Blacklist von Saya_Takahashi (Auf der Liste des Todes) ================================================================================ Kapitel 15: Gelogen ------------------- Es war ein regenreicher Nachmittag, als Sakura ihre Augen öffnete. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie sich befand, was passiert war, und warum ihre Schulter schmerzte. Als ihre Erinnerungen langsam zurückkehrten, ein greller Blitz den Himmel erleuchtete, schreckte sie nach oben und griff sich an die Stirn. „Verdammt“, keuchte sie, als ihr die Schulter wie voller Flammen vorkam, sie sich an den Verband fasste und einen kurzen Schrei ausstieß, als die Tür geöffnet wurde. „Sakura?“ Es war Hinata, die erleichtert ausatmete und ins Zimmer stürmte. „Oh Gott sei dank, du bist wach! Wie geht es dir?“ Sakura blinzelte verwirrt. „Was … was ist passiert, ich … Wo sind wir?“ „In einer kleinen Absteige“, lächelte Hinata schwach. „Du wurdest angeschossen, Sakura. Es hat …“ „Sind die anderen okay?“ „Ja“, lächelte die Hyuuga aufmunternd. „Alle sind okay. Das war ein ganz schöner Schrecken. Du solltest aber noch etwas schlafen. Wir sind gleich im Zimmer neben an. Wenn etwas ist …“ Sakura nickte und ließ sich wieder ins Bett sinken. „Ja, danke. Ich schlaf … noch etwas, ja.“ „Gut, ruh dich aus. Hier sind wir sicher, und wir werden nicht lange hier bleiben. Sobald du etwas kräftiger auf den Beinen bist, werden wir verschwinden.“ „Wo genau sind wir?“, fragte Sakura, doch klang sie, als würde sie schon fast schlafen. „Nördlich von Gobo.“ „Hmm. Bis dann …“ Hinata nickte, dann ging sie aus dem Zimmer und löschte das Licht. Eine Weile blieb Sakura mit geschlossenen Lidern liegen, döste fast wieder ein, doch schreckte sie ein jäher Gedanke auf. Sie wollte sich ablenken, nahm sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Zuerst musste sie ihren Kopf beruhigen, ehe sie über den letzten Tag nachdenken konnte. Sie musste ihre Gefühle, ihre Angst unter Kontrolle bekommen, damit ihr niemand etwas anmerkte. Leise folgte sie einige Minuten dem TV-Programm, schaltete durch etliche Kanäle und blieb schließlich an den Nachrichten hängen. Das Wetter in Tokio würde in den nächsten Tagen so bleiben, aber Ino, die am anderen Ende der Welt war, hatte auch nicht besseres Wetter. Der ganze Globus schien im Sturm versunken, an den unterschiedlichsten Orten wüteten die Gewitter schon seit Tagen. Wie die Apokalypse, dachte sich die Rosahaarige, schaltete den Fernseher wieder aus und lehnte sich gegen das Bettgestell. Ein unaufhaltsamer Sturm, und niemand hatte ihm etwas entgegen zusetzen. Wenigstens war es hier in Gobo erst heute losgegangen. Wenn sie an das Wetter der letzten Woche dachte, an die warmen Sonnenstrahlen und den lauen, erfrischenden Wind, musste sie lächeln. Ino hatte nicht das Glück. Der Nachrichtensprecher hatte gesagt, dass es schon seit Tagen um London regnete. Aber diese Gegend in Großbritannien war nie für sein schönes Wetter bekannt gewesen. Ino war bestimmt öfter am Maulen deswegen. Ihre arme Mutter, die sich das anhören musste. Sakura seufzte, dann kroch sie mühsam aus ihrem Bett und schaltete die kleine Lampe auf dem Tisch neben sich an. Sie sah sich nach ihrer Tasche um, und als sie sie am Fenster stehen sah, atmete sie erleichtert aus. Sie griff sich ihr Handy, Stift und Papier und sah kurz durch die feinen Löcher der Jalousie. Draußen stürmte und gewittere es, und immer wenn ein Blitz über den Himmel zuckte, wurde es sogar durch die Rollläden in dem Zimmer heller. Eine Weile sah sie ihr Handy an und überlegte, wie lange sie es schon hatte. Eigentlich war es fast genauso alt wie sie denken konnte, denn sie hatte es sich kurz nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus geholt, kurz nachdem sie in die Wohnung am Tokio Tower eingezogen war. Ino hatte es immer hässlich gefunden, aber ihr hatte es von Anfang an gefallen. Als sie auf die neue Schule kam und Mikoto kennen lernte, hatten die beiden herausgefunden, dass sie das gleiche Handy hatten. Zusammen hatten sie es gegen Ino verteidigte, die das Telefon als viel zu unhandlich befand. Auf diese Weise hatten sie sich angefreundet. Aus einem kindischen Gezänke heraus, dass zu einer guten Freundschaft wurde, bis sich Ino und Mikoto verkrachten. Und Sakura sich auf die Seite ihrer besten Freundin stellte. Sakura seufzte abermals, ging ihr Telefonbuch durch und hielt bei Mikotos Nummer, die sie bis heute nicht gelöscht hatte. Sie schrieb sie auf das Blatt Papier und tat das gleiche mit Inos. Danach faltete sie den Zettel und steckte ihn zurück in ihre Tasche, nur ihr Handy behielt sie in der Hand. Ein trauriger Zug legte sich auf ihr Gesicht. Sie griff nach dem Rolle, zog es etwas an und sah hinaus, direkt auf eine stark befahrene Straße. Schnell öffnete sie das Fenster, da es sicher nicht lange dauern würde, bis jemand in ihr Zimmer kam. Sasuke war misstrauisch genug um bei dem kleinsten Geräusch alarmiert zu sein. Sakura biss sich auf die Lippen, nahm Schwung und warf das Telefon so weit sie konnte davon. Keine Sekunde später, gleichzeitig wie die Tür aufgemacht wurde, fuhr ein grüner PKW über das Gerät und zerlegte es in seine Einzelteile. „Was machst du da?“, hörte sie schon die vertraute Stimme, und lächelnd drehte sie sich um. „Ich hab nur nach dem Wetter geschaut.“ „Nach dem Wetter? Du sollst dich ausruhen, Sakura!“ Sasuke ging auf sie zu, schloss da Fenster uns sah sie kopfschüttelnd an. „Du siehst nicht gut aus, leg dich wieder hin!“ „Mir geht’s gut“, erwiderte das Mädchen nur und schnappte sich ihre Tasche. „Wir können weiter.“ „Weiter?“ „Hinata meinte, wir würden weiter fahren, sobald …“ „Dir geht es nicht gut, Sakura, erzähl mir keinen Scheiß!“ Sasuke klang ernst. „Wir haben etwas Luft. Keiner ist uns gefolgt. Wir können …“ „Bitte“, sagte Sakura und schloss die Augen, als würde sie das Gespräch anstrengen. „Lass uns bitte von hier weggehen.“ Sasuke zögerte einen Moment. „Kakashi ist noch nicht zurück. Er ist zum Flughafen, um Tickets zu holen. Wir müssen auf ihn warten.“ „Wir können zu ihm, oder nicht? Ihr könnt ihn anrufen, und ihm sagen, dass wir kommen.“ „Es ist besser, wenn wir warten. Wir können nicht einfach nach draußen. Wir wissen nicht, ob sie hier Spione haben und nach uns Ausschau halten.“ „Aber …“ „Bitte Sakura, leg dich wieder hin, okay?“ Die Rosahaarige senkte den Blick und lief widerwillig zurück zum Bett. „Und wann kommt er zurück?“ „Er ist bald hier. Was macht deine Schulter?“ „Der geht’s gut.“ „Und die Hand?“ Mürrisch sah Sakura auf den dicken Verband, der ihre linke Hand gänzlich verpackte. „Das ist übertrieben“, meinte sie und hielt ihn hoch. „Aber sie ist okay.“ „Dafür, dass sie okay ist, steckte ziemlich viel Glas drin“, gab Sasuke trocken zurück und ließ sich auf den Stuhl fallen, der neben Sakuras Bett stand. „Du kannst gehen“, sagte sie und drehte sich auf die Seite. „Ich denke, ich soll schlafen?“ „Ich warte noch.“ „Und auf was?“ Für einen Moment blieb der Uchiha still, doch dann atmete er etwas lauter aus und sah zu Sakura, die ihm den Rücke zu drehte. „Auf die Wahrheit.“ Er bemerkte, wie sie kaum merklich zusammen zuckte und sich schließlich wieder aufrichtete. „Wahrheit?“ „Du fragst nicht.“ Sasuke sah Sakura seltsam an. „Woher sie wissen konnten, wo wir sind. Warum sie genau in diesem Moment, als du am Fenster gestanden hast, geschossen haben. Ob sie dort vielleicht die ganze Zeit gewartet haben oder es Zufall war. Ob wir wissen, wer es gewesen sein könnte, oder ob wir überhaupt etwas wissen …“ „Ich …“ Sakura blinzelte perplex und blickte auf ihre Decke. „Ich hab nur noch nicht daran gedacht.“ „Nein?“, fragte Sasuke und runzelte die Stirn. „Und was hast du auf die Straße geworfen? Warum willst du, dass wir so schnell von hier verschwinden?“ „Ich weiß nicht, ich … hab nichts rausgeworfen!“ „Lüg mich nicht an!“ Sasuke wurde lauter. „Sie hätten dich fast erwischt! Die Kugel hat dich nur knapp verfehlt! Du könntest genauso gut auch tot sein! Also lüg mich nicht an, verdammt!“ Sakura kamen die Tränen, doch krampfhaft versuchte sie sie zurückzuhalten. Warum wurde er so wütend? Warum schrie er sie jetzt an, sie hatte das doch nicht gewollt, sie hatte es nicht einmal geahnt! Und das, was sie glaubte zu wissen, waren Vermutungen, mehr nicht! Hirnrissige Gedanken, die ihr einfach gekommen waren, die ihr Dinge einredeten, die sie selbst nicht einmal verstand! „Rede mit mir, Sakura!“ „Hör auf!“, rief das Mädchen zurück und biss sich auf die Lippen. „Ich weiß wirklich nichts! Ich hab nur … ich hatte nur Angst, dass im Handy … wegen den Sendemasten, und …“ „Sendemasten?“ Sasuke sah Sakura verwirrt an. „Was meinst du mir Sendemasten?“ „Du glaubst, sie konnten dein Handy orten?“ Hinata stand in der Tür und starrte Sakura erschrocken an. „Aber wieso …“ „Ich weiß es wirklich nicht“, wiederholte die Rosahaarige und fuhr sich über die Augen. Sie stieg wieder aus dem Bett, fühlte sich durch Sasukes Anwesenheit regelrecht bedroht und lief zurück zum Fenster. „Ich hab mal davon gehört, mehr weiß ich nicht. Und am Haus war ein Sendemast, und hier ist auch einer und …“ „Was meint Sakura damit?“, fragte Naruto, der seinen Kopf ebenfalls ins Zimmer steckte. „Handys kommunizieren immer mit dem nächst gelegenen Sendemast“, sagte Hinata und sah zu Sasuke, der ebenso entsetzt aussah. „Ein Sendemast deckt einen bestimmten Bereich ab, meist um die 300 Meter. In der Stadt ist das Netz sehr feinmaschig, auf dem Land weniger.“ „Und was soll das heißen?“, wollte Naruto ahnungslos wissen. Hinata fuhr sich an die Stirn und sah nachdenklich zu Sakura, die sich gegen die Wand lehnte und ins Nichts starrte. „Der Sendemast gibt an den Netzbetreiber weiter, welches Handy ihn anfunkt. Mit bestimmter Software zum Beispiel lässt sich herausfinden, wo ungefähr das Handy ist. Es lässt sich sozusagen orten.“ „Wie bei GPS?“ „Nicht so genau, nein. Es ist ungenauer, mein ich.“ Hinata schluckte leicht. „Aber es hat Vorteile. Es hat nicht mit einem Satelliten in dem Sinne zu tun, verstehst du? GPS liefert die Koordinaten nur bei Sichtkontakt, aber wenn man ein Handy über das Mobilfunknetz sucht, ist das nicht nötig. Es ginge auch in einem Tunnel, oder unter der Erde. Hauptsache das Handy ist an und hat etwas Empfang.“ „Und was heißt das nun genau?“ Naruto kratzte sich am Kopf. „Das bei Sakura eine Software auf dem Handy versteckt war und man sie dadurch geortet hat?“ „So in etwa“, nickte Hinata. „Und Sakura hat das geahnt und hat ihr Handy deswegen kaputt gemacht?“ Hinata nickte wieder und versuchte eine Antwort in Sakuras Gesicht zu finden. „Aber dann ist das doch gut, oder? Dann wissen wir, wie sie uns finden konnten und das sie uns nun nicht mehr orten können!“ „Ja, das können sie nun nicht mehr“, sagte Hinata. „Und wir können nicht herausfinden, von wem die Software war.“ Sasuke stand auf und warf Sakura einen wütenden Blick zu. „Hast du daran auch gedacht? Hinata hätte es untersuchen können, wir hätten vielleicht ein paar Antworten bekommen!“ Sakura rührte sich nicht, sah nicht einmal auf, sondern fixierte irgendeinen Punkt auf dem Boden. „Oder ist genau das der Grund?“, sagte Sasuke kalt. „Dass du nicht wolltest, dass wir es herausfinden?“ Sakura schrak zusammen und sah Sasuke erschrocken an. Für einen flüchtigen Moment trafen sich ihre Blicke, ehe die Rosahaarige wieder ihren Kopf senkte. „Hast du nichts dazu zu sagen?“ Sasuke wartete kurz, doch dann schüttelte er den Kopf und ging zur Tür. „Wir gehen noch alle drauf!“, meinte er mit einem eisigen Ton in der Stimme. „Und das nicht, weil sie uns kriegen, sondern weil wir uns nicht gegenseitig vertrauen können, weil wir einander anlügen!“ „Ich hab nicht gelogen“, wisperte Sakura, stieß sich von der Wand ab und sah Sasuke fassungslos an. Wie konnte er so etwas sagen? „Aber du verheimlichst etwas!“ Naruto sah unbehaglich zwischen den Beiden hin und her. Sasuke war öfters so kalt, ihm gegenüber legte er ab und an immer mal einen finsteren Ton auf, aber Sakura gegenüber war er bisher noch nie so gewesen. „Und das ist genauso schlimm!“ „Aber ich … es sind doch nur Gedanken, und ich weiß nicht einmal …“ „Dann lass es sein.“ Sasuke warf Sakura einen nur allzu deutlichen Blick zu, ehe er sich abwandte. „Ich …“ Wieder spürte das Mädchen die Tränen, machte einen Schritt vorwärts, blieb aber doch stehen. „Es gab … man konnte die Sterne gestern nicht sehen“, rief sie plötzlich und kniff dabei die Augen zu. „Sie kann die Sterne nicht gesehen haben!“ Abrupt blieb Sasuke stehen und drehte sich um. Auch Hinata und Naruto sahen Sakura verwirrt an. „Was meinst du damit?“, fragte Sasuke scharf. „Wer kann sie nicht gesehen haben? Gestern hat es noch nicht geregnet. Wir hatten einen klaren Himmel, und …“ “Ino“, wisperte Sakura, ließ sich an der Wand herunter und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ino ist in London. Und in London hat es gestern schon geregnet. Sie hat … sie hat gelogen …“ „Ino Yamanaka?“ Naruto sah fassungslos zu Hinata, die nicht anders drein blickte. „Hast du mit ihr telefoniert?“ Sasuke ging auf Sakura zu, sah zu ihr hinunter und widerstand dem Drang, sich zu ihr zu knien und sie zu trösten. „Sag schon!“ „Gestern“, gestand die Rosahaarige. „Bevor ich ans Fenster bin. Wir haben uns über die Sterne unterhalte, und sie sagte sie hätte sie erst gesehen. Es war komisch weil … weil …“ Sakura konnte vor Träne kaum sprechen. „Wegen der Zeitverschiebung, versteht du? Es war Mittag in London, und sie sagte, sie hätte sie vorhin erst gesehen … und als ich am Fenster stand fiel mir das ein … dann hörte ich schon den Schuss … und in den Nachrichten haben sie gesagt, London sei seit Tagen bewölkt … sie hat gelogen, aber warum? Warum lügt sie?“ Sakura sah mit ihren verweinten Augen zu Sasuke, als erwartete sie von ihm eine Antwort. Der Uchiha starrte sie an, wusste nicht was er sagen sollte, hoffte dass Hinata irgendetwas tat, und beugte sich schließlich selbst zu Sakura. „Schon gut“, murmelte er und nahm Sakura aus einem unbestimmten Gefühl in den Arm. „Das finden wir raus.“ „Sie hat gesagt, wir würden immer Freunde bleiben, sie hat es versprochen“, flüsterte die Rosahaarige, und man konnte sie kaum noch verstehen. „Aber sie hat nie die Sterne gesehen …“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)