Fragments von Schangia (Bruchstücke zweier Seelen (SasuNaru)) ================================================================================ Prolog: Zerbrochen ------------------ Es hätte nicht so kommen müssen. Und wenn er besser aufgepasst hätte, dann wäre diese Tragödie auch nie geschehen. Vielleicht war es auch gar nicht so sehr sein Fehler, sondern vielmehr der seines Freundes. Wäre Naruto nicht so darauf versessen gewesen, ihn aufzuhalten... es hätte alles so einfach sein können. Aber in seinem Leben war noch niemals irgendetwas einfach gewesen. Seit er zurückdenken konnte, glich sein Dasein vielmehr einem endlos langen Kampf, dessen einzelne Etappen er öfters verlor als gewann. War das eventuell der Grund dafür, dass es so weit gekommen war? Oder war es einfach nur ein dummer Zufall? Konnte man das Schicksal nennen? Ich glaube nicht an das Schicksal. All diese unnützen Fragen verbannte er aus seinen Gedanken. Sie waren nicht länger von Bedeutung, wenn er es hier und jetzt beenden würde. Was sollte ihn aufhalten? Wer sollte, konnte, und wollte ihn denn schon aufhalten? »Sasuke!« Mit einem leisen Seufzer schloss er die Augen, als sich die einzige Person, der er noch nicht egal war wieder aufrappelte, um ihren Kampf fortzusetzen. Naruto hatte viel einstecken müssen, aber zu behaupten, ihr Gefecht wäre spurlos an ihm selbst vorbeigezogen, wäre eine hässliche Lüge gewesen. Obgleich er nicht sagen konnte, welche Wunden schlimmer schmerzten – die körperlichen oder die seelischen –, tief waren sie zweifellos. Bis zum bitteren Ende hatte er gehofft, beinahe gefleht, es würde sich bei den Geschehnissen um einen Traum handeln. Dass Naruto nicht so plötzlich auf den Steinriesen der Gründerväter Konohas aufgetaucht wäre, dass er nicht so verzweifelt versucht hätte, ihn von einer Rückkehr zu überzeugen. Dass er ihn nicht angegriffen hätte, und er sich nicht zur Wehr gesetzt hätte. Dass er ihn nicht verletzte hätte. Doch das scharlachrote, unangenehm warme Blut, das nun langsam an seinem Arm hinabrann, war der wohl eindeutigste Beweis dafür, dass es sich nicht um einen Traum handelte – wenn überhaupt, dann nur um einen Alptraum. Übelkeit stieg in ihm auf, als ihm bewusst wurde, dass es Narutos Blut war. All seinen Mut zusammennehmend, wanderte sein leerer Blick an seinem Arm hinauf, bis er direkt in die blauen Iriden des anderen sehen konnte. Der kalte Schock, der in diesen sonst so gutmütigen Augen stand, nahm Sasuke für einen Moment die Fähigkeit zu atmen, und seine bereits stark in Mitleidenschaft gezogene Selbstbeherrschung musste einen weiteren großen Riss einbüßen. Naruto hatte Ernst machen wollen, und er war darauf eingegangen. Hatte er seinen Einsatz erhöht, war Sasuke mitgegangen; solange, bis das Risiko unerträglich groß war. Nun hatte er ihn an seinem Arm regelrecht wie mit einer Lanze aufgespießt, hatte ihm ein faustgroßes Loch in die Brust gerissen. Eine drückende Stille breitete sich über ihnen aus, bis er den Herzschlag des Blonden spüren konnte. Wirklich spüren konnte. Mit einer ungelenken, ruckartigen Bewegung zog er seine Gliedmaße zurück, als die Erkenntnis mit kaum zu ertragener Wucht auf ihn einschlug, ihn fast in die Knie zwang; er hatte das Fleisch seines Freundes knapp neben dessen Herz durchbohrt, den Puls nur gespürt, weil sein eigener nur wenige Zentimeter davon entfernt schlug. Der starke Drang sich zu übergeben flammte erneut in ihm auf. Er unterdrückte ihn so gut es ging. Auf dem kalten Stein zu seinen Füßen lag er, regungslos, flach atmend, als würde er friedlich schlafen. Mitten in ihrem Kampf hatte sich der Himmel verdüstert. Schwere Wolken waren aufgezogen, hatten der bevorstehenden Tragödie die richtige Szenerie verliehen. Es war pure Ironie, dass gerade jetzt einzelne Sonnenstrahlen ihren Weg durch die dichte Wolkenschicht fanden und die beiden Shinobi in ein schummriges Licht tauchten. Als er Naruto am Boden liegen sah, wurde der Drang, sich endlich zu übergeben, immer stärker. Bei jedem ruhigen Atemzug des Gefallenen krampfte sich sein Herz mehr und mehr zusammen, wandte sich seine geschundene Seele weiter von dem Geschehenen ab. Sasuke zwang sich, den zuvor abgewandten Blick wieder auf Naruto zu richten. Es ist besser so. Distanzierte Emotionslosigkeit ergriff Besitz von seinen feinen Zügen, als er ganz leise den Rest seiner dummen Gefühle diesem Shinobi gegenüber wegsperrte. Zeit seines Lebens hatte er gelernt, dass Gefühle wie Freundschaft oder Vertrauen nur Probleme mit sich brachten. Die Menschen, denen man Zuneigung entgegenbrachte, wussten diese nicht zu schätzen. Und man selbst schadete den Menschen die einen liebten nur. Emotionen wurden überbewertet, waren überflüssig, brachten kaum lösbare Konflikte mit sich und schienen nur zu existieren, um einem das Leben schwer zu machen. Letzten Endes war die hohe Steinmauer, die seine Seele umringte, nur ein Schutzmechanismus. In letzter Zeit jedoch hatte jemand diesen massiven Wall unter Beschuss genommen. Seitdem klafften riesige Löcher in ihm, und diese wieder zu verschließen würde ihn viele Mühen kosten. »Naruto.« Sein dumpfer Blick suchte verzweifelt nach der kleinsten Regung im Gesicht des Blonden. Unbewusst nahm er sein Stirnband ab, hielt es in seinen zitternden Händen. Träge Regentropfen fielen aus dem Wolkenmeer über ihnen, stimmten mit Sasukes Verfassung nur allzu gut überein. »Es...« Einem Pistolenschuss gleich explodierte der Schmerz in seinem Körper. Wie lange Fangarme fand er seinen Weg in seine Fingerspitzen, seine Zehen, füllte jede Zelle seines angeschlagenen Körpers aus. Er war auf die Knie gegangen, krümmte sich mit krampfhaft geschlossenen Augen unter den Leiden, als alles so schnell wieder abklang wie es gekommen war. Zögernd öffnete Sasuke die Augen, war nur minder überrascht, in das Gesicht seines Freundes zu starren. Er sah so friedlich aus. Während der Regen ihn langsam durchtränkte, sich mit dem salzigen Wasser seiner Tränen verband, spürte Sasuke etwas in sich zerbrechen. Er senkte seinen Kopf soweit, bis sich seine und Narutos Stirn sanft berührten; ein leises Schluchzen entwich ihm, während er die Augen fest zusammenkniff, so als würde er immer noch darauf hoffen, dass es sich hierbei nur um einen Alptraum handelte. »Es tut mir so Leid, Naruto.« Der aufkommende Wind riss ihm die leise geflüsterten Worte von den Lippen, warf sie in den Böen hin und her; spielte mit ihnen, als wollte er Sasuke verhöhnen. Wankend kam er wieder auf die Beine, ließ sie wandern, wohin sie wollten. Jetzt war es egal, wohin sein Weg ihn führte. Mit jedem Schritt ließ er Naruto weiter hinter sich zurück. Jeder Schritt brachte Sasuke seinem Ziel näher und näher, trug ihn weiter fort von seiner Heimat. Und mit jedem Meter ließ er einen kleinen Splitter seiner Seele zurück. Es war ihm gleich, ob sich jemand die Mühe machen würde, sie einzusammeln. Dort, wo er hinging, würde er sie nicht mehr brauchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)