Nightmares von abgemeldet (Träume im Dunkeln) ================================================================================ Kapitel 1: Mitternacht ---------------------- Yuuki Es regnet. Vom grauen Himmel fallen Wassertropfen, die auf der geteerten Straße explodieren. Nebel kriecht über den Boden und erschafft eine Welt der Schatten und weißer verschwommener Gestalten. Mein Atem beschlägt an der Fensterscheibe und bildet feine Tropfen, die über das Glas rinnen und ein filigranes Muster hinterlassen. Karos und Streifen. Im Zimmer ist es warm, dennoch ist das Glas unter meiner Hand eiskalt. Hinter mir höre ich ein leises Klacken. Neben mir an der Wand tanzt rotes Licht. „Yuuki.“, meint eine leise, vertraute Stimme. „Onii-sama.“ Ich starre weiter in den Regen. Kaname tritt von dem schmalen Tisch weg, auf den er den Kerzenleuchter gestellt hat, und geht am Sofa vorbei. Ich sehe seine Reflexion verschwommen im Fenster. Seine Augen leuchten rot. „Wann wirst du mich endlich Kaname nennen, Yuuki?“ Er bleibt hinter mir stehen und streicht mein Haar aus dem Nacken. „Wie spät ist es?“, frage ich. Kaname hält inne. „Fünf vor zwölf.“ Beinahe Mitternacht. „Es regnet schon den ganzen Tag, onii-sama.“ „Du sollst doch nicht am Tag nach draußen.“ Er klingt vorwurfsvoll. „Hast du Durst?“ Er lächelt. „Nur ein kleines bisschen.“ Seine Hände legen sich um meine Schultern. Ich spüre seine Zähne an meinem Hals. In diesem Moment klingelt es. Als Kaname seufzt, streift sein warmer Atem meine Haut. „Wer auch immer das ist, ich bring ihn um.“, meint der Vampir. Seine Augen haben jetzt einen charmanten blutroten Ton. „ Es könnte doch auch eine Sie sein.“ Um den armen Unwissenden vor der Tür vor Kanames Mordlust zu bewahren, rase ich die Treppe hinunter, öffne die Tür und hoffe, das Ablenkungsmanöver hat funktioniert. Dann schaue ich, wer da vor unserer Tür steht. Und blinzele. Noch einmal. Vor mir steht, in einem langen dunklen Mantel (welcher ihm ganz nebenbei ausgesprochen gut steht), tropfend, triefend und unglücklich schauend, den ich nie wiederzusehen erwartet hatte. „ZERO???!“ Meine verdutzte Frage wird alsbald als wütender Aufschrei wiederholt. „ZEEERO!!!!“ Und Kaname kommt die Treppe hinab gestürmt. Ich habe Kaname noch nie schreien gehört, und mit mordlustig glühenden blutroten Augen sieht er auch nicht sonderlich sexy oder vampirmäßig aus. Zero greift in aller Ruhe nach seiner Bloody Rose. Ich hebe beschwichtigend die Arme, um die zwei zu trennen. Kaname steht jetzt am Fuß der Treppe. Hinter ihm geht das Geländer in Flammen auf. Klirrend fällt die Bloody Rose vor meine Füße. Von der silbernen Waffe tropft Wasser auf die staubige Fußmatte. „Können wir reden?“, fragt er. „Natürl-“ „Nein“ Kaname hat sich wieder beruhigt. Das Feuer auf dem Geländer ist aus und er legt die langen Finger an die Stirn. Ein sehr intellektueller Ausdruck. „Ich habe nicht mit dir gesprochen, Vampir.“, sagt Zero und sieht Kaname bitterböse an. „Verschwinde, Jäger.“, meint mein Bruder. Mit einem dumpfen Knall schlägt die Tür vor Zeros Nase zu. Ich kann grade noch meine Finger wegziehen. „Onii-sama!“, rufe ich vorwurfsvoll. Kaname durchquert gelassen den kleinen Vorraum und bleibt auf dem hässlichen blaugrünen Teppich stehen. „Ich werde kein Mitglied der Jäger in deine Nähe lassen, Yuuki.“ „Er hatte keine Waffe.“ „Rido hat er ohne Bloody Rose umgebracht!“ „Sag das nicht so, als hättest du nicht dasselbe gewollt, onii-sama!“ Kaname legt eine Hand auf meinen Kopf. „Er will dich töten, Yuuki.“ Schlagkräftiges Argument. Ich bin erst mal still. Dann sehe ich zu Kaname. In violette Augen. Moment mal. VIOLETT?? Wir drehen gleichzeitig den Kopf zur Seite. Zero sieht uns interessiert an. Es folgt eine kurze Stille. Ich höre, wie Zero auf den Teppich tropft. „Du bist nass.“, stelle ich überflüssigerweise fest. „Wie bist du reingekommen?“, fragt Kaname. „Die Hintertür war offen.“ Er geht an dem Reinblüter vorbei und zieht dabei eine Wasserspur hinter sich her. „Du machst den Teppich nass.“, meint Kaname. „Ich lass' dir ein Bad ein.“, sage ich. „Onii-sama, warum geht ihr nicht hoch, es ist grade erst Mitternacht. Es müssten noch Tabletten im Schrank sein.“ Ich lächele Zero und meinen Bruder an, dann gehe ich die Treppe hinauf, mit dem dummen Gefühl, dass alles noch viel schlimmer wird. Zero Kaname lässt sich vor mir auf das Sofa sinken. In seinen schlanken Händen hält er zwei Weingläser. Die rote Flüssigkeit, die darin enthalten ist, ist mir nur allzu gut bekannt. Der Vampir reicht mir mit einem seltsamen Funkeln in den Augen eines der Gläser. Dazu lächelt er. Unheimlich. Ich nehme die Bluttablettenflüssigkeit entgegen. „Nun, Kiriyuu“, meint Kaname. Ich sehe auf. Das Glas ist eiskalt. Deshalb zittern meine Hände wohl auch. Die einzige Lichtquelle im Raum ist ein Kerzenleuchter. Kaname Kurans Augen leuchten rot. Wie immer fühle ich mich in seiner Anwesenheit unterlegen und unwohl. Langsam frage ich mich, wieso ich überhaupt hergekommen bin, zu den beiden (verhassten) Reinblütern. Hatte ich wirklich keine Wahl? Nein. Ganz eindeutig nicht. „Warum bist du hier?“, fragt er. Ich bleibe neben einem kleinen goldenen Tisch mit Glasplatte stehen. In der Ecke schlägt eine Standuhr Punkt zwölf. Der Vampir sieht kurz zur Uhr. Ich nippe an dem roten, schal schmeckenden Getränk. Kaname nimmt einen Schluck. „Nun?“ Ich starre aus dem Fenster ins Regengrau. „Nimm doch den Mantel ab, Kiriyuu. Du tropfst.“ Seine Worte klingen lauernd. Ich frage mich, wo Yuuki bleibt. Wahrscheinlich will sie uns Zeit für ein Gespräch unter Männern geben. Was ein Schwachsinn. Als ob ich und DER so was machen würden. Obwohl Kaname ganz ruhig und gelassen wirkt, spüre ich das Verlangen in ihm, mir den Hals umzudrehen. Warum auch nicht – er ist eindeutig der Stärkere. Ich greife in meine Manteltasche und ziehe meine Bloody Rose hervor. Kaname fixiert meine Hand. Um ihm keinen Grund zu geben, mich doch noch umzubringen, lege ich die Waffe schnell auf den Tisch. Dann wende ich mich ab und gehe in Richtung Standuhr. „Kiriyuu.“, meint der Vampir. Ich drehe mich um. Kaname nimmt gelassen einen Schluck aus seinem Glas. „Dein Mantel.“ Es ist ziemlich unangenehm, einen nassen Mantel auszuziehen, während man von hinten wie ein Stück saftiger Schinken (von einer Katze/einem Hund) angestarrt wird. Das Problem mit Vampiren ist die Tatsache, dass man immer glaubt, sie wollen einen im nächsten Moment beißen. Oder in meinem Fall, umbringen. Ich werfe den Mantel über die Sofalehne und wende mich wieder Kaname zu, der betont gelangweilt seine Reißzähne im Glas betrachtet. „Fertig?“, fragt er. Seine Augen wirken etwas weniger rot. Ich gehe zum Glastisch und nehme mein Glas. Kaname hebt meine Waffe hoch. Wo seine Finger sie berühren, knistert blaue Energie. Ich weiß, wie sich diese Art von vampirabweisenden Waffen anfühlt. „Dir ist klar, dass die Bloody Rose auch dich töten kann, Kiriyuu?“, fragt Kaname. „Es ist leichtsinnig, sie jemandem zu geben, der dich möglicherweise töten will.“ „Die Chancen, dass du mich angreifst, wenn ich die Bloody Rose in der Hand halte ist größer als wenn ich sie dir gebe, Kuran.“ Er lässt die Waffe auf den Tisch fallen. „Ich denke, da du grade so redselig bist, könntest du mir sagen, was du von uns willst.“ Da hat er recht. „Ich habe ein Problem mit den Jägern.“ Kaname zieht kurz eine Augenbraue hoch, dann wird sein Gesicht wieder ausdruckslos. „Sie wissen, dass du ein Level E bist und wollen dich umbringen.“ „Nicht ganz. Erstens bin ich immer noch Level D und zweitens wollen sie mich nicht umbringen – nicht direkt, zumindest.“ „Ach.“ „Sie dürften aber noch ziemlich sauer werden. Ich hatte gehört, dass Direktor Cross für seine neue NightClass einen Austausch organisiert hat.“ „NightClas? Ohne Reinblut?“ „Ja. Wie das funktioniert, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war ich dagegen. Was auch richtig war, denn einer der Austauschschüler hat ein Mädchen der DayClass gebissen. Das Problem war nur, dass er Reinblüter war. Das Mädchen wäre so oder so Level E geworden, also hab ich ihr diese Tortur erspart.“ „Du hast sie getötet.“ „Ja. Wenn die Jäger das rauskriegen, werden sie wahrscheinlich richtig sauer.“ „Warum bloß.“ Kaname trinkt noch einen Schluck. „Du wirst immer mehr wie ein wahrer Vampir.“ Ich übergehe diese Bemerkung und fahre mit meiner Ausführung fort, wie, was und warum ich hergekommen bin. Als ich geendet habe, schlägt es halb zwei. Ich sehe zur Seite. Kanames Kopf ist zur Seite gefallen, sein Atem geht ruhig und gleichmäßig. Er schläft. Ich verziehe das Gesicht. Dieser ... In diesem Moment nehme ich den süßlichen Geruch von Blut wahr. Er erfüllt das ganze Zimmer. Ich sehe zu dem Reinblüter. Er hat sich im Schlaf mit einem Eckzahn die Lippe aufgerissen. Zwei feine Blutrinnsale laufen über sein Kinn und tropfen auf seinen Hals. Ich spüre förmlich, wie meine Augen rot werden, als der Level E in mir erwacht. Nicht gut. GAR NICHT gut. SEHR SCHLECHT. Der Level E hebt den Kopf und schnuppert. Zieht den süßen Duft in sich ein. Verdammt, dass ist doch nur ein Kratzer! Deshalb brauche ich nicht gleich zu mutieren! Diese verfluchten Reinblüter! Der Level E lässt das Glas fallen und geht langsam auf den schlafenden Vampir zu. Ich fluche. Keine Kontrolle über meinen Körper zu haben ist echt nicht witzig. Der Level E geht neben Kaname in die Hocke und beugt sich langsam zu ihm hinab. Wach auf! , flehe ich Kuran an. Mit einem leisen Rascheln dreht er sich im Schlaf. Der Level E fixiert mit einer Hand Kanames Schulter, dann beginnt er, das Blut von dessen Hals zu lecken. Seine Zunge gleitet langsam den Hals hinauf. Ich schmecke das süße Blut des Reinblüters. Ich will dem Level E in mir befehlen, aufzuhören, aber natürlich habe ich keine Kontrolle mehr über ihn. Er beugt sich noch tiefer über Kaname und schleckt das Blut von dessen Wange. Ich schließe innerlich die Augen. Nein! Am liebsten würde ich laut aufschreien. Ich weiß, was kommt. Ich spüre Kanames Lippen unter der Zunge des Level E. Seine scharfen Zähne reißen Kanames Wunden weiter auf. Von so nah sieht er verdammt gut aus. Kein Wunder, dass Yuuki mit ihm statt mir gegangen ist. (OKAY, ich wollte sie auch umbringen. Aber wer wird schon so kleinlich sein?) Genau in diesem Moment berühren sich unsere Lippen. Während der Level E glücklich das Blut schlürft, realisiere ich entsetzt, dass ich gerade meinen Erzfeind küsse. Und genau in diesem Moment schlägt besagter Erzfeind die Augen auf. Aua. Seine rotbraunen Augen mustern mich eine Sekunde lang, dann wandert seine Augenbraue langsam nach unten. Sein Blick spricht Bände. Geh sofort runter, verdammter Blutsauger. Den Gefallen würd' ich ihm nur zu gerne tun. Nur der Level E nicht. Und um alles noch schlimmer zu machen, höre ich die Tür aufgehen. „Hey, Jungs, ich hab Tee gem...“ , sagt Yuuki. Mit einem schrecklichen Knall zerbirst Porzellan auf dem Boden. Ich sehe eine Ader an Kanames Schläfe pochen. Dann wird alles schwarz um mich. Als ich wieder zu Bewusstsein komme, ist alles dunkel. Ich liege mir dem Rücken auf dem Boden. Bei jeder kleinen Bewegung klirrt es metallisch. Ich trage schwere Ketten an den Handgelenken. Mit einem tiefen Seufzer richte ich mich auf. Hoffentlich bringt Kaname mich nicht um. Denn jetzt hat er einen verdammt guten Grund dafür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)