Sorrow and Pain von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: Kiss? ---------------- So schnell konnte er gar nicht gucken, wie er plötzlich auf Kais Schoß saß und der die Arme um ihn geschlungen hatte. Er wurde tiefrot und schluckte. Seit wann ließ Kai denn zu, dass er auf seinem Schoß sitzen durfte? Sonst hatte er ihn doch immer weggeschubst. Das war schon merkwürdig. Aber gut. Er würde sich auch jetzt nicht beschweren. Er hatte so lange schon mal auf Kais Schoß sitzen wollen und jetzt durfte er dies auch mal tun. Sofort kuschelte er sich ein wenig an den Kleineren heran und legte ebenfalls die Arme um ihn. Er sah ihm tief in die Augen und nickte. Oh ja. Er würde ihm helfen, herauszufinden, was er für ihn empfand. Und da hatte Uruha auch schon eine Idee. "Kai? Kann ich... Kann ich dich küssen?" Das wäre ja auch nicht ihr erster Kuss. Kai hatte ihn schon bei der Party im Garten geküsst. Verwirrt starrte er ihn an. Ein Kuss? Mit allem hatte er gerechnet, aber dass Uruha das so schnell angehen würde, überraschte ihn doch etwas. Ein wenig überrumpelt von dieser Frage nickte er. Er hatte Uruha um Hilfe gebeten und was würde da nicht besser passen, als wenn sie sich küssten. Es war ja auch nicht so, dass dies dann der erste Kuss war. Uruha hatte ihn schon einmal geküsst und auf der Party hatte er ihn wohl auch geküsst. Also war doch nichts dabei oder? "Ha...hai...", stotterte er und krallte sich leicht in Uruhas Shirt. Jetzt würden sie sich küssen. Ob das wirklich eine gute Idee war? Oder sollte er das lieber doch nicht machen? Aber er hatte es doch so gewollt. Er wollte doch herausfinden, wie er zu dem Größeren stand und hier würde sie doch eh keiner sehen. Es war stockduster und sie saßen in einer Seitengasse. Was konnte da eigentlich schief gehen? Uruhas Herz schlug hart und schnell, als er sich vorbeugte, um Kai einen süßen Kuss zu stehlen. Er rückte sich ein wenig auf dessen Schoß zurecht und nahm Kais Gesicht in seine Hände. Er sah ihm tief in die Augen und seufzte leise auf. Dann schloss er die Augen und kam Kais Gesicht immer und immer näher. Schließlich legte er seine Lippen sanft auf Kais Kusspolster und bewegte sie sachte gegeneinander. Ihm wurde schwindlig. Kami-Sama. Kai war wirklich ein verdammt guter Küsser und diese Lippen waren die pure Sünde. Seine Lider legten sich automatisch über seine Augen, als er diese weichen Lippen auf den seinen spürte. Sein Herz schlug wie wild gegen seine Brust und er hatte Angst, dass es jederzeit rausspringen würde oder Uruha hören konnte, wie heftig es schlug. Irgendwie wurde ihm heiß und kalt zugleich. Doch er wollte nicht nur von ihm geküsst werden. Wenn dann wollte auch er ihm zeigen, dass er nicht einfach nur stumm alles über sich ergehen ließ. Und zu einer Liebe gehörten ja dann auch zwei Menschen. Vielleicht war das ja der Weg, den Kami-sama für sie vorherbestimmt hatte. Das wusste man ja vorher eh nie. Und so genoss er diesen Augenblick der unglaublichen Nähe und ausgesprochen intimen Zärtlichkeit. Allerdings stellte er schnell fest, dass es das erste Mal war, dass sich ein Kuss so atemberaubend anfühlte, dass er ihn am liebsten nie wieder lösen wollte. "Kou...", hauchte er gegen die Lippen des Anderen, als sie sich nach schier endlosen Minuten wieder voneinander lösten und aus halbgeschlossenen Augen und mit feucht geküssten Lippen ansahen. Als sie sich nach unzähligen und für Uruha niemals enden sollenden Minuten voneinander wegen Luftmangels lösen mussten, keuchte Uruha leise und leckte sich über die angeschwollenen Lippen. Dieser Kuss war so atemberaubend, so einzigartig. Uruha wüsste gerne, ob er schon einmal so einen Kuss bekommen hatte. Aber er war sich sicher, dass er noch nie so einen bekommen hatte. So einen perfekten Kuss konnte man nur von dem Menschen bekommen, den man von Herzen liebte und Uruha war sich nun sicher, dass dieser besondere Mensch für ihn Kai war. Aoi hatte Unrecht gehabt. Er war nicht in Kai verliebt. Er liebte Kai. Und zwischen verliebt sein und lieben war schon noch ein gutes Stück. "Kai? Ich... Ich liebe dich...", murmelte er leise und kuschelte sich eng an den anderen heran. Auch wenn ihn diese Worte unglaublich glücklich machten und sich dieser Kuss eben auch so verdammt richtig angefühlt hatte, konnte er seinem Freund diese Worte nicht erwidern. Es ging einfach nicht. Wenn er sie sagte, dann musste er sich auch vollkommen sicher sein, dass sie ehrlich waren. Aber vielleicht würde bald dieser Augenblick da sein. Das wusste er nicht. Vielleicht war Uruha wirklich der Mensch, den er liebte. Doch er musste sich wirklich sicher sein. Noch eine solche Enttäuschung vertrug er nicht. Zu tief saß die Wunde, die eine große Narbe in seinem Inneren hinterlassen hatte. Und er wusste nicht, ob es jemals möglich war, diese Narbe auszumerzen. Sanft drückte er ihn an sich. "Lass uns nach Hause gehen, hai? Yuu wartet dort bestimmt auf uns." Nicht nur bestimmt. Kai wusste, dass er dort auf sie warten würde. Auch wenn er den Mann nicht kannte, seine Augen waren so ehrlich und warmherzig, dass er ihm eigentlich vertraute. Uruha war enttäuscht, dass Kai ihm seine liebevollen Worte nicht erwidert hatte. Aber was hatte er auch großartig erwartet? Kai brauchte sicherlich noch eine Weile, bis er sich sicher sein konnte, ob er ihn nun liebte oder nicht. Er hatte Kai ja mit dieser Aktion so ziemlich überrumpelt. Zwar unbeabsichtigt, aber er hatte es getan. Seufzend stand er mit Kai zusammen auf und kuschelte sich an ihn. Sanft drückte er ihm noch einen Kuss auf, ehe er ihn ansah. "Ich warte auf dich und deine Antwort, Kai. Lass dir Zeit so viel du brauchst. Ich kann warten." Dann nahm er Kais Hand in seine und zog ihn hinter sich her. Wenig später kamen sie bei Kai zuhause an und Uruha ließ ihn los. Sofort rannte er auf Yuu zu, der beinahe vor der Haustüre eingeschlafen war und kuschelte sich an ihn. "Onii-San? Ich hab mich mit Kai wieder vertragen." Verwundert schaute Kai sich um. Dann kam er näher und gesellte sich zu den beiden, die sich nun glücklich in den Armen lagen. Er sah, wie Yuu dem Jüngeren über den Kopf wuschelte und ihm dann ein breites Grinsen schenkte. Auch wenn Uruha es vielleicht noch nicht bemerkt hatte, Kai stellte es sofort fest. "Ano... Wo ist denn das Drumset hin?", fragte er etwas entsetzt. Uruha hatte es ihm geschenkt und nun war es weg? Aoi kicherte und zeigte mit dem Finger nach oben. "Das steht ein paar Etagen über uns und wartet darauf, vernünftig aufgebaut zu werden. Ich wollte das gute Stück nicht hier unten stehen lassen und hab´s halt nach und nach in deine Wohnung gestellt. Ist das okay für dich?" Ein wenig fertig sah er schon aus. Er war nur froh, dass es in diesem Haus einen Fahrstuhl gab. Uruha kicherte leise. Aoi war schon toll. Er hatte einfach mal so mir nichts, dir nichts das ganze Drumset in Kais Wohnung gebracht. Das hatte er wirklich toll gemacht. Nur hoffte er, dass Kai damit auch zufrieden war. Schließlich war Yuu einfach so in Kais Wohnung eingedrungen. War das nicht eigentlich Hausfriedensbruch? Na egal. Kai sah allerdings ja auch nicht so aus, als würde er sich daran stören. Er bedankte sich artig bei Aoi und Uruha half seinem Bruder auf. Dann sah er Kai unschlüssig an. "Ano... Wir sollten dann wohl langsam mal gehen. Es ist schon sehr spät..." Nur ein trauriges Seufzen verließ seine Lippen und Wehmut machte sich in ihm breit. Hatte er nicht eben noch gesagt, dass er ihn liebte und ihm helfen würde, seine Gefühle für ihn herauszufinden? Nun gut, Yuu war Uruhas Bruder und mit ihm hatte er schon so viel Zeit verbracht. Da konnte Kai ihm noch lange nicht das Wasser reichen. Außerdem war Yuu jetzt die Person, die ihm helfen konnte, seine Vergangenheit wieder aufzufrischen und sein altes Leben wiederzufinden. Also sollte er dem auch nicht im Wege stehen. "Hai... Und danke für alles." Er verbeugte sich in aller Form vor Aoi und auch vor Uruha. Bei ihm wusste er ja eh nicht, wie er sich ihm jetzt gegenüber verhalten sollte. Es war schon komisch, zu wissen, dass es jemanden gab, der einen liebte. Allerdings gefiel ihm dieser Gedanke auch ungemein. "Oyasumi nasai und kommt gut nach Hause.", verabschiedete er sich und bekam von Aoi seinen Schlüssel in die Hand gedrückt. Wie würde er sich jetzt Uruha von ihm verabschieden? Uruha musste sich ein Grinsen verkneifen, als Kai sich vor ihm verbeugte. Was war das denn jetzt bitteschön? Kai musste sich doch vor ihm nicht verbeugen. Sie hatten sich doch gerade ihre Liebe gestanden. Also wirklich. Das war nun wirklich nicht nötig. Er kicherte leise und trat langsam wie eine Raubkatze auf Kai zu. Dann legte er ihm die Arme um den Nacken und beugte sich zu ihm. Vorsichtig verschloss er ihre Lippen miteinander und verwickelte seinen Freund in ein zärtliches Lippenspiel, ehe er sich wieder von ihm löste und ihm ein liebevolles: "Aishiteru, Kai-Chan. Oyasumi nasai...", ins Ohr hauchte und ihm zuzwinkerte. Dann nahm er Aoi bei der Hand, warf ihm noch eine Kusshand zu und verschwand dann mit seinem Bruder um die Ecke. Verdattert blieb Kai zurück und fasste sich geistig ziemlich abwesend an die eben geküssten Lippen. Schlagartig wurde er rot und ihm wurde ziemlich heiß. Geschlagene zehn Minuten stand er noch da wie angewurzelt, eher er sich ganz langsam, schon fast wie in Zeitlupe, ins Haus schlich und nach schier unzähligen Treppen seine Wohnung betrat. Sein Blick fiel sofort ins Wohnzimmer. Dort stand es. Und jetzt konnte er es auch hundertprozentig sagen. Das war sein Drumset. Es war wirklich seins. Wie hatte Uruha das nur geschafft? Und woher wusste er davon? Während Kai sich noch immer so seine Gedanken machte, schlenderte er neben seinem Bruder her und grinste diesen fröhlich an. "Da ist aber einer mächtig glücklich, was?", piesackte er. "Na und?", lachte er leise und kuschelte sich an die Seite seines Bruders. "Ich hab ihm endlich meine Liebe gestanden. Das ist so aufregend, Aoi. Sag mal... War ich schon mal verliebt? Ich meine, so richtig? Hatte ich schon mal eine Freundin oder einen Freund? Und... Weißt du, ob ich schon mal Sex hatte?" Er musste diese ganzen Fragen jetzt einfach stellen. Er musste es wissen. Es war ihm schon peinlich, seinen Bruder so etwas zu fragen, aber es war ihm gerade wirklich wichtig und er hoffte, dass Aoi ihm da helfen konnte. "Oh Mann, du willst echt viel wissen. Glaubst du wirklich, dass ich das alles weiß?", fragte er und lächelte. "Aber ich find es wirklich schön, dass du es ihm gesagt hast. Ich bin wirklich stolz auf dich." Und zum unzähligsten Male wuschelte er ihm durchs Haar. "Ich freu mich für dich. Wirklich. Aber deine Fragen beantworte ich dir erst, wenn wir Zuhause sind. Es muss ja nicht jeder über dein Liebesleben Bescheid wissen, hai?" Und damit war diese Diskussion erst einmal beendet. Zumindest für ihn. Es dauerte auch nicht wirklich lange, da kamen sie wieder Zuhause an. Aoi schob den Größeren vor sich her in die Wohnung. "Willkommen Zuhause, kleiner Bruder.", kicherte er und umarmte ihn nochmals herzlich. "Ich bin so glücklich, dass es dir gut geht und du wieder bei mir bist." Murrend folgte er ihm und konnte es schon gar nicht mehr erwarten, bis sie endlich wieder zuhause waren. Er wollte es unbedingt wissen. Schließlich wollte er auch wissen, ob er schon Erfahrungen in Sachen Sex gesammelt hatte und wenn er mal Sex haben sollte, wollte er ja auch wissen, ob es sein erstes Mal war oder nicht. Und ihm war auch wichtig, zu wissen, ob er schon einmal eine Beziehung geführt hatte. Alles in allem sprudelte er geradezu vor Neugier über und betrat ohne zu zögern das Haus. Sofort wurde er von seinem Bruder umarmt und seufzte leise. "Du, Aoi? Ich weiß, das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen kindisch an, aber... Kann ich mir meinen Schlafanzug anziehen und dann kuscheln wir ein bisschen vor dem Fernseher und du erzählst mir alles? Ich bin so froh, dass ich dich wiederhabe!" Aoi lachte und nickte sofort zustimmend. "Hai, das machen wir. Wie sonst auch.", gab er Preis. Ja, sie beide waren zwar Brüder, aber das war doch kein Grund, warum sie abends nicht gemeinsam vor dem Fernseher sitzen sollten und kuschelten. Es war ja nichts dabei. So zeigten sie sich auch, dass sie sich unheimlich viel bedeuteten. So sah er es jedenfalls. Und scheinbar hatte Uruha genau dieses Bedürfnis in seinem Unterbewusstsein nicht vergessen. "Dann beeil dich mal. Es ist ja eigentlich auch schon ganz schön spät. Aber wenn du willst, können wir uns auch in mein Bett schmeißen. Da können wir ja auch fernsehen, wenn dir danach ist. Und wenn wir dann einfach einpennen, ist das nicht so unbequem wie auf dem ollen Sofa." Griesgrämig schaute er zu dem alten Ding. Das hatte auch schon einmal bessere Tage gesehen. "Na gut.", grinste er. Anscheinend hatte er gar nicht so falsch gelegen mit seinem Bedürfnis nach kuscheln. Er hatte sich bei Kai auch immer gewundert, dass er so gerne kuschelte, aber anscheinend lag das ja in der Familie. Aoi schien ebenso gerne zu kuscheln wie er und das freute ihn ungemein. Er grinste seinen Bruder nochmal an, ehe er aus dem Wohnzimmer in sein eigenes Zimmer flitzte. Dort seufzte er und musste erst mal über all die Dinge steigen, die auf dem Boden rumlagen. Er nahm sich fest vor, morgen hier mal Klarschiff zu machen. So ging das ja auch nicht weiter. Sofort führte ihn sein Weg zu seinem Kleiderschrank und er machte ihn neugierig auf. Wie erwartet war auch hier der Großteil seiner Sachen violett. Er nahm sich einen kurzen Schlafanzug raus, zog ihn sich an und tapste dann auf nackten Sohlen zu Aoi ins Zimmer. Der lag schon auf dem Bett und zappte durch die Kanäle. Schnurrend kuschelte er sich an seinen großen Bruder heran und sah in den Fernseher. Irgendein Liebesfilm lief. "Beantwortest du mir jetzt meine Fragen?" Während Uruha in sein Zimmer verschwand und er nur ein ziemlich entsetztes Seufzen von dem Anderen hörte, machte er sich auf den Weg in sein Zimmer. Schnell stieg er aus seinen Klamotten und zog sich sein Schlafschirt über. Aoi hatte nicht wirklich das Bedürfnis, in einem Pyjama zu schlafen. Uruha hingegen fand das schon immer toll. Deshalb wunderte es ihn auch nicht, als dieser in seinem Lieblingspyjama auf nackten Füßen anmarschiert kam und sich neben ihn auf das Bett niederließ. Zufrieden lächelte er ihn an und zog die Decke über sie beide. "Du bist ganz schön hartnäckig, mein Guter. Aber gut, ich werd dir jede Frage beantworten, die du mir stellst. Wenn ich denn eine Antwort darauf habe. Alles weiß ich ja auch nicht." Dieser Schlafanzug war wirklich absolut kuschlig und flauschig und Uruha hatte das Bedürfnis, sich richtig hinein zu kuscheln. Er legte sich neben seinen Bruder und wurde von diesem auch sogleich in die Arme gezogen. Schnurrend schmiegte er sich in die starken Arme Aois und legte den Kopf auf dessen Brust ab. Jetzt hatte er also Zeit, ihm all seine Fragen zu beantworten. "Also... Wie bin ich eigentlich sonst so gewesen? War ich eher der aufgeschlossene Typ oder eher schüchtern? Hab ich früher auch so gerne gekuschelt wie jetzt?" Die Fragen nach dem Sex und so ließ er erst mal außer Acht. Jetzt wollte er erst mal etwas mehr über sich selbst erfahren. So schön aneinander gekuschelt schauten sie fern und er stand seinem Bruder Rede und Antwort. Es war schon witzig, dass man einem Anderen etwas über ihn selbst erzählen musste. Aber auf diese Art und Weise würde Uruha sich wieder selbst kennenlernen. Doch die meisten Züge seines Charakters hatte er eh schon ans Tageslicht gebracht. Er war etwas ungeduldig, sehr emotional und auch ziemlich anhänglich und verschmust. Aber ihn störte es wirklich nicht. So war sein Bruder nun mal und er wollte es auch nicht ändern. Und nach diesen Fragen war er sich sicher, dass da sicher noch ein paar mehr kommen würden und auch diese würde er ihm weitestgehend beantworten. Irgendwie war es wirklich komisch, jemanden anderes fragen zu müssen, welche Charakterzüge man selbst besaß. Aber die, die ihm Aoi da gerade nannte, waren bei ihm ja auch schon zutage getreten und so war er auch nicht sonderlich überrascht. Gut, also hatte er sich eigentlich nicht verändert. War doch schon mal ein sehr positiver Aspekt. Und nun kamen die schwierigen Fragen zu seinem Selbst. Er hoffte, dass Aoi sie ihm beantworten konnte. Es war ihm wirklich wichtig, das über sich herauszufinden. "Ano... Weißt du, ob ich schon mal einen Freund oder eine Freundin gehabt habe und... Ob ich schon mal Sex hatte? Es ist mir wirklich wichtig, das zu wissen, Onii-San..." "Kou...", mahnte er ihn. "Glaubst du wirklich, dass du mit mir über solche Sachen gesprochen hast? Ich meine, wenn du Sex hattest, dann ist das doch eine ziemlich private Sache. Und ich weiß nicht, ob du mir das überhaupt erzählt hast. Allerdings kann ich dir sagen, dass du schon öfter mal ein Mädchen mit nach Hause gebracht hast. Aber so eine richtige Beziehung war nicht dabei, denn dafür waren das eindeutig zu viele." Mehr konnte er wirklich nicht sagen. Uruha hatte sein eigenes Leben und weil er selbst viel unterwegs war aufgrund der Arbeit, hatte er auch keine großartige Gelegenheit so viel von seinem Leben mitzubekommen. Doch dann grinste er."Da fällt mir ein..." Er stupste ihm mit dem Finger gegen die Nase. "Du hast eine ziemlich innige Beziehung gehabt und ich glaube, dass die immer noch besteht. Ich hoffe nur, dass du ihr nicht untreu wirst." Leicht erschrocken war Uruha schon, als Aoi ihm da sagte, dass er schon ziemlich viele Mädchen mit nach Hause gebracht hatte. Hilfe. War er wirklich so jemand, der sich einfach mal ein Mädchen nach Hause holte, ein bisschen mit ihr rummachte und sie dann wieder fallen ließ? War das wirklich seine Art? Aber so wirklich konnte er sich das nicht vorstellen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, mit einem Mädchen... Nein... Und er fand es schade, dass er Aoi nie erzählt hatte, ob er schon mal Sex gehabt hatte oder nicht. Das war wirklich blöd gelaufen. "Aber ein Junge war noch nie dabei oder?", fragte er. Dann jedoch wechselte er das Thema. "Na, auch egal... Sag mal... Hab ich eigentlich einen Job?" "Iie... Ein Junge war bisher noch nicht dabei. Das kann ich dir versichern. Aber für alles gibt es ein erstes Mal, ne?", lachte er. Dann lenkte Uruha das Thema schon wieder auf etwas anderes. Jetzt stellte er langsam fest, dass er wirklich alles vergessen hatte. Es gab wohl nichts, an das er sich noch erinnerte, ohne dass er was dazu sagen musste. Aoi seufzte. "Können wir nicht morgen noch darüber reden? Ich bin hundemüde und morgen ist doch Wochenende. Dann hab ich ganz viel Zeit, um dir alles zu beantworten und dann kann ich dir auch ein paar Sachen geben, mit deren Hilfe du dich vielleicht selbst wieder erinnerst. Gibt ja genug Fotoalbums von dir und mir.", scherzte er. "Aber... Aber... Aber ich will doch nur wissen, ob ich irgendwo arbeite und mein eigenes Geld verdiene. Ist das zu viel verlangt? Komm schon..." Aber Aoi hatte anscheinend keine Lust mehr, ihm irgendwelche Fragen zu beantworten und so konnte er nichts anderes tun, als sich an seinen großen Bruder zu kuscheln und das Licht auszuknipsen. Er war sich sicher, dass er bei ihm schlafen durfte. Hatte er ihm ja auch vorhin noch selbst angeboten. Also nahm er das auch dankend an. Alleine in seinem Zimmer wollte er jetzt auch nicht unbedingt sein. Das war alles noch viel zu neu für ihn. "Oyasumi nasai, Onii-San.", nuschelte er, drückte seinem Bruder noch ein Küsschen auf und schlief dann wenig später auch schon. Aoi legte die Arme um ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Hai, du auch, Großer." Liebevoll kuschelte er sich an ihn und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange und er schlief zufrieden mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein. Während die beiden in Aois Bett friedlich schlummerten, stand Kai unter seiner Dusche und genoss das warme Wasser. Seine Gedanken schweiften immer wieder um Uruha und das, was er ihm gesagt hatte. Uruha hatte sich in ihn verliebt und hatte es ihm einfach so ins Gesicht gesagt. In seinen Augen hatte er lesen können, dass er es auch so meinte, wie er es gesagt hatte. Bei diesem Gedanken wurde er wieder rot und es kribbelte in seinem ganzen Körper. Was hatte das jetzt zu bedeuten? Am nächsten Morgen erwachte Uruha schon ziemlich zeitig. Er hatte sehr gut geschlafen. So gut, wie schon seit mindestens drei Wochen nicht mehr. Damit wollte er nicht sagen, dass er bei Kai nicht gut geschlafen hatte, aber bei seinem Bruder im Bett zu schlafen, war schon etwas ganz anderes. Es war ein viel intensiveres Gefühl, an das sich Uruha erst einmal wieder gewöhnen musste. Er öffnete die Augen und blickte seinem schlafenden Bruder direkt ins Gesicht. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er hauchte ihm einen Kuss auf. "Onii-San? Aufstehen." Für diese frühe Stunde antwortete er nur mit einem ziemlich mürrischen Grummeln. Aoi war Langschläfer und ein ziemlicher Morgenmuffel. Und damit würde auch sein kleiner Bruder jetzt Bekanntschaft machen. Mit einem finsteren Gesicht drehte er sich weg und zog die Decke über den Kopf. "Lass mich schlafen, Kou... Es ist viel zu früh. Aber steh ruhig auf.", murmelte er nur und schwieg dann wieder. Der Andere würde mit seinen Eigenarten schon noch Freundschaft schließen. "Geh duschen.", grummelte, als der Größere ihn abermals zum Aufstehen überreden wollte. Aber nicht mit ihm. "Ey, menno. Ich dachte, du freust dich, wenn ich so viel Zeit wie nur irgend möglich mit dir verbringen will. Aber nein, gleich am ersten Morgen werd ich angemeckert. Fängt prima an, Aoi." Seufzend stand er auf und tapste sofort ins Bad, wie Aoi es ihm gesagt hatte. Er zog sich aus, duschte sich, cremte sich sorgfältig ein und schminkte und stylte sich. Als er endlich nach über einer Stunde mit seinem Aussehen zufrieden war, zog er sich ein kurzes Top und eine kurze Hose an und tapste zu seinem Bruder zurück. "Aoi? Bist du jetzt wach?" Nur ein leises Grummeln kam von dem Älteren. Doch dieses Mal drehte er sich zu ihm um und gähnte ausgiebig. Auch seine müden Glieder streckte er in alle Richtungen aus. "Ohayou, Kou..." Und wieder gähnte er und grinste ihn breit an. Seufzend setzte er sich auf und streckte die Arme nach dem anderen aus. "Noch eine Runde kuscheln, Großer?", fragte er liebevoll. Seine Haare standen zu allen Seiten ab und seine Augen waren noch so klein, dass sie kaum vermuten ließen, dass er schon wach war und nicht immer noch schlief. Für Aoi war es einfach noch nicht die Zeit aufzustehen. "Na gut. Aber dann erzählst du mir eben jetzt schon ein bisschen was, ja? Du wolltest mir Fotoalben von uns beiden zeigen, ja? Ich will doch wissen, wie wir früher mal ausgesehen haben und ob du schon immer so viele Falten hattest, Alterchen!", er lachte und kuschelte sich an seinen Bruder. "War nur ein Scherz. Also, was ist? Soll ich mal eins holen? Wenn du mir sagst, welches und wo das ist, dann hol ich es und du kannst weiter schön im Bett bleiben. Ist das ein Angebot?" Zuerst verpasste er ihm mal eine Kopfnuss für das 'Alterchen'. Der Jungspund sollte sich das gar nicht erst angewöhnen. Würde er noch einmal einen solchen Spruch ablassen, würde er sich vergessen und seine berüchtigte Kitzelattacke gegen ihn starten Er wusste ja von den Schwachstellen seines Bruders. Und die würde er dann gnadenlos ausnutzen. "Iie... Komm her. Du brauchst nirgends hin. Die sind eh hier bei mir.", grinste er und krabbelte zum Bettrand, um sich darüber zu beugen und Kopf über unter das Bett zu schauen. Mit einem Griff zog er einen großen Karton hervor und grinste breit. "Hier sind alle unsere Erinnerungen drin. Kannst dich also beruhigt aufs Bett schmeißen und alles durchstöbern." "Itai...", jammerte er leise und hielt sich den Kopf. Musste Aoi auch immer so rabiat sein? Gottchen, der hatte wirklich einen harten Schlag drauf, alle Achtung. Wie sagte man doch so schön? Nicht schlecht, Herr Specht. Alter Falter. Sofort nahm er den Karton aus Aois Hand und legte sich auf den Bauch. Er hob den Deckel ab und zog gleich mal das erste Album hervor. Er schlug es auf und musste sofort anfangen, zu grinsen. Zwei kleine Jungen, etwa im Alter von 3 und 6 Jahren, saßen zusammen in der Badewanne, der Kleinere auf dem Schoß des Größeren und plantschten vergnügt im Wasser herum. Das nächste Foto zeigte einen schmollenden Vierjährigen, der vor seiner Superman-Figur saß und neidisch auf die Batman-Figur seines älteren Bruders starrte. "Das ist toll...", nuschelte er. Zufrieden lag der Ältere neben Uruha auf dem Bett und schaute so nebenbei mit rein. "Ist schon lange her, dass wir uns die mal wieder angeschaut haben. Das war wirklich eine schöne Zeit." Ja, zu dem Zeitpunkt war sie das noch. Allerdings ließ das ein paar Jahre später schon wieder nach, als ihre Pflegemutter sich scheiden ließ und sie einen neuen Pflegevater bekamen. Ab da ging es bergab und Aoi hatte das irgendwann nicht mehr mit ansehen können. Er hatte die günstige Gelegenheit genutzt und heimlich seine und Uruhas Sachen gepackt. Dann holte er ihn eines Tages von der Schule ab und verschwand auf nimmer Wiedersehen von dieser Familie. Danach waren nur noch sie beide für einander da. Ob Uruha sich auch an die schlimme Zeit erinnern würde? Auf der nächsten Seite war wieder der vierjährige Uruha zu sehen, welcher Huckepack von seinem Bruder getragen wurde und einen Cowboyhut trug. Anscheinend hatten sie da gerade Cowboy und Pferd gespielt. Und Aoi war das Pferd gewesen. Lustig. Das nächste Bild zeigte ihm sich selbst, wie er auf dem Schoß einer hübschen Frau saß, die ihn liebevoll in den Arm genommen hatte und Aoi, der danebenstand und versuchte, Uruha durch zu kitzeln. Uruha seufzte leise. Er wünschte, er würde sich wirklich daran erinnern können. Er sah weiter und entdeckte ein kleines Mädchen, welches neben dem etwa fünfjährigen Uruha stand und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Uruha kicherte. Er sah da ganz und gar nicht glücklich aus. "Aoi? Wer ist das Mädchen da?", fragte er interessiert. Uruha wollte es aber auch ganz genau wissen und nun wurde er sich so langsam darüber klar, dass dieser Tag hier vermutlich nur noch aus einem Frage und Antwort Spiel bestehen würde. Seufzend vergrub er das Gesicht in seinem Kissen. Der Jüngere würde ihn sicher heute noch einiges an Nerven kosten. "Kou... Warum willst du das jetzt schon alles wissen? Wenn ich dir jetzt alles erzähle, erinnerst du dich wahrscheinlich trotzdem nicht. Du musst es langsam angehen lassen. Also überstürz es jetzt noch nicht." Dann gab er ihm einen Kuss auf die Wange und lächelte ihn an. "Aber wenn du es genau wissen willst, dann kann ich dir sagen, dass das die Nachbarstochter war. Du warst schon ganz schön begehrt bei den Mädels." "Mit etwa fünf Jahren schon? Mein Gott, bin ich gut.", brüstete er sich grinsend und blätterte weiter. Das ganze Album verschlang er in einem Durch und musste immer wieder leise kichern. Es machte wirklich Spaß, Kindheitsfotos von sich anzusehen. Wirklich. Es war fantastisch. Allerdings zeigte das Album nur etwa bis zu seinem zehnten Lebensjahr die Geschehnisse und Uruha wollte natürlich auch noch wissen, wie es weitergegangen war mit ihm und Aoi. Er blickte in den Karton und sah dort nur noch eine Schicht aus losen Fotos. Toll. Gab es nur dieses eine Album? Aber halt. Da lugte doch ein dunkelblaues Album hervor. Uruha schob die Lage Fotos weg und nahm das schwere Buch heraus. Ohne auf Aois entsetzten Gesichtsausdruck zu achten, schlug er es auf. Das erste Bild zeigte einen etwa elfjährigen Uruha, welcher neben einem riesigen Hünen stand, der ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte und grimmig in die Kamera sah. Der kleine Uruha schaute auch ziemlich bedrückt aus. Uruha blätterte es im Schnelldurchlauf durch und erschrak. Alle Bilder zeigten nur noch triste Stimmung. Des Öfteren war sogar ein traurig wirkender Uruha auf den Fotos zu sehen, wie er entweder ein blaues Auge hatte oder einen Arm in der Schlaufe. Entsetzt blickte er Aoi an. "Aoi? Was sind das für Fotos?" Kami-sama! Jetzt verfluchte er sich dafür, dass er diese schrecklichen Erinnerungen nicht schon längst verbrannt hatte, wie er es eigentlich schon immer vorgehabt hatte. Leider hatte er es noch immer nicht gemacht und nun hatte Uruha auch noch genau diese Erinnerungen hervorgekramt und fragte ihn auch noch. Aber darüber wollte er eigentlich wirklich nicht reden. Es waren schreckliche Erinnerungen, die er schon längst vergessen haben wollte. Und nun sollte er sie wieder hervorholen? Hastig sprang er auf und entriss dem Jüngeren dieses entsetzliche Stück Vergangenheit. "Kou! Vergiss, was du da gesehen hast, hai? Diese Vergangenheit können wir zwar nicht mehr ändern, aber dafür unsere Zukunft." "Aoi! Was sind das für Fotos, verdammt! Wieso bin ich darauf zu sehen, verletzt? Aoi, bitte! Wer ist dieser riesige Mann da neben mir? Ich will es wissen!" Er geriet vollkommen in Rage und riss das Album wieder an sich. Er konnte sich nicht erklären, wieso Aoi so reagierte. Er konnte es einfach nicht. Was war hier los? Was wurde hier gespielt? "Aoi, sag endlich! Ich geb doch sowieso keine Ruhe, ehe du mir nicht sagst, wer dieser Mann ist!" Wütend schlug er das Buch auf. Genau auf einer Seite, auf der das wohl schlimmste Foto zu sehen war. Ein Familienfoto. Die Frau, die auf den vorherigen Bildern so wunderschön gewirkt hatte, sah nun abgemagert und verhärmt aus. Ihre langen, schwarzen Haare wirkten matt und verfilzt. Sie hatte einen fünfzehnjährigen Aoi an der Hand, der ziemlich unglücklich aussah. Allerdings schaute er nicht in die Kamera, sondern blickte zur Seite, auf seinen kleinen Bruder, welcher vor dem hünenhaften Mann stand. Er sah ebenfalls abgemagert aus und hatte auf den dünnen Armen zahlreiche blaue Flecken. Seine Augen sahen aus, als hätte er vorher geweint. Plötzlich durchzuckte Uruhas Kopf ein gewaltiger Kopfschmerz, der ihn in die Knie zwang. Vor sich sah er sich und Aoi, wie sie zusammen auf dem Boden eines Zimmers saßen und Gitarre spielten. Auf einmal kam der große Mann ins Zimmer, brüllte herum und entriss dem Kleinsten von ihnen die Gitarre und zerschlug sie auf dem Boden. Uruhas jüngeres Ich fing an zu weinen und der jüngere Aoi versuchte, seinen wutschnaubenden Vater zu beruhigen. Doch der schubste den Jungen bloß beiseite und zog Uruha auf die Beine. Ab da wurde sein Blickfeld schwarz, nur noch vereinzeltes Schreien und Weinen war zu hören und Uruhas Welt versank in Finsternis. "Kou! Hör auf! Lass es gut sein!", wehrte er ab, doch da hatte Uruha ihm schon das Buch entrissen und hatte genau eine Seite aufgeschlagen, die so ziemlich am Ende war. Das war das wohl letzte Mal, dass Aoi es zugelassen hatte, dass man seinem Bruder so unglaublich weh getan hatte. Danach hatte er einfach nicht mehr nur einfach zuschauen können, sondern wollte etwas unternehmen. Das war der Tag, an dem Aoi den Entschluss gefasst hatte. Doch da war es schon zu spät. Uruha ging auf die Knie und Aoi kam sofort zu ihm und hielt ihn fest. "Kou?! Was ist los?" Er verstand gar nichts mehr. Was war denn nun passiert? Uruhas Blickfeld wurde immer wieder durch schwarze Schlieren und bunte Punkte unterbrochen, die ihm das Sehen schwer machten. Er wimmerte leise. Sein ganzer Kopf fühlte sich an, als wäre er geplatzt und er wusste gar nicht mehr, wo vorne und wo hinten war. Für einen kurzen Augenblick hatte er wohl das Bewusstsein verloren, denn er konnte sich nicht erinnern, wie er in die Arme seines Bruders gekommen war, der ihn mehr als nur besorgt ansah und ihm vorsichtig verschwitzte Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. "Yuu...", murmelte er leise und ihm fielen immer wieder die Augen zu. "Was..." Doch Aoi konnte ihm nicht antworten, denn er musste hart schlucken und kämpfte vergeblich gegen die Tränen, die sich nun ihren Weg über seine Wangen bahnten. Er wollte nie wieder an diese schlimme Zeit denken. Aber für Uruha muss das Ganze noch viel schlimmer sein als für ihn. Aoi hatte ihn nicht immer beschützen können und so wurde Uruha auch von diesem verdammten Mistkerl auch geschlagen, wenn er es nicht mitbekam. Der Kleinere lief grundsätzlich mit blauen Flecken durch die Gegend. "Go...gomen, Kou... Ich konnte es nicht verhindern. Ich hab es versucht, aber ich wusste nur noch diesen einen Ausweg. Verzeih mir." Uruha wusste gar nicht, wovon sein großer Bruder da sprach. War das eben eine Erinnerung gewesen? So etwas Schlimmes war ihm angetan worden? Aber... Wieso? Wieso hatte man ihm so etwas angetan? Ihn geschlagen und verletzt? Aber... Wieso? Womit hatte er das denn verdient? Er erzitterte merklich in den Armen seines großen Bruders und seine Finger versuchten schwach, sich an ihm festzukrallen. Es war, als würde all seine Kraft ihn verlassen haben. Er fühlte sich schwach und ausgelaugt und ihm war kalt. "Aoi... Was...?" Energisch schüttelte er den Kopf und murmelte immer wieder eine Entschuldigung nach der anderen. Uruha sollte es doch lieber vergessen. Es war doch schon schlimm genug, dass er das durchmachen musste. Wieso wollte er denn jetzt noch alles so genau wissen? Tat es ihm nicht schon genug weh, dass er das alles erlebt hatte? "Iie... Ich...Ich kann nicht, Kou. Bitte... Bitte verlang nicht von mir, dass ich dir das sage. Ich will es vergessen und du solltest es auch. Onegai...", wimmerte er und drückte den Jüngeren ganz fest an seinen Körper. "Vergiss ihn. Vergiss, was damals passiert ist. Bitte... Ich will nicht, dass es dir noch einmal so weh tut." Noch nie hatte er seinen Bruder so aufgelöst gesehen und es tat ihm in der Seele weh. Was war hier los, verdammt nochmal? Wieso weinte sein sonst so willensstarker Bruder hier wie ein getretenes Hündchen und hielt ihn fest an sich gepresst? Er verstand gar nichts mehr. Aber Aoi schien wirklich viel daran zu liegen, dass er ihn nicht mehr danach fragte. Gut. Dann würde er das auch nicht mehr tun. Nur Aoi zuliebe würde er nicht mehr nachfragen. "Aoi... Mir ist kalt... Und schwindlig, ich... Kannst du mir helfen?", winselte er leise und sah seinen großen Bruder bittend an. Hastig wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und nickte beklommen. Vorsichtig half er ihm auf die Beine und legte ihn zurück ins Bett. Liebevoll deckte er ihn zu und kuschelte sich wieder eng an ihn. "Es...es tut mir leid, dass ich deine Frage nicht beantworten konnte. Aber... Ich will nicht, dass du dich daran erinnerst. Das ist nicht böse gemeint, aber ... es tut zu sehr weh." Noch immer sah man ihm an, dass er geweint hatte. Und das nicht gerade wenig. Diese Erinnerungen waren das Schrecklichste, das er jemals erlebt hatte und er wollte seinem Bruder diese, so gut es ging, ersparen. "Ich hab dich unglaublich lieb, Kou und ich tu alles dafür, dass du glücklich wirst. Alles." "Ano... Aoi... Schon gut. Du kannst nichts dafür. Wirklich nicht. Wenn du schon weinst, muss es etwas Schlimmes gewesen sein und ich werde nicht mehr danach fragen. Ich verspreche es dir... Weißt du... Ich will auch nur, dass du glücklich bist... Also werde ich nicht mehr danach fragen. Auch, wenn ich diese Bilder jetzt nicht mehr aus meinem Kopf kriege." Er hickste nun ebenfalls verzweifelt auf und krallte sich an seinem Bruder fest. "Ich hab dich lieb..." Er konnte es immer noch nicht richtig glauben, dass Kouyou wieder bei ihm war. Er hatte sich schon sonst was ausgemalt, was ihm hätte passieren können. Es war schon schrecklich genug. Überall hatte er gesucht und ihn nie gefunden. Doch jetzt war er wieder bei ihm und er hielt ihn im Arm. "Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, kleiner Bruder. Wirklich...", murmelte er und drückte ihn noch fester an sich. "Du bist alles, was ich habe. Und ich bin froh, dass du wieder bei mir bist." Uruha wurde leicht rot bei Aois Worten und schmiegte sich noch enger an seinen Bruder heran. Vorsichtig legte er seinen Kopf auf Aois Brust ab und schniefte leise. Er hatte nicht beabsichtigt, dass Aoi weinen musste. Er hatte ja auch nicht gewusst, was das für Bilder waren und wie sie in Verbindung mit ihnen standen. Dass Aoi so reagieren würde, hatte er ebenfalls nicht gewusst. Wie denn auch? "Hab dich lieb, Onii-San.", wisperte er. "Ich hab dich wirklich lieb..." "Hai, das weiß ich doch." Jetzt lächelte er und strich ihm liebevoll über die Wangen. "Das sagst du mir nicht zum ersten mal, Kou... Und ich höre es immer wieder gern. Besonders von dir." Und schon zwickte er ihm in die Wange. "Was machen wir heute beide? Wollen wir vielleicht deinem Schatz einen Besuch abstatten? Ich würd schon gerne sehen, was er so drauf hat. Das Set sah nämlich ziemlich komplex aus. Das lässt darauf schließen, dass er damit nicht nur kleine Trommelübungen macht. Was meinst du?" Uruha überlegte kurz. Sollte er mit Aoi zusammen wirklich Kai besuchen gehen? Er wusste nicht, ob das wirklich eine so gute Idee war. Vielleicht wollte Kai ja auch erst mal alleine sein und in Ruhe nachdenken. Über sich und Uruha. Aber er wollte ihn auch unbedingt wiedersehen und so nickte er. Allerdings konnte er es nicht lassen und gab Aoi eine Kopfnuss. "Er ist nicht mein Schatz. Jedenfalls noch nicht." Und schon stand er auf den Beinen und wartete darauf, dass Aoi sich auch mal aus dem Bett bequemen würde. Der Schwarzhaarige legte den Kopf schief und rieb ihn sich. "Itai..", maulte er und sah Uruha hinterher. "Ano... Wie jetzt? Er ist nicht dein Schatz? Aber... Der Kuss sah schon danach aus. Und irgendwie seht ihr total süß zusammen aus.", grinste er und hielt sich vorsichtshalber eines der Kissen vors Gesicht. Bei Uruha wusste man ja nie, was als nächstes kommt. Er war immer für eine Überraschung gut. "Außerdem sah er leicht enttäuscht aus, als du meintest, dass wir jetzt nach Hause gehen würden. Ich glaub, er hätte dich gerne mit in sein Bettchen genommen." "Ich hab ihn geküsst, weil er mich auch schon mal geküsst hatte. Außerdem wollte ich ihm seine Entscheidung etwas leichter machen. Er kann sich noch nicht entscheiden, ob er mich liebt oder nicht. Und... Wir sehen nicht süß zusammen aus! Du bist peinlich, Aoi!" Er grummelte leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Aoi versteckte sein Gesicht lieber hinter einem Kissen. Und das war auch gut so, denn bei seinen nächsten Worten wurde es ihm zuviel. Er holte aus und boxte seinen Bruder gegen die Seite. "Er will mich nicht in sein Bettchen mitnehmen!" Aoi lachte sich halb schlapp. Uruha war aber auch so verdammt süß, wenn er versuchte, sich zu rechtfertigen, es aber eigentlich überhaupt nicht musste. Er wusste auch so, dass er bis über beide Ohren in den anderen verschossen war. Da brauchte er ihm auch gar nicht widersprechen, wenn er meinte, die beiden sähen süß zusammen aus. Denn das taten sich ganz gewiss. "Und ob er das wollte. Hast du nicht gesehen, wie er geguckt hat? Wenn du das nicht gesehen hast, dann weiß ich auch nicht. Außerdem passt ihr so super zueinander.", piesackte er einfach weiter. Er wollte mal sehen, wie weit der Jüngere nun gehen würde. "Nein, hab ich nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht SO geguckt hat. Ganz ehrlich, du bildest dir da wieder was ein.", grummelte er leise und zog seine Schnute weiterhin. "Ich und Kai sind noch nicht zusammen und wer weiß, ob wir das jemals sein werden. Kai ist sich noch nicht so sicher..." Er seufte traurig und schmiegte sich an seinen großen Bruder. "Na komm, Onii-San. Es war deine Idee, Kai besuchen zu gehen." Er pattete den anderen und zog ihn in seine Arme. "Armes Ponchen. Hat er sich noch nicht geoutet?" Irgendwie konnte er es nicht lassen und musste seinen Bruder immer wieder necken und ein wenig durch den Kakao ziehen. Das hatte er unglaublich vermisst. "Na los, dann werden wir den Kleinen mal besuchen und dann kannst du ihm noch ein bisschen den Kopf verdrehen, damit er endlich mal auftaut und sich mit dir beschäftigt.", ärgerte er ihn weiter und versteckte sich jetzt doch lieber unter seine Decke. Er hatte nämlich das Gefühl, dass Uruha sich jetzt ihm ausgiebig widmen würde. Und das würde wohl nicht gut enden für ihn. Okay, spätestens jetzt brannten bei Uruha alle Sicherungen durch. Wie konnte Aoi es denn wagen und ihn so verarschen? Das war so gemein! Und das würde sein großer Bruder jetzt auch zu spüren bekommen, oh ja. Da würde ihn jetzt selbst die Decke nichts mehr nutzen. Die konnte man gut für einen Erstickungsplan gebrauchen. Uruha setzte sich rittlings auf die Hüfte seines Bruders und boxte immer wieder auf die Decke ein. Natürlich nicht so fest, dass er ihm ernsthaft wehtun konnte, aber auch so fest, dass er immer wieder leises Wimmern unter der Decke hören konnte. Er grinste und hörte auf. Allerdings blieb er weiterhin auf seinem Bruder sitzen. "Gibst du auf?" Aoi wimmerte immer wieder. Aber das hier hatte er sich ja auch selbst eingebrockt und so nahm er es mit Humor und kicherte, als Uruha aufhörte und ihn danach fragte, ob er aufgäbe. Doch so leicht ließ er sich nicht davon überzeugen, mit seinen kleinen Albernheiten aufzuhören. Er fand das einfach toll. Und so viel Spaß hatte er schon lange nicht mehr. Vorsichtig lugte er über den Deckenrand hervor und schaute direkt in Uruhas Augen. Dieser saß auf seiner Hüfte und erwiderte den Blick. Leicht schüttelte er den Kopf. "Iie... Warum sollte ich aufgeben? Ich find das wirklich total niedlich, wie ihr beide euch so anschmachtet. Das is purer Zucker.", kicherte er. "Wir sind aber keine kleinen Kinder mehr, Aoi. Das ist echt peinlich, wenn du so was sagst. Außerdem geht dich das doch gar nichts an. Mein Liebesleben ist tabu für dich, Onii-San!", maulte er und boxte ihn wieder, diesmal gegen den Arm. "Hör auf, okay? Kai will das sicherlich auch nicht hören. Vielleicht will er mich ja auch gar nicht als seinen Freund haben. Ich jedenfalls bleibe jetzt solange hier auf dir sitzen, bis du mich vom Gegenteil überzeugen kannst oder aufhörst." "Ha..hai... Schon gut." Beschwichtigend hob er die Arme und lächelte ihn entschuldigend an. "Okay, ich hör ja schon auf. So kommen wir ja sonst nie zu deinem Schatzi.", lachte er und warf sich um, so dass Uruha nun neben ihm auf dem Bett lag. Schnell sprang er auf und nutzte die Gelegenheit, um dem leicht wutschnaubenden jungen Mann zu entkommen und ins Badezimmer zu huschen. Eilig schloss er die Tür und grinste breit. Er hörte noch, wie der Jüngere ihm nachlief und gegen die Badezimmertür klopfte. Doch er grinste weiter vor sich hin. Uruha würde das schon noch verstehen lernen. Und er war sich eigentlich sicher, dass Kai sich auch zu seinem kleinen Bruder hingezogen fühlte. Und er würde dafür schon sorgen, dass die beiden sich gegenseitig in den Armen lagen und sich ihre Liebe gestanden. Das wäre doch gelacht. Schließlich war er Aoi. "Is aber so!", rief er seinem Bruder zu und verschwand dann unter der Dusche. Uruha konnte ruhig noch mehr beteuern, dass sie nicht süß wären, aber er wusste es. Sie waren definitiv süß zusammen. Wutschnaubend stand er vor der nun geschlossenen Tür und hämmerte dagegen. Das gab´s doch wohl nicht! Musste Aoi ihn denn wirklich immer so ärgern? Er konnte es wirklich nicht einmal sein lassen. "Ich krieg dich schon noch, Freundchen. Dann kannst du dein blaues Wunder erleben.", fauchte er und stapfte zurück ins Schlafzimmer. Dort legte er für seinen großen Bruder ein komplettes Outfit auf das Bett, ehe er selbst in sein Zimmer huschte und erst mal ein wenig Ordnung schaffte. War ja nicht zum Aushalten. "Ich bin echt ein Schmutzfink..." Nachdem er das auch erledigt hatte, tapste er ins Wohnzimmer und legte sich dort erschöpft aufs Sofa. Er wollte eigentlich auf Aoi warten, doch der brauchte mal wieder eine halbe Ewigkeit im Bad. So dauerte es auch nicht lange, bis Uruha wieder eingeschlafen war. In aller Seelenruhe machte er sich fertig. So wie er es eben immer tat und ließ sich dabei mal wieder ordentlich Zeit. Ihn jedoch störte es recht wenig. Als er dann fertig war, traute er sich nur zögerlich hinaus. Schnell schaute er aus der Tür raus. Erst nach links, dann nach rechts. Kein Uruha in Sicht. Glück gehabt. Und schon tapste er durch die Wohnung und bleibt verwirrt neben dem Sofa stehen. Uruha lag da und schlief schon wieder. "Ja ja, und ich soll nicht so viel pennen, alte Schnarchnase!" Leicht piekte er ihm in die Wange und grinste breit. "Aufstehen, Ponchen. Wir wollen doch zu deinem Hasi. Also hopp, ab auf die Beine. Hab mich extra für dich beeilt und du ratzt hier seelenruhig vor dich hin." Total verschlafen blinzelte er seinen Bruder an und murrte leise. War er eingeschlafen? Wie peinlich. Eben noch hatte er seinen Bruder so angetrieben und jetzt schlief er selbst. Toll. "Gomen nasai...", nuschelte er leise und setzte sich auf. Müde rieb er sich den Schlaf aus den Augen und stand auf. "Und nenn mich nicht Ponchen, Aoi!" Er piekte seinen Bruder in die Seite und ging dann zusammen mit ihm aus dem Haus. Es war ein herrlicher Tag und so gingen sie gut gelaunt nebeneinander her durch die Straßen Kanagawas, zu Kais Haus. Jetzt war es an ihm, eine Schnute zu ziehen. "Warum soll ich nicht 'Ponchen' sagen? Du bist doch mein kleines Schatzi.", kicherte er und knuffte dem anderen wieder in die Seite. Doch so wirklich ging er darauf nicht näher ein. Uruha wollte scheinbar unbedingt los, denn ehe er sich´s versah, waren sie auch schon auf dem Weg zu Uruhas Schwarm. "Und wie soll ich mich verhalten, wenn ihr knutschend in der Ecke sitzt und euch gegenseitig befummelt? Darauf kann ich gut und gerne verzichten. Auch wenn ich euch süß zusammen finde, muss ich nicht unbedingt dabei sein, wenn ihr übereinander herfallt." Vorsichtshalber wich er ein paar Schritte zurück. Irgendwie fand er es einfach nur fantastisch, endlich mal etwas zu haben, mit dem er seinen kleinen Bruder aufziehen konnte. So langsam wurde es ihm wirklich zu bunt. Was sollte das denn bitteschön? Er hatte keine Lust darauf, dauernd und überall von seinem großen Bruder aufgezogen zu werden. Und 'sein kleiner Schatzi' war er sicherlich auch nicht. Also nix da 'Ponchen'. Aber er wollte auch nicht mit ihm diskutieren, also steckte er nur die Hände in die Hosentaschen und zuckte mit der Schulter. "Wenn´s dir zu viel wird, dann gehst du eben wieder. Und du glaubst doch nicht im Ernst, dass Kai gleich über mich herfällt oder? Ich glaub jedenfalls nicht daran..." Und schon standen sie vor Kais Haustür und Uruha klingelte. "Och Mann." Aoi stupste mit seiner Schulter gegen die des Größeren. "Nun mal doch mal nicht alles so schwarz, Kou..." Irgendwie wollte er ihn doch einfach nur ein bisschen belustigen, doch Uruha schien das gar nicht lustig zu finden. Seufzend schritt er nun neben ihm her und schwieg. So konnte er wenigstens nichts Falsches mehr sagen. Als sie vor der Tür standen, vor der sie gestern schon mehrere Stunden verbracht hatte, schaute er sich nochmals um. So richtig mitbekommen hatte er noch nicht, wo dieser Kai nun wirklich wohnte. Aber jetzt erkannte er das Viertel. War gar nicht so übel die Gegend. Da hatte Uruha wirklich Glück gehabt, dass er bei so einem netten jungen Mann untergekommen war. Es hätte ihn wahrlich schlechter treffen können. Uruha schien wirklich ungeduldig zu sein, denn schon wieder belagerte er die Klingel und ließ ein Dauerfeuer in Kais Wohnung ertönen. Dieser jedoch lag noch im Bett und schlief. Erschrocken fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Gähnend erhob er sich, als er realisierte, dass es seine Klingel war, die da scheinbar nicht mehr stillstehen wollte. Und so tapste er auf nackten Füßen nur in seiner Boxershorts zur Tür und drückte den Summer. Er wusste zwar nicht, wer das da war, aber konnte ja nicht schaden, dem die Tür aufzumachen, damit er endlich Ruhe gab. Geduldig und halb wieder einschlafend stand er in seiner Tür und wartete, dass der Besuch endlich in Sichtweite kam. Ungeduldig hibbelte er wieder vor der Tür herum und drückte im Dauerton Kais Klingel. Als dann endlich der Summer ertönte und ihnen signalisierte, dass die Tür offen war, stieß sie Uruha natürlich sofort auf und rannte die zahlreichen Treppen bis zu Kais Tür hinauf. Diese stand bereits offen und ein noch nicht ganz wach erscheinender Kai stand in dieser und sah sie verwirrt an. Uruha jedoch fackelte nicht lange und warf sich Kai an den Hals, um ihn mal ordentlich durch zu knuddeln. "Na? Ohayou, Kai-Chan! Gut geschlafen? Ich hab dich vermisst!", sprudelte es aus ihm heraus und er drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Wenn Aoi jetzt wieder einen dummen Spruch ablassen musste, würde er wirklich für nichts mehr garantieren. Doch sein Bruder hielt sich dieses Mal zurück. Kai sah eh noch nicht ganz wach aus und da musste er ihn nicht noch mehr schocken, wenn Uruha sich wütend auf ihn stürzte und ihm gehörig die Leviten las. Das wollte er dem jungen Mann wirklich nicht antun. Kai hingegen war etwas überrumpelt. Uruha warf sich ihm an den Hals und ließ ihn nicht wirklich zu Wort kommen. "O...Ohayou...", stammelte er und legte zaghaft die Arme um den Größeren. Doch als er Aoi hinter ihm entdeckte, ließ er sofort von ihm ab und trat zur Seite. "Ano...kommt rein. Ich geh mir nur schnell was anziehen." Grinsend folgte Uruha Kais Anweisung und betrat zusammen mit seinem Bruder die Wohnung. Er sah Kai hinterher, wie er in Richtung Bad davon tapste und sich etwas anziehen wollte. Uruha und Aoi zogen derweil ihre Jacken und Schuhe aus, hangen die Jacken an die Garderobe, schlüpften wie es in Japan üblich war in Hausschuhe und tapsten leise ins Wohnzimmer hinein. Dort ließen sie sich auf dem Sofa nieder und warteten auf Kai. Uruha hatte leicht rotschimmernde Wangen und ein Lächeln auf den Lippen. Kai hatte ihn eben auch in den Arm genommen. Nur leider hatte da Aoi ein wenig gestört. Aber was soll´s. Und da kam auch schon Kai wieder und gesellte sich zu ihnen. Sofort kuschelte sich Uruha an den anderen. "Wie geht´s dir so?" Noch mit ziemlich kleinen Augen ließ er sich neben die anderen beiden auf dem Sofa nieder. Sofort hatte sich Uruha an ihn gekuschelt und er wurde rot. Es war ihm schon ein wenig unangenehm, dass Uruhas Bruder hier neben sie saß und sie dabei beobachtete und irgendwie ein immer breites Grinsen im Gesicht hatte. "Müde...", kommentierte er nur die Frage und fuhr sich mit beiden Händen gleichzeitig durch das immer noch ziemlich zerzauste, schwarze Haar. Er hätte zwar schon gerne noch ein wenig geschlafen, aber es war auch schön, dass Uruha scheinbar schon am frühen Morgen Sehnsucht nach ihm hatte. "Och, du Armer. Soll ich dir nen Kaffee machen? Dann wirst du sicherlich wieder munter. Ich konnte es gar nicht erwarten, endlich zu dir zu können. Hab dich nämlich wirklich vermisst, weißt du?", er lächelte süß. "Und kümmer dich nicht um Aoi. Der hat heute eine Schraube locker." Das fügte er noch hinzu, da er das dümmliche Grinsen auf Aois Gesicht genau gesehen hatte und auch zu deuten wusste. Kai jedenfalls sah ziemlich verwirrt aus. Ja, das war er auch, denn er konnte mit den Worten Uruhas über seinen Bruder nicht wirklich viel anfangen. Er kannte ihn ja auch nicht und wusste also auch genauso viel über seine Vorliebe der Sockenfarbe wie über seinen Charakter. Da konnte er sich nun wirklich kein Bild von machen. Allerdings machte ihm dieses schelmische Gegrinse doch etwas stutzig. "Iie... Ich möchte keinen Kaffee, aber trotzdem danke. Lieb, dass du mir helfen willst." Jetzt lächelte er. Auch wenn es ihm ziemlich schwer fiel, denn er hatte wirklich kaum geschlafen. Oder besser gesagt, kam er erst vor knapp drei Stunden dazu, endlich mal richtig zu schlafen. Solange schwirrten ihm nämlich noch Gedanken an den gestrigen Abend durch den Kopf. Und drei Stunden Schlaf war nun wirklich nicht sehr viel. "Was kann ich euch denn anbieten. Kaffee? Tee? Frühstück?", fragte er. Er wusste sonst nichts anderes. "Ano... Du musst dir für uns keine Mühen machen. Wir brauchen jetzt nicht unbedingt was. Also...", fing Uruha an, doch ihm wurde sofort von seinem Bruder der Mund zugehalten und so brachte er nur ein gedämpftes "Hmmpfhmmm!", heraus und starrte böse auf Aoi, welcher grinsend Kai ansah. "Also gegen ein ordentliches Frühstück hätte ich ja nichts einzuwenden. Was hast du denn Feines da?" Uruha verdrehte nur die Augen und biss seinem Bruder mal kräftig in den Finger. Hatte er ja auch selbst schuld, wenn er immer so vorlaut sein musste. Er sollte nicht so unhöflich sein. Kai ging in Gedanken mal das Sortiment seines Kühlschrankes durch und musste feststellen, dass da eigentlich gar nicht wirklich was drin war. Er war ja auch noch nicht einkaufen gewesen und gestern Abend hatte er im Restaurant gespeist. Da gab es immer etwas für ihn zu Essen. Damit wurde dort jeder Mitarbeiter versorgt. Also hatte er bisher auch nichts gebraucht. "Ano... Kaffee und Tee.", gab er verlegen zu und kratzte sich am Hinterkopf. "Gomen, ich war noch gar nicht einkaufen, seit wir wieder zurück sind. Is also höchstwahrscheinlich nur noch Müsli da. Mehr kann ich im Moment nicht anbieten." "Wovon ernährst du dich denn bitteschön, Kai?", fragte Aoi etwas entsetzt und rieb sich die gebissene Hand. "Deswegen ist Uruha wohl auch so furchtbar dünn geworden. Du hast ihn nicht genug gefüttert. Schäm dich. Und dir würden ein paar Pfunde mehr auch besser zugutekommen, das kann ich dir versichern." Uruha gab seinem Bruder einen Klaps auf den Hinterkopf und schnaubte. Der Kerl war so was von frech. Das ging ja mal gar nicht. Aber er versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen und grinste Kai an. "Mach dir keine Sorgen. Wir brauchen wirklich nichts." Kai errötete merklich und senkte den Blick. Bei Uruha verstand er ja, dass er meinte, er müsse mehr essen, aber Kai futterte eigentlich immer. Er konnte nur nichts dafür, dass bei ihm da scheinbar nie was hängen blieb. Und manchmal hatte er so viel um die Ohren, dass er gar nicht an Essen dachte und es dann schlichtweg vergaß. So was passierte halt ab und an mal. Konnte man auch nicht ändern. "Ano...Sicher, dass ihr nichts wollt?", fragte er lieber noch einmal nach, damit er nicht noch als schlechter Gastgeber rüberkam. "Und sonst? Alles okay bei euch?" Er hob den Kopf wieder und lächelte Uruha liebevoll an. "Erinnerst du dich wieder an etwas?" "Also, ich bin Takashima Kouyou, 22 Jahre alt, am 9. Juni 1981 geboren. Ich hab einen Kater, der Shima heißt und er ist total süß. Anscheinend bin ich ein richtiger Chaot, weil mein Zimmer aussieht, als hätte eine Bombe da eingeschlagen und ich hab auch anscheinend einen Violett-Fimmel. Mein ganzes Zimmer ist lila.", er grinste leicht. "Und sonst... Ich hab mir alte Fotoalben angesehen. Voll niedlich." Auf seinem Gesicht erschien ein leicht trauriger Anblick, denn er wollte das dunkelblaue Album nicht erwähnen. Das wollte er Aoi nicht noch mal antun. "Und sonst... Eigentlich nichts... Leider." Erschrocken weiteten sich Aois Augen, als er sah, dass Uruhas Gesichtsausdruck von heiter fröhlich zu ziemlich traurig wechselte. Er wusste genau, worauf dieser Blick beruhte. Uruha dachte gerade an das Album und die Situation, die sich daraus ergeben hat. Kai hingegen lächelte und erhob sich. Höflich verbeugte er sich vor den beiden Anwesenden. "Ich bin Uke Yutaka, 22 Jahre alt und am 28.10.1981 geboren. Freut mich, euch kennen zu lernen.", witzelte er. Dann ließ er sich wieder in die weichen Polster sinken und grinste sein fröhliches Lachen, wobei er mal wieder sein Grübchen präsentierte. "Ich freu mich, dass du dich wieder an einiges erinnerst. Bestimmt kommt bald noch mehr." "Hai... Hoffe ich jedenfalls. Ich will mich wieder an alles erinnern können. An wirklich alles..." Das Wörtchen 'alles' betonte er dabei ganz genau und blickte aus den Augenwinkeln auf den ziemlich geschockten Aoi. Aber er sollte nicht so traurig sein und diese schrecklichen Erinnerungen alleine haben. Er wollte sie mit ihm teilen und versuchen, Aoi wieder ein wenig aufzubauen. Nur wenn er das nicht schaffen würde, müsste Aoi diese Bürde selbst tragen. Uruha blickte mehr als nur traurig zu Boden und knetete seine Hände in seinem Schoß. Er wusste nicht, was er jetzt noch sagen sollte. "Hey." Kai spürte, dass hier gerade irgendetwas mächtig schief lief. Wieso waren die beiden denn mit einem Schlag so niedergeschlagen? Hatte er etwas falsch gemacht? Ganz vorsichtig legte er den Arm um Uruhas Schulter und zog ihn in seine Arme. Er hauchte ihm einen süßen Kuss auf die Wange und lehnte dann seine Stirn gegen de seines Gegenübers. "Ich möchte mich noch bei dir bedanken.", wisperte er. Eigentlich wusste er nicht wirklich, wie er das anstellen sollte, aber da er wusste, dass Uruha es mochte, wenn sie sich so berührten, machte er auch keine Anstalten. Langsam näherte er sich Uruhas Lippen und gab ihm nun einen Kuss auf den Mund. "Arigatou... Ru-chan." Vollkommen überrumpelt spürte er plötzlich Kais Lippen auf den seinigen und automatisch schlossen sich seine Augen. Das war so ein atemberaubend schönes Gefühl, dass er gar nicht anders konnte, als den süßen Kuss zu erwidern. Als Kai diesen dann löste und sich bedankte, sah er ihn mit geröteten Wangen an und lächelte leicht. "Keine Ursache..." "Oh Mann, ey. Seid ihr Kleinkinder oder was? Ihr wisst doch, wie man knutscht oder? Dann macht doch einfach mal. Eure Schüchternheit ist zwar total süß und so, aber langsam nervt´s. Ihr steht doch aufeinander, also fallt schon übereinander her. Ich verzieh mich auch.", lachte Aoi und grinste die beiden an. Uruha wurde knallrot und versteckte sein Gesicht in Kais Halsbeuge. Oh nein. Eine feingeschwungene Augenbraue wanderte nach oben und Kai sah den anderen etwas skeptisch an. Okay, jetzt verstand er, was Uruha vorhin gemeint hatte. Dieser Kerl war irgendwie... Na ja, wie sollte er das ausdrücken? Merkwürdig? Durchgeknallt? Ihm kam einfach nicht das richtige Wort in den Sinn. Aber so richtig böse konnte er ihm auch nicht sein für seine Wortwahl. Irgendwie hatte er ja auch Recht, aber hatte er auch einmal überlegt, dass sie beide Männer waren? Wenn einer von ihnen eine Frau gewesen wäre, dann würde es ja auch vielleicht nicht so schwer sein. Aber so... Demonstrativ legte er die Arme um Uruha und grinste den anderen siegessicher an. "Okay, wenn du also so nett wärst.", gab er ihm als passende Antwort und war gespannt, was der Schwarzhaarige jetzt tun würde. Uruhas und Aois Gesichtszüge entgleisten gleichzeitig. Allerdings fing sich Aoi wenige Sekunden später schon wieder, während Uruhas Mund weiterhin leicht offen stand. Hatte Kai das gerade echt gesagt? Uruha, du solltest dir mal wieder die Ohren saubermachen. Du hörst schon schlecht. Aoi allerdings grinste die beiden verschmitzt an und wuschelte seinem Bruder dann über die Haare, während er Kai ansah. "Aber sei lieb zu ihm, ja? Das ist mein Kleiner und mein ganzer Stolz.", lachte er. "Aber ich will eine Kostprobe sehen. Eher gehe ich nicht. Könnte ja auch sein, dass ihr mich verkackeiert und dann häkelt ihr hier Socken. Ich will was sehen." Kai blies genervt die Backen auf und zog die Stirn kraus. Kami-sama! Jetzt verfluchte er diesen Kerl und zwar gewaltig. Das ging ihm hier gerade gegen Strich und Faden. Was interessierte ihn das eigentlich, was sein Bruder mit dem Menschen tat, den er liebte. Also hatte er auch kein Anrecht darauf, zu sehen, wie sie sich küssten oder ähnliches. Ein tiefes Knurren verließ seine Kehle und er drückte Uruha noch näher an sich. "Wir häkeln ganz sicher keine Socken. Davon kannst du ausgehen. Und außerdem geht dich das gar nichts an. Bist wohl neidisch darauf, dass wir einander haben, was?" Irgendwie war er jetzt sauer auf den anderen. Mit so was trieb man keine Späße. "Ganz ruhig, Kleiner. War doch nicht so gemeint. War ja nur ein Witz. Ich will euch schon nichts abgucken, keine Bange. So pervers bin ich auch nicht, dass ich meinem Bruder beim Fummeln zugucken will.", seufzte Aoi und stand auf. "Ich will nur sichergehen, dass du ihm keine falschen Hoffnungen machst. Wenn du Uruha auch nur ein einziges Mal zum Weinen bringst oder ihm wehtust, dann sei dir sicher, dass ich kommen werde und dir die Leviten lese. Und das willst du ganz sicher nicht." Trotz seiner ernsten Worte grinste er und wuschelte den beiden einmal über die Köpfe, ehe er verschwand und die beiden alleine ließ. Uruha war knallrot angelaufen und blickte Kai an. "Entschuldige..." Verdattert starrte er dem anderen hinterher, der die Wohnung über den Flur schnurstracks verließ. Was war denn hier mit einem Mal los? Hatte er irgendwie was verpasst? Er war doch eigentlich noch gar nicht mit Uruha zusammen und er hatte auch nicht vor, jetzt über ihn herzufallen. Eigentlich wollte er dem anderen damit nur verdeutlichen, dass auch er sich nicht über den Mund fahren ließ und seine Entscheidungen durchaus alleine treffen konnte, ohne dass sich da ein älterer Herr dazu herablassen musste, ihm einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben. Dann sah er Uruha ins Gesicht. Noch immer fragte er sich, was hier gerade abging. "Ano... ist der immer so drauf?" "Ich... Eigentlich nicht, also...", Uruha war immer noch geschockt. Seit wann war sein Bruder denn so frech? So hatte er ihn eigentlich noch nie erlebt. Soweit er sich jetzt erinnern konnte. "Es tut mir ehrlich leid, Kai... Ich sollte ihn mal richtig erziehen. Er ist einfach nur peinlich..." Er seufzte leise und kuschelte sich ein bisschen enger an Kai heran, der ihn ja immer noch im Arm hielt. Es gefiel ihm wirklich, ihm so nahe zu sein. Aber wollte Kai das überhaupt? Oder hatte er das nur wegen Aoi gemacht? "Ano... Hast du dir das eigentlich noch mal überlegt...? Wegen uns...?" Sofort wurde sein Puls schneller und er begann, zu schwitzen. Hai, er hatte wirklich darüber nachgedacht. Deshalb hatte er ja auch so verdammt wenig Schlaf bekommen, dem Uruha ja auch frühzeitig ein Ende gesetzt hatte. Aber zu einem Entschluss war er noch immer nicht gekommen. Er wusste zwar, dass der andere ihm sehr viel bedeutete und er ihn immer gerne um sich haben wollte, aber ob das schon Liebe war, konnte er nicht sagen. "Ano...", stammelte er. "Ich habe schon darüber nachgedacht, aber..." Jetzt sah er direkt in Uruhas schöne Augen. "Gib mir noch etwas Zeit. Ich bin wirklich gerne mit dir zusammen, aber... ich hab auch Angst davor." Ja, Angst ein weiteres Mal so tief verletzt zu werden, wenn er sich in jemanden so haltlos verliebte. "Ano... Hai, ist okay. Ich warte auf dich, Kai. Ich werde immer auf dich warten.", wisperte er leise und löste sich von Kai. "Ich will dir deine Entscheidung auch nicht allzu schwer machen... Vielleicht ist es dann ja besser, wenn wir nicht kuscheln." Irgendwie wusste er gerade nicht, was er sagen sollte. Kai klang so merkwürdig. So verletzt. Hatte er etwas falsch gemacht? Und eine weitere Frage türmte sich wie eine Festung in ihm auf: Wieso hatte Kai ihn eben geküsst, wenn er ihn doch gar nicht wirklich liebte? "Warte." Und schon hatte er ihm am Handgelenk gepackt und zog ihn wieder näher zu sich. Nun stand der Größere direkt vor ihm und Kai schlang die Arme um die schmale Hüfte. Den Kopf legte er gegen Uruhas Bauch. "Ich will aber mit dir kuscheln. Bitte." Er ließ ihm auch gar keine andere Wahl, denn er hatte nicht vor, seinen Griff um den anderen zu lockern oder gar zu lösen. Nein, wenn Uruha jetzt ging, dann... Ja, was dann? Kai wusste es selbst nicht. Er mochte es unheimlich, mit Uruha zu kuscheln und auch einem Kuss war er nicht abgeneigt. Überhaupt nicht. Er genoss es regelrecht und er wollte mehr davon. Erschrocken stand Uruha nun vor Kai und fühlte dessen Arme um seine Hüfte und dessen Kopf auf seinem Bauch. Er hoffte, dass Kai seinen schnellen Herzschlag nicht hören konnte, denn sein Herz schlug gerade Saltos und lief Marathons. Kai wollte doch mit ihm kuscheln? Weshalb denn? Normale Freunde kuschelten doch nicht so miteinander, wie sie es getan hatten und normale Freunde küssten sich auch nicht so, wie sie es getan hatten. Und wenn Kai sich noch unschlüssig war, was seine Liebe zu Uruha anging, dann sollten sie auch nicht kuscheln. Aber Kais Griff war einfach viel zu fest und Uruha konnte sich nicht von ihm lösen. Und so stand er einfach nur reglos da, mit gesenktem Kopf und wusste weder vor noch zurück. Er würde Kai jetzt erst mal machen lassen. Mal schauen, was er tun würde. Als er merkte, dass Uruha sich nicht mehr rührte und auch nichts zu seinen Worten sagte, schaute er von unten auf. Den Griff löste er nicht eine Sekunde von ihm. Nein, Uruha sollte einfach bei ihm bleiben. Nur ihre Blicke trafen sich. Sonst schwiegen sie. Kai traute sich einfach nicht, etwas zu sagen. Er wusste auch nicht was. Irgendwann senkte er wieder den Blick. "Ich habe Angst, Ru-chan. Ich weiß, dass ich dich wirklich mehr als nur gern habe, aber genau davor habe ich Angst.", murmelte er. Manchmal gab s halt auch in seinem Leben Momente, die er fürchtete und die ihn so sehr geprägt hatten, dass er fürchtete, sie noch einmal durchmachen zu müssen. Er hatte sein Herz bereits einmal verschenkt gehabt und jetzt lag es nur noch in Trümmern. Er wollte nicht noch einmal so ein Scherbenmeer in seinem Inneren zulassen. Nie mehr. Die Worte Kais drangen zwar durch ihn hindurch, doch verstehen tat er sie nicht. Wieso hatte Kai Angst? Vor was? Etwa vor ihm? Vielleicht vor sich selbst? Er verstand es einfach nicht und so konnte er nichts weiter tun, als Kai nur zweifelnd anzuschauen. Was sollte er denn jetzt darauf sagen? Mehr als ihm seine Liebe beweisen konnte er nicht. Und so setzte er sich vorsichtig auf Kais Schoß, umschlang ihn mit seinen Armen und küsste ihn auf die Wange. "Ich liebe dich..." Und da waren sie wieder. Die Worte, die er so gerne hören wollte und Uruha scheute sich nicht eine Sekunde, sie ihm zu sagen. Und er? Er musste sich darüber erst Gedanken machen. Wenn man jemanden liebte, konnte man es dann nicht einfach haltlos dem anderen ins Gesicht sagen? Warum also stammelte er hier so vor sich hin oder schwieg sogar. Das war doch eigentlich mehr als unfair dem anderen gegenüber. Wieso also konnte er sie ihm nicht einfach so sagen? Warum? Es gab doch überhaupt keinen Grund, warum er sie nicht erwidern durfte. Uruha liebte ihn. Was gab es da noch zu überlegen? "Gomen, Ruha... Ich weiß auch nicht. Du sagst mir, dass du mich liebst. Einfach so. Ohne Scheu, ohne Furcht. Und ich... Ich bin einfach nur doof. Der Mensch, der mir am meisten bedeutet, sagt mir, dass er mich liebt und ich... Ich weiß einfach nicht, ob ich meine Gefühle einfach so freilassen kann. Ich habe Angst davor. Noch eine Enttäuschung verkrafte ich nicht." "Kai... Es ist okay, wenn du nicht weißt, wie du für mich fühlst. Ich kann deine Liebe doch nicht erzwingen. Wenn es so sein sollte und du mich wirklich nicht liebst, muss ich doch auch damit leben. Aber denk nicht, dass ich dich einfach fallen lasse wie eine heiße Kartoffel, weil du mich nicht liebst. Ich werde immer an deiner Seite sein, wenn du das wünschst. Ich werde dich nicht enttäuschen, Kai. Ich liebe dich wirklich von ganzem Herzen." All diese Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus und er meinte sie ehrlich. Sie kamen aus dem tiefsten Inneren seines Herzens und er hoffte, dass Kai ihm glauben würde. Erneut senkte er den Blick. Allerdings nur, weil er nicht wollte, dass Uruha sah, wie sich still und heimlich kleine Tränen aus seinen Augen schlichen. Es waren Tränen, weil er Uruha doch so verdammt gerne hatte und er ihm auch so unglaublich viel bedeutete. Dennoch konnte er diese süßen Worte nicht aussprechen. Sie lagen ihm auf der Zunge und sein Herz schrie förmlich danach, aber seine Vergangenheit schien dies nicht zulassen zu wollen. Statt mit ihm zu sprechen und ihm zu sagen, was in ihm vorging, schluckte er wieder alles und sein Körper erzitterte dabei und leise Schluchzer verließen seine Lippen. Erschrocken sah er mit an, wie kleine Tränen Kais Augen verließen und ihn erzittern ließen. Oh nein. Was hatte er denn nun wieder falsch gemacht? Manchmal könnte er sich für seine Dummheit selbst schlagen. Anscheinend hatte er Kai doch überfordert und mit seinen Worten das genaue Gegenteil bewirkt, was er eigentlich bezwecken wollte. Klasse gemacht, Uruha. Jetzt weint Kai wegen dir. Bieg das erst mal wieder gerade, du Idiot. So schnell er konnte stand er von Kais Schoß auf und schluckte. Noch einmal wollte er ihn nicht so überfordern, wie er es soeben getan hatte. "Gomen, Kai... Nicht weinen, ja?" "Ha...hai...", versuchte er zu sagen, doch es klang lediglich wie ein leises Wimmern. Dabei wollte er doch nicht, dass Uruha das mitbekam. "Es liegt nicht an dir." Vorsichtig drückte er Uruha ein Stück von sich weg und drehte den Kopf zur Seite. Er sollte nicht noch mehr von seiner Unfähigkeit mitbekommen. Nein. Uruha sollte sich doch nicht in so einen verdammten Idioten verlieben. Nein. Uruha hatte jemand besseres verdient. Jemand, der von Anfang an zu seinen Gefühlen stand und nicht immer nur Angst hatte. So einen sollte er suchen und ihm seine Gefühle schenken. Nicht so einem verbohrten Trottel wie ihm. "Ich hab dich nicht verdient, Ruha..." So langsam reichte es ihm. Er konnte sich nicht beherrschen und gab Kai einen kleinen Klaps auf die Wange. Es war noch keine richtige Ohrfeige, jedoch stark genug, dass Kais Wange sich leicht rötlich färbte. Wutschnaubend setzte er sich wieder auf Kais Schoß und zwang ihn mit einer Hand, ihn anzusehen. Dann drückte er seine Lippen auf Kais und verwickelte ihn in einen liebevollen Kuss. Als er sich löste, blickte er Kai aus feucht schimmernden Augen an. "Du hast mich sehr wohl verdient, Kai. Du bist mir das wichtigste auf der Welt. Glaub mir doch bitte, dass ich nur dich liebe und auch immer lieben werde. Wirklich..." Jetzt schluchzte auch er leise auf und sah zur Seite. "Aber... aber..." Dann sah er, dass auch sein gegenüber gleich weinen würde, wenn er sich nicht langsam zusammenreißen würde. Uruha schien wirklich viel an ihm zu liegen und das beruhte ganz sicher auf Gegenseitigkeit, denn auch er konnte nicht leugnen, dass der Größere einen wichtigen Teil in seinem Herzen eingenommen hatte. Einen ziemlich großen sogar. Er spürte das leichte Ziepen in seiner Wange. Das hatte er auch verdient. Aber er fragte sich noch immer, warum sich der hübsche, junge Mann vor ihm gerade in ihn verliebt hatte. Er war doch der totale Gefühlsdepp. "Kou...Kouyou?", fragte er vorsichtig. "Darf...darf ich dich was fragen?" Leise schluchzend klammerte er sich an Kai und vergrub sein Gesicht in Kais Halsbeuge. Er zitterte leicht. Wieso verstand Kai denn nicht, dass er ihn wirklich von ganzem Herzen liebte? Wieso konnte er seine Liebe nicht so akzeptieren? Uruha meinte es wirklich verdammt ernst mit Kai. Er liebte ihn wirklich. Von ganzem Herzen. Wieso konnte Kai das nicht verstehen und verschloss sich ihm gegenüber so? "Hai...?", murmelte er erstickt. Hastig wischte er sich die Tränen aus den Augen und hob dann Uruhas Kinn leicht mit dem Finger nach oben. Er wollte ihn ansehen, wenn er ihn dies fragte, denn er wollte eine ehrliche Antwort. Eine Antwort, die ihm vermutlich weiterhelfen würde. "Ich möchte nur wissen, ob es sich wirklich so anfühlt, wenn man den anderen liebt. Ich weiß, das klingt wirklich blödsinnig, aber... Ich möchte mir schon meiner Gefühle für dich klar sein. Und wenn du dir so sicher bist, dass du mich liebst, dann kannst du mir diese Frage auch sicher beantworten." Er schluckte und schaute ihn aus verlegenen Augen an. "Wie fühlst du dich, wenn du bei mir bist. Wie fühlt es sich an, wenn man verliebt ist?" Allerdings hoffte er inständig, dass Uruha es ihm sagen konnte. Denn genau das war es, was ihm andauernd durch den Kopf ging. ER fühlte sich zwar wohl und geborgen in seiner Nähe, doch er hatte auch furchtbares Herzklopfen und ein unsagbares Kribbeln im Bauch. "Ich... Ich fühle mich einfach nur wunderbar in deiner Nähe. Ich will am liebsten immer und ewig in deiner Nähe sein und mit dir kuscheln. Mein Herz schlägt Saltos, wenn ich nur an dich denke und mein Bauch kribbelt ganz fürchterlich, als wenn tausende Ameisen darin herumlaufen. Es ist einfach ein wunderbares Gefühl, bei dir sein zu dürfen. Und es macht mich so verdammt glücklich, wenn du mich streichelst oder in den Arm nimmst. Das klingt alles vielleicht etwas schnulzig und übertrieben, aber es ist wirklich so, Kai. Ich liebe dich von ganzem Herzen und es tut mir leid, dass ich es dir noch nicht früher gesagt habe..." Er wurde rot und sah zur Seite. Hoffentlich verstand Kai jetzt, was in ihm vorging. Eine ganze Weile beherrschte Schweigen den Raum. Nur ihr leiser Atem war zu hören. Auch wenn Kai glaubte, dass man seinen Herzschlag auch noch in Timbuktu hören konnte. Uruha hatte ihm ebenso verdammt viele Komplimente gemacht und schämte sich scheinbar nicht ein Sekunde dafür. Er hingegen lief ruck zuck rot an und wusste einfach nicht mehr, was er sagen sollte. Selbst jetzt noch nicht. So fühlte es sich also an, wenn Uruha verliebt war. Hmmm... Irgendwie kam ihm das auch ziemlich vertraut vor. Nur wusste er nicht so ganz genau, wie er das deuten sollte. Manchmal war er einfach so was von begriffsstutzig, dass er vor sich selbst Angst bekam. Er sollte wohl doch irgendwann noch mal lernen, nicht nur auf seinen Kopf zu hören, sondern auch mal das Herz zu Rate zu ziehen. Und genau das tat er jetzt auch. "Eto... darf... darf ich dich küssen? Ich meine... so richtig küssen?" Verdattert blickte er Kai in die Augen und sagte erst einmal gar nichts. Er brauchte anscheinend doch mal ein Hörgerät. Oder hatte er da eben wirklich gehört, dass Kai ihn küssen wollte? So richtig küssen? Oder wie hatte Kai das eben gemeint? So viele Fragen türmten sich wieder in ihm auf, dass ihm beinahe schwindlig davon wurde. Dann wandte er seinen Blick von Kais hübschen Augen auf dessen ebenso hübsche Lippen und schluckte hart. Okay... Jetzt war es endgültig um ihn geschehen. Wenn er eben noch ein bisschen Zurückhaltung gehabt hatte, so war sie jetzt wie weggeblasen. "Hai... Onegai...", hauchte er leise. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und er hob die Hände, um Uruhas hübsches Gesicht zu umrahmen. Eigentlich wusste er nicht, ob dies der richtige Weg war, um herauszufinden, was er für Uruha empfand. Aber nachdem dieser ihm sagte, wie es sich anfühlte, war er sich eigentlich sicher, dass auch er sich verliebt hatte. In welchem Umfang konnte er nicht sagen, aber es war so. Und dieser Kuss sollte ihm vielleicht zeigen, wie weit er selbst schon mit seinen Gefühlen für den anderen war. Ganz langsam näherte er sich den Lippen des Größeren mit seinen. Nur Millimeter davor kam er zum stehen und schaute ihm tief in die Augen, bevor sie zu drifteten und er seine Lippen gegen Uruhas süße, sündige Polster legte. Erst nur zaghaft, dann mit mehr Druck und wesentlich mehr Gefühl. Kaum, dass sich ihre Lippen berührt hatten, schlossen sich Uruhas Lider automatisch und seine Arme legten sich zärtlich um Kais Nacken. Es fühlte sich so verdammt schön an, wenn Kai ihn küsste und er dachte wehmütig daran, dass Kai dies hier gerade nur zu Versuchszwecken tat und er ihn vielleicht nie wieder so küssen würde, wenn er sich sicher war, dass er ihn doch nicht liebte. Und Uruha hoffte stark, dass dies nicht der Fall war. Er wollte Kai immer so nahe sein können. Süße Laute verließen seine Lippen, während sie sich küssten und Uruha legte den Kopf leicht schief, um besseren Zugang zu Kais weichen Kusspolstern zu bekommen. Ihm wurde leicht schwindlig und immer wieder verließen kleinere, zarte Seufzer seine Kehle. Es fühlte sich einfach nur schön an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)