Pierced von Sarano (Sequel of the ´Fallen´) ================================================================================ Kapitel 6: Part V A - Fragile ----------------------------- Part V A - Fragile March, 12th 13.50 Uhr Das plötzliche Aufgehen der Tür war ein Schock. Sofort verspannte sich Shinyas gesamter Leib – er konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn er nicht wusste, was hinter ihm vorging und er schalt sich dafür nicht darauf geachtet zu haben, zusammengebrochen unter seiner Emotionalität. Dabei... dabei sollte er es doch so viel besser wissen, nicht wahr? Nun wischte er sich über die Augen, suchte die Tränen zu tilgen, bevor er sich behutsam von Toshiya löste, dessen Hände seinen Pullover nicht recht loslassen wollten und auch in den braunen Augen lag das stumme Flehen, weiterhin nah bei seinem Geliebten zu bleiben. Der Drummer erwiderte den Blick, mehr konnte er nicht tun, dann setzte er sich in den Sessel, hielt Toshiyas Hand, die seinen Arm hinab gerutscht war, streichelte immer wieder sanft über sie, als er zur Tür sah. Kaoru stand blass und regungslos in dieser, hinter ihm Die und der Braunhaarige rang sich für die beiden ein Lächeln ab. „Hallo Kaoru.“ Der Leader brauchte ein paar Momente, dann kam er zu ihm, so schnell, dass Shinya dessen lange Schritte kaum mitbekam und plötzlich hockte der Ältere vor ihm, eine Hand auf seinem Schenkel, sah zu ihm hinauf. „Shinya.“ Mehr schien sein Freund gar nicht über die Lippen zu bekommen, weswegen der Zierlichere ein weiteres Mal ein wenig zittrig lächelte – ob Kaoru wohl sehr böse auf ihn war, wegen dem, was er Toshiya angetan hatte? Sein Blick richtete sich nach unten, auf seine Oberschenkel und Kaorus helle Finger, die da lagen. „Es tut mir so leid.“ Schweigen antwortete ihm und er zog die Schultern nach vorn, erwartete instinktiv strenge Worte, eine Rüge und nicht die warme Hand, der sich unter sein Kinn legte es hob. „Was tut dir leid?“ „Alles?“ Kaorus Augen sahen ihn sanft an, so zärtlich und mit Zuneigung behaftet und dann schüttelte der Andere den Kopf, derweil Toshiya seine Hand drückte. „Da gibt es nichts. Du hast dir nichts vorzuwerfen.“ Shinya biss sich seicht auf die Lippen, sank noch weiter in sich zusammen. „Aber das Toshiya... das alles, was ihm geschehen ist...“ „Toshiya geht es nun gut.“, und während er sprach, drehte Kaoru den Kopf, lächelte zu dem Bassisten hinauf, welcher die Geste erwiderte, „Er ist hier bei dir. Bei uns.“ Nun hob der Leader die freie Hand, streichelte sanft über die Wange des Bassisten, Tränen in den Augen – Gott, er fühlte sich wie ein Vater, dessen verloren geglaubte Kinder zurückgekommen waren. Er war glücklich, so unsagbar glücklich, dass ihnen dieser Moment geschenkt wurde, dass sie hier alle beieinander waren... nach all dieser langen, langen Zeit. Sein krankes, vor Sorge zerfressenes Herz war von einer unendlichen Wärme erfüllt und er hörte leise Schritte. Die kam, wenn auch zögernd, näher. Hockte sich dann ebenfalls hin, schlang die Arme um seine Mitte, lehnte das Haupt gegen den seinen. „Aber ich...“ Kaoru schüttelte nur sanft den Kopf, streichelte nun über das Haar des Braunhaarigen. „Bitte Shinya, keine Worte des Bedauerns mehr. Du bist hier, dass ist alles, was im Moment wichtig ist.“ Der Drummer nickte nur seicht... und im Grunde war dies der einfachste Ausweg nicht wahr? Kaoru schien ihm seinen schrecklichen Fehler zu vergeben, begegnete ihm wie die Anderen mit Liebe, Verständnis und so griff sein Egoismus nach allem, zog es nah an sich, bevor sie merkten, was für ein schlechter Mensch er war. Die Finger des Leaders glitten sanft über seinen verletzen Arm. „Kyo sagte, dass du wieder gefallen bist.“ Er nickte und wieder schlossen sich Toshiya Finger fester um die seinen, sodass er den Kopf hob, zu ihm blickte. „Es ist nicht schlimm. Ich muss mich jetzt nur mehr anstrengen.“ Ein leises Summen antwortete ihm, dann wanderte der Blick des Älteren zu seinem Geliebten, fragte diesen, ob es etwas gab, dass er tun konnte und nach einigen Momenten Schweigen nickte Toshiya. „Sorg dafür, dass sie ihn mir nicht mehr wegnehmen.“ Die Bitte kam erstaunlich fest über die Lippen des Bassisten, wie als würde ein winziger Teil seiner feurigen Seele unter all dem Chaos - der Verwunderung, was real war und was nicht - hervor blitzen und Kaoru nickte auf sie, erhob sich. „Das werde ich.“ Es schien einfach gesprochen, doch für den Leader lag die Feierlichkeit eines Schwurs darin und Shinya hatte keinerlei Zweifel daran, dass sich nun niemand mehr wagen würde, ihm noch einmal zu verwehren, zu dem Schwarzhaarigen zu gehen. Abermals öffnete sich die Tür, weswegen sich auch Die erhob, der bei Toshiya gehockt und diesen um Vergebung bittend angeblickt hatte und wieder spannte sich Shinya an, er kannte die Frau nicht, die herein kam – sie trug die Kleidung einer Schwester und lächelte, aber das bedeutete nichts. Shinya hatte die ersten Nächte Panikattacken durchlitten, wenn jemand Fremdes in sein Zimmer gekommen war, bis Kyo am Ende bewirkt hatte, dass es nur noch drei bestimmte Schwestern waren, die sich um ihn kümmerten und der Vocal war immer dabei gewesen, war es auch nun, weswegen Shinyas Verstand beruhigend gurrte, wisperte, dass alles in Ordnung war und so seine aufgebrachte Seele beruhigte. „Ayumi.“ Der Name floh von Toshiyas Lippen und der weil sie sich alle dem Bassisten zu wandten, ihn ansahen, erblühte ein weiteres, strahlendes Lächeln auf den Lippen der hübschen Braunhaarigen. „Hara-san, ich sehe Sie haben viel Besuch heute, das freut mich sehr.“ Toshiya nickte nur, war froh das sich seine Befürchtung nicht bestätigt hatte, denn auch dieses Mal, hatte er beim Öffnen der Tür mit seinem Psychiater gerechnet. „Ich freue mich auch. Ayumi. Darf ich dir vorstellen? Das sind Kaoru, Die, Kyo und Shinya.“ Er beobachtete, wie sie allen Ihre Hand reichte, lediglich bei dem Vocal inne hielt, welcher ihr schließlich zunickte. „Es freut mich Sie alle persönlich kennen zu lernen, denn ich muss gestehen, ihre Band ist mir nicht unbekannt, doch leider hatten wir bisher keine Gelegenheit uns wirklich zu unterhalten, nicht wahr Hara-san?“ Toshiya seufzte leise, er wusste, das er sich Ayumi Gegenüber unfair verhalten hatte, denn Sie war die Einzige die Ihn nicht wie einen schwer Kranken behandelt hatte, deswegen würde er sich bei ihr auch entschuldigen. „Ich weiß und es tut mir leid, aber ich konnte irgendwann nicht mehr. Die ganze Zeit habe ich nur darum gebeten Shinya wieder zu sehen, doch niemand wollte mir zuhören. Ständig wurde mir gesagt ich wäre zu angeschlagen, dass ich Ruhe bräuchte und irgendwann habe ich es geglaubt. Dann ist alles nur noch schlimmer geworden, aber jetzt geht es mir wieder gut und Shinya ist endlich hier!“ Bei dem letzten Worten blickte er zu seinem Geliebten, drückte erneut dessen Hand. „Sie müssen sich nicht entschuldigen Hara-san. Allerdings sollten Sie wissen, dass meine Kollegen und die Ärzte hier versucht haben Ihnen zu helfen. Die Umstände waren nicht ganz einfach da niemand wusste wie sie auf Ihren Freund reagieren würden, nach allem, was Ihnen beiden widerfahren ist. Aber es freut mich, Sie wohl auf zu sehen. Ich werde Sie und Ihre Freunde wieder allein lassen.“ „Ayumi?“ Die Braunhaarige war bereits zur Tür heraus, doch kam noch einmal zurück.. „Wann werde ich das Krankenhaus verlassen können?“ Sie lächelte entschuldigend, bevor sie antwortete. „Das kann ich leider nicht sagen, das müssen Ihre Ärzte entscheiden, nur sollten Sie sich nicht allzu große Hoffnungen machen. Sie sind noch sehr angeschlagen!“ Toshiya nickte und als sie die Tür hinter sich verschloss, seufzte er leise. Zwar hatte er damit gerechnet, dass er so schnell hier nicht raus kommen würde, dennoch sank sein Gemütszustand ob dieser Erkenntnis. Es war einfach nicht fair, auch wenn er jetzt nicht mehr alleine war. All seine Freunde waren hier und sein Geliebter so nah bei ihm, doch in wenigen Stunden mussten sie sicher wieder gehen und er wollte das nicht. Eine Hand legte sich auf seine Schulter, drückte diese leicht… es war eine freundschaftliche Geste, dennoch wurde die Stimmung in seinem kleinen Zimmer immer drückender. Er wusste dass er dafür verantwortlich war und seufzte tief, blickte einem nach dem anderen ins Gesicht, zuletzt Shinya, der ihm noch immer so unwirklich vorkam. ~~~~~~~ Und dieser hasste es, sich in den Augen seines Geliebten reflektiert zu sehen... zu sehen, dass die dunklen Augen den gleichen Schmerz hielten, dieselbe Qual. Er wollte das nicht. Er wollte, dass Toshiya sein früheres 'Ich' wieder erhielt, dass er offen und frei lachen konnte. Und so fällte er eine Entscheidung, einsam und allein in seiner, dunklen, zersplitterten Seele. Dort, wo ihn niemand erreichte und wo ihm niemand widersprechen konnte. Shinya nahm seine Schuld, nahm seine Angst, seinen Terror und ballte ihn... formte ihn mit bebenden Händen in den Willen, alles dafür zu tun, Toshiya zurück zu geben, was dieser verloren hatte, er schuf aus seiner eigenen Pein die Kraft, seinen Geliebten aufzufangen und zu retten... er würde alles wieder gut machen, so wie er es sich in diesen letzten Tagen und Wochen immer wieder gewünscht hatte. Er würde nicht länger zweifeln. Nicht länger weinen und hilflos daneben sitzen, derweil die, die ihn liebten und die er so egoistisch ausnahm, weiter litten. Shinya würde ihnen Ihren Traum wiedergeben, er würde zurück bringen, was verloren gegangen und das was unwiederbringlich war, neu erschaffen. Er würde erstarken und sich selbst übertreffen. Es war an der Zeit mit dem wünschen aufzuhören und endlich damit zu beginnen, all die losen Enden um ihn herum aufzupicken und wieder zu einem festen Geflecht zu verbinden. Und Shinya würde nun gleich damit anfangen. Sanft hob er die Hand, welche in der Seinen lag, an seine Lippen, legte einen behutsamen Kuss darauf, antwortete so dem traurigen Blick seines Geliebten, gab ihm Hoffnung, gab ihm Kraft. „Du weißt doch noch, um was du Kaoru gebeten hast, oder?“ Toshiya nickte seicht, sah ihn dabei unverwandt an und er lächelte für seinen wundervollen Bassisten. „Siehst du? Er versprach dir, dass man mich dir nicht mehr weg nimmt. Und ich werde hier bleiben... genau hier. An deiner Seite. Ich werde niemandem erlauben, mich aus diesem Raum zu schicken. Du wirst nicht mehr allein sein... und du wirst dich nicht wieder in den Träumen verirren, denn ich bin hier, um dich daran zu erinnern was wirklich ist. Okay?“ Er hob seine andere Hand, streichelte mit den Fingerspitzen sanft über Toshiyas Wange, blendete die anderen für den Moment aus, lächelte abermals weich, als der Dunkelhaarige nickte, die Geste hoffnungsvoll erwiderte. Seine Aufmerksamkeit schwenkte auf Kaoru und Die, die noch immer bei ihnen knieten, sich die gesamte Zeit nicht aus ihrer Position fortbewegt hatten und einen langen, langen Moment sah er sie nur an... studierte wie müde sie aussahen, wie fahl und ungesund. „Kaoru, nimm Die und geh nach Hause.“ Der Drummer sah wie der Leader damit beginnen wollte den Kopf zu schütteln, doch er stoppte die Bewegung, indem er die Schulter berührte, dann drückte. „Ich meine es so, Kaoru. Ich werde hier bei Toshiya sein, du brauchst dich nicht zu sorgen, um keinen von uns Beiden. Geh nach Hause, schließe deinen Geliebten in die Arme. Haltet euch einfach... ihr wisst, wie sehr ihr das braucht.“ Sein Blick war zu Die gewandert, in dessen Augen Tränen standen, weswegen er seinen Arm über Kaoru hinweg streckte, die Hand in Dies Nacken legte, mit den feinen Haaren dort spielte. „Und du, hör auf zu weinen. Alles wird gut werden.“ Es bedurfte noch zwei weiteren Lächeln und der Bejahung, dass es wirklich in Ordnung sein würde, doch dann erhob sich Kaoru, zog seinen Freund dabei mit auf die Füße... Shinya konnte es sehen, in den Iriden des Leaders, der Kampf, um das, was Richtig war und das, was sein Herz begehrte. Und es war das Herz, dass Shinya manipulierte, die Sehnsüchte dieses starken Mannes, der sich nichts mehr wünschte, als einen Abend lang all die Verantwortung abzugeben und sich fallen zu lassen. Einen einzigen Abend der zu sein, der er war, ohne die Würde, ohne die Sorgen, die Gedanken. Shinya war bereit, es entgegen zu nehmen... er würde ihnen allen geben, was sie brauchten, so lange und so oft, bis sie alle wieder vollkommen geheilt waren. Nachdem sich die Tür hinter den beiden Gitarristen geschlossen hatte, küsste Shinya Toshiyas Knöchel noch einmal, lächelte ihn an und sagte ihm, dass er etwas zu Essen holen würde, dann sah er Kyo an, welcher die gesamte Zeit ohne eine Wort zu sagen mit im Raum gestanden und ihn beobachtet hatte. Auf seine Frage ob er ihn – Shinya – begleiten würde, nickte der Vocal nur stumm, fasste ihn sanft unter dem Arm, führte ihn aus dem Raum, durch das, für ihn, gehasst bekannte Krankenhaus und der Zierlichere wartete, bis sie die zweite Ecke umrundet hatten, bevor er stehen blieb. Kyos Stirn runzelte sich, doch noch bevor der Blonde etwas sagen konnte, legte Shinya einen sanften Finger gegen dessen Lippen, sah ihn durchdringend an. „Ich möchte dich um etwas bitten, Kyo.“ ~~~~~ Im ersten Moment war ihm danach Shinya aufzuhalten, doch er ließ ihn gemeinsam mit Kyo gehen, schließlich hatte sein Engel gesagt er würde etwas zu Essen holen und so lange war er dann sicher nicht weg. Toshiya war noch immer unsicher und fühlte sich unwohl, aber er konnte seinen Geliebten auch nicht an sich binden. Der Jüngere konnte nicht 24/7 bei ihm sein und er sollte lernen dies von Anfang an zu akzeptieren, auch wenn es schwer war. Er war nur so glücklich gewesen den Drummer wieder zu sehen, wohlauf und nicht gebrochen wie er ihn zuletzt in Erinnerung hatte. Die Freude darüber, auch die anderen zu sehen ohne im nächsten Moment aufzuwachen und festzustellen, dass er wieder nur geträumt hatte, tat ihr übriges. Nein, diesmal waren sie alle wirklich bei ihm gewesen… keinerlei Wahnvorstellungen die seinen Geist, sein Urteilsvermögen trübten und der Bassist war nach einer unendlich gefühlten Ewigkeit wieder richtig glücklich gewesen. Jetzt allerdings, da er alleine war, kam dieses seltsame Gefühl der Einsamkeit wieder, vor allem wenn er sich in dem kargen Zimmer umblickte. So stand er schließlich auf, ging hinüber zu den Blumen, welche ihm gebracht worden waren, und fing an jede einzelne Pflanze zu studieren. Die bunten Blüten und Blätter brachten leben in diesen Raum und wie schon so oft in der letzten Zeit, wünschte sich Toshiya auch in diesem Moment, er wäre nicht aus dem Koma erwacht, dann hätte er nicht diese Einsamkeit und nicht diese Angst und die Sorgen, welche er sich um Shinya gemacht hatte, ertragen müssen. Es wäre alles so viel einfacher gewesen, wenn er weiter im künstlichen Schlaf gelegen hätte und trotz dieser Gedanken schüttelte er auch jetzt wieder über sich selbst den Kopf. Wie er immer wieder darüber nachdenken konnte war ihm schleierhaft. Bei Gott, er konnte doch wirklich froh sein, dass ihm nicht Schlimmeres widerfahren und dass er erwacht war! Wie viele Komapatienten lagen ihr Leben lang in diesem künstlichen Schlaf und bekamen nur Bruchstücke des wahren Lebens um sie herum mit? Wenn er ehrlich zu sich selbst war, wollte er die Antwort darauf nicht wissen und kam zu dem Schluss, dass es wie jetzt doch besser war, auch wenn er sich immer noch wünschte dass die letzten Wochen anders verlaufen wären. Aber was waren schon Wochen? Sie waren nicht einfach gewesen, sicherlich nicht und nur mehr als einmal hatte ihm sein Realitätsverlust zu schaffen gemacht, doch es war jetzt endlich vorbei und er konnte wieder anfangen zu genießen. Wieder zu leben und die Panik und die Angst zu vergessen. Toshiya nickte, wie um sich selbst zu bestätigen, wand sich dann wieder ab von dem großen Strauß, welcher das gesamte Schränkchen neben seinem Bett einnahm und ging stattdessen zu den Fenstern, öffnete eines von diesen ganz. Er wollte die Luft auf seiner Haut spüren, den Wind einlassen in das Zimmer, um sich vollkommen von der Natur dort draußen einnehmen lassen zu können. Ein leichter Schneefall ließ zarte Flocken zu ihm dringen und er spürte die Kälte des Winters, die kleinen Eiskristalle die auf ihm landeten, jedoch sofort zu kleinen Wassertropfen verschmolzen, ließ sich davon nicht stören, sondern nahm tiefe Atemzüge der klaren Luft. Es war ein atemraubender Anblick der sich ihm bot, aufgrund der Sonnenstrahlen, die sich durch die dichte Wolkendecke am Himmel schoben, den Schnee in der Gartenanlage des Krankenhauses wie magisch zum Glänzen brachten und es war zum ersten Mal, dass er dieses Bild wirklich in sich aufsog, dabei lächelte und sich für einen kleinen Moment wenigstens etwas frei fühlte. Hier drinnen konnte er schließlich nicht die gesamte Schönheit des Winters genießen, konnte nicht hinausgehen, den Schnee zwischen seine Hände nehmen…denn eigentlich war er noch immer wie ein Vogel gefangen in einem Käfig. Allerdings wusste er auch, er würde nicht ewig hier bleiben müssen und diese Erkenntnis, half ihm es leichter zu nehmen. Allgemein war jetzt alles viel besser nachdem Shinya und seine Freunde bei ihm gewesen waren und so würde er auch die restliche Zeit, die er hier verbringen musste, überstehen. In Gedanken, bemerkte er nicht, wie seine Zimmertür geöffnet wurde, blickte immer noch hinaus in die Welt, hinter den vier Wänden und schreckte leicht zusammen, als sein neuer Besuch ihn direkt ansprach. Kaum das er erkannt hatte, wer ihn hier störte, schwand der Ausdruck an Zufriedenheit auf seinem Gesicht und er wandte sich der Person zu. „Hara-san, ich hörte von Schwester Ayumi das Sie sehr große Fortschritte gemacht haben. Sie reden wieder hat man mir erörtert. Vielleicht erzählen Sie mir dann heute etwas von sich?“ Der Bassist reckte das Kinn leicht in die Höhe, wollte seinem Gegenüber deutlich zeigen, was er von dessen Anwesenheit hielt, doch er wusste von den letzten Besuchen des Psychiaters, das dieser sich nicht so leicht abspeisen lassen würde. „Was sollte ich Ihnen schon erzählen? Sie wissen doch schon alles aus meinen Krankenakten!“ „Hara-San, bitte verstehen Sie meine Anwesenheit nicht falsch. Ich will Ihnen wirklich nur helfen und da kann ich mich nicht auf Akten verlassen. Zumal Ihre doch einige Lücken aufzuweisen scheint.“ Der Schwarzhaarige seufzte leise und schüttelte den Kopf. Natürlich waren seine Daten nicht vollständig … bestanden zum größten Teil aus Vermutungen welche die Ärzte über ihn angestellt hatten und nun wieder verwerfen mussten, da er sie eines Besseren belehrt hatte und gerade deswegen wollte er erst recht nicht mit dem Psychiater sprechen. Sollte sich dieser doch weiter an seine Ärzte halten. Wunschdenken, dessen war er sich bewusst da sein Gegenüber nicht locker lassen würde, so schloss er mit sich selbst einen Kompromiss. „Also gut, ich werde mit Ihnen reden, doch nicht jetzt. Jede Minute wird mein Freund wieder hier sein und ich möchte nicht, dass er Sie sieht. Kommen Sie wieder, wenn Shinya weg ist. Er soll nicht wissen… das ich in die Klappsmühle gehöre.“ „Hara-San, Sie verstehen das falsch. Sind nicht psychisch krank sondern durch die Geschehnisse angeschlagen. Aber ich respektiere Ihren Wunsch und werde Sie heute nicht mehr stören. Jedoch bitte ich sie unsere Therapie nicht abzubrechen und werde sie Morgen in meinem Büro erwarten.“ Der Bassist nickte nur, ließ sich kurz erklären wo dessen Behandlungszimmer war und atmete tief auf, als der andere Mann den Raum wieder verließ. ~~~~~ Shinya hatte in der Kantine des Krankenhauses einen kleinen Salat und etwas Obst erworben und trug die Sachen nun behutsam über den Gang, welcher ihn zu Toshiya zurück bringen würde – Kyo war nicht mehr bei ihm, hatte seinem Wunsch nachgegeben und war ebenfalls nach Hause gegangen. Der Drummer wusste, wie schwer es für den kleinen Vocal gewesen war, dieser Schritt und es hatte sein Lächeln gebraucht, bis Kyo sich hatte tatsächlich überwinden können, aber wie alle anderen brauchte dieser die Ruhe, brauchte ein paar Momente in denen er sich keinen Kopf um einen schwächlichen Freund machen musste. Und er würde dafür sorgen, dass es in Zukunft eine Menge solcher Momente geben würde. Er bog behutsam um die Ecke, darauf bedacht die beiden kleinen Schalen in seinen Fingern stabil balanciert zu halten, steuerte dann auf den kleinen Laden zu, der viele kleine Dinge beinhielt, die den Patienten den Aufenthalt angenehmer gestalten sollten und normalerweise beachtete er das Geschäft nicht weiter, doch heute fiel sein Blick doch zufällig in das Schaufenster und direkt auf einen kleinen dunkelblauen Drachen – nicht einer der westlich gestalteten sondern einer der alten Art, die sich durch den langen, schlangenförmigen Körper auszeichnete. Es war ein simples Stofftier, so klein, dass es bequem in seine Hand passte und doch waren die schwarzen Augen direkt auf ihn gerichtet, schienen ihn geradewegs anzusehen und zu rufen. Das war ihm seit England nicht mehr passiert. Und irgendwie verengte dies Gefühl seine Brust und ehe er sich versah, war er durch die Tür getreten, stand im Laden und bat um das kleine Plüschtier. Er strich über den winzigen Kopf, als er darauf wartete, es bezahlen zu können und wieder schien es ihn anzusehen, grinste schelmisch von schräg unten zu ihm herauf, so als hätte es niemals Zweifel gehabt, dass er kommen und es mitnehmen würde. „Nun hör schon auf, so anzugeben.“ Er murmelte es nur und könnte schwören, dass er dafür ein sanftes Lachen in seinem Kopf hören konnte, dann musste er Spirit – ja, verdammt, er hatte schon einen Namen für das winzige Ding – in die Hände der Verkäuferin geben und nun saß es auf dem Deckel der Salatschale und präsentierte sich stolz der Welt. Vor dem Zimmer Toshiyas nahm er es und schob es unter seinen lockeren Pullover, er wollte seinen Geliebten damit überraschen. Im Raum war es kühl, der Bassist hatte das Fenster weit geöffnet und stand davor, sah wohl hinaus, weswegen er das mitgebrachte Essen auf dem Besuchertisch abstellte, dann zu dem anderen Mann ging, sanft die Arme um diesen schob – sein Herz klopfte aufgeregt dabei, Ängste suchten in ihm hoch zu krauchen, doch er drückte sie zurück. Schwäche würde er sich nicht erlauben. „Hey.“ Toshiyas Finger schoben sich sanft über die Seinen, dann drehte dieser den Kopf, lächelte ihn an. „Hey.“ „Ist dir nicht kalt?“ Shinya presste sich ein wenig näher, Toshiyas Hände waren kühl, weswegen er seine mit denen seines Geliebten verflocht und dieser summte leise, schüttelte aber den Kopf. „Ich genieße die Luft, sie ist so klar und riecht gut.“ Nun war es der Drummer, der summte, sich dann aber trotzdem löste und das Fenster schloss, sie mussten es ja nicht übertreiben und Toshiya war längst nicht so warm angezogen, wie zum Beispiel er selbst, was ihn gleich auf den nächsten Gedanken brachte. „Kyo hat mir erzählt, er hätte dir eine Tasche gepackt und mit hier her gebracht. Lass uns schauen, ob wir die Schwestern nicht überreden können, dass ich dich duschen darf und dann suchen wir dir etwas Richtiges zum Anziehen heraus. Oder möchtest du erst etwas essen?“ Toshiya schüttelte seicht den Kopf. „Ich habe keinen Hunger, aber eine Dusche klingt wirklich gut. Ich weiß aber nicht, ob ich das wegen der Wunde schon darf.“ Shinya nickte sanft, streichelte über Toshiyas Hände, nachdem er wieder zu diesem getreten war, er würde das herausfinden, aber er glaubte nicht, dass es ein Problem war, denn Toshiya hatte ja unter anderem im Koma gelegen, damit die Verletzung gut heilen konnte, aber er würde sich noch einmal vergewissern. Der zuständige Arzt und auch die Schwestern hatten ihm das 'Okay' gegeben und nun war er dabei Toshiya zu den Duschen zu bringen, in seinem Zimmer gab es nur ein kleines Waschbecken und die Toilette. Er hielt den Größeren stützend, auch wenn das nicht wirklich notwendig war, im kleinen Duschraum dann, half er ihm sich zu entkleiden, legte die Sachen ordentlich weg, lehnte sich dann vor und küsste eine schmale Schulter, nachdem sich Toshiya auf einen kleinen Plastikhocker gesetzt hatte. „Ich mach den Verband ab, in Ordnung?“ Der Bassist nickte und Shinya kniete sich vor diesen, löste vorsichtig das Plaster, zog den Verband ab, die Wunde darunter sah gut aus, keine Rötung und keine großartige Nässe, sie heilte ab und würde nur eine kleine Narbe zurücklassen. Ganz sanft legte der Braunhaarige seine Finger gegen den Bauch, strich über diesen – die Muskeln spannten sich automatisch an, er tat Toshiya damit nicht weh, weswegen er sich vor lehnte und die Wunde mit den Lippen streifte, es war seine stumme Entschuldigung. Toshiya bebte seicht, eine der schönen, nun wieder warmen Hände legte sich auf seinen Kopf und als er sich erhob, lockte ihn dieser an seine Lippen, küsste ihn zärtlich – Gott, wie hatten Shinya derartige Berührungen gefehlt! Er löste sich und der andere strich über seine Wange, sah ihm dann zu, als er Schuhe, Socken und den Pullover auszog, alles ebenso ordentlich platzierte... Spirit war sorgsam in dem weichen Material eingebettet, unsichtbar für Toshiya, doch Shinya fühlte den Blick der kleinen schwarzen Augen, als er nach der Dusche griff, sie anstellte. Irgendwie war es, als würde er über sie wachen, was natürlich Unsinn war, denn es war nur ein kleiner Stoffdrachen, trotzdem gab es dem Drummer ein unerklärliches Gefühl der Sicherheit. Gemeinsam schafften sie es, Toshiya zu waschen, zu trocknen und dann in eine lockere Hose, sowie einen weiten Pullover zu kleiden, Shinya trocknete und kämmte das lange Haar und als sie fertig waren, wieder über den Flur gingen sah er die Anzeichen der Müdigkeit in den Augen seines Geliebten, weswegen er diesem half sich hinzulegen. Behutsam steckte er die Decke um diesen fest, strich ihm über die Braue, als Toshiya ihn schon halb schlafend anblinzelte. „Ich werde nicht gehen. Ich verspreche es dir.“ Ein leichtes Nicken war seine Antwort, dann schlief der Dunkelhaarige ein und er wartete, bis er sich ganz sicher sein konnte, dass Toshiya wirklich tief ruhte, dann holte er Spirit aus seinem Versteck, setzte ihn mitten auf die Brust seines Freundes, wo sich der kleine Drachen pudel wohl zu fühlen schien. „Pass gut auf ihn auf.“ Shinya war sich sicher, wenn Spirit es gekonnt hätte, dass winzige Stofftier hätte ihm salutiert, nun aber bedachte es ihn nur mit einem neckenden Blick und fiel dann um, als Toshiya sich regte, weswegen der Drummer ihn wieder ordentlich hinsetzte, dem kleinen Kopf einen Stubs gab. „So kann das aber nichts werden.“ Der nächsten Regung des Bassisten hielt der blaue Drachen stand, weswegen er zufrieden lächelte, sich dann an den kleinen Tisch setzte, wo er zumindest den Salat aß, bevor dieser noch ganz in sich zusammenfiel. Außerhalb war es bereits dunkel geworden, im Zimmer herrschte Dämmerlicht und irgendwie musste er doch eingeschlafen sein, denn als er erschrocken hoch fuhr, stieß er sich das Knie am Tisch, verursachte so einen dumpfen Schlag. Leise fluchend rieb er sich den schmerzenden Körperteil, sah dann zum Bett, besorgt, dass er Toshiya geweckt hatte, doch dieser schlief noch immer ruhig, Spirit an gleichem Ort und Stelle. Beruhigt, dass der Schlaf seines Freundes nicht unterbrochen worden war, erhob er sich, begann in dem kleinen Raum umherzulaufen, blieb dann vor dem Fenster stehen, sah hinaus, doch erkannte nichts, weswegen er auch dort nicht lange verweilte und zum Bett hinüber ging. Dort stand er dann so lange, bis die Nachtschwester herein kam und ihn überrascht ansah – Shinya drückte den Rücken durch, erst weil er sich erschrocken hatte, dann weil er sich innerlich auf eine Diskussion oder im schlimmsten Fall Wortgefecht vorbereitete, doch dann tat die junge Frau einen Laut in ihrer Kehle, so als wäre ihr gerade wieder etwas einfallen. „Sie müssen Terachi-san sein!“ Er nickte nur seicht und ihr anfangs irritiertes Verhalten änderte sich, sie lächelte ihn an, verbeugte sich seicht vor ihm. „Ich bitte mein Verhalten zu entschuldigen, ich vergaß, dass Sie und Hara-san besondere Umstände umgeben. Bitte, verzeihen Sie mir und zögern Sie nicht, mir zu sagen, wenn Ihnen etwas fehlt! Mir wurde aufgetragen Ihnen ebenfalls ein Bett herzurichten.“ Sie sah ihn an und er nickte wieder, was ihr zu genügen schien, denn nun strahlte sie ihn an, machte sich schnell und leise an die Arbeit, richtete ihm das Bett, sah nach Toshiya, bei welchem er die ganze Zeit saß – ein paar Mal sah er, wie sie verstohlene Blicke zu ihm warf... offenbar wusste sie von Toshiya und ihm und fand sie niedlich als Paar. Shinya hätte am liebsten laut auf gestöhnt. Ein Fangirl fehlte ihm nun gerade noch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)