Sengoku-Jidai Chronicles - Zeit des Wandels von Jenny-san ================================================================================ Kapitel 10: Verändertes, Unverändertes -------------------------------------- Was Kimie derzeit in erster Linie benötigte, war ausreichend Ruhe. Damit sie diese auch bekam, hatte Kakeru ihr kurz nach seiner Ankunft ein Mittel gegeben, was einerseits ihre noch nicht abgeklungenen Schmerzen linderte und ihr zum anderen erholsamen Schlaf ermöglichte. Es schien gut zu wirken. Kimies Atmung war inzwischen gleichmäßig, ihre Züge entspannt. Kakeru legte behutsam eine Hand auf Kimies Körper, unterhalb ihrer Brust. “Gut. Sie schläft tief. Jetzt müssen wir abwarten.” “Wird es ihr denn bald wieder besser gehen, Kakeru-sama?”, fragte Kagome, die den kleinen Sohn ihrer Cousine auf den Armen trug, besorgt. Der Youkai wandte sich mit einem zuversichtlichen Lächeln zu ihr um. “Wie gesagt, wir müssen ein wenig abwarten. Aber ich glaube nicht, dass wir uns noch allzu große Sorgen machen müssen.” Ein wenig beruhigt war die junge Miko nun doch, ebenso wie ihre Freunde. Kakeru zog die wärmende Decke über Kimie und richtete sich auf. Damit sie die Gelegenheit bekam, in aller Ruhe wieder zu Kräften zu kommen, bat er alle, die Hütte erst mal wieder zu verlassen. Auch Sesshoumaru, allerdings hatte Kakeru mit diesem noch etwas zu klären. “Sesshoumaru-sama? Begleitet Ihr mich bitte? Ich würde gerne mit Euch reden.” Ohne Wiederworte folgte Sesshoumaru ihm nach draußen. Nachdem sich die beiden Youkai ein wenig von den anderen abgesondert hatten, fuhr Kakeru fort: “Kimie-dono wird noch einige Tage brauchen, bis sie wieder so weit bei Kräften sein wird, dass sie aufstehen kann. Ich nehme an, Ihr wollt nicht ohne sie zurück zum Schloss. Nicht wahr, Sesshoumaru-sama? Dann müsst Ihr jedoch warten, bis sie dazu in der Lage sein wird, Euch zu begleiten.” “Dessen bin ich mir bewusst”, entgegnete Sesshoumaru zustimmend. Kakeru verschränkte so die Arme vor der Brust, dass seine Hände in den weiten Ärmeln seines Kimonos verborgen lagen. In weiser Voraussicht hatte er Ah-Un ebenfalls mit ins Dorf gebracht. Wenngleich der kalte Schnee dem zweiköpfigen Drachen nicht wirklich zuzusagen schien, allzu sehr daran stören, tat er sich offenbar auch nicht. Dösend, ähnlich einem Pferd im Stall, stand er unweit von Kaedes Hütte unter einem Baum. Erneut ergriff Kakeru das Wort: “Allerdings werfen die jetzigen Umstände ein neues Licht auf die Lage im Schloss. Und ich spreche nicht vom noch immer ungeklärten Tod des jungen Prinzen.” Sesshoumarus Gesicht nahm einen ernsteren Ausdruck an, wenngleich er mit der von ihm gewohnten Selbstbeherrschung erwiderte: “Du redest von der meiner Verlobung mit Aoshis älterer Tochter. Er scheint von dieser Angelegenheit noch immer nicht abgelassen zu haben, wenngleich er seit dem Tod seines Sohnes nicht mehr darüber gesprochen hat.” Allerdings hatte Aoshi auch nie mit einem Wort erwähnt, dass er die geplante Heirat seiner Tochter mit Sesshoumaru nicht länger anstrebte. Und eben das bereitete sowohl dem jungen Oberhaupt der Inu-Youkai als auch seinem Vertrauten gewisses Kopfzerbrechen. “Wir wissen nicht, wie Aoshi-sama reagieren wird, wenn er von dem Kind erfährt”, sprach Kakeru weiter. “Ihr solltet Euch besser auf jede erdenkliche Reaktion vorbereiten. Sollte er dennoch weiter auf die Eheschließung bestehen, muss ich Euch bestimmt nicht erklären, was dies für Euren Sohn bedeuten würde.” Natürlich wusste Sesshoumaru das. Denn würde er Prinzessin Saori unter den gegebenen Umständen trotzdem heiraten, dann wäre sein Sohn nicht nur erbunwürdig, sondern zudem ein illegitimes Kind. Und das auch noch als Hanyou… “So weit wird es nicht kommen!”, stellte Sesshoumaru von vornherein klar. “Unabhängig davon, was Aoshi sagen oder tun wird, ich werde meinen Sohn nicht verleugnen!” Etwas anderes hatte Kakeru von seinem Herrn auch nicht erwartet, weshalb sich nun ein zufriedenes Lächeln auf seine Lippen stahl. “Aber eine Frage hätte ich da doch noch, Kakeru”, ergriff Sesshoumaru kurz darauf erneut das Wort. “Wem hast du die Kontrolle über das Schloss überlassen, bevor du hergekommen bist?” “Oh! Macht Euch keine Sorgen. Ich habe Sakura-dono gebeten, ein wenig aufzupassen.” Kurzzeitig schwieg Sesshoumaru, als müsste er sich erst darüber klar werden, was sein Gegenüber ihm gerade gesagt hatte. “Was?” Kakeru jedoch behielt seine gelassene Haltung bei. “Nun, sie ist intelligent und weiß, sich durchzusetzen. Außerdem gehört sie als Gefährtin des verstorbenen Bruders Eurer ehrenwerten Frau Mutter zu Eurer Familie und bekleidet einen hohen Rang. Und falls es dennoch von Nöten sein sollte, stehen Euer Cousin und Tôya ihr zur Seite.” Nun gut, unter diesem Gesichtspunkt sagte Sesshoumaru nichts weiter dazu. Aber dass eine Frau im Moment bei ihm im Schloss das Sagen hatte, war für ihn doch etwas gewöhnungsbedürftig, wenngleich in seinem Clan Männer und Frauen weitestgehend gleichgestellt waren. Nur, dass die Frauen keine militärischen Ränge bekleideten, obwohl sie auf entsprechenden Wunsch hin ebenfalls im Kampf geschult wurden. So wie Sakura, die bereits als junges Mädchen im Umgang mit dem Schwert ausgebildet worden war. “Bekümmert Euch etwas, Sesshoumaru-sama?”, fragte Kakeru mit einem Mal. Allerdings schien es sich mehr um eine rhetorische Frage gehandelt zu haben, wie Sesshoumaru anhand des Lächelns seines Vertrauten vermutete. Andererseits gab es da noch eine andere Sache, die ihn tatsächlich nach wie vor sehr beschäftigte. Das blieb auch Kakeru nicht verborgen. “Geht ruhig zu ihr”, sagte er ruhig an Sesshoumaru gewandt. “Ich merke doch, was in Euch vorgeht. Auch, wenn Kimie-dono schläft, wird sie dennoch spüren, dass Ihr da seid. Sorgt Euch nicht um Euren Sohn. Ich bin mir sicher, Kagome-dono und die anderen werden sehr gut auf ihn achten. So lange, bis es Eurer Gefährtin wieder besser geht.” Gemäß Kakerus Worten kehrte Sesshoumaru wieder in Kaedes Hütte zurück, wo Kimie schlief. Sesshoumaru näherte sich ihr leise und ließ sich an ihrer Seite mit dem Rücken zur Wand nieder. Hier konnte er am besten über sie wachen. Kimie schlief sehr ruhig. Es war, als spürte sie wirklich im Unterbewusstsein, dass Sesshoumaru die ganze Zeit über an ihrer Seite blieb. Zudem tat ihr der Schlaf wirklich gut. Bis jetzt hatte sich Sesshoumaru kein einziges Mal von der Stelle gerührt. Fast schon peinlich genau hatte er die ganze Zeit über genau darauf geachtet, ob sich Kimies Zustand irgendwie veränderte. Es beruhigte ihn zumindest ein wenig, dass es ihr offenbar nicht schlechter ging. Was auch immer Kakeru ihr gegeben hatte, es schien tatsächlich zu wirken. Aber was anderes hatte Sesshoumaru auch nicht erwartet. In solchen Dingen hatte Kakeru bisher schließlich immer das richtige Gespür gehabt. Und Sesshoumaru war doch ganz froh darüber, dieser ihm hierher ins Dorf gefolgt war. Während die Zeit so voranschritt, dachte Sesshoumaru noch mal über alles im Stillen nach. Was für ein Chaos… Dieser verdammte Ärger im Schloss hatte ihn nicht mal bemerken lassen, was die ganze Zeit über mit Kimie los gewesen war. Dabei hätte er es doch schon von Anfang an spüren müssen! Und sie selbst hatte ihm nicht mal was erzählt, um ihn nicht vielleicht in einen Gewissenskonflikt zu bringen… War dies die Art und Weise, wie Menschen dachten? Und der Ärger war noch lange nicht vorbei. Taigas Mörder lief noch immer frei herum und Sesshoumaru würde gegenüber Aoshi nun endgültig klarstellen müssen, dass er nicht daran interessiert war, die schon vor Jahrhunderten beschlossene Verbindung zwischen ihm und Prinzessin Saori einzugehen. Besonders jetzt nicht mehr. Sesshoumaru hatte eine Gefährtin, und diese hatte ihm nun auch einen Sohn und Erben geschenkt. Und beide würde er gewiss nicht verleugnen. Sesshoumarus Gedankengänge wurden unterbrochen, als er mitbekam, wie Kimie sich zu rühren begann. Sie schien wieder aufzuwachen. Wenig später schaute sie ihn zunächst noch aus halb geöffneten Augen an. “Sesshoumaru…” Ihre Stimme war noch immer eher leise, aber das wunderte Sesshoumaru nicht. Es erleichterte ihn, dass Kimie nun wieder wach war. Behutsam strich er ihr einige Haarsträhnen etwas zur Seite. “Wie fühlst du dich?” “Etwas besser. Wie lange habe ich geschlafen?” “Etwas länger als einen Tag.” Darüber war Kimie doch sichtlich verblüfft. Sie selbst hatte eher den Eindruck gehabt, als hätte sie lediglich ein paar Stunden geschlafen. Und wenngleich sie sich noch immer ziemlich erschöpft fühlte, es ging ihr doch etwas besser. “Wo ist der Kleine?”, fragte sie nach einem Moment. “Bei deiner Cousine und deinen Freunden. Ich werde ihn holen.” Es war für Sesshoumaru keine Überraschung, dass Kimie ihren Sohn sehen wollte. Und er selbst würde dies schließlich auch gerne, wenngleich er es natürlich nicht offen zugab. Nachdem Sesshoumaru die Hütte erst mal verlassen hatte, versuchte Kimie, sich aufrecht hinzusetzen, was ihr allerdings nicht gelingen wollte. Dazu fehlte ihr noch immer die nötige Kraft. Sie schaffte es lediglich den Oberkörper ein wenig aufzurichten, nachdem sie sich etwas auf die Seite gedreht hatte. “Was tust du da?” Als sie plötzlich diese fast schon kritische Frage seitens Sesshoumaru vernahm, kam sich Kimie irgendwie ertappt vor. Zumindest konnte man von ihm nicht behaupten, er hätte unterwegs herumgetrödelt… “Das solltest du noch nicht versuchen. Kakeru sagt auch, dass du dich die nächsten Tage noch schonen musst”, sprach Sesshoumaru weiter, zwar immer noch mit einem gewissen Unterton von Kritik in der Stimme, aber dennoch ruhig, als er sich nun zu Kimie setzte. In seinen Armen hielt er den Kleinen. Kimie hatte sich indes wieder hingelegt. Sie hatte ja selbst gemerkt, dass es wirklich noch zu früh für sie gewesen war, bereits aufstehen zu wollen. Allerdings musste sie nun doch etwas lächeln, während sie Sesshoumaru mit dem Baby auf dem Arm so beobachtete. “Sag, wie würdest du ihn gerne nennen?”, fragte sie ihn. “Ich überlasse es dir. Als kleine Entschädigung dafür, dass ich dir nichts erzählt habe.” Typisch, Kimie. Etwas anderes hatte Sesshoumaru nicht von ihr erwartet. Und in seinem Inneren amüsierten ihn ihre Worte irgendwie. Was Kimie jedoch nicht ahnen konnte, war, dass Sesshoumaru gar nicht darüber nachdenken musste, welchen Namen er seinem Sohn geben wollte. Er wusste es bereits ganz genau. “Katô. Er soll Katô heißen.” Gut, Kimie hatte dagegen nichts einzuwenden. Ihr gefiel der Klang dieses Namens. “Ja, das klingt gut”, meinte sie von daher einverstanden, als sich ihr Blick wieder auf den Kleinen richtete. “Hm… Schon erstaunlich, was schlappe drei Minuten Vergnügen und Unachtsamkeit mit sich bringen können.” Diese Bemerkung ließ Sesshoumaru doch etwas verdutzt aufschauen. Kimie konnte in diesem Augenblick nicht anders, als leise zu lachen. “Guck nicht schon wieder so! Das war doch nur ein Scherz.” “Du bist ja wirklich…” Sesshoumaru konnte nur den Kopf schütteln. Aber andererseits war er froh. Denn wenn Kimie bereits wieder so ihre Späße mit ihm trieb, ging es ihr offenbar wirklich besser. “Sesshoumaru? Kann ich dich etwas fragen?” Als er dies bejahte, fuhr sie nach kurzem Zögern fort: “Bist du… sehr böse auf mich, weil ich dir nichts gesagt habe?” Sesshoumaru horchte auf. Aber dass Kimie dieses Thema über kurz oder lang ansprechen würde, hatte er schon erwartet. “Am Anfang war ich viel zu überrascht, um wütend zu sein. Und dann habe ich versucht, es zu verstehen”, begann er nach einem Moment. “Ich gebe zu, ich war wütend. Doch darüber solltest du dich nicht sorgen.” “Trotzdem… Es tut mir Leid.” Sesshoumaru legte nun seine Hand sanft an Kimies Gesicht. “Hattest du das Gefühl, ich setze dich unter Druck?” Denn darüber hatte er auch schon nachgedacht. Vielleicht hatte Kimie ja den Eindruck gehabt, sie wäre sozusagen unter Zugzwang gewesen. Es hatte ja immerhin schon ein wenig Gerede diesbezüglich gegeben, dass sie bisher noch kein Kind zur Welt gebracht hatte. Sesshoumaru hätte sich so gesehen nicht gewundert, wenn Kimie sich aus diesem Grund spontan zu diesem Schritt entschieden hätte. Allerdings machte er sich dann doch so gewisse Sorgen. Wenn sie wirklich nicht aus eigenem Wunsch heraus schwanger geworden war… “Nein. Nein, so war es bestimmt nicht”, versicherte Kimie jedoch sogleich glaubhaft, und das beruhigte Sesshoumaru doch. “Wie konnte das überhaupt passieren? Ich dachte, in deiner Zeit gäbe es bestimmte Methoden, um so einer Situation vorzubeugen.” Denn darüber hatte Sesshoumaru schon einige Male nachgedacht. Und besonders in der Zeit, in der Kimie drei Jahre lang nicht wieder zurück in die Neuzeit konnte, hatte er immer darauf geachtet, dass sie nicht ungewollt ein Kind von ihm empfing. Ungewollt wurde Kimie nun leicht rot um die Nase. “Tja… Ehrlich gesagt, habe ich mich dazu entschieden, es nicht mehr verhindern zu wollen. Vielleicht wäre es besser gewesen, hätte ich dir das gesagt…” Nach dieser Erklärung verkniff sich Sesshoumaru ein leises Seufzen. “Was hast du mir noch alles verschwiegen?” Es war mehr eine rhetorische Frage gewesen. Das merkte auch Kimie, weshalb sie noch immer etwas verlegen dazu schwieg. “Hm… Du wolltest also ein Kind?”, fragte Sesshoumaru nach einem Augenblick weiter. Kimie schloss daraufhin kurz die Augen, ehe sie ihren Blick zur Decke hinaufrichtete. “Ich habe in den letzten Jahren oft darüber nachgedacht. Und mir war klar, dass ich irgendwann ein Kind von dir wollte. Nur wann genau, wusste ich noch nicht. Es dauerte, bis ich mich dazu bereit gefühlt habe. Und außerdem hast du mir gegenüber doch mal selbst den Wunsch nach Kindern geäußert. Erinnerst du dich?” Natürlich erinnerte er sich. Sesshoumaru hatte Kimie gegenüber kurz nach dem Krieg gegen die Ryû-Youkai sein Anliegen zur Sprache gebracht. Allerdings erstaunte es ihn doch, dass sie sich noch so genau daran zu erinnern schien. Für ihn selbst war das zu diesem Zeitpunkt mehr so was wie eine beiläufige Bemerkung gewesen. Sowohl Sesshoumaru als auch Kimie merkten auf, als nun jemand die Hütte betrat. Es war Rin, doch zunächst blieb sie noch am Eingang der Hütte stehen. “Was ist los, Rin? Ist etwas passiert?”, fragte Kimie nun, woraufhin das kleine Mädchen jedoch den Kopf schüttelte. “Nein. Ich wollte nur das Baby noch mal sehen. Geht es dir denn wieder besser, Kimie-san?” Kimie nickte mit einem Lächeln und deutete Rin an, näher zu kommen, was diese auch sogleich tat. An Sesshoumarus Seite setzte sie sich an Kimies Ruhelager und warf nun einen Blick auf das Baby. “Wisst ihr schon, wie ihr ihn nennen wollt?” “Wir haben uns für Katô entschieden”, antwortete Kimie. “Genauer gesagt, war das Sesshoumarus Vorschlag.” “Der Name gefällt mir!”, fand Rin fröhlich. Allerdings wusste nach wie vor nur Sesshoumaru um die Hintergründe, die ihn bei der Namensgebung für seinen Sohn beeinflusst haben… * ~ * ~ * ~ * Einige Tage vergingen. Nicht nur Sesshoumaru verblieb die ganze Zeit über im Dorf, auch Kakeru wich nicht von der Seite seines Herrn. Die erhabene Erscheinung der beiden Youkai erweckte große Ehrfurcht unter den Dorfbewohnern. Doch während Sesshoumaru aufgrund seines reservierten und kühlen Auftretens nach wie vor gefürchtet wurde, dass sich die Leute nicht mal in die Nähe von Kaedes Hütte trauten, so hatten viele der Menschen den Eindruck, als ob von Kakeru genau die gegenteilige Aura ausging. Das mochte nicht zuletzt daran liegen, dass er stets freundlich lächelte, wenn er sprach oder sich jemandem zuwandte. Er ließ es sich auch nicht nehmen, sich mit Kaede stundenlang über Heilmittel auszutauschen und überließ ihr außerdem einige Kräuter, die er mitgebracht hatte und welche es ausschließlich im westlichen Gebiet gab. Kimie war inzwischen wieder so weit genesen, dass sie ihren kleinen Sohn im Arm halten und stillen konnte. Wenn sie das tat, zog es Sesshoumaru jedoch stets vor, die Hütte zu verlassen. Kimies Vermutungen gingen irgendwann so weit, dass sie überlegte, ob er sich deswegen möglicherweise genierte. Aber konnte Sesshoumaru das überhaupt? Gerade er? Allerdings fragte sie ihn nicht dazu aus, sondern amüsierte sich lieber im Stillen über sein Verhalten. Der heutige Tag war wie die Tage davor sehr ruhig und friedlich. Kimie saß gemeinsam mit Kagome und Katô in Kaedes Hütte und besonders Kagome schien von dem kleinen Sohn ihrer Cousine entzückt gewesen zu sein. Sie konnte es nicht lassen und befühlte nach einigem Zögern ganz vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger eines von Katôs kleinen Hundeöhrchen, welches bei dieser Berührung leicht zuckte. “Der Kleine ist ja so süß!”, schwärmte Kagome. “Und dir scheint es ja auch sehr gut bei alldem zu gehen, Kimie. Man muss dir nur ins Gesicht sehen. Du wirkst richtig glücklich.” Kimie lächelte verlegen, während sie Katô so im Arm hielt. Dieser schien so langsam wieder müde zu werden, nachdem er schon seit geraumer Zeit hellwach gewesen war. Kagome seufzte nun tief. “Hach… Zuerst Sango-chan und jetzt auch noch du… So langsam setzt mich das etwas unter Druck… Ich muss Inu Yasha wohl ein wenig Beine machen, will ich nicht vollkommen ins Hintertreffen geraten!” “Aber Kagome!” Die beiden jungen Frauen lachten vergnügt, aber nicht allzu laut. “Nein, ich denke, ich lass mir noch etwas Zeit”, meinte Kagome dann. “Ich weiß nicht, aber für ein Kind fühle ich mich noch nicht bereit. Hmm… Sag mal, Kimie? Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, aber… Bereust du es trotzdem irgendwie?” Diese eher vorsichtig gestellte Frage ihrer Cousine brachte Kimie kurz ins Grübeln. Vor ein paar Jahren hatte sie schließlich noch gar nicht damit gerechnet, bereits so verhältnismäßig früh Mutter zu werden. “Tja… Nein, bereuen tue ich es eigentlich nicht. Nur die Umstände hätten bessere sein können. Hätte ich das alles vorausgeahnt, hätte ich wohl noch etwas länger gewartet”, antwortete Kimie nach einem Moment. Kagome verstand gut, was sie meinte, wenn sie an den ganzen Ärger der letzten Monate zurückdachte. “Aber mal abgesehen davon”, fuhr Kimie fort, “fühle ich mich mehr als entschädigt für alle Unannehmlichkeiten, wenn ich den Kleinen nur ansehe.” Sie gab ihrem Sohn einen sanften Kuss auf die Stirn. Ein wenig konnte sie es immer noch nicht so recht glauben, dass sie jetzt wirklich ein Kind hatte. Es kam ihr irgendwie irreal vor… Während Kimie und Kagome mit dem Baby in der Hütte saßen, vertrieb sich der Rest der Truppe die Zeit an der frischen Luft. Dieser Wintertag war nicht allzu kalt, weshalb die Zwillinge von Sango und Miroku es sich nicht nehmen ließen, vergnügt im Schnee zu spielen. Sango beobachtete die beiden aufmerksam, während sie ihren Sohn dabei im Arm wiegte. Der Kleine war warm verpackt und schlief seelenruhig in den Armen seiner Mutter. In der Zwischenzeit stand Miroku unweit von seiner jungen Frau mit Inu Yasha, Shippou, Kaede und Rin zusammen. “Hach… Ist das langweilig hier…”, beklagte sich Inu Yasha gähnend, während er sich auf dem Ast eines Baumes aalte. Momentan wäre er wohl sogar dankbar dafür gewesen, wenn er sich ein wenig mit seinem Bruder hätte streiten können, nur um dem drögen Alltag zu entkommen. Doch Sesshoumaru hatte sich mit Kakeru zu einer Unterredung zurückgezogen, wie so oft in den letzten Tagen. Inu Yasha vermutete, dass es wohl um die Angelegenheiten im Schloss ging. “Wenn du dich so langweilst, wie wäre es dann, wenn du Sesshoumaru anbieten würdest, ihm bei seinen Problemen ein wenig zu helfen?”, schlug Kaede dem Hanyou vor. Damit sprach sie insbesondere auf den noch immer ungeklärten Tod des Prinzen der Füchse an. Doch Inu Yashas Begeisterung hielt sich merklich in Grenzen. “Ich soll was? Was geht mich das denn an? Sesshoumaru sagt mir doch selbst oft genug, dass ich meine Nase nicht in seinen Kram stecken soll.” “Dann hör wenigstens auf, dich zu beschweren. Das macht es nämlich auch nicht besser”, warf Miroku ein. Shippou verschränkte die Arme vor der Brust. In der unverkennbaren Absicht, Inu Yasha zu ärgern, fügte er hinzu: “Er ist doch nur so mies drauf, weil Kagome ihm viel weniger Beachtung schenkt, seit Kimies Baby da ist. Das nervt ihn und macht ihn noch mürrischer, als er ohnehin schon ist. Hihi!” Sofort bekam der Kitsune von oben eine kleine Ladung Schnee, die Inu Yasha von den Ästen des Baumes zusammengekratzt hatte, an den Hinterkopf gefeuert. Die Wucht den Aufpralls war so heftig, dass Shippou nach vorne geworfen wurde. “Hey! Warum wirst du immer gleich so gemein?!”, schimpfte der kleine Youkai sofort drauf los. “Freche Kinder werden bestraft!”, war Inu Yashas platte Antwort. Shippou schnaufte aufgebracht. “Pah! Mit der Einstellung kannst du aber lange warten, bis Kagome es jemals in Erwägung ziehen wird, mit dir eine Familie gründen zu wollen!” “Wie bitte?!” Einerseits errötete Inu Yasha nun leicht vor Scham bei dem Gedanken an eine eigene kleine Familie mit Kagome, andererseits brachte ihn Shippous vorlaute Bemerkung nur noch mehr auf die Palme. Er sprang von dem Baum und jagte den kleinen Kitsune unter allerhand Verwünschungen erst mal quer durch den Schnee, was von Miroku und Kaede mit langen Seufzern kommentiert wurde, wohingegen Rin dem Schauspiel schweigend beiwohnte, dabei jedoch irgendwie belustigt wirkte. In diesem Moment kam Sango zu der Gruppe hinzu. “Was ist hier los? Streiten die zwei etwa schon wieder?”, fragte sie ihren Mann, während Inu Yasha und Shippou einige Meter entfernt immer noch allerhand Schnee aufwirbelten. Miroku legte einen Arm um Sangos Schulter. “Nun, es ist ja nicht so, als wäre das was Neues für uns. Lass die beiden sich mal richtig austoben. Früher oder später werden sie müde und geben Ruhe.” Sango zog leicht eine Augenbraue hoch. “Das klingt irgendwie so, als würdest du gerade von unseren Kindern reden, Miroku.” Der junge Mönch konnte sich ein erheitertes Lachen nicht verkneifen und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange. “Bei euch ist es offenbar sehr lustig”, war mit einem Mal die ruhige Stimme von Kakeru zu hören. Dieser kam soeben gemeinsam mit Sesshoumaru zu der Gruppe hinzu. Sango lächelte amüsiert. “Das ist nichts Besonderes, sondern nur unser ganz normales Zusammenleben.” In der Zwischenzeit jagte Inu Yasha noch immer hinter Shippou her. Vermutlich wäre das noch den ganzen Tag so weitergegangen, hätte Shippou die Jagd nicht mit einem Mal beendet, als er ganz unvermittelt stoppte. Das Fell auf seinem flauschigen Schweif sträubte sich plötzlich in alle Richtungen. “O weh…” Auch inu Yasha war nun wieder zum Stehen gekommen. “Was hast du denn, Shippou?” “Riechst du das denn nicht, Inu Yasha? Hier riecht es nach Füchsen!” Und dass es nicht irgendwelche Füchse waren, von denen Shippou sprach, war allen sofort klar. Kakeru wandte sich zu seinem Herrn um. “Sesshoumaru-sama…” “Ja. Ich kann mir denken, was sie wollen”, erwiderte Sesshoumaru ernst. Sogleich machte er sich daran, die Spur der Füchse zu verfolgen. Sie mussten ganz in der Nähe sein. Inu Yasha fackelte nicht lange herum und eilte seinem Bruder nach. Das wollte er sich nicht entgehen lassen, wenngleich er sich das nach Sesshoumarus Ansicht auch hätte sparen können. Sesshoumaru konnte den Geruch der Füchse nun ganz genau wahrnehmen. Sie waren in der Nähe. Vermutlich schlichen sie nicht erst seit heute um das Dorf herum und haben sich bisher sehr gut im Verborgenen gehalten. Immerhin waren Aoshis Krieger keine Bande von Dilettanten und wussten, wie sie unentdeckt blieben. Hätte Shippou, der ja selber auch ein Kitsune war, nicht etwas gesagt, vermutlich wären die Späher auch weiterhin über einen gewissen Zeitraum hinweg unentdeckt geblieben. Sesshoumaru hatte zwar nicht vor, Aoshis Gefolgsleute umgangssprachlich ausgedrückt zu vermöbeln, aber er wollte sie zumindest zur Rede stellen. Wenn er etwas nicht leiden konnte, dann wenn man ihm nachspionierte. Davon mal abgesehen empfand er das alles sowieso irgendwo als ganz schön unverschämt. Allerdings war sich Sesshoumaru nicht sicher, ob nun Aoshi selbst oder vielmehr Kuro die Krieger ausgesandt hat. Aber das war für ihn im Moment eher zweitrangig. Sesshoumaru stoppte schließlich im Wald. Kein Zweifel, die Füchse waren hier. Doch offenbar hatten sie sich aus dem Staub gemacht… “Was ist? Sie sind etwa abgehauen?”, fragte Inu Yasha ungeduldig. “Wie so laufen die denn weg, wenn sie doch eigentlich nichts zu verbergen haben? Was haben sie hier überhaupt gewollt?” “Das ist doch offensichtlich. Sie haben uns nachspioniert”, antwortete Sesshoumaru zwar ruhig, aber auch mit diesem gewissen kühlen Unterton in der Stimme. Anhand der Gerüche, die noch in der Luft lagen, konnte er zumindest schlussfolgern, dass die Füchse zu dritt gewesen sein mussten. Gut, anscheinend wollten sie keine offene Konfrontation. Und vermutlich waren sie bereits auf dem Rückweg in die westlichen Länder, um ihren Herrn Bericht zu erstatten… “Aoshis Krieger waren hier?” “Drei von ihnen, ja. Offenbar haben sie uns beobachtet.” Diese Neuigkeiten von Sesshoumaru verunsicherten Kimie doch sehr. Es war klar, was dies bedeutete. Wie würde Aoshi wohl auf all das reagieren? Sesshoumarus Augenmerk ruhte zunächst weiterhin auf Kimie, dann auf Katô, welcher in den Armen seiner Mutter seelenruhig schlief. Vermutlich ahnte der Kleine nicht mal etwas von dem ganzen Konflikt, der sich um ihn herum aufgebaut hatte. “Aoshi wird bald über alles Bescheid wissen”, sprach Sesshoumaru nun weiter. “Ich halte im Grunde nichts davon, mich vor anderen zu rechtfertigen, aber in diesem Fall bleibt mir kaum eine andere Wahl. Die Situation ist schon angespannt genug.” “Ich verstehe.” Kimie konnte sich gut vorstellen, dass dies wohl eine alles andere als einfache Angelegenheit werden würde. Und es wäre wirklich besser, wenn Sesshoumaru früher als später zum Schloss zurückkehren würde, um seine Sicht der Dinge zu schildern. Ansonsten könnte vielleicht sogar der Eindruck entstehen, er würde einer Konfrontation aus dem Weg gehen wollen. Und unter den gegebenen Umständen wäre das alles andere als gut. “Na gut. Wenn du zurück in den Westen gehst, dann komme ich mit”, meinte Kimie nun und sprach dabei sehr entschlossen. Sie hatte sich ihrer Ansicht nach lange genug “versteckt” gehalten. Und auch Sesshoumaru war ihrem Anliegen nicht abgeneigt. Er hatte ohnehin vor, nur in Begleitung von Kimie und dem Kind wieder in seine Ländereien zurückzukehren. “In Ordnung. Ich werde Kakeru darüber in Kenntnis setzen”, sagte er daher. Und da Kimie so weit wieder genesen zu sein schien, wollte er so bald wie möglich aufbrechen. * ~ * ~ * ~ * Bevor sie sich mit Sesshoumaru und den anderen jedoch auf den Weg zum Schloss machen wollte, wollte Kimie noch einmal zurück in die Neuzeit. Dort hatten ihre Eltern die ganze Zeit über gewartet. Nur durch Kagome hatten sie stets erfahren, wie es ihrer Tochter in den letzten Tagten gegangen und was überhaupt passiert war. Kimie wollte endlich wieder selbst mit ihnen sprechen und außerdem musste sie ihnen ja noch ihren ersten Enkel zeigen. Anfangs war Kimie ein wenig besorgt darüber gewesen, ob sie mit Katô überhaupt durch den Brunnen reisen konnte, aber zu ihrer Erleichterung war das kein Problem. Und nachdem zunächst die ganze Familie einen neugierigen Blick auf den Nachwuchs geworfen hatte, fand Kimie schlussendlich die Zeit, um mit ihren Eltern ein wenig unter sich zu sein. “Oh, er ist wirklich süß!”, schwärmte Akie voller Entzücken, während sie Katô im Arm hielt. “Ich weiß noch genau, wie ich dich damals immer im Arm gehalten habe, Kimie. Es ist, als wäre es erst gestern gewesen. Und jetzt bist du schon selber Mutter. Wie die Zeit vergeht…” “Und? Planen du und Sesshoumaru vielleicht noch das eine oder andere Geschwisterchen für den Kleinen?”, fragte Kimata zwinkernd an seine Tochter gerichtet, die sogleich leicht errötete. “Also, Paps… Ich bitte dich! Katô ist kaum auf der Welt und schon redest du von weiteren Kindern? Lass mir doch etwas Luft zum Atmen!” Kimies Vater lachte erheitert. “Beruhige dich, Kleines! Das war doch nur ein Scherz. Aber sag das nicht mir, sondern deinem Sesshoumaru. Ich weiß ja nicht, wie er darüber denkt.” “Eben!”, pflichtete seine Frau ihm sofort bei. “Die Männer aus der damaligen Zeit ticken doch ganz anders. Aber allein schon dafür, dass du ihm einen Sohn geschenkt hast, müsste er dich nur noch auf Händen tragen! Mal abgesehen von den Strapazen, die du seinetwegen auf dich nehmen musstest… Mein armes kleines Mädchen…” “Mama…” Kimie lächelte leicht. “Es geht mir doch wieder viel besser. Und außerdem war es mir die Sache wert.” Dazu musste sie nur den Kleinen ansehen. Irgendwann lenkte Kimie das Gespräch jedoch auf ein weiteres Anliegen von ihr. “Papa, Mama… Ich bin nicht nur deshalb hergekommen, weil ich wollte, dass ihr Katô sehen könnt. Sesshoumaru… Er muss so schnell wie möglich zurück zum Schloss. Und ich gehe mit ihm mit.” Ihre Eltern tauschten untereinander kurz ihre Blick aus. Es war schließlich Akie, die als Erste das Wort ergriff: “Hältst du es für eine gute Idee, mit ihm zurück zum Schloss zu gehen? Ich meine, die Umstände dort scheinen sich ja nicht gebessert zu haben, nach dem, was wir gehört haben...” Kimie nickte. “Ich weiß, was du meinst, Mama. Ehrlich gesagt, bin ich auch etwas nervös deswegen… Aber ich war lange genug fort. Es wird Zeit, dass ich mich da wieder sehen lasse.” “Und endgültig klarstellst, dass du dort die erste Geige spielst, hm?”, fragte Kimata, als wollte er seine Tochter damit necken. Diese konnte sich ein leises Seufzen nicht verkneifen. “Papa…” Ihr Vater winkte lachend ab. “Tut mir Leid, mein Kind. Ich wollte nur versuchen, die Stimmung wieder etwas aufzulockern.” “Du machst wohl aus allem einen Witz, oder?”, warf seine Frau daraufhin mit einem leicht tadelnd klingenden Unterton ein. Kimata kratzte sich etwas reumütig am Hinterkopf. “Entschuldige, Akie. Aber du kennst mich doch…” Während Akie ihren Mann noch ein wenig kritisch beäugte, bemerkte sie, wie sich Katô auf ihrem Arm zu rühren begann. “Oh, ich glaube, der Kleine will zurück zu seiner Mutter.” Als sie ihr das Baby reichte, nahm Kimie es sogleich an sich. “Und?”, fragte sie ihre Eltern nach einem Moment vorsichtig. “Ist es okay für euch, dass ich zurück zum Schloss gehe?” “Kleines”, begann Kimata mit einem warmen Lächeln. “Du musst deine Mutter und mich nicht um Erlaubnis fragen. Du bist erwachsen. Und wir beide trauen dir zu, dass du selbst deine Entscheidungen treffen kannst. Wenn du mit Sesshoumaru zurück zu seinem Schloss möchtest und du glaubst, dass das richtig ist, dann geh ruhig.” “Aber pass bitte gut auf dich auf. Und auf den Kleinen”, bat Akie ihre Tochter eindringlich. Mit einem großen Gefühl der Erleichterung nickte Kimie. “Keine Sorge. Es wird schon gut gehen. Ich danke euch.” * ~ * ~ * ~ * Bereits am nächsten Morgen war es so weit gewesen. Inu Yasha und Kagome hatten beschlossen, ebenfalls zum Schloss zu gehen. Besonders Kimie beruhigte dies in gewisser Weise, denn ein wenig unwohl fühlte sie sich bei alldem doch. Sie vermochte nicht abzuschätzen, wie Sesshoumarus Leute und auch die Füchse insbesondere auf Katô reagieren würden. Besonders als die kleine Gruppe nach gut einer Tagesreise schließlich wieder in den westlichen Ländern ankam, spürte Kimie, wie die Nervosität in ihr wuchs. Das ungute Gefühl, das sie beschlichen hatte, wurde immer größer. Die Gegend lag unter einer blütenweißen Schneeschicht begraben. Ein Anblick wie aus einem Bilderbuch. Diesen konnte Kimie im Moment aber nur geringfügig genießen. Zumindest schien Katô viel ruhiger zu sein als sie, denn er schlief friedlich in ihren Armen. Kagome trat an die Seite ihrer Cousine. “Kimie? Ist alles in Ordnung?” “Ehrlich gesagt, nein…”, antwortete Kimie ehrlich. Und wenn man sie so ansah, hätte man fast schon vermuten können, sie wäre auf dem Weg zu ihrem eigenen Schafott. Sesshoumaru legte daraufhin einen Arm um Kimies Schulter und zog sie sanft zu sich. “Mach dir keine Sorgen. Es wird dir und Katô nichts passieren. Du hast nichts zu befürchten.” “Hm… Ja, danke”, erwiderte Kimie, begleitet von einem leichten Lächeln. Dass Sesshoumaru an ihrer Seite war, gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Zumal Kakeru, Kagome und Inu Yasha auch da waren. Sogar Inuki war hierher mitgekommen und stand wachsam neben Ah-Un, welcher von Kakeru an den Zügeln geführt wurde. “Gehen wir. Es wird allmählich Zeit”, ergriff Kakeru schließlich das Wort, woraufhin die Gruppe sich wieder in Bewegung setzte. Das Schloss lag unweit von ihnen entfernt… Ein Raunen machte die Runde, als Sesshoumaru und die anderen den Hof betraten. Natürlich richtete sich die Aufmerksamkeit aller besonders auf das kleine Bündel in Kimies Armen. Unbewusst versuchte Kimie, den Blicken der anderen auszuweichen und auch Katô vor diesen abzuschirmen. Da konnten selbst Kagomes leise Versuche, ihr gut zuzureden, sie nicht wirklich beruhigen. Die Nervosität war mit einem Mal wieder da. “Kimie-chan! Du bist wieder zurück? Wurde ja mal Zeit! Wir haben uns alle schon gewundert”, erklang plötzlich Ashitakas fröhliche Stimme. Gemeinsam mit Miyuki und Tôya kam er den Eingetroffenen entgegen. Doch stutzte er sofort, als er das Kind auf Kimies Armen entdeckte. “Eh? Was…? Wem gehört denn das Baby?” “Na, was glaubst du denn?”, fragte Inu Yasha daraufhin trocken zurück. Ashitaka schwieg zunächst, als müsste er erst mal darüber nachdenken. Sein Blick wanderte zwischen Kimie und Sesshoumaru hin und her. “Nein!”, kam es dann ungläubig von ihm zurück. “Das ist doch… Ist das wahr? Warst du deshalb so lange fort, Kimie-chan?” Kimie nickte verschüchtert. “Mh… Ja, irgendwie schon…” Nachdem Miyuki das alles gehört hatte, hielt sie nichts mehr. Sofort eilte sie zu Kimie und warf einen Blick auf Katô. “Ah! Oh, wie süß! Darf ich es bitte auch mal halten?”, fragte sie voller Begeisterung. Ein wenig verlegen überreichte Kimie ihr daraufhin das Baby. Miyukis Augen strahlten regelrecht vor Entzücken. “Wow! Wie toll! Es ist ein Junge, oder? Habt ihr ihm schon einen Namen gegeben?” “Ja. Er heißt Katô”, antwortete Kimie, deren Anspannung langsam wieder von ihr abließ. Miyuki betrachtete den Nachwuchs ganz genau. “Ich sehe es schon. Der Kleine wird später mal ein ganz Hübscher, wenn er erst erwachsen sein wird”, war sie überzeugt. Ashitaka riskierte nun einen Blick über ihre Schulter. “Woran erkennst du so was denn?” , fragte er neugierig. “Weibliche Intuition!”, war Miyukis ebenso überzeugte, wie selbstsichere Antwort darauf. Erneut betrachtete sie Katô eingehend. “Hach… Wenn ich ihn so ansehe, werde ich fast schon neidisch.” Auf diese Bemerkung hin hob Ashitaka leicht eine Augenbraue. “Was soll das heißen? Willst du jetzt etwa auch plötzlich ein Baby haben?” “Kriegst du das denn hin?”, fragte Miyuki prüfend zurück, woraufhin er sie fast schon erschrocken anstarrte. “Miyuki-chan! Willst du mich vor allen bloßstellen?!” Erheitert lachte sie auf. “Jetzt guck nicht so verstört! Das war doch nur Spaß!” Von Tôya bekam Ashitaka nun einen tröstenden Klaps auf den Rücken. “Aber allzu überstürzen, muss man es ja auch wieder nicht. Oder, Ashitaka?” Dieses Mal schwieg der Jüngere. Irgendwie musste er gerade an Tôyas Worte von damals denken, Miyuki ja nicht unglücklich zu machen. Im Bezug auf den unerwarteten Erben ihres jungen Herrn hielten die anderen Inu-Youkai trotz ihrer Neugierde nach wie vor Abstand. Ohne Sesshoumarus ausdrückliche Genehmigung hätte sich ohnehin niemand von ihnen in die Nähe von Kimie oder dem Kind getraut. Während einige sich leise untereinander austauschten, hüllten sich jene, die sich vor noch gar nicht allzu langer Zeit gerne mal das Maul über den da noch ausgebliebenen Nachwuchs zerrissen hatten, in kleinlautes Schweigen. Die ersten durchaus positiven Reaktionen halfen Kimie ein wenig dabei, sich etwas zu entspannen. Doch als sie Kuro, den obersten General von Aoshis Streitmacht, entdeckte, war ihre Anspannung sofort wieder da. Eine unangenehme Stille breitete sich aus, als Kuro sich einige Meter vor der Gruppe um Sesshoumaru aufbaute. “So ist das also, ja?”, begann er mit einem prüfenden Blick in die Runde. “Der feine Herr Lord des Westens hat sich aus dem Staub gemacht, um mit einem Hanyou-Balg hierher zurückzukehren?” Und als ob diese Aussage nicht schon affektiert genug war, unterstrich Kuro diese auch noch mit seinem herablassenden Gesichtsausdruck. Sofort trat Inu Yasha einen Schritt vor. “Halt doch die Schnauze! Du willst rumstänkern?! Dann komm nur her und wir fechten die Sache aus, du arroganter Mistkerl!” Er hatte bereits die Hand an Tessaiga gelegt, als Sesshoumaru seinen Bruder jedoch in seine Schranken wies: “Inu Yasha! Halte dich zurück! Das geht dich nichts an! Hast du mich verstanden?” Missmutig knurrend und nur widerwillig gab der Hanyou klein bei, während Sesshoumaru nun einige Schritte auf Kuro zuging. “Ich habe zu vielem geschwiegen, wo ich es besser nicht getan hätte. Aber jetzt reicht es! Ich dulde keine weiteren derartigen Äußerungen. Schon gar nicht auf meinem Grund und Boden!” Sesshoumarus beherrschte, aber dennoch gebieterische Stimme beeindruckte Kuro offenbar nur minder. Kaltschnäuzig verschränkte der General die Arme vor der Brust. “Oho! Das sind ja plötzlich ganz neue Töne! Spielen wir plötzlich den großen Anführer, ja?” Ungläubiges Raunen machte die Runde. Die Inu-Youkai wollten nicht glauben, was sie da hörten und sahen. Dass Kuro die Dreistigkeit besaß, ihren Herrn in aller Öffentlichkeit so klar und deutlich zu beleidigen… Manche der Krieger legten bereits die Hände an ihre Waffen, bereit, diese nun jederzeit zum Einsatz zu bringen. Sesshoumaru wollte seinen Gegenüber soeben noch deutlicher klarmachen, dass er die Grenze längst überschritten hatte, als Aoshis Stimme im unverkennbaren Befehlston erklang: “Hör sofort auf damit, Kuro! Was denkst du dir eigentlich?” Der Fürst der Füchse war nun ebenfalls zu dem Geschehen dazugekommen. Zwar schien Kuro sich vom plötzlichen Auftauchen seines Herrn kurzzeitig beeinflussen zu lassen, doch damit war es sehr schnell wieder vorbei. “Ich bitte um Verzeihung, Aoshi-sama, aber wollt Ihr davor Eure Augen verschließen? Der Kerl ist doch genau so ehrlos, wie schon einst sein Vater! Wollt Ihr wirklich darauf beharren, Eure Tochter so einem Mann anzuvertrauen? Einem Youkai-Lord, der offenbar jeglichen Stolz verloren hat und sich nicht zu schade dafür war, eine normalsterblichen Frau, die nicht mal von adligem Geblüt ist, zu beschlafen und ihr auch noch ein Kind zu machen?!” Als Kuro auch noch sein Schwert gezogen hatte und mit diesem nun auf Kimie deutete, als wollte er seinen Worten damit zusätzlichen Ausdruck verleihen, wurde diese sofort von Ashitaka schützend zur Seite genommen, während Miyuki den kleinen Katô vor den Blicken des Generals abschirmte. “Jetzt reicht es mir! Schluss damit!!” Sesshoumaru holte weit aus und schleuderte Kuro seine Lichtpeitsche entgegen. Dieser wich gerade noch im richtigen Moment mit einem Sprung nach hinten aus. Ein lauter Knall hallte in der Luft wider, als die Peitsche nur um Haaresbreite ihr Ziel verfehlte. “Hm! Ihr traut Euch ja wirklich was, Sesshoumaru-sama. Doch solltet Ihr eines bedenken: Manchmal wird einem ganz unverhofft der Teppich unter den Füßen fortgezogen”, bemerkte Kuro mit der selben Arroganz wie schon zuvor, unterstrich seine Aussage zudem mit einem mehr als herablassenden Lächeln. Sesshoumaru knurrte verächtlich. “Willst du mir drohen?” Nun legte Kuro auch die letzten Höflichkeitsformen ab. “Du bist mir ja vielleicht ein Mann… Lässt dich von einer Menschenfrau an die Leine legen, wie ein gewöhnlicher Schoßhund!” “Kuro! Halt endlich deinen Mund!”, kam es plötzlich ungewohnt harsch von Aoshi, dass selbst der General kurzzeitig irritiert wirkte. Der Fürst der Füchse schritt auf seinen Gefolgsmann zu. “Bisher habe ich es unterlassen, dich wegen deines Auftretens zu sehr zu kritisieren, aber du gehst eindeutig zu weit! Zwing mich nicht dazu, andere Seiten aufzuziehen! Habe ich mich klar genug ausgedrückt?” Kuro verkniff sich ein missmutiges Knurren. Stattdessen verneigte er sich nun leicht vor seinem Herrn. “Natürlich, Aoshi-sama. Ich bitte um Vergebung.” Es schien so, als würde sich die auf dem Hof herrschende Unruhe allmählich legen. Die Situation war offenbar wieder weitestgehend unter Kontrolle, doch da bemerkte Ashitaka, dass Kimie so merkwürdig atmete. Es klang, als bekäme sie nur schlecht Luft. “Kimie-chan? Was ist los?” “Ich… Mir ist so…” Weiter kam Kimie nicht mehr. Krampfhaft klammerte sie sich an Ashitaka fest, da ihre Beine nachzugeben drohten. Hilfe suchend blickte der junge Youkai zu Kakeru, welcher sich jedoch bereits der Situation bewusst war. Behutsam fasste er Kimie an den Schultern, um sie zusätzlich ein wenig zu stützen. Er bemerkte, dass sie ein wenig zitterte. “Hm… Das habe ich befürchtet. Die Aufregung tut ihr nicht gut. Sie braucht dringend Ruhe”, erkannte er sofort. Da Kimie sich inzwischen kaum noch auf den Beinen halten konnte, hob Ashitaka sie nun auf seine Arme. Doch davon bekam Kimie selbst kaum noch etwas mit. Erschöpft und die Augen geschlossen, lehnte sie ihren Kopf an Ashitakas Schulter. Mühsam unterdrückte Wut spiegelte sich in Sesshoumarus Augen wider, als er sich Aoshi zuwandte. “Fürst Aoshi. Ich versichere Euch nach wie vor meine Unterstützung bei der Findung des Mörders Eures Sohnes. Nichts desto trotz möchte ich Euch und Euer Gefolge darum bitten, zunächst in Eure Ländereien zurückzukehren. Über Boten können wir den Kontakt zueinander aufrecht erhalten.” Dem Fürst der Füchse war bewusst, dass Sesshoumarus Missgunst nicht ihm, sondern Kuro galt. Und auch, wenn die Aufforderung des jungen Herrn der Inu-Youkai fast einem Affront gleichzusetzen war, widersetzte sich Aoshi unter den gegebenen Umständen nicht. “Ich respektiere Euren Wunsch, Sesshoumaru-sama”, entgegnete er stattdessen mit ruhiger Stimme, neigte sogar leicht das Haupt vor seinem Gegenüber. “Ich werde sogleich veranlassen, dass alle nötigen Vorbereitungen getroffen werden. Bevor ich jedoch aufbreche, würde ich Euch gerne noch um ein Gespräch ersuchen. Entschuldigt mich bitte.” Aoshi gab Kuro, sowie seinen anderen Gefolgsleuten zu verstehen, dass sie sich umgehend auf die baldige Abreise vorzubereiten hatten. Unterdessen wies Sesshoumaru seinen Cousin Ashitaka an, Kimie ins Schloss zu bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)