Mayaku, Gókan to Damaru [Teil I] von abgemeldet (Die Vergangenheit ist unwiderruflich) ================================================================================ Kapitel 15: Vom Schicksal ernährt [Teil 1] ------------------------------------------ Schicksal… War es Schicksal, dass mein Umfeld mich hasste? War es Schicksal, dass ich allein da stand, zwischen all den Tausenden um mich herum? Dabei wollte ich nur von jemandem geliebt werden… War dies zu viel verlangt? Doch Liebe und Anerkennung konnte man nur erhalten, wenn man dünn und schlank war. Darum hatte ich mein Leben in die Hand genommen, um mich von meinem so verhassten Schicksal zu lösen… Vom Schicksal ernährt [Teil 1] 22. Dezember 2008 Er wusste damals wirklich nicht, warum er eigentlich ‘ihn’ erwählt hatte. Doch bis heute war er glücklich mit der Beziehung, die damals aus Trotz gegenüber seinem Onkel entstanden war. Der Onkel, der seine eigene Tochter niedermachte. Sie bestrafte. Der Onkel, der ihm selbst das Leben zur Hölle machte. Der ihm täglich vorhielt, wie teuer er sei und wie glücklich er sich schätzen könne, dass sein Onkel ihn damals nach dem Tod seines Vaters aufgenommen habe. Ehrlich gesagt, wäre Neji lieber im Heim gelandet, als jeden Tag zu hören, dass er nicht in diese Familie gehörte und nur eine ‘Geldverschwendung’ war. Dass er unerwünscht war. Ungewollt. Dass er nur eine Verpflichtung war, die sein Onkel vor dem Tod seines Vaters angenommen hatte. Er war nicht in der Familie, weil er geliebt wurde, sondern als Ergebnis einer Verpflichtung... Eine Verpflichtung, die er nicht einmal gewollt hatte. Jetzt saß er hier auf dem Schulhof und wartete. Während er wartete, schob er sich seinen Schokoladenriegel weiter in dem Mund. Zerkaute diesen und schmeckte die süße Schokolade auf seiner Zunge. Er bemerkte wie das Karamell im Kern des Riegels seine Zähne leicht verklebte. Aber es war ihm egal, dass seine Zähne verklebt waren. Der Genuss der Schokolade in seinem Mund machte dies alles wett. Oft wünschte er sich, dass Leben wäre immer so leicht unbeschwert. So ohne Verpflichtungen und Regeln. Ohne Zwang und Erniedrigung. So wie es beim Schokoladeessen war… Er schluckte den letzten Bissen herunter, als sein fester Freund sich ihm gegenüber aufstellte. Sie sahen sich in die Augen. Seine lavendelfarbenen Iriden versanken in denen seines Gegenübers. Eine Beziehung, die vor über einem Jahr aus Trotz und Auflehnung gegenüber der Familie entstand, war heute für ihn zu einer tiefen Zuneigung und Liebe geworden. Zumindest für ihn. Er war mit ‘ihm’ zusammen. Dem beliebtesten Jungen des Jahrganges. Damals hatten sich beide in der Mittelschule kennengelernt. Heute gingen beide in der daneben liegenden Oberschule in dieselbe Klasse. Erstes Jahr Oberstufe. Dennoch fühlte er sich bei ihm so wunderbar leicht und gebraucht. Er war jemand Besonderes. Er war glücklich und hatte das Glück, dass er mit ihm zusammen war. Der Junge, dem so viele verfallen waren. Und er war mit diesem attraktiven und beliebten Jungen zusammen. Alles andere rückte dadurch in weite Ferne. Selbst sein Onkel, der zu Hause nicht einmal ein nettes Wort für ihn übrig hatte… Doch nicht lange sollte dieses Höhe- und Glücksgefühl andauern. Sollte ausgetauscht werden durch Trauer und Einsamkeit... “Ich will nicht erst darum herumreden... Ich mach Schluss.” Überrascht hob er seine Augenbrauen an. Blickte den anderen mit skeptischem Augen entgegen und legte die Stirn in Falten. Er hatte den Sinn der Wörter noch nicht verstanden. Erfasst schon, aber nicht verstanden. Es dauerte einige Sekunden, ehe aus dem skeptischen Gesichtsausdruck ein überraschter wurde. Schluss... Doch er fragte nicht warum. Machte er nie… Nur verstand er nicht. Was hatte er falsch gemacht? Er wusste es nicht. Hatte er überhaupt etwas falsch gemacht? Er verstand nicht. Lag es an ihm? Er wollte es nicht hinterfragen. Es wäre untypisch für ihn gewesen. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Aus dem überraschten Gesichtsausdruck wurde ein emotionsloses Antlitz seiner selbst. Von Gefühlen verraten. Von Gefühlen verletzt. Dann lieber kein Gefühl zeigen, als noch mehr enttäuscht zu werden. Besser nichts zeigen, als noch mehr Schmerz zu erfahren… Ein genervtes Seufzen kam von seinem Gegenüber. Dabei hatte noch nicht einmal etwas gesagt oder gar gemacht. Lag es vielleicht daran, dass er es einfach so hinnahm? Dies wäre verständlich. Er zuckte immer nur mit den Schultern und die Sache wäre damit geklärt oder einfach nur unter den Tisch gekehrt. Es einfach so belassen und behauptet, es wäre Schicksal gewesen. Dabei lief er nur weg. Er war feige sein Leben oft selbst in die Hand zu nehmen. Er nahm es hin, wie es kam. Schicksal… Er starrte den anderen an. Schaute an ihm vorbei. Wollte nicht in dessen Augen versinken. Er blickte kurz zu Boden. Sah das grüne Gras zu seinen Füßen an. Zertrat es noch weiter unter seinen Schuhen. Ihn nicht ansehen. Ihn nicht sehen lassen, wie gebrochen er in diesem Moment doch war. Wie sein Gegenüber ihn zerbrochen hatte. Mit einem einzigen Satz... “Mann, ich kann dir sagen warum. Sieh dich doch mal an. Du bist fett geworden mit der Zeit. Das ganze Fett schwabbelt doch nur so an dir herum. Selbst der Sex ist grässlich bei diesem Körper.” Neji wusste nicht, was er antworten sollte. Er wusste es wirklich nicht. Was sollte man auch bei solch einer Antwort sagen? So ein Standardsatz wie: “Ist in Ordnung, wir können ja noch Freunde bleiben, nicht wahr?“ oder “Ist nicht so schlimm…”? Sicherlich nicht! Er konnte niemals mit wem befreundet sein, mit dem er zusammen war. Wenn die Beziehung nicht funktioniert hatte, wie sollte es da mit der Freundschaft aussehen? Es würde ihn immer nur schmerzhaft daran erinnern, durch was ihre Beziehung kaputt gegangen war. Das wollte er nicht. Verdammt! Was sollte er machen? Irgendwie schmerzte es fürchterlich, solche Worte gesagt zu bekommen. Lag es daran, dass er tief in seinen Inneren so etwas wie Liebe für den anderen empfand? War dies der Grund, warum er sich so verletzt fühlte? So gebrochen? Auch wenn er immer auf emotionslos und kalt machte... Er besaß doch auch Gefühle! Doch diese wurden eben mit Füßen getreten... Leicht ließ er den Kopf sinken. Seine Lider schlossen sich gänzlich. Verbargen den traurigen Glanz in den lavendelfarbenen Iriden. Seine Hände steckte er tief in die Hosentaschen. Neji wandte sich einfach um, den Blick weiter zu Boden gerichtet und setzte er seinen Weg in Richtung Schulgebäude fort. Das verächtliche Schnauben und spöttische Lächeln auf den Lippen des anderen bemerkte er nicht einmal. Sein Herz schmerzte. Die Worte des anderen hinterließen in seinem Inneren eine tiefe Narbe. Eine Narbe, welche noch nicht mit Bluten begann. Doch später... Später würde diese es. Nur wusste er es noch nicht... Man hatte nur mit ihm gespielt. Ihm gar nicht für wirklich wahrgenommen. Dabei war ein Jahr eine lange Zeit. Eine Zeit, in der man schnell Zuneigung und Liebe aufbauen konnte. Und dennoch… Der andere hatte nur mit ihm gespielt. Hatte mit ihm geschlafen. So getan, als würde er ihn lieben. Aber nur bis das Spiel langweilig wurde. Bis das Spielzeug ‘kaputt’ war. Wie dumm war er eigentlich? Warum glaubte er solch einem naiven Spiel? Warum glaubte er seinen naiven Gefühlen? Zitternd holte er seine Hände aus seinen Taschen und drückte sie auf seinen Bauch. Ihn war schlecht. So unsagbar schlecht. Am liebsten würde er sich jetzt übergeben. Alle Gefühle aus sich herauskotzen. Diesen Schmerz in seiner Brust herausreißen. Herausholen und in tausend Fetzen zerfleddern. Eine Beziehung begonnen aus Trotz und beendet mit Schmerz. Ein leichter Wind wehte auf. Hob seinen zusammengebundenen Zopf ein wenig an. Wirbelte sein braunes Ponyhaar durcheinander. Streichelte mit diesem über seine erhitzten Wangen. Seine Augen brannten vor unvergossenen Tränen. Er schloss seine Lider erneut. Sein Haar verdeckte die Sicht auf sein Gesicht. Verdeckte die Sicht auf die kleine unscheinbare Träne, welche höhnend und erbärmlich über seine Wange lief. Niemand sah sie. Diese kleine, unscheinbare Träne. Niemand bemerkte es. Diesen unendlichen Schmerz in seinem Inneren. Und niemand sollte sie ausnutzen. Seine jetzige Schwäche… Kein Wort kam über seine Lippen. Stumm nahm er es hin. Sein so verhasstes Schicksal… ~*~*~ 28. Februar 2009 “Ey, schaut mal was Schwabbel da macht!” “Ist der fetter geworden?” “Klar, schau doch, wie breit sein Arsch ist!” “Schau da nicht so drauf, sonst wirst du noch blind...” Ein dunkles Lachen kam über die Lippen seiner beiden Mitschüler. Neji zuckte leicht zusammen, doch diese Regung wurde von niemandem bemerkt. Sein linker Ellenbogen war auf seine Schulbank gestützt. Den Kopf hatte er in die offene Handfläche gebettet. Seine Finger zitterten, krallten sich fast in seine Wange. Sein Ponyhaar hing ihm zerzaust im Gesicht, verdeckte seine vor Scham und Demütigung geröteten und erhitzten Wangen. Nichts anmerken lassen. Sie dürfen nicht erkennen, dass es ihn verletzte. Seine Augen hatte er starr nach Draußen gerichtet. Sie blickten müde und lustlos auf den Schulhof. Es regnete draußen, passend zu seiner getrübten Stimmung. Die beiden anderen Schüler rissen erneut dumme Sprüche und zogen weiter über ihn her. Anscheinend hatten sie ihre Freude daran, ihn zu demütigen und zu verhöhnen. Doch er schwieg dazu. Es würde doch nichts daran ändern, wenn er etwas erwiderte. Er verhielt sich so, als würde er die beiden Jungs nicht hören. Als würden ihre Sprüche ihn kalt lassen. Er wollte auf Durchzug schalten. Wollte sie ignorieren. Aber er schaffte es nicht! Jedes Wort! Jede Silbe! Jeder Buchstabe fraß sich in ihn! So tief... So schmerzhaft... So qualvoll... So sehr, dass er in sich stark den Drang verspürte, aufzustehen und das Zimmer zu verlassen. Aber damit hätte er doch nur gezeigt, dass ihn ihre Hänseleien verletzten. Dass er sich durch diese Sprüche provozieren ließ. Dass er ihre dummen Reden ernst nahm. Dass er einsah, dass er fett war... Die alle redeten doch nur dummen Mist! Er war nicht dick oder fett. Er war halt nicht so mager, so wie die weiblichen Models auf den Laufstegen. Oder wie die neue Freundin seines Ex-Freundes. Sie war doch nur ein dürres Gerippe. Zum Ficken gut, aber hatte nichts auf den Knochen. Und er... Na und, es machte ihm nichts aus! Überhaupt nichts! Auch nicht, dass er ein paar Kilogramm mehr auf den Hüften hatte, als andere in seinem Alter. Trotzdem schmerzten diese Hänseleien und die dummen Sprüche seiner Mitschüler. Sprüche von den anderen aus seinem Jahrgang. Dennoch fühlte er sich so wohl, wie er war. Oder? Seine freie Hand hatte er zitternd gegen seinen Bauch gepresst. Er spürte den rauen Stoff seines weißen Hemdes auf seiner Haut. Auf seinem Bauch. Seine Finger krallten sich tiefer in den Stoff seines Hemdes. Zitterten stärker und krallten sich so tief hinein, dass es schon schmerzte. Sicherlich würde er danach die Abdrücke seiner Fingernägel sehen können. So tief! So schmerzhaft! Doch sie suchten etwas. Seine zittrigen Finger suchten nach Halt. Aber sie bekamen keinen. Nicht bei ihm selbst... So wie er dachte, so fühlte er nicht. Aber Neji wusste schon lange nicht mehr, ob dies stimmte. Ob er sich wohl in seinen Körper fühlte. In letzter Zeit fragte er sich immer häufiger, ob er vielleicht abnehmen sollte. Nörgelte an seinen Körper herum. Betrachtete jeden Millimeter Fett kritisch. Doch er schaffte es nicht. Immer wenn er sagte: “Heute esse ich weniger...”, dann funktionierte es nicht. Der Wille war noch zu schwach. Er war nicht stark genug dazu. Nichts half. Selbst nicht einmal das gute Zureden, dass er es schaffen konnte. Allein würde er es nicht schaffen. Nicht so wie bisher... Doch jetzt, wo er so darüber nachdachte, dass er bisher nur versagt hatte, erklang in seinem Inneren eine Stimme. So klein und doch so mächtig. Eine Stimme, die sagte: “Es ist doch egal. Bleib, wie du bist.” Diese kleine Stimme brach seinen Willen. Brachte ihn dazu, dass er so bleiben wollte, wie er war . Behinderte ihn daran, dass er weniger aß und dass er abnahm. Sie verwirrte ihn. Immer wenn er fiel, wenn er aufgeben wollte, gab ihm diese kleine Stimme recht. Sagte ihm, dass er aufgeben sollte und dass er sich fallen lassen sollte. Die ganze Mühe und Kraft, die er darin investierte. Es war so oft umsonst. Er zweifelte an seinen Bemühungen. An seinen Worten. An seinen Gedanken. Wollte er abnehmen? Von sich aus? Oder wegen der anderen? War das vielleicht der Grund? Dass es nicht sein eigener Wunsch war abzunehmen? Oder lag es wirklich daran, dass er nicht wusste wie? Dass er nicht wusste, welche Methode am schnellsten und effizientesten wirkte? Er wusste es nicht. Es war so oft zum Verrücktwerden. Vielleicht sollte er es einfach so akzeptieren? Nahm es hin, so wie es kommen würde. Schicksal… Doch eins wollte Neji nicht. Er wollte ihnen nicht dieses Glück gönnen. Diesen Triumph über ihn. Dieses Wissen, dass sie ihn gedemütigt hatten. Ihn verletzt hatten. Niemand sollte es wissen. Niemand! Aber wie lange würde er dies noch aushalten können? Wie lange würde er noch alles schlucken können? Es schmerzte so fürchterlich. Es zerfraß ihn von Innen und nagte an seinem Selbstwertgefühl. Es machte ihn so kaputt. Doch er wollte es nicht sehen... Leicht senkten sich seine Lider. Der Glanz aus seinen lavendelfarbenen Iriden war vor längerer Zeit erloschen. Wie lange ging diese Pause noch? Warum hörten die anderen nicht auf? Er verstand es nicht. Was hatte er ihnen getan? Eigentlich nichts.... Meistens hatte er die anderen ignoriert. Hatte sie links liegen gelassen und nur mit ihnen geredet, wenn es von Nöten war. Schließlich war es erst sein erstes Schuljahr hier an dieser Schule. Das erste Jahr an der Oberstufe. Nur wenige von seinen ehemaligen Freunden aus der Mittelschule waren hierher gewechselt. Die meisten sind an private Schulen gegangen oder haben nach neun Jahren Schulpflicht mit ihrer Ausbildung begonnen. Neji wollte noch nicht arbeiten, aber für eine Privatschule wollte sein Onkel nicht bezahlen. Schließlich verursachte er schon so genug Kosten... Ein trostloses Lächeln war auf seinen Lippen, ehe er müde seufzte. Schicksal... Es musste wirklich Schicksal sein, dass er so gestraft wurde. Waise ohne Eltern, verlassen vom Freund, gehasst von der Familie und gemobbt von den eigenen Mitschülern. Was sollte noch auf ihn zukommen? Er wollte es nicht wissen. Er wollte es nicht erfahren. Nicht, dass er noch mehr zerbrechen würde... “Ey, Schwabbel! Was ist denn los, mh? Dich etwa überfressen, oder was, he?” Erneut lachten diese beiden Idioten auf. Er kniff die Augen zusammen. Seine Finger krallten sich tiefer in seine Wange. In seine Haut. Sicher würde danach ein unschöner, roter Abdruck an dieser Stelle sein, den niemand bemerken würde. Der niemanden interessieren würde. Genauso wie bei seinen Gefühlen... Der Drang aufzustehen und zu verschwinden wurde stärker. Doch wollte er nicht nachgeben. Wollte die anderen nicht gewinnen lassen. Seine Hände begannen mit Schwitzen. Seine freie Hand hatte er weiter gegen seinen Bauch gepresst. Ihm war schlecht. So unglaublich schlecht. Doch er musste schlucken. Schlucken, aber nichts verdauen. Nichts sagen. Die Anspielungen der anderen herunterwürgen. Nichts herausholen. Sie weiterreden lassen. Nichts anmerken lassen. Durchhalten. Alles für sich behalten. Schweigen. Ihn würde sowieso keiner ernstnehmen. Schließlich war er doch nur der “Schwabbel”, der alles über sich ergehen ließ. Der alles mit sich machen ließ. Weil er dumm war und niemandem zeigen wollte, dass er sich verletzt fühlte. Weil er niemandem einen weiteren Grund geben wollte, dass man ihn hänselte. Weil niemand wissen sollte, dass er schwach war und nicht den Willen hatte, sich zu ändern. Nicht mehr die Kraft besaß, sich so zu akzeptieren, wie er war... Weil er feige war und sein Leben nicht allein schaffte. Nicht, ohne von anderen Menschen bestimmt und gesteuert zu werden. Schicksal… “Hey, Neji-kun! Bock, heute Abend zu kommen? 19.00 Uhr bei Speedy!” Der Angesprochene nickte nur. Hatte noch nicht realisiert, auf was er sich eingelassen hatte. Erschrocken riss er seine Lider auf und starrte seinem breitgrinsenden Mitschüler an. Leicht legte er die Stirn in Falten. Sabakuno, Kankuro. Er kannte ihn schon seit der Mittelstufe. Beide waren schon immer zusammen in einer Klasse. Freudig grinsend wurde ihm auf die Schulter geklopft. Damit war die Einladung akzeptiert. Ein wenig missmutig wandte er seinen Kopf ab und zuckte mit den Schultern. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Und wer wusste schon, vielleicht wurde es ja lustig. Obwohl er sich sicher war, dass dem nicht so werden würde... Wann begann endlich der Unterricht? Wenn die Pause vorbei war, dann hatte er für einen kurzen Moment Ruhe. Dann würde ihn vorerst niemand mehr schikanieren können. Dann konnte er seine Gedanken auf andere Dinge lenken. Schule. Lernen. Hausaufgaben. Gleich würde die Pause beendet sein. Er hörte die Schulklingel. In wenigen Minuten würde die Stunde beginnen. Die Massen strömten ins Zimmer. Setzten sich auf ihre Plätze. Ab und an riss noch jemand einige dumme Sprüche. Zog über ihn her. Doch bald würde es vorbei sein. Doch wann und wie? Bald... ~*~*~ Endlich war der Unterricht vorbei. Er war fast zu Hause. Erschöpft seufzte er auf. Ein kalter Wind wehte ihm den Schnee entgegen. Kühlte seine Wangen ab. Die Schneekristalle auf seiner Haut schmolzen sofort und hinterließen feuchte Spuren auf seinem Gesicht. Er fröstelte leicht. Ein Schauer lief ihn über den Rücken und bescherte ihm eine Gänsehaut. Träge wühlte er in seiner Tasche und holte den Haustürschlüssel heraus. Seine Hände zitterten sehr. Er hatte Mühe bei der Kälte das Schloss zu erwischen. Aber er schaffte es. Müde und lustlos betrat er den Hausflur. Stieg die vielen Stufen nach oben. Bei jedem Schritt begleitete ihn der Gedanke: Was sollte er machen? Was wollte er selber? Vor der Tür suchte er nach seinem Wohnungsschlüssel. Er hörte aus der Wohnung die Stimme seines Onkels. Er schrie. Schimpfte wieder mit Hinata. Das machte sein Onkel immer. Jeden Tag. Seine Cousine konnte es diesem Tyrannen anscheinend nie Recht machen und nahm alles schweigend zur Kenntnis. Noch nie hatte er das junge Mädchen widersprechen gehört. Noch nie hatte er Hinata gesehen, wie sie sich gegen ihren Vater auflehnen wollte. Wie sie diesem trotzen wollte. Dagegen war er das Gegenteil von seiner Cousine. Er lehnte sich oft gegen ihn auf. Er widersprach oft oder gab Kontra. Schließlich war sein Onkel nicht sein Vater. Er nicht dessen Sohn. Sondern nur eine Verpflichtung, die hier geduldet wurde. Die hier Unterschlupf und Essen bekam. Die hier ein eigenes Zimmer hatte. Mehr nicht... Es schmerzte, wenn er so dachte. Doch es war die Wahrheit. Grausame Realität, die sich nicht ändern ließ. Die er nicht ändern konnte... Schicksal... Lautlos schloss er die Wohnungstür auf und trat genauso leise ein. Neji lauschte. Zog dabei sich seine Schuhe aus und die Tür hinter sich zu. Die Stimme seines Onkels wurde lauter. Diese dunkle, raue Stimme, welche er überall erkennen würde. Ebenso hörte er Hinata. Die helle, leise Stimme, welche niemals etwas widersprach. Hinata wurde erneut bestraft. Er wusste nicht, was der Grund dieses Mal war. Aber sicherlich war es irgendwas mit der Schule. Die älteste Tochter war nicht so gut in der Schule wie Hanabi. Aber Hanabi war sowieso die Prinzessin in dieser Familie. Zwar brachte sie Leistungen nach Hause, doch dafür wurde sie fast doppelt so viel belohnt, wie ihr eigentlich zustand. Dieses Mädchen wurde verwöhnt, bekam alles, durfte alles. Dabei war sie eine kleine, rotzfreche Göre. Das hatte auch Neji bemerkt. Er fand dieses Verhalten ungerecht. Allein an der Erziehung bei beiden Töchtern hatte sein Onkel in seinen Augen versagt. Doch Einmischen half nichts. Schließlich gehörte er nicht zur engeren Familie. War eine Randfigur, die nur zusehen durfte... Mit leisen Schritten lief er in Richtung Küche zum Kühlschrank. Er hatte Hunger. Hatte er öfters, wenn er frustriert oder deprimiert war. Zumindest dachte er so. Dass es schon Gewohnheit geworden war, dies bemerkte er nicht einmal. Er erkannte es nicht, dass es schon eine Sucht war, wenn er die vielen freien Minuten zu Hause mit Essen verbrachte, bis ihm schlecht wurde. Dafür waren seine Augen blind. Er sah es nicht... Leise summend schaute er in den Kühlschrank. Inspizierte die darin aufbewahrten Speisen und verpackten Resten von Vortag. Das Curry mit Reis lächelte ihm verführerisch entgegen. Kurz zögernd nahm er die Schüssel mit dem Reis und stellte sie auf den Tisch. Schnell holte er noch seine Stäbchen aus der Schublade und setzte sich an den Tisch, um zu essen. Es war ihm egal, dass sein Essen noch kalt war. Er würde es auch so essen können. Schritte kamen näher. Er hörte sie nicht. Ein dunkles Brummen war zu hören. Es interessierte ihn nicht. Hinter ihm spürte er noch die wütende Aura seines Onkels. Er stand in der Küche. Sicherlich hatte er wieder diesen strafenden Blick im Gesicht. Diesen abschätzigen Glanz in den Iriden. Wie sehr er ihn doch hasste! Vor allem, wenn der andere ihn so ansah. Wut wallte in ihm auf. “Isst du schon wieder? Du verschwendest deine Zeit und das Geld nur mit Essen.” “Ich wüsste nicht, was es dich angeht...” “Ich verpflege dich hier und lasse dich hier wohnen. Sei mir lieber dankbar.” Er versuchte, ruhig zu blieben. Er versuchte es wirklich! Doch seine Hände ballten sich zu Fäusten. Sein Onkel bemerkte nicht einmal, wie er ihn mit diesen Worten verletzte. Er bemerkte nicht mal sein eigenes Verhalten. Seinen eigenen Charakter. Jeden Tag... Jeden gottverdammten Tag bekam er diese Worte gesagt! Bekam er gezeigt, dass er ungeliebt, unbrauchbar war. Eine gottverdammte Verpflichtung! Er wollte das alles nicht mehr hören. Wollte dieses Gefühl von Ungeliebtsein nicht mehr spüren. Sein Onkel war genauso blind wie alle in dieser Familie. Wie er selbst. Neji wusste es schon so lange. Es kotzte ihn an! Aber jetzt hatte er den Beweis... Hier sah niemand den anderen. Niemand das Leid des anderen. Diese Familie war blind. Blind für die Qual der restlichen Familienmitglieder. Fast lautlos schob er den Stuhl nach hinten. Auf seinem Antlitz spiegelte sich ein emotionsloser Ausdruck wider. Neji legte die Stäbchen zur Seite. Sein Appetit war soeben vergangen. Ihm war wieder schlecht. Doch er würgte dieses Gefühl herunter. Dieses Gefühl von Enttäuschung und Einsamkeit. Wut wallte in seinen Inneren auf. Loderte zu einem tosenden Feuer an. Zu einem heißen Inferno. Doch er sagte nichts. Versuchte, wieder zur Ruhe zu kommen. Dennoch wallte Zorn in ihm. Schließlich war er auch nur ein Mensch. Ein Mensch und keine emotionslose Maschine, auch wenn er oft selbst so herüber kam. Er war ein Mensch, der fühlte und verletzt werden konnte. Seine Fäuste zitterten. Seine Unterlippe bebte, weswegen er leicht auf diese biss. Seine Sicht verschwamm. Er konnte einfach nicht mehr. Diese Worte und diese Last auf seinen Schultern wollten ihn erdrücken. Ihn niederdrücken. Ihn mehr zerbrechen. Er konnte nicht mehr! Schaffte es nicht mehr zu schlucken. Alles kam heraus. All diese Gefühle, die er in sich hineingefressen hatte. All diese Wut. Auf die anderen. Auf seinen Onkel. Aber vor allem auf sich selber, da er das alles mit sich machen ließ... Mit einem Ruck drehte er sich zu seinen Onkel herum. Die lavendelfarbenen Iriden zu Schlitzen verengt. Ein spöttisches Lächeln spielte sich auf seine Lippen. Ruhig kamen die nächsten Worte. Ruhig und beherrscht, dabei platzte er fast vor Wut! “Dankbar? Wofür? Dafür, dass du mein Leben schwer machst? Dafür, dass du mir jeden Tag zeigst, wie ungewollt ich hier bin? Dafür, dass ich mir jeden Tag anhören muss, dass ich nur eine Verpflichtung bin? Soll ich dir deswegen dankbar sein?!” Seine Stimme wurde ein wenig lauter. Das Wort ‘Verpflichtung’ spie er mit Abscheu heraus. Mit so viel Hass, wie er in seine Stimme legen konnte. Er war nur eine Verpflichtung. Ein Gegenstand. Er spürte ein Stechen in der Brust. Spürte das Gefühl von Ungeliebtsein intensiver als je zuvor. Schlimmer als zuvor. Vielleicht, weil er es selber einsah? Dass er endlich einsah, wie hoffnungslos es eigentlich war? Dass er sich selber als Gegenstand sah? Seine Schultern bebten. Die Sicht vor seinen Augen verschwamm. Diese Erkenntnis schmerzte. Sie schmerzte so fürchterlich. Neji hatte sich das alles doch auch nicht ausgesucht! Dennoch... Er war ungewollt. Eine Verpflichtung. Mehr nicht... Wertlos... “Wenn du das so siehst, dann stimmt das auch.” Nach diesem Worten stürmte er aus der Küche. Ließ seinen Onkel hinter sich. Ließ diesen Mann hinter sich, der alles in seinem Leben schwerer und schlimmer gemacht hatte. Ließ den Mann hinter sich, welcher es so weit gebracht hatte, dass Neji sich selbst als eine Verpflichtung und als wertlos ansah. Dieser Mann, der sein Leben noch mehr kaputt gemacht hatte. Er hasste seinen Onkel. Hasste ihn dafür, dass dieser seinen eigenen Neffen hasste. Dass dieser seinen eigenen Neffen mit so viel Abscheu und gar Desinteresse gegenübertrat. Er hasste seinen Onkel dafür, dass sein Vater der Verpflichtung nachkommen musste, das Leben für diesen Mann zu opfern. Schließlich waren sie nichts Weiteres als eine Randfigur. Ein Teil der Zweigfamilie, die es als Aufgabe bekam, die Hauptfamilie zu schützen… Im Flur blieb er stehen. Sein Körper bebte vor Wut und Trauer. Er wusste nicht mehr, wohin mit allem. Wohin mit dem Hass? Wohin mit der Verzweiflung? Mit der Trauer? Die Last auf den Schultern konnte er nicht mehr ertragen. Zitternd legte er seine Arme um seinen Körper. Seine Finger krallten sich in seine Schultern. Tief in seine Haut. Verletzten ihn. Doch er fand keinen Halt. Träge lehnte er sich gegen die Wand im Flur. Rutschte an dieser herunter. Antworte ihm doch wer… Was musste sein sechszehnjähriges Leben noch erleben? Was musste er noch aushalten? Er wusste es nicht. Doch es sollte noch viel sein. So viel, dass er über alles die Kontrolle verlieren würde... ~*~*~ Mit angewinkelten Beinen saß er auf den Balkon. Seine Arme hatte er um seine Knie geschlungen. Die lavendelfarbenen Iriden starrten müde auf einen Punkt vor sich. Warum hatte er sich noch einmal überreden lassen, an dieser Party teilzunehmen? Ach ja, Sabakuno-san hatte ihn gefragt. Sein Mitschüler meinte, dass es genau das Richtige für ihn wäre. Dachte dieser. Auf dieser Party liefen nur oberflächliche Weiber und totale Idioten herum, die wirklich darauf hofften einen Treffer bei einem der dürren Mädchen zu landen. Er war hier vollkommen überflüssig. Total unwichtig. Mit keinem hier hatte er gesprochen. Nur ab und an kam Kankuro vorbei und hatte ihn gefragt, ob bei ihm alles in Ordnung war. Oder ob er Spaß hatte. Oh ja, den hatte er! Allein auf den Balkon. Die Sterne beobachtend. Den kalten Schnee auf seiner Haut fühlend. Keiner bemerkte, wie miserabel er sich in Wirklichkeit fühlte. Es sollte auch keiner bemerken. Er versteckte es. Hinter einer eisernen Maske aus Emotionslosigkeit. Hinter ausdruckslosen Augen, die seit einiger Zeit ihren Glanz verloren hatte... Eine kleine Flocke segelte vom Himmel, setzte sich keck auf seine Nasenspitze und schmolz dort. Hinterließ eine feuchte Spur auf seiner Haut. Er rümpfte seine Nase kurz. Ein seichter Wind wehte auf. Spielte mit seinem Haar, hob es sanft an und ließ es wieder fallen, damit diese Briese das Spiel von vorne beginnen konnte. Neji seufzte müde und strich sich sein Ponyhaar hinter das Ohr. Dabei wandte er den Blick nicht vom dunklen Nachthimmel ab. Von hier aus konnte er das Gekreische der Mädchen hören. Das Gegröle der Jungen und die dröhnende Musik, die aus den Bassboxen kam. Er bekam davon Kopfschmerzen und Ohrensausen. Er verstand nicht, wie manche Leute das jeden Freitag aushalten konnten. Er konnte es nicht. Träge löste er seine Arme von seinen Knien und streckte die Beine von sich. Wegen der späten Uhrzeit müde, reckte er sich und stellte seine Beine ein wenig zitternd vom Stuhl herunter. Einem Moment blieb er noch so sitzen. Ließ den Wind mit seinem Haar spielen. Die Kälte auf seinen erhitzen Wangen trieb ihm einen Rotschimmer auf diese. Es vergingen Sekunden. Plötzlich schob jemand die Balkontüre auf. Der Lärm von Innen drang lauter zu ihm hervor. Stickige, warme Luft kam ihm entgegen. Mit dieser Luft ebenso der widerliche Geruch von Zigaretten und Alkohol. Neji sah nicht auf. Warum auch? Es war ihm egal, wer auf den Balkon kam. “Ey, Schwabbel! Wer hat dich denn eingeladen? Hoffentlich bricht der Stuhl unter dir nicht weg!” Ein dunkles Lachen war zu hören. Die Wörter kamen lallend über die Lippen dieses Vollidioten. Neji zuckte leicht zusammen. Seine Finger krallten sich in den rauen Stoff seiner Jeanshose. Dennoch blieb er ruhig. Trotzdem… Den ganzen Abend über hatte er seine Ruhe gehabt. Niemanden gehabt, der ihn schikanierte. Es war wirklich erholsam gewesen. Aber ebenfalls auch einsam. Gerne hätte er wen zum Reden gehabt, auch wenn er selbst geschwiegen hätte. Doch auf solch eine Gesellschaft wie eben, darauf konnte er getrost verzichten. Müde stand er auf. Schob den anderen zur Seite und drückte sich an ihm vorbei. Er drängte sich durch die tanzenden Massen. Spürte die verwunderten, aber auch herablassenden Blicke auf sich. Gehässige Gesichtsausdrücke, die gierig nach [ihm lechzten]. Er versuchte(,) ruhig zu bleiben, dennoch… Bald würde alles über ihn einbrechen. Es würde das passieren, was er nicht wollte. Was ihm Schmerzen bereiten würde… Langsam quetschte er sich durch die herumstehenden Leute. Von einigen Seiten hörte er die dummen Sprüche. Einige hatten ihn erst eben bemerkt, da er selbst die ganze Zeit auf den Balkon verbracht hatte. Und jetzt brach alles zusammen. Von allen Seiten kamen sie. Wollten nach ihm greifen. Ihn weiter kaputt machen. Neji wollte sie ignorieren. Wollte sie überhören. Doch die Stimmen wurden lauter. Übertönten die dröhnende Musik. Hallten in seinen Ohren wider. Er versuchte ruhig zu bleiben. Doch seine Sicht verschwamm vor seinen Augen. Er wollte das alles nicht hören. Er wollte das alles nicht erleben. Hoffte, dass es nur ein Traum war. Ein elendiger Alptraum, mit ihm als Hauptrolle. Er rempelte wen an. Wurde am Arm gepackt und zurückgezerrt. Er wollte sich wehren. Sich aus dem Griff befreien. Aber zwecklos. Seine Schultern bebten. Er biss sich auf seine Unterlippe und kaute auf dieser herum. Er schluckte diese Unruhe in sich herunter. Schluckte seinen Schmerz. Alles herunter. Er schluckte alles. Würgte es in sich hinein, damit es dort blieb. Er hatte es nicht anders gelernt. Schlucken. Schlucken. Doch nichts verdauen. Es ertragen. Doch nie was sagen. Kein Wunder, dass ihm täglich immer wieder so schlecht war. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Mit aller Gewalt riss er sich aus dem Griff. Taumelte leicht. Er wollte weiterlaufen. Weiter wegrennen. Vor den Sprüchen. Vor den Blicken. Vor den anderen. Vor seinem Leben. Und vor sich selbst... “Neji-kun, was ist los? Eigentlich wollte ich fragen, ob du was essen willst. Hab dir was vom Büffet mitgebracht.” Seine Schritte stoppten. Die raue, aber dennoch weich klingende Stimme des Sabakunos hielt ihn ab. Der Klang seines Namens ließ ihn zusammenzucken. Es war so ungewohnt. Zu Hause war der einzige Ort, wo man ihm beim Vornamen nannte. In der Schule war er für die Lehrer Hyuga-san und für die Schüler nur der Schwabbel. Der Schwabbel, der nur fett und nichts wert war... Kankuro war der Einzige, der ihn noch bei seinem Namen nannte. Es war so verwirrend. Er war so irritiert. Wie seit einigen Tagen schon... Seine Hände fingen mit Schwitzen an. Ihm war schwindlig. Ihm war schlecht. Er musste raus. Von hier verschwinden. Sofort! Ansonsten würde alles unter ihm einbrechen. “Danke, aber ich hab schon etwas gegessen. Ich werde jetzt wieder nach Hause gehen.” Fest klang seine Stimme. Ruhig und emotionslos, während seine Unterlippe leicht zitterte. Neji wartete nicht einmal mehr auf eine Antwort. Sofort setzte er seinen Weg weiter. Drängte sich an den restlichen Schülern und Jugendlichen vorbei. Erst der kühle Schnee und der kalte Wind brachten ihn zum Stehen. Ließen seine Schritte verstummen. Den Kopf zum Boden gerichtet. Seine Lider weit aufgerissen, ehe er sie träge schloss. Sein Körper zitterte immer noch. Das Beben wurde stärker. Die Sprüche und Hänseleien hallten immer noch in seinem Kopf wider. Wie ein Echo, das auf Repeat stand. Die gehässigen Fratzen. Die herablassenden Blicke. Er sah sie alle! Doch plötzlich schob sich ein freundliches Gesicht dazwischen. Eine raue, aber angenehme Stimme. Das freundliche Lächeln von Kankuro... Ein trostloses Lächeln spielte sich auf seine Lippen. Eine unscheinbare Träne rollte seine Wange. Versuchte ihn zu trösten, doch hastig wischte er sich diese von seiner Wange. Kankuro war zurzeit der Einzige, der nett zu ihm war. Der ihn nicht neckte oder verschaukelte. Plötzlich kam ihm die Erkenntnis. Hoffentlich hatte der andere nicht bemerkt, dass er gelogen hatte. Neji hatte nämlich seit heute Mittag in der Mensa nichts mehr gegessen. Den ganzen Nachmittag und Abend über nichts. Bis tief in die Nacht. Er wusste nur, dass er massenweise Wasser getrunken hatte. Dass er keinen Hunger oder überhaupt Appetit verspürt hatte. Müde drückte er seine Hände gegen seinen Bauch. Er verspürte keine Bauchschmerzen wie sonst. Sonst hatte er immer um diese Zeit diese Bauchschmerzen. Doch dieses Mal verspürte er sie nicht. Sie waren nicht vorhanden. Lag es daran, dass er nichts gegessen hatte? War das der Grund? Oder lag es daran, dass er so viel getrunken hatte? Sicher. Meistens hatte er diese Schmerzen nach dem Essen und noch länger hinaus. Ein seichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, was schnell wieder verblasste. Seine Finger krallten sich tiefer in seinen Bauch. Krallten sich tiefer in den Stoff seines Pullovers. Er fror. Die Kälte der Nacht drang bis zu seiner Haut vor und hinterließ eine Gänsehaut auf dieser. Trotzdem fühlte er in sich dieses kleine Gefühl voller Glück. Dieser Wille, dass er es schaffen konnte. Dass er abnehmen konnte. Er würde es ausprobieren. Weniger essen, als bisher. Und wenn er Hunger hatte, dann würde er literweise Wasser oder andere Flüssigkeit trinken. Damit einfach das Hungergefühl abtöten. Er würde damit schlanker werden. Einfach nicht mehr, bis fast gar nichts essen. Das war nun seine Devise. Er konnte es schaffen. Heute Abend hatte er es auch geschafft und er fühlte sich gut an. So gut, dass er dieses Gefühl von Triumph und Glück nicht mehr missen wollte. Diesen Stolz... Seine Schritte bewegten sich träge vorwärts. Morgen früh würde er sich wiegen. Morgen würde er damit beginnen, weniger zu essen. Mehr abzunehmen. Sich besser fühlen. Morgen würde er die Ketten um seinem Herzen und sich selbst sprengen. Morgen würde er aus dem Käfig ausbrechen, in dem er sich gefangen fühlte. Morgen würde er beginnen, seinen Körper Kilogramm für Kilogramm zu zerstören... 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