The demon inside me von Urahara-san ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Stille lag über dem Coryu-Tal. Kein Hauch regte sich, nicht einmal Vogelgezwitscher war zu hören. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne streiften über das Land und tauchten das Tal in rötliches Licht. In dem kleinen Dorf, das, geschützt von den Bergen, am Ende des Tals lag, wäre jetzt eigentlich, wie jeden Abend, die Abendglocke geläutet worden, was als Zeichen für alle Einwohner galt, sich in die schützenden Stadtmauern zurückzuziehen. Doch sahen die Sonnenstrahlen heute nicht die Gesichter der Dorfbewohner, die sich rasch in ihre Häuser zurückzogen, um zu Abend zu essen. Stattdessen beleuchteten sie eine schreckliche Szene: Das gesamte Dorf lag in Trümmern, in einigen Häusern brannte es. Sämtliche Einwohner lagen tot zwischen den Ruinen, auch Frauen und Kinder, manche auf grausamste Art und Weise verstümmelt. Die einzige Ausnahme war ein kleiner weißhaariger Junge, der langsam durch die Straßen wankte. Tränen standen in seinen goldgelben Augen, als er sich umblickte. Er näherte sich einem Haus, bis er schließlich dort ankam, wo früher einmal die Haustür gewesen sein musste. „Mami?“, flüsterte er mit leiser Stimme, während er langsam durch die Trümmer ging. „Mami!“ Seine Rufe wurden immer lauter. „Mami!“ Als er die ehemalige Küche erreichte, blieb er jedoch ruckartig stehen und starrte durch einen Schleier aus Tränen hinein. „MAMI!“ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Es regnete. Dicke Tropfen fielen vom Himmel, trieben die Menschen des kleinen Dorfes in ihre Häuser, prasselten aufs Pflaster und durchnässten meine Kleider. Ich hasste Regen. Er spiegelte meine Stimmung wider, wie große Tränen liefen die Tropfen über mein Gesicht und der wolkenverhangene Himmel hätte genauso gut meine Seele sein können, so kalt und grau war er. Ich blickte zu ihm hoch und fluchte. Nachdem ich aus dem Gasthof geworfen worden war, hatte ich mich in einer engen Gasse zwischen zwei Häusern untergestellt, doch der Regen prasselte weiterhin unaufhörlich auf mich herab. Wenn ich nicht bald eine trockene Bleibe finden würde, würde ich mir hier draußen noch den Tod holen. Langsam verließ ich die Gasse und lief die Hauptstraße entlang, auf der Suche nach irgendeinem halbwegs trockenen Fleckchen Erde. Wie zu erwarten war fand ich keines, und als ich schließlich am Stadttor ankam, fasste ich den Beschluss, mich in einem nahe gelegenen Wald unterzustellen. Nach wenigen Minuten erreichte ich den Rand des Waldes und wider Erwarten war es hier sogar trocken. Ich klaubte etwas trockenes Holz zusammen und ließ mich schließlich zwischen den Wurzeln einer großen Eiche nieder, wo ich ein kleines Feuer entfachte. Ich legte meine Klamotten zum Trocknen hin und streckte mich. Es war ein wenig einsam hier, so allein in der Wildnis, aber so war es schon immer gewesen. Niemand wollte mehr etwas mit mir zu tun haben, sobald sie erfuhren, wer ich war. In den Städten wurde schon Stunden vorher meine Ankunft verkündet, sodass sich, bis auf ein paar wenige, alle Menschen in ihren Häusern einschlossen und die Gasthäuser und Läden zu machten. Aber wenigstens musste ich dann das Getuschel der Leute hinter meinem Rücken nicht ertragen. Ich rutschte etwas am Stamm der Eiche herunter und seufzte. Wie viele Jahre ging das jetzt schon so? Ich hatte aufgehört zu zählen, zu viel war geschehen. Seit ich damals… nein, daran wollte ich jetzt nicht denken! Ein Knacken riss mich aus meinen Grübeleien. Irgendetwas bewegte sich im Gebüsch. Ich richtete mich auf und lauschte, doch ich konnte keine weiteren Geräusche ausmachen. Misstrauisch lehnte ich mich wieder zurück, behielt dabei aber die Umgebung im Auge. Da, schon wieder. Irgendwo schlich jemand in den Büschen herum. Ich griff unauffällig nach meinem pechschwarzen Katana. Im nächsten Moment sprang eine Gestalt mit gezogenem Schwert auf mich zu. Ich riss mein Katana hoch und parierte den Angriff. Das Klingen von Metall schallte durch den Wald, Funken stoben. Der Hieb war so stark gewesen, dass er mich fast aus dem Gleichgewicht brachte. Ich ging einen Schritt zurück und schon folgte der nächste Angriff meines Gegners, den ich wiederum parierte. Diesmal war ich jedoch auf die Härte des Schlags gefasst. Mit einer schnellen Bewegung ging ich in die Knie, drehte meine Klinge etwas und schlug mit der flachen Seite von unten gegen die Hand des Angreifers. Er ließ sein Schwert los und es fiel klirrend zu Boden, während ich ihm die Spitze meines Katanas an die Kehle hielt. Erst jetzt bemerkte ich, wer da vor mir stand. Ich hatte mit einem Mann gerechnet, ein Söldner vielleicht, der den Auftrag bekommen hatte, mich zu töten. Doch ich blickte in die Augen eines hübschen jungen Mädchens, kaum älter als ich, das sich die schmerzende Hand hielt und nun etwas zurückwich. Sie hatte blonde Haare, die ihr locker auf die Schultern fielen. Sie war etwa einen Kopf kleiner als ich und trug ein dunkelblaues Oberteil mit goldenen Stickereien an den Ärmelsäumen, das ihre weiblichen Rundungen sehr gut zur Geltung brachte. An ihren Handgelenken klimperten ein paar Armreife. Außerdem bemerkte ich einige Messer, die sie in den Gürtel ihrer Hose gesteckt hatte. Alles in allem machte sie auf mich nicht den Eindruck, als ob sie zum ersten Mal nachts alleine unterwegs war. Ich blickte ihr in die Augen – und stockte kurz. Sie waren so hellblau, wie der morgendliche Himmel und in ihnen brannte ein Feuer, ein Feuer der Leidenschaft und des Mutes, das mich anzog, wie das Licht die Motten. Ich musste mich sehr zusammenreißen um nicht in ihnen zu versinken und den Blick abzuwenden. So was war mir ja noch nie passiert. Ich ließ mein Schwert sinken. „Was willst du?“, fragte ich misstrauisch. Gleichzeitig merkte ich, wie das Mädchen nach ihrem Schwert schielte. „Versuchs gar nicht erst“, sagte ich und kickte es weg. „Also, was willst du von mir?“ Sie wich noch ein wenig von mir zurück. „Ich… wurde überfallen“, begann sie. „Ich habe den Räuber bis hierher verfolgt, aber mich dann im Wald verlaufen. Da habe ich das Feuer gesehen und…“ „Und du dachtest, ich wäre der Räuber“, beendete ich den Satz für sie. „Den Räuber siehst du nie wieder. Ich kenne diesen Trick. Sie locken dich in einen Wald und verschwinden dann, während du verzweifelt den Ausgang suchst.“ Ich setzte mich wieder ans Feuer. „Du tust ja gerade so, als würden nur Idioten auf diesen Trick hereinfallen“, sagte sie aufgebracht. „Das liegt daran, dass ich selbst oft darauf reingefallen bin. Mittlerweile traut sich das allerdings niemand mehr.“ Ich seufzte. Nach einer Weile, in der keiner von uns beiden ein Wort gesagt hatte, fragte sie: „Darf… darf ich mich zu dir setzen?“ „Hm“, machte ich nur. Sie trat näher und setzte sich neben mich ans Feuer. „Wie heißt du?“ „Cecil.“ Gespannt wartete ich auf ihre Reaktion. Die meisten hätten beim Klang meines Namens sofort das Weite gesucht. Das Mädchen jedoch – und das überraschte mich – blieb ruhig sitzen und lächelte. „Das ist ein schöner Name“, sagte sie. „ich heiße Risa.“ Ich ließ mir mein Erstaunen nicht anmerken, machte nur erneut „Hm“ und starrte ins Feuer. Ein paar Minuten schwiegen wir wieder. Schließlich sagte Risa leise: „Ich weiß wer du bist. Alle haben Angst vor dir. Sie nennen dich ‚Cecil den Dämon’.“ Ich musste grinsen. Ich war wirklich lange nicht mehr unter Menschen gewesen, nicht einmal meinen Spitznamen kannte ich. Langsam drehte ich mich zu Risa. „Und warum läufst du dann nicht weg, wie all die anderen auch?“ „Weil ich es nicht verstehe. Ich begreife nicht, warum alle vor dir Angst haben.“ Diesmal gelang es mir nicht, meine Überraschung zu verstecken. Mit großen Augen starrte ich sie an. War sie wirklich so naiv? Risa wurde rot und wandte sich ab. „Habe ich was falsches gesagt?“, fragte sie. „Nein, eher im Gegenteil“, antwortete ich. „Aber ich bin eigentlich froh darüber, dann bin ich wenigstens mal nicht ganz so allein.“ Ich konnte Risas Gesichtsausdruck nicht deuten, doch sie sagte nichts und wandte sich dem Feuer zu. Eine Weile war es wieder Still. Als ich mich ihr nach einiger Zeit wieder zuwandte, war sie eingeschlafen. Ich lächelte. Sie sah wirklich süß aus, wie sie so dalag. Leise nahm ich meinen Umhang und deckte sie damit zu. Danach lehnte ich mich wieder an die Eiche. Wie gerne würde ich mich jetzt auch hinlegen und einschlafen. Einfach die Augen schließen und mich meinen Träumen hingeben. Es war so einfach, doch ich konnte, ich durfte es nicht tun. Die Gefahr, IHN zu wecken war einfach zu groß. Ich durfte dieses Risiko nicht eingehen. Trotzdem schloss ich die Augen, nur um wenigstens ein wenig Ruhe vor der Welt zu haben, die mich nun schon so lange quälte. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Nach einigen Stunden schlug ich die Augen wieder auf. Das Feuer war bereits ausgegangen, nur schwach glühte es noch unter der Asche. Genüsslich streckte ich mich, stand dann auf und sah mich um. Es war noch dunkel, doch über den Bergen am Horizont erschien bereits ein leuchtender Streifen, der den Beginn des nächsten Tages ankündigte. Ich entfernte mich einige Meter von der Lichtung, um mich zu erleichtern. Als ich zurückkam bemerkte ich Risa, die leise stöhnte und sich im Schlaf hin und her warf. Ihre geschlossenen Lider zuckten und sie war schweißgebadet. Sie schien einen Alptraum zu haben. Leise näherte ich mich ihr und kniete mich neben sie. Ich holte mein Taschentuch hervor, und wollte ihr damit gerade den Schweiß vom Gesicht wischen, als sie mit einem spitzen Schrei aufschreckte. „Pass auf hinter dir!“ „Was ist hinter mir?“, fragte ich grinsend. Sie fuhr herum und schaute mich an. Langsam schien sie zu begreifen, dass sie den Satz laut geschrien hatte, denn sie wurde leicht rot und nuschelte: „Nichts, es… es war nur ein Alptraum.“ Ich nickte nur kurz, ging dann zur Feuerstelle und sammelte meine Kleider wieder ein. Als ich mich gerade in mein Oberteil zwängte - es war mir etwas zu klein, aber ich konnte kein neues kaufen, weil die Läden ja immer zu machten, wenn ich kam – fragte Risa: „Wohin willst du eigentlich?“ „Nirgendwohin. Ich ziehe jetzt seit sechs Jahren quer durch das Land, ohne eine Ahnung zu haben, wo ich eigentlich hin will. Irgendwie erbärmlich.“ Ich seufzte. „Aber… hast du denn kein Zuhause?“ Sie klang ein wenig geschockt. Ich schüttelte den Kopf. „Nein… mein Zuhause existiert nicht mehr, ebenso wenig wie meine Eltern.“ Ich spürte, wie etwas Heißes in mir aufstieg und sich einen Weg zu meinen Augen bahnte. „Sie wurden grausam ermordet. Ein Dämon hat mein Heimatdorf heimgesucht. Nur ich habe überlebt.“ Ich wollte weitersprechen, doch mir versagte die Stimme. Tränen liefen mir aus den Augen und tropften auf das Gras zu meinen Füßen. Ich blickte zu Risa hinüber. Sie hatte ihren Mund hinter ihren Händen verborgen und ihre Augen waren wie vor Schreck geweitet und auch in ihnen standen Tränen. „Das… das tut mir echt Leid für dich“, sagte sie leise und senkte den Kopf. „Danke, aber das muss es nicht“, erwiderte ich. „Ich habe gelernt, damit zu leben.“ Ich verfluchte mich innerlich, wischte mir die Tränen aus den Augen und drehte mich wieder zu ihr. „Nun ja, seitdem bin ich auf jeden Fall ständig unterwegs, bleibe nie lang an einem Ort. Und ich denke, dass es langsam Zeit wird, wieder aufzubrechen.“ Mit diesen Worten stand ich auf und sah Risa an. „Kommst du?“ Von meinem plötzlichen Stimmungsumschwung offenbar überrascht stand sie auf und stammelte „J-ja“ bevor sie sich ebenfalls erhob. Wir zerstreuten die Asche und die restliche Glut und verließen dann den Wald Richtung Westen. Den ganzen Tag wanderten wir quer über Felder und Hügel, die meiste Zeit schweigend, bis wir schließlich am späten Nachmittag Rauch am Horizont aufsteigen sahen. Ich blieb stehen, meinen Blick noch immer auf den Rauch gerichtet, bis Risa sich umdrehte. „Was ist?“ „Ich bin in Städten und Dörfern nicht gern gesehen“, sagte ich. „Warum?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nicht so wichtig.“ Risa sah nicht sehr zufrieden aus mit dieser Antwort und wollte schon weiter nachfragen, doch ich schnitt ihr das Wort ab. „Tust du mir einen Gefallen?“ „Welchen denn?“, fragte sie und verschränkte die Arme. Ich löste die Schnur meines Geldbeutels von meinem Gürtel und warf ihr den Beutel zu. „Hier! Kauf von dem Geld was zu Essen und Pferde. Mein letztes ist mir leider weggelaufen. Ach ja, und falls noch was übrig bleibt, könntest du vielleicht mal beim Schneider vorbeischauen. Ich bräuchte mal neue Klamotten.“ Risa blickte mich skeptisch an. „Ich weiß doch gar nicht was dir gefällt. Deine Größe weiß ich auch nicht, wie soll das dann was werden?“ Ich lächelte. „Keine Angst, das schaffst du schon. Ich vertraue dir.“ Noch immer unsicher sagte sie schließlich: „Also gut, ich mach’s. Ich werde allerdings wohl erst in ein paar Stunden wiederkommen.“ Damit wandte sie sich um und ging in Richtung des Rauches. Ich setzte mich ins hohe Gras, lehnte mich zurück und blickte zum Himmel hoch. Die Sonne ging gerade unter und tauchte ihn in ein tiefes Magenta, durchzogen von lilafarbenen Wolken. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte auch dort oben sein, fliegen, wohin ich wollte. Die Erde unter mir und den blauen Himmel über mir. Niemand könnte mir dorthin folgen, ich wäre endlich frei, frei von all den Vorurteilen gegen mich, frei von jeglichem Hass anderer Menschen, frei von IHM. Doch wie schön solche Träume waren, so unerreichbar waren sie auch für mich. Die Menschen würden wohl nie aufhören mich zu hassen und IHN würde ich wohl erst recht nicht loswerden. Das war mein Schicksal und ich war dazu verdammt, es zu Leben. Ich hatte nicht gemerkt, dass es bereits dunkel geworden war, und erst als ich dumpfes Hufgetrappel hörte, tauchte ich aus meinen Träumen wieder auf und sah mich nach dem Urheber des Geräusches um. Kurz darauf hielten zwei Pferde nicht weit von mir entfernt und Risa sprang von einem von ihnen elegant herunter und landete neben mir im Gras. „Na, hast du alles gekriegt?“, fragte ich und gähnte. „Ja“, erwiderte sie nur knapp und kramte in den Satteltaschen ihres Pferdes. „Es war allerdings ziemlich treuer.“ Sie warf mir meinen Geldbeutel zu. Ich fing ihn auf und öffnete ihn. Mein Herz setzte kurz aus. „Da waren 500 Cin drinnen und jetzt sind es nur noch 200“, rief ich fassungslos. „Ich habe doch gesagt, es war ziemlich teuer“, sagte Risa ungerührt und wühlte weiter in der Satteltasche. Dann gab sie mir ein Bündel Kleider. „Ich hoffe, sie passen dir:“ Ich legte das Bündel vor mich auf den Boden und sah es durch. Risa hatte ein paar Hosen in schwarz und braun gekauft und auch die Oberteile waren eher in dunkleren Farben gehalten. Bis auf eines. Ich zog es hervor und hielt es vor mich. Es war hellblau. „Du erwartest nicht wirklich, dass ich das trage, oder?“, fragte ich sie mit einem angewidertem Blick auf das Oberteil. „Ich hasse hellblau.“ „Wie soll ich das wissen, wenn du es mir nicht sagst?", giftete sie mich an. „Denkst du ich kann hellsehen, oder so etwas?“ „Hmpf!“ Risa verdrehte die Augen und setzte sich neben mich. „Hier gibt es ja nicht mal Holz, mit dem wir ein Feuer machen könnten“, meckerte sie, während sie sich umsah. „Was machen wir…“ Sie stockte, das Gesicht erschrocken auf den Horizont gerichtet. Ich folgte ihrem Blick und erkannte sofort, was sie so beunruhigte. Zehn Reiter preschten in vollem Galopp auf uns zu. Sie wirkten nicht sehr freundlich und die gezogenen Schwerter bestätigten meine Vermutung: Diese Reiter kamen nicht, um uns zu einem Kaffeekränzchen einzuladen. „Wollen die zu uns?“, fragte Risa ängstlich. „Ja“, erwiderte ich knapp. „Warum? Was haben wir denn getan?“ „Wir haben gar nichts getan. Die sind nur wegen mir hier“, sagte ich leise und stellte mich vor sie. Wenn sie uns angriffen, sollte wenigstens Risa ungeschoren davonkommen. „Wegen dir?“ Ihre Stimme zitterte nun etwas. „Wieso?“ „Das erkläre ich dir, wenn wir das hier lebend überstehen.“ Die Reiter waren mittlerweile ziemlich nahe herangekommen. Sie hielten an und stiegen von den Pferden, die Schwerter noch immer Kampfbereit. Dann kamen sie auf uns zu. Ich entschied mich dazu, mich zurückzuhalten und senkte mein Schwert. Vielleicht ließen sie uns dann am Leben. „Wer seid ihr?“, rief ich den Kriegern zu. „Das wird für dich bald keine Rolle mehr spielen“, sagte der Krieger, der mir am nächsten stand. „Wir werden dich für deine Taten bestrafen.“ Er gab ein Zeichen und stürmte auf mich zu. Die restlichen Krieger folgten. „Lauf!“, schrie ich Risa an, während mich der erste Schwerthieb traf, den ich allerdings parierte. Doch Risa bewegte sich keinen Schritt von der Stelle. Wie von Angst gelähmt, starrte sie nur auf das Kampfgetümmel, denn auch die übrigen Krieger waren nun zum Angriff übergegangen und schlugen wie besessen mit ihren Schwertern auf mich ein. Ich duckte mich unter den Hieben und parierte sie so gut es ging. Doch es war ein aussichtsloser Kampf, denn obwohl ich ein guter Schwertkämpfer war, sie waren einfach zu viele. Ich wurde schon müde, meine Paraden wurden immer langsamer und ich steckte die ersten Treffer ein. Ein Hieb erwischte mich an der Brust, ich keuchte auf, der Schmerz war schrecklich. Doch schon traf mich der nächste Hieb, diesmal im Rücken. Ich ging in die Knie, das Blut lief mir aus den Wunden, doch die Krieger hörten nicht auf, weiter auf mich einzuschlagen. Ich hatte es mittlerweile aufgegeben, die Schläge zu parieren, meine Kraft reichte nichtmal mehr, um mich auf den Beinen zu halten. Mein Atem ging langsamer, am Rande meines Blickfeldes würde es bereits schwarz. Das war es also gewesen, dachte ich, als ich die vermeintlich letzten Atemzüge tat. Nun war mein Leben also zu Ende. „Ich… rieche… Blut!“ Die Stimme erklang plötzlich, doch schien sie außer mir niemand gehört zu haben. Aber ich erkannte diese Stimme sofort. Ich hatte sie lange nicht mehr gehört und doch war sie mir so bekannt und verhasst, wie nur irgend möglich. Es war SEINE Stimme!! Die Stimme des Dämons, der seit meiner Geburt in mir wohnte. Des Dämons, der mein Heimatdorf zerstört und meine Eltern getötet hatte. Der Grund, weswegen ich gemieden und gehasst wurde, weswegen ich sechs Jahre durch das Land gezogen war, von tödlicher Einsamkeit gequält, verstoßen und verachtet. Seine Stimme erschallte nun in meinen Ohren und ließen einen unbändigen Hass in mir hochkochen. „Blut… Blut… BLUT!“ Mit einem mal begann sich ein schmerzhaftes Brennen in meinem ganzen Körper auszubreiten, als ob höllische Flammen mich verschlingen würden. Ich kannte dieses Gefühl. So fühlte es sich an, wenn der Dämon versuchte, meinen Körper zu übernehmen. Das Brennen wurde immer stärker, bis ich schließlich einfach die Augen schloss und mir wünschte zu sterben. Lieber tot sein, als diese höllischen Qualen noch länger ertragen zu müssen. Dann, schlagartig, hörte das Brennen auf, an seine Stelle trat eine etwas unangenehme, aber nicht schmerzhafte Wärme. Ich versuchte, mich zu bewegen, schaffte es aber nicht. Der Dämon hatte endgültig die Kontrolle über mich gewonnen. „Hehehe…“ Der Anführer der Krieger stockte plötzlich. Was war das für ein Geräusch? Zu spät bemerkte er, dass es das Lachen des Dämons war. Es steigerte sich immer mehr zu einem irren Gelächter. „Hahahaha, ihr Narren.“ Der Dämon griff nach meinem Schwert, und schlug blitzartig zu. Drei Krieger fielen tot ins Gras, enthauptet von seinem Schwerthieb. Mit einem Satz war der Dämon auf den Beinen, packte den nächsten Krieger und brach ihm mit der bloßen Hand das Genick. Die übrigen sechs hörten abrupt auf, auf ihn einzuschlagen und wichen mit schreckensverzerrten Gesichtern zurück. „Aah, es tut gut, sich wieder frei bewegen zu können. Ihr habt keine Ahnung, wie schrecklich es ist, in einer Seele gefangen zu sein.“ Er sah an sich herunter und grinste. Dann wandte er sich wieder den Kriegern zu. „Also, wer von euch möchte zuerst sterben?“, fragte er, während er die linke Hand hob. Er streckte den Zeigefinger aus und deutete auf die Krieger. „Du? Oder lieber du? Mir ist es egal, ich werde euch alle sowieso töten. Ich hatte so lange keinen Spaß mehr.“ Mit einem weiteren irren Gelächter deutete er auf einen großen, dürren Krieger. Ein schwarzer Energieball, durchzuckt von roten Blitzen bildete sich vor seinem Zeigefinger und schoss auf den Krieger zu, der vergeblich wegzulaufen versuchte. Der Ball traf ihn genau zwischen die Schulterblätter und explodierte. Während die übrigen Krieger noch wie gebannt auf die Explosion starrten, war der Dämon auch schon bei ihnen. Den ersten erstach er mit dem Schwert, den zweiten durchbohrte er mit der bloßen Hand und leckte sich danach das Blut von den Fingern. „Lecker…“ Mit einem weiteren Schwerthieb tötete er noch zwei der drei verbliebenen Krieger. Der letzte, der Anführer wie mir auffiel, ließ sein Schwert fallen und flüchtete, stolperte jedoch und fiel de Länge nach hin. Auf allen Vieren kriechend versuchte er, zu den Pferden zu kommen, doch der Dämon war schneller. Mit einem lauten Freudenschrei sprang er auf ihn drauf und schlug seine Zähne, die zu Reißzähnen mutiert waren, in den Hals des Kriegers. Der zuckte noch ein paar Mal und erschlaffte dann, während der Dämon sich über seine „Mahlzeit“ hermachte. Risa hatte das alles mit vor Angst geweiteten Augen beobachtet. Nun schien sie sich endlich gefasst zu haben, sie drehte sich um, sprang auf ihr Pferd und gab ihm die Sporen. „Wir wollen uns doch nicht etwa aus dem Staub machen?“ Der Dämon hatte sie bemerkt. Er sah von seiner „Beute“ auf und lachte. „Wie erbärmlich.“ Mit einem Satz war er bei ihr und schlug sie mit solcher Wucht vom Pferd, das sie nach dem Aufprall noch einige Meter über den Boden rollte, bevor sie keuchend liegen blieb. Blut lief aus einer Wunde an ihrer Schulter und färbte ihr Oberteil rot. Gemächlich ging der Dämon zu ihr und blickte auf sie herab. „Wohin so eilig?“, fragte er und kicherte. „Ich habe dir nicht erlaubt zu gehen.“ Risa rührte sich nicht, starrte ihn nur panisch an. Er hob mein Schwert. „Zu schade, aber ich werde dich jetz töten müssen!“ „Hör auf!“, brüllte ich da in ihm und wehrte mich so gut es ging gegen seine Kontrolle. Der Dämon stockte und ließ das Schwert fallen. „Nein!“, rief er, sank auf die Knie und hielt sich den Kopf. „Nein! Das kannst du nicht!“ „Verschwinde! Verschwinde aus meinem Körper!“ Ich verstärkte meine Bemühungen, ihn zu verdrängen, da ich merkte, dass seine Macht schwächer wurde. „Hau endlich AB!“ „NEEIIIN!!“ Der Schrei des Dämons war noch weit über die Felder zu hören Einen kurzen Moment lang geschah nichts. Dann merkte ich wie, das Brennen wieder einsetzte, jetzt allerdings umgekehrt. Es begann sehr stark und wurde immer schwächer. Als es schließlich ganz aufgehört hatte, öffnete ich erschöpft keuchend die Augen. Es hatte mich wieder viel Kraft gekostet, den Dämon zurückzudrängen. Ich wandte meinen Blick zu Risa. Sie starrte mich noch immer mit vor Angst verzerrtem Gesicht und geweiteten Augen an. „Jetzt weißt du, wer ich bin und warum alle vor mir Angst haben“, sagte ich mit gebrochener Stimme. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich fiel vornüber ins Gras. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Als ich erwachte stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Ich fühlte mich selbst durch meine geschlossenen Augen geblendet. Ich wollte sie nicht öffnen, nicht in die Welt um mich herum zurückkehren. Doch auch schlafen konnte ich nicht mehr, und so setzte ich mich auf und blickte mich um. Ich befand mich noch immer an derselben Stelle, an der ich in Ohnmacht gefallen war. Die Sonne stand im Zenit, also war es etwa Mittag. Ich hatte jedoch keine Ahnung, wie lange ich hier gelegen hatte. Langsam stand ich auf. Mir tat alles weh seit der Dämon meinen Körper übernommen hatte. Er war einfach nicht für dieses Wesen ausgerichtet. Dazu kamen auch noch die Wunden des Kampfes davor. Ich sah an mir herunter und stutzte. Da waren keine Wunden. Nichteinmal Narben. Keine Spur von irgendwelchen Verletzungen. Komisch. Hatte der Dämon etwa heilende Fähigkeiten? Etwas schwankend drehte ich mich um und suchte die Gegend ab. Keine Spur von Risa. Also wieder jemand, der vor mir Angst hatte. Wunderbar. Da hatte ich einmal geglaubt, jemanden gefunden zu haben, der nicht panisch vor mir weglief, und dann das. Musste dieser dämliche Dämon auch immer zu den blödesten Zeiten auftauchen. Mein Pferd war leider auch nicht mehr da. Es wäre auch sehr verwunderlich gewesen, wäre es noch hier gestanden. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu Fuß weiterzugehen. Natürlich wusste ich noch immer nicht, wohin, doch es war besser, von hier zu verschwinden, bevor irgendjemand vorbeikam und mich erkannte, oder die Leichen der Krieger fand. Also setzte ich mich noch immer etwas wackelig in Bewegung. Es war bereits später Abend, als ich im Schatten einer kleinen Baumgruppe stehen blieb. Ich war ziemlich weit gekommen, das Dorf war schon außer Sichtweite. Erschöpft ließ ich mich ins Gras fallen. Ich war ziemlich hungrig, doch leider war das Essen ja zusammen mit den Pferden verschwunden. Ich hatte zwar noch meinen Geldbeutel, aber hier war Meilenweit kein Dorf oder ähnliches zu sehen. Ganz abgesehen davon, dass ich mich in der Nähe des letzten und der umgebenden Dörfer wohl eh nicht mehr blicken lassen sollte. Sonst würde ich schneller am Galgen hängen, als der Dämon einen Menschen umbringen konnte. Schließlich legte ich mich hin und schloss die Augen. Schlafen durfte ich zwar nicht, aber ich musste mich einfach etwas entspannen. Meine Gedanken wirbelten umher wie verrückt, und ich kam nicht recht zur Ruhe. Deshalb bemerkte ich die Gestalt auch erst, als sie sich über mich beugte. Ich schreckte hoch, bereit mich zu verteidigen, und stieß mit solcher Wucht mit dem Kopf gegen den Anderen, dass ich sekundenlang Sterne sah. Als sich mein Blick wieder einigermaßen geklärt hatte, blickte ich zu der Gestalt auf, während ich mir mit der Hand den schmerzenden Kopf hielt. „Was denkt ihr euch dabei…“, schimpfte ich wütend, doch meine Wut verflog sofort, als ich bemerkte, wem ich da in die Augen sah. Vor mir, die Nase mit beiden Händen bedeckt, stand… Risa. Vollkommen verdattert blickte ich sie an. „Was… was machst du hier?“, brachte ich schließlich stotternd heraus. „Na was wohl?“, erwiderte sie. „ Ich folge dir seit Stunden. Du hast tagelang geschlafen. Ich war gerade im Dorf um etwas zu essen zu kaufen. Als ich zurückkam warst du nicht mehr da. Zum Glück ist das Gras so hoch, da konnte ich deinen Spuren leicht folgen.“ Sie betastete vorsichtig ihre Nase. „Wenn ich gewusst hätte, dass du zum Dank gleich versuchst, mir die Nase zu brechen, hätte ich es gelassen.“ „Es… es tut mir leid“, murmelte ich verlegen. Ich hatte nicht erwartet, Risa noch mal zu sehen. Es freute mich, dass sie hier war. Doch gleichzeitig wusste ich auch, dass meine Gesellschaft gefährlich für sie war. Schließlich wusste ich nicht, wann der Dämon das nächste Mal aufwachen würde. Risa hörte auf, ihre Nase zu betasten und blickte mich mit schief gelegtem Kopf an. „Was ist los?“ Ich antwortete nicht. „Hat es mit dem Dämon zu tun?“, fragte sie. Ich nickte schwach. Risa seufzte. „Hör zu, ich weiß, dass es gefährlich für mich ist, mit dir zu reisen, aber ich werde nicht wieder zurück reiten.“ „Aber…“, begann ich, doch sie schnitt mir das Wort ab. „Kein aber! Verstehst du denn nicht, es ist mir egal, wer du bist und wie sehr dich andere Leute fürchten. Ich mag dich, und obwohl der Dämon mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt hat, weiß ich genau, werde ich hier bleiben. Außerdem würde dir ein bisschen Gesellschaft auch nicht schaden“, meinte sie mit einem leichten Grinsen. Ich blickte sie sprachlos an. Ihre Worte gaben mir zum ersten Mal seit Jahren das Gefühl, nicht allein zu sein. Sie wollte freiwillig weiter mit mir reisen, obwohl ich nicht einmal eine Ahnung hatte, wohin. Ich war so froh, über ihre Entscheidung, ich hätte sie fast umarmt, ließ es dann allerdings lieber bleiben, denn ich hatte so das Gefühl, dass sie sich ihren Beschluss dann vielleicht doch noch mal überlegen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)