Shadows of the NewMoon von Darklover ================================================================================ Kapitel 30: 30. Kapitel ----------------------- Nataniel schnurrte gegen ihren Rücken, als er Amandas Wange an sich spürte und das Gefühl genoss, während seine Zunge über ihren Nacken fuhr und dabei salzige Haut schmeckte. Umso mehr spürte er die Verbindung zu genau jener Stelle, an der nicht nur die Organisation ihr Zeichen hinterlassen hatte. Zwar war sein eigenes Zeichen gerade mal durch eine leichte Rötung der Haut zu erkennen, aber auch wenn diese schon bald wieder verblassen würde, so wüsste er doch bescheid. Sie war sein, und solange sie ihn haben wollte, würde sie das auch bleiben. Eine Weile tat er nichts, als Amanda lediglich beruhigend zu streicheln, mit seinen Lippen ihren Nacken und die Schultern zu liebkosen und mit abnehmender Hitze ihres Körpers schlang er auch seine Arme großflächiger um sie, damit sie nicht zu frieren begann. Er selbst war ein nie erlöschender Hochofen. Zumindest könnte man den Eindruck gewinnen. Eigentlich wollte er nicht von Amanda ablassen. Was nicht etwa an Nataniels noch immer offensichtlicher Bereitschaft für eine nächste Runde lag, sondern weil er instinktiv wusste, würde er sie loslassen, würde die Realität sie wieder einholen. Mit niederschmetternder Wucht. Darum dachte er noch nicht einmal an die Gefühle, die er für ihr gemeinsames Rudel empfand, das so nah und doch noch fern war. Im Augenblick wollte er es vergessen. Sanft drehte er Amandas Gesicht etwas zu sich herum und beugte sich zu ihr herab. Seine Augen streiften die ihren, ehe er sie schloss und Amanda stattdessen zärtlich küsste. Der Hunger nach ihr würde nie enden. Er spürte es bis in die Fingerspitzen und gerade deshalb war er ihr mit Haut und Haar verfallen. Sie beide waren es. Nataniel und seine animalischen Wesenszüge, die sich inzwischen als ebenfalls sanftmütig erwiesen hatten, obwohl sie auch ganz anders konnten. Dicht an ihre Lippen offenbarte er Amanda schließlich all das, was Nataniel normalerweise gerne wegschloss, um sie und auch ihn auf eine Weise zu schützen, die ein Herz davor bewahren sollte, gebrochen zu werden. Aber ein verletztes Herz war besser, als ein gefühlloses. Niemand spürte das deutlicher als der Panther. „Ich will dich nie wieder verlassen“, hauchte er ihr leise zu, ehe er sie ansah. Seine Augen waren groß und die Gefühle darin deutlich zu lesen. Leidenschaft, Wildheit, Zuneigung und Liebe. Aber auch Furcht darüber, dass sein Wunsch sich nicht erfüllen könnte. Bevor das schlechte Gewissen ihn niederrang, zog sich der Panther wieder zurück. Er hatte Amanda auf seine ganz spezielle Weise gekennzeichnet wie noch nie jemanden vor ihr. Ihm genügte das vollkommen. Nataniel würde die Ehrlichkeit in seinem Herzen auch nicht umbringen, selbst wenn sein versklavender Verstand ihm einzutrichtern versuchte, dass es besser wäre, sich noch nicht endgültig fallen zu lassen. Zumindest noch so lange nicht, bis alles überstanden oder er ohnehin getötet worden war. Doch was seine Gefühle betraf, hatte er ohnehin keine Zweifel. Nur daran, ob es richtig war, sie so offen zur Schau zu stellen, wie es dem Panther eigen war. Was das anging, würde er zwar nie an die Perfektion der Menschen herankommen, die sich regelrecht Masken aus Gleichgültigkeit und Kälte aufsetzen konnten, aber er musste auch nicht alles im vollen Umfang zeigen. Trotzdem nahm er seine Worte nicht zurück, sondern war froh, dass sein Denken wieder ordnungsgemäß funktionierte. Auch wenn es zugleich zu stören begann. War er sich doch nun noch deutlicher im Klaren, dass die schönen Augenblicke mit Amanda nun vermutlich vorbei sein würden. Traurig darüber vergrub er wieder sein Gesicht in ihrem Haar und seufzte schwermütig. Wieso musste die Welt auch nur so grausam und so schön zugleich sein?   Wie ein paar Worte noch so viel mehr bewirken konnten, als es bereits der Körperkontakt zu ihm getan hatte, wusste Amanda nicht. Aber so war es nun mal. Amanda hatte Nataniel geglaubt, als er ihr gesagt hatte, er könne im Moment keine Beziehung eingehen. Und sie glaubte ihm immer noch. Trotzdem sprühte der Funke Hoffnung in ihr wie ein Miniaturfeuerwerk hoch und explodierte in ihrem Herzen in den schillerndsten Farben. Er wollte sie nicht verlassen. Das war alles, was sie hören musste. Niemals hätte sie vorher den Mut aufgebracht, sich ganz und gar auf ihn einzulassen. Jetzt war sie tatsächlich sein. Weil sie nicht wusste, was sie auf dieses intensive Geständnis, denn dass es für Nataniel und den Panther nichts Anderes und wahrscheinlich recht schwierig gewesen war, antworten sollte, drückte sie Nataniel einen Kuss auf die Lippen. Sie sah ihn aus Augen an, hinter denen das Feuerwerk weiterhin Funken sprühte. Er ließ sich von ihr ins Gras ziehen, wo sie noch eine Weile verschlungen lagen. Amanda kraulte Nataniels Nacken und sah in den blauen Himmel hinauf. Glücklicherweise drängten sich ihr keine Gedanken auf, die sie in diesem Moment nicht zulassen wollte. Sie genoss einfach seine Nähe, die Wärme, die sein Körper ausstrahlte und seinen Atem auf ihrer Haut. Amanda hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, aber die Schatten der umstehenden Pflanzen wurden länger und sie begann trotz Nataniels Nähe zu frösteln. Mit einem Schlag war ihr kalt und das lag nicht nur daran, dass sie nackt auf der Wiese lag. Sie würden in weniger als zwei Stunden das Lager erreichen. Sobald sie losliefen, kamen sie mit jedem Schritt der Situation näher, der sich Amanda noch gar nicht stellen wollte. Sie würden es alle wissen. Zwar hatte Nataniel kein Mal auf ihr hinterlassen, sie nicht durch einen Biss oder Kratzspuren gekennzeichnet, aber selbst ihre menschliche Nase konnte den Sex an ihren beiden Körpern riechen. Amandas Herz machte einen unangenehmen Sprung. Wie würden sie wohl reagieren? Was würde Nataniel tun? Wenn ihn das Rudel vor die Wahl stellte, weiter das Alphatier oder mit Amanda zusammen zu sein ... Sie würde gehen. Amanda würde sich nicht zwischen Nataniel und sein Rudel stellen. Ein gebrochenes Herz war gegen so viele Leben nicht aufzuwiegen. Sie konnte und würde ihn ihnen nicht wegnehmen. Wahrscheinlich konnte sie das sowieso nicht. Amanda küsste Nataniels warme Wange und drückte sich noch einmal an ihn, um zu zeigen, dass sie eigentlich nicht wollte, was sie sagte. „Wir sollten langsam gehen.“ Das Rudel hatte schon zu lange auf ihn warten müssen. Mühsam machte sie sich von Nataniel los, hob ihren zerfetzten Slip auf, um ihn in den Rucksack zu stopfen, aus dem sie frische Unterwäsche zog. Als sie wieder ordentlich bekleidet war, sah sie zu Nataniel hinüber. Dass er nicht so glücklich aussah, wie er hätte sein können, machte es ihr etwas leichter. Amanda wusste, dass er sich darauf freute, alle wieder zu sehen, aber das hieß wohl nicht, dass er nicht gern mit Amanda hier geblieben wäre. Genauso wie sie selbst gern für immer hier mit ihm ihre Zeit verbracht hätte. Sie ließ sich noch einmal von ihm in den Arm nehmen und küsste ihn lange, bevor sie ihm den Rucksack hinhielt. „Sie warten.“   Als sie sich noch einmal küssten, war es für ihn wie ein Abschied. Obwohl er genau wusste, dass der wirklich harte Abschied noch kommen würde, war es auch schwer, diesen Ort und die damit verknüpften Empfindungen zu verlassen. Ob er ihn je wieder sehen würde, war fraglich und zugleich hatte er sich tief in seine Erinnerungen vergraben. Keine Sekunde würde er von dem Geschehen an diesem Platz vergessen. Schließlich ergab sich Nataniel seinem Schicksal und nahm den Rucksack entgegen, um ihn sich umzuschnallen. Dieser fühlte sich unglaublich schwer an seinem Körper an, obwohl er noch immer das gleiche Gewicht hatte. Dennoch war es, als würde er ihn regelrecht hinunterziehen. Er freute sich wirklich, ihr Rudel wieder zu sehen, aber zugleich kam ihm der Weg dorthin einer Passionsprozession gleich. Kein Wunder, dass er nichts sagte, während sie die restliche Strecke in einem guten Tempo zurücklegten, zu das er sich mehr als nur zwingen musste. Da aber der Weg auch ab hier leichter ging, blieb er dicht an Amandas Seite, um ihr gegebenenfalls gleich eine stützende Hand reichen zu können, wenn sie Hilfe brauchte. Was das anging, schienen sie ohnehin schon ein eingespieltes Team zu sein.   ***   Er konnte das Rudel schon von mehreren hunderten Metern Entfernung riechen, was kein Wunder war, hier schien regelmäßig patrouilliert zu werden. Weshalb Nataniel schließlich auch Amandas Hand ergriff, um sie sowohl beschützend, als auch als eigene Stütze festzuhalten. Denn schon nach wenigen weiteren Schritten kam ihnen ein kräftiger Jaguar entgegen. Jerry hätte sich noch nicht einmal in einen Menschen verwandeln müssen, damit Nataniel ihn erkannte, aber es machte das Sprechen auf alle Fälle leichter. Da er selbst nicht vorhatte, sich in den Panther zu verwandeln. „Kann ich meinen Augen trauen?“, fragte der ältere und sehnig gebaute Mann. „Nataniel, was ist passiert? Du warst einfach verschwunden!“ Erst jetzt schien Jerry Amanda als eben solche richtig wahrzunehmen, denn auch wenn sein Blick auch weiterhin überrascht und zugleich unglaublich erleichtert war, sah Nataniel genau den kalten Hauch in seinen Augen aufziehen. Trotzdem sagte der Jaguar nichts, sondern konzentrierte sich weiter auf seinen Anführer. „Man hat mich erwischt“, antwortete Nataniel mit seltsam ruhiger Stimme. Als kümmere ihn diese Tatsache gar nicht mehr, was es im Grunde auch nicht wirklich tat. Die dunklen Stunden der letzten Tage waren durch jene unersetzlichen Momente an diesem Tag fast ganz ausgelöscht worden. Zwar erinnerte er sich noch an jedes Detail, aber es beunruhigte ihn nicht, daran zu denken. Um seine Worte noch zu untermauern, drehte er Jerry seine gezeichnete Schulter hin und schob das T-Shirt in die Höhe. Die Tätowierung war gut verheilt, und obwohl seine eigenen Kratzer darüber noch relativ frisch waren, sah man auch von ihnen kaum noch etwas. Lediglich die deutlichen Spuren von Narbengewebe, das langsam verblasste, aber nie ganz verschwinden würde. Als Nataniel die Moonleague erwähnte, zuckte Jerrys Blick von seiner Schulter zu Amanda und dann wieder zurück. Der verwirrte Ausdruck war nicht zu übersehen, aber Nataniel ignorierte ihn hartnäckig. Stattdessen setzte er die Miene eines Alphatiers auf, der man nur schwer widersprechen konnte. „Bring mich zu unseren Leuten und auf dem Weg dorthin, will ich auf den aktuellen Stand der Dinge gebracht werden. Gibt es Verletzte? Sind alle in Sicherheit? Wie sieht es mit der Versorgung aus?“ Da Jerry sich mit Befehlen offensichtlich leichter tat, als mit seltsamen Schlussfolgerungen, weil er unmöglich nicht hätte riechen können, was Amanda für Nataniel war, konzentrierte er sich ganz darauf, einen vollständigen Bericht zu liefern, während er sie führte. Die Nacktheit des Mannes störte Nataniel so wenig wie eh und je, dennoch kam in ihm einen kurzen Moment lang der Gedanke auf, wie seltsam das wohl für Amanda sein musste und bestimmt noch werden würde. Denn wenn alle in ihrer tierischen Form waren, würden sie sich gesammelt verwandeln müssen. Nataniel hatte nicht vor, sich als Tier zu äußern, da der Wortschatz dafür niemals ausgereicht hätte. Bei dem Gedanken gleich so eine Art Nudistenversammlung abzuhalten, musste er fast schmunzeln, was er definitiv auf seinen völlig aufgezehrten Verstand schob, der irgendwie mit der ganzen Sache klarkommen musste. Denn witzig war das alles auf gar keinen Fall.   Dass Nataniel ihre Hand nahm, war ein deutliches Zeichen, dass Amanda sich mit ihrem Verdacht nicht irrte. Seit einiger Zeit schien Nataniel sich öfter und genauer umzusehen, als er es vorher getan hatte. Er wirkte keinesfalls ängstlich, aber vielleicht ein wenig angespannt, wenn dieses Wort auch nicht genau das traf, was Amanda ausdrücken wollte. Es musste Vorfreude sein, mit etwas gepaart, das Nervosität bestimmt recht nahekam. Bei Amanda selbst war Letzteres das vorherrschende Gefühl, und als sich ein Rascheln im Gebüsch schließlich nicht nur als Täuschung ihrer überreizten Sinne herausstellte, wäre ihr beinahe die Röte ins Gesicht gestiegen. Kurz wollte sie ihre Hand sogar vor Nataniel zurückziehen, bis ihr einfiel, dass der Wandler – Jerry, wenn sie sich den Namen richtig eingeprägt hatte – bestimmt nicht diese Geste sehen musste, um zu wissen, was hier lief. Gott, wie sie es schon hasste vor Nataniel nichts verheimlichen zu können, was ihren Körper anging. Aber nun lief sie in die Höhle seines Rudels und hätte sich genauso gut ein blinkendes Schild umhängen können, auf dem stand, dass sie sich von ihm hatte flachlegen lassen. Na gut, das würde sie dann eben durchstehen müssen. Denn ungeschehen machen, konnte sie es nicht und verdammt noch mal, da müsste schon das gesamte Rudel über sie herfallen und trotzdem würde sie es wieder tun! Bereits beim zweiten Wandler, der sich vor ihnen zeigte, musste Nataniel Amandas Hand loslassen. Denn wie auch alle anderen, die ihnen bald in großer Zahl als Begrüßungskomitee entgegen kamen, wollte auch er Nataniel die Hände schütteln. Amanda hatte das Gefühl Nataniel immer mehr freigeben zu müssen, je mehr seiner Rudelmitglieder zu ihnen stießen. Die meisten straften sie mit eisigen Blicken oder ignorierten ihre Anwesenheit völlig. Die zweite Variante wäre Amanda eigentlich lieber gewesen, aber gerade bei ein paar Leuten fiel ihr auf, wie weh es tat. Sie kannte sie, hatte mit ihnen gefeiert, mit ihnen gelacht und jetzt ... Als müsse sie gegen ein tonnenschweres Gewicht ankämpfen, versuchte Amanda den Kopf hochzuhalten. Sie hatte nicht das getan, was alle um sie herum vermuteten. Das Einzige, wofür sie deren Missmut und Strafe verdiente, war die Tatsache, dass sie für die Organisation gearbeitet hatte. Deswegen versuchte sie auch von selbst, keinen Kontakt zu irgendjemandem aufzunehmen. Wahrscheinlich hätte es alles nur noch schlimmer gemacht. Sobald man ihr einen Blick zuwarf, versuchte sie ehrlich zu lächeln, auch wenn es sich so anfühlte, als würde sich ihr Gesicht dabei nur fratzenhaft verziehen. Und dabei verstand sie es so gut, dass man ihr derart entgegen blickte. Amanda war nicht nur das Bild ihres Todfeindes, nein, sie hatte auch noch dem Anführer den Kopf verdreht. Am liebsten hätte sie sich in diesem Moment seinen Geruch vom Körper gewaschen. Dann hätte man Nataniel zumindest keine Skepsis entgegen bringen können. Am liebsten hätte sie laut herausgeschrien, dass die Vorwürfe nicht wahr waren, aber selbst das hätte vermutlich nichts genützt. Als sie endlich auf einem freien Platz angekommen waren, der sich zwischen hoch aufragenden Felsnadeln befand, die von Höhlen durchlöchert waren wie Schweizer Käse, blieb Amanda am Rande der Gruppe stehen. Nataniel wurde vor ihren Augen in die Mitte aller andere gezogen, befragt über das, was passiert war und auf seine Unversehrtheit geprüft. Der Rucksack wurde ihm abgenommen und ihm wurde Wasser gebracht. Amanda suchte Palia, von der sie zumindest so etwas wie Akzeptanz erwartete, nach dem, was zwischen ihr und Eric gewesen war. Aber sie konnte sie zwischen all den Wandlern nicht erkennen. Zumindest machte die schiere Zahl klar, dass wohl alle noch zusammen waren. Das ließ Amanda zumindest leicht zufrieden lächeln. Sie lehnte sich neben einen Höhleneingang und sah sich die Wiedersehensszene an. Es war wirklich herzerwärmend, wie sie Nataniel wieder willkommen hießen. Zumindest schienen sie ihm den Verlust seiner tierischen Seite, die doch eine Weile vorgehalten hatte, nicht nachzutragen. Als alle sich im Kreis um Nataniel versammelt hatten, um neue Anweisungen zu bekommen, ließ auch Amanda sich auf einen Stein sinken. Erst im Sitzen fiel ihr auf, wie wackelig ihre Knie waren. Sie seufzte leise, was ihr sofort einen stechenden Blick von drei Wandlern in der hintersten Reihe einbrachte. Sie drehten sich halb zu ihr um und hätten sie wahrscheinlich am liebsten wortwörtlich an die Felswand hinter ihr genagelt als Zeichen, dass die Moonleague auch in Form von Amanda ihnen nie wieder zu nahe kommen sollte.   Seine Freude war doch größer als angenommen, als er seine Leute wieder um sich hatte und ihre Nähe spürte. Als Rudelanführer schien er sich automatisch nur dann richtig wohl zu fühlen, wenn er wusste, dass es seinem Clan gut ging. Und so wie es aussah, war dem auch so. Selbst die kleineren Kinder, die eigentlich um diese Zeit schon langsam im Bett oder wohl eher in einem Grasnest sein sollten, scharrten sich um ihn, hingen an seinen Beinen und suchten seine Aufmerksamkeit. Nataniel wusste von den vielen Fragen, den vielen Menschen und vor allem den vielen Händen nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Einen Moment lang hatte er noch Amandas Hand in seiner gespürt, jetzt konnte er sie noch nicht einmal mehr sehen. Was ihm gar nicht gefiel, aber als er sie doch einmal einen Augenblick lang erspähte, beruhigte er sich etwas. Sie war also noch da, und da sich das Rudel hauptsächlich auf ihn konzentrierte, würde er wohl auch noch rechtzeitig die Chance bekommen, wenigstens die erhitzten Gemüter zu besänftigen, wenn er sie auch schon nicht alle davon überzeugen konnte, dass Amanda von nun an zu ihm gehörte und ihnen allen sogar geholfen hatte. Als man ihm endlich wieder mehr Luft zum Atmen ließ und sich das Durcheinander beruhigte, versuchte er so etwas wie Ordnung in das Chaos seiner Gedanken zu bringen. Denn sein größtes Bedürfnis war, bei Amanda zu sein, sie in seine Arme zu schließen, um sicherzugehen, dass sie nicht einfach verschwand. Da er genau das befürchtete. Aber solange er sie sehen konnte, musste er sich mit dem Rudel beschäftigen. Auch das war wichtig. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für euch“, verkündete er schließlich ohne große Vorrede. In so etwas war er noch nicht sehr geübt. Eigentlich war er lieber klar und direkt. So wusste man wenigstens, woran man bei ihm war und auch dem Clan würde es da nicht anders gehen. Aber zum Glück waren sie es ja schon von ihm gewöhnt. „Die gute Nachricht ist, dass Amanda es geschafft hat, die Moonleague zu sabotieren. Das heißt, dass in der Datenbank der Organisation keiner eurer Namen oder auch nur irgendwelche anderen Informationen über euch aufgelistet sind. Womit ich zugleich auch zu der schlechten Nachricht komme. Ich kann und will es trotzdem nicht riskieren, dass wir uns noch länger hier in der Gegend aufhalten. Für Viele von euch ist es bestimmt schwer, ihre Heimat zu verlassen, aber ich habe Verbindungen, die euch dabei helfen werden, eure Häuser und Grundstücke gut zu verkaufen, damit ihr andernorts neu und sicher anfangen könnt. Sofern ihr euch dafür entscheidet. Ich werde natürlich niemanden zwingen, mit mir zu gehen.“ Er legte eine kurze Pause ein, damit das Rudel seine bisher gesagten Worte richtig begreifen konnte. Doch bevor es völlig unruhig werden konnte, sprach er weiter. „Ihr sollt außerdem wissen, dass nicht Amanda oder ihr Bruder es war, die euch verraten haben, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit Nicolai. Ihr habt zwar nicht lange unter seiner Führung gelebt, ehe ihr euch abgewandt habt, aber es muss gereicht haben, um genug Informationen über euch zu sammeln. Außerdem gibt es noch jene, die bei ihm sind und früher ebenfalls zu euch gehörten.“ Auf diese Ankündigung folgten noch ein paar beruhigende und auch aufbauende Worte, ehe Nataniel die anderen entließ, damit sie lange darüber nachdenken konnten. Morgen würde eine Entscheidung fallen. Für jeden von ihnen. Wollten sie bleiben oder würden sie mitkommen? Zwar hatte Nataniel noch keine große Vorstellung davon, wo genau sie hingehen sollten, aber das Land seiner Pflegefamilie war sehr sehr groß und hatte früher immerhin seinem Vater gehört. Bestimmt könnten sie dort eine Weile bleiben, bis sie für jede einzelne Familie ein neues Zuhause gefunden hatten. Das würde das Rudel zwar nicht trennen, aber sie waren so unterschiedlich in ihren Arten, dass es besser war, nicht ständig aufeinander zu hocken. Außerdem brauchte jeder seine Privatsphäre und Nataniel wollte die seine ebenso sehr, wie es die anderen verdient hatten. Natürlich würde er immer noch als Alphatier erreichbar bleiben und es galt auch gewisse Grenzen zu sichern und zu verteidigen, sollten Mitglieder aus einem anderen Rudel oder gar Einzelgänger ihnen in die Quere kommen. Aber noch war es nicht so weit darüber nachzudenken. Diese Art der Politik konnte er bestimmt noch auf später verschieben, sofern er das Aufeinandertreffen mit Nicolai überlebte. Auch das stand bald an.   Wie versteinert hatte sie dagesessen und Nataniels kleiner Rede zugehört. Die Blicke in ihre Richtung, die auf ihrer Haut unangenehm zu prickeln schienen, verstärkten sich, während der kleinen Ansprache noch. Ein paar Mal war Amanda beinahe versucht gewesen, ihre Finger zu kreuzen und ein wenig Glück herauf zu beschwören, damit ihm die Rudelmitglieder Glauben schenken mochten. Sie würde es nicht ertragen, bei ihnen zu leben und nichts anderes als schlechte Stimmung mit sich zu bringen.   Irgendwann gelang es Nataniel sich dünnzumachen, damit er endlich zu Amanda konnte. Sie war noch immer Abseits von allen anderen, was ihm nicht nur seelisch wehtat. Denn im Augenblick sah es so aus, als wäre sie das schwächste Mitglied des Rudels, auch wenn es einfach nur daran lag, dass die anderen sie hauptsächlich mieden. Dennoch sollte sie eigentlich eines der Stärksten sein. Sie war seine Gefährtin. Daran hatte weder er noch sein Rudel Zweifel. Zumindest wenn es nach der Symbolik ihrer beiden Gerüche ging. Das machte sie natürlich nicht automatisch zum Alphaweibchen, aber verdammt noch mal, sie hatte ihn gerettet. Mehrmals sogar! Sie hatte sich diese Rolle also wirklich verdient und nicht erschlafen, wie bestimmt ein paar von seinen Rudelmitgliedern annehmen würden. Noch während er ihre Hand nahm und umschloss, verdrängte er alle weiteren Gedanken. Er wollte erst einmal dafür sorgen, dass sie etwas zu essen und zu trinken bekam, sich frisch machen konnte und auch einen Platz zum Schlafen fand. Selbstverständlich an der Stelle, wo auch er schlafen würde. In diesem Punkt würde er nicht mit sich streiten lassen.   Dem auf ihr lastenden Druck entsprechend aß sie wenig von dem kalten, gebratenen Fleisch, das Nataniel ihr mit einer Wasserflasche brachte. Eigentlich aß sie nur ihm zuliebe etwas, denn das Fleisch schien bei jedem Kauen nur mehr in ihrem Mund zu werden, statt weniger. Sie hatte auf ihre Finger gesehen, an denen dunkles Fett klebte, als sie eine bekannte Stimme hörte, die sich tatsächlich an sie richtete. „Schau doch nicht so eingeschüchtert, Amanda. Das passt gar nicht zu dir.“ „Palia!“ Amanda war aufgesprungen und hielt sich nicht zurück, sondern drückte die schlanke Frau an sich, als wären sie Freundinnen, die sich jahrelang nicht gesehen hatten. Die Pumadame hielt Amanda ein bisschen länger in den Armen und sah sie dann lächelnd an. Es tat so verdammt gut, zumindest von einem anderen Rudelmitglied als Nataniel nicht mit einem vernichtenden Blick gestraft zu werden. „Schön dich wieder zu haben. Euch beide.“ Palias Blick sagte mehr, als es ihre Worte je hätten tun können. Amanda fühlte die Röte in ihre Wangen steigen und grinste etwas schief zu Nataniel hinüber, der ebenfalls aufgestanden war. Palia begrüßte auch ihn mit einer Umarmung und setzte sich dann, um ein wenig zu plaudern. Da für sie anscheinend feststand, dass Amanda nun zu Nataniel gehörte, beinhaltete das auch, dass sie keine Geheimnisse voreinander hatten. Zumindest redete Palia drauf los, als wäre das die natürlichste Sache der Welt. „Die Anderen werden sich schon auch noch einkriegen. Keine Sorge. Sie sind nur etwas ... Na ja, wie soll ich sagen ... Sie hatten ein logisches Opfer für ihre Wut und Enttäuschung gefunden. Es war leicht dich und Eric zu beschuldigen. Egal ob es der Wahrheit entsprach oder nicht.“ Palias Worte, mit dieser honigweichen Stimme gesprochen, schienen Amanda wie eine beruhigende, kuschlige Wolke einzuhüllen. Sie wollte ihr nur zu gern glauben, dass sie von den Anderen wieder akzeptiert werden konnte. Vielleicht nicht gemocht, aber zumindest nicht mehr gehasst. Je mehr sie redeten, desto entspannter fühlte sich Amanda. Es wurde später und die Themen wurden weniger ernst, was sogar dafür sorgte, dass Amanda ein- oder zweimal lachte. Für ein paar Momente konnten sie alle scheinbar vergessen, in welcher Situation sie steckten und dafür war Amanda unendlich dankbar. Als der Mond schon hoch am Himmel stand und nur noch die Nachtwachen ab und zu an den Höhlen vorbei liefen, verabschiedete sich Palia mit einem weiteren wunderschönen Lächeln. Amanda umarmte die Frau diesmal, um zu verhindern, dass Nataniel alles mitbekam, was sie flüsternd zu ihr sagte. Es war mehr als ein einfaches 'Danke', aber es schien Amanda trotzdem nicht genug. Sie fühlte sich wieder aufgebaut und konnte sich wieder auf Anderes konzentrieren, als die Furcht, vom Rudel nicht akzeptiert zu werden. Natürlich hieß das nicht, dass sie erwartete, dass Morgen nach dem Aufstehen alles gut war, aber es würde besser werden. Schritt für Schritt und das reichte fürs Erste. Gähnend setzte sie sich wieder und wagte das erste Mal, seit sie das Lager erreicht hatten, von selbst Körperkontakt mit Nataniel herzustellen. Es war sowieso niemand hier, der sie deswegen verurteilen konnte. Sie lehnte sich an ihn und küsste seine Wange, bevor sie ihm die schwarzen Haare etwas aus den Augen schob. „Wie ist es? Wollen wir schlafen gehen?“   Palia war ein Geschenk des Himmels. Nicht nur, dass er sich in ihrer Nähe gleich viel entspannter fühlte, da für ihn feststand, dass sie ihm eine große Stütze bei der Führung des Rudels war. Sie war sozusagen eine gute Beraterin und zugleich auch in der Lage zu handeln. Immerhin war es ihr zu verdanken, dass es alle sicher zu den Höhlen geschafft hatten. Wem sonst hätte er diese Aufgabe auftragen können? Natürlich hatte er sich trotzdem Sorgen gemacht, aber eben ein bisschen weniger, weil er wusste, er konnte sich auf sie verlassen. Genauso wie er sich auf sie verlassen konnte, dass sie Amanda als weibliche Verstärkung beistand. Frauen unter sich war ein Thema, bei dem er nicht mitreden konnte. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass ihm die besonderen Gaben dieser Wesen aufgefallen wären. Nataniel fand es schön, Amanda trotz allem wieder lachen zu sehen. Es war zwar nicht so viel, wie er gerne gehabt hätte, aber immer noch mehr, als zu erwarten gewesen wäre. Außerdem war er sich sicher, dass er selbst es nicht geschafft hätte, sie dazu zu bewegen. Als sie dann endlich alleine waren, sie sich an ihn lehnte und ihm einen Kuss auf die Wange gab, schloss er müde seinen Arm um sie. Es war nicht so sehr das Wandern, das ihn angestrengt hatte und schon gar nicht der Sex dazwischen, sondern die Anspannung, das Wiedersehen und die drückende Last der Tage, die noch vor ihnen lagen. Nach seinem Gefühl nach hätte er lieber die nächsten Tage geschlafen und sich erholt, aber wenn die guten Zeiten kommen sollten, dann würde er das alles nachholen können. Zusammen mit Amanda. „Mhmm“, bestätigte er halb schnurrend und stand mit ihr zusammen auf. Bei den vielen Gesprächen, die er heute noch geführt hatte, war es ihm auch gelungen, einen Platz zum Schlafen zu organisieren. Er lag ganz hinten in den Höhlen, wo es am Sichersten war und er seinen Schlaf ruhig vertiefen konnte, anstatt sich dem leichten Schlaf einer Katze hinzugeben. Licht hatten sie keines, weshalb er Amanda schließlich kurzerhand einfach auf seine Arme nahm, egal was sie dazu sagte. Sie musste sich heute nicht auch noch den Fuß verstauchen oder gegen irgendeinen herabhängenden Felsen laufen, den sie im Dunklen nicht gesehen hatte. Für ihn selbst reichte das Licht gerade noch so aus, die Umrisse zu erkennen, zu mehr aber auch nicht mehr. Trotzdem ließ er sich ganz einfach von dem Duft von trockenem Heu, ein paar Wildblumen und Kräutern leiten. Natürlich hatten sie hier keine Betten, aber als Nataniel Amanda auf das weich ausgelegte Lager legte, war klar, dass das auch nicht nötig war. Es war wunderbar gemütlich und noch dazu hundert Prozent Natur pur. Der einzige Luxus darin war eine dünne Baumwolldecke, die zusammen mit seiner eigenen Körperwärme dazu ausreichen würde, Amanda warmzuhalten. „Fass das nicht falsch auf“, begann er leise flüsternd, während er sich das Shirt auszog und den Knopf seiner Jeans öffnete. „Aber ich schlafe grundsätzlich nackt.“ Als würde er auch nur einen Gedanken daran verschwenden, sich hier so dicht an hellhörigen Ohren an Amanda heranzuschmeißen. Er war vielleicht zur Hälfte Tier, aber sicher nicht die Sorte, der es nichts ausmachte, wenn man ihnen beim 'Begatten' zusah oder sie hörte.   Es war wirklich stockfinster und Amanda hätte niemals wieder aus der Höhle hinausgefunden, wenn Nataniel sich dazu entschlossen hätte, sie allein zu lassen. Selbst wenn am Morgen ein wenig Licht hineinfiel, war Amanda sich nicht sicher, dass es bis zu ihrem Schlafplatz reichen würde. Noch dazu konnte sie gar nicht sagen, wo die Anderen alle waren. Ab und zu hatte sie Geräusche wie leises Schnarchen, Schnurren oder einfach nur sanfte Bewegungen gehört, während sie immer tiefer in die Höhle eingedrungen waren. Das Rudel schien sich über die Felsen verteilt zu haben und schlief wohl in kleinen Nischen und Ritzen, die im Inneren vorhanden waren. Zumindest hörte es sich nicht so an, als wären sie in einem großen Hohlraum. Amanda streckte im Liegen ihren Arm über ihrem Kopf aus und konnte die Wand berühren. Nataniel würde sich ein wenig zusammenrollen müssen, um es bequem zu haben. Bestimmt hatte derjenige, der das Lager für ihn ausgesucht hatte, angenommen, dass er als Raubkatze hier sein Haupt niederlegen würde. Aber selbst zu zweit war eigentlich genug Platz, solange man sich ein wenig aneinander kuschelte. Und nichts Anderes hatte Amanda sicherlich vor. Sie hätte wahrscheinlich erst mitbekommen, dass Nataniel sich seiner Kleidung entledigte, wenn sie seine nackte Haut an ihrer gespürt hätte. So war sie vorgewarnt und zog sich selbst unter der dünnen Decke vor allen eventuellen Blicken, die durch das Dunkel reichen konnten, bis auf den Slip aus. Darauf wieder in ihren Klamotten zu schlafen, hatte sie keine Lust und Nataniel würde sich bestimmt ausreichend wärmen. Als sie ihn neben sich spürte, schmiegte sie sich nah an seinen Körper und ertastete mit den Fingerspitzen sein Gesicht. Sie kam sich wirklich vor, als wäre sie blind. Ihr Daumen fuhr vorsichtig über Nataniels Lippen, bevor sie ihm einen Gutenachtkuss gab und die Augen schloss. Die fremde Umgebung und alles, was an diesem Tag geschehen war, schien auf einmal auf sie einzustürzen und sie merkte erst, als das Schnurren neben ihr in sehr menschliches aber leises Schnarchen überging, dass Nataniel vor ihr eingeschlafen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)