Fragments von Schangia (Bruchstücke zweier Seelen (SasuNaru)) ================================================================================ Kapitel 3: Neue Pflichten ------------------------- Ungeachtet der Welt in der sie lebten, hatten viele Shinobi gravierende Schwierigkeiten, wenn es um Mord ging. Attentate schlugen fehl, Missionen scheiterten, Ehre, Würde und Stolz wurden begraben, weil die damit beauftragten Shinobi nicht dazu in der Lage waren, die ihnen gegebenen Befehle auszuführen. Es gab Menschen, die besser geeignet für solche Aufträge waren als andere. Sie hatten gelernt, ihre Emotionen völlig auszuschalten, manchmal sogar so erfolgreich, dass sie auch außerhalb der Missionen vollkommen kalt und apathisch auftraten. Schon lange waren sie das Töten und Blutvergießen gewohnt, sodass sie es ohne mit der Wimper zu zucken ausführen konnten. Das Blut von unzähligen Verbrecher, und ab und an auch von Opfern, das ihre grausamen Hände befleckte, störte sie nicht länger. Aus ihnen wurden Roboter, die nur für die Erfüllung ihrer Pflichten lebten, für nichts anderes mehr zu existierten schienen. Uchiha Sasuke war so ein Mensch geworden. Die Mission würde sich einfach gestalten. Eine zweitägige Reise nach Kusagakure, die diskrete Ermordung eines feisten Fürsten, der seit Jahren in die eigene Tasche wirtschaftete, und seiner gut hundert Leibwächtern, die ihren ungerechten Herrscher mit ihren wertlosen Leben verteidigten, und abschließend die Rückreise. Dem dreiköpfigen Team war ein straffer Zeitplan auferlegt worden, doch Sasuke war fest entschlossen, den Plan genau einzuhalten, so wie es von ihm als Teamleader erwartet wurde. Lange Zeit hatte er darauf warten müssen, als ANBU selbst einen Auftrag leiten zu dürfen, und nach unzähligen exzellent ausgeführten Befehlen – und langanhaltendem, nervtötendem Zureden seitens Naruto – hatte die Hokage auch letzten Endes nachgegeben. Erst war Naruto unerträglich stolz auf sich gewesen, und hatte keine Gelegenheit ausgelassen, ihm klarzumachen, wie dankbar er zu sein hatte. Und es hatte verdammt viele Gelegenheiten gegeben. Als jedoch feststand, dass Sasuke für eine knappe Woche fort sein würde, war Naruto beinahe zickig geworden. In den letzten Tagen vor der Mission war er wohl öfter bei Tsunade als bei Ramen Ichiraku gewesen, und das allein sagte aus, wie sehr der Dickkopf die Hokage davon überzeugen wollte, ihn mit auf die Mission zu schicken. Obwohl sie gute Gründe hatte, ihm diesen Wunsch zu verweigern – unter anderem war er kein Mitglied der ANBU-Einheit (Sasuke wusste nicht einmal, ob sein Freund es mittlerweile zum Chūnin geschafft hatte), und außerdem viel zu laut und auffällig für ein Attentat dieser Größe und Wichtigkeit –, schien gerade das seinen Ehrgeiz noch mehr anzuspornen. Geführt hatte es dennoch zu nichts. Ein schmollender Naruto blieb allein zurück und sah seinen Freund durch das Dorftor verschwinden. Als Sasuke in dieser Nacht die Wache übernahm, war die Glut des kleinen Feuers längst erloschen. Der Mond wurde von einsamen Wolken immer wieder verdeckt, und so konnte er die Formen seiner Umgebung nur schemenhaft erahnen. Zumindest so lang, bis er sein Bluterbe wieder aktivieren würde, doch das hatte er in nächster Zeit nicht vor. Auch ohne sein Sharingan würde er bemerken, ob sich ein Feind näherte. Lautlose Stille lag über der kleinen Lichtung, auf der sie ihr provisorisches Lager aufgeschlagen hatten. Ihm fiel auf, dass selbst die Nachtvögel dieser Region nur vereinzelt ihre Lieder sangen; etwas, jemand ließ die Tiere achtsam werden. Auf eine ereignislose Nachtwache konnte er also nicht mehr hoffen. Schwarze Tiefen färbten sich rot, als Sasuke mit geweckter Neugier und vorsichtigem Interesse in dem konturlosen Dunkel nach Feinden Ausschau hielt. Da, ein helles Rascheln. Er kommt von links. Träge wandte er seinen Kopf in die mutmaßliche Richtung. Besorgt war er nicht. Was sollte der Eindringling schon ausrichten? War wohl nur ein durchschnittlicher Shinobi aus Kusa. Ob der armseligen Chakrakontrolle ihres Verfolgers verzog Sasuke sogar spöttisch den schmalen Mund. Es war so einfach gewesen, seine Position ausfindig zu machen. Auch konnte er schon nach wenigen Augenblicken sagen, dass nur ein Shinobi so dumm und naiv gewesen war, ihrer Gruppe zu folgen. Rechts oben, in der dichten Baumkrone. Das stete Knacken der Äste sprach Bände. Wer auch immer ihnen da Gesellschaft leistete, er konnte höchstens auf dem Level eines Genin sein. So amüsant er es auch fand, diesen augenscheinlichen Neuling zu analysieren, war Sasuke dennoch nicht nach Spielchen. »Ich weiß, dass du allein bist, also komm aus dem Baum heraus und stell dich wie ein Mann. Dann werde ich dich vielleicht verschonen.« Gelangweilter hätte seine Stimme kaum klingen können, während er mit einem Ast in der längst erloschenen Glut stocherte, den Blick hinter seiner Maske unbestimmt in die Ferne gerichtet, doch ihren Angreifer trotzdem weiter aus dem Augenwinkel beobachtend. Das Rascheln wurde lauter; anscheinend merkte der Idiot endlich, in was für eine unschöne Lage er sich gebracht hatte. Sasuke konnte ahnen, wie der Fremde in Panik verfallend in blinder Hektik durch das Astwerk sprang, und somit vereinzelte Blätter ihren Weg zum Boden finden ließ. Dann war das fremde Chakra verschwunden. Es überrumpelte ihn ein wenig, dass sein bislang unbekanntes, ziemlich amateurhaftes Gegenüber plötzlich sein Chakra zu verbergen versuchte, doch bereits nach einigen Sekunden hatte er ihn wieder geortet. In den Büschen hinter mir. Kurz ließ er seinen Blick zu seinen beiden Partnern gleiten, vergewisserte sich mit mildem Erstaunen, dass sie noch schliefen. Irgendetwas an der Art, wie der flinke Shinobi seine Energie verbarg, ließ Sasuke stutzen. Ihm war das Chakra des Feindes etwas zu vertraut, als dass es ihm lieb gewesen wäre, aber dennoch konnte er es keinem Individuum genau zuordnen. Der Shinobi befand sich nicht mehr hinter ihm, sondern wieder rechts in dem hohen Blattwerk. Er konnte ein genervtes Aufstöhnen nicht ganz unterdrücken. »Du hast also Lust auf ein kleines Spielchen, was?«, murrte Sasuke, schloss kurz die Augen und griff mit einer schnellen Bewegung nach Kusanagi. Doch soweit, dass sein Chokutō hätte Blut lecken können, kam es gar nicht erst. Einige Kunai schossen von allen Seiten auf ihn zu und er entschied, dass er wohl ohne Kusanagi kämpfen musste, wollte er nicht von den kleinen Messern getroffen werden. Ein schneller Sprung zur Seite brachte ihn aus der Gefahrenzone. Der Angreifer huschte wild umher, suchte sich immer wieder neue Positionen, um ihn zu verwirren. Sein Sharingan ließ ihn dennoch erkennen, dass sein Feind als nächstes von links oben angreifen würde. Während er auswich und selbst einige Shuriken zog, fiel sein Blick abermals auf seine beiden schlafenden Teammitglieder. Genjutsu? Oder Tiefschlaf? Sasuke hatte so oder so nicht vor, sie aufzuwecken und um ihre unnötige Hilfe zu bitten. »Na los, zeig dich, dann können wir meinetwegen dein Spiel spielen«, schnurrte er leise, das Bluterbe voll erwacht und ebenso tiefrot wie die tobende Gier nach einem Kampf, die nun in ihm aufflammte. Natürlich hatte ihre Mission oberste Priorität – aber ein toter Shinobi aus Kusa mehr oder weniger würde Tsunade schon nicht stören. Mit einer geschickten Handbewegung sandte er ein halbes Dutzend Shuriken in die hohen Baumwipfel, nur um kurz darauf eine kleine Rauchwolke verpuffen zu sehen. Ein Doppelgänger. Ein weiterer Blick zu seinem Team, dann zu dem vermeintlichen Aufenthaltsort des Fremden – er nutze die Chance, um nach seinem Chokutō zu greifen, konnte einem erneuten Schwall Kunai nur knapp ausweichen. Missmutig erkannte er die Schnelligkeit seines Angreifers an. Vielleicht würde sich der merkwürdige Kampf ja noch interessant gestalten. Schon wieder verbarg er sein Chakra. Sasuke wusste dennoch, wo der Kerl sich befand; mit vorsichtig gesetzten, schnellen Schritten näherte er sich lautlos dem Baum, in dem sein Gegenüber sich befand. Seine leichte Waffe war bereit, zuzuschlagen; einer Schlange gleich lag sie geschmeidig in der Hand, wartete darauf, ihr Opfer mit einem tödlichen Biss zur Strecke zu bringen. Vier Schritte trennten ihn von einem gezielten Schlag, drei, zwei. Das Chakra seines Gegners schwach spürend überwand er den letzten Schritt, holte aus... und im nächsten Moment stolperte er ungläubig nach hinten, erkannte das zuvor fremde Chakra. Dass der kalte Schock ihm ins Gesicht geschrieben stand war im Moment zweitrangig. Nach Beherrschung ringend wog er seine Optionen gegeneinander ab. Angriff oder Rückzug? Fassungsloses Entsetzen, oder wüste Beschimpfungen? Stach er ihn jetzt sofort ab, oder erst nach erfolgreicher Beendigung der Mission? Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren, wollte ihm erklären, dass diese absurde Situation absolut unmöglich war. Das blonde Etwas konnte nicht wirklich von dem niedrigen Ast baumeln und ihn angrinsen, als wäre es vollkommen normal, seinem Freund auf eine strenggeheime ANBU-Mission zu folgen. Während Naruto also immer noch selig vor sich hin lächelnd, kopfüber vor ihm hing, versuchte Sasuke seine aufgewühlten Gedanken soweit zu beruhigen, wie es ihm in dieser suspekten Situation möglich war. Seine Hand umklammerte das Chokutō so fest, dass es schmerzte, doch wäre es nicht der Griff seines Schwertes gewesen, hätte Sasuke bestimmt nach Narutos Kehle gegriffen. »Was tust du hier?!«, zischte er hinter seiner Tiermaske, als er wieder an einen Punkt gekommen war, an dem sein Gegenüber nicht mit einem Schwall an Beleidigungen und anschließenden Attacken rechnen musste. Zwar zählte Naruto weiß Gott nicht zu den intelligenteren Shinobi Konohagakures, aber er musste doch immerhin so viel gesunden Menschenverstand besitzen, um ihm nicht wie ein Schoßhund hinterher zu hecheln. Derweil war die vermeintliche Intelligenzbestie von seinem Ast hinuntergeklettert, stand nun in voller Größe vor ihm und reichte ihm somit in etwa bis an die Augenlöcher seiner Maske. Angesichts des entschuldigenden Lächelns wäre Sasuke beinahe schwach geworden, doch er war auf einer Mission – der ersten, auf der er als Anführer agieren konnte – und würde solch eine Störung nicht dulden. »Ein einfaches ›Hallo Naruto, schön dich zu sehen‹ hätte es auch getan, weißt du«, witzelte der blonde Shinobi, der wegen der Gesichtsbedeckung seines überrumpelten Freundes das blutrünstige Funkeln in dessen roten Augen nicht sehen konnte. Immer noch rang Sasuke innerlich um Fassung, wollte er doch in diesem Moment nichts sehnlicher, als seinem ignoranten Gegenüber den Schädel zu spalten. »Wenn ich mich freuen würde, dich hier zu sehen, würde ich dich wahrscheinlich auch so grüßen.« Sasuke knirschte leicht mit den Zähnen, um sich vom Schreien abzuhalten. Unglaublich, wie oft Naruto ihn in den letzten Wochen zur Weißglut getrieben hatte. Über die unangekündigten Besuche um sechs in der Früh und das kindische Verstecken seiner Ausrüstung konnte er ebenso hinwegsehen wie über den Versuch seines Freundes, die ihm aufgetragene A-Rang Mission durch einen simplen, lächerlichen Spaziergang mit den Hunden einer senilen Dorfbewohnerin auszutauschen. Sasuke war alles andere als prüde, und so hatte er all diese Geschmacklosigkeiten, bei denen er sich zugegebenermaßen doch das ein oder andere Mal ein Lächeln erlaubt hatte, kommentarlos ertragen. Diese Aktion allerdings übertraf alle bisherigen spontanen Einfälle Narutos um Längen an Dummheit und Sinnlosigkeit, und das war etwas, das selbst Sasuke niemals für möglich gehalten hatte. So schwankte er noch ein wenig länger zwischen Kameradenmord und Selbstbeherrschung, während Naruto sich bereits bedauernd grinsend dem Lager zuwand. »Sei doch nicht immer so. Eigentlich bist du doch überglücklich, mich wieder zu sehen.« Davon schien er felsenfest überzeugt, als er sich gemächlichen Schrittes auf den Weg zu den beiden schlafenden ANBU machte. »Wow, die haben aber einen verdammt tiefen Schlaf, meinst du nicht auch, Sas—« Das nächste, das Naruto sah, war Kusanagis Klinge, die der dünnen Haut seiner Kehle gefährlich nah kam. Sein irritierter Blick über die Schulter fing den ernsten, stoischen Ausdruck in den Augen des anderen auf. Naruto schluckte hart; sein Kehlkopf streifte die scharfe Schneide, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. »Hab... ich was Falsches gesagt?« Sasuke senkte seine Waffe ein wenig, nahm der unerwarteten Situation etwas die Spannung. Alles in ihm weigerte sich, den Blonden zu bedrohen, aber für den Erfolg des Auftrages war es von äußerster Wichtigkeit, dass Naruto seine folgenden Worte verstand. »Nenn mich hier nicht so. Wenn wir auf Missionen geschickt werden, bekommen wir der Sicherheit wegen einen Decknamen«, erklärte er versucht ruhig. »Für die Zeit deines Aufenthalts hast du mich Kiyoshi zu nennen. Haben wir uns verstanden?« Halbwegs zufrieden schob er sein Schwert wieder zurück in die Scheide. Sein Gegenüber schien den Ernst der Lage zu verstehen und das Neugelernte anwenden zu wollen, und das reichte ihm für den Moment. »Na gut, Kiyoshi; was genau ist denn unser Auftrag?«, fragte Naruto kurze Zeit später, nachdem der Schreck seine Glieder wieder verlassen hatte. »Unser Auftrag?« Er hatte sich wohl verhört. »Du verschwindest hier so schnell wie möglich wieder, mein lieber Freund.« Sasuke musste gegen den penetranten Drang ankämpfen, in manisches Gackern zu verfallen, doch ein leicht irres Grinsen nahm trotzdem seine Gesichtszüge in Beschlag. Glücklicherweise konnte sein Gegenüber das durch die Maske nicht sehen. Gut zu wissen, dass Naruto ihn langsam wahnsinnig werden ließ. Ein dumpfes Pochen breitete sich in seinem Kopf aus, er fühlte sich mit einem Schlag unendlich müde und wollte nichts sehnlicher, als diese Situation so schnell wie möglich zu klären. »Tut mir Leid.« Nein, tat es nicht. »Aber dieser Attentat wird ohne dich vonstattengehen«, erklärte Sasuke, als Naruto ihm nicht antwortete. Nun stand ihm aufgebrachte Verständnislosigkeit ins Gesicht geschrieben; es war so einfach für ihn, das zu erkennen. »Warum denn nicht?!« »Weil du für diese Mission absolut ungeeignet bist, vielleicht? Oder weil du uns bereits jetzt mit deinem Geschrei alle Shinobi aus Kusa auf den Hals hetzen wirst? Eventuell auch, weil Tsunade dich als untauglich befunden hat, oder du keiner von uns bist?« Sasuke schloss genervt die Augen, rieb sich die immer stärker schmerzenden Schläfen. »Such dir einen Grund aus, Naruto.« Der Angesprochene schien der Aufforderung wirklich nachzukommen, schien angestrengt zu überlegen. »Also...«, begann er nach einiger Zeit unsicher. »Kann ich mir auch zwei aussuchen?« Im ersten Moment war es für ihn nicht greifbar, was Naruto ihn gerade gefragt hatte. Es musste ein schlechter Scherz sein. Das konnte er nicht ernsthaft gesagt haben. Und das Schlimmste daran war wohl, dass er es auch noch ernst zu meinen schien. Wieder wollte er einfach nur laut loslachen, aber das letzte bisschen seines Verstandes wehrte sich mit allen Mitteln dagegen. »Meinetwegen«, antwortete er zähneknirschend. Als Naruto zur finalen Antwort ansetzen wollte, meldeten sich die kläglichen Überreste seiner Shinobi-Qualitäten. Das leise Rascheln des trockenen Grases rief Sasuke die Tollpatschigkeit und Ungeholfenheit Narutos wieder ins Gedächtnis, und er musste ein spöttisches Auflachen zurückhalten, als besagter Shinobi sich kampfbereit vor ihn stellte, immer darauf bedacht, dass ihm kein wichtiges Detail entging. Mehr als ein heiseres Flüstern brachte er trotz alledem nicht zustande, als er Sasuke vor den Neuankömmlingen warnen wollte. »Pass auf, wir haben Besuch. Mach dich bereit.« Ein kurzes Kichern konnte Sasuke sich nicht verkneifen. »Das ist nicht witzig! Die zwei Typen haben ein unglaubliches Chakra!« Naruto war sichtlich entsetzt, dass sein Freund die ganze Situation so locker hinnahm. Der Uchiha sollte ihre Gegner ernster nehmen; selbst er konnte die Kraft spüren, die von den beiden Fremden ausging. Ihr Chakra war dem von Sasuke zwar nicht ebenwürdig, aber sie waren sehr nah dran. Er hielt Naruto an der Schulter zurück, als dieser blind in den Kampf stürzen wollte. Nichts als einen irritierten Blick erntend, setzte er zu einer Erklärung an: »Natürlich sind sie stark. Sonst hätte Tsunade sie nicht mit mir auf diese Mission geschickt.« Erkenntnis huschte über die Züge des Jinchūriki; hektisch schoss sein Kopf zwischen den beiden ANBU und seinem Freund hin und her. Vor ihm standen zwei junge Männer in der typischen Kleidung der Spezialeinheit Konohas, und auf einen Schlag kam er sich schrecklich dumm vor. Immer noch verharrte er schützend vor Sasuke, der seinen Kopf auf eine Hand stützte und beinahe in einen Lachkrampf verfiel. »Wer ist das? Ein Feind?«, fragte der Kleinere der beiden ANBU nach einer gefühlten Ewigkeit mit hörbarem Misstrauen in der gedämpften Stimme, seine Hand bereits vorsorglich am Griff seines Katanas ruhend. Auch als Sasuke auf seine Frage leicht den Kopf schüttelte, ließ er nur widerwillig von dem Schwert ab. Es herrschte alles verschlingende Stille; weder pfiff der Wind im Duett mit den Baumkronen seine Lieder, noch stimmten die Tiere des Waldes fröhlich mit ein. Sasuke seufzte unbemerkt. »Es gab Komplikationen. Nicht der Rede wert; es hat sich erledigt. Geht wieder schlafen, Arata, Hibiki.« Leisen Schrittes näherte er sich wieder ihrem Lager. Einer Aufforderung gleich nach hinten blickend, gab er Naruto zu verstehen, ihm zu folgen. Nach einigen Augenblicken des Unglaubens setzte sich dieser triumphierend grinsend in Bewegung, ließ dabei zwei mehr als irritierte ANBU zurück. Sasuke sah nicht nach hinten, als er seinem Team letzte Anweisungen gab. »Er wird uns auf der Mission begleiten. Ich übernehme die volle Verantwortung für sein Handeln.« Er hoffte inständig, dass er ihren Auftrag nicht eben zum Scheitern verurteilt hatte. Graue Wolken begrüßten ihn an jenem frühen Mittag, als er die Haustür hinter sich schloss. Nur vereinzelt hatten schwache, blasse Sonnenstrahlen die Kraft, durch die schmutzige Watte am Himmel zu stoßen, und so lag über dem gesamten Anwesen des einst so großen Uchiha Clans ein betäubender, schwerfälliger Nebel. Er selbst nahm diese Apathie gar nicht mehr wahr; zu lange schon hauste er in diesem farblosen Viertel, als dass ihn die konturlose Gleichgültigkeit hätte stören können. Unbewusst wanderte sein Blick zu einem kleinen Stück Rasenfläche, auf dem vereinzelt gefleckte Krötenlilien blühten. Naruto hatte sie einst gepflanzt, um zumindest ein wenig der trüben Aura für Sasuke zu vertreiben. Dass die hübschen Gewächse eingehen mussten, weil er selbst weiß Gott keinen grünen Daumen besaß, war wahrscheinlich vorbestimmt gewesen. Und das sein blonder Freund die selbst gewählten Pflanzen ebenso wenig angemessen umsorgen konnte, war wohl eine unglückliche Fügung des Schicksals. Heute standen nur noch zwei der Lilien aufrecht. Sasuke war sich sicher, dass mit dem Ende dieses Tages eine der beiden verblühen würde. Arata und Hibiki hätten unzufriedener nicht sein können, als sie schweigend neben ihrem Teamführer und dessen Freund von Ast zu Ast sprangen. Ein Genin auf einer so wichtigen Mission? Hatte ihr zeitweiliger Anführer denn tatsächlich schon in so jungen Jahren den Verstand verloren? Während Arata es weitestgehend kommentarlos hinnahm, konnte sich sein schwarzhaariger Freund einige Sticheleien gegen den Jinchūriki nicht verkneifen. Hinter seiner Maske verbarg er den Anflug eines Lächelns, als er zu den beiden anderen aufschloss, sich unter dem wachsamen Blick seines Anführers zu Naruto gesellend. Er kannte diesen Blick – Sasuke wollte ihn also nicht in der Nähe seines Freundes, interessant. »Sag doch mal«, begann er mit gespielter Neugier und geheucheltem Interesse. »Ich bin mir da nicht so sicher, deswegen frage ich dich vorsichtshalber, aber...« Hibiki hatte nun Narutos Aufmerksamkeit, tippte sich in schauspielerischer Glanzleistung mit dem Zeigefinger ans Kinn. »Hält man ein Kunai jetzt an der Spitze, oder an dem anderen Ende?« Und indes Arata sich weiter hinten ein kurzes Auflachen nicht verkneifen konnte – sein Freund hatte ja manchmal seine kleinen Momente –, sah Sasuke zwar weiterhin stur geradeaus, nahm die Konversation der beiden Shinobi aber höchstwahrscheinlich noch intensiver wahr als die Beteiligten selbst. Hilfsbereit – und auch ein wenig überheblich – wie Naruto nun einmal war, grinste er den ANBU frech an. »Klar, kein Problem, Kumpel«, leitete er seine Antwort ein. »Also, bei einem—« Er stutze. Nach einigen Momenten stellte Sasuke sich die Frage, wie lange er wohl brauchen würde, diese lächerliche Anspielung zu durchschauen. In der Tat dauerte es noch ein wenig, bis sich das Erstaunen auf seinem Gesicht in ungläubigen Ärger wandelte. »Moment mal! Willst du damit andeuten, dass ich zu blöd bin, ein Kunai richtig zu halten?!«, keifte Naruto los, wollte sich diese Behandlung nicht bieten lassen. »Das hast du gesagt«, stellte Hibiki gelangweilt mit den Schultern zuckend fest, und während der blonde Shinobi sich nur Hilfe suchend nach Sasuke umsah, ließ er sich wieder so weit nach hinten fallen, dass er mit Arata auf einer Höhe war. Das große Gezeter seitens Naruto fing erst eine gute halbe Stunde später an. ›Unverschämtheit‹, ›bodenlose Frechheit‹ und ›unangemessenes Verhalten‹ waren nur einige Vokabeln, die er zum allgemeinen Erstaunen in den Raum werfen konnte, und somit einmal mehr seinem Ruf als Überraschungsninja alle Ehre machte. Die Ursache der Schimpftirade war derweil in schadenfrohes Gelächter ausgebrochen, hatte sich kaum mehr halten können und war nur deshalb nicht vom Baum gefallen, weil sein braunhaariger Partner die Güte besaß, ihn am Arm wieder hochzuziehen. Beleidigt schwieg Naruto sich aus, sah voll verletztem Stolz und auch ein wenig Scham zur Seite. Sasuke missfiel dieser Anblick; er unterbrach das schallende Gelächter mit einem gezischten Befehl. Es wurde still – bis auf die vereinzelt gemaulten Rechtfertigungen –, als die vier Shinobi die Grenzen des Landes versteckt im Gras erreichten. Bedächtig Schrittes verließ er das namenlose Unheil, das er Heimat nennen musste, und begab sich auf eine der großen Straßen, die quer durch das Dorf, direkt zum Turm der Hokage führten. Die Erinnerungen an jene Mission waren noch so taufrisch, als hätte das Desaster gestern erst stattgefunden. Ihre Mission hätte sich so einfach gestalten können. Anfänglich war sie auch in die gewünschte Richtung verlaufen: Arata und Naruto hatten sich um die erstaunlich kleine Anzahl der Shinobi gekümmert, die in dem Schloss Wache gehalten hatten, und während Hibiki die letzten Leibwächter ausgeschaltet hatte, war Sasuke gleich zur Ermordung des Fürsten übergegangen. Somit hatten sie den ersten Teil ihres Auftrags zu seiner Zufriedenheit abgeschlossen, doch wenn er eines in seinem Leben gelernt hatte, war es, niemals voreilige Schlüsse zu ziehen und den Feind zu unterschätzen. Dieser Weisheit hatten sie es zu verdanken, dass sie jetzt noch lebten. Woher die Scharen an Eliteshinobi gekommen war, wusste er nicht, und er konnte von Glück sagen, wenn es ein Später geben würde, in dem er darüber nachgrübeln konnte. Zahlreich waren sie erschienen, hatten sich wohl zuvor in dem dichten Grün der Blätter verborgen, in den Schatten gelauert und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, zu dem sie hatten zuschlagen können; er war gekommen, als die frevelhaften Attentäter unbemerkt aus dem Palast ihres erhabenen Fürsten hatten fliehen wollen. Mehrere Hundert von ihnen kesselten sie ein, wirkten wie eine undurchdringliche, grünbraune Wand aus Klingen und starken Ninjutsu. Im Getümmel des Gefechts hatte Sasuke irgendwann sein Zeitgefühl verloren, doch sie mussten trotzdem schon einige Stunden gekämpft haben, war doch sein gesamter Trupp kurz davor, an seine Grenzen zu stoßen. Wenn sie hier lebend rauskommen wollten, brauchten sie einen verdammt guten Plan. Sie müssten— »Mein Gott, pass doch auf, auf wen du dein Jutsu loslässt, du Schwachkopf!«, keifte Hibiki quer über den Kampfplatz, und das in einer Lautstärke, die sogar die Geräusche ihrer blutigen Schlacht übertönte. Sasuke seufzte schwer; sein Kusanagi fuhr durch einen weiteren Gegner, dessen schlaffer Körper kurz darauf zu Boden fiel. Was hatte Naruto denn jetzt wieder angestellt? Die Antwort traf ihn wortwörtlich erschreckend hart, als er plötzlich von hinten einen gewaltigen Stoß bekam und in die Außenmauer des Palastes geschleudert wurde. Der Aufprall ließ alle Luft aus seinen Lungen entweichen. Wutentbrannt keuchend schob er die Gesteinsbrocken unwirsch zur Seite und fragte sich, ob er Naruto nicht einfach hier und jetzt in seine Einzelteile zerlegen sollte. Das Opfer seiner böswilligen Phantasien hingegen saß eingeschnappt auf seinem Schoß, hielt sich den wohl ziemlich schmerzenden Kopf – das allerdings konnte Sasuke nicht ganz nachvollziehen, immerhin war es sein Kopf gewesen, der Bekanntschaft mit dem Mauerwerk gemacht hatte – und schmetterte Hibiki wüste Beschimpfungen entgegen. »Was platzt du auch dazwischen, wenn ich gerade einem von den Kerlen den Arsch aufreißen will?!« Obwohl Naruto ziemlich aufgedreht wirkte, als wolle er schnellstmöglich zurück in den Kampf, bewegte er sich keinen Zentimeter. Stattdessen sackte er leicht schmollend noch ein wenig mehr zusammen, leise Flüche vor sich hinmurmelnd. Perplex blickte Sasuke auf seinen Freund, lehnte sich aber nach einigen Momenten so weit nach vorne, dass er mit der Stirn den Hinterkopf Narutos berührte. Blonde Haare hätten seine Nasenspitze kitzeln können, als er den überraschten Shinobi neckte. »Du und Hibiki scheinen ja großartige Freunde geworden zu sein«, flüsterte Sasuke gedämpft kichernd. »Ach, wenn du die Witzfigur erst einmal so richtig zur Schnecke gemacht hast, dann wird der sich schon umgucken«, platze es selbstsicher aus Naruto heraus, während er sich noch etwas weiter nach hinten sinken ließ. Als Sasuke jedoch nur schmunzelte, die roten Augen hinter seiner Maske einen belustigten, zugleich bedrohlichen Glanz annahmen, musste er hart schlucken. »Du... machst ihn doch fertig dafür... oder?«, fragte er verunsichert, rückte ein bisschen von seinem Freund weg, der ihn mit einem leicht irren Blick musterte – soweit Naruto das unter der Tiermaske erkennen konnte. Sasuke antwortete nicht, hob nur langsam die Hand und fuhr ihm mit langen Fingern über den Arm. »Weißt du, Naruto«, begann er, während er sich bedächtig nach vorne beugte, die nächsten Worte mit einem bedrohlichen Unterton säuselte. »Wenn wir zurück in Konoha sind, wirst du mehr als einmal dafür büßen müssen, dass du meine Mission zu solch einem Desaster hast ausarten lassen.« Dass Naruto nur unruhig von seinem Schoß rutschte, und dabei nervöse lächelnd versuchte, immer weiter Abstand zu gewinnen, amüsierte ihn auf eine ganz widersinnige Art und Weise. Zufrieden schloss Sasuke die Augen. Er schien zwar irre zu werden, aber immerhin konnte er es seinem Freund tausendfach zurückzahlen. Und was Hibiki anging, würde er auch nichts unternehmen. Schließlich ging ihr Gezanke ihn nichts an, und Naruto würde den ANBU höchstwahrscheinlich nicht noch einmal sehen, geschweige denn auf eine Mission mit ihm gehen. Außerdem hatte Hibiki ihn ja auf keine Weise verärgert. »Ach nee! Schau mal, Arata; Kiyoshi hat endlich seine große Liebe gefunden! Hebt euch das für Zuhause auf, ihr Turteltäubchen!« Vielleicht bringe ich ihn um. Nur zur Sicherheit. Unverständliche Flüche brummend nahm Sasuke den Kampf wieder auf, ließ all die angestaute Wut der letzten Stunde explodieren, und gab den Feinden keine Chance lebend zu entkommen. Auch bemerkte er nicht, dass Naruto erst sehr viel später wieder mit hochrotem Kopf neben ihm seine Schlachten schlug. Letzten Endes hatte er weder Naruto noch Hibiki umgebracht. Seine beiden Teamkameraden hatten sich zwar auch nach Beendung der Mission nie mit dem blonden Überraschungsninja anfreunden können, doch das hatte ihn nicht wirklich gestört; es hätte ihn eher überrascht, wenn es tatsächlich so gekommen wäre. Diese drei zusammen hätte er wahrscheinlich nicht ertragen können. Unbewusst fuhr er mit den Fingern über das Tattoo an seinem linken Arm. Sein Eintritt bei den ANBU hatte viel verändert; diese eine Mission wohl mehr als alle anderen. Nicht, weil er sich noch heute voll Schadenfreude an Narutos Gesicht erinnerte, als Tsunade ihm einen Monat lang alle Aufträge gestrichen hatte, da er ja offensichtlich einen wichtigen Auftrag der Eliteshinobi behindert hatte. Er hatte sich danach nie wieder unerlaubt eingeschlichen, sondern – mehr oder weniger geduldig – in Konoha auf ihn gewartet. Er hatte am Dorftor gestanden, um ihn vor allen anderen zu begrüßen. Er hatte sich danach von ihm immer zu Ramen Ichiraku einladen lassen. Und viele Monate später hatten sie das getan, was Hibiki ihnen geraten hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)