Der Weg eines Kindes von Hisoka_Hebi (Mama Ana Ahabak – Die Geschichte zum Lied) ================================================================================ Kapitel 4: Part 4 ----------------- ~ Ruinen ~ Wir liefen durch den dichten Nebel, der Wind rauschte und überall hörte ich die um Hilfe rufenden Menschen. Die eisernen Vögel die über uns hinweg geflogen waren, hatten Chaos in unsere kleine Karawane gebracht. Obwohl ich nichts sehen konnte, roch ich überall verbranntes Fleisch, brennende und knisternde Büsche. Es roch nach Rauch, nach Feuer und wir waren hier eingeschlossen. Die Menschen riefen um Hilfe, doch wer sollte uns hier schon hören? Ich klammerte mich an meine Mutter, wollte nicht weg von ihr, brauchte ihre schützende Wärme. Wieso waren wir hier? Ständig schweiften meine Gedanken zurück an die bessere Zeit in unserer Heimat, die jetzt nichts weiter waren als Ruinen. Trauer erfüllte mein Herz mit dem Schmerz über den Verlust, von alle dem, was ich früher verflucht hatte. Wie töricht ich doch gewesen war. Als ich dachte ich wäre bereits in der Hölle in der mir als Frau alles verwehrt geblieben ist. Doch wusste ich noch nicht was die wahre Hölle ist. Nun war ich mitten drin, in dieser Hölle aus verschlingenden Eisenvögeln und lodernden Flammen. Viele schienen verletzt, da ich das Jammern und Wimmern wie Trommelschläge in meinen Ohren vibrieren hörte. Aber was konnten wir machen, wer führte uns jetzt an? Wo waren wir? „Rafft euch zusammen wir müssen hier weg, nehmt die Verletzten mit!“, hörte ich eine junge Männerstimme rufen. Der Klang dieser Stimme schien Hoffnung auf einen Fluchtweg zu geben. Ich erkannte die Stimme, mein Bruder. Ich sah in bildlich vor mir, obwohl ich eigentlich nichts sehen konnte, sah ich ihn so deutlich vor meinen Augen. Wie er das Schwert erhob und die Anderen ermutigte und die Hoffnung brachte. Wie er nach den Verletzten griff und sie auf die Beine zurück holte, ihnen Kraft gab weiter zu gehen. In eine bessere Zukunft. Wie als ob er der Hoffnungsträger persönlich wäre und wie ein leuchtendes Licht allen den Weg zeigte, setzten sich die Menschen in unserer kleinen Karawane schwankend in Bewegung und marschierten los. Das Jammern und der Schmerz verstummte, das knistern des Feuers verschwamm in der Ferne und der beißende Geruch von Rauch mischte sich mit frischer sauberer Luft, die ich begierig inhalierte. Der Marsch war lang, die Kehlen trocken und die Münder voller staub. Der Wind pfeift um unsere Ohren, die Erde wurde wie Sand um unsere Körper gefegt. Ich klammerte auf dem Rücken meiner Mutter. Ihr Gang war träge, wacklig. Ihr Atem ging schwer. Ich wusste das sie nicht die Kraft hatte mich weiter hin zu tragen und doch hatte ich Angst alleine auf meinen Füßen weiter zu gehen und versteckte mein Gesicht in ihrem Rücken. Hoffte darauf, dass wir endlich ein Ziel finden würden und dass das alles endlich ein Ende fand. Eine endlos scheinende Strecke hatten wir hinter uns gebracht und unterwegs fanden wir sogar ein Wasserloch, dass unser alles Durst du mildern vermochte. Mittlerweile lief ich an der Hand von meiner Mutter. Ich hatte es geschafft meine Angst zu überwinden, obwohl ich über Stock und Stein stolperte. Traurig vernahm ich, wie wir immer weniger in unser kleinen Karawane wurden. Beim letzten Wasserloch hatten wir einige zurück gelassen, was mein Herz zu schnürte. Wie sollte dass alles nur noch werden. Ich hatte Angst auf einmal alleine da zustehen. „Eine Stadt, eine Stadt“, schrie die Stimme meines Bruders und es klang Hoffnung mit. Mein Herz pochte vor Aufregung lauter. Eine Stadt? Es Schmeckte süßlich wie Schokolade auf meiner Zunge. Der Gedanke, dass wir vielleicht endlich unser Ziel erreicht haben konnten und hier in Sicherheit wären. Als ob die Geister in die Körper der Menschen zurück gekehrt waren, schien meine Mutter fast loszulaufen und mich nur so hinter sich her ziehend. Wie hungrige Tiere stürzte sich unsere kleine Karawane einen Abhang hinab richtig Stadt. Zu mindestens dachte ich das. Ich hörte den Lärm von Straßenhändlern, wie ich sie aus meinem Dorf kannte und mir kamen vor Glück die Tränen. Ich wusste nicht wie lange es her war, dass ich ein vertrautes Geräusch aus meiner Heimat vernahm. „Samira, da ist eine Stadt, eine Stadt, genau vor uns!“, hörte ich die hoffnungsvolle Stimme meiner Mutter und ich glaubte sie lächeln zu sehen. Langsam ebnete sich die Erde unter meinen Füßen und meine Mutter wurde langsamer, ihr Atem viel ihr schwer. Nun ging sie langsamen Schrittes, schien alles in sich auf zusaugen, was sie sah. Eine Klangwelt offenbarte sich so nah und doch so fern. Viele verschiedene Geräusche mischten sich ineinander. Manche erkannte ich, manche nicht. Der Duft von gebratenen Fleisch lief auf meiner Zunge zusammen. Händler riefen durcheinander und boten ihre Waren an. Es hörte sich für mich wie ein Paradis an. Hier wo wir waren, gab es Nahrung und Wasser und noch glückliche Menschen. Die Tränen rangen über meine Wangen. Allah sei mit uns, dachte ich bei mir und bedankte mich dafür, endlich einen Ort gefunden zu haben, wo wir bleiben konnten. „Allah sei mit euch“, begrüßte uns eine alte, raue Stimme. Schritte kamen schlurfend Näher. Ich spürte wie meine Mutter stehen blieb und sich verbeugte. Ich wusste nicht warum, aber ich tat es instinktiv ebenfalls. So als ob von der fremden Person so eine starke Präsens ausgehen würde. „An euch klebt der Tod, ich kann euch nicht gewähren die Stadt zu betreten“, erklang noch einmal die Stimme des Fremden und nun hallte eine abwertende Haltung über uns. Seine Worte schnürten mir förmlich die Kehle zu und verboten mir die Luft einzuatmen. Was war hier los? Vor uns war die erste, lebendige Stadt die wir erreichen konnten und nun lies man uns nicht hinein? Das Bild einer glorreichen Stadt, die ich mir mit all meiner Vorstellungskraft ins Gedächtnis gerufen hatte, zersprang in tausend kleine Glassplitter und hinterlies eine undurchdringliche Finsternis. Angst. „Herr, wir haben keinen Ort zu dem wir zurück kehren können. Wir sind durchs ganze Land gezogen und suchen nach einer Zufluchtsstätte. Bitte schicken sie uns nicht wieder weg“, hörte ich meinen Bruder flehen. Ich schluckte schwer. Noch nie hatte ich meinen großen Bruder so unterwürfig erlebt. Ich konnte mir vorstellen, wie er vor dem Fremden auf den Knien hockte und sich verbeugte. „Schweig, ich bringt nur Unheil mit euch! Wenn ich euch gewähre, werden die Fremden auch über unsere Stadt hinweg ziehen. Ich seit ausgestoßene, Flüchtlinge! Verschwindet!“ Der Fremde schien kein Erbarmen und ich glaubte sogar Angst in seinen Worten mithallen zu hören. Aber was sollten wir machen? Wo sollten wir hin? Nun wo wir endlich zuflucht gefunden hatten. Ich hörte wie die Schritte des Fremden sich entfernten und Unsicherheit und Verzweiflung sich über unsere Karawane legte. Langsam setzten wir uns wieder in Bewegung. Alle wussten, hier konnten wir nicht bleiben. Ich vernahm Schritte, schnelle, laufende und doch zu leicht für einen Erwachsenen. Ich blieb stehen und sah zurück, lauschte den Geräuschen. Tatsächlich, da schien jemand hinter uns herzukommen. „Hey wartet, kommt in einem großen Bogen auf die Ostseite des Dorfes, dort gibt es alte Ruinen!“ Es war die Stimme eines kleinen Jungen uns er atmete schwer. Er war wie ein grelles Leuchten in meinem dunklen Blick. Wie die Hoffnung in der Finsternis. Gemurmel brach in der Karawane aus. Unschlüssigkeit. Der Junge lief wieder weg. Seine Schritte entfernten sich. War das nun gut oder war es schlecht. Wollte er helfen oder uns in eine Falle locken. Noch immer diskutierten die Erwachsenen untereinander was sie tun sollten. Ich zock am Ärmel meiner Mutter, wollte ihre Aufmerksamkeit erhaschen. „Mama, lasst uns dahin, der Junge meint es gut, vielleicht können wir uns da ausruhen, vielleicht gibt es sauberes Wasser oder etwas zu essen“, versuchte ich meine Mutter weiß zu machen. Obwohl ich es selber nicht wusste, glaubte ich daran. Ganz fest. „Samira, wir wissen nicht was uns da erwartet, wir sind hier unerwünscht. Wir müssen woanders unser Glück finden“, entgegnete sie mir mit leiser Stimme. „Hört doch, hört doch“, mache ich erneut auf mich aufmerksam und wedle mit den Armen über meinen Kopf. Ich wusste einem Mädchen stand es nicht zu, sich so ungehörig zu benehmen, aber in diesem Moment wollte ich von dürfen und nicht dürfen, gar nichts hören. „Sei leise, Samira“; mahnte mich meine Mutter erneut und ihr Blick lag strafend auf mir. Ich spürte wie sie mir das Wort verbot, doch ich wollte nicht hören, nicht jetzt. Nicht hier, wo wir eine Chance hatten. „Der Junge hat doch keinen Grund uns zu belügen und sollen wir die Chance entgehen lassen hier Unterkunft zu bekommen? Wir sind alle Verletzt, haben Tagelang nichts zu essen bekommen und wer weiß wann wir das nächste Mal etwas zu trinken finden? Weiß Allah ob wir eine andere Stadt finden, die uns aufnehmen werden? Mehr als diese Chance bekommen wir vielleicht nicht noch einmal. Wir haben doch nichts mehr zu verlieren“ Ich versuchte gehör zu finden blickte zu ihnen auf, dort wo ihre Gesichten wären und hoffte, dass sie meine Worte überlegten. Ich wollte diese Chance nicht auslassen. Wollte nicht alleine hier bleiben, wollte das sie alle mitkamen. Zusammen bleiben. „Lasst es uns versuchen“, wandte nun mein Bruder ein. Auf sein Wort vertrauten sie. Das Gemurmel versummte und unsere kleine Karawane setzte sich in Bewegung. Nur mühselig kamen wir voran. Noch immer zu viele Verletzte die Hilfe brauchten, die sich nur durch die Hoffnung auf den Beinen hielten. Der Wind war stark, er wirbelte die Erde auf und versteckte uns vor den Augen anderen. Wie der Junge sagte, ragten auf der Ostsseite des Stadtrandes Ruinen eingestürzter Gebäude aus dem Boden. Die Stadt war von einem Saum grüner Wiese umringt. Wie ein Schutzwall, der all das Unheil abhielt. So hörte ich meine Mutter mir zuflüstern. Als wir uns näherten, schien der Junge schon auf uns zu warten. Er winkte uns und wir folgten ihm zwischen die Ruinen. Der Wind pfiff durch jede Ecke und gab gruselige Geräusche von sich. Der sandige Boden wechselte zu Stein, der wie Treppen geformt und tiefer brachte. Unter die Erde. Eine Gänsehaut schlich sich auf meine Haut. Die Temperatur fiel. Der Stein unter meinen Füßen lies eisige Kälte an meinen Beinen empor steigen. Hier sollte unsere Zukunft sein? An einem solch, kaltem Ort? Meine Hoffnung schwankte. War das wirklich die richtige Entscheidung gewesen? Die Stufen endeten, hier unten war es nicht mehr so kalt. Irgendwo knisterte ein Feuer. Leises Stimmengemurmel aus einer Ecke. Der Geruch von gebratenden Fleisch und Orangen erfüllte die Luft und lies mir das Wasser im Munde zerlaufen. Erleichterndes aufatmen ging durch die Runde. Meine Mutter schob mich vor sich her und setzte sich nahe der Wärme. Hier hatten sie Feuer gemacht. Viele verschiedene Stimmen murmelten, es mussten viele sein. Was machten sie hier alle unter der Erde. Ich klammerte mich an den Rock meiner Mutter. „Schon gut Samira, keine Angst“, vernahm ich ihre beruhigende Stimme. Sie lies sich nahe der Wärme nieder und zog mich auf meinen Schoss. Leise unterhielten sich die Erwachsenen und Suaheli. Leider habe ich nie gelernt sie zu sprechen, weshalb ich nichts verstehen konnte, aber ihre Stimmen waren beruhigend. Es wurde ein Krug mit klaren Wasser herum gereicht. Es war das erste klare Wasser, seit langem und ich genoss jeden einzigen Tropfen. Auch ein Stück Fleisch auf einer Brotscheibe und einen Apfel schien jeder von uns zu bekommen. Genüsslich kaute ich darauf herum und Freudentränen rangen meine Wangen herab. Wie lange hatte ich darauf gehofft einmal wieder so leckeres Fleisch zu bekommen. „Bringt die Verletzten in den Nebenraum, ein Arzt kommt gleich“, hörte ich in der Ferne eine leise Frauenstimme. Ich hörte wie manche aufstanden und dabei halfen die verletzten hinüber zu tragen. Ein Gefühl von Ruhe erfüllte mich und zum ersten Mal seit langen, erfüllte mich keine Angst. Die Hand meiner Mutter strich abwesend über mein Haar und ich hörte sie leise summen. Dankbarkeit. Ich war leicht beim einnicken und lies mich beduseln, von den Gemurmel der Menschen um uns herum. Wärmen von den Flammen des Feuers und dem leichten Kopftätscheln von meiner Mutter. Da vernahm ich in der Ferne das Geschrei der Eisenvögel. Ich wollte dieses Geräusch, dass sich wie Angst durch jeden Winkel meines Körpers wiederhallte, ausblenden. Vergessen. Doch es dröhnte ohrenbetäubend in dem Raum wieder, in dem wir uns befanden. Manche kreischten erschrocken auf, andere wimmerten, betteten. Und dann bebte die Erde. Ich fiel von Mutters Schoß. Ich konnte mich kaum mit meinen Armen abstemmen, wurde immer wieder zu Boden gedrückt. Das Schreien der Menschen wurde unüberhörbar, es brach Panik aus, die Menschen liefen in diesem kleinen Raum hin und her. Schupsten sich, fielen durch das ständige beben zu Boden, rappelten sich auf und fielen wieder. Grob packte mich meine Mutter an den Schultern und zog mich weg, drückte mich gegen eine eisige Wand, dessen Kälte sich in meinem Rück stach, wie kleine Nadeln. Tausende davon. Es schmerzte, ich wollte weinen. Konnte nicht. Meine Mutter saß über mich gebeugt, hielt mich fest. Beschützte mich. Staub rieselte von der Decke, kleine Steine, die aus der decke aus harten Stein brachen. Alle auf meine Mutter, die mich beschützte. Das beben schien nicht aufzuhören, scheuchte die Menschen hinaus ins freie, wo ich die schrecklichen Bienenschwärme wieder hörte, die das Leben aus den Menschen rissen. Ich presste meine Hände auf die Ohren, wollte das nicht hören. Verdrängte die schrecklichen Bilder aus meinen Kopf, die meinen Körper zum schreien brachte. Angst. Pure Angst. Wieso konnte dass alles nicht endlich aufhören. Ich wollte das es aufhörte, dass die Menschen leise wären und sich versteckten, damit ihnen nichts passierte. Doch die Menschen schrieen wie wild, liefen wie aufgescheuchte Hühner, lockten die Gefahr herbei. Und ich saß zusammen gekauert, mit schmerzenden Rücken der Kälte und mit Angst im Nacken, dass die Bienenschwärme bis hier rein drangen und uns verletzten. Ich will nach Hause, betete ich mit den Gedanken an die schönen Momente, mit meinen Brüdern und meiner Mutter. Als wir über Felder und Wälder, über Stock und Stein unterwegs waren. Doch all diese Bilder verwandelten sich in ein rotes Meer aus Lebenssaft, der aus mir heraus tropft, au meinen Brüdern, aus meiner Mutter. Ich weinte bitterlich, wollte nichts mehr hören, fühlen, sehen und mich nicht erinnern. Ich wollte aus dieser schrecklichen Welt einfach fort. Weg, weit fort von alledem. Zieh' nicht so an meiner Hand Wieso drückst du mich an die Wand? Und warum gehn die Lichter aus ? Ich kann kaum noch etwas seh'n, Sag' wieso müssen wir hier steh'n ? Und warum geh'n wir nicht nach Haus ? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)