Shadows of the NewMoon von Darklover ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Seine Muskeln waren gespannt wie die Sehne eines Bogens. Seine Nachtsicht war perfekt. Wodurch seine Augen zuverlässig sein Ziel anfokussieren konnten, obwohl kaum Licht durch das Blätterdach des Waldes drang. Noch dazu war der Mond nur noch eine schmale Sichel am sternenübersäten Nachthimmel. Die perfekte Tarnung für ihn. Seine Ohren zuckten lautlos wie kleine Satellitenschüsseln hin und her, um jedes noch so unscheinbare Geräusch empfangen zu können. Eine kleine Maus flitzte einige Meter weiter in Sicherheit. Dazwischen waren das Rascheln von Blättern, das Knacken von kleinen Ästen und der Ruf einer Eule zu hören. Doch worauf er sich vor allem konzentrierte, war das Atmen eines großen Säugetiers direkt vor ihm im Unterholz. Leises Schnauben. Vorsichtige Tritte auf weichem Waldboden, doch selbst das Knacken der kleinen getrockneten Nadeln blieb seinem Gehör nicht verborgen. Würde er dicht genug herankommen, könnte er sogar das Pochen des Herzens seiner Beute hören. Vorsichtig, lautlos und geübt schob er sich ein Stück näher, während er Witterung aufnahm und die Windrichtung prüfte. Er konnte den Geruch des Waldes schmecken. Regen lag in der Luft, würde aber noch auf sich warten lassen. Doch am Intensivsten konnte er den scharfen, fast schon stechenden Geruch des Hirsches wittern. Das taufeuchte Fell und die warme Haut darunter verstärkten diese ganz spezielle Duftnote nur noch. Seine Schwanzspitze zuckte vor Spannung und Vorfreude dicht am Boden leicht hin und her, während er seine Hinterpfoten noch etwas tiefer in die feuchte Walderde presste, um besseren Halt zu finden. Sein eigenes Herz schlug wild in seiner Brust, doch sein Atem war vollkommen ruhig, als er lautlos wie ein Schatten zum Sprung ansetzte. Vergessen waren die Gedanken, die ihn heute Nacht hier herausgetrieben hatten. Selbst die Sorgen fielen wie eine zweite Haut von ihm ab, als er geschmeidig aus dem Unterholz brach und die Jagd eröffnete. Die Reflexe des Hirschs waren schnell und sein Instinkt ausgezeichnet, als er weit ausholend in die Dunkelheit flüchtete. Doch die Seinen waren besser. Immer das Ziel vor Augen sprang er über umgestürzte Baumstämme, fegte durch Farn hindurch, holte zu immer größeren Sprüngen aus, während er sich pfeilschnell und zielsicher immer weiter seiner Beute näherte. Als er nur noch eine Körperlänge von seinem panischen Ziel entfernt war, schienen seine Augen mit einem Mal zu explodieren, als ihn plötzlich ein grelles Licht von der Seite her beleuchtete. Wie glühend heiße Nadelstiche bohrte sich der Schmerz in seine Augäpfel und zwang ihn dazu, von seiner Beute abzulassen, als er seine Lider fest aufeinanderpresste. Ein ohrenbetäubendes Quietschen schien seinen Kopf endgültig spalten zu wollen, während sein Trommelfell regelrecht protestierte. Dann kam der Aufprall. Sein Kopf schlug so heftig gegen eine Wand aus zersplitterndem Glas, dass sein ganzer Körper zur Seite geschleudert wurde und der Schmerz nun vollends in ihm explodierte, ehe er im feuchten Morast des aufgeweichten Straßenbanketts bewusstlos liegenblieb.    *** Bereits in dem Augenblick, als ihr klappriger, schlammgrüner Dodge vor dem Café zum Stehen gekommen war und Amanda ihre Beine aus dem Gefährt schwang, hatte sie die Blicke auf sich gespürt. Selbst der Straßenkehrer, der aus dem letzten Jahrhundert zu stammen schien, hatte seine Arbeit unterbrochen und machte keinen Hehl daraus, dass die Touristin interessanter war, als der Bürgersteig. In diesem Kaff fiel jeder auf, der nicht hier geboren war. Wahrscheinlich können sie die Stadt schon seit Kilometern an mir riechen, dachte Amanda zähneknirschend und steckte sich eine gelockte Haarsträhne hinters Ohr, die ihr aber fast augenblicklich wieder ins Gesicht fiel. Sie hasste solche eingeschworenen Gemeinschaften, wo sich jeder kannte, man keinen Schritt tun konnte, ohne dass es sofort jeder wusste und auch noch ungefragt seinen Senf dazugab. Sie hatte es schon damals gehasst und jetzt machte es sie vor allem eines – aggressiv. Clea hatte versucht ihr gut zuzureden und ihr gesagt, dass es in diesem Fall sogar von Vorteil sein konnte. Die Dörfler hatten Eric gekannt und würden sich bestimmt an sein Verschwinden erinnern. Irgendeiner musste was gesehen haben und Amanda würde rauskriegen, was mit ihrem kleinen Bruder passiert war. Wenn sie sich dafür mit diesen Waldschraten auseinandersetzen musste, dann würde sie das auch überstehen. Auf jeden Fall würde sie bekommen, weshalb sie diese Reise auf sich genommen hatte. So wie immer. Inzwischen saß sie an einem Tisch direkt am Fenster, von welchem aus sie nicht nur die Straße, sondern auch die Eingangstür unauffällig beobachten konnte. Das junge Pärchen, das hier bediente, war mehr damit beschäftigt, kichernd hinter der Bar zu stehen und sich verliebte Blicke zuzuwerfen, als ihren Job zu tun. Aber Amanda war sowieso nicht besonders hungrig. Der Kaffee vor ihr war mehr als genug. Wahrscheinlich das einzig Gute an dieser Inzestsiedlung, aber das mit dem Kaffee hatten sie drauf, das musste sie zugeben. Auf dem PDA flackerte endlich die Karte der Umgebung ins Leben und zeigte nach einem kleinen Druck ihres Zeigefingers eine Liste der Gestaltwandler in dieser Gegend an. Canidae und einmal Felidae, na prima. In dieser Wildnis waren also tatsächlich nur hunde- und katzenartige Wandler unterwegs? Das war kaum zu glauben. Hatte die Registrierungsstelle etwa geschlampt? Wieder schob sie sich die störrische Haarsträhne aus dem Gesicht und verglich das kleine Foto auf ihrem Bildschirm mit dem pickeligen Antlitz des Kochs. Als er einen Bestellzettel von dem Karussell über der Durchreiche nahm, konnte Amanda das Tattoo sehen. Es musste ein kleines C45 sein, auch wenn sie das auf die Distanz nicht erkennen konnte. Ihr PDA zeigte seine Registrierungsnummer, die jeder Gestaltwandler trug, der bei der Organisation eingetragen war. Aber nicht nur die Beobachteten konnten ihre Natur nicht verbergen, auch die Mitglieder waren auf diese durchaus erniedrigende Art mit der Organisation verbunden. Immerhin hatten einige Sammler auch ein spezielles 'Talent', das sie für normale Menschen gefährlich machen konnte. Eric war keiner von jenen. Er war nur ein Kerl, der sich nach dem Vorbild seiner großen Schwester der Kontrolle der Gestaltwandler verschrieben hatte. Sie beide wussten, dass mehr dahintersteckte, als die Menschheit vor etwas zu beschützen, von dem sie noch nicht einmal etwas wusste. Ein Eisenring schien sich um Amandas Herz zu legen und sich immer enger zu ziehen, als sie an Eric dachte. Um sich von den Schmerzen abzulenken, die nicht nur direkt mit seinem Verschwinden zu tun hatten, sah sie wieder auf ihren PDA. Gerade brachte das Mädchen, das sich kurz von ihrem Freund gelöst hatte, Amanda ihren Salat mit den Putenstreifen. Das Gericht besiegelte das Schicksal des Kochs. Sie würde ihn sich noch heute vornehmen. Und selbst wenn er nichts mit Erics Verschwinden zu tun hatte, würde er schon allein für das Leiden dieses armen, trockenen Geflügels zahlen müssen. „Hey Jamie!“ Ein weiterer Teenager hatte das Café betreten und kündigte lautstark seine Anwesenheit an, bevor er zu dem Pärchen hinüberschlenderte. „Ey, wisst ihr, was sie letzte Nacht auf der Straße beim Nationalpark angefahren haben?“ Er hatte wohl die Aufmerksamkeit seiner Klassenkameraden sowie der anderen beiden Gäste des Cafés. Amanda versuchte seine nervtötende Stimme so gut wie möglich auszublenden, was sich schwieriger gestaltete, als angenommen. Als sie allerdings die Worte 'schwarzer Panther' hörte, horchte sie wieder auf, kaute aber unauffällig weiter an einem zähen Putenstreifen herum. „Ja, der ist total geil. Richtig groß und mit riesigen Krallen und Zähnen. Bloß die blauen Augen sehen ein bisschen bescheuert aus“, sagte der Teenie mit einer coolen Geste und einem Grinsen, das seine Zahnspange blitzen ließ. „Dr. Malone hat ihn zusammengeflickt.“ Blaue Augen an einer schwarzen Raubkatze? „Oh, bitte nicht.“ Amanda stöhnte leise auf. Auch ohne auf den PDA zu sehen, wusste sie, dass es sich bei der Raubkatze nur um denjenigen handeln konnte, den sie sich nach dem Koch hatte zur Brust nehmen wollen. Sie hatte es nicht nur mit einem Felidae zu tun, nein, sie musste auch noch an einen Vollidioten geraten, der sich mitten im Niemandsland von einem Auto anfahren ließ. Bald war er sicher die Hauptattraktion dieses gesamten Kaffs. Geschah ihm recht, wenn die Kinder ihn mit Stöcken stupsten, um ihn ein bisschen knurren zu sehen. Das wäre nichts gegen das, was Amanda mit ihm tun würde, wenn er auch nur das Geringste mit Erics Verschwinden zu tun hatte.    *** „Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?“ Die Frau mit den schwarzen Haaren und dem weißen Kittel sah Amanda freundlich an und steckte eine Akte in einen der Metallschränke an der Wand. „Tag.“ Amanda zwang sich zu einem ebenfalls freundlichen Lächeln. Wenn sie ihrer eigentlichen Stimmung nachgab, würde sie hier nicht weit kommen. „Ich bin gerade erst angekommen und habe im Café gehört, dass Sie einen Panther gefunden haben.“ „Er ist eigentlich ein schwarzer Jaguar.“ Das Lächeln der Ärztin wurde breiter. Am liebsten hätte Amanda es ihr aus dem Gesicht gewischt. „Oh, natürlich. Ich weiß, es ist eine etwas seltsame Frage, aber …“ Amanda blickte interessiert und immer noch freundlich drein, als sie weitersprach. „Ich bin Journalistin und im Auftrag der Gesellschaft zur Erhaltung der Nationalparks unterwegs. Ich schreibe an einem Bericht über die Vielfalt der Flora und Fauna und warum sie uns erhalten bleiben müssen. Deshalb …“ Sie senkte sogar ein wenig die Wimpern, was ihr bei einer weiblichen Ärztin vielleicht nichts half, aber sie zumindest harmlos erscheinen ließ. „Dürfte ich ihn vielleicht sehen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)