinen forschenden Augen letzten Endes aus. „Ich bin gestern Nacht wieder gestürzt.“;Kyo atmete zischend ein, doch Shinya ignorierte es, „Es war so schlimm, dass die Fäden gerissen sind. Deswegen war ich nicht bei Die, ich habe ihm gesagt, er soll vorgehen, als mich der Arzt gerufen hat, bei dem ich mich vorgestellt habe. Er sollte euch nicht unnötig warten lassen.“ Die Worte waren ruhig, leise, ganz so, wie er es von Shinya gewöhnt war und dennoch schienen sie so falsch, es war wie eine Wand aus Glas, die Shinya schützend vor sich aufgebaut hatte und Kyo wusste nicht, ob es klug war, sie zu durchdringen, auch wenn er noch immer so verdammt viele Fragen hatte. Warum wirkte der Jüngere nur so verdammt scheu? Fast.. fast als ob er Angst vor ihm hatte? Zärtlich griff er stattdessen nach dem verletzen Arm, strich über den weißen Verband. „Und was hat der Arzt gesagt?“ Ein kleines unglückliches Lächeln. „Dass ihm noch nie jemand untergekommen ist, der so oft fällt wie ich. Er hat mich gescholten und mir gesagt, dass sich meine Rehabilitationsstunden nun erhöhen werden, wenn ich den Arm wieder richtig bewegen will. Und er sagte, dass ich mich um Himmels Willen von einem Drumset fern halten soll, so lange die Fäden nicht gezogen sind.“ ~~~~~~~ Das Tablett, auf welchem sie ihm das Frühstück gebracht hatten, stand noch genau so unberührt auf dem Nachtschrank neben seinem Bett, wie heute Morgen. Er hatte keinen Hunger, zwar versuchten die Schwestern, die nun schon zum zweiten Mal sein Zimmer betreten hatten, ihn davon zu überzeugen zu essen, doch irgendwann gaben sie es auf, ignorierten ihn, so wie er es auch mit ihnen machte. Stattdessen begannen die jungen Frauen, sich miteinander zu unterhalten, aber er blendete sie aus, es interessierte ihn schlicht nicht, doch wurde er aufmerksam, als sich eine der Beiden wieder mit seiner Person zu beschäftigen begann, wohl in der Annahme - wie die meisten Anderen - dass er es sowieso nichts mitbekommen würde. „Was ist nur mit dem Kerl? Der reagiert ja überhaupt nicht und benimmt sich wie ein sturer Esel.“ Es war die Blonde, welche so eben seinen Puls maß und es verwunderte den Bassisten nicht, so etwas von ihr zu hören… Er mochte sie sowieso nicht, sie war ihm viel zu unsympathisch, weswegen er ihr erst recht keine Aufmerksamkeit schenkte. „Hör endlich auf über unsere Patienten herzuziehen. Sie können dich durchaus verstehen, auch wenn sie sich von der Außenwelt abgeschirmt haben.“ Die andere Schwester, Ayumi wie er einmal auf ihrem Namenschild gelesen hatte. Sie war schon mehrmals bei ihm gewesen und immer freundlich, so dass er sich dazu entschlossen hatte, wenigstens zu erfahren, wer sich da immer so um ihn bemühte. Sie war auch die einzige, die überhaupt ein Lebenszeichen von ihm bekam, so wie auch jetzt, als sie neben die Blonde trat, ihm entgegen lächelte. „Hara-san, ich weiß, dass Sie mich verstehen, deswegen möchte ich Sie bitten aufzustehen. Es ist Zeit, das Bett zu machen.“ Weder ein Nicken, noch ein Blinzeln antwortete ihr, dennoch setzte sich der Schwarzhaarige auf, schob wortlos die Denke zurück, stand dann auf und setzte sich in die Sitzecke nahe des Fensters, blickte aus diesem. „Ich glaub das einfach nicht… da redet man Stunden auf ihn ein, er soll endlich was essen, versucht mit allem möglichen zu ihm durch zu dringen, doch nichts und dann, eine kleine höfliche Bitte und er folgt sofort. Wie hast du das gemacht?“ „Wie ich dir bereits sagte, unsere Patienten können uns durchaus verstehen, doch dabei spielt auch der Ton, in welchem man mit ihnen spricht, eine wesentliche Rolle, sowie der Respekt, den man ihnen Gegenüber wahren sollte. Sie sind nicht dumm und auch nicht gestört, sondern nur verzweifelt.“ Toshiya hörte ein Schnauben, wusste sofort, zu wem es gehörte und konnte sich ein kleines hämisches Lächeln nicht verkneifen, doch war ihm klar, dass man es nicht bemerken würde, da er mit dem Rücken zu den beiden Frauen saß… dennoch meinte er den Blick Ayumi-sans auf sich zu fühlen. Sie hatte etwas Besonderes an sich und ging so wunderbar auf ihre Patienten ein, er wusste einfach, dass sie es war und wahrscheinlich sogar seinen Stimmungsumschwung bemerkt hatte, obwohl er dies in keiner Weise zeigte. Nach weiteren Minuten des Schweigens, schien die Jüngere der Beiden wohl noch immer zu perplex, um weitere Sticheleien von sich zu geben, wurde er erneut angesprochen. „Hara-san, das Bett ist gemacht. Sie können sich nun gerne wieder hineinlegen.“ Wieder reagierte er nicht und dennoch genügte es der Schwester, konnte er ihre Schritte vernehmen, wie sie sich der Tür näherte. „Komm, wir sind hier fertig und vergiss das Tablett nicht.“ Wieder ein missmutiger Laut, ehe sich die Blonde erneut zu Wort meldete. „Dein Verhalten in allen Ehren, aber was soll das bringen? Er zeigt doch sowieso keine Reaktion, also scheint er doch nichts mitzubekommen.“ „Du irrst dich, doch das wirst du noch lernen… verlass dich nicht zu sehr auf das Verhalten unserer Patienten, denn die meisten haben sich nur verschlossen.“ Erneut fühlte er die kalkulierenden Augen auf sich, ehe sich beide Schwestern nun endgültig zurück zogen und ihn wieder mit sich allein ließen. Statt sich hinzulegen, blieb der Bassist weiter hier sitzen, blickte aus dem Fenster, es schneite leicht, doch weiter hinten brachen die Wolken und die Sonne stand am Himmel. Wie gerne würde jetzt dort draußen sein, weg von diesen Ärzten, diesen trostlosen, kahlen, weißen Wänden… Einfach weg von hier. Er seufzte leise, wusste, dass sie es ihm sowieso nicht erlaubten, schließlich war er ja krank… nicht nur körperlich geschwächt sondern auch psychisch angeschlagen. Er schüttelte den Kopf … Elende Quacksalber. Wenigstens hatten sie ihn nicht zur Bettruhe verdonnert, so konnte er sich zumindest frei bewegen, was er nun auch tat, als er ein wenig in dem Zimmer umher ging. Natürlich hätte er den Raum auch verlassen können, doch so fit fühlte sich der Bassist dann doch noch nicht, schließlich hatte er bis gestern noch in einem künstlichen Koma gelegen und wusste selbst, dass er sich noch schonen sollte. Eine Weile später, es war nach halb zwei, wie er mit einem Blick auf die Uhr feststellen konnte, begab er sich wieder vor das Fenster, blieb dieses Mal jedoch stehen. Es waren genau zwei Stunden, die er nun Ruhe haben würde, bis dieser Psychiater wieder zu ihm kommen würde, eine Aussicht, die ihn nicht unbedingt erfreute, aber was sollte er schon dagegen tun? Plötzlich konnte Toshiya hören, wie die Tür seines Zimmers geöffnet wurde, es war keine Visite und auch die Schwestern würden so schnell nicht wieder kommen. Wer konnte es denn dann sein? Er zog vor wie immer nicht darauf zu reagieren, würde sicher auch so erfahren, wer sein Besuch war… seine Hoffnung ruhte auf einer ganz bestimmten Person. ~~~~~~~ 13.38 Uhr Music: Chihiro /Boderline;Ayumi -Marionette/Ever Free/Pride/forgiveness; Koika – watashi ni dekiru koto/ nani mo kamo ga hoshi ni natte Seine Finger waren in der Tür von denen Kyos gefallen – Shinya war wie erstarrt, stand nicht einmal richtig in dem Raum, zu welchen ihn der Sänger so sanft geführt hatte. Er suchte sein Zittern zu verheimlichen, indem er die Hände ineinander verschlang und dennoch musste er sich gegen den Rahmen der Tür lehnen, um Halt zu haben, weil er befürchtete, dass jeden Moment seine Knie einbrachen und er dann jämmerlich zu Boden sank. Kyo sah ihn an, bittend, fast schon flehend, doch er schüttelte nur den Kopf, er konnte einfach nicht näher gehen – Toshiya... Toshiya drehte sich ja nicht einmal zu ihnen herum und das, obwohl er bestimmt gehört hatte, wie sich die Tür geöffnet hatte. Sprach allein das Verhalten nicht schon Bände? Wollte der Bassist überhaupt jemanden sehen, geschweige denn ihn selbst? Oh Gott... er hätte nicht hier her kommen sollen! Kyo trat durch den Raum und Shinya klebte mit den Augen an jedem Schritt, den der Sänger tat, beobachtete mit Übelkeit, wie der Abstand zwischen seinem Geliebten und dem Blonden immer geringer wurde, bis dieser schließlich sanft über einen nackten Arm des Bassisten strich. „Hallo Toshiya. Wie geht es dir heute?“ Keine Antwort und Shinyas Furcht wurde so heftig, dass er den Drang hatte, einfach herum zu wirbeln und fort zu rennen. „Du bist aufgestanden, wie ich sehe. Das ist schön. Gefällt dir die Aussicht? Wir haben versucht, ein schönes Zimmer für dich zu bekommen.“ Kyos Stimme war ruhig, so sanft, nach jeder seiner Fragen wartete der kleine Blonde, ob Toshiya ihm doch antworten würde und als die Worte ausblieben, sprach er einfach weiter, als wäre das normal. „Du hast Blumen bekommen heute, sie sind von Die, er hofft, dass sie dir gefallen.“, Kyo arrangierte die Vase mit den Gerbera neu, stellte sie dann behutsam auf den Tisch und Shinyas Blick heftete sich nun auf die gelben und orangefarbenen Blütenköpfe – sie wiegten sich leicht, als der Vocal das Fenster an kippte und die Gardinen ein wenig richtete, „Er ist heute hier gekommen und möchte dich später gerne sehen. Freust du dich darüber?“ Abermals nur Schweigen und Shinya sank ganz leise auf den Boden, bebte immer wieder, emotional so stark überfordert, dass er beim Besten Willen nicht wusste, wie lange er das hier noch durchstand – Kyo machte keine Anstalten, zu sagen, dass er - Shinya – hier war und der Drummer war sich nicht sicher warum. Verlangte Kyo etwa, dass er selbst etwas sagte? Dass er zu Toshiya ging? Seicht schüttelte er den Kopf – nein, das glaubte er nicht, sein Freund würde ihm das nicht antun. Bereitete er den Bassisten darauf vor, dass er hier war... oder wollte Kyo ihm zeigen, wie Toshiya sich verhielt, damit er wusste, was passieren würde, wenn er mit dem Bassisten sprach? Wollte Kyo ihn vor Kummer bewahren, indem er ihm vorher aufzeigte, dass er keine Reaktion seines Geliebten erwarten durfte? Aber... warum war Toshiya überhaupt so? Er hatte mit ihm gesprochen, das letzte Mal, oder? Bevor... bevor er dem Anderen in allen glorreichen Details erzählt hatte, was ihnen beiden geschehen war. Die Realisierung traf ihn wie ein Blitz. Er war daran Schuld! Dass Toshiya nun so war, war allein ihm zuzuschreiben! Er biss sich auf die Lippen... warum war er nur so dumm gewesen, so furchtbar naiv zu glauben, alles würde wieder gut sein, wenn der Bassist nur aufwachte? Sein... sein Freund würde besser aufgehoben sein, wenn er ihm nicht zu nahe kam... er würde dem Anderen einen Brief schreiben, indem er sich entschuldigte, indem er um Verzeihung flehte. Seine Worte würden Toshiya bestimmt nicht so sehr treffen, wie seine eigene Person, die beim letzten Mal daran Schuld getragen hatte, dass der Langhaarige in einen Schock gefallen... dass dessen Herz ausgesetzt hatte. Still versuchte er zurück auf die Füße zu kommen, zog sich dabei an der Klinke der Tür hinauf, machte ein zwei Schritte rückwärts, doch dann – noch bevor er wirklich rennen konnte – drifteten Kyos Worte einmal mehr durch den Raum. „Ich habe dir auch jetzt jemanden mitgebracht. Möchtest du dich nicht zu ihm herum drehen? Er traut sich nämlich nicht, zu dir zu kommen, weil er denkt, dass du ihn nicht sehen willst.“ Shinya schlug das Herz bis hinauf in den Hals, so heftig, dass er glaubte, es würde seine Schlagader zerbersten, er wurde kalkweiß, dass konnte er fühlen und alles in seinem Inneren schrie in Verzweiflung. Nein! Dreh dich nicht herum! Sieh mich nicht an... denn wenn du nun zu mir schaust, Geliebter, dann kann ich nicht fort. Bitte... bitte dreh dich nicht zu mir herum! Und obwohl seine Gedanken in Panik aufsprangen, suchten ihn allein mit ihrem Willen aus der Tür und fort zu ziehen, war es sein Herz, dass ihn wie fest gefroren am selben Punkt hielt... mit warmen, zärtlichen Armen seine Schultern umschlang, sehnsüchtig wisperte. Willst du tatsächlich gehen? Möchtest du denn nicht, dass er dich endlich in die Arme nimmt, dich ansieht, dir wieder nahe ist? Du hast so lange auf diesen Moment gewartet, willst du ihn jetzt verstreichen lassen und es hinterher bereuen? Willst du das wirklich? Liebst du ihn etwa so wenig? Er biss sich heftiger auf die Lippen – er liebte niemanden so stark wie Toshiya und deswegen würde er bleiben und warten bis sich die Augen nach all dieser Zeit wieder auf ihn legten. ~~~~~~~ 13.20 Uhr Sie waren nur ein paar Schritte gegangen, entlang des Weges, welcher sie in die Gartenanlage des Krankenhauses geführt hatte und vor einer Parkbank stehen geblieben. Stumm nickten sie sich zu, setzten sich, dann lehnte sich der Jüngere der Beiden gegen seinen Freund, welcher noch immer einen Arm um dessen schmale Hüfte geschlungen hatte, den freien hob, um mit seinen Fingern an seine Zigaretten zu kommen. Zwei der Glimmstängel entnehmend, steckte er sich einen davon zwischen die Lippen, den anderen reichte er dem Rothaarigen, nur um diesem kurz darauf Feuer zu schenken, ehe er sich selbst an der kleinen Flamme bediente. Schweigend saßen sie beieinander, rauchten ihre Zigaretten, bis leise gesprochene Worte, welche von den Lippen des Größeren perlten, die Ohren des Leaders erreichten. „Wie geht es dir?“ Kurz schlossen sich die Augen des Violetthaarigen und seine Lippen verzogen sich leicht zu einem humorlosen Lächeln… Das sein Geliebter ausgerechnet ihn das fragte. Er blickte zu diesem, doch sah er, dass der Andere seinen Blick nicht ihm zugewandt hatte, sondern geradeaus starrte und als er dessen Augen folgte, konnte er sehen, auf was sich die Aufmerksamkeit seines Freundes gerichtet hatte. Ein kleiner Teich, welcher direkt vor ihnen lag… Ein paar Vögel, welche wohl der kalten Jahreszeit trotzten, denn noch immer waren Teile des Rasens mit Schnee bedeckt, spielten in dem Nass, weswegen Kaoru leise seufzte, ehe er es vorzog zu antworten. „Sollte nicht ich derjenige sein, der dir diese Frage stellt?“ Ein leichtes Zucken der Schulten, ehe sich der Kopf seines Gegenüber zu ihm wandte, nun doch seine Augen suchte. „Ich denke nicht, schließlich haben wir alle an unserer momentanen Situation zu knabbern… und nachdem, wie ich Kyo gestern zurück gelassen habe, kann ich mir vorstellen, dass du kaum geschlafen hast.“ Kaoru erwiderte den Blick ruhig, seufzte dann leise. „Du hast Recht. Sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen, doch ich denke, dass ich mich nicht beklagen kann… auch wenn die Nacht nicht einfach war und trotz all der Sorgen, die ich habe. Ehrlich gesagt, macht mir nur eines sehr zu schaffen.“ Es blieb einen kurzen Moment still zwischen ihnen, als der Ältere erneut einen tiefen Zug von seiner Zigarette nahm, diese dann von sich schnippte, sich leicht aufrichtete und seinem Geliebten direkt in die Augen sah, bevor er dessen Hände ergriff. „So sehr ich mit den Gedanken bei unseren Freunden bin, es ist nur eine Person, um die ich mich am meisten Sorge und das bist du. Wir haben uns so sehr auseinander gelebt.“ Für einen kurzen Moment, glaubte Kaoru, dass Daisukes Augen dunkler wurden, als würden Tränen in diesen schimmern, doch zu schnell drehte sich der Kopf seines Freundes auf die Seite, ein klares Ausweichen, wohl um zu verhindern, dass er sah, wie es einem Freund wirklich ging. Doch dies würde der Leader nicht zulassen, dass Die sich vor ihm verbarg, so legte er einen seiner Finger gegen das Kinn des Jüngeren und zwang ihn so, den Blickkontakt wieder herzustellen. „Warum versuchst du, dich vor mir zu verbergen? Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht. Rede doch endlich mit mir Die… Sag mir, warum du seit Wochen nur noch flüchtest, stundenlang durch die Gegend streifst., ohne ein Wort des Abschieds. Ich mache mir Sorgen um dich, habe Angst, wenn du jedes Mal einfach so verschwindest. Bitte sag mir doch, was ich falsch gemacht habe, dass du dich immer weiter von mir entfernst!“ Regung kam plötzlich in den abgemagerten Körper des Zweitgitarristen, als dieser sich aufsetzte, ihn nun aus entsetzten Augen betrachtete. „Kaoru, warum denkst du, dass ich mich von dir entferne?“ Der Kopf des Rothaarigen schüttelte sich leicht, mochte er einfach nicht verstehen, wie sein Geliebter so denken konnte. „Du bist doch kaum noch hier bei mir. Jedesmal wenn ich nach dir sehen möchte, stelle ich fest, das du die Wohnung schon wieder verlassen hast und für Stunden nicht wieder kehrst und jedes Mal, sterbe ich beinahe vor Angst, das dir etwas passiert sein könnte, besonders nach allem was geschehen ist. Nachdem, was Shinya und Toshiya zugestoßen ist und selbst wenn du hier bist, wir reden nicht mehr miteinander und ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal die Nacht zusammen verbracht haben… immer wieder stelle ich fest, wie fremd du mir geworden bist. Wie wenig du bei mir bist, mir erzählst, was dir Kummer macht, oder wir einfach nur die Nähe zueinander teilen. Also, sage mir bitte, was habe ich getan, das du dich so sehr zurückgezogen hast?“ Von Fassungslosigkeit geprägte Augen starrten in die Seinen und abermals war der Rothaarige, zu aller erst nur fähig den Kopf zu schütteln, ehe sich die ersten Tränen lösten und über dessen Wangen perlten. „Gott Kao, es das alles… es liegt doch nicht an dir… sondern an mir, verstehst du? Einfach an mir. Ich bin doch nur noch eine Belastung für dich, für alle Anderen. Die ganze Zeit, seit unserem Aufenthalt in England, habe ich alles nur falsch gemacht, voreilige Schlüsse gegenüber Shinya gezogen… Ich, ich habe geglaubt, das du nur noch bei mir bist, weil du denkst, dass ich dich brauche, doch das wollte ich nicht. Wollte zeigen, dass ich stark bin, auch ohne deine Hilfe… Es tut mir so leid. Ich habe geglaubt, das ich deiner nicht mehr würdig bin, das du nur noch aus Mitleid mit mir zusammen bist, nach allem was ich mir geleistet habe.“ Von einen auf den nächsten Moment war der Ältere hervor geschnellt, fing das Häufchen Elend unmittelbar vor sich in einer Umarmung, drückte seinen Freund so fest an sich, als fürchte er, das der Andere sonst einfach verschwinden würde. „Die, niemals könnte ich dich als eine Belastung sehen! Wie kommst du nur darauf?“ „Weil ich euch in letzter Zeit nur Kummer bereitet habe? Weil ich zu feige und zu schwach war und es nicht einmal geschafft habe, nach Toshiya und Shinya zu sehen? Weil ich den Schwanz eingekniffen habe und niemanden von großer Hilfe war und stattdessen euch auch noch Sorgen bereitet habe?“ „Daisuke, du bist so dumm! Niemals könnte ich dich verurteilen, für das, was alles geschehen ist. Niemals würde ich nur mit dir zusammen sein, weil ich denke, dass du mich brauchst… Ich bin mit dir zusammen, weil ich dich liebe und weil es mich schmerzt, wenn ich den Kummer in deinen Augen sehe.“ Die konnte es nicht genau bestimmen, aber es war, als würde mit dem tiefen Atemzug, den er tat, eine große, große Last von seinen Schultern genommen werden. Er war nicht fähig zu antworten, nicht, weil seine Kehle zugeschnürt war, sondern weil ihm schlicht die passenden Worte fehlten, nichts schien zu passen, eine Entschuldigung, dass würde er noch hervor bringen können, doch er nahm an, dass Kaoru gerade eine solche nun nicht hören wollte. Also reagierte er mit seinem Körper, lehnte sich nah an seinen Partner, hob die Arme, um diese um den schlanken Leib des Gitarristen zu schlingen, presste sich dann mit einem Zittern gegen diesen und Kaoru schien zu verstehen, denn er hielt ihn fest, sicher und so warm, küsste seicht sein Haupt, bevor er die Wange dagegen legte. Sie saßen eine lange Zeit so beieinander und Die seufzte leise, zog die Arme zwischen sie, strich über die Brust des Anderen, ließ die Finger dann über dessen Herz ruhen. Es war fast wie bei Shinya... es fühlte sich gut an, in seinem Inneren, so, als wäre er Kaoru mit diesen simplen, wenn auch emotional schweren Gespräch wieder sehr viel näher gekommen. Die wusste es nicht richtig zu beschreiben, aber es war wie eine Art... Wiederfinden? Kaoru war ein so wundervoller Mann und obwohl er das gewusst hatte, mit seinem Kopf – dieser kannte auch noch all die anderen Attribute des Leaders, die dafür gesorgt hatten, dass er sich überhaupt erst verliebte – war sein Herz in eine vollkommen entgegen gesetzte Richtung gehetzt. Auch jetzt noch bebte es in Furcht, wenn Die daran dachte, was er geheim hielt. Würde Kaoru auch noch sagen, dass er ihn liebte, wenn er wusste, dass Die Schuld daran war, was nun mit Toshiya und auch Shinya geschah? Würde ihm der Leader noch die gleiche Zuneigung entgegen bringen, wenn er wusste, wie feige Die war, dass er den Brief, den er damals gefunden, still und heimlich eingesteckt hatte? Er lag noch immer in seinem Nachtschrank, zwischen die Seiten eines Buches geschoben und der Rothaarige schaffte es einfach nicht, ihn wegzuwerfen, holte ihn immer wieder hervor, hielt ihn fest, ohne entscheiden zu können, was er damit tun sollte. Ihn Kaoru zeigen? Ihn Shinya zurückgeben? Sie mussten ihn nur ein einziges Mal damit erwischen und dann... Die wusste nicht, was dann passieren würde, aber es wäre definitiv nicht gut. Wollte er das etwa? Tief in seinem Herzen? Legte er es darauf an, dass Kaoru oder Kyo den Brief fanden und ihm damit die Bürde abnahmen, es von sich aus sagen zu müssen? Er wusste es nicht, aber je länger er darüber nachdachte, desto richtiger fühlte sich dieser Gedanke an und beinahe hätte er laut und hilflos aufgelacht. Er war erbärmlich, wirklich. Armselig wartete er auf eine Chance enttarnt und zum Reden gebracht zu werden, anstatt den letzten Schritt selbst zu tun – und so drehte er sich ja doch nur wieder und wieder im Kreis. „Vielleicht sollten wir wieder reingehen... Du zitterst ja.“ Die Stimme seines Geliebten holte ihn aus seinen Gedanken und erst jetzt fühlte er, dass die Hände des Älteren unter seinen Pullover geschlüpft waren und dort seinen viel zu dünnen Rücken entlang streichelten und obwohl Die nickte, presste er sich rückwärts gegen die Finger – sie hatten sich so selten berührt, in den letzten Wochen. „Und du bist so dünn geworden.“ Es war mehr, als würde Kaoru zu sich selbst sprechen, bekümmert über seinen Zustand, weswegen Die nicht antwortete, sondern sich näher lehnte und mit seinen Lippen Kaorus Hals streifte, nachdem er die Jacke ein wenig beiseite gezogen hatte. „Du wirst mich wieder retten, wie auch die letzten Male.“ Der Leader tat einen tiefen Atemzug, zitterte dann, aber es schien nichts mit der Kälte zu tun haben, weswegen Die sich löste und in das blasse Gesicht blickte, die Lippen leicht geöffnet, ohne das er die Frage stellen würde, die auf ihnen lag, aber das war auch nicht nötig, denn Kaoru stellte eine eigene. „Wirst du mich dich denn retten lassen, ohne wieder vor mir davon zu laufen?“ Die erstarrte und all seine Angst musste auf seinen Zügen zu sehen sein, denn Kaoru griff sanft nach seinen Händen, hielt sie fest. „Bitte, Die. Ich erwarte nicht, dass du mir irgendetwas erzählst. Oder, dass wir jetzt einfach so weiter machen, als sei nie etwas geschehen. Aber ich will, dass du zu mir kommst, wenn du nach Schutz suchst. Ich will dich halten, wenn du nicht mehr weiter weißt. Ich schwöre dir, ich werde niemals fragen, warum. Ich werde dich weinen, dich klammern lassen, wenn es das ist, was du brauchst. Bitte, renn nicht wieder fort. Das macht mir Angst.“ Wie sollte man auf solche Worte nur antworten? Wie ihnen begegnen und sie zurückweisen, ohne Kaoru nur wieder dabei weh zu tun? Die konnte es nicht und deswegen lehnte er sich vor, streifte Kaorus kühle Lippen mit den seinen, ein Kuss, ein flüchtiger, zerbrechlicher Moment. „Ich verspreche es dir.“ ~~~~~~ 13.40 Uhr Diese Stimme, er hatte sie sofort wieder erkannt, kaum das er sie gehört hatte und dennoch zeigte er nicht die geringste Reaktion, war wie fest gefroren vor dem Fenster stehen geblieben, selbst als der Kleinere seinen Arm berührt hatte. Warum er auch auf den Sänger nicht reagierte, wusste er nicht, doch er konnte sich nicht rühren, stand einfach nur da, während Kyo mit ihm redete, ganz einfach, so normal, als würden sie sich über das Wetter unterhalten, auch wenn Toshiya selbst keinen Ton von sich gab. Er hätte den Kopf geschüttelt, wäre es ihm möglich gewesen, allein aus dem Grund, dass er seine eigene Reaktion nicht verstand… aber vielleicht bildete er sich die Anwesenheit des Blonden auch nur ein? Sicher, er wusste - zumindest glaubte er - dass er bei Verstand war, doch war dem wirklich so? Was sollte er denn noch glauben, wenn man ihm doch ständig sagte, dass er krank war? Mittlerweile war er sich ja nicht mal mehr sicher, ob Kaoru tatsächlich gestern bei ihm gewesen war… vielleicht hatten die Ärzte ihn belogen, sowie in allem anderen auch, denn er hatte die Anwesenheit Kaorus nicht mitbekommen… also woher sollte er wissen, dass der Leader wirklich hier gewesen war? Auch die Anwesenheit der Schwestern heute Morgen und danach, waren sie wirklich da gewesen, oder hatte er sich das nur eingebildet? Der Schwarzhaarige wusste nicht mehr, auf was er noch vertrauen sollte, seinen eigenen Empfindungen, dem was er als Realität empfand oder den Worten seiner Ärzte, des Psychiaters, die ihm immer wieder sagten, das er noch immer unter Schock stand. Es war zum verrückt werden, denn er war abermals der Realität entrückt, konnte nicht mehr auseinander halten, was wirklich war und was nicht, zweifelte an sich selbst, an seinem Glauben und dem, was er registrierte. Die Unterhaltung der beiden Schwestern, war doch auch real gewesen, oder doch nicht? Es hatte sich zumindest so angefühlt und Ayumi hatte ihn doch bemerkt. Einbildung oder nicht? Erneut erreichten ihn die Worte des Sängers… er hatte noch jemanden dabei, der glaubte, dass er ihn nicht sehen wollte? War dem wirklich so, oder spielte ihm sein Geist erneut einen Streich? Vielleicht sollte er versuchen, es heraus zu finden, vielleicht auch endlich sich der Stimme zuwenden, die so behutsam mit ihm die ganze Zeit gesprochen hatte. Nur so würde er wissen, ob er sich tatsächlich alles nur einbildete, der Vocal hier war oder nicht, wenn er nur einmal in dessen Richtung blickte. Aber wollte er das? Was, wenn sich herausstellte, dass Kyo doch nicht hier bei ihm war – zumal, warum sollte dieser überhaupt hier sein? Er hatte noch nie eine besonders enge Bindung zu dem Vocal gehabt, natürlich, waren sie in einer Band, waren befreundet, doch nicht so, dass es einer intensiven Freundschaft gleich kam, also vielleicht, bildete er sich doch alles ein? Ein Seufzen perlte von den Lippen des Bassisten, er wusste einfach nicht was er jetzt tun sollte. Vielleicht war er noch immer im Koma und hatte die letzten Ereignisse nur geträumt… die Ärzte die ihm sagten, das er unter Schock stand, der Psychiater der ihn immer wieder zum reden bringen wollte… der angebliche Besuch Kaorus und nun die Stimme ihres Vocals, der ihn behandelte, als wäre nie etwas geschehen. Der Bassist war viel zu angeschlagen, mit den Nerven am Ende und wie sollte er sich vor aufkommenden Schmerz besser schützen, als einfach nicht zu reagieren? Dennoch, irgendetwas war anders, als die vielen Male zuvor, in welchen sich seine Zimmertür geöffnet hatte. Es war, als spürte er eine weitere Präsenz und unweigerlich stellten sich seine Nackenhaare auf… geschah das alles hier wirklich? War er doch nicht allein mit seinen Wahnvorstellungen? Hatten die Ärzte nun doch übertrieben und er war bei vollem Verstand? Er schüttelte den Kopf, er wusste sich auf nichts eine Antwort zu geben und dann drehte er sich plötzlich doch um und sank beinahe auf die Knie, als er die Person vor sich erblickte, die er die ganze Zeit erwartet hatte. Welche er mit all seinem Sein hatte bei sich haben wollen, einfach nur um zu sehen, dass es dieser gut erging und da war er. Sein Shinya. Und plötzlich erstarben all die Fragen, was Realität war und was nicht. Es war nicht mehr wichtig, denn er sah seinen Geliebten vor sich und das war alles, was dem Bassisten genügte… er wollte endlich wieder bei seinem Drummer sein… verrückt oder nicht. Er konnte Shinya sehen, so klar vor sich und das war alles, was für ihn zählte. Ob dies eine Halluzination war, darüber konnte er sich genug Gedanken machen, wenn er am nächsten Tag erwachte. ~~~~~~~~~ Kyo war es gewesen, der Toshiya behutsam unter den Arm gegriffen und gehalten hatte. Und es war auch der Vocal, der den Größeren sanft und sicher in den Sessel neben dem Bett führte, ihn dazu bewegte sich zu setzen, dann richtete sich der Blonde auf, sah quer durch den Raum zu ihm – so ruhig, so stark, ganz wie die Hand die sich nun erhob und einladend in seine Richtung gehalten wurde. „Möchtest du nicht näher kommen?“ Shinya bewegte sich auf die Worte, als würde er gerufen werden... Oder vielleicht hatte Kyo auch nur unsichtbare Fäden an ihm befestigt und zog ihn an diesen nun stetig näher? Was auch immer es war, der Abstand zwischen ihm und Toshiya wurde geringer und geringer und dann stand er plötzlich vor ihm und diese gütigen, braunen Augen lagen auf ihm, voll von... Gott, er konnte es nicht einmal benennen. Er zitterte, fühlte, wie seine Zähne schlugen aufeinander, aber davon abgesehen, wusste er nicht, was in ihm vorging... war da noch Angst? Zweifel? Shinya hatte sich so sehr gefürchtet, Hass in den Iriden seines Geliebten zu sehen und er hatte fest damit gerechnet, dass der Bassist ihn weg stoßen würde, aber nun schlossen sich kühle Finger um seine eigenen, zierlichen und als er den Blick wie hypnotisiert darauf fallen ließ, war er schockiert, zu sehen, dass es Toshiya war, der ihn berührte. Kyos warme Hand tätschelte sanft seinen Nacken, strich seicht darüber. „Komm, setz dich besser hin!“ Der zweite Sessel wurde etwas näher gerückt und wie sich sein Hintern im Endeffekt auf dem weichen Polster wieder fand, entging dem Drummer – er konnte einfach nicht aufhören, auf ihre verbundenen Hände zu starren. Die Lippen des kleinen Vocals legten sich flüchtig auf seine Schläfe. „Ich werde euch nun allein lassen. Ich bin draußen, wenn etwas ist, dann ruft mich. Egal wer von euch. Egal weswegen.“ Er wusste nicht, ob Toshiya genickt hatte... Er selbst hatte es definitiv nicht getan, aber Kyo hielt Wort, verließ sie mit einem letzten Streicheln über ihrer beider Unterarm und irgendwie war es ihm endlich möglich, den Blick zu heben und in das Gesicht seines Freundes zu blicken und kaum das er die Augen sah, lösten sich die ersten Worte von seinen Lippen. „Bitte verzeih mir. Ich habe dir solch schlimme Dinge angetan... bitte, ich kann das nicht wieder gut machen, das weiß ich, aber ich flehe dich an, hasse mich nicht. Ich mache alles, was du willst, wenn du mich nur nicht hasst. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist, ich weiß nicht, warum ich erst geredet und dann nachgedacht habe, doch ich will dass du weißt, wie sehr es mir leid tut. Dass es dir so geht, dass du hier bist... es ist meine Schuld und ich möchte es sühnen, also sag mir bitte wie. Auch.... Auch wenn du von mir verlangst zu gehen und dich nie wieder anzufassen.“ Ein Finger legte sich sanft gegen seine Lippen, unterbrach den zusammenhanglosen Fluss, den Shinya ja nicht einmal selbst begriff und er stockte, sein Atem flach, so sehr aufgeregt! Gott, wie sein Herz pochte! Toshiya sagte nichts, sah ihn einfach nur an, das Gesicht voll von Erstaunen, von Freude und einem tiefem, tiefem Glück, das Shinya nicht greifen oder verstehen konnte. Behutsam wanderte der Finger über sein Kinn, dann seinen Kiefer die Wangen, bis hin zu seinem Ohr, als würde sein Geliebter ihn zeichnen und neu erkunden müssen... Als müsste er sich seiner Realität vergewissern und dann wurde aus einem einzigen Finger eine ganze Hand, die sanft über sein Gesicht streichelte, dann hob Toshiya auch die zweite, hielt ihn so. Langsam, so unendlich langsam lehnte sich der Bassist näher, so dass am Ende ihrer beider Stirn gegeneinander ruhten... Shinya schloss seine Augen, als sich die Lippen des anderen Mannes öffneten, leise wisperten. „Shinya. Mein wundervoller Shinya. Du bist endlich gekommen. Du bist hier bei mir. Kein Traum, kein Illusion. Du bist wirklich hier bei mir.“ Der Drummer wusste nichts auf die sehnsüchtig geflüsterten Worte zu erwidern, lediglich seine Hände hoben sich, legten sich auf die Unterarme seines Geliebten, der mit der Nase seicht die Seine entlang strich, die Augen dabei geschlossen. „Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen.“ Shinyas Finger festigten ihren Halt, er bebte am ganzen Leib, aber Toshiya schien es, den Göttern sei Dank, nicht zu bemerken, hielt sein Gesicht schlicht weiterhin fest, schien nicht genug von den sanften Berührungen zu bekommen „Toshiya...“ Der Andere schüttelte seicht den Kopf, öffnete dann die Augen, sah ihn an, gurrte ganz leise, so als wolle er ihn beruhigen. „Nicht. Sag jetzt nichts. Sei einfach bei mir. Ich habe diesen Moment so herbei gesehnt. Du nicht auch?“ Der Drummer hielt das Schluchzen gefangen – es war alles so durcheinander! Seine Ängste schrieen in seinem Kopf, so laut, so aufgeregt, aber er könnte sich nicht auf eine Empfindung festlegen... Im Grunde konnte er nichts weiter tun, als sich an seinen Geliebten zu klammern und zu nicken... Es war wahr, er hätte sich Dutzende Male einem Augenblick wie diesen vorgestellt. Aber jedes einzelne Mal hatte es sich in einem Albtraum gewandelt. Weil er so schwach war. Weil er sie alle belog, betrog und sie ausnutzte. Shinya war ein schlechter Mensch. Und er fürchtete sich vor dem Tag, an dem Toshiya es heraus finden würde, denn – Oh Gott! - er konnte nun einfach nicht gehen. Musste nach aller Wärme und aller Liebe haschen, die der Bassist ihm zu gestand, denn ohne diese Zuneigung würde er nicht mehr atmen können... nicht nach dem, was in Schottland geschehen war. ~~~~~~~~ Er spürte das seichte Nicken, lächelte und fuhr sanft mit seinen Fingern über die Wangen seines Gegenüber, löste sich leicht und blickte in die tiefen, braunen Augen. So gerne würde er seinen Geliebten jetzt in die Arme schließen, ihn nah an sich pressen, doch er hatte Angst, dass wenn er den Anderen auch nur intensiver berührte, dieser vor seinen Augen wie eine Seifenblase zerplatzen könnte. Lächerlich, schließlich spürte er die Haut unter seinen Fingern, den Atem, der ihm entgegen schlug und die Hände, welche noch immer auf seinen Unterarmen ruhten, dennoch war da immer noch etwas Unsicherheit. Wie konnte er sich sicher sein, dass es wirklich Shinya war, der da vor ihm saß? Dass er es sich nicht wieder einbildete oder träumte? Toshiya schüttelte den Kopf, so real konnte eine Einbildung nicht sein… er würde den Jüngeren jederzeit wieder erkennen, oder nicht? „Mein Shinya, du bist wirklich hier, nicht wahr?“ Die dunklen Opale seines Liebsten schimmerten, wirkten voll von Tränen und er glaubte zu sehen, wie sich eine der salzigen Perlen löste, bis diese hinab fiel und seine Haut berührte. Seine Augen fingen die Stelle…er spürte die Feuchtigkeit. „Toshiya ich…“ Wieder lächelte er, legte einen Finger gegen die Lippen des Anderen. „Shht, nicht. Lass mir diesen Moment… lass ihn mich fühlen, denn jetzt weiß ich, dass ich nicht träume.“ Der Bassist atmete tief durch, suchte sich zu sammeln, denn er selbst war den Tränen nahe. „Weißt du, ich habe ständig an dich gedacht, auf diesen Moment gewartet, denn es kommt mir vor, als seien bereits mehrere Tage vergangen, seitdem ich erwacht bin. Ich weiß, dass es nicht so ist… aber du hast mir gefehlt und zu Anfang, habe ich immer wieder nach dir gefragt, doch niemand wollte mir Antwort geben. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, mich gefragt, ob es dir gut geht. Ich wollte dich nur sehen… mich vergewissern, dass du in Ordnung bist, aber das hat niemanden interessiert. Diese Ärzte haben mir gar nicht zugehört und als ich angefangen habe zu schweigen, behandelten sich mich erst recht wie einen Kranken. Ich fühlte mich allein, missverstanden und irgendwann hab ich geglaubt, dass ich wirklich krank sein muss. Wenn ich schon nicht mal mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden kann, bin ich es wohl auch. “ Abermals spürte er, wie weitere Tränen seine Hand berührten. „Toshiya… Es tut mir so Leid… Es ist alles meine Schuld. Gott, ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen.“ Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. „Nein. Hör auf so etwas zu sagen, es ist nicht deine Schuld. Du kannst doch nichts für meine Wahnvorstellungen. Ich… ich will das nicht hören. Bitte Shinya, sei einfach nur bei mir… zeig mir, dass das, was ich fühle, real ist. Ich will endlich wieder Vertrauen in mich selbst finden..“ Ein Schluchzen erreichte seine Ohren und im nächsten Moment spürte er ein Gewicht in seinen Armen, welches immer wieder erzitterte, doch es fühlte sich so gut an, den schmalen Leib zu spüren, seinen Shinya zu halten. Jetzt, da er seinen Engel wieder hatte, war alles egal… die Ärzte, die Medikamente, dieser dumme, dumme Psychiater… dieses Zimmer, das Krankenhaus… für ihn zählte niemand mehr, außer Shinya und er genoss die Zweisamkeit, die er nach all diesen schrecklich Wochen mit dem Zierlicheren teilen konnte. Er war einfach nur glücklich, dass er den Anderen wieder hatte und dieser bei ihm war. Allerdings währte dieser Augenblick nicht lang, denn die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich und Toshiya seufzte leise. Er wusste, wer soeben herein gekommen war, doch er wollte mit diesem Menschen nicht reden und noch weniger, wollte er seinen Freund loslassen, sondern mit diesem allein sein. End Part IV Embrace Kapitel 6: Part V A - Fragile ----------------------------- Part V A - Fragile March, 12th 13.50 Uhr Das plötzliche Aufgehen der Tür war ein Schock. Sofort verspannte sich Shinyas gesamter Leib – er konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn er nicht wusste, was hinter ihm vorging und er schalt sich dafür nicht darauf geachtet zu haben, zusammengebrochen unter seiner Emotionalität. Dabei... dabei sollte er es doch so viel besser wissen, nicht wahr? Nun wischte er sich über die Augen, suchte die Tränen zu tilgen, bevor er sich behutsam von Toshiya löste, dessen Hände seinen Pullover nicht recht loslassen wollten und auch in den braunen Augen lag das stumme Flehen, weiterhin nah bei seinem Geliebten zu bleiben. Der Drummer erwiderte den Blick, mehr konnte er nicht tun, dann setzte er sich in den Sessel, hielt Toshiyas Hand, die seinen Arm hinab gerutscht war, streichelte immer wieder sanft über sie, als er zur Tür sah. Kaoru stand blass und regungslos in dieser, hinter ihm Die und der Braunhaarige rang sich für die beiden ein Lächeln ab. „Hallo Kaoru.“ Der Leader brauchte ein paar Momente, dann kam er zu ihm, so schnell, dass Shinya dessen lange Schritte kaum mitbekam und plötzlich hockte der Ältere vor ihm, eine Hand auf seinem Schenkel, sah zu ihm hinauf. „Shinya.“ Mehr schien sein Freund gar nicht über die Lippen zu bekommen, weswegen der Zierlichere ein weiteres Mal ein wenig zittrig lächelte – ob Kaoru wohl sehr böse auf ihn war, wegen dem, was er Toshiya angetan hatte? Sein Blick richtete sich nach unten, auf seine Oberschenkel und Kaorus helle Finger, die da lagen. „Es tut mir so leid.“ Schweigen antwortete ihm und er zog die Schultern nach vorn, erwartete instinktiv strenge Worte, eine Rüge und nicht die warme Hand, der sich unter sein Kinn legte es hob. „Was tut dir leid?“ „Alles?“ Kaorus Augen sahen ihn sanft an, so zärtlich und mit Zuneigung behaftet und dann schüttelte der Andere den Kopf, derweil Toshiya seine Hand drückte. „Da gibt es nichts. Du hast dir nichts vorzuwerfen.“ Shinya biss sich seicht auf die Lippen, sank noch weiter in sich zusammen. „Aber das Toshiya... das alles, was ihm geschehen ist...“ „Toshiya geht es nun gut.“, und während er sprach, drehte Kaoru den Kopf, lächelte zu dem Bassisten hinauf, welcher die Geste erwiderte, „Er ist hier bei dir. Bei uns.“ Nun hob der Leader die freie Hand, streichelte sanft über die Wange des Bassisten, Tränen in den Augen – Gott, er fühlte sich wie ein Vater, dessen verloren geglaubte Kinder zurückgekommen waren. Er war glücklich, so unsagbar glücklich, dass ihnen dieser Moment geschenkt wurde, dass sie hier alle beieinander waren... nach all dieser langen, langen Zeit. Sein krankes, vor Sorge zerfressenes Herz war von einer unendlichen Wärme erfüllt und er hörte leise Schritte. Die kam, wenn auch zögernd, näher. Hockte sich dann ebenfalls hin, schlang die Arme um seine Mitte, lehnte das Haupt gegen den seinen. „Aber ich...“ Kaoru schüttelte nur sanft den Kopf, streichelte nun über das Haar des Braunhaarigen. „Bitte Shinya, keine Worte des Bedauerns mehr. Du bist hier, dass ist alles, was im Moment wichtig ist.“ Der Drummer nickte nur seicht... und im Grunde war dies der einfachste Ausweg nicht wahr? Kaoru schien ihm seinen schrecklichen Fehler zu vergeben, begegnete ihm wie die Anderen mit Liebe, Verständnis und so griff sein Egoismus nach allem, zog es nah an sich, bevor sie merkten, was für ein schlechter Mensch er war. Die Finger des Leaders glitten sanft über seinen verletzen Arm. „Kyo sagte, dass du wieder gefallen bist.“ Er nickte und wieder schlossen sich Toshiya Finger fester um die seinen, sodass er den Kopf hob, zu ihm blickte. „Es ist nicht schlimm. Ich muss mich jetzt nur mehr anstrengen.“ Ein leises Summen antwortete ihm, dann wanderte der Blick des Älteren zu seinem Geliebten, fragte diesen, ob es etwas gab, dass er tun konnte und nach einigen Momenten Schweigen nickte Toshiya. „Sorg dafür, dass sie ihn mir nicht mehr wegnehmen.“ Die Bitte kam erstaunlich fest über die Lippen des Bassisten, wie als würde ein winziger Teil seiner feurigen Seele unter all dem Chaos - der Verwunderung, was real war und was nicht - hervor blitzen und Kaoru nickte auf sie, erhob sich. „Das werde ich.“ Es schien einfach gesprochen, doch für den Leader lag die Feierlichkeit eines Schwurs darin und Shinya hatte keinerlei Zweifel daran, dass sich nun niemand mehr wagen würde, ihm noch einmal zu verwehren, zu dem Schwarzhaarigen zu gehen. Abermals öffnete sich die Tür, weswegen sich auch Die erhob, der bei Toshiya gehockt und diesen um Vergebung bittend angeblickt hatte und wieder spannte sich Shinya an, er kannte die Frau nicht, die herein kam – sie trug die Kleidung einer Schwester und lächelte, aber das bedeutete nichts. Shinya hatte die ersten Nächte Panikattacken durchlitten, wenn jemand Fremdes in sein Zimmer gekommen war, bis Kyo am Ende bewirkt hatte, dass es nur noch drei bestimmte Schwestern waren, die sich um ihn kümmerten und der Vocal war immer dabei gewesen, war es auch nun, weswegen Shinyas Verstand beruhigend gurrte, wisperte, dass alles in Ordnung war und so seine aufgebrachte Seele beruhigte. „Ayumi.“ Der Name floh von Toshiyas Lippen und der weil sie sich alle dem Bassisten zu wandten, ihn ansahen, erblühte ein weiteres, strahlendes Lächeln auf den Lippen der hübschen Braunhaarigen. „Hara-san, ich sehe Sie haben viel Besuch heute, das freut mich sehr.“ Toshiya nickte nur, war froh das sich seine Befürchtung nicht bestätigt hatte, denn auch dieses Mal, hatte er beim Öffnen der Tür mit seinem Psychiater gerechnet. „Ich freue mich auch. Ayumi. Darf ich dir vorstellen? Das sind Kaoru, Die, Kyo und Shinya.“ Er beobachtete, wie sie allen Ihre Hand reichte, lediglich bei dem Vocal inne hielt, welcher ihr schließlich zunickte. „Es freut mich Sie alle persönlich kennen zu lernen, denn ich muss gestehen, ihre Band ist mir nicht unbekannt, doch leider hatten wir bisher keine Gelegenheit uns wirklich zu unterhalten, nicht wahr Hara-san?“ Toshiya seufzte leise, er wusste, das er sich Ayumi Gegenüber unfair verhalten hatte, denn Sie war die Einzige die Ihn nicht wie einen schwer Kranken behandelt hatte, deswegen würde er sich bei ihr auch entschuldigen. „Ich weiß und es tut mir leid, aber ich konnte irgendwann nicht mehr. Die ganze Zeit habe ich nur darum gebeten Shinya wieder zu sehen, doch niemand wollte mir zuhören. Ständig wurde mir gesagt ich wäre zu angeschlagen, dass ich Ruhe bräuchte und irgendwann habe ich es geglaubt. Dann ist alles nur noch schlimmer geworden, aber jetzt geht es mir wieder gut und Shinya ist endlich hier!“ Bei dem letzten Worten blickte er zu seinem Geliebten, drückte erneut dessen Hand. „Sie müssen sich nicht entschuldigen Hara-san. Allerdings sollten Sie wissen, dass meine Kollegen und die Ärzte hier versucht haben Ihnen zu helfen. Die Umstände waren nicht ganz einfach da niemand wusste wie sie auf Ihren Freund reagieren würden, nach allem, was Ihnen beiden widerfahren ist. Aber es freut mich, Sie wohl auf zu sehen. Ich werde Sie und Ihre Freunde wieder allein lassen.“ „Ayumi?“ Die Braunhaarige war bereits zur Tür heraus, doch kam noch einmal zurück.. „Wann werde ich das Krankenhaus verlassen können?“ Sie lächelte entschuldigend, bevor sie antwortete. „Das kann ich leider nicht sagen, das müssen Ihre Ärzte entscheiden, nur sollten Sie sich nicht allzu große Hoffnungen machen. Sie sind noch sehr angeschlagen!“ Toshiya nickte und als sie die Tür hinter sich verschloss, seufzte er leise. Zwar hatte er damit gerechnet, dass er so schnell hier nicht raus kommen würde, dennoch sank sein Gemütszustand ob dieser Erkenntnis. Es war einfach nicht fair, auch wenn er jetzt nicht mehr alleine war. All seine Freunde waren hier und sein Geliebter so nah bei ihm, doch in wenigen Stunden mussten sie sicher wieder gehen und er wollte das nicht. Eine Hand legte sich auf seine Schulter, drückte diese leicht… es war eine freundschaftliche Geste, dennoch wurde die Stimmung in seinem kleinen Zimmer immer drückender. Er wusste dass er dafür verantwortlich war und seufzte tief, blickte einem nach dem anderen ins Gesicht, zuletzt Shinya, der ihm noch immer so unwirklich vorkam. ~~~~~~~ Und dieser hasste es, sich in den Augen seines Geliebten reflektiert zu sehen... zu sehen, dass die dunklen Augen den gleichen Schmerz hielten, dieselbe Qual. Er wollte das nicht. Er wollte, dass Toshiya sein früheres 'Ich' wieder erhielt, dass er offen und frei lachen konnte. Und so fällte er eine Entscheidung, einsam und allein in seiner, dunklen, zersplitterten Seele. Dort, wo ihn niemand erreichte und wo ihm niemand widersprechen konnte. Shinya nahm seine Schuld, nahm seine Angst, seinen Terror und ballte ihn... formte ihn mit bebenden Händen in den Willen, alles dafür zu tun, Toshiya zurück zu geben, was dieser verloren hatte, er schuf aus seiner eigenen Pein die Kraft, seinen Geliebten aufzufangen und zu retten... er würde alles wieder gut machen, so wie er es sich in diesen letzten Tagen und Wochen immer wieder gewünscht hatte. Er würde nicht länger zweifeln. Nicht länger weinen und hilflos daneben sitzen, derweil die, die ihn liebten und die er so egoistisch ausnahm, weiter litten. Shinya würde ihnen Ihren Traum wiedergeben, er würde zurück bringen, was verloren gegangen und das was unwiederbringlich war, neu erschaffen. Er würde erstarken und sich selbst übertreffen. Es war an der Zeit mit dem wünschen aufzuhören und endlich damit zu beginnen, all die losen Enden um ihn herum aufzupicken und wieder zu einem festen Geflecht zu verbinden. Und Shinya würde nun gleich damit anfangen. Sanft hob er die Hand, welche in der Seinen lag, an seine Lippen, legte einen behutsamen Kuss darauf, antwortete so dem traurigen Blick seines Geliebten, gab ihm Hoffnung, gab ihm Kraft. „Du weißt doch noch, um was du Kaoru gebeten hast, oder?“ Toshiya nickte seicht, sah ihn dabei unverwandt an und er lächelte für seinen wundervollen Bassisten. „Siehst du? Er versprach dir, dass man mich dir nicht mehr weg nimmt. Und ich werde hier bleiben... genau hier. An deiner Seite. Ich werde niemandem erlauben, mich aus diesem Raum zu schicken. Du wirst nicht mehr allein sein... und du wirst dich nicht wieder in den Träumen verirren, denn ich bin hier, um dich daran zu erinnern was wirklich ist. Okay?“ Er hob seine andere Hand, streichelte mit den Fingerspitzen sanft über Toshiyas Wange, blendete die anderen für den Moment aus, lächelte abermals weich, als der Dunkelhaarige nickte, die Geste hoffnungsvoll erwiderte. Seine Aufmerksamkeit schwenkte auf Kaoru und Die, die noch immer bei ihnen knieten, sich die gesamte Zeit nicht aus ihrer Position fortbewegt hatten und einen langen, langen Moment sah er sie nur an... studierte wie müde sie aussahen, wie fahl und ungesund. „Kaoru, nimm Die und geh nach Hause.“ Der Drummer sah wie der Leader damit beginnen wollte den Kopf zu schütteln, doch er stoppte die Bewegung, indem er die Schulter berührte, dann drückte. „Ich meine es so, Kaoru. Ich werde hier bei Toshiya sein, du brauchst dich nicht zu sorgen, um keinen von uns Beiden. Geh nach Hause, schließe deinen Geliebten in die Arme. Haltet euch einfach... ihr wisst, wie sehr ihr das braucht.“ Sein Blick war zu Die gewandert, in dessen Augen Tränen standen, weswegen er seinen Arm über Kaoru hinweg streckte, die Hand in Dies Nacken legte, mit den feinen Haaren dort spielte. „Und du, hör auf zu weinen. Alles wird gut werden.“ Es bedurfte noch zwei weiteren Lächeln und der Bejahung, dass es wirklich in Ordnung sein würde, doch dann erhob sich Kaoru, zog seinen Freund dabei mit auf die Füße... Shinya konnte es sehen, in den Iriden des Leaders, der Kampf, um das, was Richtig war und das, was sein Herz begehrte. Und es war das Herz, dass Shinya manipulierte, die Sehnsüchte dieses starken Mannes, der sich nichts mehr wünschte, als einen Abend lang all die Verantwortung abzugeben und sich fallen zu lassen. Einen einzigen Abend der zu sein, der er war, ohne die Würde, ohne die Sorgen, die Gedanken. Shinya war bereit, es entgegen zu nehmen... er würde ihnen allen geben, was sie brauchten, so lange und so oft, bis sie alle wieder vollkommen geheilt waren. Nachdem sich die Tür hinter den beiden Gitarristen geschlossen hatte, küsste Shinya Toshiyas Knöchel noch einmal, lächelte ihn an und sagte ihm, dass er etwas zu Essen holen würde, dann sah er Kyo an, welcher die gesamte Zeit ohne eine Wort zu sagen mit im Raum gestanden und ihn beobachtet hatte. Auf seine Frage ob er ihn – Shinya – begleiten würde, nickte der Vocal nur stumm, fasste ihn sanft unter dem Arm, führte ihn aus dem Raum, durch das, für ihn, gehasst bekannte Krankenhaus und der Zierlichere wartete, bis sie die zweite Ecke umrundet hatten, bevor er stehen blieb. Kyos Stirn runzelte sich, doch noch bevor der Blonde etwas sagen konnte, legte Shinya einen sanften Finger gegen dessen Lippen, sah ihn durchdringend an. „Ich möchte dich um etwas bitten, Kyo.“ ~~~~~ Im ersten Moment war ihm danach Shinya aufzuhalten, doch er ließ ihn gemeinsam mit Kyo gehen, schließlich hatte sein Engel gesagt er würde etwas zu Essen holen und so lange war er dann sicher nicht weg. Toshiya war noch immer unsicher und fühlte sich unwohl, aber er konnte seinen Geliebten auch nicht an sich binden. Der Jüngere konnte nicht 24/7 bei ihm sein und er sollte lernen dies von Anfang an zu akzeptieren, auch wenn es schwer war. Er war nur so glücklich gewesen den Drummer wieder zu sehen, wohlauf und nicht gebrochen wie er ihn zuletzt in Erinnerung hatte. Die Freude darüber, auch die anderen zu sehen ohne im nächsten Moment aufzuwachen und festzustellen, dass er wieder nur geträumt hatte, tat ihr übriges. Nein, diesmal waren sie alle wirklich bei ihm gewesen… keinerlei Wahnvorstellungen die seinen Geist, sein Urteilsvermögen trübten und der Bassist war nach einer unendlich gefühlten Ewigkeit wieder richtig glücklich gewesen. Jetzt allerdings, da er alleine war, kam dieses seltsame Gefühl der Einsamkeit wieder, vor allem wenn er sich in dem kargen Zimmer umblickte. So stand er schließlich auf, ging hinüber zu den Blumen, welche ihm gebracht worden waren, und fing an jede einzelne Pflanze zu studieren. Die bunten Blüten und Blätter brachten leben in diesen Raum und wie schon so oft in der letzten Zeit, wünschte sich Toshiya auch in diesem Moment, er wäre nicht aus dem Koma erwacht, dann hätte er nicht diese Einsamkeit und nicht diese Angst und die Sorgen, welche er sich um Shinya gemacht hatte, ertragen müssen. Es wäre alles so viel einfacher gewesen, wenn er weiter im künstlichen Schlaf gelegen hätte und trotz dieser Gedanken schüttelte er auch jetzt wieder über sich selbst den Kopf. Wie er immer wieder darüber nachdenken konnte war ihm schleierhaft. Bei Gott, er konnte doch wirklich froh sein, dass ihm nicht Schlimmeres widerfahren und dass er erwacht war! Wie viele Komapatienten lagen ihr Leben lang in diesem künstlichen Schlaf und bekamen nur Bruchstücke des wahren Lebens um sie herum mit? Wenn er ehrlich zu sich selbst war, wollte er die Antwort darauf nicht wissen und kam zu dem Schluss, dass es wie jetzt doch besser war, auch wenn er sich immer noch wünschte dass die letzten Wochen anders verlaufen wären. Aber was waren schon Wochen? Sie waren nicht einfach gewesen, sicherlich nicht und nur mehr als einmal hatte ihm sein Realitätsverlust zu schaffen gemacht, doch es war jetzt endlich vorbei und er konnte wieder anfangen zu genießen. Wieder zu leben und die Panik und die Angst zu vergessen. Toshiya nickte, wie um sich selbst zu bestätigen, wand sich dann wieder ab von dem großen Strauß, welcher das gesamte Schränkchen neben seinem Bett einnahm und ging stattdessen zu den Fenstern, öffnete eines von diesen ganz. Er wollte die Luft auf seiner Haut spüren, den Wind einlassen in das Zimmer, um sich vollkommen von der Natur dort draußen einnehmen lassen zu können. Ein leichter Schneefall ließ zarte Flocken zu ihm dringen und er spürte die Kälte des Winters, die kleinen Eiskristalle die auf ihm landeten, jedoch sofort zu kleinen Wassertropfen verschmolzen, ließ sich davon nicht stören, sondern nahm tiefe Atemzüge der klaren Luft. Es war ein atemraubender Anblick der sich ihm bot, aufgrund der Sonnenstrahlen, die sich durch die dichte Wolkendecke am Himmel schoben, den Schnee in der Gartenanlage des Krankenhauses wie magisch zum Glänzen brachten und es war zum ersten Mal, dass er dieses Bild wirklich in sich aufsog, dabei lächelte und sich für einen kleinen Moment wenigstens etwas frei fühlte. Hier drinnen konnte er schließlich nicht die gesamte Schönheit des Winters genießen, konnte nicht hinausgehen, den Schnee zwischen seine Hände nehmen…denn eigentlich war er noch immer wie ein Vogel gefangen in einem Käfig. Allerdings wusste er auch, er würde nicht ewig hier bleiben müssen und diese Erkenntnis, half ihm es leichter zu nehmen. Allgemein war jetzt alles viel besser nachdem Shinya und seine Freunde bei ihm gewesen waren und so würde er auch die restliche Zeit, die er hier verbringen musste, überstehen. In Gedanken, bemerkte er nicht, wie seine Zimmertür geöffnet wurde, blickte immer noch hinaus in die Welt, hinter den vier Wänden und schreckte leicht zusammen, als sein neuer Besuch ihn direkt ansprach. Kaum das er erkannt hatte, wer ihn hier störte, schwand der Ausdruck an Zufriedenheit auf seinem Gesicht und er wandte sich der Person zu. „Hara-san, ich hörte von Schwester Ayumi das Sie sehr große Fortschritte gemacht haben. Sie reden wieder hat man mir erörtert. Vielleicht erzählen Sie mir dann heute etwas von sich?“ Der Bassist reckte das Kinn leicht in die Höhe, wollte seinem Gegenüber deutlich zeigen, was er von dessen Anwesenheit hielt, doch er wusste von den letzten Besuchen des Psychiaters, das dieser sich nicht so leicht abspeisen lassen würde. „Was sollte ich Ihnen schon erzählen? Sie wissen doch schon alles aus meinen Krankenakten!“ „Hara-San, bitte verstehen Sie meine Anwesenheit nicht falsch. Ich will Ihnen wirklich nur helfen und da kann ich mich nicht auf Akten verlassen. Zumal Ihre doch einige Lücken aufzuweisen scheint.“ Der Schwarzhaarige seufzte leise und schüttelte den Kopf. Natürlich waren seine Daten nicht vollständig … bestanden zum größten Teil aus Vermutungen welche die Ärzte über ihn angestellt hatten und nun wieder verwerfen mussten, da er sie eines Besseren belehrt hatte und gerade deswegen wollte er erst recht nicht mit dem Psychiater sprechen. Sollte sich dieser doch weiter an seine Ärzte halten. Wunschdenken, dessen war er sich bewusst da sein Gegenüber nicht locker lassen würde, so schloss er mit sich selbst einen Kompromiss. „Also gut, ich werde mit Ihnen reden, doch nicht jetzt. Jede Minute wird mein Freund wieder hier sein und ich möchte nicht, dass er Sie sieht. Kommen Sie wieder, wenn Shinya weg ist. Er soll nicht wissen… das ich in die Klappsmühle gehöre.“ „Hara-San, Sie verstehen das falsch. Sind nicht psychisch krank sondern durch die Geschehnisse angeschlagen. Aber ich respektiere Ihren Wunsch und werde Sie heute nicht mehr stören. Jedoch bitte ich sie unsere Therapie nicht abzubrechen und werde sie Morgen in meinem Büro erwarten.“ Der Bassist nickte nur, ließ sich kurz erklären wo dessen Behandlungszimmer war und atmete tief auf, als der andere Mann den Raum wieder verließ. ~~~~~ Shinya hatte in der Kantine des Krankenhauses einen kleinen Salat und etwas Obst erworben und trug die Sachen nun behutsam über den Gang, welcher ihn zu Toshiya zurück bringen würde – Kyo war nicht mehr bei ihm, hatte seinem Wunsch nachgegeben und war ebenfalls nach Hause gegangen. Der Drummer wusste, wie schwer es für den kleinen Vocal gewesen war, dieser Schritt und es hatte sein Lächeln gebraucht, bis Kyo sich hatte tatsächlich überwinden können, aber wie alle anderen brauchte dieser die Ruhe, brauchte ein paar Momente in denen er sich keinen Kopf um einen schwächlichen Freund machen musste. Und er würde dafür sorgen, dass es in Zukunft eine Menge solcher Momente geben würde. Er bog behutsam um die Ecke, darauf bedacht die beiden kleinen Schalen in seinen Fingern stabil balanciert zu halten, steuerte dann auf den kleinen Laden zu, der viele kleine Dinge beinhielt, die den Patienten den Aufenthalt angenehmer gestalten sollten und normalerweise beachtete er das Geschäft nicht weiter, doch heute fiel sein Blick doch zufällig in das Schaufenster und direkt auf einen kleinen dunkelblauen Drachen – nicht einer der westlich gestalteten sondern einer der alten Art, die sich durch den langen, schlangenförmigen Körper auszeichnete. Es war ein simples Stofftier, so klein, dass es bequem in seine Hand passte und doch waren die schwarzen Augen direkt auf ihn gerichtet, schienen ihn geradewegs anzusehen und zu rufen. Das war ihm seit England nicht mehr passiert. Und irgendwie verengte dies Gefühl seine Brust und ehe er sich versah, war er durch die Tür getreten, stand im Laden und bat um das kleine Plüschtier. Er strich über den winzigen Kopf, als er darauf wartete, es bezahlen zu können und wieder schien es ihn anzusehen, grinste schelmisch von schräg unten zu ihm herauf, so als hätte es niemals Zweifel gehabt, dass er kommen und es mitnehmen würde. „Nun hör schon auf, so anzugeben.“ Er murmelte es nur und könnte schwören, dass er dafür ein sanftes Lachen in seinem Kopf hören konnte, dann musste er Spirit – ja, verdammt, er hatte schon einen Namen für das winzige Ding – in die Hände der Verkäuferin geben und nun saß es auf dem Deckel der Salatschale und präsentierte sich stolz der Welt. Vor dem Zimmer Toshiyas nahm er es und schob es unter seinen lockeren Pullover, er wollte seinen Geliebten damit überraschen. Im Raum war es kühl, der Bassist hatte das Fenster weit geöffnet und stand davor, sah wohl hinaus, weswegen er das mitgebrachte Essen auf dem Besuchertisch abstellte, dann zu dem anderen Mann ging, sanft die Arme um diesen schob – sein Herz klopfte aufgeregt dabei, Ängste suchten in ihm hoch zu krauchen, doch er drückte sie zurück. Schwäche würde er sich nicht erlauben. „Hey.“ Toshiyas Finger schoben sich sanft über die Seinen, dann drehte dieser den Kopf, lächelte ihn an. „Hey.“ „Ist dir nicht kalt?“ Shinya presste sich ein wenig näher, Toshiyas Hände waren kühl, weswegen er seine mit denen seines Geliebten verflocht und dieser summte leise, schüttelte aber den Kopf. „Ich genieße die Luft, sie ist so klar und riecht gut.“ Nun war es der Drummer, der summte, sich dann aber trotzdem löste und das Fenster schloss, sie mussten es ja nicht übertreiben und Toshiya war längst nicht so warm angezogen, wie zum Beispiel er selbst, was ihn gleich auf den nächsten Gedanken brachte. „Kyo hat mir erzählt, er hätte dir eine Tasche gepackt und mit hier her gebracht. Lass uns schauen, ob wir die Schwestern nicht überreden können, dass ich dich duschen darf und dann suchen wir dir etwas Richtiges zum Anziehen heraus. Oder möchtest du erst etwas essen?“ Toshiya schüttelte seicht den Kopf. „Ich habe keinen Hunger, aber eine Dusche klingt wirklich gut. Ich weiß aber nicht, ob ich das wegen der Wunde schon darf.“ Shinya nickte sanft, streichelte über Toshiyas Hände, nachdem er wieder zu diesem getreten war, er würde das herausfinden, aber er glaubte nicht, dass es ein Problem war, denn Toshiya hatte ja unter anderem im Koma gelegen, damit die Verletzung gut heilen konnte, aber er würde sich noch einmal vergewissern. Der zuständige Arzt und auch die Schwestern hatten ihm das 'Okay' gegeben und nun war er dabei Toshiya zu den Duschen zu bringen, in seinem Zimmer gab es nur ein kleines Waschbecken und die Toilette. Er hielt den Größeren stützend, auch wenn das nicht wirklich notwendig war, im kleinen Duschraum dann, half er ihm sich zu entkleiden, legte die Sachen ordentlich weg, lehnte sich dann vor und küsste eine schmale Schulter, nachdem sich Toshiya auf einen kleinen Plastikhocker gesetzt hatte. „Ich mach den Verband ab, in Ordnung?“ Der Bassist nickte und Shinya kniete sich vor diesen, löste vorsichtig das Plaster, zog den Verband ab, die Wunde darunter sah gut aus, keine Rötung und keine großartige Nässe, sie heilte ab und würde nur eine kleine Narbe zurücklassen. Ganz sanft legte der Braunhaarige seine Finger gegen den Bauch, strich über diesen – die Muskeln spannten sich automatisch an, er tat Toshiya damit nicht weh, weswegen er sich vor lehnte und die Wunde mit den Lippen streifte, es war seine stumme Entschuldigung. Toshiya bebte seicht, eine der schönen, nun wieder warmen Hände legte sich auf seinen Kopf und als er sich erhob, lockte ihn dieser an seine Lippen, küsste ihn zärtlich – Gott, wie hatten Shinya derartige Berührungen gefehlt! Er löste sich und der andere strich über seine Wange, sah ihm dann zu, als er Schuhe, Socken und den Pullover auszog, alles ebenso ordentlich platzierte... Spirit war sorgsam in dem weichen Material eingebettet, unsichtbar für Toshiya, doch Shinya fühlte den Blick der kleinen schwarzen Augen, als er nach der Dusche griff, sie anstellte. Irgendwie war es, als würde er über sie wachen, was natürlich Unsinn war, denn es war nur ein kleiner Stoffdrachen, trotzdem gab es dem Drummer ein unerklärliches Gefühl der Sicherheit. Gemeinsam schafften sie es, Toshiya zu waschen, zu trocknen und dann in eine lockere Hose, sowie einen weiten Pullover zu kleiden, Shinya trocknete und kämmte das lange Haar und als sie fertig waren, wieder über den Flur gingen sah er die Anzeichen der Müdigkeit in den Augen seines Geliebten, weswegen er diesem half sich hinzulegen. Behutsam steckte er die Decke um diesen fest, strich ihm über die Braue, als Toshiya ihn schon halb schlafend anblinzelte. „Ich werde nicht gehen. Ich verspreche es dir.“ Ein leichtes Nicken war seine Antwort, dann schlief der Dunkelhaarige ein und er wartete, bis er sich ganz sicher sein konnte, dass Toshiya wirklich tief ruhte, dann holte er Spirit aus seinem Versteck, setzte ihn mitten auf die Brust seines Freundes, wo sich der kleine Drachen pudel wohl zu fühlen schien. „Pass gut auf ihn auf.“ Shinya war sich sicher, wenn Spirit es gekonnt hätte, dass winzige Stofftier hätte ihm salutiert, nun aber bedachte es ihn nur mit einem neckenden Blick und fiel dann um, als Toshiya sich regte, weswegen der Drummer ihn wieder ordentlich hinsetzte, dem kleinen Kopf einen Stubs gab. „So kann das aber nichts werden.“ Der nächsten Regung des Bassisten hielt der blaue Drachen stand, weswegen er zufrieden lächelte, sich dann an den kleinen Tisch setzte, wo er zumindest den Salat aß, bevor dieser noch ganz in sich zusammenfiel. Außerhalb war es bereits dunkel geworden, im Zimmer herrschte Dämmerlicht und irgendwie musste er doch eingeschlafen sein, denn als er erschrocken hoch fuhr, stieß er sich das Knie am Tisch, verursachte so einen dumpfen Schlag. Leise fluchend rieb er sich den schmerzenden Körperteil, sah dann zum Bett, besorgt, dass er Toshiya geweckt hatte, doch dieser schlief noch immer ruhig, Spirit an gleichem Ort und Stelle. Beruhigt, dass der Schlaf seines Freundes nicht unterbrochen worden war, erhob er sich, begann in dem kleinen Raum umherzulaufen, blieb dann vor dem Fenster stehen, sah hinaus, doch erkannte nichts, weswegen er auch dort nicht lange verweilte und zum Bett hinüber ging. Dort stand er dann so lange, bis die Nachtschwester herein kam und ihn überrascht ansah – Shinya drückte den Rücken durch, erst weil er sich erschrocken hatte, dann weil er sich innerlich auf eine Diskussion oder im schlimmsten Fall Wortgefecht vorbereitete, doch dann tat die junge Frau einen Laut in ihrer Kehle, so als wäre ihr gerade wieder etwas einfallen. „Sie müssen Terachi-san sein!“ Er nickte nur seicht und ihr anfangs irritiertes Verhalten änderte sich, sie lächelte ihn an, verbeugte sich seicht vor ihm. „Ich bitte mein Verhalten zu entschuldigen, ich vergaß, dass Sie und Hara-san besondere Umstände umgeben. Bitte, verzeihen Sie mir und zögern Sie nicht, mir zu sagen, wenn Ihnen etwas fehlt! Mir wurde aufgetragen Ihnen ebenfalls ein Bett herzurichten.“ Sie sah ihn an und er nickte wieder, was ihr zu genügen schien, denn nun strahlte sie ihn an, machte sich schnell und leise an die Arbeit, richtete ihm das Bett, sah nach Toshiya, bei welchem er die ganze Zeit saß – ein paar Mal sah er, wie sie verstohlene Blicke zu ihm warf... offenbar wusste sie von Toshiya und ihm und fand sie niedlich als Paar. Shinya hätte am liebsten laut auf gestöhnt. Ein Fangirl fehlte ihm nun gerade noch. Kapitel 7: Part V B - Fragil ---------------------------- Part V B - Fragile March, 13th 7:00 Uhr Als Toshiya am nächsten Morgen erwachte, war es durch dass Geräusch leiser Stimmen, die miteinander redeten, wahrscheinlich die Schwestern, welche jeden Morgen pünktlich um 7.00 Uhr zum Weckdienst kamen, um dass Zimmer zu lüften und den Patienten Ihr Frühstück zu bringen. Er beschloss einfach noch liegen zu bleiben und sich schlafend zu stellen, während er den beiden lauschte, denn das Thema der Frauen waren eindeutig er und Shinya. „Ist das sein Freund?“ „Hm, ja. Soweit ich weiß, schon. Echt bedauerlich, so ein süßer Kerl.“ „Stimmt, wobei Toshiya-san auch nicht zu verachten ist. Es ist schon gemein irgendwie. Warum müssen die süßesten Kerle immer vergeben sein?“ „Frag mich das nicht, ich habe vor langer Zeit aufgegeben nach der Antwort zu suchen, denn finden werden wir keine. Was meinst du? Lassen wir sie noch etwas schlafen, bevor wir Ihnen Ihr Frühstück bringen?“ „Ja, gute Idee. Dann lass uns erst den Gang zu Ende machen, dann kommen wir noch einmal her.“ Mit diesen Worten verließen die beiden jungen Frauen das Zimmer wieder und erst als er das Klicken der Türe hörte, setzte sich der Schwarzhaarige langsam auf, mit einem leichten Kopfschütteln und einem Schmunzeln auf den Lippen. Typisch Frauen, die hatten auch keine anderen Themen, als das Liebesleben zweier ihnen fremder Kerle durchzukauen. Der Bassist warf einen Blick nach draußen. Es war ein wunderschöner Morgen, die Sonne bereits aufgegangen und leichte Nebelschwaden zogen sich hier und da durch die Parkanlage. Dennoch wand er sich von dem sehnsuchtsvollen Anblick ab, ließ seinen Blick stattdessen auf die Andere Seite seines Bettes gleiten, direkt zu seinem Bettnachbarn, welcher noch immer friedlich zu schlummern schien. Seine Decke raschelte leicht, als er diese zurückschob, dann seine Beine über den Bettrand schob um aufzustehen. Mit leisen Schritten begab er sich an Shinyas Seite, hob dann dessen Decke leicht an, bevor er sich direkt neben den Kleineren legte, dessen Gesichtszüge studierte, bevor er sanft mit einem Finger dessen Gesichtskonturen entlang strich und sich jedes einzelne Stück Haut in seinem Gehirn manifestierte. Er beobachtete seinen Geliebten, lächelte leicht, als sich die zierliche Nase leicht kräuselte, bemerkte dann das Flattern der Lider, ehe sich diese ruckartig öffneten und mit einem Satz hatte sich der Jüngere mit einem Keuchen wie als hätte ihn irgendetwas erschrocken, aufgesetzt. Beruhigend strich der Ältere eine letztes Mal mit dem Finger über die Wange seines Gegenübers, beugte sich dann leicht zu diesem und gab ihm einen sanften, zärtlichen Kuss. „Ist alles in Ordnung?“ Die noch zuvor gehetzt wirkenden Augen verloren einen Teil davon, ehe sich die braunen Seen auf die Seinen richteten, ein leises Seufzen diesen anmutigen vollen Lippen entkam, der Andere leicht nickte. „Ja, es ist alles gut. Mach dir keine Sorgen, ich bin leicht erschrocken, aber mir geht es jetzt wieder gut. Wie geht es dir?“ „Alles Bestens, jetzt wo du endlich wieder bei mir bist.“ Und wie, um diese Worte zu untermauern, legte der Größere einen seiner Arme um die schmale Hüfte seines Freundes, um diesen näher an sich zu ziehen, dann den Kopf leicht in dessen Nacken zu vergraben und an der dort empfindlichen Haut zu knabbern. „Mir fehlt nur noch eins zu meinem vollkommenen Glück und das ist der Zeitpunkt, an dem ich dieses Krankenhaus endlich wieder verlassen kann, aber das wird wohl leider noch ein paar Tage dauern.“ Ob diesen Umstandes, verzogen sich seine Lippen zu einem leichten schmollen, doch welches nicht von langer Dauer war, denn Shinya schenkte ihm ein unglaublich anziehendes, aufbauendes Lächeln, ehe sich Ihre Lippen zum zweiten Mal fanden. „Egal wie lange du noch hier bleiben musst, ich werde nicht von deiner Seite weichen und wenn doch, dann nicht für lange.“ „Danke mein Engel. Dann werde ich diese Tage sicherlich auch noch überstehen.“ Der Jüngere nickte, setzte sich dann etwas auf, strich sich die vom Schlaf verstrubelten Haare etwas glatt, wand sich dann wieder an seinen Geliebten. „Waren die Schwestern noch gar nicht da? Ich dachte sie haben strickte Zeiten?“ „Haben sie auch und sie waren da, doch sie haben beschlossen, uns noch ein bisschen Zweisamkeit zu gönnen.“ Dabei zwinkerte der Ältere dem Kleineren leicht zu, während dieser lediglich eine Augenbraue hob. „Frag mich nicht, woher sie wissen, dass wir zusammen sind, aber das war ihr Hauptthema vorhin und wie sehr sie es bedauern, dass scheinbar jeder süße Kerl bereits vergeben ist. Ich bedauere es jedenfalls nicht und bin gewillt, dass zu nutzen.“ Mit diesen Worten lehnte er sich wieder zu dem Jüngeren um dessen Lippen zu fangen, zärtlich an Ihnen zu knabbern, bis der Andere ihn in seine Mundhöhle dringen ließ, wo er begann mit dessen Zunge zu spielen. Die Zeit die ihnen blieb, verbrachten sie weiterhin gemeinsam in dem Bett des Drummers, eng aneinander gekuschelt, die verloren geglaubte Zweisamkeit vollkommen ausnutzend, da sie nun wieder beisammen waren und schmusten immer wieder miteinander. So verharrten sie in den Armen des jeweils Anderen, bis sich die Tür zum zweiten Mal öffnete und nur widerwillig lösten sie die innige Umarmung voneinander, setzten sich auf. Es waren die Schwestern die zurückkehrten, eine jede von ihnen ein Tablett auf der Hand, welches sie nun auf den jeweiligen Nachtschrank der Zimmerinsassen abstellten, sich dann daran schickten, die Fenster zu kippen, ehe sie den Raum wieder verließen. „Komm, dann lass uns mal schauen was sie uns gebracht haben und frühstücken.“ Toshiya nickte nur, schob sich nur widerwillig aus dem Bett seines Geliebten, um zu seinem eigenen zurück zu kehren. Eigentlich hatte der Schwarzhaarige auch heute keinen Hunger, verspürte nicht den geringsten Hauch davon auch nur ein Stück zu essen. Zwar hatte er schon in den letzten Tagen nichts zu sich genommen, jedoch verspürte er einfach nicht die geringste Lust dazu, auch sein Magen spannte sich bei dem Gedanken an etwas zu Essen unangenehm an, brachte ein Ziehen mit sich. Doch als er sah wie sein Shinya ein Stück Gurke zwischen seinen vollen Lippen verschwinden ließ, zwang er sich dazu, wenigstens eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen, doch nach wenigen zwei Bissen schob er das Tablett auch schon wieder von sich. stand stattdessen wieder auf und begab sich vor die hohen Fenster. Eine ganze Weile stand der Bassist so da, die Augen geschlossen und in sich vertieft, zuckte leicht zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Sein Freund war hinter ihn getreten, schmiegte sich nun an ihn und suchte in sein Gesicht zu sehen. „Sag mir nicht du bist schon satt! Du hast doch kaum etwas gegessen.“ Toshiya blickte in die braunen Opale seines Gegenübers und zuckte leicht mit den Schultern. „Es tut mir leid, aber ich bring nichts runter. Ehrlich, der bloße Gedanke an Essen und mir wird übel.“ Shinya seufzte leise, drückte seine Schulter leicht. „Es muss dir nicht leid tun, aber ich mache mir Sorgen. Du hast dieses Problem schon länger und dass ist nicht normal. Hast du schon mal mit deinem Arzt darüber geredet?“ Toshiya schüttelte leicht den Kopf, zuckte erneut mit den Schultern. „Mach dir keine Sorgen mein Herz, das wird schon wieder. Ich denke nicht, dass es etwas Ernsthaftes ist.“ Mit diesen Worten wand er seinen Blick wieder der Szenerie aus dem Fenster zu. ~~~~~~ Shinya würde mit dem Arzt darüber sprechen – Toshiya mochte es als nichts Ernsthaftes sehen, doch den Drummer beunruhigte es, nicht zuletzt, weil er persönliche Erfahrungen hatte, welche ihn fröhlich kichernd daran erinnerten, wie schlimm es ihm gegangen war und wie gut er eben diesen Fakt verdrängt hatte und sie brachten ihm auch Kyos von Zorn erfüllte Stimme, die ihn anherrschte, dass er entweder zu essen hatte, oder aber der Vocal ab heute bei ihm einziehen würde. Nun aber genoss er still die Nähe, zu Toshiya, lehnte die Wange an dessen Schulter, derweil der Bassist sanft über seine Hände strich, die er auf den Bauch des Größeren gelegt hatte und dann – reichlich plötzlich, weswegen er die Arme automatisch anspannte – tat sein Geliebter einen Laut und löste sich, aber auf den Zügen lag ein sanftes Lächeln, derweil er zu dem Bett hinüber trat und Spirit von diesem hochhob. „Ich habe noch gar nicht danke gesagt.“ „Es ist nichts Großartiges.“ Shinya lächelte, unglaublich stolz darüber, dass dem Bassisten dieses kleine, dumme Geschenk gefiel und die schwarzen Augen Spirits sahen ihn an, derweil er in seinen Gedanken ein leises Schnauben hörte... okay, Spirit war nicht irgendein Geschenk. „Ich finde ihn sehr süß. Hat er einen Namen?“ Der Drummer schwörte, dass seine Wangen rot wurden, als er den Namen vor sich hinmurmelte, doch Toshiya hob den blauen Drachen nur höher, so dass sie sich direkt in die Augen sahen. „Hallo Spirit, ich bin Toshiya. Es tut mir ja leid, dass wir uns in einem Krankenhaus kennenlernen, aber ich verspreche dir, bald kann ich hier hinaus spazieren und dann nehme ich dich mit in meine Wohnung und da bekommst du das allerweichste Kissen, dass ich finden kann. Ich versprechs!“ Das Gesicht gegen einen Handrücken gelegt, bedachte Shinya das Szenario mit einem sanften, sehr verliebten Lächeln und wenn er es nicht besser wüsste, er hätte schwören können, das Spirit dem Bassisten mit etwas wie: 'Das ist ja auch das Mindeste' antwortete. Das Stofftier wurde auf dem Kissen platziert, in welches Toshiya zuvor eine kleine Aushöhlung gebohrt hatte, dann strich der Dunkelhaarige das Kissen rund herum schön glatt. „So, da kannst du nun erst mal bleiben, während Shinya und ich duschen gehen... ein bisschen Zweisamkeit muss ja auch sein.“ Shinyas Lächeln weitete sich, als sein Freund dem kleinen Drachen zuzwinkerte. „Du bist so ein Spinner.“ „Aber ich bin dein Spinner.“ Mit diesen Worten kam Toshiya zu ihm und er legte automatisch den Kopf nach hinten, damit sich ihre Lippen in einem warmen Kuss treffen konnten – es tat so gut, zu sehen, dass Toshiya wieder redete, lächelte und generell zufriedener schien und das er - Shinya – der Grund war, ließ sein Herz ganz aufgeregt klopfen. Die zärtliche Stimmung zwischen ihnen, blendete nahezu aus, was geschehen war und wo sie sich befanden und gerade streichelten die Finger seines Bassisten über seine Wange, lockten ihn dessen Lippen in einen tieferen, innigeren Kuss, da klopfte es und Shinya – abermals erschrocken – zuckte so sehr zusammen, das er mit dem Kopf gegen Toshiyas Nase prallte. Halb lachend und damit seinen hämmernden Puls überspielend, halb um Verzeihung bittend, hielt er die Nase des Größeren mit seinen zierlichen Fingern bedeckt, küsste die Stirn, dann rief er denjenigen herein, der angeklopft hatte, wenig überrascht, dass es Kyo war, der sich durch die Tür schob. Es hätte ihn gewundert, wenn der Sänger länger als absolut notwendig zu Hause geblieben wäre. „Guten Morgen, Kyo.“ „Guten Morgen.“ Er schenkte seinem Freund ein sanftes Lächeln, dass erwidert wurde, dann kam der kleine, blonde Mann näher, legte erst einen Kuss auf seine Stirn, dann Einen auf Toshiyas – es war eine seltsam, väterliche Geste, doch Shinya hatte sie schon immer mit einer tiefen, tiefen Wärme erfüllt und es machte ihn unsagbar glücklich, dass Kyo Toshiya die gleiche Zärtlichkeit zukommen ließ. „Wie geht es euch?“ „Wunderbar seit Shinya hier ist.“, Toshiya war der Erste der geantwortet hatte, lächelte seinen Drummer an, sah dann aber zu Kyo, „Nein, im Ernst, es ist viel besser heute morgen.“ Der Sänger nickte, sah dann zu dem Langhaarigen hinüber, welcher ihm seicht zunickte, „Es geht mir gut.“ Das akzeptierte Kyo, ging zum Fenster, um es zu schließen – es war kalt draußen und die Beiden würden sonst krank werden, auch wenn er wusste, wie sehr sie die frische Luft des Winters genossen. „Ich habe dir deine Jacke mitgebracht, Toshiya. Der Arzt hat mir gestern gesagt, dass wir dich draußen ein wenig herum fahren können, wenn wir dich warm einpacken und auf dich aufpassen.“ Eine schlanke Braue des Bassisten hob sich in die Höhe. „Herumfahren?“ Kyo summte, grinste dann ein typisches Grinsen, was nichts Gutes heißen konnte, weswegen Shinya sein Lächeln hinter einer Hand verbarg, als der Sänger ausführlich über den stylischen Rollstuhl erzählte, denn er extra für Toshiya ausgesucht hatte und dass es ihn treffen würden, wenn dieser verweigerte sich hinein zu setzen und er außerdem sowieso keine andere Wahl hatte, wenn er da nach draußen wollte. Am Ende nickte Toshiya nur brav – er hätte aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin keine Chance gegen den Vocal gehabt. „Wunderbar!“, Kyo lächelte, „Dann werden wir nun nur noch auf den Check der Ärzte warten, dich unter die Dusche schaffen und dann können wir schon los.“ Toshiya keuchte in gespielten Horror. „Aber Shinya wollte mich duschen!“ „Bevorzugst du ihn etwa?“ „Gegen dich? Ja? Er ist mein Geliebter?“ „Und ich war der, der dir die letzten Tage den Hintern gewaschen hat, also habe ich Vorrecht!“ „Was? Du warst das?“ „Na glaubst du, ich lass zu, dass dich all die Schwestern begrabbeln? Gibt keine hier, die dich nicht sexy finden würde.“ Shinya saß sanft lächelnd neben ihren beiden, sich hemmungslos neckenden Freunden... es war schön sie so zu sehen, so frei von allen Schatten... im allgemeinen sah Kyo wieder besser aus, hatte mehr Farbe im Gesicht und tat nun gerade einen triumphierenden Laut, denn er und Toshiya hatten doch tatsächlich eine Runde 'Schere, Stein, Papier' gespielt, um nun festzulegen, wer denn das Recht hatte dem Bassisten seinen nackten Hintern einzuseifen. Im Grunde fand der Drummer ja, das der Vocal hätte mit ihm spielen müssen, aber Kyo wusste wahrscheinlich, dass er dann verlieren würde und war der gesamten Angelegenheit so aus dem Weg gegangen. Nun gerade spielte Kyo mit Spirit, hatte ihn von seinem Platz hochgehoben und auf die Handfläche gesetzt, wo die schwarzen Augen des Stofftiers vergnügt blitzen – wie es schien mochte der Drachen die wilden, blonden Haare, die heute schon wieder Mal in jede Richtung abstanden. Zumindest war es das, was Shinya in seinen Gedanken hörte – und ja, er wusste ziemlich genau, dass es nur sein etwas schräger Verstand war, die ihm imaginäre Stimmen in den Kopf zauberte. Toshiya suchte Kyo den kleinen Drachen wegzunehmen, wobei die beiden halb miteinander kabbelten – Kyo dabei wesentlich vorsichtiger als Toshiya, der nun seine Seite hielt, ein langes 'Aua' auf den Lippen, als er um Mitleid heischte, die er von dem kleinen Mann in keinster Weise erhielt, denn er war ja selbst Schuld an seiner Misere. Shinya hingegen erhob sich lächelnd, nur allzu gerne dazu bereit, Toshiya zu trösten und alles Mitleid der Welt in den Schoss zu legen, weswegen er diesen in den Arm nahm, den Kopf auf die Schulter legte. Toshiya streckte Kyo triumphierend die Zunge heraus und dieser nannte Shinya daraufhin einen Verräter, was diesen nicht rührte, er lächelte nur sanft und wünschte sich im Grunde nur, dass der Zauber dieses Morgen weiter anhielt. March, 13th 13:35 Uhr Ein paar Stunden später hatte Kyo Sie wieder allein gelassen, nicht, dass sie ihm deswegen böse wären, sicherlich hatten sie die Zeit mit dem Sänger genossen, doch wussten auch so, das der Ältere noch andere Verpflichtungen hatte und es war ja nicht so, dass sie nicht ohne ihn auskamen. Dennoch war die Anwesenheit des Blonden sehr schön gewesen, ein Plus in dem sonst so grauen Alltag. Momentan lagen sie gemeinsam auf Toshiyas Bett, der Ältere von Beiden, hatte seinen Kopf in dem Schoss des Drummer gebettet und genoss dessen sanfte Streicheleinheiten, als dessen Finger zärtlich durch seine Haare fuhren. Es war noch so ein langer Tag und irgendwie wussten sie beide gar nicht, wie sie diesen eigentlich verbringen sollten. Sicher, es standen noch ein paar Visiten der Ärzte an, doch ansonsten, hatten Sie diesen Tag ganz für sich, abgesehen davon, dass es bald Mittagessen geben würde und trotz allem, dass der Bassist schon sein Frühstück verschmäht hatte, spürte er auch jetzt noch nicht den geringsten Anflug von Hunger. Er hatte einfach keinen Appetit, doch dies verschwieg er gegenüber seinem Freund, er wollte Shinya nicht schon wieder sorgen. Außerdem überlegte er, wie er den Jüngeren für einen gewissen Zeitraum los wurde. Nicht weil er dessen Anwesenheit nicht genoss, ganz im Gegenteil, er war so froh das Shinya bei ihm war und auch bei ihm bleiben durfte, doch eine Session mit seinem Psychiater stand an und wie er von seinem Arzt wusste, würde dieser sich heute nicht wieder vertrösten lassen also musste der Bassist einen Weg finden, das sein Freund ihn eine geraume Zeit allein ließ. Er wollte einfach nicht, dass dieser wusste, dass er psychiatrische Hilfe nötig hatte. So dachte der Ältere angestrengt nach, bis ihm ein guter Grund einfiel und er sich sogleich an den Zierlicheren wandte. „Shinya?“ Sein Freund summte leise, deutete ihm so, dass er ihm zuhörte. „Kann ich dich um einen Gefallen bitten?“ Der Braunhaarige nickte leicht, deutete dann seinem Freund fortzufahren. „Du kennst doch diesen schwarz-weiß gestreiften Pullover von mir, nicht?“ Wieder wurde ihm mit einem Nicken geantwortet. „Würde es dir was ausmachen ihn mir zu besorgen? Er ist so wunderbar bequem und ich schlafe darin so gut.“ Der Jüngere runzelte leicht die Stirn. „Wenn du es möchtest kann ich dir den Pullover gerne besorgen, aber hat dass nicht Zeit bis morgen? Wenn Kyo wieder kommt?“ „Du hast ja Recht Shin, aber ich würde ihn jetzt gerne haben wollen. Eigentlich hatte ich ja gehofft, das Kyo ihn mit eingepackt hat, aber nachdem nicht so ist.“ „In Ordnung.“ Toshiya schenkte seinem Freund ein strahlendes Lächeln. „Also gut. Ich werde gehen. Du wartest hier auf mich?“ „Natürlich.“ Kaum dass Shinya den Raum verlassen hatte, begab sich auch der Bassist aus dem Zimmer. Er musste in ein weiteres Stockwerk, fuhr mit dem Aufzug nach oben und erreichte nach wenigen schritten auch schon den Raum. Es war Zimmernummer 268, geradezu, also einfach zu finden und dennoch verharrte der Schwarzhaarige, noch einen Moment als er sich direkt vor der Tür wieder fand, ehe er klopfte. Der Bassist musste nicht lange warten, da wurde ihm auch schon die Tür geöffnet und er fand sich seinem Arzt Gegenüber. „Hara-San, guten Tag. Bitte, kommen Sie herein.“ Mit diesen Worten trat der Ältere zur Seite und noch für einen Moment zögerte der Schwarzhaarige, bis er der Aufforderung nach kam und eintrat, die Begrüßung leise erwiderte. Das klicken der Tür, als der Arzt diese nach ihm wieder schloss hallte in seinen Ohren unnatürlich laut und er fühlte sich wie in der Höhle des Löwen, eingeengt und gefangen, doch suchte sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Er würde das schon überstehen. „Setzen sie sich doch bitte.“ Der Arzt deutete auf einen der Sessel, welche direkt vor dessen Schreibtisch standen, ging selbst um diesen herum und setzte sich ihm direkt gegenüber. Nahm sich dann den bereitgelegten Block zur Hand und schrieb eine kleine Notiz, bevor sich die dunklen Augen direkt auf ihn richteten. „Hara-San, es freut mich dass Sie gekommen sind. Wie geht es Ihnen?“ Toshiya nickte nur und zuckte leicht mit den Schultern… wie sollte es ihm schon gehen? Heute war es das erste Mal, das er bewusst bei diesem Psychiater war und er fühlte sich nicht wohl dabei. Es war seltsam, diese Förmlichkeit, mit welcher er von Kenda-san angesprochen wurde, schließlich konnte er sich noch erinnern wie dieser ihn die letzten Male behandelt hatte. Zwar wusste der Bassist, dass Ihre ersten Aufeinander treffen unter anderen Umständen gewesen waren, allerdings dass man ihn wie ein kleines Kind behandelt hatte, war etwas, was ihn nicht los lassen wollte. Er war hier her gekommen damit dieser Psychiater ihm half, aber er war unsicher, misstrauisch und auch diesem forschenden Blick aus den dunklen Augen konnte er nicht stand halten. Stattdessen wand er sich ab, schaute sich lieber etwas in dem kleinen Zimmer um. Es war anders als die üblichen Behandlungsräume eingerichtet, strahlte dieser wärme aus, mit einer größeren Pflanze die in einer Ecke stand, den Bildern die an den Wänden hingen und vielen verschiedenen Stofftieren, die liebevoll aneinander gereiht auf der Liege rechts von dem großen Schreibtisch, nieder gesetzt worden waren. Er betrachtete sie sich länger als gewollt, stellte sich vor wie kleine Kinder mit diesen spielten, bevor sich seine Augen auf einen anderen Punkt manifestierten. Direkt über der Liege befand sich ein Regal und auch dort fand er Kleinigkeiten die für Kinder zu spielen gedacht waren, doch war er mehr von der Sanduhr gefesselt, aus welcher bestätig die feinen Sandkörner nach unten in das Glas rieselten. Es schien eine antike Uhr zu sein, verziert mit Amethysten, welche gefasst in Gold das feine Glas verzierten, Stäbe die als Rahmen dienten ganz in weiß gehalten und auch das Holz aus Mahagoni, auf welchem das Stück stand, wirkte alles andere als schlicht. Wie gefangen starrte er auf das Ding, das hier und da wie magisch funkelte, je nachdem wie das Licht durch die großen Fenster im Hintergrund, in den Raum ein fiel. Ein leises klick kaum dass das letzte Korn durchgefallen war, wurde die Uhr durch einen Mechanismus umgedreht und sofort begann das Spiel der Zeit von neuem, ließ die nächsten Sekunden Korn für Korn vergehen. „Faszinierend nicht wahr?“ Für Toshiya war es, als hole man ihn fort aus einer anderen Welt, als er so plötzlich angesprochen wurde, war es doch viel zu ruhig bisher gewesen, als dass er sich auf anhieb daran erinnerte wo er hier überhaupt war. Doch schnell kam die verdrängte Erinnerung, das Unbehagen wieder und der Blick seiner Augen wand sich ab von der Uhr, zurück zu seinem Gegenüber, welcher jedoch selbst zu dem antiken Stück hinüber schaute. „Ich kann mich immer wieder in ihr verlieren, zeigt Sie mir doch, das die Zeit nicht stehen bleibt. Sie rinnt mir fort aus meinen Fingern und es gibt nichts, dass ich dagegen tun kann.“ Der Bassist hatte den Worten Kendas aufmerksam gelauscht und irgendwie war ihm, als würde dieser nicht von sich selbst sprechen, doch dass war Blödsinn. Oder etwa nicht? Er wurde sich gewahr, dass er genau dasselbe zuvor gedacht hatte, jedoch in einem anderen Bezug und er blinzelte ob dieser Erkenntnis. Ein leises Seufzen entkam den Lippen des Arztes und auch dieser wand sich nun ab von seiner Sanduhr, suchte stattdessen nun wieder seinen Blick und dieses mal erwiderte der Bassist den Kontakt, ohne sich abzuwenden. „Finden Sie nicht auch, dass man seine Zeit sinnvoll nutzen sollte?“ Toshiya antwortete nicht, er wusste auch nicht was er darauf hätte sagen sollen. „Man vergeudet soviel Zeit in seinem leben und bemerkt eigentlich viel zu spät, dass diese nicht ewig ist. Wissen sie, mir geht es oft so. Das ich denke, was ich hier eigentlich mache und vieler meiner Patienten ergeht es nicht anders. Ich bin mir bewusst, dass niemand gerne hier her kommt, aber ich will helfen und dass kann ich, indem ich versuche zu verstehen. Ich will auch versuchen sie zu verstehen Hara-San. Deswegen bitte ich sie mir etwas von sich zu erzählen.“ „Was soll ich Ihnen schon erzählen? Sie wissen doch bereits alles aus meiner Akte!“ „In ihrer Akte stehen lediglich Fakten, die mir jedoch nicht helfen. “ „Die ersten Male die sie bei mir waren wollten sie aber auch nichts von mir wissen.“ Der Arzt lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück, faltete die Hände ineinander und legte diese auf den Block in seinem Schoß, neigte den Kopf etwas zur Seite und musterte sein Gegenüber. „Dem stimme ich zu Hara-San, aber jetzt würde ich gerne mehr über sie erfahren.“ „Warum?“ „Weil ich ihnen helfen möchte.“ „Sie möchten mir also helfen? Das habe ich gemerkt!“ „Darf ich fragen, woran sie das festhalten?“ „Bisher hat es doch niemanden interessiert wie es mir geht oder ist auf mich eingegangen. Wenn ich geredet habe, wurde alles was ich sagte wieder legt. Warum sollte es denn jetzt anders sein?“ Ein seufzen entkam den Lippen des Älteren, wirkte dieser nun gar nicht mehr so wie zu Beginn… abgedroschen und mit dieser Gefühlskälte, wie sie auch all die anderen Ärzte teilten. Die zuvor scharfen Augen hatten einen stumpfen Ausdruck angekommen und er bemerkte die Falten auf der Stirn. „Hara-san, ich kann nur für mich sprechen, nicht jedoch für meine Kollegen. Alles was sie mir hier erzählen werden, wird nicht von mir wiederlegt werden. Es gibt kein ja oder nein und auch kein so muss es sein und so soll es sein. Ich bin nicht dazu da um ihnen ihr leben schwer zu machen und sie in zweifeln zu lassen sondern um ihnen dabei zu helfen, diese Zweifel wieder abzulegen. Ich bin für SIE da, ihre Unterstützung um dass, was sie erlebt haben zu verarbeiten, doch kann ich dass nur tun, wenn sie mir dabei helfen. Sie sind doch hier, weil Sie das möchten, nicht wahr?“ Ein Nicken, ja er hatte zugestimmt sich deswegen behandeln zu lassen, doch war er noch immer Unsicher, es war so ein blödes Gefühl in ihm drin, welches ihn blockierte. Wie ein Knoten der sich einfach nicht lösen wollte, egal wie oft man noch daran zerrte und zurrte. „In Ordnung. Dann bitte ich sie, mir einfach eine Schilderung dessen zu geben was sie empfinden. Gefühle allgemein oder auch bereits erlebtes, ihre Träume, Wünsche, Sehnsüchte. Erzählen Sie mir, was Ihnen einfällt.“ Toshiya blickte in das Gesicht des Psychiaters, welcher nun abwartend vor ihm saß. Für einen Augenblick schloss er die Augen, dachte nach. Eine Weile lang saß er einfach so da und auch sein Gegenüber regte sich nicht, dann öffneten sich seine Lider wieder und der Schwarzhaarige nickte stumm, wie um sich selbst nochmals zu bestätigen. „Also gut. Aber ich weiß nicht wo ich anfangen soll.“ „Die Entscheidung bleibt bei Ihnen Hara-San, aber vielleicht beginnen wir damit, wie es ihnen geht?“ Toshiya summte als Zustimmung nur. „Generell geht es mir gut. Allerdings… es könnte besser sein.“ „Würden sie mir dass genauer beschreiben?“ „Ich kann besser schlafen, habe keine Alpträume mehr seit Shinya bei mir ist. Ich kann auch wieder besser unterscheiden… zwischen Realität und Traum.“ Sein Gegenüber nickte, schrieb auf seinem Block. „Das klingt ganz gut. Können sie mir erläutern in wie weit sie ihr Realitätsgefühl wieder erlangt haben?“ „Ich weiß nicht. Wie soll ich dass beschreiben?“ Er zuckte hilflos mit den Schultern, ihm wollte nichts einfallen um genau dass darstellen zu können, was er empfand. „Es ist in Ordnung. Wenn sie Schwierigkeiten damit haben, dann verschieben wir das auf einen späteren Zeitpunkt. Sie haben erwähnt ihr allgemeiner Zustand könnte besser sein. Darf ich fragen warum?“ „Ich bin mir nicht sicher, doch ich glaube ich leide an Appetitlosigkeit. Ich habe einfach keinen Hunger, nicht das kleinste bisschen und nur ein winziger Gedanke an Essen verursacht Übelkeit in mir. Ansonsten ist da nichts.“ „Können sie mir sagen, woher diese Appetitlosigkeit rührt oder seit wann Sie so empfinden?“ „Ich weiß es nicht, aber das geht schon eine ganze Weile lang so. Einen Auslöser kann ich nicht nennen allerdings verkrampft sich mein Magen schmerzhaft schon allein beim Gedanken an Essen..“ „Haben sie mit einem der Ärzte auch schon darüber gesprochen?“ Der Bassist schüttelte den Kopf. „Dann sollten sie dies in jedem Fall so schnell wie möglich nachholen. Haben noch andere Beschwerden?“ „Nein.“ „In Ordnung. Vielleicht möchten sie mir jetzt etwas mehr über sich selbst erzählen?“ „Was wollen sie wissen?“ „Erzählen sie mir was für Hobbys sie haben, ihr Lieblingsessen, Musik, ihre Interessen oder vielleicht ihre Zukunftswünsche.“ Ein Schulterzucken und ein leises seufzen… noch immer fühlte sich Toshiya nicht wohl in seiner Haut, doch er sammelte sich und seine Gedanken. Nach einer gewissen Zeit fing er dann einfach mit dem reden an, sprach von banalen Dingen, wichtigen Momenten und Empfindungen. Nach über einer Stunde verließ der Bassist das Zimmer des Psychiaters… Morgen um die selbe Zeit sollte er wieder hier sein. Er wusste nicht genau wie er empfinden sollte, waren die Gespräche mit Kenda-San zwar ganz positiv verlaufen, allerdings die Skepsis geblieben. Vielleicht würde er später noch darüber nachdenken, jetzt wollte er zuerst zurück zu seinem Zimmer, in welchem Shinya hoffentlich noch nicht auf ihn wartete. March, 13th 15.45 Toshiya sah ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. Oder als ob er den Älteren mit der Hand in der Keksdose erwischt hätte – was im Grunde der bitteren Wahrheit entsprach. Hatte sein Geliebter wirklich geglaubt, dass er so dumm war? Dieser war ein Opfer gewesen, hatte eine Stichwunde davon getragen, im künstlichen Koma gelegen. Glaube Toshiya tatsächlich, dass er – Shinya – dachte, er würde all dies unbeschadet überstehen? Oder glaubte, dass er ihn verurteilen würde? Warum? Nur weil man ihm psychologische Hilfe nahe gelegt und dieser – im Gegensatz zu ihm selbst - sie angenommen hatte? Es war weder ein Verbrechen, noch lag dem eine schwerwiegende Krankheit zu Grunde. Ja, Shinya verstand, dass es seinem Freund wohl-möglich unangenehm war, darüber zu sprechen. Doch er würde Toshiya deswegen nicht auslachen oder versuchen ihn davon abzubringen. Er war sich sicher, dass diese Art von Hilfe wichtig war und sie sicher vielen gut tat und sie sie brauchten. Das er für sich selbst eine andere Entscheidung getroffen hatte, dass sie ihm eben nicht helfen konnten, da es nichts brachte seine Traumata auseinander zu nehmen, war etwas Grundsätzliches anderes. Er hatte Toshiya nicht belogen. Und er würde ihm auch die Wahrheit sagen, sollte dieses Thema aufkommen. Wegen dieser Sache, mit einer so billigen und durchschaubaren Ausrede, von der Seite des Schwarzhaarigen geschickt zu werden, schmerzte. Dennoch war er gegangen. Du bist nicht wichtig, hatte er sich immer wieder gesagt, du bist nicht, der sich erholen und zurück finden muss. Der Wind hatte sein Gesicht gepeitscht, die Kälte draußen ihn ganz und gar durchdrungen. Aber der Kummer war geblieben. Die Enttäuschung und die leise Frage, warum Toshiya ihm so wenig vertraute, dieser eine Punkt nicht vor ihm ausgesprochen wurde. Aber Shinya versteckte es. Schlug es blutig und trat es in die finsterste Ecke seines Herzens, die er finden konnte, derweil er lächelnd auf seinen Geliebten zu trat, diesen sanft auf die Lippen küsste. „Da bist du ja wieder. Bist du etwa ganz allein umher gelaufen? War das nicht zu anstrengend?“ , er tupfte zwischen seinen Fragen immer wieder kleine Küsse gegen die Lippen, „Du hättest warten sollen, bis ich wieder da bin.“ Er erkannte genau, wie verwirrt der Bassist war, wie unsicher, wie er dies hier nun nehmen sollte – vorsichtig wie eine Katze, die erst schaute, ob es wirklich keine Gefahr mehr gab. Der Drummer ging darüber hinweg, fasste Toshiya sanft an der Hand, führte seinen Freund weiter in den Raum, brachte ihn dazu, sich zu setzen, lächelte ihn weiter sanft an, als er seine Tasche öffnete und ihr den Pullover entnahm, ausschüttelte, so dass sich das Gewebe wieder entspannen konnte. Er legte ihn auf das Kopfkissen, sprach dabei weiter, der Tonfall ruhig, behutsam und liebevoll. „Die Schwester war hier und hat nach deinen Wünschen fürs Essen gefragt. Ich konnte sie überreden dir heute gliebrige Götterspeise statt wässriger Suppe zu bringen.“ Seine Worten erzielten den gewünschten Effekt, Toshiya lachte und hustete erstickt – alles in einem, aber das Lächeln, dass danach auf den Lippen des Dunkelhaarigen lag, sagte Shinya, dass dieser ihm glaubte und sich sicher in seiner eigenen Lüge fühlte. Und es war traurig, aber Shinya verstand nur zu gut, wie viel besser man sich fühlte, wenn man eine Ausrede, eine Täuschung als gelungen bezeichnen konnte. Er hatte im letzten Jahr nichts anderes getan und auch nun fiel er mit beängstigender Leichtigkeit in eine seiner vielen Masken, wählte sie, wie andere ein Shirt zum Anziehen heraus suchten. Aber es musste sein. Um Toshiyas Willen, damit es diesem schnell wieder besser ging. Wenn dies alles überstanden war, dann würde Shinya wieder der 'Alte' sein können, dann würde alles gut sein. Lüge um Lüge. Doch Shinya verdrängte es, nahm Toshiyas Hand, lächelte für diesen, kümmerte sich um alles, was dieser brauchte. Half ihm, sich zu waschen, sich umzuziehen, zu essen – auch wenn dieser abermals nur ein paar Löffel herunter brachte – gab ihm seine Medikamente, nachdem er ihn ins Bett gesteckt hatte und machte sich bereit, bei diesem zu sitzen und auf ihn aufzupassen. „Du musst das nicht tun.“ Toshiya blinzelte ihn an und Shinya legte fragend den Kopf schief, sein Geliebter war so erschöpft schlief schon halb und suchte trotzdem nach seinen Fingern, drückte sie. „Bei mir bleiben... ich bekomme doch was zum Schlafen. Und für dich ist das doch nicht bequem.“ Er lächelte sanft. „Ich habe auch ein Bett, ich gehe nachher schlafen, mach dir keine Gedanken.“ „Musst auch auf dich aufpassen.“ Die Medikamente wirkten, die Lider des Bassisten kippten immer wieder zu, Shinya hingegen erhob sich, beugte sich über seinen Freund, küsste ihn. „Das mache ich. Und nun schlaf. Ich bin da, wenn du etwas brauchst.“ Ein sanftes Seufzen gegen seine Lippen. „Liebe dich...“ Es war nur noch gemurmelt, doch der Drummer antwortete dennoch. „Ich weiß.“ March, 19th 15.45 Uhr In langsamen und gemächlichen Schritten ging er die Krankenhausflure entlang, er hatte es nicht eilig. Toshiya kam von einem seiner Termine mit seinem Psychiater und auch wenn er wusste dass sein Geliebter sicherlich schon wieder zurück im Zimmer war und auf ihn warten würde, ließ er sich zeit. Es waren jetzt sechs Tage, seit seiner ersten ´Sitzung´ vergangen und obwohl er Kenda-san zugesagt hatte, ihre vereinbarten Termine regelmäßig wahr zu nehmen, hatte er lediglich zwei davon eingehalten. Der Bassist hatte es einfach nicht geschafft, wollte… Nein, konnte es nicht. Ihm war bewusst, dass seine eigene Einstellung daran schuld trug, aber so war das nun mal. Er wollte Shinya nicht wieder belügen, auch wenn es bisher nicht all zu viele male Geschehen war, aber es war oft genug dass ihn dass schlechte Gewissen plagte. Es war schließlich seine eigene Schuld, da er dieses dumme Spiel angefangen hatte, anstatt von Anfang an ehrlich zu sein. Nein, er hatte lieber seinen Freund mit fadenscheinigen Gründen fort geschickt, damit er sein erschaffenes Bild aufrecht erhalten konnte. Das es ihm gut ging und an nichts fehlte, schließlich wollte er seinen Freund nicht sorgen, aber zu welchem Preis? Er schüttelte über sich selbst denn Kopf. Wie würde Shinya reagieren wenn er erfuhr, das sein eigener Freund ihn ganz dreist belogen hatte? Das er den Drummer ohne Grund in die Kälte getrieben hatte, nur damit dieser nicht mitbekam wie erbärmlich schwach er tatsächlich war? Er wusste dass der Jüngere enttäuscht von ihm sein würde, wer wäre dass nicht wenn der eigene Freund einem nicht vertraute? Er war ein so verdammter Idiot und hatte sich mit seinem Verhalten in eine Zwickmühle gebracht. Das sein Psychiater mit der ganzen Situation ebenfalls ganz und gar nicht glücklich war, machte das ganze nicht einfacher. Der Bassist hatte den Terminen zugestimmt und jetzt nahm er kaum einen davon war und vergeudete dabei jeden neuen Tag wieder ein Stunde, die sein Arzt sicher anders hätte einplanen können, würde er sich nur entscheiden können. Aber er konnte es eben nicht. Er wollte sich helfen lassen, zumal er wirklich die Hoffnung hatte, dass dann alles wieder besser werden würde, doch dazu würde er weiter lügen oder seinem Freund die Wahrheit sagen müssen. Toshiya schloss die Augen, raufte sich leicht die Haare… er fühlte sich wie in einem Hexenkessel und egal wie sehr er sich darüber den Kopf zerbrach, er hatte absolut keine Ahnung wie es weiter gehen sollte. Vielleicht machte er aus der sprichwörtlichen Mücke auch nur einen riesen Elefanten? Er wusste es einfach nicht. Das einzige was ihm klar vor Augen stand, immer wieder dann wenn er in die braunen Seen seines Geliebten blickte war, das er diesem keine Last mehr sein wollte. Shinya kümmerte sich um ihn, seit dieser hier bei ihm war, las ihm jeden Wunsch von den Augen ab, half ihm beim duschen, Anziehen… sein Geliebter tat alles für ihn und was gab er ihm zurück? Nichts… außer natürlich den Ausreden damit dieser dass Zimmer verließ. Was war er nur für eine jämmerliche Gestalt? Manchmal zweifelte er wirklich an sich selbst, fragte sich oft auch wie sein Freund das alles tun konnte. Ging es Shinya denn nicht schlecht? Sie beide hatten einiges Zusammen und auch allein durchgemacht, woher nahm sein Geliebter diese ganze Kraft, sich so liebevoll um ihn zu kümmern? Er verstand es nicht, zumal der Drummer in den letzten Tagen wirklich kaum von seiner Seite gewichen war. In seinen Gedanken verstrickt, war er einfach weiter gelaufen, mit gesenktem Kopf einfach auf seine Füße starrend, bis er aufblickte und sich bereits in der Station wieder fand, in welchem sein Zimmer lag. Er musste nur noch um die Ecke gehen um es zu erreichen und er wusste, dass wenn er dann die Tür öffnen würde, ihn sein Geliebter bereits erwartete, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, welches sein Herz zum bluten bringen würde. So geschah es auch und wie schon die letzten Male, kam lediglich die Frage von seinem Freund ob er wieder spazieren war und was tat er? Schon wieder belog er den Zierlicheren, wenn auch nur mit einer simplen Geste in dem er nickte. Gotte er fühlte sich schlecht, dennoch erwiderte er dass Lächeln seines Geliebten, schloss dann die Tür hinter sich, bevor er näher zu dem Kleineren trat und ihn in eine Umarmung schloss. Der Moment dauerte nur einen kurzen Moment, dann löste sich Shinya wieder und reichte ihm eine Tasche. Natürlich hatte der Drummer ihm wieder besorgt, um was er gebeten hatte und mit leicht zitternden Händen, entnahm er den Manga der Tüte, nahm seinen Freund dann ein weiteres Mal in den Arm, bedankte sich mehrere Male, während er sein bitteres Lächeln zwischen der Halsbeuge und Schulter des Jüngeren verbarg, doch schnell wich der Ausdruck seinem Gesicht wieder, als sich der Zierlichere erneut von ihm löste. „Ayumi-san war vorhin hier und wollte uns unser Essen bringen, ich habe ihr gesagt, dass sie in einer halben Stunde nochmal kommen soll.“ Toshiya nickte nur darauf, wirkte bekümmert und zurückgezogen, schaffte es einfach nicht, die Schatten vollständig zu tilgen, denn sie lagen in den Augen, auch wenn auf den Lippen ein Lächeln wandelte. Shinya mochte diesen Anblick nicht, obgleich er die Gründe kannte, bedachte man, dass der Ältere ihn abermals unter einem Vorwand, einer Lüge, davon geschickt hatte, die er durchschaut hatte, noch ehe sie vollständig von den Lippen seines Geliebten geflohen war. Aber weil er nicht wollte, dass sein Geliebter dies erfuhr, hob er beide Hände zum Gesicht seines Geliebten, umfasste es zärtlich, sah den Bassisten an, als er über die Wangen streichelte, suchte die Schatten mit Zuneigung zu tilgen, suchte Toshiya sicher zu stimmen, dass er es nicht bemerkt hatte, dass es ihm nichts ausmachte, jeden Tag zu gehen, um Dinge zu besorgen, dass alles so in Ordnung war. „Du siehst so unglücklich aus, ist etwas passiert? Hat dich jemand dumm angemacht?“ Nun flohen sie doch, die Schatten, denn der Größere blinzelte, schüttelte seicht den Kopf, als er eine Hand über die seine schob. „Nein, es ist nichts geschehen. Ich bin nur frustriert, wegen dem allem hier. Ich will zurück nach Hause, fort von diesem Ort.“ Shinya summte leise, streichelte sanft über die Wangen, zog Toshiya näher zu sich, damit er seine Stirn gegen die des Größeren legen konnte. „Es wird nicht mehr lange dauern, Toshiya. Und dann darfst du hier raus und ich nehme dich mit heim und werde dich verwöhnen, bis du so abhängig von mir bist, dass du gar nicht mehr von mir weg willst.“ Er hatte es geflüstert und nun lächelte sein Geliebter so schön und sanft – Shinya liebte diesen Ausdruck, er war ihm so wertvoll! „Ich bin auch jetzt schon abhängig von dir.“ Shinya lächelte, doch es schmolz, als der Ältere ihn küsste – es lag ein undefinierbares Feuer in der Berührung, es war weit leidenschaftlicher, als alle ihre anderen Küsse, es war mit Sehnsucht und Begehren behaftet, dass den Drummer leise stöhnen ließ. Sein Reich würde ausgiebig geplündert, seine verdammten Knie wurden weich und er hielt sich mit der gesunden Hand fester an dem Bassisten, als sich das Feuer des Größeren auf ihn selbst übertrug und hätte es in diesem Moment nicht geklopft, sie hätten sich mit höchster Wahrscheinlichkeit auf dem Bett wiedergefunden. Doch so trennten sie sich voneinander und während er sich räusperte, suchte zu sammeln, bat Toshiya Kyo in den Raum, ließ sich von dem Sänger in den Arm nehmen – er war so weit gekommen, sein wunderbarer Bassist, nahm wieder so viel mehr auf, ließ auch mehr zu... es machte Shinya entsetzlich stolz und gleichzeitig nagte es an ihm. Denn was würde werden, wenn Toshiya stark genug war, dass er ihn nicht mehr brauchte? Er verdrängte den Gedanken, als der Blonde auch zu ihm kam, ihn ebenfalls in eine Umarmung schloss – bei Kyo musste er ganz besonders vorsichtig sein, seine Masken, der Kleinere schien sie alle zu kennen und wenn er sich nicht sehr gut kontrollierte, dann würde Kyo es bemerken, seine Schwäche. Und so lächelte er, nickte, als ihn sein Freund fragte, ob es ihm gut ging und ob er diese Nacht ausreichend geschlafen hätte – er war gut darin seine Lügen überzeugend zu machen. In seiner Tasche hatte er eine kleine Flasche Tropfen, die die Röte von seinen Augen nahmen, er blieb konstant in Bewegung, um das seichte Zittern seiner Hände zu verbergen, hatte inzwischen ein ganzes Arsenal an puschenden Mitteln, dazu starke Tabletten gegen Migräne. Es war ein bunter Cocktail, den er sich Morgen für Morgen einwarf. Denn die Wahrheit war, dass er zwar weit besser schlief, seit er bei Toshiya war, es aber nie länger als drei bis vier Stunden strecken konnte, erfüllt von einer inneren Unruhe, die ihn konstant dazu antrieb, etwas zu tun. Manchmal – wenn es noch zu früh war – dann arbeitete er an seinem Arm, ging die Übungen durch, die ihm seine Therapeutin gegeben hatte, immer langsam, seitdem er in den ersten Stunden viel zu viel gewollt hatte und weit zurück geworfen worden war. Es war auch jetzt noch ein weiter Weg, aber immerhin waren gestern die Fäden gezogen worden. Ein erster, echter Erfolg. „Die Sachen, die du bestellt hast, sind angekommen.“ Kyos Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, er und sein Geliebter saßen am Tisch und auch Ayumi war da – sie zu sehen, erschreckte ihn maßlos, doch er vermochte das Keuchen gefangen und das Zucken seiner Hände unterdrückt zu halten. Niemand bemerkte es und er atmete langsam aus – sein Herz hämmerte wie ein Preßlufthammer, doch er war in der Lage dem Blonden ein sanftes Lächeln zu schenken, sich zu diesem zu bewegen, um sich mit an den Tisch zu setzen. „Danke.“ „Was für Sachen denn?“ Toshiya sah ihn neugierig an, griff nach seiner Hand, derweil der kleine Sänger ganz unverhohlen unter die Haube des Mittag schaute, wohl entschied, ob es gut genug aussah, dass er sich auch ein oder zwei Bissen davon stehlen würde. „Ein paar Kleinigkeiten für Die und Kaoru. Und auch eine kleine Überraschung für dich.“ Der Bassist sah ihn an, lächelte, derweil sich Ayumi dezent aus dem Raum zurück zog. „Du musst das nicht immer tun.“ Shinya summte leise, reichte Toshiya die Kanne mit dem Tee. „Das weiß ich, aber ich möchte es gerne.“ March, 19th 19.21 Uhr Kyo hatte Shinya überredet, die heutige Nacht bei ihm zu verbringen. Im Grunde war das untertrieben, denn der Vocal hatte schamlos gebettelt und hätte der Drummer nicht ohnehin vorgehabt, seinen Freund um einen Gefallen zu bitten, er wäre auf jeden Fall unter diesen bittenden Augen eingeknickt und das Toshiya den Blonden dabei tatkräftig unterstützt hatte machte es noch einfacher, denn es beruhigte seine Seele, ließ ihn vertrauen, dass der Bassist eine Nacht allein zurecht kommen würde. Und nun saß er in dessen Kyos Wagen, in dessen Jacke gehüllt, was ihn Erinnerungen an eine andere Nacht brachte, doch als er zum Vocal sah, war dessen Mundwinkel in diesem halben Lächeln erhoben und dies Bild zerstörte die Melancholie der Vergangenheit. Im Grunde war es erschütternd wie... glücklich Kyo schien, dass er hier neben ihm saß. Shinya nahm sich vor, sich mehr um den Kleineren zu kümmern, er hatte ihn zu sehr vernachlässigt und es war seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass es ihnen allen gut ging. „Können wir kurz im Supermarkt stoppen?“ Kyo summte leise, setzte den Blinker, als er die Geschwindigkeit drosselte, sich auf der äußeren Spur einfädelte. „Sicher. Gibt es etwas Bestimmtes, dass du möchtest?“ „Ich möchte kochen für uns heute Nacht. Außerdem wollte ich dich bitten, mir die Haare zu schneiden.“ „Wir können auch noch bei einem Frisur halten.“ Der Wagen beschleunigte mit sanften Rücken, die Räder auf dem Untergrund ein gemächlich, gleichsames Geräusch. „Nein, ich möchte, dass du mir das machst.“ Shinya sah zu Kyo, als sie an der nächsten Ampel standen und dieser blickte zurück. „ So wie früher.“ Das antwortende Lächeln des Kurzhaarigen wäre einen Mord wert gewesen und es versetzte Shinya einen Stich. Wie wenig es doch zu brauchen schien, damit Kyo seelig war. Er war fürwahr einer der sanftesten und fürsorglichsten Menschen, die Shinya in seinem bisherigen Leben kennen gelernt hatte und deswegen musste er auch den Kopf auf die Schulter seines Freundes legen, als sie nach ihrem Einkauf vor dem Apartment des Sängers standen. „Danke. Für alles.“ Die Hand des Kleineren schob sich in seinen Nacken, doch sagen tat dieser nichts, ließ nur die Berührung bestehen, bis Shinya sich löste, schloss auf und ließ den Drummer zuerst eintreten. Der Blonde hatte eine kleinere Wohnung als Shinya selbst – der Drummer legte viel Wert auf Platz und Struktur, ähnlich wie es Kaoru tat, Kyo hingegen beherbergte in seiner 1-Raum-Wohnung das Chaos. Allein der Flur war so zugestapelt, dass sich nur eine Person darin aufhalten konnte und selbst diese musste aufpassen, dass sie beim An-oder Entkleiden nicht irgendetwas von der Kommode herunter riss. [1] „Tut mir leid, wegen der schlechten Luft. Ich war eine Weile nicht hier.“ Shinya nickte nur auf die Worte, ihn störte das sicher nicht, außerdem öffnete Kyo bereits das Fenster. Behutsam legte er den Berg an mitgebrachten Briefen auf dem Stapel Werbung, der sich direkt neben der Tür befand, wirklich wenn sie morgen früh zu Toshiya fuhren, dann mussten sie das alles einmal mitnehmen und fort werfen.[2] Er behielt die Jacke noch an, nur aus den Schuhen schlüpfte er, trat durch den Raum zu Kyo, der damit beschäftigt war, die winzige Couch frei zu räumen, was sich so darstellte, dass er die Zeichenblöcke einfach daneben auf den Boden legte, dann die Kissen richtete – es war ein dermaßen bekanntes Bild, dass es Shinyas Herz mit einem bittersüßen Schmerz erfüllte. Es war wirklich viel zu lange her, dass er hier gewesen war. „Setz dich, ich bringe schnell das Zeug in die Küche und mach uns einen Tee.“ Shinya folgte dem Wort, zog auch die Beine mit auf die Couch, griff nach einem der kleinen schwarzen Kissen, begann mit der Ecke zu spielen... es war eine Angewohnheit, die er und der Sänger teilten und dementsprechend sahen der schwarze Samt auch aus. Während er wartete, sah er sich um, in ihm gab es dies Gefühl, dass er die Wohnung seines Freundes neu entdecken musste, obwohl er sie doch eigentlich kannte. Direkt gegenüber der Couch – an der anderen Wand – befand sich das Hochbett, darunter ein Eckschreibtisch und eine längere Arbeitsplatte, dahinter lehnte eine Pinnwand. Überall schraubten sich Türme an Zeichnungen, Dokumenten und Lyric in die Höhe. Der Drummer wäre hier drinnen verloren, doch Kyo wusste wundersamer Weise akkurat, was sich in welchen Stapel befand und konnte einem das Gesuchte nach nur minimalem Zeitaufwand reichen, was der Langhaarige sehr beeindruckend fand. Auf der linken Seite existierte eine flache Kommodenfront. Sie reichte nahezu über die gesamte Wand und beherbergte alles, dass Kyo an Kleidung, Schmuck und Schuhen besaß. Und genau neben ihm – ebenfalls links – stand das Klavier des Sängers.[3] Shinya war dabei gewesen, als sich sein Freund es gekauft hatte, er hatte es zusammen mit Die und Kaoru und noch ein paar anderen Freunden die drei Etagen hinauf geschleppt, weil sie sich damals so etwas wie ein Transportunternehmen nicht hatten leisten können. Es hatte ein paar Kratzer abbekommen, damals. Das alte mahagonifarbende Holz war erfüllt von ihrem Lachen, ihrem Scherzen. Hatte ihre Freundschaft geatmet, aber auch Kyos Schmerz und seinen Zorn – die abgesplitterte Ecke an einem der Füße zeugte noch immer davon. Vielleicht war es sogar hier und da von Blut befleckt. Einen Finger legte Shinya sanft auf die weißen Tasten, nachdem er den Deckel angehoben hatte, drückte sie aber nicht weit genug herunter, dass ein Ton entstehen würde, er wanderte lediglich stumm, die Melodie in seinem Kopf, das rote Samtband zum Schutz in seiner verletzen Hand. „Komm setz dich. Wir spielen es zusammen.“[4] Kyos Stimme war sanft an seinem Ohr, eine Hand des Vocals in seinem Rücken – sie war warm, wahrscheinlich von dem Tee, den der Kleinere zum kleinen Tisch vor der Couch getragen hatte. „Kyo...“ Shinya wollte damit beginnen den Kopf zu schütteln, doch der Ältere unterbrach ihn mit einem unbestimmten Laut, deutete abermals auf die Bank vor dem Piano und der Drummer seufzte leise, setzte sich dann aber doch, der Sänger glitt neben ihn, nahm ihm dann das Band fort und legte es auf einen kleinen Hocker. „Zeig es mir noch einmal.“ Shinya seufzte wieder leise, fand aber nicht den Willen sich wirklich gegen die Bitte seines Freundes zu wehren – vielleicht lag es daran, dass er diesem unbedingt etwas geben wollte und Kyo schien so glücklich gerade... dann konnte es doch nicht falsch sein, oder? Und so legte er beide Hände auf die Tasten, glitt stumm über sie – die eine Seite würde er ohnehin nicht spielen können, seine Verletzung verbot es ihm, aber Kyo saß so zu ihm, dass er ihm die verwundete Seite ersetzen konnte. Und als Shinya das kurze Stück wiederholte, sachte eine Taste anschlug, einen hellen, sanften Ton forderte, dann einen weiteren und noch einen, stimmte Kyo mit ein und zusammen spielten sie die Melodie, die es nur in dem Kopf des Drummers gegeben hatte, schenkten ihr das Leben mit ihrem Sanftmut aus dem Fenster zu klettern und die Welt zu erkunden. [5] Sie spielte auf Zehenspitzen durch den Schnee, drehte sich lachend im Kreis, als es begann zu schneien, sie von Tausend und Abertausenden sich dahin wiegenden Flocken eingehüllt wurde. Im Inneren der kleinen Wohnung, dort wo Hände, die einander so oft gehalten hatten, die Melodie weiter führten, immer wieder neue Akzente einbauten, dort legte Shinya den Kopf auf die Schulter des Sängers und schloss die Augen. „Danke. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde.“ Kyo antwortete ihm nicht, lächelte nur milde, doch behaftet mit etwas Traurigem, als er seinen Kopf gegen den des Drummers lehnte. Ich wünschte, es wäre wirklich genug. [1]Wir wissen natürlich nicht, wie die Mitglieder der Band tatsächlich leben, aber uns war es wichtig, dass sie nicht alle gleich wohnen, da sie einen unterschiedlichen Charakter haben. [2]Wir sind nicht sicher, wie das japanische System zu Müllentsorgung ist, deswegen haben wir es an den deutschen Standard angelehnt [3]Ja, Kyo hat bei uns ein Klavier. Hau, wir haben gesprochen. [4]Und ja, sie können beide ziemlich gut Piano spielen. [5]Inspiriert von 'up to tiptoe' von rice End Chapter V - Fragile Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)