All You Wanted von Nikolaus (Taichi x Yamato) ================================================================================ Kapitel 7: And You Needed Someone (Taichi) ------------------------------------------ Special now: gebatet by ~ Taichis POV ~ Bummbumm. Bummbumm. Mein Herz klopfte. Laut. Heftig. Ohrenbetäubend. Es wunderte mich schon fast, dass weder Yamato noch Takeru es bemerkt hatten. Doch mich hinderte es auf alle Fälle daran, endlich ein zu schlafen. Alles um mich herum drehte sich, in meinem Magen kribbelte es so heftig, dass es fast schon wieder weh tat. Glücklich. Verdammt glücklich. Das war wahrscheinlich das, was meine momentane Stimmung am besten beschrieb. Selbst mit dem Herzklopfen und den wortwörtlichen Schmetterlingen im Bauch. Nie hätte ich gedacht, Yamato jemals so nahe zu kommen und dann… die Situation im Bad kam mir immer noch leicht surreal vor. Ich konnte seine kühle Haut unter meinen Fingern fühlen, sein pochendes Herz hören. Seinen bebenden Körper in meinen Armen. Den zarten Duft seines Shampoos, seinen Geruch und das alles so intensiv, wie als würde er direkt vor mir stehen. Ich seufzte und drehte mich auf die andere Seite. Das Bett roch nach frittiertem und nach etwas stechend salzigem, dessen genaue Definierung ich lieber gar nicht wissen wollte. Der Drang aufzustehen und zu Yamato zu gehen, überkam mich. Ich könnte ihm einfach sagen, dass ich es in diesem Gestank nicht mehr ausgehalten hatte und ich nicht auf dem Sofa schlafen wollte. Ob ich dann bei ihm schlafen dürfte? … wahrscheinlich nicht. Als meine Finger tiefer geglitten waren, hatte Yamato sich sofort von mir gelöst und war praktisch davon gerannt. Ihm ging das wohl etwas zu schnell, doch meine Geduld war schon zu lange auf eine harte Probe gestellt. Normalerweise nahm ich mir einfach das, was ich haben wollte. Egal wo und wann. Dass er mich so zappeln ließ, machte mich… nervös, hippelig, angespannt. Dazu noch Takerus Ausraster heute Abend… Wieder drehte ich mich herum. Von draußen tönten Schreie herein und das laute Bellen eines Hundes. Ich riskierte einen Blick aus dem Fenster und sah, dass die Dunkelheit schon nicht mehr so dunkel war, wie bei meiner Ankunft. Die Uhr musste schon die frühen Morgenstunden anzeigen. Es wäre besser für mich, wenn ich jetzt schliefe, aber ich war so unruhig, dass ich nicht einmal die Augen schließen konnte. Immer wieder sah ich das Bild eines schüchternen Yamatos in meinen Armen vor mir. Spürte, wie er sich leicht an mich lehnte. Mir wurde unglaublich warm, die Hitze kroch langsam südwärts. Hastig drehte ich mich um und schmiss die übel-riechende Decke von mir. Zwar wurde es nicht besser, aber der Geschmack von Pommes in meinem Mund, ließ mich abschweifen. Jetzt konnte ich wieder den bohrenden Hunger in meinem Magen spüren und bereute es sofort, Takeru mein Essen zugeschoben zu haben. Seit wann war ich denn auch noch so großzügig? Mist aber auch… Irgendwann musste ich doch eingeschlafen sein. Denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war das Zimmer hell beleuchtet und von irgendwo her drang leise Musik. Benommen drehte ich mich auf den Rücken und starrte an die weiße Decke. Ich hörte, wie jemand etwas sagte. Das Geklapper von Geschirr und das Fließen von Wasser. Mühsam richtete ich mich auf und rieb mir über die Augen. Die Müdigkeit verschwand nicht und als ich an meinem T-Shirt roch, musste ich zu meinem Verdruss feststellen, dass ich mittlerweile ebenfalls wie frittiert roch. „Morgen, Tai!“ Erschrocken zuckte ich zusammen. Diese laute Stimme am frühen Morgen tat mir nicht gut. Begleitet von einem leisen Krachen meiner steifen Knochen wandte ich mich an Takeru, der grinsend vorm Bett stand und mir eine Tasse entgegen streckte. Dankend nahm ich sie entgegen und roch an dem starken Gebräu. Kaffee, genau das, was ich jetzt brauchte. „Tut mir leid, dass ich gestern so unfreundlich war“, redete Takeru weiter und setzte sich neben mich. „Ich war einfach etwas überanstrengt. Da ist es mit mir durchgegangen.“ Ich grinste. Genau das hatte ich Yamato in der Nacht auch erzählt und genauso wie Yamato mir kein Wort geglaubt hatte, glaubte ich nun Takeru nicht. Dennoch äußerte ich mich nicht dazu, schließlich wusste ich, wieso er so ausgeflippt war. „Kein Problem.“ Ich strich mir durch das Haar, welches sich unangenehm fettig anfühlte. Also hatte das Bett nicht nur nach Pommes gerochen. „Kann ich kurz duschen?“ „Klar“, antwortete er, erhob sich und ging aus dem Zimmer. Ich folgte ihm. „Du kannst von mir was Anderes zum Anziehen bekommen, einverstanden?“ „Ja.“ „Gut. Ich leg’s dir hin.“ Und mit diesen Worten war er in seinem Zimmer verschwunden. Ich öffnete die Türe zum Bad und erblickte Yamato, der vor dem Waschbecken stand und sich die Zähne putzte. Sein kurzes, blondes Haar hatte er zu einem süßen Pferdeschwanz zusammen gebunden und einzelne Strähnen fielen ihm keck ins Gesicht. Als er mich sah, fiel ihm fast die Zahnbürste aus dem Mund. „Guten Morgen Yamato“, sagte ich grinsend und begutachtete ihn von oben bis unten. Er trug ein weites, hellblaues Shirt mit dem schwarz-weißen Bildnis eines Sonnenuntergans auf der Vorderseite. Seine sehr langen und schlanken Beine wurden nur von einer kurzen, schwarzen Boxershorts verhüllt. Sexy. Yamato errötete stark unter meinem Blick und senkte den Kopf, erwiderte allerdings nichts. Takeru kam dazu und drückte mir ein paar Sachen in die Hand. Mir fiel auf, wie klein das Badezimmer war, was ich gestern überhaupt nicht bemerkt hatte. Doch Takeru verschwand auch schon wieder und ließ mich mit Yamato alleine zurück. Yamato stand unschlüssig da, die blauen Augen auf mein Spiegelbild gerichtet. Ich lächelte. Das schien ausschlaggebend zu sein, leider in die falsche Richtung. Er drehte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Bad. Bedrückt sah ich ihm hinterher. Falls er sich noch an heute Nacht erinnern konnte, stieß es bei ihm nicht auf Wohlwollen. Ich zog mich aus und stellte mich unter die Dusche. Das heiße Wasser tat gut, es entspannte meine angespannten Muskeln und nach einer Weile konnte ich meine Finger wieder bewegen, ohne, dass sie knackten. Das Gefühl, von oben bis unten mit klebrigem Zucker eingehüllt zu sein, verschwand auch und nachdem ich mir das Shampoo aus den Haaren gewaschen hatte, konnte ich mir sicher sein, nicht wie eine Tüte Pommes zu riechen. Als ich mir die Haare abtrocknete, stieg mir ein vertrauter Geruch in die Nase. In meinem Magen begann es wieder zu kribbeln, fahrig griff ich nach einer Haarsträhne und zwirbelte sie zwischen den Fingern. Meine Haare dufteten nun genauso wie Yamatos. Grinsend zog ich mich an und schlenderte gelassen in die Küche. Yamato stand vor der Spüle, hatte das tolle Outfit leider gegen eine Jeans und einen weiten Pullover gewechselt. Takeru saß am Tisch und aß ein Toast, welches sicherlich nicht sein erstes war. Bei meinem Anblick lächelte er und deutete auf den Platz vor sich. Kurz sah ich zu Yamato, aber der schien mich gänzlich zu ignorieren. Leise seufzend ließ ich mich auf den Stuhl fallen. Takeru hob fragend eine Augenbraue, aber ich verspürte keine große Lust, mit ihm darüber zu reden. „Hier.“ Verwirrt und überrascht zugleich, sah ich auf. Eine Scheibe Toast hing direkt vor mir in der Luft und erst als ich darüber spähte, konnte ich Yamato dahinter erblicken. Er starrte an mir vorbei. „Danke.“ Kurz betrachtete ich noch seine schlanken Finger, dann nahm ich es entgegen. Takeru räusperte sich vor mir vernehmlich und hob erneut die Augenbraue. Seine Neugier war ihm an der Stirn abzulesen. Als ich ihm nicht antworten wollte, wandte er sich an seinen Bruder. „Ist alles okay, Yama?“ „Was sollte nicht stimmen?“, fragte Yamato tonlos und stellte seinen Teller neben das Spülbecken. „Ihr benehmt euch so eigenartig.“ Er sagte das ganz so, als ob erwarten würde, dass sein Bruder ihm gleich ein schreckliches Geständnis machen würde. Dachte er etwa, ich hätte Yamato flachgelegt, während er geschlafen hatte? Ich konnte nicht anders, als zu lachen. „Es ist nichts passiert“, versicherte ich ihm grinsend und biss von meinem Toast ab. „Was sollte schon passiert sein?“, half Yamato mir weiter, sein trockener Tonfall verlieh der Situation etwas ungemein Groteskes. Takeru errötete bis unter die Haarspitzen und nuschelte etwas, was sich anhörte wie: „Alles mögliche.“ Verstimmt beobachtete er, wie ich mich vor Lachen schüttelte, und aß, wahrscheinlich als kleiner Racheakt für diese Bloßstellung, mein Frühstück. Es störte mich nicht sonderlich, mein Blick haftete schon wieder an Yamatos Rückansicht. Er war damit beschäftigt, dass restliche Geschirr abzuwaschen und wartete geduldig, bis Takeru fertig gegessen hatte und er sich seinen Teller holen konnte. Ich war mir sicher, dass er sich meiner Blicke bewusst war, dennoch sagte er nichts. Als Takeru sich erhob und betont langsam aus dem Zimmer schlenderte, waren wir alleine. Sofort breitete sich ein unangenehmes Schweigen zwischen uns aus. Yamato trocknete die Gläser mit solch einer Hingabe ab, dass sie sich bald in seinen Händen auflösen mussten. Und ich knibbelte an der rot karierten Tischdecke herum, bis die einzelnen Fasern zwischen meinen Fingern hindurch glitten. Sollte ich ihn auf gestern ansprechen? Nein, lieber nicht. „Wenn du willst, nehme ich dich heute mit“, bot ich ihm stattdessen an und bemerkte erleichtert, dass er sich anscheinend nicht dazu entschlossen hatte, mich gänzlich zu ignorieren. Er drehte sich zu mir um und sah mich fragend an. „In die Schule. Dann… dann musst du nicht laufen.“ „Eigentlich hab ich nichts dagegen zu laufen“, erwiderte er monoton. Mir wurde sofort klar, dass ich ihn erst gar nicht hätte fragen müssen. Natürlich wollte er nicht, dass ich ihm wieder nahe kam, nach der Aktion von heute Nacht. Schließlich hatte ich ihn buchstäblich überfallen, wahrscheinlich wusste er nicht einmal, dass ich mehr wollte, als ein bisschen Sex. Oder hat es ihm gerade diese Aktion deutlich gemacht? Hatte ich mich selbst verraten? „… aber wenn es dir nichts ausmacht. Gern.“ Was?! „Oh… oh ja… ja klar! Cool“, erwiderte ich zerstreut und starrte auf die roten Fasern zwischen meinen Fingern, in dem Bewusstsein, dass mein Kopf gerade rot anlief und leuchtete wie eine Ampel. „Echt cool...“ In meinem Innern tobte es, mein Herz pochte unglaublich laut. Wahrscheinlich bemerkte ich deshalb nicht, dass er sich vor mich setzte. Doch als ich auf sah, saß er vor mir. Die blauen Augen direkt auf mich gerichtet. Hastig wandte Yamato den Blick ab und sah auf seine Finger. „Wegen gestern…“, fing er leise an. „Ich…“ „Nicht so wichtig“, unterbrach ich ihn hastig, hatte Angst vor seiner Reaktion. Was, wenn er mich gleich dafür zur Rechenschaft zog und mir klar machte, dass ich ihn nie wieder anfassen dürfte? Takeru meinte, dass dies wohl eine hohe Steigerung wäre, aber nun war ich dabei, wieder ganz nach unten zu rutschen. „Du… ich war so müde. Das kommt nicht mehr vor.“ Er nickte stumm. Kurz verspürte ich den Drang, seine schmale Hand in die Meine zu nehmen und ihm das Gegenteil von dem zu beweisen, was ich gerade gesagt hatte. Aber ich konnte nicht so mit der Tür ins Haus fallen. Ich durfte es nicht. Yamato würde es sicherlich missverstehen und mich als… notgeilen Irren abstempeln. Bei Takeru hätte ich es getan, aber nicht bei ihm. Natürlich, das ewige Hinhalten machte mich nervös, aber er war es Wert. Oder? Auf der Hinfahrt hatte es unablässig geschüttet. Das Wetter um diese Jahreszeit war schrecklich und es half nicht zur Besserung meiner Laune bei. Auch nicht das all morgendliche Zusammentreffen mit dem netten Hausmeister oder die Gegenwart meiner Freunde. Möglicherweise lag es daran, dass Yamato schon kurz nach unserer Ankunft verschwunden war. Mit einem leisen „Dankschön“ war er davon gegangen, hatte mich und Takeru im Regen stehen gelassen. Nur zu gerne hätte ich ihn meinen Freunden vorgeführt, egal ob es nun meinem Ruf schadete oder nicht. Schließlich war unser erstes Gespräch, ganz hingegen meiner Erwartungen, sehr glimpflich verlaufen und gestern war ich ihm so nahe gewesen! Ich hatte noch immer seinen unverwechselbaren Duft in der Nase, konnte seine weiche Haut unter meinen Fingern fühlen. Ob es abnormal war, dass ich mich jetzt noch so genau daran erinnern konnte? Oder hing das damit zusammen, dass ich mich wirklich verliebt hatte? „Hey, Tai, alles klar?“ „Äh... was?“ Irritiert sah ich Shusuke an, der mit einer Hand vor meinem Gesicht herum wedelte und mich anstarrte. Neben ihm standen Fu, Toshi, Yuri und Takeru. Takeru schien sich sichtlich nicht daran zu stören, dass Yamato nicht mehr bei uns war. Zu seinem Verschwinden hatte er sich nicht geäußert und als ich ihn darauf ansprach, meinte er nur, dass das eben Yamatos Art sei. Kühl, verschlossen, jeden aus seinem Leben fernhaltend. „Mann, ey“, meinte Shusuke kopfschüttelnd. „Hast du dich verknallt oder warum bist du in letzter Zeit so abwesend?“ Er hatte keine Ahnung, wie nah er der Wahrheit doch war. Aber Shusuke gehörte nicht zu den Leuten, mit denen ich über so etwas reden würde. Er konnte sich seine eigene Sexualität nicht eingestehen und war ein richtiger Schläger, wenn etwas nicht nach seinem Willen verlief. Er schikanierte jüngere Schüler und Yuri half ihm auch noch dabei. Und sie beide schlugen Yamato. Anhand von Takerus Frage, wusste ich, dass der von mir verhinderte Versuch nicht der Einzige war. Und die anderen Male waren sicherlich keine Versuche gewesen, wenn Yamato blaue Flecken davon trug. Zwar scherte es mich sonst nicht, schließlich war es ihre Sache, was sie machten, aber dieses Mal ließ blindes Unverständnis in mir hoch steigen. Geziert mit einem Hauch von Wut. „Red' keinen Mist!“, fauchte ich ihn an und schlug seine Hand weg. Verwirrt sah Shusuke mich an, auch die anderen schienen meine Reaktion nicht zu verstehen. Aber das konnte ich ja auch nicht von ihnen erwarten, sie konnten ja keine Gedanken lesen. Dennoch wollte ich mich jetzt nicht mit ihnen abgeben, es würde sicherlich eskalieren. Ich war ein impulsiver Mensch und geriet leicht außer Kontrolle. Ich wollte keinen Streit heraufbeschwören. „Ich… muss weg“, sagte ich deshalb und ignorierte ihre Blicke. Takeru und Shusuke, wie nicht anders zu erwarten, gaben sich damit allerdings nicht zufrieden. Als ich mich umdrehte und den Gang hinunter ging, folgten sie mir. Lästig, wie ein zweiter Schatten. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie unablässig auf mich einredeten und wissen wollten, was mit mir los war, spielte Shusuke die ganze Zeit mit seinem Ball und Takerus Grinsen konnte ich nicht mehr ertragen. Ich mochte beide, wirklich. Shusuke kannte ich schon seit Ewigkeiten und Takeru gehörte zu den nettesten Menschen, die mir begegnet waren. Aber jede Nettigkeit wurde irgendwann einmal nervig! „Es ist wirklich nichts!“, zischte ich sauer und blieb stehen. Die beiden hielten ebenfalls an, sahen mich fragend an. Ich konnte ihre Neugierde spüren, ihren Drang, mir den Grund für mein Verhalten aus der Nase zu ziehen. Am liebsten würde ich ihnen gar nichts sagen, aber dann würden sie nie Ruhe geben. Normalerweise war ich nett, geduldig, höflich und äußerst harmlos. Doch der Gedanke, dass Shusuke und Yuri regelmäßig Yamato… schlugen, war einfach unglaublich. Wieso konnten sie sich nicht ein anderes Opfer suchen? Und wieso sagte Yamato nichts? „So sieht es aber nicht aus“, sagte Shusuke neunmalklug. „Hm“, machte Takeru kleinlaut. „Hört zu, ich hab einfach… zu wenig geschlafen, okay?“ Ich war nicht gut im Lügen, doch ich hoffte, dass sie mir glauben würden. „Ich geh jetzt zu Nakata, schlafe ein bisschen und dann sieht die Welt schon ganz anders aus. Bis nachher.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten drehte ich mich um und ging davon. Ich war ehrlich überrascht, dass sie mir nicht folgten. Doch der Unterricht würde bald beginnen und Shusuke ging in eine andere Klasse, Takeru war eine Jahrgangsstufe unter mir. Das laute Klingeln der Glocke erfüllte die Gänge und die Schüler rannten in ihre Klassen. Auf halbem Weg zu meinem, traf ich auf Toshi und Fu. Sie wollten glücklicherweise nicht erfahren, weshalb ich so unfreundlich gewesen war. Der falsche Vorsatz, im Japanischunterricht zu schlafen, wurde in die Tat umgesetzt. Frau Nakata beherrschte es wirklich nicht, eine interessante Stunde zu gestalten. Nachdem Fu und Toshi neben mir schon ins Reich der Träume abgedriftet waren, konnte auch ich mich nicht mehr dagegen wehren. Die Müdigkeit überkam mich und obwohl ich wusste, dass nun der übliche Dämmerzustand einsetzen und die Illusion der Schlaflosigkeit danach nur noch verschlimmern würde, stütze ich den Kopf auf die Arme und schloss die Augen. Frau Nakatas Stimme summte angenehm im Hintergrund und der Regen prasselte gleichmäßig gegen die Fenster. Fus warmer Atem blies gegen meinen Ellenbogen und eine Gänsehaut fuhr über meinen Körper. Es war einfach schrecklich, dass es um diese Jahreszeit selbst in den Klassenzimmern so kühl war. Da stand man ja lieber draußen im Regen und ließ sich von den Wassermassen erwärmen, als in diesem Eisschrank, in dem noch nicht einmal Unterhaltung geboten wurde. Seufzend rieb ich mit der Nase an meinem Unterarm und pustete provokant dagegen. Ob Yamato es gestern gemerkt hatte, dass ich gegen seinen Hals gepustet hatte, um seine Reaktion zu sehen? Wahrscheinlich nicht. Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass er angenommen hätte, ich wäre wirklich so schlaftrunken und damit unzurechnungsfähig gewesen. Mit meiner Aussage am Morgen hatte ich diesen Eindruck leider auch nicht widerlegt. Vielleicht sollte ich das noch tun? In der Pause zu ihm gehen und ihm sagen, dass ich ihn noch viel, viel, viel öfter anfassen möchte? Dass ich ihn will? Natürlich. Vermutlich würde er mich als verrückt abstempeln und danach jedes Mal vor mir flüchten. Ich hatte mir doch schon vorgenommen, ihn nicht zu überrumpeln, wieso konnte ich mich nicht daran halten? Wieso erschien mir der Gedanke so abwegig, noch so lange abzuwarten, bis Yamato es von selbst bemerkte und selbst wollte? Vielleicht wird er es nie bemerken. Konnte das wirklich passieren…? „… Tai.“ Ein leichtes Stupsen am Ellenbogen holte mich aus meinen flüchtigen Gedanken zurück. Träge öffnete ich ein Auge und sah zu Fu, der sich aufgerichtet hatte und zu mir hinunter sah. Ich verspürte nicht die geringste Lust, mich jetzt mit ihm zu unterhalten, aber anscheinend bestand er darauf. Also gut. Was man nicht alles für seine Freunde tat. „Hm?“, murrte ich. „Sag mal… zwischen dir und dem Ishida. Läuft da was?“, fragte Fu leise, damit Frau Nakata es nicht bemerkte. Falls sie überhaupt irgendetwas bemerkte, außer der bloßen Präsenz der Schüler und dem Klang ihrer eigenen Stimme. Denn im Gegensatz zu den anderen Lehrern, störte es sie nicht, wenn man schlief. Sie sah es nicht. Sie las stur aus ihrem Buch vor und blickte kein Einziges Mal auf. Selbst dann nicht, wenn sie eine Arbeit schrieben. Natürlich war das nützlich, aber mit der Zeit, wurde es einfach nur noch lästig. Fus Frage hingegen überraschte mich doch etwas. Meiner Meinung nach, hatte ich nie irgendwelche Andeutungen gemacht, dass ich Takeru mehr als einen Freund mochte. Klar, Fu wusste bescheid, dass meine Vorlieben nicht beim weiblichen Geschlecht lagen, aber dass er mich mit Takeru in Verbindung brachte, war mir dann doch ein Rätsel. „Nein“, antwortete ich. „Wie kommst du darauf? Solche wie Takeru sind eigentlich nicht mein Typ.“ Fu grinste gutmütig. „Nein, du Idiot. Ich meine nicht, TK. Ich meine den Anderen. Seinen Bruder.“ „Yamato?“, fragte ich überrascht und setzte ich mich auf. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen. „Was… wie kommst du denn darauf?“ Wieder dieses Grinsen. „Tai, ich bin nicht blind“, sagte er lächelnd und stützte den Kopf auf der Handfläche ab. „Du läufst ihm hinterher – und hey, du bist noch nie jemanden hinterher gelaufen! Also wenn das nicht eindeutig ist.“ Ich sagte nichts dazu, schließlich hatte er ja recht. Irgendwie. Normalerweise liefen sie mir hinterher und nicht umgekehrt. Obwohl ich es noch nie von diesem Standpunkt aus gesehen hatte, war es nur allzu offensichtlich, jedenfalls für Leute, die mich schon etwas länger kannten. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich es selbst noch nicht einmal fertig gebracht hatte, es Yamato zu gestehen, konnte ich nur hoffen, dass nicht noch mehr Leute auf den gleichen Schluss wie Fu kamen. Ich hatte keine Lust darauf, dass Yamato von jemand anderem über meine Gefühle erfuhr. Missmutig verzog ich den Mund. Als das Schweigen anhielt und Fu nichts weiter sagte, hob ich den Blick und sah zu ihm hinüber. Fu starrte mich fassungslos an und klappte den Mund auf und zu, auf und zu. Wie ein Karpfen, der im Trockenen lag und verzweifelt nach Luft rang. „Alles okay, Fu?“ „… ja“, erwiderte er heiser und schluckte. „Aber ich dachte nicht… hey, krass. Du hast dich verknallt.“ Er stockte und rieb die Hände aneinander. „Was ist daran so besonders?“, fragte ich argwöhnisch. „Na ja, ich hätte nur nicht gedacht, dass du dich verlieben kannst, weißt du. Normalerweise hast du hier eine Freundin, dann wieder da ´nen Freund und innerhalb der nächsten Woche sind schon wieder fünf mehr auf deiner Verflossenenliste. Ich dachte schon, du bist irgendwie krank oder so, weil die Liste so lange leer blieb, aber jetzt… wieso Ishida? Ich meine… sieh ihn dir an.“ „Genau.“ „Hä?“ Verwirrt hob Fu die Augenbrauen. „Sieh ihn dir an und dann weißt du, weshalb ich auf ihn stehe“, sagte ich, etwas schärfer, als beabsichtigt. Doch wie er über Yamato gesprochen hatte, war mir unangenehm gewesen. Wie als ob Yamato eine große Spinne wäre, an die sich niemand näher als ein paar Meter heran traut. Dabei war Yamato genau das Gegenteil! Ich wusste nicht, wieso er nicht zu Top Five unserer Schule gehört; mit den Augen, den Haaren, dieser Stimme. Was war an ihm so anders, als an mir? „Ja, schon klar“, räumte Fu nach einigen Augenblicken ein. „Er ist schon… hübsch.“ „Sehr hübsch.“ „Ja, sehr hübsch. Aber er ist nun mal… anders. Ein Außenseiter. Ein Freak.“ „Yamato ist kein Freak!“ Fu schüttelte den Kopf. Ich kam mir so furchtbar unterbelichtet vor. Wie ein kleiner, dreijähriger Junge, der nicht begreifen wollte, dass Eins und Eins Zwei ergab. Was wollte er mir denn erklären? Sonst war er doch immer so gesprächig und rückte sofort mit seinem Anliegen heraus, wieso musste er es denn jetzt so umständlich machen? Seufzend fuhr ich mir mit der Hand durchs Haar und sah ihn fordernd an. Fu holte tief Luft. „Tai, Takeru ist toll und Ishida ist vielleicht ganz hübsch, aber es gibt einfach Dinge die passen nicht zusammen. Er lebt in einer ganz anderen Welt und im Gegensatz zu Takeru redet er nicht gerne, ist nicht freundlich, kann nicht Fußball spielen und scheint dich auch nicht sonderlich zu mögen. Ich will dir ja nicht die Hoffnung zerstören, aber… Ishida ist nicht so wie wir.“ Er zuckte bedauernd mit den Achseln. „Was tust du, wenn er dich nicht will?“ „Das wird er nicht tun!“ erwiderte ich heftig. „Ich weiß, dass er mich mag, Fu. Außerdem kannst du das doch gar nicht beurteilen! Du weißt gar nicht, wie Yamato ist.“ „Tai, ich…“ Der Rest seines Einwandes wurde von dem lauten Klingeln der Glocke übertönt. Stühle rückten, Papiere raschelten, das Stimmengewirr erhob sich in der Klasse. Frau Nakata ordnete ihre Papiere auf dem Schreibtisch und die Schüler strömten hinaus. Ich stopfte meine Sachen in meine Tasche und rannte auf den Gang hinaus. Ich wollte jetzt weder Fu noch Toshi sehen, geschweige denn mit ihnen reden. Mit eiligen Schritten rannte ich den Gang entlang und flüchtete praktisch in den Chemiesaal. Fast hoffte ich schon, Yamato über den Weg zu laufen, um sein schüchternes Lächeln zu sehen und mich danach wenigstens etwas besser zu fühlen. Aber ich verwarf den Gedanken und mein blonder Engel blieb auch fern. Meilenweit entfernt, wie es mir vor kam. Ausnahmsweise setzte ich mich nicht neben Toshi, sondern nach vorne zu Fugaku, dem schwarzhaarigen Egomanen, der so gerne den Besserwisser spielte. Es ging schleppend voran und meine Laune sank dank Fugaku auf den Gefrierpunkt. Nie hätte ich gedacht, dass meine Laune vor Dads jährlichem Familienstreit je so schlecht werden würde. Aber heute… ich wünschte mir nichts mehr, als einfach wieder auf Yamato zu treffen. Allerdings traf ich ihn bis zu Pause nicht an. Auf dem Weg zur Cafeteria hörte ich dann seine Stimme. Leise, tonlos. Kalt. Die nächsten beiden Stimmen ließen mir das Blut in den Adern gefrieren. „.. lass den Mist, Prinzessin.“ „Oder willst du, dass wir noch deutlicher werden müssen?“ „Antworte!“ „… nein.“ Ich bog um die nächste Ecke und fand mich in einem leeren Gang wieder. Hinter einer Reihe von Spinten, direkt neben der Besenkammer des Hausmeisters, standen sie. Yuri, die wasserstoffblonden Haare heute grün gefärbt. Shusuke, die dunklen Augen kalt und herablassend. Beide lächelten hämisch. Und Yamato. Die Tasche an die Brust gepresst, die blauen Augen ausdruckslos nach vorne gerichtet. Ihm war klar, was ihn erwartete und es schien ihn nicht zu ängstigen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er momentan überhaupt irgendetwas empfand. Sein Gesicht war eine Maske und seine Augen wirkten stumpf. Wie als ob es nichts gäbe, was ihn noch überraschen könnte. Kein Schmerz, der ihm zusetzen könnte. Kein Shusuke, kein Yuri. Niemand außer ihm. Mit Schrecken bemerkte ich, dass Yamatos Haltung leicht gekrümmt war. Die Kratzer in seinem Gesicht. Das dünne Blutrinnsal an seinem Mundwinkel. Übelkeit stieg in mir hoch. Sie hatten schon eindeutige Schläge ausgeteilt. Ich sah das aufgeschlagene Buch auf dem Boden liegen. Den zerknüllten Zettel. Plötzlich kam mir das Grinsen der beiden viel schrecklicher vor. Die Situation war abnormal grotesk. Yamato gab ein scheußliches Bild ab, das dunkelrote Blut auf seiner schneeweißen Haut… Shusuke machte einen Schritt nach vorne. Das schwarze Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht, die Knöchel seiner Faust knackten. Yamato zuckte kaum sichtbar zusammen, aber ich konnte es dennoch sehen. Ich wollte zu ihm rennen, ihm vor diesen beiden Idioten beschützen, aber meine Beine wollten sich nicht bewegen. Shusuke ging auf ihn zu, die Faust erhoben. Die blauen Augen weiteten sich, als sie ihren Gegner erblickten und fixierten ihn fast schon panisch. Sie waren nur noch ein paar Schritte von einander getrennt. Drei, zwei. Einer. Yamato schloss die Lider und sein Gesicht wurde wieder starr. Shusuke ließ ein frustriertes Schnauben hören. Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine kleine Zornesfalte. Hinter ihm kicherte Yuri auf diese dämliche, mädchenhafte Art. Dann schlug er zu. Yamato! Ich hörte das leise Wimmern und sah wie Yamato zu Boden stürzte. Die Tasche fiel ihm aus den Händen und ihr Inhalt rutschte heraus. Bücher, Hefte, lose Blätter. Shusuke machte ein selbstgefälliges Gesicht. Ihm hatte es gefallen. Für ihn war es ein gutes Gefühl gewesen, Yamato zu schlagen. Ein. Gutes. Gefühl! „Ihr scheiß Idioten!“ Erschrocken wirbelten Yuri und Shusuke herum. Sie starrten mich ungläubig an, schienen nicht zu begreifen, weshalb ich so aufgebracht war. Aber es war mir egal. Ich wollte sehen, wie sie sich vor Schmerz am Boden wanden und um Gnade flehten. Ihre Schandtaten Yamato gegenüber bereuten und einsahen, was für absolut hirnlose Idioten sie gewesen waren. Das es ihnen nicht zustand, so etwas zu tun. Ihnen, die selbst zu dumm waren, um sich ihre eigene Homosexualität einzugestehen. Es war surreal und ich begriff es zuerst nicht wirklich. Dann hörte ich das schmerzerfüllte Keuchen von Shusuke und Yuris Wimmern. Sah meine Faust, spürte die pochenden Knöchel. Kurz wanderte mein Blick hinüber zu ihnen, verweilte allerdings nicht lange. Ich stürzte hinüber zu Yamato und ließ mich vor ihm auf die Knie fallen. Verwundert blickten die blauen Augen zu mir hinauf und ich war mir sicher, dass er mich nicht erkannte. Einen Moment fixierten sie mich, dann weiteten sie sich erschrocken. „Was… was machst du denn hier?“, fragte er mit leiser Stimme, wischte sich fahrig mit dem Ärmel über die Mundwinkel und tupfte sich über die Stirn. Ich fischte ein Taschentuch aus meiner Jacke und übernahm den Rest. Yamato zuckte bei der Berührung zusammen, wehrte sich allerdings nicht dagegen. Er senkte betreten den Blick, wie als hätte er etwas Schlimmes getan. „Geht’s dir gut?“, fragte ich besorgt. Er nickte. „Sie… ich hätte früher kommen müssen.“ „O nein, nein“, sagte Yamato beiläufig und schenkte mir sein schüchternes Lächeln. „Es war nett von dir, überhaupt zu helfen.“ „Nett?“, wiederholte ich erhitzt. „Yamato, sie haben dich zusammen geschlagen. Das war kein Zeichen von Freundlichkeit – so etwas macht man, aus Hilfe, aus Freundschaft, aus…“ Ich konnte mich gerade noch daran hindern Liebe zu sagen, schluckte diese Silbe herunter und verlor kurz den Faden. „… s-so etwas tut man einfach! Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?“ Wieder nickte er, fügte jedoch ein leises „Danke“ hinzu. Der Drang überkam mich und ich konnte es nicht verhindern. Ich schlang die Arme um seinen zierlichen Körper und presste ihn an mich. Wieder zuckte er zusammen, seine langen Finger krallten sich in meine Jacke. Er versuchte mich von sich zu drücken, ich spürte es, aber ich gab nicht nach. Nicht jetzt. Mein Herz klopfte noch immer und meine Augen brannten. Ich hatte wirklich Angst um ihn. Wegen einer dummen Schlägerei von zwei Jungen, die wahrscheinlich noch nicht einmal wussten, wie man das Wort buchstabierte. Wegen Yamato, weil er sich nicht gewehrt, nie jemanden zu Hilfe geholt hatte und es dann nicht einmal als selbstverständlich ansah, wenn man ihm half. Er zitterte, aber nach einer Weile merkte ich, dass ich es in Wirklichkeit war, der zitterte. Yamato lag vollkommen regungslos in meinen Armen, den Kopf an meine Schulter gelehnt. Sein warmer Atem strich an meinem Hals entlang, über das Schlüsselbein. Ich erschauderte, eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Es war unglaublich. Unglaublich ihn zu umarmen, ohne dass ich mich dafür als übermüdet oder unzurechnungsfähig ausgeben musste oder das er sich wehrte. Mittlerweile hatte ich nicht mehr den Eindruck, dass er mich nicht mochte. „Ich… ich bring dich um deine ganze Mittagspause“, brach Yamato leise das Schweigen und löste sich sanft von mir. Ich wollte ihn sofort wieder zu mir ziehen, aber als in seine Augen sah, ließ ich es. Er meinte es ernst. Vollkommen ernst. „Das ist doch egal“, sagte ich. Yamato wirkte verdutzt. „Aber…“, er stockte. „Wieso bist du überhaupt hier? Wieso hast du mir geholfen?“ „Was >wieso