Sengoku-Jidai Chronicles - Zeit des Wandels von Jenny-san ================================================================================ Kapitel 13: Gedanken und Erinnerungen ------------------------------------- Eine Woche verging. Kakerus Rat folgend hatte Sesshoumaru tatsächlich – wenn auch mit einem mehr als deutlich spürbaren Gefühl von Widerwillen - ein Schreiben an Akuma verfasst und dieses unverzüglich mit Hilfe eines Falken in Richtung China geschickt. Doch stand nicht allein Rins Sicherheit auf dem Spiel, sondern ebenso die von Sesshoumarus Clan und insbesondere die von Kimie und Katô. Ein möglicher Krieg gegen Aoshi und sein Gefolge konnte ungeahnte Folgen mit sich bringen. Sesshoumaru musste seinen Stolz also wenigstens für einen gewissen Zeitraum vergessen und das tun, was taktisch gesehen das Beste für sein Land, seine Gefolgsleute und seine Familie war. Selbst wenn er sich dafür der Hilfe seiner einstigen Feinde bedienen musste... Allerdings kam trotzdem alles anders als ursprünglich gedacht. Der von Sesshoumaru ausgesandte Falke war zwar zwei Tage später zurückgekehrt, doch hatte er weder dessen Brief bei sich gehabt, noch eine Antwort von Akuma. Hatte dieser das Schreiben also erhalten? Aber wenn ja, warum hatte er nicht geantwortet? Sesshoumaru hinterfragte die Motive seines einstigen Widersachers nicht. Dazu wollte er sich nicht herablassen. Wenn das Oberhaupt der Ryû-Youkai keine Unterstützung leisten wollte, würde Sesshoumaru ihn gewiss nicht darum anbetteln! Was ihn bei alldem jedoch am meisten aufregte, war die Tatsache, dass Akuma es offenbar nicht mal für nötig gehalten hatte, überhaupt in irgendeiner Form zu antworten. „Hm! Es ist ja nicht so, als hätte ich erwartet, dass dieser Kerl sich darum reißen würde, uns zu helfen. Aber dass er mein Gesuch einfach ignoriert...“ Sesshoumaru machte keinen Hehl daraus, dass er alles andere als amüsiert war. Deshalb sagte Kimie, die sich gerade bei ihm befand und Katô in den Armen hielt, zunächst nichts. Stattdessen hüllte sie sich in nachdenkliches Schweigen. Was hätte sie auch dazu sagen sollen? Schließlich konnte auch sie nicht wissen, was Akumas Beweggründe waren. „Jedoch gibt es eine Sache, die mich ein wenig wundert“, sprach Sesshoumaru weiter, wobei er sich zu seiner Gefährtin umwandte. „Akumas Bruder, Takeshi... Ich hatte eigentlich erwartet, dass zumindest er ein deutliches Interesse daran haben könnte, uns zu helfen.“ Dieser Unterton... Kimie verstand Sesshoumarus Andeutung sofort. Er spielte auf die Tatsache an, dass Takeshi ihr damals mal seine Liebe gestanden hatte. Und aufgrund dessen hatte er sich sogar gegen seinen eigenen Bruder gestellt, was er am Ende beinahe mit dem Leben bezahlt hätte... „Hmm... Vielleicht möchte Takeshi uns ja helfen, aber wenn Akuma damit nicht einverstanden ist...“, versuchte Kimie auch sich selbst zu erklären, allerdings schien Sesshoumaru davon wenig überzeugt zu sein. „Das hat ihn in der Vergangenheit doch auch nicht aufhalten können. Obwohl ich es ja stark bezweifeln möchte, dass Takeshi allein uns eine große Hilfe gewesen wäre.“ Er hatte noch immer nicht wirklich viel für Takeshi übrig... Kimie seufzte leise, verkniff sich aber einen etwaigen Kommentar. Der heutige Tag war genau so lang und nervenaufreibend gewesen, wie die Tage davor, und sie hatte nicht die Nerven, sich jetzt auf eine mögliche Diskussion einzulassen. „Ich bring den Kleinen ins Bett“, meinte Kimie stattdessen nur, ehe sie aufstand und den inzwischen eingeschlafenen Katô ins Nebenzimmer brachte, wo sie ihn behutsam in ein speziell für ihn angefertigtes Bettchen – einen mit einer weichen Decke ausgelegten Weidenkorb – legte. Sesshoumaru folgte Kimie wenig später, während sie noch bei dem Kleinen saß. Dass sie entgegen ihrer eigentlichen Natur eben keine schlagfertige Antwort parat gehabt hatte, hatte ihn für einen Moment doch ein wenig verwundert. Aber sollte es ihn überraschen, dass die Situation, so wie sie sich im Augenblick darstellte, sie ebenfalls belastete? Eigentlich hatte Sesshoumaru genau so etwas vermeiden wollen. Kimie hatte in den letzten Monaten genug mitmachen müssen. Es war ihr gerade wieder besser gegangen und genau das wollte Sesshoumaru nicht wieder aufs Spiel setzen. „Was machen wir, wenn es wirklich zum Äußersten kommt?“, fragte Kimie irgendwann. Man konnte deutlich diese Unsicherheit in ihrer Stimme hören. Anstatt etwas zu sagen, trat Sesshoumaru an sie heran und legte eine Hand auf ihre Schulter, während sein Blick von ihr zu seinem schlafenden Sohn wanderte. Der Kleine lag so unschuldig da... Er hatte noch keine Ahnung von der manchmal so gewalttätigen Welt der Erwachsenen, bei der aus kleinlichen Konflikten allzu schnell grausame Kämpfe werden konnten. Und es schien, als würde sich eine solche Situation auch dieses Mal einstellen... Es war seltsam... Früher hatte sich Sesshoumaru um solche Dinge nie den Kopf zerbrochen. Jetzt hingegen begann er bereits, sich über die Zukunft seines Sohnes Gedanken zu machen. Er würde später mal seine Nachfolge antreten und der Herr der westlichen Länder werden. Eine große Verantwortung. Sein Weg war eigentlich vorbestimmt. Und Sesshoumaru wollte alles tun, um Katô auf diesem Weg zu unterstützen; als Vater... Dies war allerdings nicht das Einzige, was ihn beschäftigte. Sesshoumaru hoffte inständig, dass es Rin gut ging, sofern man das unter den gegebenen Umständen überhaupt behaupten konnte. Wenn diese Füchse ihr etwas angetan hatten... Seit gut sieben Tagen war das Mädchen nun schon in der Gewalt dieser verräterischen Youkai, die sich anfangs noch als Verbündete geäußert hatten, und jetzt hatten sie sich zu einer derartigen Dreistigkeit verleiten lassen! „...maru? Hey, Sesshoumaru!“ Kimies Stimme riss Sesshoumaru abrupt aus seinen Gedanken. Hatte sie gerade mit ihm gesprochen? „Du warst eben total weggetreten. Das ist man von dir gar nicht gewohnt“, fand Kimie, allerdings konnte sie sich denken, was ihn beschäftigt hatte. Nach einem weiteren Moment stand sie wieder auf. „Du machst dir Sorgen um Rin, nicht wahr? Nicht nur du... Momentan können wir aber wohl leider nichts weiter tun, als zu warten, auch wenn es uns schwer fällt. Vielleicht stellen die Füchse ja doch bald Forderungen.“ Und dann konnte man eventuell die weiteren Schritte überdenken, um Rin zu befreien. Jedenfalls brachte es niemandem etwas, wenn sie alle sich vor Sorge zu unüberlegten Handlungen verleiten ließen. Ungeachtet des Risikos war Sesshoumaru selbst in den letzten Tagen schon mehr als ein Mal kurz davor gewesen, auf eigene Faust in das Territorium der Füchse zu gehen und ihnen eine Lektion zu erteilen. Nur mühsam hatte er sich bisher zusammenreißen können. Hätte Kimie in der Zeit nicht immer wieder beruhigend auf ihn eingeredet... Sesshoumaru kam nicht drum herum, zuzugeben, dass Kimie sich irgendwie verändert hatte. Sie wirkte... ruhiger und besonnener. Und er fand, dass sie besonders seit einiger Zeit sehr erwachsen aussah. Sesshoumaru merkte auf, als Kimie seine Hand nahm. „Komm, lassen wir den Kleinen schlafen“, sagte sie und zog ihn sanft mit sich zurück in den Hauptraum. „Hm... Du bist anders als früher“, äußerte er ihr gegenüber ganz direkt, als sie beide erst mal wieder für sich allein waren. Überrascht über diese Worte von seiner Seite erwiderte Kimie zunächst nichts darauf. Sie war anders? Ihr selbst war es bisher nicht so wirklich aufgefallen, aber vermutlich ergaben sich solche Veränderungen automatisch. Vor allem, wenn sie sich die letzten Monate noch mal ins Gedächtnis rief. „Mh... Wie meinst du das?“, fragte Kimie, woraufhin Sesshoumaru ihr näher kam und seine Hand an ihre Wange legte. Er antwortete ihr nicht, stattdessen betrachtete er sie eine Zeit lang schweigend und mit diesem unergründlichen Blick. In diesem Moment erinnerte sich Kimie unwillkürlich an die vergangenen Jahre zurück. Als sie Sesshoumaru kennen gelernt hatte und sie zusammen mit InuYasha, Kagome und den anderen eine Zeit lang auf Reisen gewesen waren. Der ständige Kampf gegen Naraku, die Zeit, als die Ryû-Youkai die westlichen Länder bedrohten, die drei Jahre, in denen Kagome in der Neuzeit verblieben, während Kimie auf der anderen Seite des Brunnens hier in der Sengoku-Ära gefangen war... Es war inzwischen so viel geschehen. Dessen wurde sich Kimie erst jetzt so wirklich bewusst. Sesshoumaru konnte es seiner Gefährtin ansehen, woran sie gerade dachte. Auch er selbst hatte sich mehr als ein Mal an die vergangenen Jahre erinnert. Nach einer Weile ergriff Kimie wieder das Wort: „Sesshoumaru? Ich hätte da eine Bitte...“ Weshalb Kimie den Wunsch geäußert hatte, hierher zu kommen, wusste Sesshoumaru zwar nicht, allerdings hatte er auch nicht genauer nachgefragt. Es war jedoch ein seltsames Gefühl, an diesen Ort gekommen zu sein, wenngleich durch den Schnee alles weitaus weniger bedrohlich wirkte, aber irgendwie auch unwirklich. Das Schloss, welches Akuma einst mit seinem Clan hier im nördlichen Gebirge bewohnt hatte, lag verlassen da. Dass hier seit längerer Zeit niemand mehr gewesen war, war deutlich zu sehen gewesen. Zudem hatten die rauen Witterungsbedingungen in den Bergen ihren Teil dazu beigetragen, dass die Gebäude seit der Abwesenheit der Ryû-Youkai immer weiter zerfielen. Gemeinsam mit Kimie befand sich Sesshoumaru auf dem großen Innenhof, während etwas von ihnen entfernt Ah-Un stand und um sie herum die verwaisten Gebäude emporragten. Gut erinnerte sich Kimie noch daran, wie sie selbst mal für kurze Zeit hier gewesen war. Damals, als Akuma sie an diesem Ort festgehalten hatte... „Eigenartig... Jetzt, wo wir hier so stehen, habe ich das Gefühl, als wäre das alles erst gestern geschehen.“ Kimie sah sich auf dem Hof um. Die Schneedecke war unberührt und das einzige, was man hören konnte, war das Wehen des kalten Winterwindes. „Wir sollten uns hier nicht länger als nötig aufhalten“, merkte Sesshoumaru an. Es war nicht etwa so, als hätte er eine ungute Vorahnung oder dergleichen. Es ging ihm mehr darum, dass es für Kimie hier oben zu kalt sein könnte. Menschen waren in vielerlei Hinsicht so empfindlich und besonders so hoch oben in den Bergen konnte es sehr kalt werden. Allerdings schien Kimie die Kälte nicht wirklich etwas ausmachen. Oder ignorierte sie diese einfach nur gekonnt? In nachdenkliches Schweigen gehüllt, holte Kimie den Anhänger hervor, den Takeshi ihr geschenkt hatte, bevor er damals mit seinem Clan zurück nach China gegangen war. Sie hatte die Kette seither stets bei sich getragen. Takeshi... Wie es ihm wohl ging? Ob Akuma ihm von Sesshoumarsu Bittgesuch erzählt hatte? Sesshoumaru ahnte, worüber Kimie gerade nachdachte, während sie so auf den Anhänger in ihrer Hand schaute. Diese Kette, die sie von Takeshi erhalten hatte... Dieser Junge hatte ihm damals einige Scherereien bereitet, nicht zuletzt deswegen, weil er Kimie so dreist nachgestellt hatte. Sesshoumaru erinnerte sich noch gut an diese Zeit, während der Kampf gegen die Ryû-Youkai noch in vollem Gange gewesen war. Einen wirklichen Konkurrenten hatte er in Takeshi zwar nie gesehen, doch wie wäre die Situation heute? Es war ein wenig Zeit vergangen und auch, wenn Youkai langsamer erwachsen wurden, als es bei Menschen der Fall war, konnte sich dennoch einiges verändert haben. Oder vielleicht hatte Takeshi inzwischen seine Gedanken an Kimie verworfen? Nein, so schätzte Sesshoumaru ihn nicht ein. Kimie strich ihr Haar nach hinten, als ein leichter Wind aufkam. „Hast du gefunden, was du zu finden gehofft hast?“, hörte sie Sesshoumaru fragen, allerdings antwortete sie ihm nicht sofort darauf. „Hm... Gute Frage... Vielleicht könnte ich sie beantworten, wenn ich wenigstens wüsste, wonach ich eigentlich suche...“ „Hm?“ Dann wusste Kimie nicht mal, was genau sie hier eigentlich wollte? Sesshoumaru verschränkte die Arme so vor der Brust, dass seine Hände in den Ärmeln seines Haori verborgen waren. „Tut mir leid, dass ich dich hier hergeschleppt habe“, sprach sie schließlich weiter, als sie sich wieder zu ihm umdrehte. „Vielleicht sollten wir wieder gehen.“ Dagegen hatte Sesshoumaru nichts einzuwenden. Er nahm es Kimie auch nicht übel, dass sie ihn dazu gebracht hatte, mit ihm hierher zu kommen. Stattdessen reichte er ihr seine Hand und ging gemeinsam mit ihr zurück zu Ah-Un. Am Abend hatte sich Kimie dazu entschieden, zusammen mit Kagome ein Bad in der heißen Quelle, die sich auf dem Schlossgelände befand, zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit erzählte sie ihrer Cousine von den heutigen Gegebenheiten. „Du warst mit Sesshoumaru in Akumas altem Schloss? Aber was wolltet ihr da?“ Seufzend lehnte sich Kimie an den hinter ihr befindlichen Felsen. „Ach, ich weiß auch nicht... Vielleicht hatte ich gehofft, irgendeinen Anhaltspunkt zu finden. Wie einfältig... Aber... es war ein seltsames Gefühl, dort gewesen zu sein. Ich hatte das Gefühl, als wäre dieser ganze Kampf gegen die Ryû-Youkai erst vor kurzem gewesen. Dabei ist es schon so lange her...“ Fast fünf Jahre musste das jetzt bereits her sein. Wie die Zeit verging... So schnell... „Hmm... Ich frage mich, wie es ihm wohl geht...?“, murmelte Kimie in sich hinein, was Kagome aufhorchen ließ. „Wen meinst du, Kimie?“ „Takeshi. Der Abschied damals kam doch ziemlich plötzlich.“ Und seither hatte Kimie nichts mehr von ihm gehört. Doch gut konnte sie sich noch an damals erinnern und besonders an den letzten Kampf. Akuma, dessen Denken vollkommen von Narakus Einfluss eingenommen worden war, hatte seinen eigenen Bruder getötet... Nie zuvor hatte Kimie das Gefühl, eine ihr nahe stehende Person zu verlieren, derart zu spüren bekommen. Und am liebsten wollte sie es auch nie wieder erleben. Kagome schwieg einen Augenblick lang nachdenklich, ehe sie wieder das Wort an ihre Cousine richtete: „Wenn Akuma und sein Clan uns wirklich nicht helfen wollen, müssen wir die Sache mit Aoshi und den Füchsen allein regeln. Wir schaffen das schon, Kimie! Immerhin haben wir sogar Naraku geschlagen. Dann wird das hier uns erst recht gelingen.“ „Uns? Wollen du und Inu Yasha etwa weiterhin hier bleiben?“ „Natürlich! Oder hast du geglaubt, wir würden einfach wieder gehen?“ Nein, das hatte Kimie in der Tat nicht vermutet, weshalb sie lächeln musste. „Und was ist mit Miroku?“, fragte sie. „Wäre es nicht besser, wenn er sich so langsam auf dem Rückweg ins Dorf macht? Sango wartet doch bestimmt auf ihn.“ „Ich habe ihn heute gefragt. Er meinte, er wolle erst mal noch bleiben. Sango-chan hat er schon im Vorfeld darauf vorbereitet. Und wenn die Kinder nicht wären, wäre sie gewiss gemeinsam mit ihm hierher gekommen.“ Miroku wollte also ebenfalls vorerst bleiben. Mit Narakus Tod hatte er zwar sein Kazaana verloren, seine buddhistischen Kräfte besaß er jedoch nach wie vor. Es war schon seltsam... Das Kazaana war sowohl Mirokus stärkste Waffe als auch sein größter Fluch gewesen. Wenn es nicht gelungen wäre, Naraku zu besiegen, dann hätte es den jungen Mönch früher oder später das Leben gekostet... Der letzte Kampf hatte allen viel abverlangt und zeitweise hatte es wirklich schlecht ausgesehen. Aber irgendwie hatten sie es dann doch geschafft. „Apropos Naraku...“ Kimie schaute zu Kagome rüber. „Du warst doch damals drei Tage in dieser Finsternis gefangen, bevor Inu Yasha gekommen ist und dich gerettet hat, nicht wahr?“ „Ja... Das war schrecklich.“ Kagome senkte ihren Blick ein wenig, als sie sich daran zurückerinnerte. „Ich dachte, es wäre alles aus und habe mich so unsagbar allein und verzweifelt gefühlt. Wenn Inu Yasha mich nicht gerettet hätte, hätte ich wohl wirklich allen Mut verloren. Dabei fällt mir ein, ich habe dich nie genauer danach gefragt, wie es dir hier eigentlich ergangen ist, nachdem der Brunnen sich geschlossen hatte.“ Stimmt, darüber waren sie beide nie konkreter ins Gespräch gekommen. Allerdings konnte sich Kimie noch genau daran erinnern, wie sie sich gefühlt hatte, als der Brunnen versiegelt war. „Tja, was soll ich sagen? Natürlich war es ein Schock. Erst mal waren du und Inu Yasha drei Tage lang verschwunden und keiner konnte abschätzen, was mit euch passiert war. Und dann funktionierte auf einmal der Brunnen nicht mehr. Ich war hier auf dieser Seite und du auf der anderen... Für uns beide kam das wohl gleichermaßen unerwartet. Allerdings habe ich recht schnell für mich selbst entschieden, was ich tun möchte. Ich konnte schließlich nicht einfach nur rumsitzen und mich selbst bemitleiden.“ Kagome konnte sich schon denken, was ihre Cousine meinte. „Also bist du mit Sesshoumaru mitgegangen, nicht wahr?“ Kimie nickte bestätigend. „Genau. Anfangs sind wir noch ein wenig durch die Gegend gezogen, bis er irgendwann die Entscheidung getroffen hat, Rin im Dorf zu lassen. Danach kamen wir hierher zurück und haben sie regelmäßig besucht, aber ein einschneidendes Ereignis hat es nicht gegeben. Bis auf die Tatsache, dass Sango und Miroku eine Familie gegründet haben, aber das war abzusehen gewesen.“ „Ja, stimmt wohl“, stimmte Kagome lächelnd zu. „Wie hat Rin-chan eigentlich reagiert, als Sesshoumaru sie im Dorf gelassen hat?“ „Natürlich hat er es ihr im Vorfeld mitgeteilt. Anfangs war sie nicht so glücklich darüber, vielleicht kannst du dir das vorstellen. Immerhin hängt sie sehr an Sesshoumaru und die Vorstellung, sich plötzlich von ihm trennen zu müssen, hat ihr selbstverständlich Angst gemacht. Aber sie hat sich dann doch recht schnell im Dorf eingelebt. Außerdem haben wir sie oft besucht. Ich war allerdings schon ein wenig erstaunt darüber, dass Sesshoumaru Kaede-obaa-chan sogar selbst darauf angesprochen hatte, ob sie Rin unter ihre Obhut nehmen könne.“ So etwas hätte Sesshoumaru nie einfach so getan. Rin war ihm schließlich nach wie vor unsagbar wichtig. Kimie hatte schon damals die Vermutung gehabt, dass Sesshoumaru der alten Kaede gegenüber so etwas wie Respekt empfand und ihr auch vertraute, andernfalls hätte er ihr Rin nicht anvertraut. Er hatte diese Entscheidung zu Rins eigenem Wohl gefällt. Allerdings hatte Kimie immer den Eindruck gehabt, dass Sesshoumaru das kleine Mädchen schon von der ersten Sekunde an vermisst hatte. Und jetzt konnte er ihr nicht mal zur Hilfe eilen. Gerade jetzt, wo sie ihn so dringend brauchte... „Hm... Ich hoffe, es geht ihr gut...“, murmelte Kimie besorgt. „Sesshoumaru macht sich auch große Sorgen. Am liebsten würde er sie wohl auf eigene Faust befreien.“ „Das wundert mich nicht, aber das wäre zu gefährlich“, meinte Kagome. „Er müsste sicher gegen mehrere Gegner auf einmal antreten und zu unterschätzen sind die Kitsune aus dem Süden augenscheinlich nicht. Auch nicht für jemanden wie Sesshoumaru.“ Ja, genau das hatte auch Kimie ihm schon gesagt, auch wenn Sesshoumaru es damals wie heute nicht gerne hörte, jemand könnte ihm gefährlich werden. In gewisser Weise glich er noch immer dem Youkai, als welchen Kimie ihn damals kennengelernt hatte. Die beiden jungen Frauen verbrachten noch eine Weile zusammen in der Quelle, bis Kagome schließlich aufstand und sich eines der mitgebrachten Handtücher nahm. „Ich denke, ich geh dann schon mal rein. Möchtest du noch hier bleiben, Kimie?“ „Hm? Ja, ein wenig. Aber auch nicht mehr allzu lange.“ „In Ordnung. Dann schlaf nachher gut.“ „Du auch, Kagome. Gute Nacht.“ Nachdem ihre Cousine gegangen war, lehnte sich Kimie mit den Armen auf einen der Steine und hing noch ein wenig ihren Gedanken nach. Ob es irgendetwas gab, was auch sie tun konnte, um bei den Problemen mit den Füchsen zu helfen? Ob es gar wirklich zu einem großen Kampf käme, wie damals gegen die Ryû-Youkai? Der Gedanke daran behagte Kimie gar nicht. Zumal sie ja mittlerweile ja ihren kleinen Sohn hatte. Er war noch so klein und war mitten in dieses Chaos hineingeboren worden. Hätte sie das alles früher geahnt... Kimie horchte auf, als sie glaubte, etwas hinter sich zu hören. Eigentlich war sie der Meinung gewesen, sie wäre um diese Zeit allein hier, und sofort kam in ihr unweigerlich dieser eine bestimmte Verdacht hoch. Das war doch nicht etwa...? „Hm? Miroku? Sag mir nicht, dass du das bist... Du bist doch immerhin längst verheira... Eh?“ Als Kimie sich umdrehte – fest davon überzeugt, den Mönch ein Mal mehr beim Spannen erwischt zu haben – war sie doch ein wenig überrascht, als sie stattdessen jemand anders am Rand der Quelle stehen sah. „Oh, Sesshoumaru...“ Seit wann stand er dort? Und warum hatte er nichts gesagt? „Du bist schon eine ganze Weile hier“, merkte der Youkai an. Er hatte einfach nachsehen wollen, was Kimie so lange machte, zumal ihre Cousine augenscheinlich längst gegangen war. Kimie lächelte entschuldigend. „Tut mir leid. Ich habe wohl einfach die Zeit vergessen. Aber was machst du hier? Was ist mit Katô?“ „Es geht ihm gut. Mach dir keine Sorgen.“ Sesshoumaru setzte sich auf einen der Felsen, während sein Augenmerk weiterhin auf seiner Gefährtin ruhte. Kimie hatte den Eindruck, als würde ihn irgendetwas beschäftigen. „Was ist?“, fragte sie ihn daher nach einem Moment, doch er schüttelte nur kurz den Kopf. „Es ist nichts.“ Diesen Eindruck hatte sie zwar nicht, aber gut, sie wollte ihn nicht mit Fragen löchern. Außerdem wollte sie ihn nicht länger warten lassen, weshalb sie nun aus dem Wasser stieg. „Wir können gleich wieder reingehen“, teilte Kimie Sesshoumaru mit. Während sie sich das mitgebrachte Handtuch umlegte, bekam sie nicht mit, wie er sie eingehend beobachtete, da sie mit dem Rücken zu ihm stand. Von daher war sie ein wenig überrumpelt, als sie auf einmal spürte, wie er von hinten seine Arme um sie legte und sie behutsam an sich drückte. Im Augenblick lediglich mit diesem Handtuch bekleidet, konnte Kimie es nicht vermeiden, dass sie angesichts dieser unerwarteten Umarmung leicht errötete. „Sesshoumaru... Was...?“ Anstatt jedoch etwas zu sagen, hielt er sie einfach nur weiter fest. Und irgendwie hatte Kimie den Eindruck, als wollte er sie gar nicht mehr loslassen. Als befürchtete er etwa, sie könnte ihm einfach entgleiten, sobald er von ihr abließ. Genau so hatte er sie erst kürzlich schon festgehalten. „Hey... Was ist denn los?“, fragte sie ihn ruhig, erhielt jedoch keine Antwort. Nachdem sie eine Zeit lang so zusammengestanden hatten, legte Kimie ihre Hände auf die von Sesshoumaru und lehnte sich mit dem Rücken leicht an ihn. Sogleich drückte er sie noch etwas mehr an sich und sog den Duft ihrer Haare ein. Er sagte es ihr nicht, aber er hatte tatsächlich so etwas wie Furcht davor, dass sie ganz plötzlich aus seinem Leben verschwinden könnte. Rins Entführung, die Tatsache, dass es Kimie bis vor kurzem noch so schlecht gegangen war... Diese Dinge hatten Sesshoumaru wieder mal vor Augen geführt, wie zerbrechlich Menschen im Grunde waren. Es genügte eine Kleinigkeit und sie könnten sterben. Rin war bereits zwei Mal gestorben. Wenn diese Füchse ihr wirklich etwas antun würden, wenn sie es nicht schon getan hatten... Und Kimie? Sesshoumaru wusste nicht, was er denken würde, würde sie mal sterben. Ein Mal könnte er sie retten, wenn es von Nöten wäre, aber was wäre dann? Irgendwann würde sie ihn dennoch endgültig verlassen, ohne dass er etwas würde dagegen tun können. Sie und auch Rin... Die Zeit würde ihm die beiden letzten Endes rauben. Ein Gegner, gegen den Sesshoumaru nicht kämpfen oder gar gewinnen konnte. Sollte es wirklich darauf hinaus laufen, dass er sich irgendwann nur noch an die beiden würde erinnern können? Nachdem er sie eine ganze Weile so festgehalten hatte, ließ Sesshoumaru schließlich wieder von Kimie ab. „Zieh dich an. Ich warte drinnen auf dich.“ Mit diesen Worten zog er sich zurück. Nachdenklich folgte Kimie ihm mit ihrem Blick, ehe sie ihre Kleider wieder anlegte. Sie wusste nicht, was Sesshoumaru gerade durch den Kopf gegangen war. Hätte sie es geahnt, hätte sie wohl versucht, beruhigend auf ihn einzureden. Aber die Wahrheit hätte sie damit nicht ändern können. Nachdem sie fertig gewesen war, kehrte auch Kimie ins Schloss zurück. Sesshoumaru erwartete sie an der Tür und machte sich gemeinsam mit ihr auf den Weg ihre gemeinsamen Privaträume, wo sie zunächst nach Katô schauten. Dieser lag friedlich in seinem Weidenkörbchen, gut bewacht von Inuki. Natürlich hatte Sesshoumaru den Kleinen nicht vollkommen allein gelassen. Und Katô selbst schien großes Interesse an Inuki zu zeigen, welchen er eingehend mit seinen großen Augen anschaute. Lächelnd streichelte Kimie ihrem Hund über den Kopf. Auf ihn konnte sie sich wirklich immer verlassen. Vorsichtig nahm sie anschließend Katô auf den Arm. „Sesshoumaru? Gibt es eigentlich etwas aus deiner Zeit als Kind, woran du dich besonders gerne erinnerst?“ Angesichts dieser Frage, schien Sesshoumaru im ersten Moment ein wenig verwundert zu sein, trotzdem dachte er kurz darüber nach. „Meine Kindheit verlief so, wie man es vom Sohn eines Herrschers erwartet. Es gab nichts, woran ich eine besondere Erinnerung hätte.“ „Wirklich nicht?“ Sagte er das nur so oder stimmte es? Kimie konnte sich nicht vorstellen, dass Sesshoumaru wirklich gar nichts aus seiner Kindheit hatte, woran er sich nicht stets oder gerne erinnerte. „Gibt es nicht mal eine Kleinigkeit?“, fragte Kimie weiter. „Ich zum Beispiel erinnere mich noch heute gerne an die ganzen Ausflüge, die meine Eltern mit mir unternommen haben. Oder Familienfeste, die wir gefeiert haben. Es sind viele kleine Dinge, an die ich immer wieder gerne denke. Auch, wie meine Mutter mich tröstend in die Arme genommen hat, wenn ich mal traurig war. Und wie mein Vater in so einem Fall immer versucht hat, mich mit einer lustigen Geschichte wieder zum Lachen zu bringen.“ Während sie so erzählte, hörte Sesshoumaru ihr aufmerksam zu. Ja, Kleinigkeiten... An solche Dinge erinnerten sich die Menschen offenbar gerne. Wenn es danach ging, hatte er natürlich auch einige Erinnerungen an seine Kindheit, doch gestalteten sich diese merklich anders als die, die Kimie an ihre Kindheit hatte. „Was hattest du eigentlich so für eine Beziehung zu deinen Eltern, Sesshoumaru? Von deinem Vater habe ich ja schon einen gewissen Eindruck bekommen. Aber was ist mit deiner Mutter?“ Denn das interessierte Kimie schon seit einer ganzen Weile. Wenn Sesshoumarus Mutter tatsächlich noch lebte, warum war sie dann die ganze Zeit über kein einziges Mal wieder hierher gekommen? „Ich hatte kein besseres oder schlechteres Verhältnis zu meinen Eltern, als die meisten anderen“, antwortete Sesshoumaru knapp und ohne diese Sache genauer auszuführen. Dass Kimie auf einmal so viel über seine Familienangelegenheiten wissen wollte, kam für ihn ein wenig plötzlich. Aber gut, sie war offenbar neugierig, was er auch irgendwie nachvollziehen konnte. Denn in der Tat hatte er ihr bisher kaum etwas über dieses Thema erzählt, geschweige denn über seine Mutter. Ihm fiel ein, dass Kimie diese ja noch nie getroffen hatte. Denn als Sesshoumaru seiner Mutter damals kurz begegnet war, war Kimie nicht dabei gewesen. Rückblickend wertete sie selbst das als ziemlich dummen Zufall, dass sie gerade zu dieser Zeit mit einer schweren Erkältung zu Hause bei Kagome flachgelegen hatte. Es musste eine Woche später gewesen sein, als Sesshoumaru sie wieder abgeholt hatte. Doch von den Geschehnissen, die sich währenddessen ereignet hatte, hatte sie erst wesentlich später erfahren. Dass Rin gestorben war und nur durch Sesshoumarus Mutter gerettet werden konnte... Aber war es eigentlich nicht auch erst diese Frau gewesen, die Rin überhaupt in eine derartige Gefahr gebracht hatte? Kimie hatte sich dazu nie ein Urteil erlaubt, da sie ja nicht dabei gewesen war. Aber diese Sache stimmte sie selbst jetzt noch nachdenklich. Vielleicht kam Sesshoumarus Mutter ja nicht hierher, weil ihr Sohn sich so offensichtlich mit Menschen umgab? Immerhin war Kohaku damals auch mit dabei gewesen. Es wäre zumindest nichts Neues und würde Kimie nicht unbedingt überraschen. Trotzdem fragte sie sich, ob und wann sie Sesshoumarus Mutter möglicherweise mal begegnen würde. Allerdings fragte Kimie Sesshoumaru jetzt erst mal nicht weiter über dieses Thema aus. Stattdessen widmete sie ihre Aufmerksamkeit nun wieder Katô, von welchem sie irgendwie den Eindruck hatte, als hätte er bis eben aufmerksam zugehört. Aber das musste Einbildung gewesen sein. Katô konnte schließlich noch gar nichts von dem verstehen, worüber seine Eltern geredet hatten. Und im Grunde müsste er so langsam schlafen. „Sesshoumaru? Kennst du eigentlich ein gutes Schlaflied für Kinder?“, fragte Kimie auf einmal, was Sesshoumaru aufmerken ließ. Ein Schlaflied? Ausgerechnet er? „Nein, derartiges ist mir fremd“, antwortete er daher in von ihm gewohntem Ton. Wirklich überrascht war Kimie von dieser Aussage nicht. Und eigentlich kannte sie auch nicht wirklich ein gutes Schlaflied. Aber vielleicht eignete sich ja etwas anderes auch ganz gut. Andere Lieder kannte Kimie schließlich zu genüge. Nachdem sie ein wenig überlegt hatte, fiel ihr etwas ein und sie stimmte leise ein Lied an: „Konna ni tsumetai tobarino fukakude Anata wa hitori de nemutteru Inori no utagoe sabishii nohara wo Chiisana hikari ga terashiteta.“ (Beneath a veil so cold You deeply sleep all alone The melody of prayer, on the lonely fields A little light shined.) „Anata no yume wo miteta Kodomo no youni waratteta Natsukashiku mada tooku Sore wa mirai no yakusoku.“ (I watched as you dreamed You laughed like a child So dear and yet so far That is the promise of our future.) „Itsuka midori no asa ni Itsuka tadori tsukeruto Fuyu gareta kono sora wo Shinjiteiru kara Fields of Hope.“ (That one day, on a green morning One day, we will make it there Because in this wintered sky We still believe Fields of hope.) Der Stimme seiner Mutter ruhig lauschend, schloss Katô irgendwann seine Augen. Und auch Sesshoumaru hörte Kimie aufmerksam zu. Er hatte sie bisher noch nie singen hören. Mütter, die ihren Kindern ein Lied vorsangen... Nein, derartiges hatte seine Mutter nie getan, aber das hätte ihrem Charakter auch nicht entsprochen und er selbst hatte es ohnehin nie vermisst. Trotzdem bereitete es ihm in gewisser Weise ein beruhigendes Gefühl, dass sein eigener Sohn in der Hinsicht andere Erfahrungen machte. Sein Sohn... Wenn Kimie irgendwann fort wäre, wäre er das Einzige, was Sesshoumaru noch von ihr bleiben würde, auch wenn bis dahin noch viel passieren konnte. Nachdem Katô eingeschlafen war, legte Kimie ihn vorsichtig in sein Weidenkörbchen zurück. Eine Zeit lang beobachtete sie ihren schlafenden Sohn. Es schien ihm an nichts zu fehlen, also ließ sie ihn nun in Ruhe und deutete Sesshoumaru an, mit ihr ins Nebenzimmer zu kommen. „Dich beschäftigt doch etwas. Möchtest du es mir nicht sagen?“, fragte sie ihn schließlich. Denn dass ihn etwas beschäftigte, sah sie ihm an, auch wenn er seine gewohnte Miene aufgesetzt hatte. „Ich war mit den Gedanken in der Zukunft“, antwortete er ihr nach einem Augenblick der Stille. Seiner Gefährtin konnte er scheinbar nichts vormachen. Mittlerweile kannte sie ihn wohl gut genug, um ihn zu durchschauen. Nur Sesshoumarus Gedanken lesen, konnte Kimie selbstverständlich nicht, deshalb konnte sie nur darüber spekulieren, worüber genau er nachgedacht hatte. Anstatt ihn aber danach auszufragen, näherte sie sich ihm und musterte ihn mit prüfendem Blick. „Wenn du dir weiterhin so viele Gedanken machst, bekommst du noch vor mir deine ersten Falten.“ Sesshoumaru merkte auf. Typisch... So eine Bemerkung passte zu Kimie Das erinnerte ihn an früher. Allerdings fiel es ihm in dem Augenblick wieder ein, dass sie ihm vor einigen Monaten die Frage gestellt hatte, ob er sich nicht daran stören würde, dass sie im Gegensatz zu ihm so rasch altern würde. So egal, wie er es anfangs hatte darstellen wollen, war ihm das in der Tat nicht. Dabei ging es ihm jedoch weniger darum, wie sie sich verändern würde, sondern mehr um die Tatsache, dass sie sich mit jedem weiteren Jahr, das verstrich, unweigerlich ihrem eigenen Tod näherte... „Hey! Sagte ich nicht eben, dass du Falten bekommst, wenn du so weitermachst?“, drang abermals Kimies Stimme zu Sesshoumaru vor. Und als ob diese Worte allein nicht schon ausreichend waren, tippte sie auch noch mit dem Zeigefinger gegen seine Stirn. „Schluss damit! Es wird schon alles gut gehen. Bisher hatten wir doch auch immer das Glück auf unserer Seite, nicht wahr?“ Zwar wusste Kimie nicht, worüber genau Sesshoumaru nachgedacht hatte, aber was auch immer es gewesen war, sie wollte wenigstens versuchen, ihn ein wenig abzulenken. Und wie sie da stand – die Hände in den Hüften - und ihm dieses aufmunternde Zwinkern schenkte... Sesshoumaru kam sogleich das Bild von Kimie in den Sinn, als er sie kennen gelernt hatte. Damals war sie 17 Jahre alt gewesen. „Möchtest du vielleicht einen Tee? Ich mach uns mal welchen“, schlug sie ihm nun vor und machte sich auch sogleich an die Arbeit. Schweigend beobachtete Sesshoumaru seine Gefährtin einen Moment lang, ehe er sich schon mal an den Tisch setzte. Wenig später brachte Kimie den Tee und reichte dem Youkai seine Tasse. Aber auch jetzt sprach dieser noch nicht, stattdessen ruhte sein Augenmerk weiterhin auf Kimie, welche gerade einen Schluck von ihrem Tee nahm. „Sag mir... Hast du eigentlich Angst vor dem Tod?“ Kimie merkte auf und schaute Sesshoumaru mit einer Mischung aus Verwunderung und Irritation an. Was? Ob sie Angst vor dem Tod hatte? Wie kam er plötzlich darauf? Oder war es das gewesen, worüber er die ganze Zeit nachgedacht hatte? Nachdem ihre anfängliche Verwirrung ein wenig gewichen war, senkte Kimie nachdenklich den Blick. „Hm... Ich müsste lügen, wenn ich die Frage verneinen würde. Es ist aber weniger der Tod an sich, der mir Angst macht, sondern vielmehr die Vorstellung, dass ich dann einfach so weg sein werde. Von einem Moment auf den anderen... Aber... wie kommst du darauf?“ „Du hast mich mal darauf angesprochen, was ich davon halte, dass du alterst. Erinnerst du dich?“ Ja, Kimie erinnerte sich daran. Das war, kurz nachdem sie das Schloss verlassen hatte. Sesshoumaru war ihr gefolgt und hatte sie in der Neuzeit aufgesucht, wo sie beide darüber geredet hatten. „Es ist wahr, dass mir diese Tatsache gar nicht so egal ist“, sprach Sesshoumaru weiter. Das hatte er Kmie auch damals schon wissen lassen. Allerdings hatte er ihr zu diesem Zeitpunkt nicht die genaueren Gründe genannt. Doch schien es ihm endlich an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. „Es ist nicht der Umstand, dass sich deine Erscheinung verändern wird, was mich stört. Sondern es ist das Wissen darüber, dass du mich irgendwann verlassen wirst und weder du noch ich etwas dagegen tun können.“ Ihn verlassen... Kimie begriff sofort, was Sesshoumaru damit meinte. Deshalb hatte er sie also gefragt, ob sie Angst vor dem Tod hätte... Ja, eines Tages würde sie sterben. Das war etwas, was jedem Menschen unweigerlich bevorstand. Aber obwohl sowohl er als auch sie sich dessen stets bewusst gewesen waren, war es ihnen offenbar erst kürzlich so richtig bewusst geworden. Sesshoumaru war es nicht gewohnt, machtlos zu sein. Bisher hatte es nur sehr wenige Situationen in seinem Leben gegeben, wo er unfähig gewesen war, etwas zu tun. Und ausgerechnet seine eigene Gefährtin würde er nicht vor dem Tod bewahren können. Kimie hüllte sich in nachdenkliches Schweigen, bis sie irgendwann wieder das Wort an Sesshoumaru richtete: „Damals, als wir hier waren, da hat Rin mir eine Frage gestellt. Ob du dich an sie und mich erinnern wirst, wenn wir mal tot sein werden.“ Stimmt, er erinnerte sich daran. Immerhin hatte er dieses Gespräch damals mitbekommen. Und Rin hatte ihn so etwas auch schon mal gefragt. Ob er sie nicht vergessen würde, wenn sie irgendwann mal tot wäre... „Ich habe nicht vor, so schnell den Löffel abzugeben“, meinte Kimie mit einem Mal möglichst gelassen, wurde dann jedoch wieder ein wenig ernster. „Aber ich weiß, was du meinst. Mir gefällt diese Vorstellung auch nicht, allerdings können wir nichts dagegen tun. Aber eines möchte ich dir trotzdem gerne noch dazu sagen: Wenn ich irgendwann nicht mehr da bin, erwarte ich nicht von dir, dass du ewig allein bleibst.“ Mit anderen Worten: Sollte er den Wunsch verspüren, sich eine neue Gefährtin an seine Seite zu holen, dann sollte er dies tun. Allerdings war dies eine Vorstellung, die Sesshoumaru im Augenblick nicht gerade zusagte. Was ihm auffiel war, dass Kimie gelächelt hatte, als sie ihm das gesagt hatte, als wollte sie ihm auf diese Weise zusätzlich versichern, dass sie damit einverstanden wäre, wie auch immer er sich letztendlich entscheiden würde. Er erinnerte sich jedoch gerade nicht daran, sie schon mal mit einem so weiblich anmutenden und liebreizenden Lächeln gesehen zu haben. Es war geradezu verführerisch... Sie hatte sich in der Tat verändert. Kennen gelernt hatte er sie als aufmüpfiges und oftmals vorlautes Mädchen. Inzwischen war aus ihr eine erwachsene junge Frau geworden; gleichermaßen stark wie empfindsam. Sesshoumaru stellte seine Teetasse auf den Tisch ab, ehe er Kimie ihre aus der Hand nahm und diese ebenfalls zur Seite stellte. Als er sie ohne jegliche Erwiderung auf ihre Aussage von eben in seine Arme zog und sie fest an sich drückte, spürte Kimie ihr Herz kurzzeitig schneller schlagen. Gerade wollte sie etwas sagen, da kam Sesshoumaru ihr jedoch zuvor, indem er wortlos seine Lippen auf ihre legte. Mit sanftem und zugleich bestimmten Nachdruck brachte er sie dazu, sich rücklings auf den Boden zu legen, ehe er den Kuss intensivierte, wobei er mit seiner Zunge über ihre Lippen fuhr und sich den gewünschten Einlass verschaffte. Sesshoumaru konnte Kimies Herz schneller und stärker schlagen fühlen, während sie seinen so intensiven Kuss erwiderte. Lange genug hatte er damit gewartet, sich eine Gefährtin zu suchen. Dass es am Ende gar eine Menschenfrau sein würde, damit hätte er früher zwar selbst wohl nicht mal im Traum gerechnet, doch so gesehen war schon einiges geschehen, was er nicht vorausgeahnt hatte. Angefangen bei Rin... Dass er mal einem Menschen das Leben retten würde, wäre für Sesshoumaru früher undenkbar gewesen. Und jetzt hatte er mit Kimie sogar einen gemeinsamen Sohn; einen Hanyou, für welche er einst auch nur Verachtung übrig gehabt hatte. Und dennoch sollte er Kimie einfach durch eine andere Frau ersetzen, wenn sie irgendwann nicht mehr da wäre? Dieser Gedanke war Sesshoumaru zuwider. Nicht in hundert oder zweihundert Jahren und darüber hinaus wollte er eine andere Frau an seiner Seite dulden. Kimie einfach so sterben lassen... Das würde er nicht zulassen! Im Augenblick vollkommen auf sich selbst fixiert, blendeten Sesshoumaru und Kimie alles andere vollkommen aus. So kam es für sie entsprechend unerwartet, als sich plötzlich nach einem kurzen Klopfen die Tür des Zimmers öffnete und Ashitaka auf der Bildfläche erschien. „Sesshoumaru? Kimie-chan? Ich hoffe, ich störe nicht, aber... Huh?“ Der Anblick seines Cousins, wie sich dieser über die auf dem Boden liegende Kimie gebeugt hatte, ließ ihn abrupt schweigen. Doch nicht nur Ashitaka blieb im Moment regungslos. Auch Sesshoumaru und Kimie verharrten wie versteinert, wobei Kimie zusätzlich merklich rot anlief. Mit einem leichten Stoß ihres Ellenbogens gegen Sesshoumarus Brust deutete sie ihm an, von ihr abzulassen, damit sie sich wieder aufrichten konnte. „Oh... Offenbar störe ich doch. Besser, ich komme später wieder“, meinte Ashitaka und wollte gerade die Tür wieder schließen, als Kimie ihn zurückhielt. „Nicht nötig, Ashitaka. Lass es gut sein. Was ist los?“ Noch merklich verlegen bezüglich seines unangemeldeten Besuchs, kratzte sich der Youkai leicht am Kopf. „Uhm... Eigentlich nichts. Ich wollte nur fragen, ob ich mal nach dem Kleinen schauen darf?“ Von Sesshoumaru kassierte der Jüngere dafür augenblicklich einen mehr als stechenden Blick. „Vielleicht gehe ich doch besser wieder?“, fragte Ashitaka, der die abweisende Haltung seines Cousins nur zu deutlich wahrnehmen konnte. „Sei nicht albern!“, entgegnete Kimie jedoch lächelnd, nachdem sie aufgestanden war. „Komm ruhig rein. Möchtest du vielleicht auch einen Tee?“ Nachdem Ashitaka das Angebot dankend angenommen hatte, stellte Kimie für ihn eine Tasse mit Tee auf den Tisch bereit, ehe sie in Richtung Nebenzimmer ging. „Katô ist eben erst eingeschlafen, aber du kannst ihn trotzdem gerne sehen, wenn du möchtest.“ „Okay, dann komme ich gleich nach“, erwiderte Ashitaka, nachdem er sich zunächst an den Tisch gesetzt hatte, und musterte Sesshoumaru einen Moment lang, welcher schweigend neben ihm saß. Allerdings hatte es den Jüngeren schon in gewisser Weise überrascht, ihn und Kimie ausgerechnet jetzt in einer derart intimen Situation zu erwischen. Andererseits war im Grunde ja eigentlich nichts verkehrt daran, sich zwischen all dem Chaos auch ein wenig den angenehmeren Dingen im Leben zuzuwenden. Denn gewiss machte sich Sesshoumaru die ganze Zeit über Sorgen wegen Rin, auch wenn man es ihm wie gewohnt nicht ansah. Doch Ashitaka kannte seinen Cousin gut genug, um zu merken, was in diesem vorging. „Hast du nicht eine Freundin, um die du dich kümmern kannst?“, fragte Sesshoumaru irgendwann kühl, da es ihm allmählich auf die Nerven ging, von Ashitaka so angestarrt zu werden. Dieser legte entschuldigend die Hände aneinander. „Es tut mir wirklich leid, dass ich so ungelegen hier hereingeplatzt bin. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du und Kimie-chan gerade...“ „Noch ein Wort...“, deutete Sesshoumaru drohend an, womit er Ashitaka sogleich zum Schweigen brachte, doch behielt dieser ein leichtes Lächeln bei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)