All You Wanted von Nikolaus (Taichi x Yamato) ================================================================================ Kapitel 3: So I Tried To Be Like You (Takeru/Yamato) ---------------------------------------------------- ~ Takerus POV ~ „Schoko oder Normal?“ „Schoko.“ „Hier“, sagte Yamato und reichte mir die Schüssel. Die Cornflakes schwammen in der Milch und starrten mir wie braune Augen entgegen. Kurz beugte Yamato sich über den Tisch zu mir und ließ ein paar geschnittene Erdbeeren in die Milch sinken. Ich starrte sie an, beobachtete wie sie versanken und sah dann wieder zu meinem Bruder. Er hatte sich gerade seinem eigenen Frühstück zugewandt, das aus nicht mehr bestand als einem Apfel und einem Stück Toast. Er schien zu bemerken, dass ich ansah und erwiderte leicht irritiert meinen Blick. „Ist irgendetwas?“ „Nein. Nichts“, sagte ich und rührte mit dem Löffel in meiner Schüssel herum. „Ich hab dir doch erzählt, dass sie mich in der Mannschaft spielen lassen, nicht?“ „Ja“, sagte Yamato und zuckte die Achseln. „Wieso?“ „Taichi hat mich nach dir gefragt“, erwiderte ich und beobachtete seine Reaktion. Yamato erstarrte und blickte auf den Apfel in seiner Hand. Dann legte er den Apfel auf den Tisch und sah mich an. „Was hat er gefragt?“, wollte er leise wissen. Er klang nicht so, wie als ob er es wirklich wissen wollte. „Wie du heißt und wie du aussiehst“, sagte ich. Yamatos Blick wanderte zu der Wanduhr hinter mir und er gab ein leises Seufzen von sich. „Daran ist doch nichts besonderes“, meinte er dann nach einer Weile und erhob sich. Ich glaubte meinen Ohren nicht. Was war denn nicht besonders daran, wenn Taichi Yagami nach einem fragte? Ich selbst war gestern vollkommen überrascht gewesen, als Taichi das wissen wollte, schließlich war mir bekannt, dass Yamato nicht sonderlich beliebt auf der Schule war. So weit ich wusste, hatte er keine Freunde und außer ein paar Notgeilen, die unbedingt mit ihm ins Bett wollten, interessierte sich auch keiner an ihm. Also war es etwas Besonderes, wenn Taichi Yagami nach ihm fragte! „Wir sollten bald gehen, Takeru.“ Ich hob den Kopf und sah ihn an. Er war gerade dabei den Rest seines Apfels zu essen und gleichzeitig die Gläser abzuwaschen. Mit einer deutlichen Geste verlangte er nach meiner Schüssel. Hastig schlang ich die Cornflakes hinunter und reichte sie ihm, er spülte sie ab und stellte sie zum Trocknen auf. Wandte sich zu mir und ignorierte meinen bohrenden Blick. „Vergiss dein Sportzeug nicht“, sagte er, während er in sein Zimmer ging und mit seiner Tasche wieder zurück kam. In der anderen Hand hielt ein dutzend Papiere, sorgfältig geordnet und zusammengeheftet. Fragend sah ich ihn an. „Das ist deine Englischarbeit“, meinte er lächelnd und drückte sie mir in die Hand. „Mir war klar, dass du das wieder nicht auf die Reihe kriegst. Und Herr Minamoto hat doch sowieso schon etwas gegen dich, da musst nicht auch noch eine Sechs bekommen, weil du deine Hausaufgaben nicht erledigt hast.“ „Ich… danke“, erwiderte ich perplex und nahm sie entgegen. Ehrlich gesagt, hatte ich diese Arbeit schon längst wieder vergessen. Die ganze Aufregung um Taichi und die Fußballmannschaft… ich hatte seit gestern nichts Anderes mehr im Kopf. „Ich hab’s total verpennt.“ Ich sah zu meinem Bruder und in seinen blauen Augen flackerte die Erkenntnis, wieso ich es vergessen hatte. Für einen Augenblick meinte ich so etwas wie Trauer aufflammen zu sehen, doch dann hatte Yamato sich auch schon wieder abgewandt und zog sich seine Schuhe an. Als er sich wieder zu mir umdrehte, lächelte er. „Kein Problem. Schließlich hab ich das alles schon mal gemacht“, sagte er, wie als wäre es das Normalste der Welt an einem Abend eine zwölfseitige Englischarbeit über das Vereinigte Königreich und seine Eroberungen zu schreiben. Natürlich, Yamato war in mancher Hinsicht zu begabt für sein Alter, aber in letzter Zeit hatte ich doch eher den Eindruck, dass er sich so in seiner Arbeit verschanzte, dass er für nichts Anderes mehr Zeit hatte. Und das nicht, weil er viel zu tun hatte. Er tat es absichtlich. Er wollte nicht über andere Dinge nachdenken, wie zum Beispiel die große Frage, was er nach der Schule machen würde. Oder die Tatsache, dass Dad degradiert worden war und wir nun noch weniger Geld zur Verfügung hatten als bisher. Wortlos schlüpfte ich in meine Schuhe und zog mir die Jacke über, reichte Yamato seine Tasche. Nach kurzem Zögern schlang ich die Arme um ihn und drückte ihn an mich. Yamato zuckte bei der Berührung kaum merklich zusammen. „Trotzdem danke“, murmelte ich. „Du hättest mich auch hängen lassen können.“ „Ach was“, sagte er lachend und löste sich von mir. Etwas zu schnell, als dass es normal gewirkt hätte. „Wieso sollte ich das tun?“ Er wandte den Blick ab und rückte seine Jacke zu Recht. „Gehen wir. Sonst kommen wir noch zu spät.“ Ich nickte. Gemeinsam verließen wir die Wohnung, Yamato schloss ab. Dad war schon seit geraumer Zeit wieder bei der Arbeit, ich hatte nicht einmal gehört, wie er kam und ging. Auf dem Weg nach unten, herrschte Schweigen zwischen uns und kurz bevor wir die Haustür öffneten, packte ich die Englischarbeit in die Tasche. Yamato beobachtete mich dabei und als ich den Blick hob, lächelte er mich an. Draußen regnete es in Strömen – schon wieder. Mein Bruder gab ein leises Seufzen von sich und zog sich die Kapuze über den Kopf. Nach einem strengen Blick seinerseits, zog auch ich mir die Kapuze über. Gerade als wir die ersten paar Schritte durch den Regen gemacht hatten, hörte ich ein lautes Hupen und wie jemand meinen Namen rief. Ich drehte mich um, sah aus den Augenwinkeln, wie auch Yamato sich umsah, und erblickte ein schwarzes Auto. Mein Herz schlug plötzlich schneller. „Wer ist das?“, fragte Yamato. „Das ist Taichi“, antwortete ich mit vor Freude zitternder Stimme. „Das ist sein Auto! O man, er ist hier! Yama, ist das nicht obercool?“ Yamato gab ein leises Brummen von sich, fügte jedoch schnell hinzu: „Wow, das ist echt toll, Takeru. Geh zu ihnen, sonst wird das Auto unnötig nass.“ Überrascht über diesen Zynismus, drehte ich mich zu ihm und sah ihn an. Sein Blick war abfällig auf das Auto gerichtet. „Du bist doch nicht etwa sauer, oder?“, fragte ich vorsichtig. Schon gestern war er sehr giftig gewesen und ich wollte vermeiden, dass wir heute wieder im Streit auseinander gingen. Yamato war der beste Bruder der Welt, doch er war die Sorte von Menschen, die man nie zum Feind haben wollte. In diesem Augenblick schien Yamato meinen Blick zu bemerken und sah zu mir hoch, auf seinen Zügen war ein liebevolles Lächeln zu sehen. Eigentlich war es dasselbe Lächeln wie immer, doch aus irgendeinem Grund, kam es mir dieses Mal anders vor. Gestellt. Erzwungen. „Was? Nein, natürlich nicht“, tat er es hastig ab und machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Geh schon zu ihnen, sie warten sicher auf dich.“ Ich hob nur fragend eine Augenbraue. Yamato wandte sich ab. Hinter mir konnte ich erneut hören, wie jemand meinen Namen rief. „Jetzt geh endlich“, sagte Yamato. „Aber ich…“, fing ich an, doch Yamato unterbrach mich. „Geh, oder müssen sie dich erst holen?“ Er ließ ein Lachen hören, das genauso gut ein Knurren hätte sein können. „Du machst dir zu viele Gedanken, Takeru. Bestimmt hält dein Vorbild nicht viel davon, im Regen zu warten.“ „Ach was“, sagte ich. „Die sitzen doch im Trockenen. Hör zu, ich kann sie fragen, ob sie dich nicht auch mitnehmen wollen, Yama. Dann musst du nicht bei diesem Wetter in die Schule laufen.“ „Nein danke“, erwiderte Yamato und zog sich die Kapuze ein Stück tiefer ins Gesicht. „Wir sehen uns heute Abend, ich komm heute später.“ „Was? Wieso?“ „Dads Budget wurde gekürzt, schon vergessen?“, sagte er nur. „Bye.“ Und mit diesen Worten ging er los, ließ mich wie einen begossenen Pudel im Regen stehen. „Yama!“, rief ich ihm hinterher, aber er hörte mich nicht. Oder ignorierte mich. Mit einem leisen Seufzen ging ich hinüber zum Auto und sofort wurde mir die Türe geöffnet. Hastig stieg ich ein, hatte einen Augenblick lang ein schlechtes Gewissen, da ich mit meinen nassen Sachen sicherlich die guten Bezüge ruinieren würde, doch dann erblickte ich die Decke auf dem Hintersitz und ließ mich ohne Bedenken fallen. Toshi und Shusuke waren ebenfalls nass bis auf die Socken, nur Taichi am Steuer schien einigermaßen trocken. „Hi Takeru“, begrüßte Taichi mich und drehte sich zu mir um. Lässig lehnte er mit einem Arm auf dem Steuer, mit dem anderen stützte er sich am Sitz ab. Toshi saß neben ihm auf dem Beifahrersitz, Shusuke neben mir. Seine schwarzen Haare trieften vor Wasser und für einen Moment fragte ich mich, wo sein blonder Freund war. „Hey.“ „Das war ´ne ganz schön krasse Abfuhr“, sagte Shusuke grinsend. „Abfuhr?“, wiederholte ich verwirrt, „Welche Abfuhr?“ „Das war keine Abfuhr“, wies Taichi ihn zurecht. „Das war sein Bruder. Yamato. Stimmt’s Takeru?“ Überrascht darüber, dass er sich Yamatos Namen gemerkt hatte, stimmte ich zu. „Sah trotzdem ganz schön heftig aus“, sagte Shusuke. „Wieso hast du ihn nicht mitgebracht?“, fragte Taichi und klang dabei fast ein bisschen enttäuscht. „Bei dem Wetter läuft man doch nicht freiwillig zur Schule.“ „Er anscheinend schon“, seufzte ich und zuckte die Achseln. „Er war ein bisschen komisch, keine Ahnung was los ist. Scheint schon seit gestern nicht bei bester Laune zu sein.“ „Hört sich für mich ganz nach den Tagen an“, meinte Shusuke. „Takerus Bruder ist doch kein Mädchen!“, sagte Toshi. „Das geht gar nicht.“ „Na und?“ Shusuke zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Yuri hat auch immer so´n paar Tage, wo er schlecht drauf ist. Wie so´n Mädchen. Vielleicht hat das… äh, wie heißt er doch gleich?“ „Yama.“ „Ja, genau. Vielleicht hat Yama das auch.“ „Spinner“, lachte Taichi. „Auf solche Theorien kommst wirklich nur du.“ Er startete den Motor und fuhr los. Toshi lehnte sich auf seinem Platz zurück und sah aus dem Fenster. Ich beobachtete ebenfalls die graue Landschaft außerhalb des Autos, in der leisen Hoffnung, vielleicht Yamato zu sehen, damit er bei diesem Wetter nicht laufen musste. Doch ich sah ihn nicht. Wahrscheinlich war er durch den Park gegangen, um diese Situation zu vermeiden. Manchmal konnte ich mich über seine Sturheit wirklich nur aufregen. Also gab ich dieses Vorhaben auf und sah zu Taichi, der gelangweilt auf die Straße starrte und auf einem Kaugummi herumkaute. Lässig strich er sich durch die Haare und erwiderte grinsend meinen Blick durch den Rückspiegel. Sofort stieg mir die Hitze in die Wangen. _ „Wer kann mir jetzt die Quadratwurzel von y sagen?“ Auffordernd sah Herr Heiji in die Klasse, in der einen Hand das Mathebuch, in der anderen die weiße Kreide, mit der er gerade die Gleichung an die Tafel geschrieben hatte. Ich hätte ihm die Lösung sagen können und wahrscheinlich auch der Großteil meiner Kameraden, doch die ganze Klasse hing gelangweilt in ihren Stühlen und starrte aus dem Fenster. Bei diesem Wetter verging einem wirklich die Lust auf Unterricht. Und ich hatte noch ganz andere Gründe, weshalb ich Herrn Heiji nicht Genugtuung gönnen würde, an seinem Unterricht teilzunehmen. „Nun stellt euch nicht so an“, sagte Herr Heiji seufzend und sah sich um. Keiner meldete sich. Murrend wandte er sich zur Tafel um und schrieb selbst die Lösung an die Tafel. Mit einem hämischen Grinsen beobachtete ich ihn dabei. Bei den höheren Jahrgangsstufen war er recht beliebt, doch in meiner Klasse wurde er mehr gehasst, als Frau Nakata, die wohl den langweiligsten Japanischunterricht hielt, den ich je miterleben musste. Die meisten mochten ihn nicht, weil sie Mathe generell nicht mochten, ich hatte etwas gegen ihn, weil er Yamato anschmachtete. Es war offensichtlich, dass Herr Heiji Yamato bei jeder Gelegenheit mit seinen Blicken auszog und seine nächtlichen Abenteuerträume von meinem Bruder handelten. Jedes Mal, wenn ich ihn ansehen musste, wurde mir übel. Wie konnte man als Erwachsener nur einen Jungen begehren, der vor einem Monat noch minderjährig war? „Ishida, hörst du mir zu?“ Ich hob den Kopf und sah den Mann an, der Yamato beim letzten Sommerfest versehentlich an den Hintern gefasst hatte. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich wirklich nicht zugehört hatte und es auch nie tun würde, solange er sich beim Gedanken an meinen Bruder einen runterholte. „Entschuldigung, Herr Heiji“, knurrte ich stattdessen widerwillig. „Ich war gerade etwas abwesend.“ „Das habe ich gemerkt“, erwiderte er schnippisch und sah mich überheblich an, wie als wäre ich es eigentlich gar nicht wert, dass er mit mir sprach. „Dennoch wäre ich sehr froh, wenn du nun an die Tafel kommen würdest und diese Rechnung machst.“ Er deutete auf die Gleichung. Mürrisch erhob ich mich und ging zur Tafel, ergriff die Kreide und fing an zu rechnen. Generell war ich sehr gut in Mathe, doch mit dem Blick dieses… Mistkerls im Rücken, konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Allein die Vorstellung, dass er Yamato mit den gleichen Augen betrachtete und sich wahrscheinlich genau einprägte, wie sein Hintern in der Hose aussah, ließ in mir den üblen Geschmack von Galle aufsteigen. Hinter mir ertönte ein missbilligendes Schnalzen. „Das ist aber nicht ganz korrekt.“ Ihr Gegaffe auch nicht. „Oh, wirklich?“ „Sieh noch mal bei der letzten Zeile nach. Da hast du dich verrechnet, Ishida.“ Ich sah auf die Stelle und musste mir eingestehen, dass er tatsächlich recht hatte. Hastig besserte ich es aus und schrieb die Lösung darunter. Herr Heiji sagte nichts dazu, also war es anscheinend richtig. Als ich wieder zurück zu meinem Platz ging, sah er mir nach und für einen kurzen Augenblick klebte sein Blick an meinen Haaren. Ich wusste sofort, was er dachte und mir wurde übel. Wie konnte der Direktor nur so einen Lustmolch auf die Schüler loslassen? Ich nahm mir vor, dafür zu sorgen, dass er gefeuert wurde. Wenn Taichi einen Lehrer nicht mochte, dann zeigte er es diesem auch und ich würde dies ebenfalls tun. Spätestens wenn er Yamato erneut an den Hintern fasste. Es klingelte laut und das übliche Rascheln setzte ein, wenn die Schüler ihre Sachen einpackten. Herr Heiji sorgte noch einmal kurz für Ruhe, indem er das für ihn typische Räuspern hören ließ, das jedes Mal so überheblich und selbstverliebt klang, dass ich ihm am liebsten die Faust ins Gesicht geschlagen hätte. „Seite 114, Nummer eins und zwei“, sagte er und klappte das Buch in seiner Hand zu. „Bis Morgen. Und ich will, dass diesmal mehr als vier Leute die Hausaufgabe vorzulegen haben. Auf Wiedersehen.“ Kaum einer erwiderte seinen Gruß. Ich packte hastig meine Sachen zusammen und stürmte aus dem Klassenzimmer. Die Mittagspause hatte begonnen und Taichi und die anderen hatten mich erneut dazu eingeladen, an ihrem Tisch zu essen. Ich empfand es als große Ehre mittags zu ihnen kommen zu dürfen und seit mich ein paar Mädchen aus meiner Klasse bei ihnen gesehen hatten, schien mein Ansehen unter meinen Klassenkameraden noch mehr gestiegen zu sein. Dieses merkwürdige warme Gefühl in meinem Magen, verdrängte die Übelkeit und ließ mich mit einem großen Grinsen zur Cafeteria rennen. Ich reihte mich in die lange Schlange bei der Essensausgabe ein und konnte schon von weitem Taichi und Toshi sehen, die zu mir hinüber lächelten und winkten. Ich winkte zurück. Gerade als ich mein Essen entgegen nahm und mich umdrehte, rempelte ich jemanden an. Das Tablett rutschte mir aus den Händen und entlud sich auf den Boden. Hinter mir ließ die Dame der Cafeteria einen wilden Fluch los und warf mir einen Lappen zu. Ich wandte mich der Sauerei auf dem Boden zu und hörte plötzlich: „Tut mir leid, Takeru.“ Verwirrt hob ich den Kopf und sah Yamato, der vor mir kniete und fast schon bedauernd auf das Essen sah. „Das wollte ich nicht.“ Ich fing an zu lachen, nahm eine Serviette und wischte Yamato die Soßenflecken von der Wange. Er sah mich irritiert an, dann blickte er hinunter auf sein T-Shirt und zog eine missbilligende Schnute. „So ein Mist“, fluchte er. „Du kannst mein Sportshirt haben“, sagte ich und deutete auf die Tasche, die neben mir stand. „Ich kann auch in dem T-Shirt Sport machen, fällt niemandem auf.“ Er lächelte, in gewissem Maße überrascht. „Danke.“ „Jetzt verschwindet schon endlich! Ihr braucht ja Jahre dafür!“, erklang auf einmal die herrische Stimme von Madam Lopéz, der rundlichen Frau, die eigentlich hinter der Essenausgabe stand. Sie kam ursprünglich aus Frankreich, doch sie arbeitete schon so lange unter all den Schülern, dass ihr vornehmer Akzent und ihre schönen Kurven seit langer Zeit verschwunden waren. „Hol dir ´was Neues zu Essen und nimm dein Schätzchen gleich mit!“ Sie deutete auf Yamato und scheuchte uns davon. Yamato gab ein drohendes Knurren von sich und ich zog ihn hastig weg. Ich brauchte jetzt keinen Aufstand von Yamato, weil Madam Lopéz ihn für ein Mädchen hielt – was zu Yamatos Missfallen, und meiner heimlichen Schadenfreude, schon öfters passiert war. Ich ignorierte sein leises Geschimpfe, während ich mir bei Madam Lopéz’ Kollegin einen ‚Nachschlag’ holte. Sie beäugte mich, wie als wäre ich einer der lästigen Nager, die nachts in den Mülleimern herumwuselten und das Essen in alle Richtungen verstreuten. Ich packte Yamato am Ellenbogen und zog ihn mit mir. Als er bemerkte, in welche Richtung ich ihn zog, blieb er ruckartig stehen. Im allerletzten Moment konnte ich verhindern, dass mir der Reis erneut zu Boden fiel. „Wir sehen uns heute Abend“, sagte er steif und wollte sich schon abwenden, doch ich ließ ihn nicht los. „Takeru!“ Ich ließ ihn erst los, als er keine Anstalten mehr machte, jeden Augenblick die Flucht zu ergreifen und fragte: „Was hast du denn gegen sie? Sie sind wirklich nett.“ „Es sind deine Freunde“, wich er mir aus und sah feindselig zu Taichi und seinen Freunden hinüber. Überrascht bemerkte ich, dass Taichi uns beobachtete. „Ich will nichts mit ihnen zu tun haben.“ „Wieso nicht? Denkst du etwa, du könntest sie mir wegnehmen?“ Ich lachte laut auf. „Jetzt spinn´ nicht rum.“ Yamato starrte mich perplex an, dann huschte Entsetzen durch seine Augen, bevor sie der Wut Platz machte. Ich brauchte weniger als einen Lidschlag um zu merken, dass ich das Falsche gesagt hatte. Yamatos kühle, abweisende, wortkarge Art war abschreckend für andere Menschen, vielleicht fanden sie ihn sogar unhöflich. Schon seit er ein kleines Kind war, hatte er Schwierigkeiten Freunde zu finden und manchmal hatte ich den Eindruck, dass er gar keine Freunde wollte – die Einsamkeit suchte und sie nicht loslassen wollte. Dennoch erzählte er nur ungern davon und es war ein unausgesprochenes Tabu, darüber zu reden. Und ich hatte gerade die Regel gebrochen. „Hör zu, Yama…“, fing ich hastig an und warf einen nervösen Blick zu Taichi hinüber, inzwischen beobachteten uns auch Toshi und Fu höchst interessiert. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ich fasste Yamato am Arm, doch er schüttelte mich mit ungeahnter Kraft wieder ab. Aus seinen blauen Augen schossen tödliche Blitze. „Nein, ich habe keine Angst, dir deine Freunde wegzunehmen!“, fauchte er mich wütend an. „Ich kann sie einfach nur nicht leiden, okay? Ich finde sie überheblich, egoistisch, idiotisch, hirnlos, hormongesteuert, pervers, rücksichtslos und engstirnig! Und einem runden Ball hinterher zu rennen, nur um ihn in ein viereckiges Tor aus Stofffäden zu donnern, ist die dümmste Freizeitbeschäftigung, die ich je gesehen habe!“ Einen Augenblick war ich sprachlos. Yamato war nicht auf den Kopf gefallen und konnte sich gut artikulieren. Wenn wir uns stritten, zog ich generell den Kürzeren und Yamato konnte unglaublich gemein sein, wenn er wollte, weshalb ich solche Diskussionen eigentlich vermied. Aber dass er mein größtes Hobby und Berufswunsch verhöhnte, ging doch zu weit. Jetzt war er nicht mehr der Einzige, der vor Wut kochte. „Fußball ist nicht dumm!“, erwiderte ich, etwas lauter und zorniger als nötig gewesen wäre. Er schreckte leicht zurück, dann trat er trotzig einen Schritt vor. „Natürlich ist es das!“ „Nur weil du unfähig bist, einen Ball zu treffen, musst du es nicht runter machen!“, zischte ich wütend. „Fußball ist doch nur ein Mittel der Regierung, um das Volk zu unterhalten und mögliche Aufstände zu verhindern!“ Allein diese Worte bewiesen mir mehr als deutlich, dass er wirklich sauer auf mich war. Hinzu kamen die Blicke aus seinen blauen Augen, die mich förmlich aufzuspießen schienen. Aber bevor ich etwas erwidern konnte, ertönte hinter uns ein lauter Piff und jemand klatschte übertrieben. Yamato wirbelte herum und das Klatschen verklang auf der Stelle. Ich wandte mich ebenfalls um und sah Taichi, Toshi, Fu und Shusuke. Yuri fehlte. Toshi und Fu blickten verschreckt zu Yamato und ich konnte sie nur zu gut verstehen. Shusuke war sichtlich erbost, nur Taichi schien das Alles sehr gelassen zu nehmen. „Das war ein Treffer unter die Gürtellinie“, grinste er und kam auf uns zu. „Aber ich muss mir eingestehen, dass du möglicherweise gar nicht so unrecht hast…“ „Spar dir deinen Kommentar“, fauchte Yamato und packte seine Tasche, die zu Boden gefallen war. „Ich brauche keine Unterstützung von jemandem wie dir.“ Taichis Dauergrinsen schwand einen Moment, seine Augenbraue zuckte wütend. Seine große, imposante Gestalt ließ Yamato noch gebrechlicher und kleiner wirken, als er es ohnehin war. In meinem Magen machte sich erneut dieses Gefühl breit und diesmal erkannte ich es; ich hatte Angst um Yamato. Falls es zu handfesten Übergriffen kommen würde, würde Yamato haushoch verlieren. Hastig umfasste ich sein Handgelenk und zog ihn zu mir, doch als ich seinen Blick sah, ließ ich ihn schnell los, wie als hätte ich mich an ihm verbrannt. „Was soll das heißen >von jemandem wie mirvon jemandem wie mir