Leben ist tödlich von NightFoXx (Devil's Playground) ================================================================================ Prolog: One Wintermorning ------------------------- Devil's Playground - One Wintermorning In kleinen Flocken fiel der Schnee sanft auf die bereits mit weiß überzogene Landschaft. Alles wirkte wie eine Seite aus einem Bilderbuch – friedlich, rein, perfekt und unberührt. Er lag bewegungslos in Mitten des Szenarios, während eine dünne, frische Schicht Neuschnee ihn zudeckte wie ein Seidentuch. Er spürte es – und doch wieder nicht. Auch wenn sein Geist rastlos war, so war sein Körper in eine Art starre verfallen, aus der er nur allmählich erwachte. Es begann mit einem leichten Fingerzucken und langsam wurde er sich wieder seines Körpers bewusst. Seine ganze Wahrnehmung schien verzerrt, er konnte alles um sich herum fühlen, riechen und hören, doch schien dies alles sich nicht weiter auf ihn auszuwirken. Langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, setzte er sich auf. Die dünne Schneeschicht rutschte von seinem Gesicht herunter und landete sanft auf seinen Händen. Er hob seine schneegefüllte Hand vor seine Augen und starrte sie einen Moment lang an. Sein Kopf sagte ihm, dass es kalt sein müsste, eiskalt. Seine Hand, nein sein ganzer Körper, müsste bereits taub sein, halb erfroren, so wie er jetzt im Schnee saß. Doch das war nicht so. Die Kälte streifte lediglich den Rand seiner Wahrnehmungen. Aber er fühlte die winzigen Schneeflöckchen auf seiner Hand, zart wie ein Windhauch und unbeständig wie eine Kerze im Wind. Wieder passten Realität und Logik nicht zusammen. Nach seinem Verstand hätten die Flöckchen längst in seiner Hand zu Wassertröpfchen zerschmelzen müssen, aber sie blieben auf seiner Hand beständig, wie kleine filigrane Kunstwerke. Es war seltsam, verrückt und abnormal. Doch sein Instinkt befahl ihm ruhig zu bleiben, als wäre alles völlig normal. Und er blieb ruhig. Vorsichtig stand er auf, klopfte den Schnee von seiner klammen Kleidung und sah sich aufmerksam um. Die Gegend sagte ihm nichts. Er versuchte nachzudenken, sich zu erinnern. Nichts. Sein Kopf schien gänzlich leer. Ziellos lief er los, quer durch das noch unberührte Weiß, während Blut an seinen Fersen klebte und seine Fußabdrücke im Schnee rot zu färben begann. Er bemerkte es nicht. Genauso wenig wie den anderen Körper im Schnee, erfroren und von einer kleinen Schneeschicht begraben. Ein knuffiges Hallo an alle die sich hier her verirrt haben :) Ja, ich weiß, der Prolog ist kurz und nicht gerade viel sagend, aber genauso muss ein Prolog für mich sein.^^ Ich hoffe, er hat euch wenigstens ein bisschen gefallen und zum weiterlesen angeregt........ Kapitel 1: A Dusky Night ------------------------ Devil's Playground - A Dusky Night Vorsichtig setzte er den Becher mit heißem Wein an die Lippen. Sofort brannte sich der süße Geschmack ein und er wusste nicht, ob er das gut oder schlecht finden sollte. Seinem Magen schien es zumindest nichts auszumachen, aber das Verlangen zu trinken verspürte er auch nicht. Doch würde er nicht trinken, würde er nur noch mehr auffallen. Er hatte sich in ein kleines Wirtshaus vor dem drohenden Schneesturm geflüchtet, der jetzt vor den Fenstern wütete. Zu Fuß, ohne Gepäck und vor allem allein zu reisen war äußerst ungewöhnlich. Allmählich hatten die anderen Gäste aufgehört ihn an zu starren und er wollte, dass dies auch so blieb. Also zwang er sich, das Gebräu herunter zu schlucken. Ein halb Erfrorener, der nicht mal einen Trunk zum Aufwärmen annahm, war schließlich mehr als suspekt. Nach einer Weile stellte er den Becher zurück auf den massiven Eichentisch vor ihm und lehnte sich dann wieder in seiner Ecke zurück. Das Wirtshaus war gut gefüllt, viele hatten hier, wie er, Zuflucht gesucht. Nun saßen sie an ihren Tischen bei einer ordentlichen Mahlzeit und tauschten neben belanglosen Dingen ein paar Neuigkeiten aus. Sein Blick streifte ihre Gesichter, sie schienen ihn nicht zu kennen. Aber er kannte sich ja selbst nicht einmal. Das war ihm bewusst geworden, als er es wieder geschafft hatte, klar zu denken. Ihm fehlte sein Name, seine Herkunft, sein Gedächtnis, einfach alles. Der einzige Hinweis den er hatte, war seine Kleidung. Sie bestand aus gutem Stoff, reißfest, fein gewebt, aber relativ einfach gehalten. Allein die kleinen silbernen Knöpfe seines weißen Hemdes und seine Gürtelschnalle waren kunstvoll verziert. Seine Hosen waren neu und an den Füßen trug er fast Knie hohe Stiefel. Zumindest schien er kein einfacher Bauer zu sein, ein reicher Adliger war er jedoch genauso wenig. Auf dem von Spitze umrahmten kleinen Tuch, welches er in einer Tasche gefunden hatte, war mit Rot ein Buchstabe gestickt worden. 'V'. Er wusste nicht, wofür es stehen sollte, doch er vermutete, dass es wohl mit seinem Namen zu tun hatte. Das war aber schon alles. Seine einzige Hoffnung auf Informationen war, jemand bekanntes zu treffen. Doch da er nicht wusste, woher er kam, könnte sich auch das als durchaus schwierig erweisen. Die ersten Gäste begaben sich bereits auf ihre Zimmer und nach einem kurzen Augenblick folgte er ihrem Beispiel. Müdigkeit spürte er zwar noch nicht, doch es erschien ihm angenehmer, sich fürs Erste zurück zu ziehen. Vielleicht fiel ihm in der Einsamkeit und Ruhe der kleinen Kammer etwas aus seinem Leben ein. Auch wenn es im Prinzip keinen großen Unterschied machte, ob er allein in der Kammer oder hier zwischen den Leuten saß, er würde sich so oder so verloren fühlen. Das wilde Schneetreiben hatte kurz nach Einbruch der Nacht aufgehört. Außer dem leisen Klirren der Fenster, die sich gegen den Wind stemmten, war es vollkommen still im Zimmer. Er lag mit dem Rücken auf dem behelfsmäßigen Bett und starrte vor sich hin. In seinem Kopf tummelten sich tausend Fragen, auf die er alle keine Antwort kannte. Das zehrte an ihm. Mehr sogar, als der anstrengende Tag es getan hatte. Entgegen seinen Erwartungen fühlte er sich nicht einmal schwach oder müde. Sein Körper schien das alles besser zu verkraften als sein Geist. Für einen Moment schloss er die Augen und versuchte sich einzureden, dies alles sei ein Traum. Ja, gleich würde er aufwachen und – ja, wo würde er aufwachen? Leise seufzte er in die Dunkelheit. So stark war der Wunsch, dieses Delirium, diesen Traumzustand zu überwinden und so erdrückend das Versagen. Warum er? Er wusste es nicht, so sehr er seinen Kopf auch anstrengte, er kam auf keine klare Antwort. Stundenlang hatte er sein Spiegelbild in der Wasserschüssel angestarrt. So fremd und doch gleichzeitig unheimlich vertraut war ihm dieses Gesicht vorgekommen. Hellgraue Augen die ihn forschend anstarrten, starre Gesichtszüge und schwarze Haare die all das umrahmten. War das wirklich er? Er wusste es nicht. Im Grunde hatte er das Gefühl, ein anderer zu sein, ein Fremder. Zähneknirschend versuchte er den Gedanken zu vertreiben. Langsam sollte er wirklich versuchen einzuschlafen. Er drehte sich demonstrativ auf die Seite und konzentrierte sich mit aller Macht darauf. Ganz allmählich spürte er, wie er einschlief, ja, er konnte es sogar fühlen. Er glitt über in eine Art seltsamen Dämmerzustand, sein Körper entspannte sich vollkommen, doch sein Geist blieb aufmerksam und wach. In seinem Kopf drehte sich alles und er konnte oben von unten nicht mehr unterscheiden. Sein Körper war ein einziger Schmerz, der mit jeder Sekunde heftiger zu werden schien. Er versuchte leise röchelnd zu atmen, doch seine Kehle schien wie zugeschnürt. Aus seinem Mund lief das Blut, das jetzt statt Luft seine Lungen füllte. Seine Schreie blieben ungehört, kein Laut verließ seine rissigen Lippen. Die Sicht verschwamm vor seinen Augen, alles was er jetzt noch sah, war tiefe Dunkelheit. Er verkrampfte sich, versuchte gegen den Schmerz an zu kämpfen, seinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Alles in ihm sehnte sich nach Linderung. Der plötzliche Tritt jagte neue Wellen des Schmerzes durch seinen Körper und trieb ihn Tränen in die Augen. In ihm machte sich jetzt die Furcht breit, sie ließ seine Glieder beben und lähmte seinen Verstand. Er konnte den Angreifer nicht sehen, doch er spürte die drohende Gefahr. „Das ist dein Schicksal.“ Voller Hohn über sein Elend dröhnte die Stimme seines Peinigers. „Das glorreiche Schicksal deiner Familie, unserer Familie, sei stolz darauf!“ Das boshafte Lachen hallte in seinen Ohren wieder und fesselte seine Bewegungen. „Genieße es!“ Die Furcht in ihm wuchs ins Unermessliche und seine Hoffnung auf Rettung war nur noch ein leises Echo am Rande des Schmerzes. Verzweifelt und blind vor Angst versuchte er von der Gefahr zu fliehen, mit blutigen Fingern zog er sich ein Stück vorwärts über den rauen Boden. Das Lachen schwoll über seinen stümperhaften Fluchtversuch an und wurde nur noch lauter, hinterlistiger. „Du kannst nicht entkommen!“ Panisch versuchte er schneller voran zu kommen. Seine Fingernägel brachen und die Knochen in seinen Beinen knackten verheißungsvoll. Doch ein ungeheures Gewicht schien ihn nieder zu drücken und gänzlich zu lähmen. „Du wirst MIR nicht entkommen!“ Jaaaaa, das war das erste Kapi!^^ Großteils erstmal bissl vorgeplenkel.....aber ich hoffe, es hat trotzdem bissl gefallen un ihr habt erstmal einen kleinen einblick bekomm... Gedächtnisverlust ist mehr als klischeehaft und Vampirgeschichten sind eh voller klischees, trotzdem hoff ich, dass ich das thema bissl für mich prägen kann^^ kommi? Kapitel 2: Shadow of the Truth ------------------------------ Devil's Playground - Shadow of the Truth Die Sonne brannte warm am Himmel und war das Verderben der winterlichen Landschaft. Der Schnee auf den Straßen und Wegen schmolz dahin, von den niedrigen Dächern tropften die Eiszapfen und das Schmelzwasser ließ die kleinen Bäche zu reißenden Flüssen anschwellen. Der Frühling hielt endlich Einzug in dem kleinen Dorf am Rande des Gebirgszuges. Es war Markttag und auf dem großen Platz vor der zierlichen Dorfkirche herrschte ein fröhliches Treiben. Die weißen Hauben der Mägde wuselten in der Menge hektisch umher und die wenigen Händler, die aus den Nachbardörfern angereist waren, preisten lautstark ihre Ware an. Er stand abseits des Ganzen und beobachtete dies alles nachdenklich. Er fühlte sich fremd, ausgeschlossen von all dem und er war sich nicht sicher, ob das wirklich nur an seinem Gedächtnisverlust lag. Es war das unbeschreibliche Gefühl anders zu sein. Des Weiteren ging ihm der Traum von letzter Nacht einfach nicht aus dem Kopf. Zumal ihm das alles zu wirklich für einen Traum vorkam. Hatte er das tatsächlich erlebt? Und wenn ja, wer hatte ihm das angetan und warum war er überhaupt gefoltert worden? Unruhig trat er von einem Bein aufs andere. Der Gedanke behagte ihm nicht, ganz und gar nicht. Dazu kam noch, dass er sich, sobald er das Haus verlassen hatte, beobachtet fühlte. Dabei schenkten ihm die Dorfbewohner kaum noch Aufmerksamkeit und so oft er sich auch umdrehte, er konnte nie jemanden entdecken, der ihn verfolgte. Hatte das auch mit seinem Gedächtnisverlust zu tun? Zum wiederholten Male fragte er sich, ob nicht die mögliche Folter daran schuld war, dass er seine Erinnerungen verloren hatte. Doch wo waren dann die Wunden, die man ihm zugefügt hatte? „Du wirst MIR nicht entkommen!“ Der Gedanke an die unmissverständliche Drohung ließ ihn erschaudern. Wessen Zorn hatte er auf sich gezogen? Und was hatte das alles mit dem Schicksal seiner Familie zu tun? Oder war das alles doch nur ein einfacher Traum? Er würde vieles geben, um eine Antwort auf seine Fragen zu bekommen. Doch um vieles zu geben, müsste man erst einmal etwas besitzen. In seinen Taschen war nur wenig Geld gewesen und das meiste davon hatte er für seine Übernachtung ausgegeben. Er würde wohl oder übel hungern müssen, um über die Runden zu kommen. Allerdings wusste er auch noch nicht, wie es weiter gehen sollte. Er beneidete die einfachen Leute aus dem Dorf, sie hatten ein Ziel, einen Sinn in ihrem Leben. Er dagegen hing in der Luft und wusste nichts mit sich anzufangen. In Gedanken versunken zog er das kleine, weiße Tuch aus seiner Tasche und starrte es einige Augenblicke lang an. War das seine Initiale, die man da in den Stoff gestickt hatte? Gehörte der Buchstabe zu seinem Vornamen oder doch zu seinem Nachnamen? Oder war das vielleicht das Tuch einer jungen Dame, das er nun sein eigen nennen durfte? Er wusste es nicht. So verloren wie der einzelne rote Buchstabe in Mitten auf dem weißen Stück Stoff stand, so verloren fühlte er sich auch in der Welt. Er wandte sich um, während er das Tuch zurück in seine Tasche steckte und schlenderte langsam die lange Straße, die aus dem kleinen Dorf führte, entlang. Aus dieser Richtung war er gestern Abend gekommen. Doch als er sich erkundigte, zu welchen Städten diese Straße führte, konnte man ihm kaum Antwort geben, lediglich ein paar Dörfer lagen am Wegrand verstreut und deren Namen sagten ihm nichts. Er hatte sich vorgenommen, eine Landkarte der Gegend zu erstehen, doch hatte keiner der Händler eine im Angebot. Fremde kamen eher selten in diese Gegend. Ziellos bog er kurz vor der Dorfgrenze in eine der schmalen Gassen zwischen den kleinen Häusern ab und schlenderte nun ein wenig am Rande des Dorfes entlang, als ihm eine kleine Ansammlung ins Auge fiel, die dem Markttreiben sehr ähnlich schien. Neugierig trat er näher heran und beobachtete die kleinere Gruppe zuerst einmal schweigend. Die Verkäufer waren schäbiger angezogen als die, die ihren Stand auf dem Markt hatten. Ihre Kleider waren von Flicken bunt gefleckt und ihre mickrigen Stände sahen alles andere als stabil aus. So manches Mal wackelte ein behelfsmäßiger Tisch allzu verdächtig und er bekam selbst etwas Sorge darum, denn die dürftigen Waren schienen alles zu sein, was diese Leute besaßen. Es waren Eier und Brot, hier und da ein bisschen Milch und Gemüse, anscheinend versuchte die ärmliche Landbevölkerung sich hier ein paar Groschen dazu zu verdienen. Doch nicht nur herkömmliche Waren wurden hier angeboten. Als er langsam an den äußeren Ständen vorbei schlenderte, hörte er, wie einer der Verkäufer gerade einem Kunden die unglaublichen Fähigkeiten der Amulette preisgab, welche dieser auf seinem Tisch anbot. Er bemerkte auch eine kleine Kräuterfrau, die gebeugt von den vielen Jahren, die sie schon auf den Schultern trug, auf ihrem Hocker saß und müde ihre Kräuter neu ordnete. Von weiter weg hörte er die schrille Stimme einer Zigeunerin rufen, sie könne jedem die Zukunft vorher sagen. Eine Wahrsagerin, ob sie vielleicht in seine Vergangenheit schauen könnte? Er runzelte leicht erbost über seine Gedanken die Stirn und schüttelte kurz den Kopf, nein, dass war alles bloß Aberglaube. Im Weitergehen schaute er sich fortwährend neugierig um, hier waren all die Stände, die man wohl aus der Stadt vertrieben hatte und das machte dies alles ungeheuer interessant. Die lautstarke Diskussion zweier Händler zog seine Aufmerksamkeit als nächstes an. Einer schien sichtlich wütend während der andere eher etwas verdutzt drein sah. Der letztere und kleinere der Beiden hielt eine doppelläufige Schrotflinte in der Hand, welche allem Anschein nach, der Grund für die Meinungsverschiedenheit war. Verständnislos zog der Kleinere immer wieder am Abzug und wunderte sich, warum die Flinte nicht schoss. In ihm sträubte sich alles gegen dieses Bild, instinktiv wusste er, wie waghalsig die Versuche der beiden Männer waren und vor allem wie gefährlich für sie und die Umstehenden. Mit schnellen Schritten eilte er auf die Männer zu und konnte gerade noch verhindern, dass der Dicke in den Lauf starrte, während der andere den Abzug betätigte. Voller Unverständnis musterten die Händler ihn und warteten auf eine Begründung für seine Einmischung. „Der Schuss kann sich jederzeit lösen, wenn der Hahn verklemmt ist. Man muss da sehr vorsichtig sein.“ Noch immer starrten ihn die Beiden etwas verständnislos an. „Darf ich mal sehen? Vielleicht kann ich ja helfen.“ Er lächelte sie aufmunternd an, wobei er gleichzeitig seine Unsicherheit zu verbergen versuchte. Anscheinend schaffte er es, denn der Kleinere lächelte jetzt dankbar zurück und übergab ihm die Flinte. Sein Kopf sagte ihm, dass er damit umgehen konnte und sein Gefühl verriet ihm, dass er sehr viel Erfahrung mit solchen Dinge hatte. Stückchenweise kam sein Wissen darüber zu ihm zurück und er fand schnell die Ursache für die Blockade heraus. „Hier“, er zeigte auf den kleinen Zündhahn „der ist leicht verbogen und trifft nicht mehr richtig auf den Schlagbolzen. Besser sie bleibt bis zur Reparatur gesichert, der Schlagbolzen kann trotzdem aus Versehen betätigt werden und dann löst sich der Schuss.“ Die beiden Männer bedankten sich überschwänglich bei ihm, während er ihnen die Schrotflinte wieder aushändigte. Nachdenklich betrachtete er die Waffe noch einen Augenblick lang. Woher hatte er sein Wissen darüber? Gehörte jagen zu seinen Lieblingsbeschäftigungen? Aber das taten doch nur Adlige, war er dann vielleicht von Beruf Jäger? Nein, etwas in ihm wusste, dass das nicht stimmte. Was war er nun dann? Einer der Händler riss ihn aus seinen Gedanken, als dieser seine Dankesrede beendet hatte. „Sie haben uns vor einem törichten Unglück bewahrt, Monsieur! Seien sie doch heut' Abend unser Gast. Viel haben wir zwar nicht anzubieten, doch für ein wenig Unterhaltung reicht es allemal.“ Nach kurzem Überlegen nahm er die Einladung dankend an. Vor hatte er ja sowieso nichts und vielleicht bekam er so noch ein paar Neuigkeiten erzählt, die ihm vielleicht weiter helfen könnten. Als er seinen Rundgang über den kleinen Markt fortführen wollte, spürte er plötzlich, wie er festgehalten wurde. Verwundert blickte er in die trüben Augen der kleinen Kräuterfrau, welche ihn an seinem Hemdärmel festhielt. Ihre Gesichtszüge waren mitfühlend, ja fast schon traurig. „Sorgt Euch nicht um die Vergangenheit, junger Herr. Die Zukunft hat Euch sicher noch viel zu bieten.“ Ihre Stimme war leise und rau und sie sprach ihre Worte mit viel Weisheit. Mit offenem Mund und vor Überraschung geweiteten Augen starrte er sie an. „Woher wisst ihr - “ „Die vom Schicksal Geschlagenen“, unterbrach sie ihn „sind die Selbstlosesten unter uns. Über Eurem Haupt schwebt die dunkle Wolke des Vergessens, doch gebt nicht auf, sie zu vertreiben und das zu suchen, was verloren ging.“ Zu ihren Worten nickte sie knapp und nachdrücklich, als würde das alles erklären. Noch immer verwundert, doch nun sichtlich gefasster, schaute er sie genauer an. In ihren getrübten Augen glimmte noch ein Funke des fröhlichen Lebens, das sie wohl einmal geführt haben musste, das gütig wirkende Gesicht mit tiefen Falten und Furchen durchzogen, die sie um einiges älter wirken ließen, als sie in Wirklichkeit war. „Pardon, aber kennen sie mich vielleicht Madame....?“ „Bouvari. Sie sollten auf sich Acht geben, junger Herr. Es gibt etwas da draußen, das ihnen nicht wohl gesonnen ist, wohl sicherlich ein Schatten ihrer Vergangenheit. Ich spüre, wie er immer näher rückt.“ Mit diesen Worten drehte sich die Kräuterfrau um und wackelte zurück zu ihrem Stand. „Madame Bouvari, warten Sie!“ Mit großen Schritten wollte er ihr nacheilen. Ohne sich um zudrehen stoppte sie ihn mit einer kurzen Handbewegung. „Meine Aufgabe ruft nach mir. Kommt nach Eurem Besuch bei den Händlern zu meinem kleinen Zelt am Rande des Lagers. Aber erwartet nicht zu viel von einer armen, kleinen Kräuterfrau, auch ich bin nicht allwissend.“ Daraufhin verschwand sie in der kleinen Menschenansammlung. Der Drang nach neuer Erkenntnis war viel zu groß, als dass er diese Einladung hätte abschlagen können. Der Abend bei der Händlergesellschaft war angenehm verlaufen. Man hatte erzählt, gesungen und getanzt. Endlich hatte er auch eine Karte der Gegend bekommen, doch, zu seiner großen Enttäuschung, hatten auch die Händler keine Nachrichten, die ihm weiter helfen konnten. So sehr sie sich auch bemühten, ihm zu helfen, es schien, als wäre die seltsame alte Frau im Moment seine einzige Hoffnung. Doch noch zögerte er, sich zu ihrem Zelt aufzumachen. Er wusste nichts über diese Frau, die sogar besser über ihn Bescheid wusste, als er selbst. Auch aus ihren rätselhaften Andeutungen wurde er nicht wirklich schlau. Wurde er wirklich verfolgt? Doch nicht etwa von der Person aus seinen Träumen? Auch jetzt, als er nachdenklich zwischen dem Händlervolk am Feuer saß, beschlich ihn ein ungutes Gefühl, als ob ihn jemand anstarren würde. Er drehte sich um, doch so weit der helle Schein des Feuers reichte, konnte er niemanden erblicken, der ihm Aufmerksamkeit schenkte. Die Dunkelheit ließ nur schemenhaft den mächtigen Wald erkennen, welcher das Lager umgab. Konnte sich dort jemand verstecken? Sein Instinkt warnte ihn. Doch vor was? Der Gedanke beunruhigte ihn ungemein. Nervös begann er seine Finger zu kneten und auf der kleinen Holzbank unauffällig hin und her zu rutschen. Etwas stimmte nicht, doch er war sich nicht sicher, ob er herausfinden wollte, was das war. Schließlich erhob er sich und beschloss zum Stellplatz der Wagen und Zelte zu gehen, an dessen Rand sich auch das der kleinen Kräuterfrau befinden sollte. Er nahm sich die kleine Laterne, welche er vorsorglich in der Stadt gekauft hatte und zündete die kleine Kerze mit einem Span an. Kurz wartete er noch, dann machte er sich auf den Weg. Bis auf seine leichten Schritte und das ruhige Geräusch seiner stetigen Atemzüge war es vollkommen still. Kein Mensch begegnete ihm, nicht einmal eine Eule erfüllte die Nacht mit ihren Rufen. Zögerlich blieb er stehen und drehte sich langsam im Kreis. Das schwache Licht der Laterne traf auf den dunklen Stoff der Zeltplanen und bemalte sie mit Schatten. Nein, hier war niemand, wahrscheinlich saßen alle am Feuer. Gerade als er weiter gehen wollte, bemerkte er eine schnelle Bewegung aus dem Augenwinkel. Noch bevor er seine Laterne in die Richtung schwenken konnte, vernahm er einen spitzen Schrei und etwas kam auf ihn zugeschossen. Reflexartig setzte er einen Schritt zurück, stieß dabei gegen ein Hindernis und fiel nach hinten. Im Sturz spürte er, wie ihn etwas gegen die Brust traf, dann schlug er auch schon unsanft auf den Boden auf und stieß mit dem Kopf gegen eine Kiste, die jemand vor ein Zelt gestellt hatte. Neben ihm zersprang das Glas der Laterne mit einem lauten Klirren und alles versank wieder in der Dunkelheit der Nacht. In seinem Kopf dröhnte es schmerzhaft, ansonsten schien er den Sturz unverletzt überstanden zu haben. Eine Hand an seine Schläfe drückend, blieb er an die Kiste gelehnt sitzen und lauschte mit angehaltenem Atem in die Nacht. Da war nichts. Die unangenehme Stille hatte sich erneut ausgebreitet. Zögerlich begann er blind nach seiner Laterne zu tasten. Er fluchte leise auf, denn er sie endlich fand, schnitt er sich dabei versehentlich in den Finger. Nachdem er die Kerze erneut mit einem kurzen Zündholz entflammt hatte, richtete er sich gänzlich auf, zuckte jedoch im gleichen Augenblick wieder zusammen. Der Schmerz war erneut blitzartig in seinem Kopf explodiert und seine Sicht verschwamm. Schwer atmend stützte er sich auf die Kiste und wartete mit geschlossenen Augen, bis der stechende Schmerz allmählich verebbte. Als er sich jetzt im Nachhinein umsah, fand er, bis auf die frischen Glasscherben, alles unverändert vor. Doch plötzlich begann sich einer der Schatten wieder kurz zu bewegen. Vorsichtig und auf leisen Sohlen bewegte er sich auf den kleinen schwarzen Schatten zu. Der schwache Schein seiner Laterne traf auf – eine Fledermaus. Wie gegen das Licht protestierend quietschte diese leise auf und zog schützend einen Flügel vor ihre Augen. „Na, da haben wir uns wohl gegenseitig einen Schrecken eingejagt!“ Über seine eigene Dummheit den Kopf schüttelnd wandte er sich von der kleinen Fledermaus ab und begann seine Suche von neuem. Das kleine Geschöpf der Nacht hingegen wartete noch, bis das Licht aus seiner Reichweite verschwand, dann schwang es sich erneut in die Lüfte und verfolgte ihn in sicherer Entfernung. Nach längerem Umherirren hatte er schließlich das Zelt der geheimnisvollen Frau gefunden. Vor ihm stapelten sich Kisten und Säcke aus denen es auf tausend verschiedene Arten duftete und von drinnen drang ein sanfter Lichtschein zu ihm nach draußen. Zögerlich trat er einen Schritt näher. „Madame Bouvari...?“ Mal ein etwas längeres Kapi.^^ Auch wenn noch nix besondres passiert ist. <.< Aber das kommt noch! Ich halte mich leider immer lange beim Einführungsgeplänkel auf. ^^" Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen.^^ Ach ja, wer errät, welcher Schauspieler auf dem Steckbriefbildchen zu sehen ist, der darf sich was wünschen. XD *Tüte Gummibärchen aufmach* Kommi? Kapitel 3: Hidden Destiny ------------------------- Devil's Playground - Hidden Destiny Sein Atem ging stoßweise und sein Herz schien in seiner Brust förmlich zu rasen. Sein Brustkorb war ein einziger Schmerz, doch es war sein Kopf, der scheinbar zu zerbersten drohte. Er drückte seine Handflächen fest an die Schläfen und schrie verzweifelt auf, als der Schmerz einfach nicht nachlassen wollte. Erschöpft und überfordert sank er auf die Knie. Da war etwas in seinem Kopf, dass mit aller Macht heraus wollte und doch keinen Weg fand. Erneut dröhnte die hämische Stimme in seinen Ohren. „Du wirst MIR nicht entkommen!“ Er hätte nicht zu der Kräuterhexe gehen dürfen, diese irre Frau hatte seinen Zustand nur noch verschlimmert! Warum hatte er nur nicht auf sein Gefühl gehört.... ~ 2 Stunden zuvor ~ „Madame Bouvari...?“ Er wartete auf eine Antwort, doch zu hören bekam er nur undefinierbare leise Geräusche aus dem Inneren des Zeltes. Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit und ließ ihn frösteln. Er versuchte es zu ignorieren und trat einen Schritt näher heran. „Madame Bouvari, sind sie da?“ Zögerlich schob er die erste Trennwand des Zeltes zu Seite. „Ja, ja!“ tönte es jetzt von drinnen. „Kommt nur herein, junger Herr!“ Immer noch von seinem Gefühl beunruhigt trat er schließlich ein. Die alte Frau saß in der Mitte des kleinen Zeltes auf einer Art bunt besticktem Teppich, während rings um sie herum ein dutzend Kerzen brannten. Ungelenk und in leicht gebückter Haltung, da er zu groß für das relativ niedrige Zelt war, stand er im Eingang und sah sich unruhig um. Dieser Ort diente normalerweise eindeutig nur als Schlafplatz, denn außer dem Teppich und einer kleinen Truhe befand sich nichts von Wert in dem schmalen Innenraum. Es duftete nach Jasmin und Weihrauch, zumindest waren dies die dominierenden Gerüche. Langsam kniete er sich gegenüber von Madame Bouvari auf den Boden, bedacht, keine der Kerzen umzustoßen und womöglich noch einen Brand zu entfachen. „Nun, Ihr hab sicher viele Fragen...“ Ihre rauchige Stimme lenkte seine volle Aufmerksamkeit auf die kleine Kräuterfrau, welche im Licht der vielen Kerzen gar nicht mehr so alt und zerbrechlich wirkte. Ihre kleinen, von Falten umrahmten Augen blitzten kurz auf, als sie ihn eingehend betrachtete. Zögerlich begann er zu sprechen: „Ich, ich hatte gehofft, Ihr könntet mir vielleicht...weiter helfen.“ Hilfe suchend sah er sie an. „Ich weiß nicht, wer ich bin, woher ich komme oder was ich überhaupt tun soll. Ich war mitten im Nichts als ich erwachte, ohne Gedächtnis oder einen einzigen Hinweis auf meine Vergangenheit...“ Er biss sich auf die Lippen, es gefiel ihm nicht, dass das alles so aus ihm heraus sprudelte und doch konnte er es nicht verhindern. Sollte er der alten Frau wirklich trauen? „Ich hatte einen ...beunruhigenden Traum, der mich auf Schritt und Tritt verfolgt....das Gefühl, beobachtet zu werden lässt mich auch nicht mehr los...und dann sagten sie, etwas würde mich verfolgen...“ leicht nervös sprach er weiter und studierte dabei eingehend das regungslose, furchige Gesicht seines Gegenübers. „Wie ich bereits sagte, eine dunkle Wolke schwebt über Ihnen und verklärt mir den Blick. Ihr Schicksal, junger Herr, liegt mir verborgen, ebenso wie Ihre Vergangenheit. Ich weiß nicht, was Ihnen zugestoßen ist, doch es war von ungeahnter Grausamkeit und ich spüre eine … dämonische Macht, die – „ „Eine dämonische Macht? Unsinn, so etwas gibt es nicht!“ unterbrach er sie ungehalten, die Stirn runzelnd über ihre lächerliche Aussage. „Alles Geschehene lässt sich auf eine logische und vernünftige Weise erklären.“ Wenn es etwas gab, von dem er felsenfest überzeugt war, dann war es der Fakt, dass es für alles eine plausible Erklärung gab und irgendein Hokuspokus gehörte definitiv nicht in eine solche logische Beweisführung. „Glauben Sie mir oder nicht.“ erwiderte sie schnippisch und reckte demonstrativ das knochige Kinn in die Höhe. „ Aber Sie sind von etwas Unnatürlichen besessen, jawohl, ich weiß nicht, was es ist oder was Sie sind, aber Sie sind definitiv kein Wesen Gottes!“ Anklagend und mit ernstem Blick zeigte sie mit ausgestrecktem Arm auf ihn, „Nicht umsonst strafte der Herr Sie mit dem Fluch des Vergessens!“ Mit einer geradezu dramatischen Armbewegung untermalte sie ihre so eben gefundene Erkenntnis. Vollkommen perplex starrte der beschuldigte junge Mann die Frau an. „Verrückt, Sie sind verrückt!“ Innerlich schallt er sich dafür, dass er hierher gekommen war, um Rat zu erbitten. Ihre seltsamen Kräuter hatten der alten Frau offensichtlich den Verstand vernebelt! „Das bin ich nicht!“ Sie schrie ihm die Worte schon fast entgegen und auf einmal schien ihre Präsenz das ganze Zelt auszufüllen. „Längst vergangen seid Ihr! Eure Augen sind nur vor der Wahrheit fest verschlossen! Ihr wisst, nein Ihr spürt, dass Ihr anders seid!“ Das Gesicht von Madame Bouvari hatte sich zu einer hässlichen Fratze verzogen und ihre knochige Hand, welche noch immer auf ihn zeigte, schien bei jedem ihrer Worte bedrohlich näher zu kommen. „Ein Wesen der Dunkelheit seid Ihr, aber kein Mensch!“ Schützend hielt er eine Hand vor sein Gesicht und versuchte etwas Abstand zu gewinnen. Gerade als er ihren irrsinnigen Anschuldigungen etwas erwidern wollte, stieß die Kräuterfrau einen unnatürlichen, alles durchdringenden Schrei aus. „Hinfort! Hinfort mit euch, verschmutzt mein Heim nicht mit Eurem unseligen Blut!“ Überrascht betrachtete er den kleinen Kratzer an seinem Finger, den er sich durch einen Glassplitter der zerbrochenen Lampe zugezogen hatte. Er konnte den winzigen Schnitt kaum noch erkennen, lediglich ein kleiner Tropfen Blut hatte sich auf dem Schnitt angesammelt. „Aber – das ist doch gar nichts....“ „Begreift Ihr es denn immer noch nicht?!“ Madame Bouvari hatte sich in die hinterste Ecke ihres Unterschlupfes zurückgezogen und ihre hagere Gestalt klammerte sich furchtsam an die kleine Truhe. „Euer unseliges Blut, macht Euch zu etwas – etwas Unnatürlichen! Aber nein, Ihr glaubt mir nicht! Doch seht, seht Euren Schatten!“ Ihre Stimme war voller Nachdruck und als er seine Hand zögerlich auf eine der umstehenden Kerzen zu bewegte, starrte sie ihn überlegen an. „Was soll mit meinem Schatten sein? Er ist doch - “ Mit weit aufgerissenen Augen stoppte er mitten in der Bewegung. Seine Hand befand sich nun in der Reichweite des Kerzenscheins, doch warf sie keinen Schatten. Entgeistert drehte er seine Hand immer wieder vor der Kerze hin und her, doch da war nichts, kein schwarzer Schemen, der seine Hand nachbildete. Es war, als wenn das Licht direkt durch seine Hand durchscheinen würde. Doch das konnte nicht sein, das war vollkommen gegen die Natur! Alles, jeder Mensch, jedes noch so kleine Geschöpf und jeder ach so unnützliche Gegenstand besaß einen Schatten! In seinem Kopf begann sich alles zu drehen und seine Gedanken überschlugen sich. Warum fehlte ihm auf einmal etwas, was so natürlich und alltäglich war? „Das Licht der Kerze enthüllt die Wahrheit, sowie ein Spiegel nur die Wirklichkeit wiedergibt.“ Er nahm ihre Worte kaum wahr, starrte nur auf den Schatten, den der Körper der alten Frau warf. Er wirkte so vollkommen normal und selbstverständlich. Sie hatte einen Schatten, er nicht. Er nicht... ~ zurück im Zeitgeschehen ~ Er war geflohen, einfach nur geflohen. Warum wusste er nicht einmal genau, aber er hatte es dort nicht mehr ausgehalten. Die Logik, auf die er so vertraute und die ihm Sicherheit gab, war zerstört worden, direkt vor seinen Augen. Jetzt wusste er noch nicht mal mehr, was er eigentlich war. Auch wenn er es nur widerwillig zugab, hatte die alte Frau Recht gehabt, er hatte von Anfang an gespürt, dass er anders war. Nun fühlte er sich noch verlorener, als er es eh schon gewesen war. Plötzlich machte nichts mehr einen Sinn. Er hatte keinen Schatten, kein Gedächtnis, keine Identität...er war schlicht und einfach ein Nichts. Hatte sich jetzt alles gegen ihn verschworen? Er sank auf den Boden nieder und blieb dort ausgestreckt liegen. Zwar war der Schnee geschmolzen, doch der Boden war noch gefroren und steinern. Weder die Härte noch die Kälte störten ihn. Allgemein schien er gegen alle möglichen Umwelteinflüsse unempfindlich zu sein. Aber warum? Seine Gedanken wurden träger, während er merkte, wie der schützende Schlaf ihn einholte. Die neblige Wand aus Träumen glitt langsam näher, als er spürte, wie seine Körper erschlaffte und sein Bewusstsein sich zurückzog, um dem wachsamen Unterbewusstsein Platz zu machen. Der Gang war lang und schmal. Schwere Schritte hallten von den massiven Steinwänden wider, während schmale Lichtstreifen seinen Weg erhellten. Etwas trieb ihn zum Ende des Ganges, dem gleißenden Licht entgegen. Hinter ihm hörte er Stimmen und weitere Schritte, doch er wusste, dass es niemand wagen würde, ihm zu folgen. Die Geräusche verstummten, als er den Gang hinter sich ließ. Er trat durch die offenen Türflügel in die vom Licht geflutete Bibliothekshalle. Wie ein Labyrinth bauten sich die Bücherregale vor ihm auf. Dies alles war ihm durchaus vertraut, so vertraut, dass er jeden Winkel dieses Labyrinths kannte und selbst mit geschlossenen Augen nach einem Buch suchen konnte. Unzählige Nächte hatte er hier verbracht, allein der Mond hatte ihm dabei Gesellschaft geleistet und gewissenhaft Licht gespendet. Doch in letzter Zeit hatte er diesen Raum kaum betreten, viel zu hektisch war sein Leben geworden, als dass er sich den Luxus eines guten Buches leisten konnte. Jetzt jedoch, auf seinem vielleicht letzten Gang durch das Anwesen seiner Familie, war der Drang groß, sich noch ein paar Stunden hier aufzuhalten. Gedankenverloren strich er über die verschiedensten Buchrücken. Früher war dies sein Zufluchtsort gewesen, doch im Laufe der Jahre hatte man sein Versteck entdeckt und er musste sich den 'wichtigen' Dingen des Lebens zuwenden. Kopfschüttelnd wandte er sich ab und setzte seinen Weg fort. Nachdem er die gesamte Länge des Raumes durchquert hatte, blieb er vor einer Tür stehen. Sie war klein und trotz ihrer vielen Verzierungen wirkte sie unscheinbar. Das auffälligste war wohl das große Eisenschloss mit seinen 3 Riegeln, welches jedem Unbefugten den Eintritt verwehrte. Aus seiner Hosentasche zog er einen kleinen Schlüssel, welchen er in das Schlüsselloch steckte und langsam umdrehte. Mit einem hörbaren Klacken öffnete sich das schwere Schloss und ließ ihn eintreten. Er betrat den dahinter liegenden hohen Raum, die Ahnenhalle. Hier wurden seit Jahrhunderten die seltsamen Schätze seiner Familie aufbewahrt und gehortet. Zwischen dem ganzen Plunder befanden sich auch einige Dinge von großem Wert, doch er hatte momentan kein Auge dafür. Stattdessen steuerte er die große, gegenüberliegende Wand an, an der die Bilder seiner Familie hingen. Wie oft war er als Kind vor ihr auf und abgegangen, weil er die Namen seiner Urahnen hatte auswendig lernen müssen. Damals war er noch voller Ehrfurcht für die Gemälde gewesen. Heute ging er wieder vor ihnen auf und ab. Nachlässig las er die Namensschilder mit den Geburts- und Sterbedaten. Auch die Namensplaketten seiner Eltern waren bereits vervollständigt wurden, genau wie die seines ältesten Bruders, welcher letzten Winter im Krieg gefallen war. Je näher er dem Ende der Bildergalerie kam, desto langsamer und bedächtiger wurden seine Schritte. Er passierte die Abbildungen seiner anderen Brüder und stoppte, bevor er das seines ersten Cousins erreicht hatte. Er mochte keine Bilder von ihm und dieses überdimensionale Portrait schon gar nicht. Ruhig besah er sich das kleine vergoldete Schild, auf dessen Oberfläche sein Name eingraviert war. Sein Name und sein Geburtsdatum. Bald würde sich noch ein zweites Datum hinzugesellen. Ja... ~ soweit so gut! (oder so schlecht ô.o?) Ich habs satt, dauernd nur 'er' zu schreiben, darum kommt dann wohl im nächsten Kapi sein Name ans Licht.^^ Langsam nähern wir uns also dem Geschehen. XD Iwie mag ich die alte Kräuterfrau...keine Ahnung warum...eigentlich sollte sie auch nur einen kleinen Auftritt haben, aber dass hab ich dann mal spontan ausgedehnt.^^ Grüßelchen!! Kommi? :3 Kapitel 4: Unexpected Events ---------------------------- Zuerst wünsche ich allen natürlich nachträglich noch ein schönes neues Jahr voller kreativer Höhenflüge! Nun zum eher nicht so schönen Teil....ich war am überlegen, ob ich die Lit (ich mag die Abkürzung XD) auf mexx abbreche. Einerseits weil sich nicht wirklich wer für interessieren scheint, andererseits weil ich in letzter Zeit eher unkreativ und wenn dann Lit untreu war...da ich aber noch bis Kapi 6 was im Peto hab, wirds erstmal weiter gehen..... Devil's Playground - Unexpected Events Die Nacht hatte noch nicht geendet, als sein Unterbewusstsein sich alarmierend meldete. Bis dahin hatte er ruhig und bewegungslos in seinem Dämmerzustand auf den kalten Erdboden gelegen. Er war sich nicht sicher, was ihn aufgeschreckt hatte, ein Rascheln vielleicht oder ein kleiner Windstoß, doch er war fast sofort erwacht. Langsam setzte er sich auf und lockerte seine, von der unbequemen Lage steif gewordenen, Muskeln. Als er sich forschend umsah, konnte er nichts Besonderes entdecken, was ihn aufgeschreckt haben könnte. Den Boden konnte er kaum ausmachen, da schwerer, weißer Nebel über der Landschaft hing. Sein Gesicht fühlte sich seltsam warm an ganz im Gegensatz zu seinem restlichen eher klammen Körper. Unbedacht leckte er sich über die Lippen. Ein süßlich, leicht metallischer Geschmack machte sich in seinem Mund breit und ließ ihn stutzen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und hielt anschließend seine Hand ins Licht, um zu sehen, um was es sich da handelte. Eine dickflüssige Flüssigkeit klebte an seinem Handrücken und färbte diesen dezent rot. Misstrauisch zog er seine Augenbrauen zusammen. Wenn ihn nicht alles täuschte, handelte es sich bei der Flüssigkeit um Blut, doch er schien eigentlich nicht verletzt zu sein. Sicherheitshalber tastete er noch einmal seine Lippen ab, doch spürte er keinen Schmerz. Ohne groß nachzudenken leckte er seine blutverschmierten Finger ab. Während er sich gänzlich erhob, stieß er plötzlich gegen etwas Weiches und Warmes. Er drehte sich zu der Stelle um, an der er das Hindernis vermutete, doch erkannte er nur einen größeren Schemen auf den Boden, da der Nebel das Ding vor seinen Augen verschleierte. Neugierig hockte er sich hin, um einen besseren Blick zu erhaschen. Mit einem entsetzten Aufschrei sprang er jedoch augenblicklich wieder auf und stolperte rückwärts gegen einen Baum, an den er sich Halt suchend anlehnte. Sein Atem ging stoßweise und auf seiner Stirn stand kalter Schweiß. Entgeistert starrte er auf den Körper, der dort regungslos am Boden lag. Er hatte neben einer...Leiche gelegen?! Es war unwahrscheinlich anzunehmen, dass derjenige noch lebte, schließlich bestand fast der ganze Boden rings um den toten Körper aus einer einzigen Blutlache. Nachdem er sich vom ersten Schock erholt hatte, beugte er sich noch einmal herab, um sich zu vergewissern, was denn überhaupt geschehen war. Die Person, eindeutig ein ziemlich kräftig gebauter Mann, lag auf dem Bauch und rührte sich auch nicht mehr, als er vorsichtig geschüttelt wurde. Lange schien er jedoch noch nicht tot zu sein, da sein Körper noch nicht ganz erkaltet war, jedoch kannte er sich damit auch nicht wirklich aus. Zögerlich und mit einigem Kraftaufwand drehte er den Toten auf den Rücken, nur um erneut entsetzt und angeekelt zurück zu schrecken. Der Hals der Leiche war beinahe völlig zerfetzt worden, hier und da konnte er sogar einige Knochen erkennen. Er schluckte mühsam den Kloß in seinem Hals herunter und zwang sich, nicht in das tote Gesicht zu blicken, aus Angst, die leblosen Augen würden ihn den Rest seiner Tage im Schlaf verfolgen. Aber warum hatte ein Toter neben ihm gelegen, als er geruht hatte? Wieso hatte er den offensichtlichen Mord nicht mitbekommen? Langsam kamen ihm Zweifel. Hatte er nicht kurz vor dem Erwachen etwas Eigenartiges wahrgenommen? Lag er nicht nach dem Erwachen anders da, wie er eingeschlafen war? Und die Frage, die ihn mehr als alle anderen beunruhigte: warum hatte Blut an seinen Lippen geklebt? Zum wiederholten Male näherte er sich der Leiche, um die Wunde genauer zu betrachten. Zu seiner eigenen Abscheu fand er dezente Bissspuren am Hals der Leiche. Stammten sie etwa von einem wilden Tier? Einem unbestimmten Drang folgend streckte er sie Hand aus und berührte die Wunde. Er sah deutlich, wie das dickflüssige Blut aus dem zerfetzten Körper drang. Dunkelrot und verlockend, so verlockend köstlich. Wie in Trance beugte er sich weiter nach vorn, geführt von dem außergewöhnlichen Anblick und dem verführerischen Duft von Blut, welcher ihm die Sinne zu vernebeln schien. Sein Körper wollte mehr davon, er verlangte regelrecht danach. Erneut schmeckte er den faszinierend metallischen Geschmack auf seiner Zunge und genoss das Gefühl des Blutes, welches in seinen Mund floss und seine trockene Kehle herab ran. Instinktiv drückte er sich näher zu der süßen Quelle hin und umfasste den nun mehr kalten Körper mit einem Arm. Die Berührung holte ihn schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Vollkommen überrascht und entsetzt von seiner eigenen Tat zuckte er schnell zurück und schlug sich die Hand vor den blutverschmierten Mund. Was hatte er gerade getan?! Er war einfach seinem Instinkt gefolgt und hatte das Blut einer Leiche getrunken. Er hatte Blut getrunken und einen Toten entehrt! Angewidert von sich selbst verzog er den Mund und wischte sich geistesgegenwärtig schnell das Blut am Hemdsärmel ab. Doch das mit Abstand widerwärtigste an seiner Tat war, dass er es noch nicht einmal als schlimm empfunden hatte. Im Gegenteil, es war gar nicht mal schlecht gewesen, wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann hatte er es sogar, in gewisser Weise …. genossen. Schnell schüttelte er den Kopf. Oh nein, diesen bescheuerten Gedanken musste er loswerden! Gegen seinen Willen erinnerte er sich an die Worte von Madame Bouvari. „Sie sind von etwas Unnatürlichen besessen, jawohl, ich weiß nicht, was es ist oder was Sie sind, aber Sie sind definitiv kein Wesen Gottes!“ Kein Wesen Gottes....besessen....sollte die Alte wirklich in allem Recht behalten? Sein Blick traf erneut den geschändeten Körper. Hatte er etwa auch diesen Mann umgebracht? Nein, das konnte nicht sein.... das durfte nicht wahr sein! Sein Körper begann unkontrolliert zu zittern und sein Blick wurde mit der zunehmenden Erkenntnis immer ängstlicher. Es gab keine andere Möglichkeit, dies musste sein Werk sein! Voll Verzweiflung schlug er sich die Hände vor das schamerfüllte Gesicht und begann leise zu schluchzen. Das konnte einfach nicht wahr sein! „Oh doch, es ist wahr! Dies ist allein dein Werk!“ Der Schreck des Erkennens fuhr ihm durch Mark und Bein. Das war die Stimme aus seinem Traum! Das war derjenige, der ihn gefoltert hatte! „Für einen Anfänger hast du dich noch nicht einmal schlecht angestellt.“ Ängstlich blickte er sich um. Die Stimme schien von überall her zu kommen. Panisch stürzte er ohne nachzudenken los. Sein Überlebenstrieb sagte ihm, dass er fliehen musste. Egal wohin, doch die Stimme durfte ihn nicht erreichen! Während er sich halb rennend, halb stolpernd von dem Ort des Geschehens entfernte, dröhnte ihm das abscheuliche Lachen in den Ohren und schien ihn praktisch zu verfolgen. Er merkte nicht, wie er immer schneller wurde, schneller, als es für einen Menschen normal war. Auch wunderte er sich nicht darüber, dass er trotz der vielen Steine und anderen Hindernisse ohne stolpern oder schlittern voran kam. All seine Wahrnehmung und all sein Denken drehten sich um seine Flucht, er konzentrierte sich vollkommen darauf, sein Leben zu retten. In Sekundenbruchteilen hatte er den Wald durchquert, doch ihm war es, als wäre er Stunden unterwegs. Als er aus dem Dunkel des Waldes heraus brach, stolperte er zuerst ein paar Schritte in das offene Feld hinein, bevor er stehen blieb und erschöpft zusammenbrach. In der kurzen Zeit hatte er sich völlig verausgabt, seelisch und körperlich. Müde und mit schweren Gliedern erhob er sich, um sich weiter über die Felder zu schleppen, welche die aufgehende Morgensonne bereits in ein rötliches Licht tauchte. Wie sollte es jetzt nur weitergehen? Das Feuer prasselte und knisterte fröhlich vor sich hin, während er in mollig warmen Decken eingehüllt davor saß und abwesend in die Flammen starrte. Äußerlich vollkommen ruhig verweilte er nun schon einige Stunden in dieser Haltung, doch in seinem Inneren tobte ein wilder Sturm. Ein Bauer hatte ihn orientierungslos herum irren sehen und sich ihm angenommen. Er glaubte wohl, der erschöpfte junge Mann wäre von Wegelagerern überfallen wurden, wie es in dieser Gegend nicht selten vorkam und bat ihm eine Bleibe an. Froh über die unerwartete Hilfe nahm er das Angebot ohne zögern an. Seitdem saß er vor dem Kamin und dachte nach. Das ältere Bauernehepaar war bereits wieder auf dem Feld und so blieb er ungestört. Diese neue Entdeckung gefiel ihm nicht. Er kam auf gewisse Weise damit klar, anders zu sein. Aber ein Mörder und Leichenschänder zu sein, das war etwas, womit er sich nicht so einfach abfinden konnte. Dies entsprach nicht seinen Überzeugungen, es war gegen seine Natur. Und dann war da noch das, was er eigentlich vergessen wollte, doch es schlich sich immer wieder in seine Gedanken ein. Warum hatte er das Blut getrunken? Woher kam dieses unstillbare Verlangen danach? Es gab so vieles, was er nicht wusste, was er nicht verstand. In seinen Gedanken ging er die Erlebnisse der letzten Tage noch einmal durch und listete die Dinge der Reihe nach auf, die ihm am bedeutendsten erschienen. Er war an einem Ort erwacht, den er offenbar nicht kannte. Es gab keinen Hinweis, wie er dorthin gelangt war. Weder Geld noch Waffen hatte er bei sich gehabt. Seine gesamten Erinnerungen waren verschwunden. Darüber hinaus wurde er offensichtlich verfolgt. Eine alte Frau behauptete, er sei kein menschliches Wesen. Er hatte keinen Schatten. Während er schlief hatte er wahrscheinlich einen Mann getötet und dann dessen Blut getrunken. Nachts suchten ihn Träume heim, welche scheinbar auf Erinnerungen basierten. Außerdem gab es da noch eine weitere Erkenntnis, welche zwar nicht allzu beunruhigend war, jedoch von großer Bedeutung schien. Sollte er seinem letzten Traum glauben schenken, dann lautete sein Name Vincent. Vincent de Chatelier. ...bevor ich mich jetzt vollningelt....ich MAG seinen Namen! Ja okay, er ist jetzt nicht gerade außergewöhnlich, aber er passt zu ihm, find ich.^^ (Ich danke meinem Chemielehrer, dass er uns das Prinzip von Brown und Chateliere aufgezwängt hat!^^) So, das war dann auch meine erste 'vampirische' Szene...zufrieden bin ich nicht gerade damit, aber naja. Ô.o So, genug gelabert XD *Dose Kekse hinstellt* Kommi? Kapitel 5: The Voice Within --------------------------- Devil's Playground - The Voice Within „Vincent!“ Seit er das Pferd bestiegen hatte, welches der freundliche Bauer im geschenkt hatte, verfolgte ihn dieser Ruf unaufhörlich. „Vince!“ Es war nicht die Stimme seines Verfolgers, da war er sich sicher. Stattdessen hatte sie etwas vertrautes und angenehmes. Noch konnte er die Stimme nicht zuordnen, doch er wusste, dass er den Rufer mit Sicherheit bekannt war und das gab ihm auf seltsame Weise ein gutes Gefühl. Er begann sich wieder zu erinnern. Vincents Pferd, welches wohl eher den Titel klappriger Gaul verdient hätte, trottete ruhig die schmale Straße entlang. Das kleine Wäldchen, welches er gerade passierte, war bereits vom Frühling eingenommen worden und zarte, kleine Knospen begannen die kahlen Bäume neu zu beleben. Von aller Anspannung gelöst, die ihn die letzten Tage begleitet hatte, lehnte er sich im Sattel zurück und genoss die kühle Frühlingsluft. Überraschender Weise fühlte er sich ausgesprochen wohl auf dem Rücken des Pferdes. Alle trüben Gedanken wurden weit weg geschoben und das kleine bisschen Zweifel, das zurück blieb, ignorierte der junge Mann gekonnt. Jetzt würde alles gut werden. Er hatte jetzt nicht nur einen Namen, nein, Vincent hatte jetzt auch wieder eine Herkunft. Noch im Dorf hatte er sich erkundigt, ob der Name 'de Chatelier' jemanden geläufig sei und, siehe da, die Chateliers besaßen ein größeres Ansehen ganz in der Nähe, nur einen halben Tagesritt von Vincents Unterkunft entfernt. „Vincent!!“ Doch je näher er seinem Ziel kam, desto lauter rief die Stimme in seinem Kopf. Fast so als wolle sie ihn warnen. Sein ungutes Gefühl versuchte sich immer wieder in den Vordergrund zu drängen, ihn zum Umkehren zu bewegen, aber er war zu entschlossen, um nachzugeben. Zu viel hing hiervon ab, er musste diesen Weg zu Ende gehen, sonst würde er vielleicht nie wirklich genau wissen, wer er eigentlich war. „Vincent, wie kannst du nur?“ Er versuchte nicht auf die Verzweiflung und Trauer der Stimme zu hören. Heute war sein Glückstag und den würde er sich unter keinen Umständen vermiesen lassen! Die Eisen der notdürftig beschlagenen Hufe seines Pferdes klackten dumpf auf dem Steinpflaster der breiten Straße, welche sich nun vor ihm auftat. Sein Ziel war nahe. An einem kleinen sprudelnden Bach machte er noch kurz Halt und ließ sein Reittier rasten, schließlich war es nicht mehr das Jüngste. Vincent kniete am Rande des Bächleins nieder und schöpfte mit den Händen ein wenig des klaren Wassers. Er war nicht durstig, doch er hatte das dumpfe Gefühl, dass sein letzter Schluck Wasser viel zu lange zurücklag. Es musste die Aufregung sein, die alle seine sonstigen Bedürfnisse verdrängte. Nachdem er seine trockenen Lippen befeuchtet hatte, beschloss er, sich noch etwas umzusehen. Die Gegend schien ausgesprochen friedlich und idyllisch. Fast schon zu schön. Leichtfüßig erklomm der junge Suchende den Weidehügel, welcher sich unweit seines Rastplatzes befand. Vor ihm breitete sich nun das Tal in seiner ganzen Größe aus. Er sah, wie der kleine Bach zu einem Strom wurde und dass die steinerne Straße ihn zu einem etwas größeren Dorf führen würde. Ansonsten schien das Tal jedoch nicht groß bevölkert zu sein. Vincents Blick richtete sich auf das auffälligste Gebäude in der Umgebung, eine Burg, welche sich abseits am Rande des Tales aus einem dichten Wald erhob. Die Schlichtheit ihrer grauen Mauern schien ihn förmlich anzulocken. Ein stummer Drang befahl ihm, sich sofort zu der Burg auf zumachen, das musste das Anwesen seiner Familie sein! Andererseits war da wieder diese besorgte Stimme in seinem Kopf, die ihn zur Vorsicht mahnte. Vielleicht sollte er sich doch zuerst ins Dorf begeben und weitere Informationen sammeln, bevor er leichtsinnig etwas riskierte. Schweren Herzens riss er sich vom Anblick seiner vermutlichen einstigen Heimat los und lief zügig zurück zu seinem Pferd. Die Zeit des Wartens und des Ausharrens in Ungewissheit war nun endlich vorbei! Das Dorf wirkte schwerfällig, ja fast schon depressiv. Die niedrigen Häuser schienen jeden Moment in sich zusammen zu fallen und mit den Menschen schien es sich nicht anders zu verhalten. Kaum jemand hielt sich auf der Straße auf. Er hörte hier und da ein paar Fensterläden zuknallen und sah lediglich ein paar ältere Herren vor einem Haus Karten spielen. Beachtung schenkte ihm jedenfalls niemand. Alles hier schien nur noch vor sich hin zu vegetieren. Selbst die Straße begann ab dem Dorfanfang stetig schlechter zu werden und auch die Bäume machten selbst für Trauerweiden einen erbärmlichen Eindruck. Dies war definitiv kein Ort, an dem sich der junge Mann sicher fühlte. Andererseits hatte er so etwas nie zuvor gesehen. Zumindest nahm Vincent das an. Von oben hatte das schmale Tal einen fast schon paradiesischen Anblick abgegeben und dann fand er so ein Dorf vor? Irgendetwas schien hier gewaltig schief gelaufen zu sein. Er lenkte sein Pferd weiter die schlechte Straße hinab, in der Hoffnung vielleicht doch noch etwas erfreuliches zu erblicken. Stattdessen fiel sein Blick auf den Himmel, der sich immer weiter zu zog und mittlerweile von schweren Regenwolken bevölkert wurde. Die düstere Unwetterstimmung senkte sich über das kleine Dorf wie ein dichter Nebelschleier und schien es vollends einzuhüllen. Das machte dies alles für ihn nicht unbedingt sympathischer. Anscheinend war das doch nicht so ganz sein Glückstag. Auch die Stimme hatte sich seit seiner Ankunft im Dorf nicht mehr gemeldet. Vincent war sich nur noch nicht sicher, ob das nun gut oder schlecht war. Die ersten Regentropfen benetzten gerade die staubige Straße, als Vincent vor einem eindrucksvollen aber heruntergekommenen Wirtshaus hielt. Zumindest würde es ihm Schutz vor dem Regen bieten und vielleicht fanden sich auch ein paar Informationen über seine Familie oder über die seltsame Burg am Rande des Tales, die eine solche Anziehungskraft auf ihn zu haben schien. Gerade hatte er die ersten Stufen des Wirtshauses erklommen, sprang ihm die Tür entgegen und eine kleine Gestalt huschte aus der warmen Schenke hinaus in die Dunkelheit. Den Kopf gesenkt und sich die Kapuze weit ins Gesicht ziehend flog sie schon fast die Treppen herab und rempelte ihn kurz an, um auch schon wieder an ihm vorbei in die dunklen Straßen zu verschwinden. Vincent reagierte instinktiv und hielt die kleinere Person blitzschnell am Handgelenk fest und zog sie mit Schwung wieder zu sich herum, um ihr von Angesicht zu Angesicht begegnen zu können. Noch bevor er über den Grund seiner Handlung nachdenken konnte, zog die eingefangene Person seine Aufmerksamkeit fast schon zwanghaft an. Es handelte sich um eine junge Frau, die sich unter heftigen Flüchen versuchte von seinem Griff zu befreien. Die dunklen Haare fielen ihr wild ins Gesicht, welches, wenn es von allem ihm anhaftenden Schmutz befreit wäre, vielleicht sogar als schön bezeichnet werden müsste. Die junge Frau hob nun den Kopf, um ihn mit ihrem stechenden Blick zu fixieren und Vincent mit weiteren Schimpfwörtern zu betiteln, als sie abrupt inne hielt. Sie hörte schlagartig auf, sich gegen seinen Griff zu währen, stattdessen weiteten sich ihre Augen nun vor Schreck und vor lauter Ungläubigkeit blieb ihr der Mund offen stehen. Auch in Vincent regte sich das dumpfe Gefühl der Wiedererkennung, doch konnte er das Gesicht der Frau nirgends zuordnen. Doch blieb ihm auch kaum Zeit zum nachdenken, denn die Eingefangene schien sich von ihrem Schock erholt zu haben und stieß einen kurzen, spitzen Schrei aus und nutze die Überraschung des jungen Mannes, um sich loszureißen. Schnell stolperte sie ein paar Schritte rückwärts, um Abstand zu gewinnen, jedoch schienen sich ihre Augen noch nicht von seinen trennen zu können. Perplex schüttelte sie den Kopf, als wolle sie sich selbst davon überzeugen, dass sie nicht halluzinierte. „Unmöglich.“, flüsterte sie,„Vollkommen unmöglich!“ Noch bevor Vincent etwas entgegnen konnte, hatte sich die junge Frau auch schon umgedreht und flüchtete hektisch in eine dunkle Seitenstraße. Von dieser seltsamen Begegnung noch sichtlich verwirrt, stand Vincent noch eine Weile unschlüssig auf den Treppenstufen. Für eine Verfolgung war es jetzt wohl zu spät, doch wer war diese junge Frau und woher kannte sie ihn? Was hatte er ihr getan, dass sie so panisch vor ihm weg lief? Warme, stickige Luft schlug ihm entgegen, als er die Tür des Wirtshauses öffnete und hinein trat. Es hielten sich nicht viele Leute hier auf. Außer ihm schien sich kein Reisender hierher verirrt zu haben, nur ein paar Männer aus dem Dorf saßen zusammen in einer Ecke und tranken ein Bier, während den Tresen zwielichtige Gestalten einnahmen, die wohl schon seit den frühen Morgenstunden dort ausharrten und fleißig tranken. Angewidert rümpfte Vincent die Nase, als der abscheuliche Gestank von Schweiß, abgestandenem Bier und Schimmel zu ihm herüber zog. Er hoffte inständig, es würde bald zu regnen aufhören, damit er wieder von hier verschwinden konnte. Langsam schlenderte er auf einen freien Platz am Tresen zu, möglichst weit von den heruntergekommenen Säufern entfernt. Wortlos schob der Wirt ihm einen Krug Bier hin, den Vincent dankend annahm. Trübe Augen musterten ihn eine kleine Weile lang, bis sich der Wirt schließlich überwand, ihn anzusprechen. „Is' selten, dass sich 'emand 'er verirrt.“ Der etwas betagte und auffällig füllige Mann brachte beim Sprechen kaum die Zähne auseinander, zog zum Ausgleich dafür jedes Wort in die Länge. „Komm' se von weit 'er?“ „Hm? Ach, ja, kann man so sagen.“ Antwortete Vincent dem Wirt noch etwas durcheinander. „Scheint hier ja nicht viel los zu sein, davon abgesehen, dass ich gerade fast umgerannt wurde. Sagen sie, wer war diese junge Frau eigentlich?“ Innerlich hoffte er inständig auf eine ausgedehnte Antwort, doch wagte er es nicht, den Wirt mit tausend Fragen zu bedrängen und so noch mehr aufzufallen. Verächtlich stieß der Wirt kurz Luft aus. „Dat war nur de dreckige kleine Pamina. Kümmern se sich nich weiter 'drum.“ Pamina? Das war kein allzu geläufiger Name, hatte er ihn schon einmal gehört? „'at gebettelt, für sich und ihr'n winz'gen Bastard, de Hure. Selbst schuld, 'at sich ja dn Bauch fülln lassn, soll se machen, dat se fortkommt! Könn' mer 'er nich gebrauch'n so wat, jawohl!“ Nach seiner kurzen Ansprache schien der Wirt befriedigt und wandte sich wieder seinen verlausten Stammkunden zu. Erneut überkamen Vincent Zweifel. Kannte er diese Pamina wirklich oder verwechselte er sie nur mit jemanden? Dem Wirt zumindest schien er vorher noch nicht begegnet zu sein. Letztendlich war er doch geblieben, nachdem der Wirt ihm ein billiges Zimmer und somit ein schützendes Dach über dem Kopf geboten hatte, denn das Unwetter war während seines Aufenthalts in der Schenke keinen Deut besser geworden. Nun lag Vincent mal wieder mit dem Rücken auf einem Bett und dachte nach, wie so oft in letzter Zeit. Was sollte sein nächster Schritt werden? Sollte er sich im Dorf umhören oder doch nach dieser Pamina suchen, in der törichten Hoffnung, sie könnte ihm eventuell weiter helfen? Aber da war auch immer noch die geheimnisvolle Burg... Da er sich sicher war, in dieser Nacht zu keinem Ergebnis mehr zu kommen, drehte er sich auf die Seite und beschloss endlich zu schlafen. Die leise Stimme rief ihn durch den nahenden Schlaf hindurch. „Vincent“ Er hörte, wie die schnellen Schritte vom Gang her zu ihm herüber hallten. „Vincent!“ Anscheinend hatte er sich doch geirrt, es gab eine Person, die es wagte, ihm zu folgen. Und es war natürlich die Person, die es am besten vermochte, ihm ein schlechtes Gewissen zu bescheren. Vincent drehte den übergroßen Abbildern seiner Ahnen den Rücken zu und ging seinem Verfolger langsam entgegen. Wie erwartet, war es ein junger Mann, der mit aufgelöstem Gesicht auf ihn zu eilte. Er war nur um wenige Jahre jünger als Vincent und trug ähnlich prunkvolle Kleidung, nur dass er sie weniger gut ausfüllte. „Vincent, wie kannst du nur!“ Völlig außer Atem kam der junge Mann vor ihm zum stehen. „Antoine! So beruhige dich doch!“ Der Anblick versetzte ihm einen kleinen Stich, so blass und verzweifelt wie Antoine aussah. „Aber Vince, das ist Wahnsinn. Das kann einfach nicht dein Ernst sein!“ „Ich muss die Ehre unserer Familie verteidigen.“, lautete seine ruhige Erwiderung. „Jetzt komm mir nicht mit Ehre!“ , schnaufte Antoine empört, „Als hättest du dich je vorher darum geschert! Niemandem lag seit jeher die Familie weniger am Herzen als dir, ich kann unsere Väter heute noch darüber klagen hören. Ich kenne dich zu gut, um zu wissen, dass du deine Meinung dahingehend nie ändern würdest. Also sei ehrlich mir gegenüber Vincent! Vertraust du mir denn nicht mehr?“ Er hatte dies kommen sehen und doch hatte er nicht geschafft, dieses Gespräch zu verhindern. Warum hatte er sich nicht beeilt, dann hätte er Antoine das alles ersparen können! „Natürlich vertraue ich dir, mehr sogar, als jedem anderen. Doch ich werde dieses Duell bestreiten, es ist meine Pflicht.“ „Es ist doch vollkommen sinnlos! Wegen einer so kurzweiligen Liebelei sein Leben zu riskieren! Das ist doch sonst auch nicht deine Art, wo bleibt deine sonst so störrische Vernunft? Entschuldige dich bei ihrem Verlobten und lasse dem Baron, ihrem Vater, eine angemessene Summe zukommen und dann ist alles geklärt. Louis unterstützt dich bestimmt, wenn du ihn darum bittest. Nur verhindere dieses wahnwitzige Duell!“ „Antoine.“ Beruhigend legte er die Hände auf dessen Schultern. „Aber das ist doch blanker Selbstmord!“ „Und wenn schon. Es ist gut so, wie es ist, glaube mir.“ Er schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln. „Vince … willst du etwa – sterben?“ ------------------------------------------------------------------------------ So und doch noch ein Kapi.... Ich mag es, es enthält wichtige andeutungen für noch kommendes. =) Das dörfchen ist mal wieder völlig klischeehaft geworden, aber ich mag es so.^^ aber jetzt hört der arme vince schon 2 stimmen...oh je oh je ;D Ich weiß nicht, was mich geritten hat, aber mir war danach, eine figur nach einem berühmten 'stück' zu nennen und das einzige was mir spontan eingefallen ist, war mozarts zauberflöte XD aber immerhin heißt sie nich papagena^^ *keksdose aufmach* Kommi? Kapitel 6: In The Light Of Day ------------------------------ Devil's Playground - In The Light Of Day Mürrisch setzte er sich im Bett auf und verfluchte leise die Tatsache, dass die Fenster hier keine Fensterläden hatten und die Morgensonne ihn somit keck blendete. Er hatte äußerst schlecht geschlafen und nach seinem seltsamen Traum, aus dem er nicht viel schlauer wurde, als aus denen davor, kein Auge mehr zu bekommen. Zusätzlich hatte sich diese Pamina noch in seinen Gedanken festgesetzt und allmählich fühlte sich sein Kopf auch noch so an, als stünde er kurz vorm Platzen. Und wer war dieser Antoine, dessen Aussehen ihn so an sich selbst erinnerte? Konnte er dem Traum Glauben schenken oder spielte sein Unterbewusstsein ihm nur einen dummen Streich? Entnervt schüttelte er den Kopf. Langsam wurde ihm das alles zu viel. Vincent quälte sich langsam aus dem Bett. Unterwegs zum Fenster hob er beiläufig seine herumliegenden Sachen auf und zog sich langsam an. Im grellen Licht des Tages schien ihm das Dorf wie ausgewechselt. Allerlei Leute tummelten sich auf der Straße und jedes Häuschen wirkte ein bisschen freundlicher, auch wenn sich der stetige Verfall nicht ganz vertuschen ließ. Um den letzten Hauch Müdigkeit aus seinem Körper zu vertreiben streckte er sich kurz sorgfältig, bevor er sich auf den Weg nach unten machte, um nach zu sehen, ob der Wirt nicht etwas zum Frühstücken da hatte. Auch wenn er jetzt keinen verspürte, so würde der Hunger sicherlich noch kommen. Vielleicht würde dieser Tag doch noch ein guter werden. Entgegen seiner Hoffnungen waren seine Kopfschmerzen mit dem spärlichen Frühstück, welches er sich notgedrungen und ohne den geringsten Hunger hinein gezwungen hatte, nicht verschwunden. Das ständige dumpfe Dröhnen nahm ihm seine übliche Ruhe und wurde zusätzlich mit jedem Schritt seines müden Pferdes heftiger. Zum ersten Mal spürte Vincent, wie sehr dies alles an ihm zerrte. Sein Körper fühlte sich schlapp und müde an, während sein Kopf schlicht und einfach nicht mehr nachdenken wollte. Schönes Wetter hin, schönes Wetter her, dass machte das Ganze nun auch nicht besser. Das einzige Angenehme war der Gedanke an sein nächstes Ziel, dass ihn hoffentlich einen Schritt weiter bringen würde. Da er weder Lust hatte das Dorf nach Informationen zu durchkämmen, noch nach dieser Pamina zu suchen, führte sein Weg ihn jetzt zu der Burg am Rande des Tales. Vielleicht konnte er ja auf dem Weg dahin etwas entspannen. Weit vor ihm am Horizont erstreckte sich in einem gewaltigen grünen Wall der dunkle Wald, welcher das Tal umgab. Die Bäume standen dicht an dicht und reckten sich gemeinsam gen Himmel. Auch beim näher Kommen, konnte Vincent nur wenige kleine Lichtstrahlen erkennen, die den dichten Baumkronen entkommen waren und nun den schmalen Pfad Licht spendeten, der sich geschickt zwischen den mächtigen Bäumen hindurch schlängelte. Ungewollt machte sich ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend breit. Dieser Wald schrie geradewegs nach Dieben, Raubmördern und anderen zwielichtigen Gestalten, denen man lieber nicht begegnen wollte. Daher zuckte er auch leicht zusammen, als eine unscharfe Silhouette heran huschte und sich vor ihm auf den Weg stellte. Noch war genug Abstand zwischen ihnen, noch konnte Vincent umkehren, andererseits konnte er auch noch nichts Genaues erkennen. Angespannt und äußerst wachsam ritt er langsam weiter und behielt seinen fragwürdigen Gegner genauestens im Auge. Je näher er kam, desto schärfer erkannte er die Umrisse der auf der Straße stehenden Person. Erleichtert stieß Vincent die angehaltene Luft aus, als er erkannte, dass es sich um eine eher zierliche Frau handelte. Dies war jedoch noch lange kein Grund, jetzt leichtsinnig zu werden, die Frau könnte schließlich auch als Lockvogel dienen. Doch so heruntergekommen, wie sie aussah, verwarf er diese Vermutung schnell wieder, er müsste schon ein sehr verzweifelter Mann sein, um auf dieses Weib anzuspringen. Unruhig trat sie von einem Bein aufs andere und strich sich fahrig die Haare aus dem Gesicht. Nein, von ihr schien keine ernstzunehmende Gefahr auszugehen, vermutlich war sie lediglich eine Bettlerin, die ihr Glück bei ihm versuchen wollte. Vincent war schon halb an ihr vorbei geritten, als sie plötzlich herum schnellte und seinen Fuß in einem unerwartet eisernen Griff festhielt. Verärgert wollte er sie schon mit einem kräftigen Tritt gegen die Brust wegstoßen, als er plötzlich einen Blick in ihr Gesicht erhaschte. Pamina. War sie ihm etwa gefolgt? Kurz entschlossen sprang Vincent von seinem Pferd und während die erschrockene Pamina durch seinen Schwung ein paar Schritte zurück stolperte, zog er ihr mit einer schnellen Bewegung die Kapuze vom Kopf. Ja, er hatte sich nicht geirrt, sie war es wirklich. „Warum bist du mir gefolgt?“ Seine Worte klangen strenger, als er es beabsichtigt hatte. Die junge Frau gab ihm keine Antwort, stattdessen starrte sie ihn nur aus ihren großen karamellfarbenen Augen an. Sie waren schön und doch konnte man in ihnen die ersten kleinen Anzeichen ihrer geistigen Verwirrung erkennen. „Du kennst mich, nicht wahr, Pamina?“ Diesmal versuchte Vincent, seine Stimme vertrauensvoller klingen zu lassen. Doch Pamina begann nur wieder ihren Kopf ruckartig hin und her zu schütteln. Irrsinn blitze in ihren Augen und ihre Stimme klang schrill, fast so, als hätte sie seit Wochen kein Wort mehr gesprochen, dabei hatte er sie erst gestern reden hören. „Kennen...kennen...niemanden, niemanden kenn ich!“ Sie fing an, leise vor sich hin zu kichern. „Ich kenn dich nicht, du kennst mich nicht, keiner kennt mich. Und niemand niemand niemand kennt dich!“ Kaum hatte sie ihren kurzen Singsang beendet, fing sie auch schon an hysterisch zu lachen. Nun war er es, der geschockt zurückwich. Was redete sie da für ein Kauderwelsch, war diese Pamina nun vollends dem Irrsinn unterworfen? Das Glück schien wahrlich vor ihm wegzulaufen, da hatte Vincent schon mal jemanden gefunden, der ihn zu kennen schien, war ausgerechnet diese Person nicht zu gebrauchen. Welcher Fluch lag nur auf ihm? Pamina sprang derweilen am Wegrand hin und her, auf und ab, ihr Lachen war noch nicht verklungen. Was war dieser armen Person nur zugestoßen? Gestern Abend war sie ihm noch nicht so absonderlich vorgekommen, da hätte man aus ihr sogar, wenn auch mit viel Seife und einer geübten Hand, eine ganz passable Frau machen können. Trübsinnig schüttelte er den Kopf, solche Gedanken brachten ihn nun auch nicht weiter. Leichtfüßig schwang er sich zurück auf seinen, vom Alter geplagten, Gaul und ließ die völlig von der Realität losgelöste Pamina am Wegesrand zurück. Diese hielt unerwartet in ihrem ungelenken Freudentanz inne und trat erneut auf ihn zu, doch dieses Mal weit aus gefasster. Ihre Augen blickten ihm klar entgegen, als sie den Kopf zu ihm hob, der trügerische Schleier des Wahnsinns hatte sich für einen weiteren Augenblick zurückgezogen. „Du – du bist doch echt, nicht wahr? Wirklich echt?“ Fast schon verzweifelt flehten ihn ihre Worte an, die Hand hatte sie auf sein Bein gelegt, als wolle sie sich selbst davon überzeugen, dass er kein Trugbild ihres verstörten Geistes war. Vincent konnte nur verständnislos die Stirn in Falten legen. Ob er echt war? Was sollte das für eine Frage sein! Mit wachsendem Unmut schlug er ihre Hand beiseite und gab seinem Tier die Sporen. Wortlos ließ er Pamina hinter sich zurück und ritt im gemäßigten Trab dem Waldrand entgegen. Er würde sich nicht nach ihr umdrehen. Als er auch keine Schritte hörte, die ihm folgten, atmete er erleichtert auf. Es gefiel ihm nicht, doch diese Begegnung hatte ihm doch zu denken gegeben. „Du – du bist doch echt, nicht wahr?“ Vincent hatte sich insgeheim schon auf weitere unschöne Begegnungen vorbereitet, doch seine Durchreise durch den düsteren Wald war bis jetzt ohne jegliche Zwischenfälle abgelaufen. Ein wenig beunruhigte ihn das. Alles hier schien so ruhig, verdächtig ruhig. Der Forst war alt, sehr alt sogar, wenn man nach dem Umfang der mächtigen Buchen und Erlen traute. Nur wenige Lichtflecke konnte die Sonne auf den beinahe überwucherten Pfad malen und diese erlaubten kaum einen flüchtigen Blick ins dichte Unterholz. Hier schien allein Mutternatur zu gebieten und das scheinbare Chaos aus Sträuchern, Flechten und morschen Holz zu überblicken. Ein perfektes zu Hause für jegliche Art von Waldtieren. Und genau das machte Vincent stutzig. Er ritt sicher schon seit fast einer Stunde auf dem schmalen Weg und je weiter er ins Innere des lang gestreckten Dickichts vordrang, desto weniger Spuren von auch nur einer geringen Andeutung von Leben konnte er entdecken, weder Huf- noch Pfotenabdrücke im schlammigen Morast, ja nicht einmal das leise Lied eines Vogels hatte er vernommen, so sehr er auch darauf lauschte. Die unnatürliche Stille machte ihn unruhig, ließ ihn im Sattel nervös hin und her rutschen. Noch hatte sein getreues Reittier keine Anzeichen von Scheu gezeigt, aber vielleicht war es auch einfach zu senil dafür. Endlich schien es um ihn herum heller zu werden, auch der Weg wurde breiter. Vincent vernahm ein leises Klacken, als die Hufe seines Pferdes auf Pflastersteine trafen. Hatte er das andere Ende des Waldes erreicht? Gebannt blickte er nach vorn und kniff die Augen leicht zusammen, um das, was da vor ihm lag, besser erkennen zu können. Er schien auf eine Freifläche gestoßen zu sein, begrenzt von den ältesten und mächtigsten Bäumen, die er je gesehen hatte. Bevor er den Schemen in der Mitte der Lichtung genauerer Betrachtung unterziehen konnte, wurde er je geblendet. Das beißende Licht brannte in seinen Augen und stach unerwartet heftig in seinen Augäpfeln, als wollte die Sonne ihn blenden und mit ewiger Dunkelheit strafen. Heftig presste er die Handballen auf die gepeinigten Augen. Der Schmerz breitete sich gänzlich in seinem Kopf aus und raubte ihm fast seine Besinnung. Vincent verlor sein Gleichgewicht und rutschte seitlich vom Rücken seines Pferdes, landete hart auf seiner rechten Schulter und blieb qualvoll leidend und wie ein kleines, verletzliches Kind zusammengerollt liegen. Die Zeit verstrich, ohne das etwas Weiteres geschah und der Schmerz schien sich, betont langsam, aber stetig, zurückzuziehen. Behutsam setzte Vincent sich auf und versuchte ein paar Mal tief durchzuatmen, die Hände noch immer schützend vor die Augen haltend. Nur zögerlich nahm er die Hände vom Gesicht und öffnete mit äußerster Vorsicht seine immer noch schmerzenden Augen, peinlichst darauf bedacht, jederzeit bereit zu sein, sie schnell wieder zu schließen. Nichts. Er konnte seine Augen ohne Probleme öffnen, seine Sicht war zwar noch leicht verschwommen, klärte sich aber zunehmend weiter auf. Allein ein paar schwarze Punkte und Schemen tanzten noch vor seinen Augen hin und her, die nichtigste Folge des plötzlichen Angriffs. Der junge Mann wagte es nicht, seinen Blick zur Sonne zu heben, das leichte Stechen in seinen Augenhöhlen warnte ihn vor einem erneuten Schreckenserlebnis. Mühsam richtete er sich vollends auf und sah sich lauernd, doch mit wachsender Neugier um. Die Kreisform der Lichtung war so perfekt, dass sie nur künstlich erschaffen worden sein konnte. Unweit vor sich erkannte er einen kleinen Springbrunnen, oder mehr eine verwachsene Vogeltränke. Unsicher lenkte Vincent seine zögerlichen Schritte in ihre Richtung. Wieder nichts. Was auch immer seinen plötzlichen Anfall von Höllenqualen ausgelöst hatte, es war verschwunden. Gelöst atmete er langsam aus und schob mit einer Hand die gelösten Haarsträhnen aus seinem Gesicht, um sie erneut sorgfältig im Nacken wieder zusammen zu binden. Er ging das letzte Stück zur Tränke und spritzte sich etwas von dem abgestandenen Wasser ins Gesicht, um die letzten unschönen Erinnerungen seiner Qualen zu vertreiben. Erst jetzt bemerkte er die über und über mit Efeu bewachsene Burg, die sich vor ihm erhob. Ihre massiven Steinmauern wirkten alt und begannen hie und da schon leicht zu bröckeln. Sicher hatte dieses Gemäuer seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Die schlichten Mauern schienen nicht mit Liebe oder gar der Kunst Willen erbaut, sondern um einfach zum Schutz und der einfachen Behausung zu dienen. Es fanden sich nur noch Überreste von ehemaligen Verteidigungsanlagen, welche die Burg wohl schon seit langen nicht mehr nötig zu haben schien. Das alles nahm Vincent nur am Rande wahr, denn das alte Gemäuer schien eine Art Bann auf ihn auszuwirken, tief in seinem Inneren spürte er, wie sich etwas in ihm regte. Eine flüchtige Erkenntnis, eine kleine Erinnerung. Ja, er war sich sicher, wenn er irgendwo etwas über sich und seine verlorene Vergangenheit herausfinden würde, dann hier. Mit neuem Mut beseelt, schritt er seiner aufkeimenden Hoffnung entgegen. Das große Tor war bereits morsch und knarrte leicht, als Vincent sich dagegen stemmte. Zu seiner Überraschung schwang es nicht nur sofort auf, sondern leistete ihm nicht den geringsten Widerstand und brach mit einem unschönen Laut aus den Angeln. Die Stirn runzelnd betrachtete er die lächerlichen Überreste des einst so standhaften Tores. So viel Kraft hatte er doch gar nicht daran angewendet. Er machte einem großen Schritt über die Holzsplitter hinweg und betrat den geräumigen Eingangsbereich der Burg. So alt und verfallen sie auch von Außen ausgesehen hatte, Vincent war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie nicht vor kurzen noch bewohnt worden war. Der riesige Saal der sich jetzt vor ihm auftat, war einst prachtvoll ausgestattet worden. Prächtige Teppiche bedeckten den steinernen Boden, kunstvolle Goldverziehrungen schmückten die Wände und von der hohen Decke hingen schwer beladene Kronleuchter. Hier hatte wohl jemand mit seinem Vermögen prahlen wollen und Vincent musste zugeben, dass dies alles trotz der leichten Staubschicht, die alles wie ein sanfter Schleier bedeckte, durchaus auch auf ihn beeindruckend wirkte. Nur warum hatte man dann die Fassade des Gebäudes so verkommen lassen? Nachdenklich schritt Vincent den weiten Raum einmal ab. Nein, hier kam ihm noch nichts bekannt vor. Er entschied sich dafür, erst einmal das Untergeschoss zu erkunden, bevor er sich den anderen Stockwerken zuwenden würde. Die Flure waren lang gestreckt und stanken nach Moder und abgestandener Luft. Durch die Buntglasfenster fiel nur wenig Licht herein und erhellte das verlassene Gemäuer spärlich. Mehr als ein Mal verfing sich Vincent in einem Spinnennetz und zu seinem Abscheu hätte er auch beinahe einen verwesten Ratenkadaver zertreten. Seine Schritte lenkten ihn immer weiter ins Innere, als würden seine Füße den Weg bereits kennen. Er folgte seiner Intuition, bis er auf einen schmalen Gang traf, von dem er sicher war, dass er ihn kannte. Angestrengt blickte er ins Dunkle, um sich zu vergewissern. Es war der Gang aus seinem Traum. Neugierig nahm er die wenigen Stufen hinunter. Sollte er recht behalten, würde er auf diesem Weg zur Bibliothek gelangen und von dort aus zu der Halle mit den vielen Portraits, wo er in seinem Traum mit diesem Antoine gesprochen hatte. Der schmale Gang endete und Vincent betrat zögerlich die alten Räume der Bibliothek. Doch entgegen seiner Erinnerung war dies kein prachtvoller Ort der Stille und des Wissens. Nur dürftig fiel Lichtschein auf den abgenutzten Boden und erhellte das Chaos, welches sich vor ihm auftat. Umgefallene und zerbrochene Bücherregale hatten den Boden über und über mit ihren wertvollen Schriften bedeckt. Buchseiten waren herausgerissen worden und jemand hatte achtlos seine Fußabdrücke auf ihnen zurückgelassen. Die Wandteppiche, die ihn einst mit ihren Geschichten aus aller Welt begeistert hatten, hingen nur noch zerschnitten und in Fetzen an den Wänden. Der Anblick ließ Vincent frösteln. War dies nicht der Zufluchtsort seiner Kindheit gewesen? Seine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt und seine Hände ballten sich langsam zu Fäusten. Wer hatte das getan?! Wer nur hatte all das Wissen und die Schönheit dieses Ortes so geschändet! Mit schnellen Schritten durchquerte er den Raum und hielt auf die kleine Tür am anderen Ende des Raumes zu. Doch wie er befürchtet hatte, klaffte Anstelle der Tür mit den vielen Schlössern nur noch ein Loch in der Wand. Die getreue Tür war brutal aus ihren Angeln gerissen worden und lag nun zersplittert zu seinen Füßen. Ein eiskalter Schauer lief ihm den Rücken herunter. Was immer hier auch geschehen war, er war zu spät zurückgekommen. Ja, ich lebe noch! *drop* Okay, ich könnte mich jetzt rausreden und sagen: 'Ich war im Abistress!', was aber ne faustdicke Lüge wäre -.- Ich hoffe, ich habe trotzdem nicht enttäuscht! Zwar habe ich keine Ahnung, wie eine echte Geisteskranke redet/sich verhält, aber ich denke, Pamina macht das ganz gut XD Und NEIN, sie ist kein vegetarischer Vampir wegen ihrer Augenfarbe, meine Vamps haben NIX mit Twilight zu zun! Kapitel 7: Tales Of Blood ------------------------- Devil's Playground - Tales Of Blood Zögerlich trat Vincent durch das schwarze Loch in der Wand, das einst eine Tür gewesen war. Vorsichtshalber zog er den Kopf ein, um sich nicht an den scharfen Steinkanten zu stoßen. Vor ihm tat sich nun der gewaltige Saal auf, die ausgedehnte Ahnenhalle, welche er bereits aus seinem Traum kannte. Der Raum war übermäßig hoch, als hätte man vergessen, die drei zusätzlich geplanten Stockwerke noch einzubauen. Unwillkürlich fühlte sich Vincent klein und nichtig gegenüber den Ausmaßen dieses Ortes. Sein Unbehagen verdoppelte sich mit jedem Schritt, mit dem er sich tiefer in die lang gestreckte Halle wagte. Im Gegensatz zur Bibliothek schien dieser Ort von den Eindringlingen verschont worden zu sein. Hatten sie es etwa nicht gewagt, diese altehrwürdigen Gefilde zu entweihen? Erneut überkam Vincent das drückende Gefühl, beobachtet zu werden, welches ihm zu seinem Leid, nun schon altbekannt vorkam. Immer wieder drehte und wendete er seinen Kopf in alle Richtungen, zuckte plötzlich mit dem ganzen Körper herum, nur um alles still und friedlich vorzufinden. Doch die quälende Ahnung ließ ihn nicht los, nagte an seinen Nerven und klammerte sich an seinen Verstand. Wurde er jetzt etwa auch noch verrückt? Leidlich musste er ungewollt an Pamina denken. Schnell schob er den Gedanken beiseite, er musste sich jetzt auf Wichtigeres konzentrieren. Er war ans Ende des breiten Saales gelangt, die unzähligen Augenpaare der Bildnisse seiner Ahnen starrten ihm entgegen, erhaben und vorwurfsvoll, als könnten sie bis auf den Grund seiner Seele blicken. Verunsichert zog er den Kopf ein. Dies Alles entsprach erschreckend detailgetreu seinem Traum. Oder viel mehr seiner Erinnerung? Ein kalter Schauer stahl sich über seinen Rücken, eine dunkle Vorahnung, die Vincent veranlasste die Arme schützend um seinen frierenden Leib zu schlingen. Der stolze junge Mann verspürte plötzlich den Drang, ängstlich wie ein kleines Kind davon zu laufen, um sich danach in eine stille Ecke zu verkriechen und den erlösenden Tränen freien Lauf zu lassen. Zweifel stiegen in ihm auf. Vielleicht war es ja gut wie es war, besser sogar. Wer weiß was ihn erwarten würde, sollte er seine Erinnerung denn wirklich wiedererlangen. Er konnte sein Gedächtnis ja kaum ohne Grund verloren haben. Aber wenn er jetzt nicht ging, wenn er sich nicht dieser erdrückenden Angst stellen würde, dann würde er das alles nie erfahren, seine Herkunft, seine gesamte Existenz bliebe auf ewig ein ungelöstes Rätsel. Die Ungewissheit würde ihn bis an sein Lebensende plagen, der Selbsthass ihn erdrücken. Nein, so durfte er nicht denken, das durfte nicht geschehen! Angespannt atmete er ein paar mal tief durch, sein lauter Herzschlag dröhnte noch immer in seinen Ohren und trotzdem zwang er sich, die Arme zu senken und eine offene, wenn auch wenig überzeugende Körperhaltung einzunehmen. Vincent tastete nach dem Messer, das er aus Vorsicht mitgenommen hatte. Er versuchte, sich den Traum, die Erinnerung an diese Halle, noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Sein Portrait müsste im Gang rechts von ihm hängen. Langsam wandte er den Kopf nach rechts. Nichts außer ein breiter Korridor, beidseitig behängt mit unzähligen Gemälden, tat sich vor ihm auf. Er musste jetzt nur seine Schritte dorthin lenken, sein Abbild und die seiner nächsten Verwandten suchen und doch zögerte er. Etwas veranlasste ihn dazu, sich umzudrehen und sich dem zweiten Bildergang zuzuwenden. Vielleicht war es ein Instinkt, eine dunkle Vorahnung oder doch einfach nur Neugier, die ihn dazu bewegte, er würde später oft darüber grübeln und doch keine Antwort finden. In diesem Moment jedoch wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Worauf sein Blick jetzt fiel, war kein andächtiger Ort der Stille und der glorreichen Vergangenheit. Es war ein blutiger Fleck der Zerstörung und qualvollen Todes. Blindlings stolperte er ein paar Schritte rückwärts und rutschte dabei auf einer nassen Stelle am Boden aus. Blut. Es war überall, die dunkelrote Flüssigkeit tropfte von den Wänden, verzierte den Boden mit makaberen Mustern, während es aus blassen, leblosen Körpern tropfte, die sich in dem Gang zu stapeln schienen.Weit aufgerissene, starre Augen starrten Vincent ungläubig entgegen, Münder, aufgerissen zu letzten qualvollen Hilferufen und vom Todeskampf verrenkte Glieder waren die einzigen Zeugen der letzten Momente dieser armen Kreaturen. Aus Vincents Gesicht wich alle Farbe, bis er fast genauso blass war, wie die grausam verstümmelten Leichen vor ihm. Ruckartig warf er sich herum, wandte den Blick von der schrecklichen Szenerie ab und erbrach sich zitternd auf dem kalten Steinboden. Seine Beine schienen ihn nicht mehr tragen zu wollen, als er sich an der Mauer entlang zu dem gegenüberliegenden Korridor schleppte, der so friedlich und unberührt wirkte, dass es Vincent schon wieder den Magen umzudrehen drohte, doch seines spärlichen Frühstücks hatte er sich schon restlos entledigt. Taumelnd steuerte er auf das Ende des Ganges zu, vor dem Bild des Massakers hinter ihm flüchtend. Er stolperte unzählige Male über seine eigenen Füße, bis er zu kraftlos war, um erneut aufzustehen und sich weiter vorwärts zu kämpfen. Noch immer unkontrolliert zitternd und verzweifelt schluchzend rollte er sich an der scheinbar schützenden Wand zusammen und gab sich seiner Angst hin. Es war still. Ungewöhnlich still, verdächtig still. Wie lange er so regungslos am Boden gelegen hatte, wusste Vincent nicht. Vielleicht ein paar Minuten, eine Stunde, einen Tag lang? Ihm war, als erwachte er aus einer Starre, die ihn Zeit und Raum hatte vergessen lassen. Ungelenk erhob er sich. Bloß nicht umdrehen. Nicht umdrehen, vorwärts laufen, nicht umdrehen. Schwankend versuchte er einige Schritte, bis sein Gang wieder fester wurde. Raus, ich muss hier raus! Hektisch blickte er um sich, suchte einen Ausweg, wobei er strikt darauf bedacht war, ja keinen Blick über seine Schulter zu werfen und erneut in Panik zu versinken. Weg, wer immer das auch war, er ist sicher schon lange weg. Seine schnellen Schritte hallten an den Steinmauern wieder, zerschnitten die drückende Stille und dröhnten in seinen Ohren. Hinter ihm knarrte es leise. Ruckartig fuhr Vincent herum, sein Messer lag bereit in seiner Hand. Nichts. Es war nichts, du machst dich nur selbst verrückt! Ruhig, ganz ruhig. Nervös fuhr er mit den Fingern das Muster an seinen Messergriff nach. Doch um ihn herum war nur Stille. Reiß dich zusammen! Zwanghaft atmete Vincent einmal tief durch. Seine Kehle fühlte sich trocken an, staubtrocken und wie zugeschnürt, als hätte er sie über längere Zeit nicht gebraucht. Das Luftholen bereitete ihm Schmerzen, sein Atem kratzte in seinem Hals. Er versuchte zu schlucken, es gelang ihm nicht. Flach atmend kämpfte er sich weiter vorwärts. Es dauerte nicht lange, da hatte er sich auch schon in dem Labyrinth aus Gängen hoffnungslos verirrt. Sein Traumgedächtnis ließ ihn vollkommen im Stich. Es muss einen Ausweg geben! Kurz bevor seine zerbrechliche Zuversicht gänzlich in sich zusammenbrach, spürte er es. Einen Lufthauch. Wo frische Luft war, gab es auch einen Ausgang! Oder zumindest ein offenes Fenster, durch das er vielleicht fliehen konnte. Die Suche nach seinen verlorenen Erinnerungen musste sich vorerst seinem dringenden Bedürfnis, sein Leben in Sicherheit zu bringen, unterordnen. Von neuer, aufkeimender Hoffnung beseelt, stürzte er in die Richtung, aus der der leichte Luftzug zu kommen schien. Vincent brauchte keine drei Schritte, bis er das Fenster gefunden hatte. Ein kleines Fenster, viel zu klein und in unerreichbarer Höhe. Die plötzliche Ernüchterung traf ihn hart und er sackte zu Boden. Spöttisch fiel ein wenig Licht durch die Luke, lockte trügerisch. Nicht aufgeben, du kannst jetzt nicht aufgeben, Weiter, immer weiter. Erneut stemmte der verzweifelte junge Mann sich hoch und schleppte sich weiter durch dunkle Schächte. Es gibt einen Ausgang, es gibt einen Ausgang, es gibt einen Ausgang. Er achtete nicht mehr, wohin er ging, starrte auf den verdreckten Boden und zwang seine Füße weiter vorwärts. Wehrlos und scheinbar gleichgültig folgte er den verschiedenen Gängen. Platsch. Er war in etwas getreten. Sein Schuh wurde von einzelnen Spritzern einer dunklen Flüssigkeit überzogen. Blut, nein, bitte nicht schon wieder! Widerwillig hob er den Blick. Er stand nur wenige Zentimeter von einem breiten Türrahmen entfernt, das sich anschließende Zimmer schien äußerst schlicht, zumindest von seinem Blickwinkel aus. Was den verstörten jungen Mann zögern ließ, waren die zahlreichen Blutstriemen, die sich über den Boden zogen wie frische Schürfwunden. Ein Schritt über die Türschwelle und er war drinnen. Als Erstes nahm er den beißenden Geruch wahr, der ihm plötzlich entgegen schlug. Rohes Fleisch, fauliges rohes Fleisch. Vincent spürte den Brechreiz bereits kommen und versuchte angestrengt den aufdringlichen Geschmack nach Galle herunterzuschlucken. Nachdem er seinen Körper wieder halbwegs unter Kontrolle gebracht hatte, blickte er sich vorsichtig um. Dort lagen sie, in der äußersten Ecke des Zimmers. Es waren die blutigen Leichen zweier Männer, der kleinere Blonde lag mit abstrakt verrengten Gliedern auf dem Boden, der Andere hing zusammengesackt auf einem Stuhl, beide hatten ihm das Gesicht zugewandt, die blicklosen Augen auf ihn gerichtet, als wäre er ihr Mörder. Zögerlich trat Vincent auf die beiden Toten zu. Ihre blassen Gesichter erschienen ihm so vertraut, vertraut auf eine unheimliche Art und Weise, denn jetzt sah er sie mit von qualvollen Schmerzen verzogenen Gesichtszügen, gebannt in eine blass weiße Totenmaske. Unwillkürlich fuhr seine Hand zu seinem eigenen Gesicht, tastete es langsam mit den Fingern ab. Kalt und rau, aber doch irgendwie lebendig. Gepresst atmete er ein paar Mal ein und aus, versuchte den Knoten, der sich in seiner Lunge gebildet zu haben zu schien, wieder zu lösen. In seinem Kopf breitete sich allmählich ein stechender Schmerz aus, der umso heftiger pochte, je länger er in das Antlitz des unmittelbaren Todes vor ihm blickte. Kannte er die beiden erbärmlich zugerichteten Männer von einem der vielen Wandportraits oder hatte er sie sogar selbst gekannt, mit ihnen in durchzechten Nächten gescherzt und gelacht? Der schon überstrapazierte Magen des jungen Mannes begann sich wieder zu verkrampfen. Vielleicht sollte er lieber nicht über seine Verbindung zu den zwei Toten nachdenken, jetzt war es sowieso zu spät für ein klärendes Gespräch. Vincent versuchte seiner Furcht Herr zu werden und überwand die kurze Distanz zwischen sich und der auf dem Boden liegenden Person. Den kläglich wenigen Mut zusammennehmend, der ihm noch geblieben war, kniete er sich neben die verrenkte Leiche des Blonden auf den Boden, murmelte ein paar entschuldigende Worte und schloss ihm dann die Augenlider über die neblig trüben Pupillen. Er hatte das seltsam drückende Gefühl, dass er den Toten diese letzte Ehrerbietung schuldig war. Gerade als er sich dem anderen, noch immer auf dem Stuhl Sitzenden zuwenden wollte, fiel ihm von seiner Position am Boden auf, das dieser zweite Ermordete etwas in der Hand hielt. Der blutige Arm, dessen Knochen eindeutig gesplittert waren, hing schlaff herab, die vorher wohl kraftvoll geballte Faust war leicht geöffnet und ein dünnes Lederband hatte sich zwischen den steifen Fingern verfangen. Am Band baumelte eine schmale Ampulle, welche fest mit einem kleinen Korken verschlossen worden war. Unsicher über seine plötzliche Eingebung zog Vincent den Lederriemen aus der Hand des Toten und barg es nun in seiner eigenen kalten und verschwitzten Faust. Wenn der Mann es selbst in seinem Todeskampf nicht losgelassen hatte, musste das Fläschchen von äußerster Wichtigkeit sein. „Na wen haben wir denn da?“, schallte eine dröhnende Stimme hinter ihm. Vincent schien augenblicklich das Blut in den Adern zu stoppen, während ihm gleichzeitig mehrere eisige Schauer den Nacken herauf krochen. 'Flieh!', schrie ihm sein Verstand entgegen. Das war nicht irgendeine Stimme, das war sein Peiniger und Verfolger! „Wer hätte gedacht, dass du so schnell hierher findest? Keine Sorge, gleich wirst du mit deinen jämmerlichen Brüdern hier im Tode wieder vereint sein.“ Als Vincent den Kopf ruckartig herumdrehte, um über seine Schulter seinem Verfolger entgegen zu blicken, sah er gerade noch den Schlag auf sich zukommen, doch es war bereits zu spät um zu reagieren. Hart traf ihn die Faust des Angreifers und schmetterte ihn an die nächste Wand. Der Schmerz explodierte in seinem Kopf und in den kommenden Sekunden, die ihm wie Stunden erschienen, sah er wie der Raum sich um ihn drehte, bis endlich die Ohnmacht über ihn kam. Cliffhanger!^^ Irgendwie tut er mir ja doch Leid, der Vincent ... D: Aber bald hat er es geschafft... vorerst zumindest XD *muhahaha* Ja....sorry ich hab wieder unendlich lange gebraucht^^" Wann das nächste Kapi kommt, kann ich auch noch nicht versprechen, da bei mir jetzt erstmal ein Umzug ansteht und dann mein Studium anfängt. (Angeblich haben Studenten ja immer so viel Zeit...) *Tüte Haribo aufreißt* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)