Jaded von Palmira ({MadaIta}) ================================================================================ Kapitel 1: I'll Kiss You ------------------------ I’ll kiss you Untertitel: Rette mich vor meinen Rettern! Das ist so eine Art Fortsetzung von ‚That Funky Cold Madara’, das extern on ist. Wenn man’s liest, versteht man das hier besser. Die Anregung für den Song stammt von aerial, ohne deren Vorschlag ich nichts Neues gefunden hätte, weil ich unbedingt einen alten Schinken brauchte. ^-^ Wie unschwer zu erkennen ist, heißt der Song „I’ll Kiss You“ und ist von Cyndi Lauper. Madara und Tobi existieren hier getrennt, wie immer bei mir, weil ich auf keinen so richtig verzichten kann. OoC ist eingeplant und sehr gut verwirklicht worden. Es war wieder eingetreten – das mörderischste Event des ganzen Jahres. Weihnachten war ja nett, Ostern war albern, der Valentinstag war grauenhaft, das ging alles noch. Das war in vierundzwanzig Stunden vorbei und man hatte in den meisten Fällen noch Süßigkeiten. Und meistens sprach auch keiner mehr darüber. Und genau, weil das alles nicht auf Konans Geburtstag zutraf, war er so mörderisch. Ein mörderisch-netter, mörderisch-alberner und mörderisch-grauenhafter Tag, den man so schnell nicht vergaß. Und warum ausgerechnet Konan? Das ganze Jahr über war sie ein vernünftiges, nüchternes Mädchen und war es immer noch. Bis ihr männlicher Bekanntenkreis irgendwann in der Grundschule auf die Idee gekommen war, den Geburtstag des einzigen Mädchens zu einem außergewöhnlichen Event zu machen – und das hatte sich verselbstständigt. Die Tradition war nicht mehr abzusetzen und zerrte alle in ihren Sog, die auf der Gästeliste standen. Itachi war also nicht grenzenlos angetan, als er eines schönen Morgens eine parfümierte Einladung vor der Wohnungstür fand. Er hatte sich vorgenommen, diesen blöden Briefschlitz zuzukleben, der gab zu viel vom Privatleben preis... Und wie man sah, er war immer noch offen. Schweigend starrte er auf die glänzend rote Einladungskarte. Konan hatte ein wahres Kunstwerk des Origami daraus gemacht, was nicht über den grauenvollen Inhalt hinwegtäuschen konnte. Prompt riss Itachi die Wohnungstür weit auf und ließ eisigkalte Luft hineinströmen. Die Reaktion kam nicht weniger prompt. „Es ist November! Mach zu, verdammt!“ Itachi hielt die Tür weiterhin auf und verfolgte aus dem Türrahmen, wie die Wärme ausgespült wurde wie ein Fleck aus der Kleidung. Und auch für einen Novembertag war es draußen erbärmlich kalt. „Ich lüfte.“, murmelte Itachi und fügte schlicht und leise hinzu: „Und ich mache dich krank.“ Es war ja nicht eine Einladung. Es waren zwei. Und die waren unmissverständlich adressiert. „Was?!“ Da seinem Befehl nicht gefolgt worden war, stapfte Madara herüber, um höchstpersönlich die Tür zu schließen. Er sah nicht potenziell krank aus, nur gereizt und so charmant chaotisch wie eh und je. Nur leider war Madara vieles, bloß nicht charmant. „Ich lüfte.“, wiederholte Itachi stur und drehte ihm den Rücken zu, damit Madara die roten Einladungskarten nicht lesen konnte. Sehr zu seinem Leidwesen konnte Itachi das allerdings. Es gab Gründe, warum die Tradition des ‚Infernalischen Geburtstags’ nicht abgesetzt worden war – Konan hatte stets ein ganzes Jahr Zeit, dafür zu sorgen. „Und warum benutzt du dazu kein Fenster wie jeder normale Mensch?!“ Itachis Augen wanderten über die kleine Notiz, die mit Bleistift auf seine Karte geschrieben worden waren: Wenn du nicht kommst, erzähle ich allen, dass du mit Madara schläfst. Und an allem war nur dieser Briefschlitz Schuld, ohne ihn wüsste Konan von gar nichts, so wie alle anderen. Seufzend ließ er die Tür wieder zufallen und drückte Madara die für ihn bestimmte Einladung in die Hand. Da stand auch irgendetwas mit Bleistift, das Itachi aus Höflichkeit nicht gelesen hatte. Als müsste man Madara erpressen, um ihn zum Kommen zu bewegen, dazu hatte er viel zu viel Spaß am Sadismus. „Ich wollte dich nur retten.“, brummte er und wandte sich zum Gehen. Er hatte ein immens ungutes Gefühl dabei, soeben zu seinem Erscheinen bei der Party zugestimmt zu haben. Madara überflog seine Einladung und fächelte sich lässig etwas Luft zu. Da war wieder dieses undurchschaubare Mona-Lisa-Lächeln, das Itachi nicht gerade beruhigte. „Und dabei wäre ich fast erstickt. Das erfordert Revanche.“ Ein immens unabschüttelbares, ungutes Gefühl. Für Konans mörderische Party gab es nie ein vollständiges Programm. Es war Tradition, ihr Apartment völlig auf den Kopf zu stellen, blöde Poster von Popsternchen überall aufzuhängen und den Spiegel vollzukritzeln. Sie sollte schließlich auch etwas davon haben, dass sie älter geworden war und den Abend lang über ihre Gäste bestimmen durfte. Itachi hatte den dringenden Wunsch, nicht zu viel Chaos anzurichten und möglichst bald nach Hause zu kommen. Leider hatte außer ihm niemand diesen Wunsch, und das Apartment sah aus, als sei eine Bombe dort explodiert. Überall Konfetti, zerrissene Wattebäusche, Fingermalfarbe und riesige, hässliche Lampions. Bleibende Schäden sollten besser nicht entstehen, was Hidan nicht davon abhielt, überall an die gekachelten Badezimmerwände Ketchup zu schmieren. Es sah aus wie ein Massaker. „Kann ich reinkommen?“ Sämtliche Geburtstagsgäste gingen hinter dem wattebefusselten Mobiliar in Deckung. Ebenfalls Teil des Rituals war es, dass das Geburtstagskind mit irgendetwas überrascht wurde. Letztes Jahr hatten sie Konan mit Tapetenkleister übergossen – seitdem zog sie sich erst nach dem Empfang um. Diese unangenehme Überraschung war nötig, schließlich brauchte Konan einen offiziellen Grund, ihr Gefolge bis Mitternacht nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. „Jetzt.“ Es war Itachi sympathisch, wie resigniert Sasori klang. Konan trat ein, offensichtlich das Schlimmste erwartend. Itachi begriff nicht, wie sie so ruhig bleiben konnte angesichts dieser Schweinerei, erst recht wenn sie von einem lebensgroßen Plakat begrüßt wurde: ‚Congratulations – Fuck you with something hard and sand-papery!’ Oder wie man lediglich aufschreien konnte, wenn Pein ihr Sprühsahne in den Kragen spritzte und sich danach zurückzog, um nicht vom Geschützfeuer der Wasserpistolen getroffen zu werden. Wasserpistolen mit einer Munition aus abgestandener Cola. Mit Sprühsahne im Haar - Pein zielte auch nicht immer so gut, wahrscheinlich hatte sie das Zeug noch im Ohr - und triefend vor Cola, die gerade in ihre Schuhe einzog starrte Konan ihr klatschendes Publikum an. Ihr Lächeln schwankte keine Sekunde. „Ich... geh mich kurz umziehen, dann können wir los.“ Dieses Lächeln verhieß in der Tat einen infernalischen Abend. Went down to the local gypsy And I handed her the same line - 'You know what I want from you So honey won't ya gimme #9' Kaum eine halbe Stunde später standen sie auf der Straße. Konan schien immer noch etwas braun und klebrig, aber wer konnte es ihr verübeln, ihrer Dusche zu misstrauen, wenn Deidara die Duschkabine mit Postern von Boygroups beklebt hatte, die sie alle eindringlich angafften. Das war Itachis geringste Sorge – seine Unterwäsche war ja nicht an alle Lampen gehängt worden. Was ihn hingegen alarmierte... Madara hatte die sonnengelbe Kaffeekanne dabei. Die Kanne. Und irgendetwas war da drin. Natürlich, jeder hatte irgendetwas mitgebracht, da Konan entschied, wann sie Essen gingen und das eventuell etwas dauern konnte. Und dieses Mitbringsel war für keinen hier feuchtes Klopapier oder Kaugummis. Aber was hatte die Kaffeekanne hier zu suchen?! Konan drehte sich strahlend zu ihnen um. Zeit für den ersten Programmpunkt. „Ich wünsche mir, dass wir in die Spielhalle gehen!“ Kakuzu rollte hingebungsvoll mit den Augen. „Ist das nicht genau das, was kleine Kinder an ihrem Geburtstag machen?“ „Ich habe es mir gewünscht. Und ihr seid ja bei mir.“ Gewinnend lächelnd wandte sie sich ab und bog um die Ecke. Zweifellos rückte sie nicht zufällig gerade zu diesem Zeitpunkt damit heraus, denn vor ihnen blinkte hektisch das Reklameschild einer Spielhalle auf. Tobis sichtbares Auge wurde groß und glänzend, und Kakuzus Miene umwölkte sich. Es gab ein bestimmtes Budget für den Infernalischen Abend, das sie zuvor gesammelt hatten, und es gerade hier zu lassen... Gott sei Dank hatte man nur ein Mal im Jahr Geburtstag. Die Frau hinter dem Ticketschalter starrte die Gruppe vor sich fassungslos an, so lange, bis Hidan anfing, unhöflich zu werden – das war recht bald. Jemand fasste nach Itachis Arm und gab ihm einen Ruck. „Du fährst ein Rennen mit mir.“, verkündete Madara fröhlich und zog ihn unbarmherzig mit sich. Itachi runzelte die Stirn und versuchte vergeblich, seinen Arm freizubekommen. Er schreckte automatisch zurück, wenn Madara ihn vor anderen berührte, und wenn er ihn nur am Arm nahm. Zu groß war die Gefahr, dass eine so harmlose Geste sich in eine weniger Harmlose verwandelte. Und zu allem Überfluss tat Konan, als hätte sie nichts gesehen. Ihr nächster Wunsch lautete, Dance-Dance-Revolution gegen Zetsu zu spielen und nein, es wurde sich nicht geweigert, wenn er nicht noch das Recht verlieren wollte, sich das Lied auszusuchen. Deidara packte rasch seine Kamera aus, um das für die Nachwelt festzuhalten. „Den Teufel werd’ ich tun.“ Der blaue Teppichboden bot keinen nennenswerten Widerstand. Madara zerrte ihn einfach weiter, weg von den anderen. Itachi wurde mit jedem Meter nervöser. „Nein, du wirst mit mir fahren.“ „Gegen dich, meinst du wohl.“ Madara grinste wölfisch. „Nein, mit mir.“ Itachi blieb wie angewurzelt stehen, und Madara ließ ihn das tun. Ja, mit ihm. Das war ein Simulator. Eine weiße, große Kapsel, die aussah wie die Nase eines Flugzeugs, ruhte auf einem beweglichen Sockel. Dort stieg man dann zu zweit ein und bekam von dem Apparat vorgegaukelt, man säße in einer 200 Sachen schnellen Seifenkiste - man konnte es auch ‚Rennauto’ nennen, aber in der Simulation wurde nicht berücksichtigt, dass das Ding nicht angemessen stabil aussah - und würde damit herumbrettern. Einer lenkte, der andere ballerte die bösen Aliens ab. Aber nicht mit Madara. „Nein!“ Madara schubste ihn vorwärts. „Warum denn nicht? Was kümmert es dich, dass du dort mit mir allein bist, auf engem Raum, und so isoliert, dass dich keiner hört?“ „Genau das kümmert mich!“, zischte Itachi. Die Luke des Simulators klappte herunter wie eine Planke zu einem Piratenschiff, und dort drin war gähnende Dunkelheit. Itachis Magen ballte sich in einer eigenartigen Mischung aus Panik und Aufregung zusammen. Nicht, dass er von sich aus gern in einen beengenden, finsteren Simulator steigen wollte, der hin und her ruckelte und einen mit Aliens bewarf. Nicht, dass er gerne jemanden bei sich haben wollte, während er sich darauf konzentrierte, dass das alles nicht real war, sondern Computertechnik. Und nicht, dass das ausgerechnet Madara sein musste! Und da lag auch der Auslöser der Aufregung. Sie waren hier mitten in der Öffentlichkeit, und so ein Simulator war nicht immer geräuschdicht. Und wenn da Überwachungskameras waren? Es konnte so unglaublich viel schief gehen, und Madara... interessierte sich nur für seine Libido. War wohl einer seiner Tage. Was man gemeinhin als ‚seine Tage haben’ bezeichnete, erstreckte sich bei Madara, wie Itachi schnell gelernt hatte, nicht auf einen aufeinanderfolgenden Zeitraum, sondern war lustig über das Jahr verteilt und kam immer dann zum Vorschein, wenn man es nicht brauchte... Also wenn es ungünstig war, denn wer ‚brauchte’ das schon?. So schnell gab Itachi sich nicht geschlagen. Er hielt sich am Türrahmen fest und ließ sich nicht weiterschieben. „Kisame, Hilfe!“ Musste ja aussehen wie eine Entführung... Madara verpasste ihm einen ärgerlichen, kurzen Griff an’s Gesäß, bevor er ganz unbeteiligt zurücktrat. Nur Madara konnte das so zielgenau und präzise-vulgär tun und danach so ein Gesicht ziehen. Itachi konnte nicht leugnen, dass ihn das anmachte. Kisame blieb lieber auf Sicherheitsabstand. Er hatte soeben verpasst, wie Zetsu „Objection Tango“ mit Shakiras Hüftschwung meisterte und Madara blickte eindeutig so leer drein, dass es schon abweisend war. Falls es wen interessierte, nun war Robbie Williams an der Leier und Itachi guckte leicht panisch. „Was gibt’s?“ Noch bevor Madara ‚Nichts!’ erwidern konnte, hatte Itachi sich erholt und antwortete: „Fährst du mit mir?“ Kisame zuckte mit den Schultern, was wohl Zustimmung symbolisierte und Itachi so aus seiner verfahrenen Situation befreite. Damit war es nur noch eine schnöde Fahrt in einer Metallkiste, in der man versuchte, grüne Männchen abzuknallen. Kein Grund zur Panik mehr, aber auch keiner zur prickelnden Aufregung. Fragte sich, ob er nicht insgeheim gehofft hatte, dass Kisame ablehnen würde. In diesem Moment würde die Gruppe erweitert. „Ihr fahrt? Tobi fährt mit Madara!“ Man sollte vielleicht hinzufügen, dass Tobi zwar momentan von seiner Idee begeistert war, ihm allerdings im Simulator einfallen würde, dass es wirklich sehr eng dort war und er dann zu Hysterie neigte. „Und dabei hat Itachi versprochen, die erste Fahrt mit dir zu machen.“, erwiderte Madara und log damit, ohne mit der Wimper zu zucken. Eine ebenfalls sehr attraktive und gleichzeitig wenig vertrauenserweckende Angewohnheit. Itachi war froh, dass keiner von ihnen versucht hatte, eine Beziehung einzuläuten. Tobi sah ihn verwirrt an und kam mithilfe von Madaras überzeugter Miene überein, dass er es einfach vergessen haben musste. Zum zweiten Mal versuchte jemand, Itachi in den Simulator zu schieben. „Ich habe dir nichts versprochen!“, wehrte er sich. Über Tobis Schulter zwinkerte Madara ihm vergnügt zu und formte stumm die Worte: Gib mir ein Zeichen, und ich rette dich... Scheiße. Itachi seufzte und nickte. Für diesen kleinen Freundschaftsdienst würde er noch bluten müssen, das war ihm klar. Womöglich war er auch froh, dass er das Ruder noch herumgerissen hatte und nahm es dafür in Kauf. „Oder hast du das eventuell doch mir versprochen? Tss... Tobi, Kisame fährt sicher gern mit dir.“ Verwirrt drehte Tobi sich zu Kisame um, der unentschlossen schien, ob er grinsen oder fluchen sollte. Nun ja, es war der Infernalische Abend, da erduldete man das ein oder andere. „Kann man nichts machen. Ab in den Krieg gegen Team Uchiha.“ Itachi kletterte kommentarlos in den Simulator, und Tobi flitzte zu dem gegenüberliegenden Gerät. Madara rieb sich nachdenklich die Stirn. „Das gibt Tote.“ Cause you know lately I ain't feelin so great - Last time she gave me love potion #8 Beinahe schmollend erreichte Itachi das Cockpit des Simulators. Die Wände waren in der Tat dick und mit schwarzem Filz ausgekleidet. Noch drang Licht von der Spielhalle hinein, aber wenn die Luke sich erst mal schloss, war es zappenduster. Natürlich kam auch jetzt nicht viel Helligkeit herein. Schuld daran war Madara, der sich beim Einsteigen unnötig Zeit ließ und damit den Weg versperrte. „Die brauchen da noch eine Weile. Was möchtest du, fahren oder schießen?“, erkundigte er sich fröhlich. Itachi warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Schießen.“ Um das zu unterstreichen, setzte er sich auf den rechten Platz der Bank, wo der Controller für das Geschütz angebracht war. Leider war es eine Bank und keine zwei getrennten Sitze. „Hättest du etwas dagegen, deine Hände wenigstens für diese kurze Dauer am Lenkrad zu lassen?“ Madara pflanzte sich neben ihm auf die Bank und untersuchte das Lenkrad auf angeklebte Kaugummis. „Und ob. Ich behalte meine Hände schon den ganzen Abend bei mir, weil man so wunderbar unter Beobachtung steht. Und jetzt sind wir für wenige Minuten mal völlig abgeschottet, was erwartest du da?“ Madara war vermutlich der einzige Mensch, der Itachi allein durch seine verständnislose Tonlage verlegen machen konnte. „Es gibt Kameras.“ „Die sind abgeklebt. Mit Kaugummi, deshalb hat das ja noch keiner entfernt. War das dein einziger Protest?“ Er klang amüsiert – er hatte so etwas wie respektvolle Zurückhaltung nicht, deshalb funktionierte auch keine dezente Zurückweisung. Entweder, man ließ ihm seinen Willen oder man hatte ein sehr dickes Fell. Oder einen harten linken Haken. „Du gehst mir auf die Nerven heute.“, murmelte Itachi, zugegeben nicht besonders schlagfertig, dafür aus tiefstem Herzen. Und er fügte hinzu: „Was ist in dieser Kaffeekanne?“ In diesem Moment begann die Luke summend hochzufahren und sich zu schließen. Ein kurzes Rütteln ging durch den Simulator, und Itachi richtete sich unwillkürlich auf seinem Platz auf. „Ah, sie haben sich geeinigt.“ Jetzt, wo ihre kleine Diskussion beendet war, schien Madara überhaupt kein Interesse mehr daran zu haben, sich noch irgendwie anzunähern. Dabei hatte Itachi die Berührung der Hand vorhin noch gut im Gedächtnis. Und er war sich ziemlich sicher, dass es Madara genauso ging und er nur auf den Zeitpunkt ausgewählt hatte, in dem Itachi es nicht von ihm erwartete. Um sie herum tauchte die bunte, dafür erschreckend lebensechte Umgebung des Rennens auf. Das Auto, in dem sie sich vermeintlich befanden, setzte auf einer seltsamen Kraterlandschaft auf, und eine künstlich mechanisierte Stimme verkündete jeweils, wie die Steuerung zu bedienen war. Itachi hörte nicht genau zu, als sie ihm erklärte, auf welche Tentakelmonster er zu schießen hatte und dass es Punktabzug gab, die ‚Orion’ zu treffen. Ein kräftiger Ruck ging durch die Kapsel, als der Startschuss fiel und Madara den Wagen - keine Seifenkiste, sondern ein Space Cruiser 3001, aber der Unterschied war minimal - dahinjagen ließ. Sosehr Itachi auch versuchte, sich vom Gegenteil zu überzeugen, die halsbrecherische Fahrt war geradezu real. „Da! Mach ihn tot!“ Itachi richtete das Fadenkreuz auf einen ‚Gehirnsauger’ und drückte ab. Der Rückstoß schubste sie erneut nach hinten, und das garantiert böse Alien starb einsam. Von da an feuerte Itachi nur noch. Kaum hatten sie dieses Hindernis überwunden, tat sich vor ihnen plötzlich ein klaffender Abgrund auf. Madara riss das Lenkrad heftig nach links, um nicht hineinzufahren, und Itachi glitt der Controller aus den Fingern. Und warum sollte dieser blöde Simulator auch Gurte haben?! Itachi ächzte, als er das Gesicht unfreiwillig in Madaras widerspenstigem Haar vergrub. Die Schulter des anderen drückte ihm auf die Kehle und machte ihm für einen Moment das Atmen schwer. Kurz war er zu perplex, um zu begreifen. Der Simulator hatte sich nach links geneigt, und er war über die Bank gerutscht. So weit gut. Er war daraufhin gegen Madara geprallt. Das war auch noch nicht tragisch. Und er hatte sich aus Reflex fest gehalten, und das war nun einfach... Mieses Karma. Einen Arm hatte Itachi zwischen ihnen eingeklemmt und drückte ihn gegen Madaras Rippen, der andere war ausgestreckt, die Hand krallte sich in Madaras Oberschenkel. Zu weit oben, um ganz zufällig zu sein, entschieden zu weit oben. Itachi verlor keine Zeit. Was sollte er schon tun? Er musste sich entschuldigen, das sollte ihm peinlich sein. Und was hatte er davon? Nichts. Er setzte sich wieder auf, strich sich das Haar glatt, ohne die Hand von Madaras Oberschenkel zu nehmen - machte Sinn, er hatte immer noch zwei - , drückte dessen störenden Arm beiseite, der sich auf das Lenkrad richtete, und presste ihre Lippen zusammen. Nur, weil der Rutsch Zufall gewesen war, musste er Madara das nicht wissen lassen und so zu der Entschuldigung zurückkehren. Madara war keiner von der langsamen Truppe. Seine Küsse waren wie frisch gebrühter Kaffee, genauso heiß, genauso aromatisch - oder bildete Itachi sich das ein? - , genauso belebend und genauso fähig, unangenehm zu werden, wenn man nicht vorsichtig damit war. Er hatte eine Grobheit an sich, die man mögen konnte oder nicht, und die sensible Seite darunter war auch noch nicht sanft, nur weniger riskant. Und trotz dieser Unwägbarkeiten hatte man immer das Gefühl, dass man nur darauf gewartet hatte, eine Gelegenheit zu diesem Kuss abzupassen. Und niemand würde auf die Idee kommen, dass Itachi eigentlich nur einer großen Verlegenheit ausweichen wollte, während Madaras beinahe schon schmerzhaft warme Zunge den dünnen Hautvorsatz zwischen Itachis Oberkiefer und Oberlippe berührte. Die Nervenenden dort reagierten empfindlich, als Itachi heiß und kalt wurde. Als Antwort gruben dessen Finger sich fester in Madaras Oberschenkel, mit seiner freien Hand griff er eine ganze Handvoll des dichten, unverwüstlichen Haars und schloss es fest darin ein. Er wusste, dass Madara eine gewisse Vorliebe dafür hatte, wenn eine Berührung auf dem schmalen Grat zum Schmerz wanderte, nicht richtig Schmerz und auch nicht nur Genuss. Und Itachi wurde nicht enttäuscht. Madara schien kurzzeitig zu vergessen, was er vorgehabt hatte, als seine Augen sich nach oben verdrehten und er schnell ausatmete, um sofort wieder einzuatmen. Itachi war nahe dran, mit sich zufrieden zu sein. Bis ihm auffiel, wo Madaras linke Hand war. Da konnte man sich jetzt sonst was für ausdenken, doch das stimmte eben nicht, sie umfasste weiterhin das Lenkrad. Ganz egal, ob er nicht richtig damit steuerte, er hielt dieses blöde Plastikteil fest, nachdem er es gewesen war, der hier den ganzen Abend... Für Itachi ein triftiger Grund zum Rückzug, um weiter Aliens abzuballern. Oder ein gewisser Ansporn. Er hatte sich nicht um die Entschuldigung gedrückt, um abzurücken wie eine betrogene Ehefrau. Er ließ Madaras Haar los, winkelte den Ellbogen an und ließ ihn auf die Beuge des ausgestreckten Arms niedersausen. Und das war keine Gratwanderung, das war echter Schmerz, bei dem Madara eine Mischung aus einem Ächzen und einem Knurren ausstieß, was von Itachis Kuss gedämpft wurde. Das Lenkrad hatte er jedenfalls losgelassen, und dass es ihm wehtat, war ein unbedeutender Nebeneffekt. Wie man so schön sagte, das Spiel konnten zwei spielen. Und Itachi war offenbar am Zug. Er schwang sich rittlings auf Madaras Schoß, wobei er sich mit den Händen an der Rückenlehne der Bank festhielt, und verdeckte so auch das verdammte Lenkrad. Dass die Mondlandschaft an ihnen vorbeiraste, interessierte ihn ebenso wenig wie das Ruckeln und das schlecht vertonte Brüllen der Aliens. Er konnte selbst über diesen Krach Madaras raschen Atem hören, ab und zu beleuchteten die feindlichen Laserstrahlen seine funkelnden Augen, in denen sich Belustigung und Ärger abwechselten. Und natürlich das essenzielle Gefühl des Infernalischen Abends – sinnliche Lust. Allerdings hörte Itachi den Timer piepen. Eine Minute noch. Sie hatten zu viel Zeit verplempert, um tatsächlich hier drin Sex zu haben. Es waren die Situationen, die er hasste, außerdem konnte das noch bis Mitternacht so weitergehen. Madara interessierte der Timer nicht. Er schüttelte seinen malträtierten Arm kurz aus, um die Taubheit daraus zu vertreiben, und richtete sich auf der Bank auf. Itachi war nicht groß, doch in seiner Position immerhin höher als Madara, und trotzdem umgab diesen etwas Überlegenes, Magnetisches. Ehrfurcht vielleicht, aber das war nicht das Richtige, dafür war es zu sexy. Itachi wollte nicht, dass es so kam und konnte es eh nicht ändern. Madara küsste ihn, ein lustvoller Kuss mit offenem Mund und fliehendem Atem, bei dem ihm für einen Moment unglaublich heiß wurde. Kaum hatte er sich ein wenig erholt, hatte Madara den linken Arm hinter seinen Kopf gelegt, sodass Itachi nicht nach hinten ausweichen konnte. Lange, kräftige Finger, die selbst dann ihre Eleganz nie völlig verloren, wenn sie voller Motoröl waren oder soeben in der Autotür geklemmt worden waren, strichen ihm den Pony aus dem Gesicht. Sie formten sich zu Krallen und fuhren über Itachis Kopfhaut, wie eine Massagespinne, nur viel besser. Mit der anderen Hand packte Madara die Front von Itachis Anorak, den er absichtlich nicht ausgezogen hatte, und zog daran, sodass Itachi sich in ihn lehnen musste. Itachi war gezwungen, sich an Madaras Schulter abzustützen, damit er das Gleichgewicht nicht verlor. Sein Herz hämmerte so heftig, dass auch seine Finger von Unruhe angesteckt wurden und zitterten. Mit anderen Worten, Itachi war erfolgreich Matt gesetzt, und dafür hatte Madara laut dem Timer nur acht Sekunden gebraucht. Mistkerl. And you know pretty baby how I think you're pretty smart But one sip from this bottle and I'll tear you all apart – Die dramatische Musik des Simulationsspiels konnte nichts verdecken – nicht die stickige Wärme in dem rüttelnden Gerät, nicht Ächzen, Stöhnen und atemlos gemurmelte Worte und nicht das Rascheln von Stoff. Madaras raues Lachen klang losgelöst und etwas schwankend, als wäre er betrunken. Was er ganz sicher nicht war, zumindest nicht so schlimm, dass er sein irritierendes Selbstbewusstsein verlieren würde. Itachi bebte am ganzen Körper. Schweiß trat in feinen, winzigen Perlen aus seinen Poren, und eine Haarsträhne hing an seinem Mundwinkel fest. Der Rest dieses Haars war hoffnungslos zerzaust, und Madaras auch. Das merkte man nur nicht, weil es immer so aussah. Madara wehrte sich nicht, obwohl es ein Leichtes für ihn gewesen wäre, seine Handgelenke aus Itachis Griff zu befreien. Selber drückte diese Hände mit den Handflächen nach unten, auf Itachis Oberschenkel. Das war noch das Harmloseste, wo er sie momentan hinkriegen konnte. „Was hast... du gesagt?“ Madaras ohnehin tiefe Stimme war noch tiefer und genug, um Itachis Mund trocken zu legen. Madara beugte sich vor, so weit ihm das möglich war, und berührte mit den Lippen Itachis Mundwinkel, wo das Haar sich verfangen hatte. Er atmete in langsamen, schweren Stößen. „Du sollst mich lassen.“ Itachis Tonfall war heiser, jedoch einigermaßen gefestigt. Ein schwacher Trost, wenn er sich erinnerte, dass er beinahe geschrieen hatte, als Madaras Zunge über seine Kehlgrube gestrichen war. Und es war nur deshalb beim Beinahe geblieben, weil Itachi zu wenig Luft dazu gehabt hatte. Madara würde das pfeifende, krampfhaft unterdrückte Geräusch völliger und leidenschaftlicher Unterwerfung nicht vergessen. Itachi ließ sich das nur selten entlocken, und es war der letzte Beweis, dass es ihn eben doch erregte, in engen, öffentlichen Räumlichkeiten mit Madara eingesperrt zu sein, vorzugsweise noch ohne Licht. „Aha. Und wohin?“ Madara grinste, als Itachi ihn gereizt anfunkelte. Er saß immer noch auf Madaras Schoß, weil er so schnell nirgends hinkonnte, ohne dessen Hände loszulassen. Madara hatte sich nichts dabei gedacht, als Itachi sie genommen hatte, und das war jetzt sein Pech. Allerdings war der Abend noch jung. „Lass mich einfach in Ruhe.“ Madara legte den Kopf schief. Selbst das war der Ruin der Heiligen, wenn er es darauf anlegte, aber Itachi sah nicht hin. Es war schon genug, dass er von hier aus den Duft des Rasierwassers wahrnehmen konnte, eine scharfe, trockene Geruchsnote. „Im Ernst? ‚In Ruhe’ wie ‚Warte, bis ich die Kerzen angezündet und die Rosenblätter verstreut habe’ oder ‚in Ruhe’ wie...“ In diesem Moment klappte die Luke sirrend herunter. Itachi machte einen Satz von Madaras Schoß herunter, fand jedoch heraus, dass er seine Hände nicht lösen konnte. Madaras so unerträglich geschickte Finger hielten fest, was eigentlich sie hielt und hinderten Itachi so daran, sich ganz unverfänglich auf seinen Platz zu setzen. „... wie ‚Ich hätte heute gerne mal den Vortritt’, das brauchst du nur zu sagen.“, fuhr er seelenruhig fort. Die Luke war inzwischen halb offen, bald würden sie in Sicht sein. „Nichts von beidem. Lass los!“ Und zu drei Vierteln offen. Itachi bekam allmählich Panik. Zudem lockerte Madara seinen Griff kein bisschen. „Du weißt hoffentlich, dass wir nicht fertig waren? So kann man das nicht stehen lassen.“ Itachi hörte das Stimmengewirr draußen. Wie ironisch – Madara machte hier unmissverständlich schmutzige Andeutungen, dabei war Itachi viel zu entsetzt von der Vorstellung, halb auf dem Schoß seines Mitbewohners erwischt zu werden, um solche Probleme noch länger zu haben. Es hatte dabei eine Zeit gegeben, noch nicht allzu lange her... „Lass mich los, verdammt!“ Aus den Augenwinkeln blendete Itachi der Lichtreflex von Deidaras Kameralinse. Wenn diese schamlose Blondine das filmte, sobald die Luke unten war... Madara grinste, wofür Itachi ihn hätte ohrfeigen können. „Vergiss nicht, das war erst der Anfang. Das Vorspiel.“, raunte er und ließ tatsächlich los. My mother used to tell me not to kiss on this first date This time when I see you, you know I ain't gonna wait! Konan hatte den “Objection Tango“ gegen Zetsu verloren, was in Anbetracht dieses Gegners jedes Mädchen gekränkt hatte, doch sie nahm es locker. Immerhin hatte Deidara „Lolli Lolli (Pop That Body)“ verloren, oder es absichtlich verbockt, damit Konans Selbstbewusstsein keinen Kratzer bekam. Zeit zum Essen. Und am Infernalischen Abend musste das etwas Besonderes sein, also ging man nicht einfach Pizza essen. Konan wollte lieber zum Inder und kam damit natürlich durch. Man suchte sich also ein indisches Restaurant, das glücklicherweise nicht allzu voll war. Je weniger Zeugen, desto besser. Itachi ging sicher, dass er weit genug von Madara entfernt saß, was dieser mit einem amüsierten Lächeln beantwortete. Was man nicht tun sollte, denn irgendwer sah das immer und machte sich Gedanken. Hier erfolgten die Geburtstagsformalitäten wie Singen, Gratulieren und dem Aufwärmen alter Geschichten. Es war meist der am wenigsten riskante und auch der netteste Teil des Abends. ‚Nett’ war also abgehakt, und Itachi fand, dass der Besuch der Spielhalle entweder ‚grausam’ oder ‚albern’ gewesen war. Blieb also noch eins von beidem. „Tobi hat mitten in der Fahrt einen klaustrophobischen Anfall gekriegt und kein Scheunentor mehr getroffen... Wie konntet ihr trotzdem verlieren?!“ Itachi stocherte in seinem Reis herum und versuchte, einigermaßen peinlich berührt zu wirken. Was er auch war, aber nicht weil sie mit einer sensationell niedrigen Score verloren hatten. Darüber würde er sich später ärgern. „Madara kann nicht lenken.“, brummte er lahm. Der Erwähnte schien nichts davon gehört zu haben. Kakuzu nahm Wetten an, ob und wie viel Ingwer Pein essen konnte, ohne dass ihm Tränen in die Augen traten. Die Wettstatistik zeigte, dass Pein seine Tränendrüsen gut im Griff hatte. Konan überwachte das grinsend und erinnerte damit an ein Burgfräulein, das von ihrem Turm aus zuschaute, wie ein Ritter für sie mit einem Drachen rang. Itachi konnte dem scharfen Essen nicht viel abgewinnen. Mit einem letzten Blick auf Pein, der immer noch nicht in Tränen ausgebrochen war und von den anderen angefeuert wurde, Achtung Wortwitz, erhob er sich von seinem Sitzkissen und begab sich zu den Toiletten. Abgesehen von dem, was man da sowieso tat, wollte er endlich etwas Klebriges von seinen Fingern waschen und den penetranten Currygeschmack ausspülen. Itachi beugte sich über das Waschbecken und spuckte Leitungswasser in den Abfluss. Die benutzten eindeutig zu viele Gewürze hier, das war einfach krank... Die Eingangstür fiel wieder ins Schloss. Itachi hob den Kopf und fragte sich gleichzeitig, wie er je mit jemand Anderem hatte rechnen können. „Lass dich von mir nicht stören.“, meinte Madara mit einem unschuldigen Halblächeln und trat näher. Itachi wich automatisch zurück. „Kannst du dir nicht wie alle anderen diese schwachsinnige Wette ansehen?!“, knurrte Itachi und wischte sich mit dem Handrücken Wasser ab. Madara ließ sich von dem Tonfall nicht einschüchtern. Womöglich war er nur eingeschüchtert, wenn er in einen Gewehrlauf blickte. „Da ist aber mal jemand auf der falschen Seite des Bettes aufgewacht.“ Madara drehte einen Wasserhahn auf und hielt seine Hände darunter. Es waren diese Hände. „Es geht mir nicht um die Seite des Bettes, sondern das falsche Bett an sich.“, erwiderte Itachi brüsk. Madara lächelte matt und fuhr sich mit den nassen Fingern durch seine Haarmähne, um sie etwas zu bändigen. Dieses Haar war ein Naturphänomen für sich. „Und dabei ist es nur zwei Türen von deinem entfernt. Dazwischen ist die Abstellkammer, wie du weißt. Da waren wir auch-“ „Du musst das nicht hier breittreten!“ Madara musterte ihn träge unter herabgesunkenen Lidern hervor. Sein Haar schimmerte im Licht der Leuchtstoffröhren feucht und hypnotisch. Wirklich der Ruin der Heiligen. Cause you won't wanna eat And you won't wanna drink You won't wanna talk And you won't wanna think Itachi war kein Heiliger, also konnte es ihn nicht ruinieren, Madara zu küssen. Dabei konnte hier jederzeit jemand reinkommen, und Kabinen gab es keine. Ganz zu schweigen davon, dass Itachi eigentlich zu anderen Zwecken hergekommen war. All das schmolz dahin wie Butter im Backofen, als er hingebungsvoll das soeben mühevoll etwas geordnete Haar Madaras wieder zerwühlte und sich gegen den größeren Körper presste. Dieselben Hände, die Madara eben noch unter den Wasserkran gehalten hatte, schoben sich unumwunden unter den Saum von Itachis Rollkragenpullover und lösten, nass und kalt, wie sie waren, eine nicht abreißende Flut winziger Impulse an den Nervenenden aus. Itachi hatte erwartet, dass Madara triumphierend grinsen würde, doch er tat es nicht. Wenn er Triumph empfand, zeigte er ihn nicht, sondern ging mit seiner üblichen anregenden Grobheit vor. Er funktionierte wie ein gut geölter Mechanismus, denn während er Itachis Zunge den Einlass gestattete und diese mit seiner eigenen berührte und herumschob, fuhr er mit den Händen synchron die Wirbelsäule hinauf zu den Schulterblättern, halb massierend und halb kratzend. Itachis Knie wurden weich, und er konnte sich ein Seufzen, das unweigerlich in ein Keuchen mündete, nicht verbeißen. Madara kniff ihn in die Zungenspitze und zeichnete sinnfreie Muster mit seinem Daumen auf Itachis Haut. Eine Hand zog er nun unter dem Pullover hervor und zwängte sie oberhalb des Hüftknochens unter den Hosenbund. Und in diesem Moment näherten sich hastige Schritte. Itachi machte sich von Madara los und zog seinen Pullover wieder herunter. Sein Spiegelbild bescheinigte ihm, dass er dennoch mehr als verdächtig aussah. Seine Wangen waren rot gefärbt, das Haar zerzaust und die Augen verschleiert und intensiv lüstern. Nicht mal seinen Atem bekam er so schnell in den Griff. Madara musterte ihn mit einer Art kontrolliertem Hunger. „Tu dir keinen Zwang an, wir sind hier unter Männern.“ Itachi schnaubte gereizt. In diesen sexistischen Toilettenräumen gab es natürlich keine Kabinen, nur Pissoirs. Und er würde garantiert nichts an dieser Hose tun, das war absolut die falsche Richtung. Die Tür flog auf. Deidara drückte eine Handvoll seiner blonden Haare zusammen, aus denen Erdnusssoße tropfte. Itachi war noch nie so froh gewesen, ihn zu sehen. Schon das zweite Mal, dass man ihn heute vor Madara retten musste. „Was treibt ihr denn hier, hm?“, fragte Deidara mürrisch und tupfte sein verklebtes Haar mit etwas Klopapier ab. „Soll ich Seife aus der Damentoilette holen? Da hättest du gleich hingehen können.“ Deidaras tiefblaue Augen durchbohrten Madara zornig, bevor Itachi rosafarbene Flüssigseife aus dem Seifenspender holte und Deidara die hohle Hand hinhielt. Sie zitterte noch etwas, fiel ihm dabei auf. Aber lieber half er Deidara bei dem Beseitigen der Soße, als sich wieder Madara auszuliefern. Eine gute Tat pro Tag, außerdem hatte Deidara vorhin neben Itachi gesessen, und wenn der Platz unbesetzt war, wenn sie zurückkehrten... Missmutig ließ der Blonde sich Seife ins Haar reiben und murmelte dabei ein paar Zukunftsvisionen, was er demnächst mit Tobi machen würde. Oder mit Sasori, der alles gefilmt hatte, auch noch mit Deidaras Kamera. Mit einem Mal richteten sich die blauen Augen prüfend auf Itachi. „Was ist denn mit dir los, hm?“ Madara schwieg und brachte sein eigenes Haar wieder in Ordnung. Er schien nichts mitbekommen zu haben, und Itachis Magen krampfte sich zusammen. „Hast du Haarspray benutzt, hm?“ Deidara richtete sich auf und wandte sich Itachi zu. Dann beugte er sich vor – wieso nur kannte diese Blondine keinen höflichen Abstand – und sog die Luft ein. Präzise, er schnupperte an Itachi. Künstler hatten so ihre perversen Gewohnheiten, doch... „Nein, kein Haarspray, hm... Du riechst nach irgendwas Komischem, hm.“ Madaras verfluchtes Rasierwasser. Man brauchte ja keinen Bartwuchs, um das Zeug zu benutzen. Und diese eigenartige, scharfe Geruchsnote war an Itachi haften geblieben und fiel ausgerechnet Deidara auf. Nachdem sie vorhin nebeneinander gesessen hatten und Deidara sicher wusste, dass es vorher noch nicht da gewesen war. Madara lehnte sich gegen den Handtuchspender und hob die Brauen. Itachi kannte inzwischen die stumme Botschaft. Gib mir ein Zeichen, und ich rette dich... Zum zweiten Mal Scheiße. Er nickte. Ein erstickender Gestank breitete sich aus. Sowohl Deidara als auch Itachi husteten und hielten sich die Nasen zu. Der Geruch brachte die Augen zum Tränen, und er überlagerte selbstverständlich das Rasierwasser. „Bist du noch zu retten, hm?!“ Madara grinste breit und wedelte mit einer Sprühflasche voller Raumspray. Die meisten Restaurante hatten so etwas bei den Toiletten, und diese Flasche war offenbar noch ganz neu. „Ich dachte, du würdest lieber nach ‚Friesischer Meeresbrise’ riechen als nach Erdnusssoße.“, erwiderte er zuckersüß und zwinkerte Itachi vielsagend zu. Heute retten ihn einfach immer die Falschen. I'll kiss you Gonna corner you and not let you go I'll kiss you Don't tell me nothing - I - I - don't wanna know Es empfahl sich, das Restaurant bald zu verlassen. Zum Einen, weil die Herrentoiletten jetzt völlig zugenebelt von friesischer Meeresbrise waren und zum Anderen, weil der Tisch seit der Erdnusssoßenattacke ein ziemliches Chaos war. Pein hatte sich wacker gehalten, doch nun tränten seine Augen so stark, dass er kaum etwas sah. Konan führte ihn am Arm und schien ganz vergnügt damit, dass ihr Freund nun in Tränen aufgelöst war. Man trank schnell aus und machte sich nach dem Begleichen der Rechnung davon. „Das war lustig.“, verkündete Konan zufrieden, als sie endlich draußen frische Luft einatmeten. Nachdenklich betrachtete sie ihre Armbanduhr. „Noch gut eine Stunde bis Mitternacht. Was machen wir bis dahin?“ Eine rhetorische Frage, schließlich hatte Konan heute die Zügel in der Hand. Trotzdem wischte Pein sich die rot geränderten Augen ab und brummte: „Das war grauenhaft, also etwas Albernes. Und Ungefährliches, bitte.“ „Klingelstreiche.“ Kakuzu hatte das nicht ernst gemeint, absolut nicht. Aber das hieß nicht, dass Konan es auch nicht ernst nahm. „Richtig! Ich wünsche mir, dass wir jetzt Klingelstreiche machen!“ Die Reaktionen waren eher gemischt. Einerseits hatte hier keiner in letzter Zeit Klingelstreiche gemacht und man wollte vielleicht neue Erfahrungen machen. Andererseits sollte man sich wirklich nicht dabei erwischen lassen, wie man solchen Mist baute – ‚Peinlich’ war noch gar kein Ausdruck dafür. Wozu wurde man erwachsen, wenn man solche Kindereien immer noch beibehielt? Itachi stellte sich diese Frage, als Hidan mit großer Geste einen Klingelknopf drückte. Es war ein simples Modell, das seinen Ton dann einstellte, wenn man den Knopf losließ. Ziel war also, möglichst lange festzuhalten. Alle anderen versteckten sich heldenhaft kichernd – so betrunken konnte man einfach nicht sein, ohne zu kotzen – der ‚Klingler’ verfiel in blöde Posen und Deidara filmte das Spektakel. Leider war das nicht Itachis einziges Problem. Bei zu abrupten Bewegungen hatte er ein flaues Gefühl, und seine Sicht schwankte ein wenig. Dabei war er sicher, dass er mit dem Alkohol vorsichtig gewesen war – mit seiner Statur lernte man das schnell. Trotzdem war ihm eigenartig schwindelig, und er hielt sich für einen Moment an der Häuserwand fest, als Sasori den Klingelknopf losließ und sich hinter einigen Mülltonnen duckte. Die anderen suchten sich ebenfalls Verstecke. Toller Abend. The gypsy told me that the first thing That would happen you get dizzy Das Klingelgeräusch war unerträglich schrill und dröhnte in Itachis Ohren. Er war gleich dran, das war ihm klar. Und gekniffen wurde nicht. Sogar Zetsu hatte seinen Klingelstreich schon hinter sich, und dabei hätte der Tag, an dem er so einen Blödsinn machte, eigentlich erst noch kommen müssen. Na ja, es war der Infernalische Abend. Die ultimative Begründung für alles. „Scht! Du bist dran, Itachi, hm!“ Deidara winkte ihm zu. Man durfte sich die Häuser, die man belästigte, frei wählen. Itachi hoffte sehr, dass er friedfertige Bewohner hatte. Einige der Opfer waren schon wutentbrannt nach draußen gestürmt, und so einem wollte man lieber nicht begegnen. Er hatte Zeit, sich etwas zu erholen, bis man sicher sein konnte, dass die Luft rein war. Dann trat Itachi vor eine der Pforten und drückte auf den Kippschalter, der in diesem Fall den Alarm auslöste. Und was für ein Alarm, davon wurde man fast taub... Das Licht im zweiten Stock ging an, und die Geburtstagsgäste stoben kichernd auseinander, um sich irgendwo zu verstecken und abzuwarten, bis die Gefahr vorüber war. Itachi machte ebenfalls ein paar Schritte rückwärts. Wo hatte er sich vorhin versteckt? Um diese Zeit war es hier ausgestorben und verödet, im spärlichen Licht der Straßenlaternen sah alles gleich aus. Da plötzliche Bewegungen ihm Schwindel verursachten, war er mit seiner Suche etwas langsam. Mitternacht war noch nicht gekommen. Deshalb war der Tag der Rettungen auch noch nicht vorbei. Jemand packte ihn am Arm und riss daran, sodass Itachi stolperte und mit dem Rücken gegen etwas Hartes prallte. Es roch nach Rost und Katzenpisse, und natürlich nach dem unvermeidlichen Rasierwasser. Sobald das Karussell in seinem Kopf zum Stillstand gekommen war, kniff Itachi die Augen zusammen und straffte sich wieder. Er war gegen einen alten Telefonapparat gestoßen, was passte, da sie sich hier in einer Telefonzelle befanden. Das Licht war ausgefallen, die Tür halboffen eingerastet und nicht mehr zu bewegen. Die Zelle war außer Betrieb, aber ein gutes Versteck. Madara spähte durch die graffitibemalten, schmierigen Scheiben nach draußen. Irgendein Hausbewohner begab sich gerade auf die Suche nach den Idioten, die ihm diesen Streich gespielt hatten. Zum Glück kam er nicht in ihre Richtung – noch nicht. „Was hast du mit mir gemacht?!“ Madara musterte ihn säuerlich. „Danke würde völlig ausreichen. Ich habe zum inzwischen dritten Mal heute deinen Arsch gerettet.“ „Bei mir stellt sich leider keine Dankbarkeit ein.“, erwiderte Itachi schroff. Es musste in seinem Glas gewesen sein. Als sie das Restaurant verlassen hatten, hatte er nicht mehr darauf geachtet, was da drin war. Und das in Anwesenheit der gelben Kaffeekanne, vor der man sich besser in Acht nahm. Madara drückte lediglich den Zeigefinger auf die Lippen. Schwere Schritte näherten sich, zusammen mit dem Lichtkegel einer Taschenlampe. Die beiden drückten sich gegen die Wand der Telefonzelle, die noch einen gewissen Toten Winkel barg. Itachi war es momentan ganz egal, ob und wie nahe er Madara dabei war, er wollte bei diesem Mist nicht erwischt werden. Nicht, dass er je erwischt werden wollte, doch... Die Schritte hielten inne. Eine kratzige Stimme, definitiv die eines Kettenrauchers, knurrte einen Fluch, schließlich kehrten die Schritte nun hastig um. Warum, das erfuhr Itachi bald. Es schneite dicke, weiße Flocken. Der erste Schneefall des Winters stellte sich als Glücksfall heraus, und Itachi hörte leise Ausrufe der Begeisterung. Die Magie des Schnees verlor nie so ganz ihre Wirkung. Direkt darauf kehrten die Schritte zurück und scheuchte einige der anderen auf, die lachend Reißaus nahmen. Second thing you better make sure That your boyfriend isn't busy „Und ich hab das Fenster in meinem Zimmer noch offen.”, brummte Madara unzufrieden und betrachtete das dichte Schneetreiben ungnädig. Er machte sich nichts aus Winterromantik, das wusste Itachi. Schnee war für Madara nur dazu da, weggeschippt zu werden und zu schmelzen. Und natürlich ein triftiger Grund, sich nicht von dort wegzurühren, wo es warm und trocken war. Warm war es hier drin nicht, aber immerhin trocken. „Fehlt nur noch der Mistelzweig.“ „Es ist nicht Weihnachten.“ „Zum Glück.“ Madara mochte auch Weihnachten nicht. Der ganze Zeitraum war nur dazu da, ignoriert zu werden und allen roten Mützen und Rauschebärten auszuweichen. „Du hast mich vergiftet.“, murmelte Itachi grimmig. Er war es leid, sich mit Madara zu streiten und dabei auf der Stelle zu treten, während sich ihr ganzes zwischenmenschliches Leben eigentlich nur um Sex drehte. Was für ein Armutszeugnis. „Nein.“ Madara verschränkte die Arme vor der Brust und hob die Augenbrauen ein winziges Stück an. Es war lästig, wenn er das tat. Seine Überlegenheit müsste demnächst mit seinem Selbstbewusstsein reagieren und zu einer Explosion führen, wodurch alle Reste von Persönlichkeit ausgelöscht wurden. „Wenn ich dich erinnern darf, ich war mit dir abwesend. Wann soll ich das bitte getan haben?“ Berechtigte Frage. Trotzdem sah Itachi das lebhafte Funkeln in Madaras Augen, als dieser sich zu ihm vorbeugte. Sein heißer Atem bildete kleine Dampfwölkchen in der kalten Luft. „Soll ich dir einen Tipp geben?“ Seine Nähe, der Geruch von Zigarettenqualm, Schweiß und Gewürzen, der sich unweigerlich an einem festsetzte, wenn man ein Restaurant betrat, das Aroma von Rasierwasser, all das ließ erneut ein Schwindelgefühl in Itachi aufkommen. Er wollte nichts lieber, als dass Madara diese verschränkten Arme um ihn legte. „Hn.“ Madara lächelte und tippte mit der Zungenspitze gegen Itachis Ohrmuschel. Diesmal war die Wucht von Schwindel so heftig, dass Itachi seine Finger in Madaras Oberarme grub. Das war der Infernalische Abend. Jeder würde darüber reden, was geschehen war, doch niemand würde es an diesem Tag als außergewöhnlich betrachten. „Hab’s nicht verstanden...“ Das hätte Itachi in Kauf genommen, wenn es bedeutete, dass Madara weitersprach. „Ja...“ Madara löste seine Arme aus der Verschränkung und legte sie lose um Itachis Oberkörper. „Konan war’s. Sie hat mich schon auf ihrer Einladung gewarnt, dass sie ein... Mittel ausprobieren will. Zufällig an dir. Und an mir, ich wusste das immerhin.“ Mit einem Ruck riss Itachi sich los und wich zurück, bis er die gegenüberliegende Wand der Telefonzelle erreicht hatte. Nicht nur, dass er unter Drogen gesetzt worden war... Was dachte sich dieses Weib?! „Du hast was?!“ Madara machte Anstalten, wieder aufzuschließen, doch Itachi schüttelte energisch den Kopf. Der Nebel in seinem Kopf war immer noch da. Deshalb war Madara auch so anhänglich gewesen... „Wehe, du rührst dich.“ Madaras altbekannte Überheblichkeit wallte sofort wieder auf, und ein Grinsen zupfte an seinen Lippen. „Sonst? Schreist du dann?“ Statt einer Antwort sah Itachi sich nach etwas um, was er werfen konnte. Apropos werfen, draußen begann mitten im Schneegestöber die erste Schneeballschlacht des Winters. Leider war hier drinnen kein Schnee... Es half alles nichts. Itachi stützte sich an dem defekten Telefonapparat ab, beugte sich herunter und zog seinen Schuh aus. „Nein, ich werfe.“ „Und dabei kannst du nicht mal zielen, hat der Simulator bewiesen.“, spöttelte Madara und machte einen Schritt vorwärts. Er wollte es also nicht anders. Itachi holte aus und warf. Aus der halboffenen Tür heraus, nicht auf Madara. Und er traf. „AU! Verfickte Scheiße noch mal!“ Ausgerechnet Hidan. Dieser Tag war ihm einfach nicht wohl gesinnt. Madara schien hingegen nur kleinere Rückschläge zu verschmerzen zu haben. „Tja. Möchtest du gern, dass Hidan dich rettet? Kann allerdings etwas peinlich werden, das sage ich dir schon mal. Und ich würde nicht wetten, dass die Kamera weit genug weg ist.“ Noch hatte Hidan die Richtung nicht gefunden, doch er suchte eifrig. Itachi beobachtete ihn mit versteinerter Miene. Der Tag war grausam. „Es ist eh zu spät.“ „Nicht, wenn du mich machen lässt. Das wäre dann das vierte Mal in einer einzigen Nacht.“ Madara wusste genau, dass Itachi keine Wahl hatte. Er wartete noch auf das Nicken, das ihm dieses bestätigte, danach streckte er eine Hand aus. „Gut. Ich brauche deinen anderen Schuh.“ „Spinnst du?!“ „Du hast damit angefangen. Der letzte bekannte Schuhwerfer hat auf Bush gezielt und-“ Itachi warf ihm einen zutiefst unfreundlichen Blick zu und rückte den zweiten Schuh raus. Er musste schon verrückt gewesen sein, den Ersten zu nehmen. „Danke. Und jetzt wünsch’ mir Glück, dass ich Kakuzu treffe.“ Madara zielte und warf. Itachi war inzwischen so abgestumpft von den Ereignissen, dass er den Schmerzenslaut gleichgültig hinnahm. Es reichte letztlich, Kakuzu und Hidan überhaupt zu einem Gespräch zu bringen, damit ein Streit in Gang kam. Und weil Madara heute nie mit irgendetwas Unrecht zu haben schien, gelang das sogar... Es war deprimierend. „Reizend. Da draußen liegt Schnee.“ Madara schmunzelte unbeeindruckt. „Dafür ist es kurz vor Mitternacht. Willst du getragen werden?“ I'll kiss you Gonna corner you and not let you go And twidely - dee - and twidely - dum I'll kiss you, I'll kiss you, I'll kiss you Konan war leider noch nicht am Ende mit ihren Ideen. Ein kleines Finale musste sein. „Ich wünsche mir, dass wir Taxen anhalten und sie dann ignorieren.“ Also etwas ähnlich Beliebtes wie Klingelstreiche. Immerhin war es besser als das Event vom letzten Jahr, wo sie ihre Gäste gezwungen hatte, die Elefantenrutsche auf dem Kinderspielplatz kopfüber runterzurutschen. Itachi hatte gründlich die Nase voll. Nur noch eine Viertelstunde bis Mitternacht, und dann noch so was! Er wollte endlich seine Ruhe haben. Seine Füße waren nass, weil er durch den Schnee gelaufen war, nur um herauszufinden, dass Hidan seine Schuhe in eine Mülltonne geschmissen hatte, aus der Itachi sie auch nicht retten würde. Wenn er sich Erfrierungen holte, war dieser irregeleitete Spinner Schuld, aber das half ihm nichts. Die Füße im Schnee vergraben, sah er den anderen dabei zu, wie sie unter lautem Johlen ein Taxi heranwinkten. Schon das Dritte. Die Fahrer konnten einem leid tun. Durch die Schneekur hatte sich das Schwindelgefühl etwas gebessert, und nun wollte er nur noch nach Hause und ins Bett. Sein Kopf brummte, und womöglich fing er sich hier eine Erkältung ein. Kurz, der Abend war wirklich infernalisch und er wollte nicht so in einen neuen Tag starten. Wieder hielt ein Taxi. Neben ihm klatschte Madara in die Augen und sah damit nicht demonstrativ in die andere Richtung, wie das die anderen taten. „Ich hab was vergessen!“ Bitte nicht. And though I was a failure with love potion #8 #9 was different and the hour's getting late Now I'm standing on the corner Everyone looks great to me Gleichgültig starrte der Taxifahrer geradeaus, als die Seitentür aufgerissen wurde. Offensichtlich war er es gewöhnt, dass leicht angesäuselte Verrückte zu dieser Zeit auf den Straßen herumhüpften. Auch das Triumphgeheul, als es Mitternacht schlug, schreckte ihn nicht. Allerdings war es schon etwas erstaunlich, wenn junge Männer ohne Schuhe auf dem Rücksitz geschubst wurden und sich mit der Aggressivität einer Katze, der man auf den Schwanz getreten war, aufrichteten. Es folgte ein kurzer, nicht minder aggressiver Wortwechsel, dann schwang sich ein zweiter junger Mann daneben und knallte die Tür zu. Und nicht weniger schwungvoll verkündete er, wo sie hingebracht werden wollten und dass er bitte gefälligst mal die Heizung höher drehen sollte. Von da an drehte der Fahrer die Heizung auf und schaltete seinen iPod auf volle Lautstärke. „Lief doch gut. Etwa nicht?“, fragte Madara munter und verzichtete auf einen Anschnallgurt. Der Kerl war ein wandelndes Verkehrsrisiko. Itachi verzichtete auf eine Antwort. Madara wollte ihn nur ärgern, und das Mindeste, was er da tun konnte, war nicht zu reagieren. Auch nicht, wenn das wandelnde Verkehrsrisiko nun dicht neben ihm saß und Schneeflocken aus Itachis Haar kämmte. „Du bist ganz schön undankbar. Dabei habe ich dich gerade zum fünften Mal gerettet, allmählich bin ich fertig...“ „Du hast das alles erst verbockt! Du hast diese Kaffeekanne mitgebracht! Du hast Konan überhaupt dazu angestiftet, dieses Mittel auszuprobieren! Und du bleibst mir für die nächsten Wochen vom Leib!“ Mit diesen Worten schob er Madaras Hand beiseite. Zwischen den Augenbrauen des anderen bildete sich eine unwillige Falte – ausgerechnet Madara war gereizt. Als hätte er ein Recht dazu, nach der Vorstellung, die er hier geliefert hatte. „Was kann ich dafür?“ Itachi schnaubte und kurbelte das Fenster herunter. Der kalte Fahrtwind linderte das Hämmern in seinem Kopf etwas. „Lass mich in Ruhe.“ Ein gereizter Madara war auf die ein oder andere Weise sehr unangenehm. Es behagte Itachi nicht, so nah neben ihm zu sitzen und zu wissen, dass Madara gereizt war. „Ernsthaft. Ich kann nichts dafür, wenn du nichts verträgst. Außerdem ist in der Kaffeekanne nichts, die hab’ ich nur mitgenommen, um dich nervös zu machen.“ „Aha. Und das ominöse Mittel?“ „Lovepotion Nr. 9 ist Absinth. Alle haben den getrunken, und du verträgst ihn offenbar nicht.“ Abscheuliches Zeug. Itachi hatte gute Lust, das Gesicht in den Händen zu vergraben und seiner Frustration Luft zu machen. Madara hinderte ihn daran, indem er den Zopf festhielt. Nur noch nach Hause. Hopped into a taxi, and I told the driver Got to get me cross town Killed the bottle, started seeing double When the driver turned around Inzwischen war es kurz vor vier Uhr, streng genommen also sehr früh am Morgen. Itachi sah es lieber so, dass es spät in der Nacht war. Aus irgendeinem Grund war er aufgewacht, und nun lag er wach. Eigentlich war er froh darüber, denn wann hatte man nach einem katastrophalen Abend schon die Möglichkeit, in einem warmen, weichen Bett zu liegen, nichts tun zu müssen und sich zu überlegen, dass es so schrecklich alles gar nicht gewesen war? Selten bis nie. Itachi gähnte schläfrig. Madaras warmer Atem strich ihm in regelmäßigen Abständen über den Nacken und verursachte angenehme Schauer. Im selben Rhythmus hob und senkte sich auch die Brust mit dem gemächlich schlagenden Herz, und ab und zu seufzte er im Schlaf. Der Luftstoß bewegte das drahtige Haar und kitzelte Itachis bloße Haut. Es war eigenartig friedlich so. Früher hatte Itachi sich immer mit dem Gesicht zur Wand hingelegt, weil er als Kind Angst vor den Monstern gehabt hatte, die in der Dunkelheit lauern könnten und die er nicht anschauen wollte. Er glaubte nicht mehr an Monster, dennoch hatte er die Gewohnheit beibehalten. Er konnte der Wand den Rücken zudrehen, wenn Madara hinter ihm lag. Sogar, wenn dieser einfach seelenruhig schlief und nicht hilfreich war. Sogar, wenn dieser ihm vor wenigen Stunden noch Obszönitäten ins Ohr geflüstert hatte, während er wieder und wieder zustieß. Sogar, wenn dieser sich den ganzen Abend lang wie ein egoistisches Arsch benommen hatte. Itachi rieb sich träge die Augen und wälzte sich herum, sodass er Madara nun das Gesicht zuwandte. Gedankenverloren glitten seine Finger im Dunkeln über die Kehle, dann das Schlüsselbein und an der Naht des Rippenkäfigs entlang. Das Schwindelgefühl, das er diesmal verspürte, war anders als vorher, nicht so verunsichernd und vermischt mit restlichen Funken von Begierde. Ja, Madara hatte sich wirklich wie ein egoistisches Arsch benommen. Aber er war auch sehr geduldig gewesen, und das war etwas, was man von ihm nicht erwarten durfte. Madara brummte etwas, zweifellos nicht richtig wach und doch nicht ganz schlafend. Seine warme Hand zwängte sich unter seinem Kopf hervor und tastete blind nach Itachi, berührte dessen Wange und zog ihn zu sich. „Schl’f weid’r...“, murmelte er undeutlich. Itachi lächelte still vor sich hin. Es hatte eine Menge Nachteile, aber er war immer wieder froh, ausgerechnet mit Madara zusammenzuwohnen. And if you come and get me take me where I want to be-- I'll kiss you... ...I'll kiss you I'll kiss you fin Kapitel 2: Blinded Me With Science ---------------------------------- Blinded Me With Science Untertitel: Poetry in motion Neues von mir, und wie könnte es anders sein, mit Achtziger-Musik… Was so ein Besuch bei der Gamescom bei einem alles an Assoziationen auslösen kann! Die Urheberrechte des Songs „She Blinded Me With Science“ gehören Thomas Dolby. Ich widme diese Charakterverschandelung aerial, weil sie mir einen OS geschrieben hat und mich das freut :D Spaß beiseite, wenn jemand dazu auch noch das selbst kreierte AU benutzt, freut das den Macher natürlich. Enjoy! Es war so still. Diese eigentümliche Stille hätte jemanden, der mehr Fantasie hatte als Itachi – jeder zweite Mitteleuropäer gehörte in die Kategorie – zu wüsten Vermutungen bewegt. Warum war es so still, wenn er die Wohnung betrat?! Es konnte nicht so still sein! Madara war hier, ganz sicher, er würde im Winter und bei Schneefall nie freiwillig rausgehen, wenn es nicht unbedingt sein musste! Etwas musste geschehen sein! War er vielleicht die Treppe hinuntergestürzt? Hatte er einen tödlichen Stromschlag von der defekten Kaffeemaschine bekommen? Hatte er sich mit der Dezemberausgabe der Vogue die Pulsadern aufgeschlitzt?! Oder war er endlich mal von den herabstürzenden Gegenständen aus dem vollgestopften Küchenschrank erschlagen worden, das war Itachis Vermutung. Hoffentlich. Madara war Schuld, dass die Küche so ein gefährliches Pflaster war, sollte er eben mal eine halbvolle Packung roher Eier ins Haar kriegen. Vielleicht fand er es dann nicht mehr so brüllend komisch, wenn man Eierschalen ausbürstete. Itachi betrat die Küche, fand aber nichts Besonderes vor. Die Kaffeemaschine war immer noch kaputt, und in der Spüle stapelte sich das schmutzige Geschirr, für das sich bisher niemand verantwortlich gefühlt hatte. Es hatte sich nichts verändert, und das war ungewöhnlich genug. Itachi glaubte weiterhin nicht an die Vogue-Pulsader-Theorie und stellte seine Tasche ab. Er hatte die Bibliothek aufgesucht und auf dem Rückweg aus einer Laune heraus einen Abstecher zur Apotheke gemacht. In den letzten Tagen hatte er das Gefühl gehabt, dass Madara etwas ausbrütete, was auch der Grund für diese Stille sein konnte. Kaum war es endlich ruhig, mutierte Itachi zur Glucke. So konnte man das natürlich auch sehen. Gereizt stopfte er das Medikament in seine Jackentasche und zog diese aus. Madara erkältete sich höchstens, um andere zu ärgern, und das schaffte er in diesem Fall auch ohne Herumhusten. Itachi warf sich die Jacke über den Arm und betrat das Wohnzimmer. Fast unmittelbar darauf blieb er wieder stehen, denn die Atmosphäre dort war... intensiv gespannt. Madara saß auf der Couch. Normalerweise streckte er sich dort aus und überließ es jedem anderen, sich anderswo einen Platz zu suchen, doch heute hatte er die Beine angewinkelt und starrte in tiefster Konzentration auf etwas, das von seinen Oberschenkeln verdeckt wurde. Er wirkte wie eine Statue, und hätte er nicht geblinzelt, hätte man meinen können, jemand hätte bei ihm den Pause-Knopf gedrückt. Er nahm auch Itachis Ankunft nicht zur Kenntnis, nicht mal die kalte Luft, die mit ihm hereingekommen war, und so etwas war stets eine Beschwerde wert. Da war etwas nicht in Ordnung. I don't believe it! There she goes again! She's tidied up, and I can't find anything! All my tubes and wires And careful notes And antiquated notions “Was ist?” Itachi lehnte sich neugierig über die Rückenlehne der Couch. Was konnte das schon sein? Ein obszöner Brief vielleicht? An so etwas sollte Madara eigentlich seinen Spaß haben, es sei denn, er stammte von jemandem, den er nicht mochte. Überrascht stierte Itachi auf das, was Madara so fesselte. Ein leeres Blatt. Das fesselte ihn. Madara hielt einen Bleistift in der Hand, und auf der Couchlehne lag ein Radiergummi. Die erste Zeile des Blattes war dünn und voller Fusseln, er musste dort schon oft etwas ausradiert haben. Über diese erste Zeile war er anscheinend nicht hinausgekommen... mit was auch immer. „Was wird das?“, versuchte Itachi es erneut. Madara sah nicht mal auf und drückte das obere Ende des Bleistifts gegen seine Lippen. Er grübelte offenbar über etwas nach. „Geht dich nichts an.“, lautete die wenig freundliche Antwort, bevor er wieder ins Nachdenken versank. Itachi war eher verwirrt als wütend darüber – Madara war sonst nicht so schroff zu ihm, wenn er schlechte Laune oder Streit hatte, wurde er eher ätzend sarkastisch. Das war unausstehlicher als diese kurze Abweisung. Itachi war nun erst recht interessiert, doch es würde ihm nichts helfen, wenn er wie ein quengeliges Kind so lange hinter der Couch stehen blieb, bis Madara zu einer informativeren Auskunft bereit war. Und außerdem... Ja, und außerdem schien es so, als hätten sie gerade Stress. Dabei gab es keinen Grund, der Itachi einfiel. Konans Geburtstagsparty lag jetzt ein paar Wochen zurück, in denen er selbst zu beschäftigt gewesen war, um sich viel um irgendetwas zu kümmern. Vielleicht war es ja das. Klasse – sie hatten keine Beziehung und dieselben Probleme, als hätten sie eine. Und so, wie Pein immer daran scheiterte, Konan zu verstehen, und sich auch damit abfand, scheiterte Itachi schon im Ansatz an Madara. An seinem eigenen Geschlecht. Nachdem er es schon seit zwei Jahren vor sich herschob, wenigstens zu versuchen, eine Freundin zu finden. Itachi seufzte und holte seine mit Büchern vollgestopfte Tasche. Die Spannung in der Luft war fast statisch, und er ertappte sich dabei, wie er das Deckblatt seiner neurobiologischen Abhandlung genauso anstarrte. Madara färbte ab, ein beunruhigender Beweis für die Stärke seiner Persönlichkeit. Es vergingen zwanzig Minuten, in denen keiner etwas sagte. Ab und zu blätterte Itachi um, doch Madara unternahm keinen neuen Versuch, etwas zu schreiben. Er nieste lediglich ein Mal – womöglich bahnte sich da tatsächlich eine Erkältung an. Praktisch, falls Konan beabsichtigte, eine Weihnachtsparty zu schmeißen. Und dabei war das Medikament in Reichweite, steckte in der Tasche von Itachis Jacke. Madaras Augen lösten sich langsam vom Blatt und richteten sich auf ihn. It's poetry in motion When she turned her tender eyes to me As deep as any ocean Itachi erwiderte Madaras Blick ruhig. Da waren zwei Worte sehr deutlich auf die Stirn des anderen geschrieben, und sie blinkten in Alarmrot: Hashirama Senju. Es gab schließlich nur einen Mann, der so ein absolut uneingeschränktes Rivalisierungsdenken in Madara wachrufen konnte. Nichts konnte derart seine Aufmerksamkeit bannen und sämtliche Schichten wohlgesetzten Spotts und selbstbewusster Überheblichkeit durchdringen wie dieser erklärte Erzkonkurrent, niemand war so innig Gegenstand von Madaras tiefempfundenen Abneigungsgefühlen wie dieser. Und da wagte Madara es noch, eifersüchtig auf ein paar Bücher zu sein. Nicht zu fassen. Madara widmete sich wieder dem leeren Blatt und schrieb etwas auf, las es noch einmal und radierte es wieder aus. Seine Bewegungen waren so energisch, dass das Papier zerknickt und eingerissen wurde. Gereizt knüllte Madara es zusammen und warf es gegen die Wand, wo es abprallte und hinter dem Fernseher verschwand. Hätte Itachi es nicht besser gewusst, hätte er gesagt, dass Madara schmollte, weil ihm da etwas nicht gelang. Itachi legte sein Buch beiseite und krabbelte hinter den Fernseher, um das anstößige Papier zu holen. Er faltete es auseinander und strich es glatt. Das Meiste war nicht mehr zu lesen, doch was Madara zuletzt geschrieben hatte, war noch ansatzweise erkennbar. So tief wie jeder Ozean, so --- wie jede --- Und was sollte das jetzt heißen? Es klang etwas wie ein... Gedicht. Der Anfang eines Gedichts, dessen Dichter nicht damit zufrieden war. Er drehte sich zu Madara um. Der andere beobachtete ihn schweigend und immer noch gereizt, obwohl er mit seinem kleinen Gewaltausbruch etwas Dampf abgelassen hatte. Das erste Wort mit einem Hauch von Spott würde nach sich ziehen, dass er den Couchtisch warf. Was sagte man da? Konan hatte mal doziert, temperamentvolle Männer würden dadurch besänftigt, dass man anschmiegsam war. Dabei war es auch nicht weiter schlimm, wenn sie die Absicht durchschauten, Hauptsache der Haussegen wurde gerade gerückt. Und Itachi hatte nicht gern Streit mit Menschen, die er leiden konnte – mit Ausnahme von solchen wie Hidan, bei denen es zum guten Ton gehörte, dass man mit ihnen austauschte, wie sehr man sich gegenseitig ankotzte. Ohne diese Beschäftigung wäre Kakuzu vermutlich hoffnungslos überaggressiv. Madara starrte verbissen zwischen seinen Knien hindurch, als Itachi sich neben ihn setzte. Das tat er immer noch, als Itachi den Kopf an seine Schulter legte und ihn rieb wie eine Katze, die gestreichelt werden wollte. Und auch, als Itachi die Finger verflocht und unter seine Wange schob. Er schmiegte sich sogar an Madara, und verflucht noch mal, der Kerl rührte sich nicht! Sie saßen eine Weile so, ohne dass einer von beiden etwas tat. Und erstaunlicherweise war es Madara, der die intensive Stille, die daraufhin wieder eingetreten war, unterbrach. „Du kannst so eine Schlampe sein...“ Mit einem Satz zog Itachi sich zurück ans andere Ende der Couch, dann sprang er auf. Sein gesamtes Gesicht färbte sich rot vor Zorn und Scham, und eine ungebetene kleine Stimme in seinem Inneren flüsterte ihm zu, dass Konan wohl weniger von Männern verstand, als sie behauptete. Jedenfalls von Männern von diesem Kaliber. Die erste Reaktion seiner verletzten Würde bestand darin, türenknallend das Wohnzimmer zu verlassen. Itachi setzte das sofort um. „Findest du nicht, dass das eine gute erste Zeile ist?“ Itachi würdigte Madara keines weiteren Blickes. „Netter Versuch.“ „Heißt das Ja?“ Itachi nahm seine Jacke und schob seine Arme durch die Ärmel. Es war schon bewundernswert, wie abartig dreist Madara sein konnte – Itachi glaubte ihm keine Sekunde, dass er nach einem Ansatz für sein wie auch immer geartetes Vorhaben gesucht hatte. Das gehörte bei ihm einfach dazu, er musste Menschen ab und zu vor den Kopf stoßen, um mit ihnen klar zu kommen. Ob sie dann mit ihm klar kamen, war ihm ja egal. Warum hatte Itachi sich auch nicht schon längst eine Freundin gesucht, mit der er zusammenwohnen konnte, anstatt dieser... Shakespearschen Wiedergeburt! Es wäre wohl zu viel verlangt gewesen, dass Madara ihm folgte, und das erweckte in Itachi den Wunsch, ihn einfach geohrfeigt zu haben. Er würde das nachholen, wenn er wieder nach Hause kam. Außer ‚weg’ hatte Itachi keinen besonderen Plan, wo er hin wollte. Es war kalt draußen, und er hatte eigentlich keine Lust, hier herumzulaufen. Es schneite schon wieder, was unter Umständen der Grund für Madaras Kreativitätsblockade war – er hasste Schnee. Er hasste so ziemlich den ganzen Winter, mit kleinen Ausnahmen. Weihnachten gehörte nicht zu denen. War allerdings alles kein Grund, dass er eine nicht vorhandene poetische Ader unter Beweis stellen sollte, noch dazu für Hashirama. Es sei denn natürlich, es war ein Liebesgedicht. Der Anfang hatte danach geklungen. Itachi, der bisher durch den grauen Schneematsch gestakst war, hielt inne. Das war die ganze Hexerei? Jemanden mit dem Ozean zu vergleichen und dabei romantische Absichten zu haben? Still machte Itachi Kehrt und ging seine eigene Route zurück, bis er die Wohnungstür erreichte, Kopf und Schultern bestäubt mit Schnee. Er kümmerte sich nicht um die schmutzigen, nassen Fußabdrücke, die er hinterließ, und marschierte schnurstracks zur Couch. Madara hatte sich inzwischen mit überkreuzten Beinen hingesetzt und kritzelte auf einem neuen Blatt Papier herum. Sollte wohl Brainstorming sein. Als Itachi so unvermittelt wieder eintrat, hob er den Kopf und machte damit gleich einen Fehler. Und er grinste, was der zweite Fehler war. Itachi holte aus und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, nicht schmerzhaft, aber mit einer eiskalten Hand und außerdem von Herzen. She blinded me with science "She blinded me with science!" And hit me with technology Wie jeder Mensch reagierte Madara zunächst nicht, er war erst mal baff. In diesem Zeitraum sammelte sich ein ungutes Gefühl in Itachis Magengrube – man ohrfeigte Madara nicht, wenn man unangenehme Konsequenzen vermeiden wollte. Zumal er ja aus seiner Sicht gar nichts falsch gemacht hatte. Jeder sollte ab und zu ‚Schlampe’ genannt werden, wirklich. In relativ kurzem Zeitraum hatte Madaras Gehirn das Geschehen aufgearbeitet. Seine erste, wohl instinktive Tat war es, die Hand auf den roten, pochenden Abdruck auf seiner Wange zu legen. Diese simple Handlung, ob Absicht oder nicht, bescherte Itachi aller Logik entgegen wiederum das Gefühl, etwas Unrechtes getan zu haben. Falls er sich hatte entschuldigen wollen, Madara hatte die Instinktaktionen hinter sich. Nun richteten sich seine Augen auf Itachi. „Aua.“, erklärte er vorwurfsvoll. Itachi hätte fast gelacht. Es war weniger zum Lachen, als Madara alles, was sich in seiner Reichweite befand, als Wurfgeschosse benutzte. Itachi hatte nicht vorgehabt, zum Abbau künstlerischer Spannung zu dienen, und nun flogen Couchkissen, Stifte, die Fernbedienung, ein Atlas, eine Packung Papiertaschentücher und eine leere CD-Hülle. Und sollte irgendwer behaupten, dass das wie ein kleinkindischer Wutausbruch anmutete, hatte er garantiert nicht Recht! Itachi schnappte sich eins seiner Lehrbücher und benutzte es als Schutzschild vor den harten Gegenständen, die Bekanntschaft mit seinem Gesicht schließen wollten, und duckte sich. Irgendwann ging Madara die Munition aus, oder er sperrte das, was bei anderen Männern das innere Kind und bei ihm eine hyperaktive, militante Verkörperung von ‚Simon Says’ ohne Ritalin war, endlich weg. Bis dahin musste Itachi mit seinem mobilen Schild dafür sorgen, dass bei ihm alles heil blieb. Das also war psychologischer Spannungsabbau. Eins von beidem trat ein, jedenfalls stellte Madara den Beschuss ein und ließ sich zurück ins Polster sinken. Auf dem kleinen Tisch lag ein neuer weißer Bogen Papier, noch jungfräulich unbeschrieben. Das Ergebnis des Brainstorming hatte Madara zusammengeknüllt und geworfen, es war also nicht weiter wichtig gewesen. Itachi gönnte seinen müden Armen eine Pause. Das Buch war schwer, und seine Handfläche brannte dort, wo er Madara geohrfeigt hatte. Er konnte ihrer beider Atem hören und konnte das verursachte Chaos auch erahnen, ohne sich umzusehen. I can hear machinery "Blinding me with science - science!" "Science!" Madara klopfte einladend auf den freien Platz auf der Couch. Itachi erwog, ihn zum Teufel zu schicken – nach dieser freundlichen Ansage vorhin nicht ganz unverständlich – entschied jedoch, dass es besser war, wenn er sich erst die ganze sinnlose Story anhörte und Madara dann ordentlich einen mit der neurobiologischen Abhandlung verkümmelte. Tat auch weh und vor allem sah man den Effekt. Und das, während der Handabdruck auf der Wange immer noch nicht an Röte verloren hatte. Was soll’s, Madara verdiente das. Er verdiente jede Ohrfeige, jeden schnippischen Kommentar über seine Haare, jedes Scheitern beim Dichten und jeden Kuss. Irgendwie. Itachi ließ sich auf das Sitzpolster sinken. Der Fußboden war eine Katastrophe, und es stand in den Sternen, wann das mal jemand beseitigen würde. Kam ganz auf die Schuldfrage an, und Itachi würde sich so lange auf die Sache mit der Schlampe berufen, bis Madara die Säuberung übernahm. Der Sachverhalt war simpel. Wie man sich vermutlich denken konnte, konnten auch Tobirama und Madara nicht besonders gut miteinander. Zwar waren sie nicht davon besessen, sich nicht zu mögen, aber sie bemerkten einander grundsätzlich nicht, wenn sie sich auf der Straße trafen und würden wahrscheinlich absichtlich die Drehtür im Supermarkt blockieren, wenn der jeweils andere vorbei wollte. Madara drückte sich sehr unklar aus. Sie waren sich vor dem Kino begegnet, eins war zum anderen gekommen, und so war das jetzt. Sehr informativ, und bis morgen brauchte er einen Beweis für künstlerische Raffinesse. Und ja, er hätte Sasori oder Deidara fragen können und eine dicke Venus aus Ton kleistern können, doch wo war da der Spaß? Dabei traute er sich ja bloß nicht, fand Itachi. Und Madara wäre nicht Madara, wenn er keine dreiste Forderung in der Hinterhand gehabt hätte. Ehrlichkeit kostete. „Ich soll was?!“ „Musen tun das doch, oder? Das ist inspirierend.“ Und das mit einer so unschuldigen Miene. Gott musste vergessen haben, ihm Scham und Taktgefühl einzubauen. Itachi musste an sich halten, um nicht sofort wieder aufzuspringen. „Ich bin nicht deine... Muse! Und ich weiß nicht, was Inspiration mit Ausziehen zu tun hat!“ „Kein Problem, ich zeig’s dir.“ Itachi verschränkte ostentativ die Arme vor der Brust. Selbst für eine so unverbindliche Beziehung ohne emotionale Basis war das ganze Verhältnis zu versext, und so schlecht das Klischee des ‚Wir reden nie miteinander’ auch war... Es hatte etwas Wahres. Und auch, wenn Poesie nicht das war, wofür Itachi sich besonders interessierte oder womit er sich gut auskannte... Es war ein Anfang. As sweet as any harmony Mmm – but she blinded me with science! And failed me in biology Madara war unkooperativ. Er brauchte nur die Einleitung der Internet-Definition von Poesie zu sehen, um Parallelen mit ‚Club der toten Dichter’ aufzubauen, und sträubte sich. Itachi gab nur deswegen nicht nach, weil er dieses Musenthema unterdrücken wollte, das nur auf Sex und nichts Anderes hinauslief. Leider hatte Itachi ebenso wenig eine sprachliche Ader wie Madara, das merkte man schon an seiner Schweigsamkeit. Außerdem war es nicht Sinn der Sache, dass er Tobiramas Herausforderung bewältigte. Itachi kramte hervor, was er an Literatur aufzubieten hatte. Eine ausführliche Liste von Stilmitteln war schnell gefunden, ebenso wie die Gedichtunterteilungen und Versmaße. Das sorgte für einen Rahmen und einige Befremdung. Und es half ihnen eigentlich keinen Schritt weiter. Sie hatten Beispiele für die Ressourcen, die sie brauchen würden, doch das war kein Ansatz. Und was tat man, wenn man absolut keine Ahnung hatte, wie etwas zu machen war? Man verließ sich auf eine sagenhafte Kraft, die menschliche Form der Magie, wie sie schon seit Anbeginn der Zeit existierte... Das Bauchgefühl der Frauen. Richtig, man fragte Konan. Madara lauschte mit säuerlicher Miene dem heftigen Gelächter am anderen Ende der Telefonleitung. Die Freisprechanlage des Apparats war fast überfordert damit, und Itachi vertiefte sich angestrengt in einen Wikipedia-Artikel, während Konan versuchte, ihre Fassung wieder aufzubauen. „Aah... Das ist zu schön, um wahr zu sein. Und wie kommt ihr darauf, dass ich das kann?“ „Du hast dir mal ein Poesie-Lexikon von mir ausgeliehen.“, erwiderte Itachi, bevor Madara eine gehässige Antwort geben konnte. Konan gluckste vergnügt. „Ach ja, das war da, wo ich euch erwischt habe... Nur mal aus Neugier, habt ihr überhaupt was an, jetzt gerade?“ Madara ließ Shakespeare geräuschvoll auf den Tisch fallen. Die Sonette gefielen ihm offenbar nicht, und aus lauter Ironie vermutete die Randnotiz eines Historikers, dass das Sonett XVIII sich insgeheim an einen Mann richtete. „Mädel, ich könnte dir Fotos von mir schicken, da würdest du wünschen, du hättest nie so dumm gefragt.“ Konan lachte wieder, und es knackte in der Leitung. Sie räusperte sich schließlich und wischte sich vermutlich die tränenden Augen. „Ach ja, Gedichte. Ich weiß es zwar so oder so, aber ich würde noch mal gern hören, warum ich da weiterhelfen kann. Itachi, du hältst dich raus.“ Sie wartete geduldig ab, und Itachi warf Madara einen auffordernden Blick zu, den der andere nicht auffing. Er drehte einen Bleistift zwischen seinen langen, schlanken Fingern und starrte nachdenklich Shakespeares Sonette an, als stünde dort geschrieben, was Konan gesagt bekommen wollte. „Zu irgendwas musst du ja gut sein.“ „Ich kann auch wieder auflegen. Lass dir von Hidan ein Gedicht schreiben, bei dem sogar Eminem rot wird.“ Madara formte stumm das Wort ‚Biest’ und musterte das Telefon feindselig. Es thronte inmitten der aufgeschlagenen Bücher auf dem Kaffeetisch. Es war still in der Wohnung, mit Ausnahme des leisen Tippens von Itachis Fingern auf der Tastatur seines Laptops. Er schien rücksichtsvollerweise seine Ohren auf Durchzug zu stellen. Seine naturwissenschaftlichen Lehrbücher lagen unberührt gestapelt auf dem Boden, der mit kleinen Pfützen und schmutzigen Fußabdrücken bedeckt war. Es zwang ihn ja keiner. Madara seufzte und beugte sich vor. „Du bist die Einzige mit Feingefühl und der entsprechend feinfühligen Ader. Und du bist kostenlos.“ Von der Telefonrechnung mal abgesehen, doch Konan ließ sich erweichen. Sie schnaubte, und es raschelte im Hintergrund. „Wir machen ein paar Trockenübungen. Mit dem Rhythmus fangen wir an. Sprich mir nach, Jam-bus!“ „Nein.“ Diesmal trat Itachi ihm vors Schienenbein. Schien heute seinen gewalttätigen Tag zu haben, und das gefiel Madara nicht. „Himmel noch mal. Ich klatsche den Takt, Itachi macht es nach, und dann wirst du es vielleicht auch schaffen. Ist das kompatibel mit deinem männlichen Ego?“ Konan wartete gar nicht erst ab, sondern klatschte in die Hände. Zwei Mal. Und Itachi tat es ihr mit großer Ernsthaftigkeit nach. Poesie war ja so eine harte Schule. Mmm – but it's poetry in motion And when she turned her tender eyes to me "Good heavens, Miss Sakamoto – you're beautiful!" Konan war nicht zufrieden, bis die vier Metren nicht verinnerlicht waren. Dann ging sie dazu über, Madaras Horizont zu erweitern, was sich auf was reimte. Für jeden schlechten Reim gab es Ärger, und wenn er kein gutes Beispiel für ein sprachliches Mittel fand, ließ sie ihn die Klatscherei so lange wiederholen, bis seine Hände rot und kribbelig waren. Sogar Itachi verriet ihn. Konan hatte eine bestimmte Vorstellung von poetischer Musik, und Itachi hatte keine Skrupel, Celine Dion oder Massimo di Cataldo einzuschalten, um den richtigen Flair zu erzeugen. Nach zweieinhalb Stunden erlaubte Konan erst einen Satz für das richtige Gedicht. Madara hatte immer noch keine Idee, wo er anfangen sollte, aber inzwischen setzte ihn das nicht mehr unter Druck. Dafür taten seine Hände zu weh, und er hätte zu gern Whitney Houston und ihr ‚I Will Always Love You’ zum Schweigen gebracht. Leider war Itachi der ‚Bodyguard’. Konans Kreativitätsdrill trug offenbar Früchte. Die junge Frau räusperte sich. Vom ununterbrochenen Dozieren war ihre Stimme allmählich strapaziert, dennoch gab sie nicht auf. „Und wenn du dir die Anregung einfach irgendwo holst? Gab es ein Sonett, das dir gut gefallen hat?“ Wieder gab sie Madara keine Zeit für eine Reaktion, sondern fuhr gleich fort. Irgendwo mussten Itachi und sie Kontakt aufrecht halten, merkte man. „Nummer XVIII? Das ist doch eine gute Idee, oder? Dafür brauchen wir Ricky Martin.“ Auch das noch. Madara schwante Böses. Sehr Böses. „Wir wandeln das einfach ab, dann kommt der Rest von ganz allein! ‚Shall I compare thee to a winter’s day?’ Wie ist das?” „Viel zu schnulzig.“ „Ich wusste, es würde dir gefallen. Denn so schön dieser Moment freundschaftlicher Solidarität auch war, ich muss los. Meine Schicht fängt gleich an. Ruf mich heute Abend noch mal an und lies vor, was du geschrieben hast!“ Das rote Lämpchen des Telefons blinkte auf, und Konan war aus der Leitung verschwunden. Itachi beugte sich vor und schaltete es ab, wobei er Ricky Martin unverändert orgeln ließ. „Das ist leider unsere einzige Möglichkeit. Und besser als nichts.“ Madara ließ sich grollend in die Couch sinken. Er war müde und wollte diese Reimerei endlich in die Tonne treten. Was er wollte, war eine Tasse schwarzen Kaffee und die Couch für sich allein. Vielleicht auch noch Itachi für sich allein, das kam auf die Stärke des Kaffees an. Als hätte er diese Gedanken gelesen, stand Itachi auf, streckte sich ausgiebig und ging in die Küche. Madara hörte, wie er den Wasserhahn aufdrehte und die Kaffeedose aus dem Schrank holte, um ohne Kaffeemaschine Kaffee aufzubrühen. Einige Päckchen Backpulver, die Madara mal wieder achtlos hineingestopft hatte, fielen dabei heraus. Er konnte durch den Türspalt sehen, wie Itachi sich hinkniete und sie einsammelte, Haarsträhnen rutschten ihm dabei über die Ohren und fielen ihm ins Gesicht. Das war es. Er war ganz nahe dran. It's poetry in motion Now she's making love to me The spheres're in commotion The elements in harmony Itachi wachte auf, weil ihn jemand grob an der Schulter rüttelte. Von der Wohnungstür kam ein Stoß kalter Luft und prickelte unangenehm auf seiner Wange, wo die Muskeln eingeschlafen waren. Er lag auf der Couch. Irgendwann musste er dort eingenickt sein, trotz des Kaffees. Die Uhr zeigte kurz vor sechs am Morgen, und draußen war es um diese Zeit noch zappenduster. Ein leichter Schneefall hatte eingesetzt, und nur eine Stehlampe spendete Licht. Verschlafen und verständnislos blickte er in Madaras strahlendes Gesicht. Hatte Shakespeare auch so gestrahlt, wenn er ein vollendetes Sonett in der Hand hielt? „Was’s...“, murmelte Itachi und setzte sich auf. Seine Augen waren verklebt, und sein Körper war taub. Eine Couch war einfach nicht da, um auf ihr zu übernachten. „Ich bin fertig.“ Madara wedelte mit dem Blatt herum, sodass Itachi kurz die fertigen Zeilen des Gedichts sah. „Toll.“ Missmutig betrachtete er die frischen Abdrücke auf dem Boden des Wohnzimmers. An Madaras Stiefeln klebte Neuschnee, er rieselte aus seinem Haar und bestäubte seine Kleidung. Was hatte den schneehassenden Madara um diese Zeit raus getrieben? „Musst du dich jetzt nicht mit Tobirama treffen?“, fragte Itachi und rieb sich die Augen. Er hatte einen trockenen Geschmack im Mund, der ihn störte. Diese Nachtschicht hatten sie extra eingelegt, damit sie rechtzeitig fertig wurden, und Madara trödelte hier herum... Madara grinste selbstzufrieden. „Ich muss gar nichts.“ Itachi starrte ihn ohne jegliches Begreifen an, und Madara lachte. „Was geht den meine poetische Ader an?“ Itachi war immer noch nicht richtig wach, deshalb drangen diese Worte nur langsam zu ihm vor. Er schlug die Decke beiseite und setzte die Füße schaudernd auf den Boden auf. „Du hast extra-“ „Wenn ich recht überlege... Geht sie keinen was an.“ Noch bevor Itachi, dessen Reflexe ebenfalls noch nicht wach waren, ihn aufhalten konnte, holte Madara ein Feuerzeug aus der Tasche, drückte den Auslöser und hielt ihn an das untere Ende des Papiers. Die Flammen fraßen sich sofort hinein, und die Tintenlettern wurden vom schwarzen Brand verschluckt. Zuckende Feuerlichter erhellten Itachis blasses, fassungsloses Gesicht. „Du hast es... zerstört.“ „Wenn jemanden meine Gefühle nichts angehen, dann Tobirama.“, bekräftigte Madara stolz. Er lächelte immer noch, und obwohl Itachi kaum glauben konnte, dass all ihre Bemühungen umsonst gewesen waren... Es war nicht seine Sache. Er wusste nicht, was in dem Gedicht gestanden hatte, deshalb war es tatsächlich Madaras Entscheidung, wem er es anvertrauen wollte. Itachi gähnte und fuhr sich durch sein verknotetes Haar. „Und wann machst du diese Sauerei da weg?“ Er deutete auf das Häufchen verkohlten Papiers zu Madaras Füßen, der daraufhin wieder leise lachte und ihm das ohnehin chaotische Haar noch mehr zerzauste. Kurz drückte er Itachis warme Fingerspitzen gegen seine kalten Lippen. „Shall I compare thee to a winter’s day?“ As deep as any ocean As sweet as any harmony She blinded me with science! And failed me in geometry fin Ich entschuldige mich bei allen, deren musikalische Gefühle ich verletzt habe… Ich mag Cataldo, gegen den Rest habe ich Vorurteile! In diesem Teil war das Pairing nicht sehr deutlich, aber das ist gut so, finde ich. Wie Itachi schon sagt, es muss da mehr geben als Sex. Aber eigentlich gibt es ja nicht mal den, denn der Adult-OS ist immer noch nicht fertig. sun Kapitel 3: Friday I'm In Love ----------------------------- Friday I’m In Love Untertitel: Verschneite Sentimentalität Ich konnte das hier nicht beenden, bevor ich kein richtiges Bild von Izuna hatte – sinnlos, wie man sehen wird. Heute wurde das Lied von The Cure ‚Friday I’m In Love’ aus 1991 verwurstet. Enjoy! Madara konnte es nicht leiden, wenn man ihn am Samstagmorgen weckte. Er war so oder so kein fröhlicher Morgenmensch, aber am Samstag wurde es persönlich. Und deshalb war es Körperverletzung, ihn gegen halb sieben seiner Ruhe zu berauben. Träge wälzte er sich herum und suchte nach den Resten seines diffusen Traums von Schnee und Christmas Carols. Itachi sah das nicht so eng. Madara erinnerte sich vage, dass er eine fünftägige Studienreise irgendwohin machen wollte – so genau hatte Madara da nicht zugehört – und dazu musste er heute los. Und wo war da die Notwendigkeit, deshalb den Haushalt aufzuwecken? Itachi sagte irgendetwas von Frühstück. Dabei konnte man zu dieser gottlosen Zeit noch nicht essen, geschweige denn aufmerksam sein. Deshalb vergrub Madara grollend das Gesicht im Kissen und bekundete damit seine Ablehnung eines Frühstücks. Er war wach genug, um nicht übergangslos wieder einschlafen zu können, und doch nicht so wach, um geistig irgendetwas aufzunehmen. Wie kam Itachi schon auf so eine blöde Idee? Wollte er sichergehen, dass Madara in seiner Abwesenheit nicht vergaß, wo der Kühlschrank stand?! Nett. Madara ließ den Rest der Worte an sich vorbeirauschen. Wenn es gewichtige Veränderungen gab, zum Beispiel dass der Tauchsieder weg war, merkte er das schon früh genug und würde sich dann darüber aufregen. Vielleicht rief er auch mal an. Wo auch immer Itachi gerade hinzufahren beabsichtigte. Nicht zufrieden mit dem gewährten Maß an Beachtung, knuffte Itachi ihn in die Rippen. Es war ein ziemlich fester Knuff, der ihm ein ärgerliches Brummen von Madara eintrug. „Was denn?!“ Itachi war offensichtlich nicht gekränkt, dass man ihm nicht zugehört hatte. Er zuckte mit den Schultern und verließ das Zimmer, wobei er die Tür leise hinter sich zuzog. Madara schlief bereits, als Itachi hinzufügte: „Ich dachte, du bringst mich zum Flughafen.“ Saturday, wait And Sunday always comes too late Es schneite immer noch. Madara hasste das Gefühl von schmelzenden Flocken auf seinem Gesicht, ähnlich wie heiße, taube Küsse. Da hatte man schon ein sturmfreies Wochenende, und dann so was. Und das Schneetreiben wurde heftiger und legte den Verkehr lahm. Das hieß, dass er gegen Nachmittag eine umständliche Route durch die Einkaufsstraße nehmen musste. In der Rush Hour nie eine gute Idee, und natürlich war er nicht der einzige mit diesem Plan. Es war glitschig und brechend voll, und da erreichte man weder mit Kraft noch mit Charakter etwas. Wie ein Dinosaurier in einer Teergrube, dachte Madara sarkastisch. Das einzige wirkungsvolle Hilfsmittel war ein Kinderwagen, und so einen hatte er nun wirklich nicht. Aber das war noch nicht das ganze Übel. Es war die Zeit des kommerziellen Advents, und Madara hasste Weihnachten. Er hatte nicht mal die üblichen Gründe, die man so anführen konnte, von wegen Scheinheiligkeit und verzerrter Botschaften des Fests. Er war auch nicht religiös. Er mochte es nur nicht. Eigentlich mochte er gar keine Familienfeste. Als er mit Itachi zusammengezogen war, nach dem Ende der Schule, hatten sie einige Übereinkünfte getroffen. Itachi hatte dabei praxisorientierte Dinge angeordnet, dass er in Ruhe lernen konnte und zu welchen Zeiten der schlafen wollte, damit er sein Studium vorantreiben konnte. Wenn diese Richtlinien nicht eingehalten worden waren, so hatte er es zumindest ins vierte Jahr geschafft und erfreute sich dieser blöden Bildungsfahrt. Madaras Bedingungen waren ganz anderer Natur. Er konzentrierte sich damit nicht auf die Zukunft oder die Welt außerhalb – die Bedingungen dafür legte er genau da fest und nicht in seinen eigenen vier Wänden. Hier eine grobe Zusammenfassung von dem, was Madara mit Folienstift auf die Kacheln in der Küche gekritzelt hatte: 1. Wenn geredet werden muss, dann nicht mit mir. Meinetwegen mit einem Therapeuten oder einer Zimmerpflanze, aber nicht mit mir. Das bezog sich nur auf ernsthafte, tiefgründige Gespräche – sicher musste man irgendwann mal kommunizieren, doch der schwere Stoff hatte wegzubleiben. 2. Keine Fotos. Weder von mir noch von sonst wem, weder an der Wand noch auf den Möbeln. Meinetwegen in der untersten Bettschublade. Daran war nichts paranoid oder egozentrisch, aus seiner Sicht. Madara verabscheute Fotos, die ihn hohl angrinsten oder anstarrten. Wenn man so sentimental war, dann ohne ihn. 3. Keine Dekoration außerhalb des eigenen Zimmers. Itachi und seine verdammte Kalligraphie, das hässliche Geschmiere machte Madara ganz kirre. Selbst wenn sie Sex in Itachis Zimmer hatten, sorgte er dafür, dass er die Teile nicht sah, da hörte sich wirklich alles auf. 4. Keine Haushaltspläne. Das war sonst wie in einer Umerziehungsanstalt. Itachi hatte sich inzwischen damit abgefunden, ewig hinterher zu räumen. 5. Keine Volksfeste in dieser Wohnung. Und da war der entscheidende Paragraph. Ob das nun St. Patrick’s Day war oder Pfingsten, was als religiöses Fest quasi dasselbe wie ein Volksfest war, wie Madara fand, völlig schnuppe, es blieb draußen. So viel dazu. Der Folienstift, mit dem sie beide ihre Regeln aufgeschrieben hatte – Itachi hatte das albern gefunden und wenige Tage später entfernt – war wasserfest gewesen. Madaras Regeln standen immer noch da, allerdings hatten die Dämpfe und Dünste, die zwangsweise in einer Küche entstanden, die Schrift ausgebleicht. Man konnte sie eigentlich nur noch erahnen. Madara wusste, warum er gerade jetzt daran dachte. Aber er verschob es hartnäckig nach hinten, genau wie er sich nun durch die Menschenmassen schob, weg von allen ‚Jingle Bells’ und lachenden, fetten Männern in roten Uniformen und fusselnden Wattebärten. I don't care if Monday's blue Tuesday's grey and Wednesday too Thursday I don't care about you It's Friday I'm in love Er hätte fragen sollen. Klar, Madara hatte eindeutig festgelegt, dass sie keine tiefschürfenden Gespräche führen sollten. Aber das hieß ja nicht, dass man es nicht mal versuchte! Itachi akzeptierte die Dinge immer so, wie sie waren. Nur nicht, wenn ihm dadurch Nachteile entstanden. Und es war ja kein Nachteil, nichts über einen anderen Menschen zu wissen. Madara wusste zum Beispiel nichts über die sieben Milliarden und die paar Zerquetschten, die die Weltbevölkerung darstellten. Bloß wohnte er ja auch nicht mit denen zusammen! Es ärgerte ihn. Und auch deshalb hielt er sich größtenteils von den Personen fern, die er durch Itachi kennen gelernt hatte. So konnte es ja nie kommen. „Ach du Schande...“ Die Route durch die Fußgängerzone barg wirklich unangenehme Überraschungen. Sonntag war eh ein blöder Tag, um dort entlangzugehen, doch Madara hatte ja keine Wahl. Außerdem konnte er dort auf dem Rückweg von der Arbeit Einkäufe erledigen, und mit genug Inbrunst blendete er dabei die Weihnachtsmänner aus. Und kaum hatte man sich mit einem Problem arrangiert, kam das Nächste. „Huhu, Maddy, hm!“ Madara hätte einfach so tun können, als hätte er es nicht gehört. Oder umdrehen und weitergehen, er kannte keine Irren. Leider war Deidara nicht nur irre, sondern auch schnell und hatte ihn am Arm ergriffen. Wenn ihn wer mit dem sah... „Was ist das...?“ Deidara grinste ihn an. Er hatte sein Haar nach hinten frisiert und dünne Zöpfe eingeflochten. Lange schwarze Striche aus Tinte fügten sich zu aufgemalten Tätowierungen, und sein skurriles Indianerkostüm erweckte in Madara den Wunsch, sofort das Kriegsbeil auszugraben. „Sasori und ich machen Werbung für die Spielhalle, in der wir an Konans Geburtstag waren, hm. Willst du ein Videospiel kaufen, hm?“ Madara überging die Frage einfach. Nein, er wollte kein Videospiel, er wusste auch so, dass er gut war. Konsolenspiele waren etwas so... Familiäres. „Und deshalb hast du deine indioamerikanischen Wurzeln entdeckt.“ Madara wurde das Gefühl nicht los, dass etwas an diesem Kostüm nicht stimmte. Er war nicht spießig, aber trugen Männer wirklich neuerdings Boleros und rote Halbschuhe? Und war Deidara nicht kalt? Probeweise spähte er an dem Blonden vorbei. Sasori hatte es nicht so schlimm getroffen, er trug lediglich einen zu langen Mantel mit zu vielen Schnallen und unterhielt sich mit ernster Miene mit einer um das Wohl ihrer Kinder besorgten Mutter. „Nein, deshalb machen wir Cosplay, hm. Eigentlich wollte Tobi uns helfen, aber er kann nicht, und dabei hätte er sich die Haare blondiert und Johnnys Part übernommen, hat er versprochen, hm.“ Seit wann gab es irgendetwas, das Tobi Deidara verweigerte? Selbst, wenn es so lächerlich war wie Haare blondieren, um sich zu verkleiden... Darauf ging Madara lieber gar nicht ein. Er hatte keine Lust, sich mit Deidara zu unterhalten, auch dann nicht, wenn sie nicht in dieser Einkaufsstraße gestanden hätten und Deidara normal gekleidet gewesen wäre. „Johnny, aha.“, murmelte er, und Deidara nickte wohlwollend, wie man einem Kleinkind zunickt, das endlich ein simples Wort begriffen hat. „Ja, wir machen Werbung für Shadow Hearts 3, hm. Sasori ist Killer und ich bin Shania, und wenn Tobi-“ „Du bist eine Frau?“ Offensichtlich ja, doch Deidara hörte gar nicht hin. Er drehte sich zu ‚Killer’ Sasori um, der das Gespräch mit der Mutter beendet hatte und nun die Tastatur seines Handys bearbeitete. Sein Gesicht zeigte einen konzentrierten, fast lebhaften Ausdruck, der bei ihm ungewöhnlich war. „Er tut es schon wieder, hm.“, stellte ‚Shania’ Deidara missmutig fest. Madara wollte es wirklich nicht wissen, nur kam er auch nicht drum herum. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Deidara stand ihm im Weg. „Er schreibt SMS – die gaaanze Zeit, hm. Man könnte meinen, Orochimaru und er entwickeln eine Hassliebe mit ihrem ständigen Bombardement, das ist wie bei dir und...“ Madaras Aufmerksamkeit schweifte wieder ab, sodass er den Rest des Satzes nicht mitbekam. Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für eine Studienreise, so kurz vor Weihnachten. Wahrscheinlich gab es kaum einen anderen Termin, und nun war der Verkehr mit Heimkehrern überlastet und dazu der Schnee... „...weißt du, hm?“ Deidara hatte sein Selbstgespräch beendet. Eine Gruppe junger Mädchen versuchte sich dazu durchzuringen, ihn anzusprechen und ein Foto machen zu dürfen. Spätestens bei der Dokumentation wollte Madara nicht mehr dabei sein. „Nein.“ Deidara furchte befremdet die Stirn. Eine Eisbrecherin der Mädchengruppe näherte sich inzwischen von hinten. „Du hast nicht mit Itachi telefoniert, hm?“ „Es ist erst Sonntag.“ Das Mädchen nahm Deidara schüchtern, aber energisch in Beschlag und drängte ihn ab. Madara nahm die Gelegenheit zur Flucht wahr, wobei ihm auch gleich Deidaras Reaktion erspart blieb. Als könnte an einem einzigen Tag so viel passieren, und Itachi gab allenfalls Tatsachenberichte über... über... das eben, was da so war. Außerdem, siehe Punkt 1, hatte er Itachis Handynummer nicht. Monday you can fall apart Tuesday, Wednesday break my heart Oh, Thursday doesn't even start It's Friday I'm in love Madara mochte auch keine Handys. Sie funktionierten immer dann nicht, wenn man sie brauchte, und wenn man sie nicht brauchte, störten sie. Sie waren unnötig teuer, und wenn man unbedingt Pingpong spielen wollte, konnte man auch Tennisbälle an die Wand werfen. Madara war in Itachis Abwesenheit nicht unterbeschäftigt. Er hatte zu arbeiten, und dann musste er noch die ganze Wohnung in Unordnung bringen und tausend andere Dinge tun, die Itachi sonst unterband. In solchen Momenten fiel einem erst wieder auf, wie sehr man sich zusammenreißen musste, wenn man mit jemandem zusammenlebte. Aber zur Weihnachtszeit fühlte sich das seltsam an. Diese besinnliche Stimmung war überall, selbst bei Atheisten oder religiösen Freaks wie Hidan. Madara kam darauf, dass es an den Süßigkeiten liegen musste – irgendwann wurde man schwach und aß etwas in der Art, und sofort war man infiziert. Sogar ihn hatte es erwischt, und dabei sahen Lebkuchen so klein und unschuldig aus... Es dauerte bis Mittwoch, aber dann hatte es ihn. Madara bedachte den Tannenzweig auf der Fensterbank ständig mit finsteren Blicken, doch er wollte ihn da haben. Er hatte ihn sogar in eine Vase gestellt und ihm Wasser gegeben. Er kompensierte nichts. I don't care if Monday's black Tuesday, Wednesday - heart attack Thursday, never looking back It's Friday I'm in love Itachi hätte sich ja auch melden können, aber das tat er nicht. Und es war nicht so, als hätten sie hier kein Telefon, so altmodisch konnte man sein. Wie der verfluchte Tannenzweig, der sein ganzes Aroma überall verbreitete. Demnächst würde Madara vermutlich noch den Drang verspüren, Lametta dranzuhängen, das dann für das nächste Jahr im Teppich fest hing. Zum besseren Verständnis: diese unverkennbar schlechte Laune hatte er in der Adventszeit immer. Momentan konnte er sie nicht mal an jemandem auslassen, was es noch schlimmer machte. Und was es zweitens noch schlimmer machte... Draußen war dieser lästige Schnee, den er so hasste und bei dessen Anblick man schon frieren musste. Der Schneefall hatte sich immer noch nicht gelegt, war sogar stärker geworden. Die Bürgersteige waren eine einzige, matschige Rutschpartie, und ein Fortkommen beanspruchte Mengen an Zeit und Geduld, die jedem Normalsterblichen mehr abverlangten, als er eigentlich erübrigen konnte. Und nicht zu vergessen: die U-Bahn war bei diesem Wetter ein echtes Erlebnis. Noch überfüllter als sonst und noch glitschiger als die Bürgersteige, weil man nicht so weitsichtig sein konnte, die Bahnsteige zu streuen, wenn man schon wusste, dass die gesamten Passagiere ihren Schnee dort verteilten und Fliesen sich in dem Fall nicht besonders gut treten ließen. Madara achtete sorgfältig darauf, dass er nicht in der Nähe von Menschen war, die gleich ausrutschten und ihn eventuell mitrissen. Und deshalb zog er auch blitzschnell seinen Arm weg, als jemand danach griff und daraufhin nur Luft in der Hand hatte. Noch jemand, der den U-Bahnsteig mit seinem Hosenboden trocknete – manche Menschen waren einfach sozial. Konan wollte aber offenbar nicht sozial sein. Sie saß mitten in einer Pfütze aus schmutzigem Schmelzwasser, Streuasche und dem unverkennbaren, schmierigen Belag eines öffentlichen Untergrunds und funkelte Madara mit einem Blick an, der jemanden zu Stein erstarren lassen konnte. „Wenn du klug bist... hilfst du mir jetzt sofort hoch.“ Madara war nicht unbedingt angetan von der Vorstellung, dass sie ihn dann womöglich mit in diese Brühe zog, deshalb hielt er sich sicherheitshalber an einem Fahrkartenautomat fest, bevor er die junge Frau wieder auf die Beine zog. Bräunliches Wasser durchnässte nun die Kehrseite ihrer unglücklicherweise weißen Hose. Konans Finger krallten sich in seinen Oberarm. Wie so viele andere war sie nervlich am Ende, das sah auch Madara, der von Frauen nicht viel Ahnung hatte (von Männern hatte er auch nicht so viel – das waren Instinkte). „Möchtest du mich nach Hause bringen.“ Das war keine Frage. Es war allerdings auch kein Befehl – es war die Übermittlung der Botschaft, dass dieser Tag sie zu sehr geschafft hatte, um in diesem Aufzug alleine in einer überfüllten U-Bahn zu fahren und vermutlich noch öfter hinzufallen. Diese Theorie wurde bestätigt von kleinen Zeichen auf Konans Gesicht: den zusammengepressten Lippen, dem leicht geröteten Halsbereich, wo sie sich frustriert gekratzt haben musste, und dem teilweise verschmierten Lidschatten. Madara brummte etwas, was vermutlich als Einwilligung durchging. Er hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen. Da war nichts, was ihn interessierte. Gut, Itachi konnte bisweilen enorm uninteressant sein, aber wenigstens war er selbst dann lebendig. Und dieser Tannenzweig... roch bloß nach Tanne. Konan tupfte ihre Hose mit einem Taschentuch ab, und Madara sparte sich aus Rücksicht ausnahmsweise den Kommentar, den sie zweifellos noch oft genug zu hören bekommen würde. Hinsetzen war momentan sowieso ausgeschlossen. Eigentlich rechnete er damit, dass Konan ihn wissen ließ, was ihr heute alles über die Leber gelaufen war. Nicht, dass sie der Typ war, der andere mit seinen Sorgen belud, das tat sie nie. Doch man erwartete einfach, dass andere irgendetwas loswerden wollten, wenn sie mit den Nerven fertig waren. Konan quetschte sich ächzend in ein Abteil und benutzte Madara als Zugmaschine, um zumindest in die Nähe eines Haltegriffs zu kommen. Womit man automatisch in der Nähe von den Passagieren war, die beim Anfahren nicht durch den Waggon segelten und einen dabei mitrissen. Konan schwieg düster, die Hand immer noch in Madaras Armbeuge. Mit der anderen umklammerte sie eine Handtasche, die vorhin mit in der Pfütze gelandet war und nun monoton tropfte. „Wenn du Pein siehst, sag ihm, dass ich wütend auf ihn bin.“ Madara verdrehte schwungvoll die Augen. „Ärger im Paradies.“ Konan kniff ihn in den Ellbogen, als die U-Bahn anfuhr. Inzwischen waren auch ihre Hosenbeine durchzogen von braunen Linien, wo das dreckige Wasser heruntergeflossen war, und nun mündete es in ihre Stiefel. „Solltest du je erfolgreich mit jemandem zusammenleben wollen, sei rücksichtsvoll.“ „Danke für den Tipp.“ Konan kniff ihn noch mal, und Madara seufzte. Woraufhin sie ihn gleich wieder kniff. „Rücksichtsvoll. Was sagt das dir?“ „Dass ich dich fragen soll, was er ausgefressen hat.“ Konan wandte den Kopf zu einem halbwüchsigen Jungen, der sie angrinste, und starrte ihn so lange an, bis er wegschauen musste. „Nein. Du sollst dir einfach merken, dass man niemals, niemals einen ganzen Tag lang genau das tun und sagen soll, was man meint.“ Konan war keine Wahrheitsliebhaberin, das fand man schnell heraus. Eigentlich kannte Madara niemanden, mit Ausnahme von Hashirama, der das mit der Aufrichtigkeit so ganz genau nahm. Selbst Itachi war nur ehrlich, wenn es ihm passte. Aber warum das plötzlich ein Grund war, zum Lügen aufzurufen... „Du siehst so aus, als müsste man dich daran erinnern.“ Madara ignorierte die Bemerkung schlichtweg. Es schien fast, als wüsste Konan, was vorgefallen war, auch wenn das sehr unwahrscheinlich war. Vermutlich konnte sie es sich nur zusammenreimen. „Du sollst ja keine Begeisterung heucheln. Du sollst es bloß tun.“ Na bitte, sie las seine Gedanken. Madara wurde das zunehmend unheimlich. Gott, es war Samstag morgen gewesen – er hatte Samstags frei. Er wollte da nicht frühstücken, wenn er nicht mal wach war, und Konan versuchte, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden. Was nutzte es, wenn er im Halbschlaf unter dem Küchentisch lag?! „Manchmal ist das tröstlich.“ Madara war beinahe wieder bei seiner Gedankenlesungstheorie, bis ihm auffiel, dass Konans Blick längst nicht mehr auf ihn gerichtet war. Sie stierte ins Gedrängel des Waggons und dachte zweifellos an den Fauxpas, den Pein begangen hatte, ob bewusst oder unbewusst. Sie würde erwarten, dass er dafür blutete. Und wenn schon, wer brauchte Trost? Monday you can hold your head Tuesday, Wednesday stay in bed Or Thursday watch the walls instead It's Friday I'm in love Es war Freitag. Itachi hätte wieder da sein müssen, schon am Vormittag. Aus irgendeinem Grund war er das aber nicht – wahrscheinlich machte das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Dieses verrückte Schneetreiben blockierte den Flugverkehr zu gewissen Teilen, was in diesem Monat natürlich traurig für die Familien war. Madara hatte ohnehin nichts mehr von Itachi gehört. Er war nicht wirklich besorgt – so eine Nacht am Flughafen brachte keinen um, und es war sowieso erst Vormittag. Doch er war unruhig, auf eine gewisse Weise. Etwas nagte an ihm, von dem er wusste, dass es nichts mit Konan und ihrer Predigt über Rücksicht auf Mitbewohner zu tun hatte. Es war diese verdammte Weihnachtszeit, die ihm in die Glieder kroch wie Muskelkater. Sie machte sich bei jeder Bewegung bemerkbar, verpasste ihm einen Stich zur rechten Zeit und ging ihm nie ganz aus dem Kopf. Das war jedes Jahr so – er hatte es nur nie so richtig gemerkt, weil es immer etwas gegeben hatte, mit dem er sich beschäftigte. Wetter und die Umstände von Itachis Studienreise hatten es diesmal unvermittelt so gedreht, dass er diese Ablenkung nicht hatte und gezwungen war, darauf einzugehen. Das war nicht wie Muskelkater. Es ging nicht weg, wenn man nicht irgendetwas tat. Und gegen Abend war Madara zermürbt genug, um etwas zu tun. Er holte das Telefon und stellte es auf den Couchtisch. Ohne die heilende Einwirkung von Itachis Ordnungssinn war er übersäht mit Zeitschriften, Krümeln, runden Kaffeetassenabdrücken und Verpackungsmüll, und kurz ließ Madara sich von diesem Chaos einnehmen. Itachi würde wütend sein, wenn er diese Verwüstung sah. Oder wenn ihm auffiel, dass Madara seine Kalligraphiedrucke abgehängt und weggeschmissen hatte. Zaghaft umfasste seine Hand den Hörer wie etwas Zerbrechliches. Das Freizeichen erschien mit einem Mal unerträglich laut und dröhnend. Sein Ringfinger bewegte sich über die Tasten und tippte eine Nummer ein, die er auswendig konnte. Madara hatte unbestreitbar schöne Hände, doch jetzt wirkten sie einfach angespannt und nervös. Sie wurden sogar feucht vor Schweiß. Die Verbindung wurde aufgebaut, es klingelte. Madaras Nägel kratzten über die Tastatur des Apparats. „Hi?“ Niemand meldete sich so, wirklich. Das klang dämlich. Madaras Mund war mit einem Mal trocken, und er konnte keinen Ton hervorbringen. Endlich schaffte er es, seine Stimme wiederzufinden. „Ich wollte nur mal wieder deine Stimme hören.“ Madara presste den Daumen auf die Halterung des Hörers. Sofort wurde die Verbindung wieder getrennt, und er ließ den Hörer aus seiner schlaffen Hand fallen. Mit einem tiefen Ausatmen sank er ins Polster des Sofas. Nur ein Satz, ein einziges Wort, aber er hatte Izuna seit fünf Jahren nicht mehr abgerufen. Saturday wait And Sunday always comes too late But Friday never hesitate... Als es endlich an der Tür klingelte, war nachts um halb zwölf. Madara hatte noch nicht geschlafen – wie sollte er auch, er war immer noch aufgekratzt und draußen tobte die Mutter aller Schneestürme. Da fand man keine Ruhe. Und trotzdem hatte Itachi ja wohl einen Schlüssel. In einem enormen Ausbruch menschlicher Nächstenliebe bequemte Madara sich dennoch von seinem Platz auf der Couch, wo er bis vorhin eine Talkshow geschaut hatte, und öffnete die Tür. Und wurde konfrontiert mit dem jämmerlichsten Anblick, den Itachi Uchiha bisher je geboten hatte. Es war ja nicht... dass seine Miene das hergab. Er hatte diesen Schneematsch überall, als wäre ein Auto zu schnell an ihm vorbeigefahren und hätte ihn bespritzt, vermutlich war das so passiert. Und er war ordentlich durchgefroren. Sein Gepäck war irgendwo, jedenfalls nicht hier. Unter seinen schwarzen Augen lagen tiefe Schatten, dabei war sein Gesicht so stoisch wie immer. Lediglich auf eine festgeeiste Art. Es war, als hätte man Konans nervliche Erschöpfung, die Madara am Mittwoch gesehen hatte, verdreifacht und wäre noch mal mit einer Dampframme drübergerollt. Madara war nicht rührselig, aber das ging selbst ihm an die Nieren. Wortlos ließ er Itachi rein. And as sleek as a shriek Spinning round and round Itachis Mantel war tatsächlich nass und dreckig, zudem mit Ölspritzern. Sein Haar war eisverkrustet und seine Finger kalt und gerötet. Er hatte noch kein einziges Wort gesagt und bewegte sich steif und ungelenk. Es bereitete ihm sogar Schwierigkeiten, seine Schuhe auf zu bekommen. Das Chaos in der Wohnung nahm er offenbar nicht zur Kenntnis, genau wie alles Andere auch. Madara half ihm auf, als er mit seinen Schuhen fertig war. Ein böses déjà-vu, trotzdem versetzte es ihm einen kleinen Stich. Itachis Hand war eiskalt. Madara seufzte übertrieben und fing an, sie zwischen seinen zu rubbeln. „Sag jetzt bloß nichts.“, warnte er Itachi vor. Es war eine Maßnahme gegen spöttische Bemerkungen, allerdings starrte Itachi eh schweigend auf seine klammen Finger, die erst langsam ins Leben zurückkehrten. „Kalt.“, krächzte er, und Madara schnaubte. Doch da war wieder dieser elende Anblick... Es war, als würde man ein Hundewelpen im Regen stehen lassen, und dabei hatte Itachi noch nie Ähnlichkeit mit einem Hundewelpen besessen. Und als wüsste er das (konnte in dieser Woche denn jeder neuerdings Madaras Gedanken lesen, das war ja lachhaft), durchbohrte Itachi ihn nun mit seinen von Grund auf erschöpften Augen. „Hunger.“ Diesmal seufzte Madara nur noch. „Klar.“ Dressed up to the eyes It's a wonderful surprise To see your shoes and your spirits rise Itachi hatte anscheinend wirklich Hunger, aber er schien keinen Appetit zu haben. Eine Situation, die Madara nicht neu war, wenn auch nicht von Itachi persönlich. Es war verrückt, resümierte er, als er die Sachen in den ewig unsicheren Küchenschrank zurückstopfte und darin herumwühlte. Er war so leicht zu erweichen, weil er Izuna angerufen hatte. Es hatte in ihm diese spezielle Saite zum Klingen gebracht, von der er erst nun begriff, dass sie für Zuneigung reserviert war. Er hatte einige Tage weitgehend allein verbracht, und das kurz vor Weihnachten. Letztes Jahr war ihm kaum aufgefallen, dass er sich nach etwas sehnte, weil Itachi unbewusst die Stelle seines kleinen Bruders in Madaras Herz eingenommen hatte. Auf eine ganz andere Weise, doch das machte in diesem Fall keinen Unterschied. Es ging ja nicht um das, was sie miteinander taten, sondern wie viel der Rücksicht, die laut Konan so wichtig war, Madara zollte und in welchem Maß ihn die Anwesenheit des anderen besänftigte. Itachi gab nicht an, was genau er essen wollte, deshalb blieb das Madara überlassen. Um Viertel vor zwölf fiel ihm nichts Besseres ein, als Glühwein aufzuwärmen. Hatte er den wirklich gekauft? Und da Itachi Süßes mochte, würde er Kekse wohl vertragen. Madara fragte nicht, was vorgefallen war. Das hatte er bei Konan auch nicht getan, und es war nicht zu übersehen, dass Itachi nichts erzählen wollte. Es war wahrscheinlich relativ katastrophal gelaufen am Flughafen, und ausnahmsweise stocherte Madara nicht darin herum – er wollte nicht, dass Itachi womöglich in Tränen ausbrach. Übermüdete Menschen neigten dazu, und sei es nur, um andere von sich fernzuhalten. Always take a big bite It's such a gorgeous sight To see you eat in the middle of the night You can never get enough Enough of this stuff Itachi schüttelte seine Apathie nicht so schnell ab, doch sie war etwas weniger starr. Madara leistete ihm erstaunlich geduldig Gesellschaft, bis es Samstag wurde. Sein freier Tag hatte somit gerade begonnen, und das tat er in der Küche... Mitten in der Nacht. Unvermittelt stand Itachi auf und verließ den Raum. Madara hörte, wie er seine Zimmertür öffnete, und kniff die Augen zusammen. War Itachi aufmerksam genug, um seine hässlichen Poster zu vermissen? „Madara...“ Offensichtlich ja. Überraschend war, dass Itachi nicht sofort zurückkehrte und ihm seiner Laune entsprechend noch eine scheuerte, was er hin und wieder gern tat, wenn er sicher gehen wollte, dass Madara etwas davon hatte, ihn zu verärgern. Sprungfedern ächzten, als sich jemand in eine Matratze fallen ließ. Madara kannte dieses Quietschen, und dass er es jetzt hörte, machte ihn nur bedingt glücklich. Er sprang auf und folgte Itachi mit raschen Schritten. „Das ist mein Bett.“, bemerkte er vorwurfsvoll. Itachi gönnte ihm keinen Blick und streckte sich ungerührt auf dem ohnehin zerknüllten Laken aus. Sein inzwischen getautes Haar hinterließ nasse Flecken auf dem Kopfkissen. „Bilder weg, Bett weg.“, brummte er schläfrig. Madara erwog, ihn einfach herauszuheben – Itachi war so schwer wie jeder junge Mann seiner Statur, doch Madara war kräftig, wenn er seine Revieransprüche verteidigte – und entschied sich dagegen. Gar nicht mal wegen dieses Hundewelpen-Blicks, Itachis Augen waren fast geschlossen. Es war... es war eben Samstag, aber es fühlte sich noch an wie Freitag. Wie jemanden zu vermissen, ob das nun Izuna war oder Itachi. Und er konnte nicht den Samstag beginnen, wenn er sich so fühlte. „Rück mal.“ Itachis Augen öffneten sich um einen kleinen Spalt. „Bilder?“ „Weggeschmissen.“ „Arsch.“ „Rück trotzdem. Das schuldest du mir.“ Itachi funkelte ihn ungnädig an. Madara forderte Schulden immer sehr schnell ein, bevor man eine Chance hatte, sie zu vergessen oder abzuwiegeln. Grummelnd rutschte er ein Stück zur Seite. Das machte es in einem Bett, das für eine Person gedacht war, nicht unbedingt leichter, allerdings konnte Itachi zumindest nicht rausfallen, er hatte die Wandseite. Madara schaltete das Licht aus und quetschte sich daneben. Keiner von ihnen hatte sich umgezogen, und das forderte seinen Tribut. Vor allem, da Madara aus seinem Herzen keine Mördergrube machte. „Puh! Du stinkst.“ „Flughafen.“ Das war die einzige Erklärung, zu der Itachi im Bezug auf diese Studienfahrt jemals bereit sein würde. Zum Glück war der Tannenzweig da, um das auf wundersame Weise zu kaschieren. Nach dem obligatorischen Drängeln und Schieben zu Anfang hatten sich beide arrangiert. Dennoch konnte Madara nicht schlafen, und daran war weder der Gestank vom abgestandener Luft Schuld, der an Itachi haftete, noch die Zeit noch irgendetwas von außerhalb. „Du hast nicht angerufen.“ Itachi zupfte an dem Kissen herum und zog es Madara schließlich weg. Er hatte fast vergessen, wie unglaublich egoistisch dieser Kerl sein konnte, wenn man mit ihm ein Bett teilte. „Schnee.“ „Orochimaru hatte auch Kontakt mit Sasori.“ „Teuer.“ „Du wolltest einfach nicht.“ Itachis immer noch kühle Finger berührten unter der Decke Madaras Handgelenk, wie eine Beschwichtigung. „Kannst nicht als einziger asozial sein.“ Der erste richtige Satz, und dann gleich etwas so Reizendes. Madara lachte leise auf und holte sich sein Kissen zurück, woraufhin Itachi das Handgelenk des anderen lediglich unter seinen Kopf schob, sozusagen als Ersatz. „Du warst die ganze Zeit eingeschnappt?“ „Nacht.“, knurrte Itachi endgültig, ließ es aber zu, dass Madara die Arme um seinen Torso verschränkte. Nach verhältnismäßig langer Zeit kein Sex... Das war schon wieder eine Schuld, zumindest in Madaras Augen. Damit war klar, was sie an Heiligabend tun würden. „Ich mache dir morgen Frühstück.“, verkündete Madara stolz und impulsiv. „Toll.“ Itachi klang nicht begeistert, andererseits ebenso wenig so gereizt, wie er es sein müsste, wenn man ihn ständig vom Einschlafen abhielt. Er küsste Madaras Brustbein, weil das das einzige war, wo er ohne Verrenkungen drankam, und ließ zu, dass ihn die rebellischen Stachelsträhnen pieksten. „Schläfst du?“, fragte er nach einer Weile. Madara antwortete nicht, was das nicht bestätigen musste, doch das war Itachi egal. Sollte er es eben hören. „Du hast mir gefehlt.“ Madaras Grinsen war beinahe akustisch. „Ja.“ Womit er natürlich meinte, dass er schon schlief. Am nächsten Morgen schrubbte Itachi die Richtlinien mit Glasreiniger von den Küchenkacheln. Throwing out your frown And just smiling at the sound It's Friday I'm in love fin Müde. Nacht. Das lädt jetzt indirekt dazu ein, einen OS über Heiligabend zu schreiben… Vielleicht mache ich das noch und schiebe ihn dann dazwischen. Momentan ist mir das einfach zu pervers – es ist September! Das hatte jetzt wieder recht wenig Action und mehr moralischen Zeigefinger. Aber wenigstens wird das im nächsten OS ganz anders sein! :D sun Kapitel 4: Save A Horse, Ride A Cowboy -------------------------------------- Save a Horse, Ride a Cowboy Untertitel: John Wayne reitet wieder Origineller Titel, nicht? Ich weiß... Aber das ist mein erster Versuch eines Adult-Kapitels, deshalb seid bitte etwas nachsichtig mit mir. Ich glaube, der Song ist eine Art Stimmungskiller, deshalb schaltet ihn bitte NICHT an beim Lesen, vielen Dank. Ach ja, und der Titel ‚Save a Horse, Ride a Cowboy’ ist von Big & Rich und aus... 2004! Ein Stilbruch! Neiiin... Tut mir leid, ich werde mich bessern. Ganz sicher! Der scharfe Geruch von Farbe hing immer noch in der Luft. Itachi hatte gedacht, man könnte ihn ignorieren, doch offensichtlich hatte es Gründe, dass Menschen außerhalb wohnten, wenn ihre eigene Bleibe gestrichen wurde. Nicht, dass das Spaß machte. Tapezieren war denkbar schlecht für den männlichen Ego, wenn man ständig herausfand, dass einem ‚die entscheidenden Zentimeter fehlten’, wie Madara es so dämlich zweideutig ausgedrückt hatte, als ein ganzer Streifen dieser verfluchten Tapete wieder auf Itachi herunterfiel, weil oben nicht genug Kleister dran war. Keine Ballerina konnte am Ende eines Tages solche Schmerzen in den Zehen haben wie Itachi, da er ständig gezwungen war, sich so groß wie möglich zu machen. Dass Madara diese Heimwerkersession so unterhaltsam fand, vermieste Itachis Laune noch mehr. Er war schließlich groß genug, pardon, lang genug für so was. Und spätestens, als Konan stilechte Hüte aus Zeitungspapier durch den immer noch nicht abgeklebten Briefschlitz schob und Madara darauf bestand, diese Dinger aufzusetzen, war der Tag gelaufen. Und dabei waren sie noch nicht annähernd fertig. Itachi fand, dass sie es eilig hatten, bevor irgendein fehlgeleitetes Schäfchen von Freund das Bedürfnis hatte, da mitzuhelfen. Er konnte nicht mal ahnen, was jemand wie Deidara oder Tobi mit einem einzigen Eimer weißer Farbe anstellen konnten, und sie hatten derer fünf. Trotzdem nicht richtig in der Lage, sich zu besonderer Hast zu zwingen, schabte Itachi alte Tapete von der Wand, während Madara unvorschriftsmäßig auf der Standleiter saß, die Decke von ihren schwarzen Rußflecken befreite und dabei mit hingegen vorschriftsmäßigem Akzent Cowboy-Songs sang. Beziehungsweise einen einzigen Cowboy-Song, und das schon den ganzen Tag. Itachi war bereit, der Leiter einen Tritt zu geben, und wenn er dann alles allein machte musste! Hauptsache, er war dieses “Save a Horse, Ride a Cowboy” endlich los. “I'm the only John Wayne left in this town!” Hielt er das für witzig? Wahrscheinlich nicht mal das, Madara wollte ihm einfach auf die Nerven gehen und es gelang ihm bravourös. Itachi legte das Tapetenmesser aus der Hand, bevor er es zu einem Messer des Schweigens umwandeln konnte, und kämpfte sich durch den mit Plastikfolie ausgelegten, zugestellten Flur. Sie hatten einen neuen weißen Klecks am Fichtenholz der Badezimmertür, und außer Madara konnte das niemand gewesen sein. Vermutlich Absicht, um Hidan Stoff für sehr viele, sehr dumme Witze zu liefern. Madara wusste schließlich, was die Leute wollten. Itachi wollte keine weißen Kleckse an seiner Badezimmertür, wenn er jemals wieder einen normalen Morgen erleben wollte. „An' I saddle up my horse an' I ride into the city. I make a lot of noise 'cause the girls, they are so pretty!” Itachi kniff gepeinigt die Augen zusammen. „Sei doch endlich still...“ Madara ignorierte ihn. Sein Gesicht war gesprenkelt mit weißer Farbe, und seine Naturgewalt von Haar hatte den eh lächerlichen Zeitungspapierhut nicht lange auf seinem Kopf geduldet. Von Zeit zu Zeit legte er das Kinn auf die Brust und rieb sich stöhnend den schmerzenden Nacken, der durch die unbequeme Haltung ganz steif war. Es gab so viele Aspekte, die Itachi an diesem Satz störten. Der Wechsel von nervtötendem Gesang und Stöhnen war nicht gerade die Arbeitsatmosphäre, die er sich erhofft hatte. „Wenn du den Kopf in den Nacken legst, wird der Gleichgewichtsapparat ausgeschaltet.“, bemerkte er und fügte gleich darauf hinzu: „Und du fällst von der Leiter.“ Madara nahm sich die Zeit, seine Nackenmuskulatur erst ausreichend zu entspannen, dass die kleinste Bewegung nicht gleich eine Zerrung verursachen würde. Auch seine Arme waren mit winzigen weißen Tupfern übersäht, und „Blow my whistle, Baby“ auf seinem T-Shirt hatte einen fetten, bereits eingetrockneten Farbfleck. „Heißt das, wir machen Schluss für heute?“, fragte er munter, doch Itachi schüttelte den Kopf. „Es ist erst Nachmittag.“ Missmutig ließ er den Blick schweifen. Die Plastikplanen machten ihn aggressiv. Sie bedeckten alles, und man rutschte ständig drauf aus. Sogar die Betten waren damit bezogen, und überall waren diese Kleckse! Es war zum Auskeilen! Wenn man sich bei Madara darüber beschwerte, konterte der stets damit, dass er die Schlafzimmerwände eh lieber himmelblau gefärbt hätte. Und die Ausrede galt für die gesamte Wohnung. Himmelblau, mal ehrlich. „Pause?“, hakte Madara nach, unverwüstlich wie eh und je. „Nein.“ „Ridin' up an' down Broadway on my old stud, Leroy-” “JA.” Madara grinste und rutschte mit einem Satz von der Standleiter herunter. Und er rutschte natürlich nicht aus, obwohl er barfuß lief. Itachi war es egal. Er konnte diese vereinten Anzüglichkeiten mit weißen Flecken und Liedern vom Reiten nicht mehr ertragen. Er wollte aus diesem Farbmief raus und riss die Fenster auf – ganz gleich, ob es draußen Februar und schweinekalt war. Hinter ihm klickte etwas mehrmals. Nicht schon wieder, und nicht bei frischer Farbe. Itachi hasste es, dass Madara rauchte. Die Gewohnheit hatte er erst vor kurzem aufgenommen, und obwohl er es nicht exzessiv betrieb, ging er Itachi maßlos damit auf den Geist. Rauchen war etwas für die unentschiedenen Suizidalen, und in die Kategorie gehörte Madara nicht. Er hatte einfach plötzlich angefangen, ohne erkennbaren Grund, nachdem Itachi von seinem kurzen Ausflug zurückgekehrt war. Jetzt steckte er fest zwischen eiskalter Luft, Farbe und Zigarettenqualm und beobachtete, wie Madaras schöne, stellenweise mit weißer Farbe besprühten Finger den Filter zwischen ihnen drehten. Itachis Mund war mit einem Mal trocken. In Momenten wie diesen kam es gelegentlich über ihn, Madara zu sagen, wie großartig er aussah. Wie erstaunlich er die Augenbrauen hochziehen konnte, wie faszinierend der Schwung seines Unterkiefers war, wie unglaublich es sein konnte, wenn er lachte und der Adamsapfel unterhalb seiner Kehle hüpfte. Itachi war nicht gut mit Worten, und es war auch nicht so, dass er sich zu so etwas durchringen konnte. Das war eben sehr privat und peinlich. Und zu guter Letzt schien Madara immer zu wissen, was er an ihm bewunderte, wenn er wie jetzt diesen Ausdruck von träger Zufriedenheit in den Augen hatte. Oder es war das Nikotin, auch möglich. „Viertelstunde.“ Madara schloss das Fenster, nachdem er seine Asche hinausgestreut hatte, und warf Itachi einen Blick zu, der genau jene Zufriedenheit verströmte. „Ist verdammt kurz.“ Itachi hielt kurz inne. Madara benutzte suggestive Tonfälle nur, um andere damit zu ärgern, folglich hatte er eigentlich keinen. Und uneigentlich war es dieser. „Für was?“, erwiderte Itachi – die Steilvorlage war bewusst gesetzt. Er zwang sich, Madaras besagten Blick aufrecht zu erwidern und festzuhalten. „But her evaluation of my cowboy reputation had me beggin' for salvation all night long…”, summte Madara unverfroren, und Itachi tat nichts lieber, als ihm dieses Gedudel auszutreiben. Da seine Zehen entschieden für nichts mehr zu gebrauchen waren, verzichtete er darauf, sich etwas größer zu machen und zog Madara stattdessen zu sich herunter. Seine Lippen schmeckten nach verbranntem Tabak und Qualm, eine unerfreuliche Mischung, die Itachi nicht mochte. Allerdings wusste er auch genau, welches Potenzial sich hinter dem abscheulichen Geschmack verbarg. Doch Madara war heute offenbar entschlossen, ihm auf die Nerven gehen. Als wollte er ihn zu etwas bringen, wofür er erst mal Itachis Geduldsfaden durchsägen musste. Er zog Itachis Haarband heraus und strich unmerklich über die äußeren Strähnen. Itachi hasste das. Es fühlte sich an, als würde man ein Haustier streicheln, das einen vielleicht gleich in die Hand biss. Es prickelte unangenehm auf der Kopfhaut, ein halbherziger Kontakt. Und Itachi war sich recht sicher, dass Madara das bewusst war. Jemand mit seinem sexuellen Talent – klang wertlos, doch wenn man es nicht hatte... – vergaß nicht, er ignorierte allenfalls. „And I wouldn't trade ol' Leroy or my Chevrolet for your Escalade or your freak parade…” “Madara…” Itachi wusste, dass Madara es liebte, wenn er seinen Namen sagte. Egal mit welcher Betonung oder wann, allenfalls mit der Ausnahme des verfrühten samstäglichen Weckens. Warum, das konnte ihm egal sein. Jedenfalls schien es heute nicht alles zu sein, was er als Anstoß wollte, um die Hüllen fallen zu lassen. Und das, obwohl Itachi es sonst war, der die Schranken senkte. Madara sonderte lediglich sein unverschämtes Grinsen ab und zupfte an einer von Itachis Haarsträhnen. Es erzeugte ein störendes Jucken, und Itachi rieb sich irritiert den Hinterkopf, um dieses loszuwerden. „I'm a thourough-bred – that's what she said in the back of my truck bed…” “Ich hoffe, du erinnerst dich, dass das Bett voller Plastikplanen und Farbeimer ist.“, konterte Itachi mit unpassendem Pragmatismus. Er hatte jetzt absolut gar nichts gegen Sex, im Gegenteil, er hatte es selten so sehr gewollt, doch nicht mit diesen Planen und Pinseln. Das war denkbar abturnend. Oder... vielleicht nicht so schrecklich, wenn er darüber nachdachte. Madaras schalkhafte Augen hatten eine fast hypnotische Wirkung. Wie der Nebel, bevor die Titanic den Eisberg rammte. „Meins nicht.“, erwiderte Madara mit mehr als einem Hauch Selbstgefälligkeit. Natürlich. Was auch sonst? Dabei war er ja nicht derjenige, dem hier ‚Zentimeter fehlten’! Ausnahmsweise ließ Itachi dieses unsoziale Verhalten durchgehen, denn diesmal tat Madara ihm den Gefallen, seinen Kuss zu erwidern. Seine zuvor störrisch zusammengepressten Lippen wurden weicher und nachgiebiger, genau diese Verheißung, die einem die Knie weich werden ließ. Und Itachi, der die ganzen vergangenen Tage nur einen ermüdenden Wechsel von Schlaf und Tapetenwechseln erlebt hatte, wollte nichts Anderes als das. Vermutlich war es auch das, was ihn dazu bewog, ungeduldig den Kragen von Madaras T-Shirt zu packen und ihn mitzuziehen. Seine Finger zitterten fiebrig, und wenn sie wirklich einen Zeitrahmen von einer Viertelstunde einhalten wollten, würde er hier keine Sekunde verschwenden. Madaras Haar war so drahtig und widerspenstig wie eh und je, aber es war wohltuend schwarz, anders als die weiße Farbe. Trotz des Rauschen seines eigenen Blutes hörte Itachi, wie es leise knisterte, als es gegen den hölzernen Türrahmen gedrückt wurde. Sie bewegten sich beide unkoordiniert und unsynchron, doch es war genau dieses Fehlen von Eleganz, das Itachi an Madara so gefiel. Raffinesse, berauschende Grobheit, und sicher keine Eleganz. Auch eins dieser Dinge, die er Madara nie sagen würde. Madaras Zunge zwang Itachis Lippen forsch auseinander. Sein Mund war trocken und schmeckte immer noch etwas nach Asche. Der Geruch von Farbe und dem scharfen Rasierwasser, von dem Itachi ebenfalls nie zugeben würde, dass es ideal für Madara war, wurde langsam überlagert von Schweiß und dem simplen Geruch von Haut. Die Nähe war erregender als je zuvor – Itachi neigte dazu, während des Alltags in einen stumpfen Trott zu verfallen. Wenn er mit Madara zusammen war, kehrte das wirkliche, ungetrübte Leben in ihn zurück. Zu tiefe Gedanken, viel zu tiefe Gedanken, dachte Itachi ein wenig unwillig. Allerdings auch eine Angewohnheit von ihm. Nichts war befriedigender, als sämtliche Vernunft unter Madaras rauen Küssen aus sich heraus sickern zu lassen. Vielleicht nicht ganz ‚nichts’, korrigierte Itachi, als eine Hitzewelle ihn erfasste. Madaras Finger bohrten sich in seine Seiten, als er ihn zwang, über die Schwelle des Zimmers zu treten. Itachis Knie waren inzwischen so zittrig und knochenlos wie der Rest seines Körpers und trugen ihn kaum, weshalb sich die Kante der Kommode, gegen die Madara ihn schubste, in seinen Rücken bohrte. Immerhin war es Halt genug, und Itachi verlor keine Zeit, sich sein T-Shirt über den Kopf zu ziehen und irgendwo fallen zu lassen. Er krallte die Finger in Madaras Nacken und lauschte dem Keuchen, das dies nach sich zog, und kämpfte verbissen gegen den Drang an, die Augen zuzukneifen. Sie küssten sich mit unverminderter Heftigkeit, jedoch immer kürzer. Itachis Atem hatte sich längst zu einem abgehackten Keuchen verstiegen, und stellenweise war das ungestüme Brennen auf seiner Haut, das Madaras Hände hinterließen, fast schmerzhaft. Was Itachi selbst in seinem diffusen Zustand verwirrte, war dass Madara nicht wirklich etwas tat. Keiner von ihnen hatte mehr im Sinn als eine kurze, leidenschaftliche Befriedigung sinnlicher Lust, für mehr taugte es hier nicht, solange es nach Farbe stank und überall Plastikfolie lag. Allerdings hatte Itachi noch einiges zu lernen, das ahnte er, als Madara seine Haarspitzen ergriff und Itachis Kopf in den Nacken zog. Madaras charakterträchtiges Gesicht war angespannt und lüstern, doch dieses warme Funkeln in seinen Augen kündigte auch noch einen genaueren Plan an. „An' I was going…, just about as far… as she'd let me go.”, imitierte er, und kein Südstaatenakzent hatte jemals so sexy geklungen. Die Hitze, die sich in Itachis Körper ausgebreitet hatte, begann sich langsam zu fokussieren. Er war nur zu einem verschleierten, verständnislosen Blick fähig, und Madara lachte. Es war ein wunderbares, tiefes Geräusch, das Itachi durch Mark und Bein ging, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Madara in genau diesem Tonfall Obszönitäten aneinander reihte. „Dann geh doch endlich.“ Itachi hatte gründlich genug von diesem Cowboygejaule, wie er Madara kannte, war das nur der Anfang. Selbiger schmunzelte nur und ließ seine schwach gespreizten Finger über die Front von Itachis Jeans gleiten und beobachtete amüsiert, wie der strenge Ausdruck in dessen Augen dahinschmolz. Es gab auch etwas, was Madara Itachi nie sagen würde, also ein kleines Geheimnis: Itachi hatte die unnachahmlich schönste, verehrenswerteste Art zu erröten, wenn er erregt war. Es war etwas, was man nie würde einfangen können (es sei denn, Itachi erlaubte ihm je, einen Fotoapparat mit ins Bett zu nehmen, und die Wahrscheinlichkeit war selbst dann verschwindend gering, wenn er betrunken und stoned wäre... Itachi und sein Auge für Details). Umso kostbarer war es. Deidara hatte in seiner latent unanständigen Art mal angemerkt, bei jemand so Blassem wie Itachi sähe das sicher aus wie ein Pfefferminzbonbon, aber das war es gar nicht mal sosehr. Es war der ultimative Startschuss. Itachi war sichtlich irritiert, was nur noch mehr dazu beitrug, dass er ein Anblick zum Niederknien war. Nicht wirklich niedlich – das hätte Madara unsexy gefunden, er hatte keinen solchen Fetisch – , sondern verwirrt. Itachi hatte auch eine sehr anregende Art, ganz speziell verwirrt zu sein. Madara packte Itachis Arm und wirbelte ihn herum. „Cause I saddle off my horse…” Itachi taumelte ein Stück zur Seite, heute offenbar mit Begriffsstutzigkeit geschlagen. Also ein Kompliment an Madara, jemanden so aus dem Konzept bringen zu können. Um die Intention zu verdeutlichen, hob Madara die Arme, sodass sein farbverklebtes T-Shirt leichter entsorgt werden konnte. Und dieser Aufforderung kam Itachi ohne jegliches Zögern nach. Trotz der weiterhin unangenehmen Umstände rauschte Itachis Blut in seinen Ohren, als er auf dem zerknitterten Laken von Madaras Bett landete, dessen T-Shirt immer noch umklammert wie eine Art Rettungsanker. Er musste die Lippen zusammenpressen, um erniedrigende Bitten zu unterdrücken, von denen er genau wusste, dass sie in ihm lauerten. Und seine Kiefer lösten sich schlaff voneinander, als Madara sich mit seiner dunkelroten Zunge über die kantigen Lippen fuhr. Dies war die einzige Situation, in der Itachi sicher sein konnte, dass sein Mitbewohner es richtig machte – auf welche Weise auch immer. Madara zog an dem T-Shirt in Itachis Fingern und beförderte diesen so in einen innigen, feuchten Kuss, der nur aus sprudelndem Testosteron zu bestehen schien. Itachi ließ das Kleidungsstück mit der anzüglichen Aufschrift daraufhin endlich los und schlang die Arme um Madaras angespannten Nacken. Für mehrere Sekunden schien der Raum vor hastigen Atmen und dem Rascheln von Stoff nur so zu dröhnen. Endlich, endlich kehrte Madaras verfluchte und noch so schöne Hand zu Itachis Hosenbund zurück. Ihre genauso charakterisierten Finger bebten zwar etwas, waren jedoch trotzdem erstaunlich präzise dabei, den Metallknopf durch die Lasche zu drücken und den Reißverschluss nach unten zu ziehen, sodass die Berührung seiner inzwischen nur noch verfluchten Hand mit einem Mal viel näher war. Itachis Zähne gruben sich in seine Unterlippe, und es gelang ihm, sein Stöhnen zu einem gepressten Zischen zu reduzieren. Etwas, das Madara gleichermaßen zu amüsieren und anzustacheln schien. Madara drückte seine Lippen auf Itachis Ohrmuschel und ließ seine Zunge ein winziges Stück hineingleiten. Diesmal war das Keuchen völlig uneingeschränkt und wollüstig. „We were flying high – fining, whine, having ourselves a big and rich time…” Itachis Blick war nicht zielgerichtet genug, um Madara irgendetwas abzubrennen. Ständig brachte er diese dämlichen Liedpassagen ein, als wollte er ihm irgendeinen Wink geben. Dieser halbwegs gefestigte Gedanke zerrann wieder, als Madara Itachis Jeans samt darunter liegender und sehr privater azurblauer Boxershorts herunterzog. Bei dem Kontakt zwischen Itachis Erregung und dem grob darüber hinweggezerrten Stoff krampfte er sich zusammen und schaffte es, Madaras Handgelenke festzuhalten. Er konnte Madaras dreckiges Grinsen geradezu hören, als dessen Zähne kurz über die fast konzentrische Anordnung von Itachis Ohrmuschel kratzten. „Ja?“ Itachi kniff die Augen zusammen. Er begriff, dass er beim Ausatmen leise, heisere Geräusche von sich gab, und schloss den Mund rasch. Er musste schlucken, um seinen trockenen Mund einigermaßen zum Sprechen zu bewegen. „Wieso...?“ Madaras Gesicht tauchte wieder vor seinem auf, und er wurde auf den Mundwinkel geküsst. „Find’s raus.“ Mit diesen Worten zog er Itachi mit und auf sich, wo die Wucht des Aufpralls ihrer beider Nervensysteme bis in die Grundfesten erschütterte. Es war nicht mehr zu erkennen, welche Tonlage von wem stammte, und es war so oder so egal. Es gab keine Sinneslust, die annähernd so war wie diese, nicht mal eine richtige Beschreibung dafür. Itachi wunderte sich vage, dass Madara diese Position einleitete, aber auch dieser Gedanke konnte unter hemmungslosen Küssen, wie die beiden sie austauschten, nicht lange bestehen. Es war alles wie sonst, und er spürte auch von hier, wie die unnachgiebige Ausbeulung gegen seinen Schoß drückte. Als Itachi mit weniger Geschick, jedoch mit dem selben Ergebnis Madaras Hose öffnete, prustete er ungewollt los. Das Nichttragen von Unterwäsche war sozusagen ein Tabuthema der Gesellschaft, außerdem war es etwas, dessen Madara andere Leute gern bezichtigte. Nun, heute war er selbst mal dran. Es hätte Itachis Alarmglocken schrillen lassen sollen. Tat es aber nicht. Madara nahm seine Heiterkeit unbeteiligt hin. Ein dünner Film von Schweiß glitzerte auf seiner Stirn, und seine Augen glommen in jener unmissverständlichen Hitze, die das Zerren in Itachis Unterleib unerträglich machte. Madara blieb auf dem Rücken liegen, das wüste Haar chaotischer denn je, und sah mit jener erwartungsvollen, kontrollierten Lust zu Itachi auf, die nicht passen wollte. Lange, grazile Finger glitten über Itachis Hüftknochen unter der hellen Haut – eine Tat, die so beiläufig war, als langweilte Madara sich gerade. Dafür war er allerdings ziemlich vertikal. Itachi war nahe dran, tatsächlich irgendetwas Aufforderndes zu sagen, was Madara ihn dann nie vergessen lassen würde, nur um in diesem Moment endlich die Erfüllung zu bekommen, nach der er sich sehnte. Ihm kam der finale Wink mit der Zaunlatte zuvor, und zwar wirklich. Madara zog eine leicht mitgenommen wirkende Tube aus seiner Hosentasche und drehte sie zwischen den Fingern. Seine Oberschenkel drückten auffordernd gegen Itachis Gesäß. “Riding up and down Broadway on my old stud Leroy – and the girls say: Save a horse, ride a cowboy!” Nicht sein Ernst. Nicht sein Ernst. Triebbefriedigung war eine Sache, wenn auch eine recht Angenehme. Doch sie hatte immer gleich zu verlaufen, Geschlechtsverkehr mit klar verteilten Rollen. Was über diese klassische Angelegenheit hinausging, war Itachi unheimlich, auch wenn er das nicht zugegeben hätte. Er hatte nun mal einen frigiden Kern, an dem selbst Madaras diabolische Sexualität nichts tauen konnte. Es war sein gutes Recht. Madara machte eine vielsagende Handbewegung und zog die Augenbrauen hoch. Er sah das mit dem Recht offenbar anders. Itachi biss sich auf die Lippen. Er wollte das, wollte das wirklich. Aber er wollte nicht plötzlich gezwungen werden, auf eine Weise aktiv zu werden, die ihn mit allem konfrontierte, was er tat. Angeblich – Konans Theorie – machten sich beim Sex Veränderungen in der Beziehung bemerkbar, die einem sonst entgingen. Itachi fuhr sich durch sein zerzaustes Haar, um sein Zögern zu verbergen. Madara quittierte das mit einem ungewöhnlich geduldigen Lächeln. Er schraubte die Tube auf und quetschte etwas auf Itachis Finger, das leicht nach Aloe roch und trotz der Verwahrung in einer warmen Hosentasche kühl war. Dann hob er die Hand und streckte sie aus, wie um Beistand zu bieten. Dabei ging es nur um Spaß, das wusste Itachi auch. Er ergriff die Hand trotzdem. Vorsichtig rutschte er über Madaras Schoß, wobei er seine Knie jeweils links und rechts von dem ausgestreckten Körper des anderen abstützte. Seine Miene war gleichzeitig erregt und konzentriert, was Madara zum Lachen reizte, und dass er es sich verkniff, war für seine Verhältnisse heldenhaft. Mit derselben Gewissenhaftigkeit legte Itachi seine gelüberzogenen Finger auf Madaras steife Erektion und verteilte die Creme darauf. Es hatte bizarre Ähnlichkeit mit frischem Tapetenkleister, was die Verlegenheit für Itachi etwas minderte, und als Madara unwillkürlich aufseufzte und seine Muskulatur sich voll quälender Erwartung anspannte, war sie fast vergessen. Itachi hatte beabsichtigt, die Penetration sehr langsam vorzunehmen, um sich somit Komplikationen und mehr Schmerz als nötig zu ersparen, doch Madara war wiederum nicht so geduldig. Er wartete ab, bis Itachi die richtige Position hatte, dann vollführte er einen aufwärtsgerichteten Stoß mit den Hüften. Itachi schrie. So ging man mit ihm nicht um. Itachi war nahe dran, mit rechts auszuholen und Madara für den Schmerz, den er ihm ohne Rücksicht auf Verluste zugefügt hatte, zu ohrfeigen. Und er hätte es auch getan, wenn Madara diese Hand nicht gehalten hätte. Oh, gut. Er würde diese Ohrfeige nachholen. Später. Das Brennen seiner malträtierten Muskeln schwand erst nach und nach. In diesem kurzen Zeitraum sammelte Itachi sich und gewöhnte sich an seine völlig ungewohnte Sichtweise. Nicht länger als nötig, denn obwohl er seine Erregung hatte zurückstellen müssen, einen weiteren Aufschub duldete er nicht. Madaras freie Hand, die die Tube wieder hatte fallen lassen und bisher recht untätig auf Itachis Hüfte gelegen hatte, strich zunächst auf der schweißfeuchten Haut auf und ab, dann streckte er sie aus und berührte die sich heftig hebende und senkende Brust. Seine kurzen, aber scharfen Nägel hinterließen rote Kratzer auf der Haut und ließen Itachi zusammenzucken, als sie über die Brustwarze fuhren. Itachi hob sein Becken an und ließ es dann mit aller Wucht, die er aufbringen konnte, wieder herunterstoßen. Die Reaktion kam prompt – Madaras Hände krampften sich hilflos zusammen, und er verdrehte die Augen. Es klang, als hätte er sich gerade an seinem eigenen Atem verschluckt. Itachi grinste und beugte sich zu seinem keuchenden Freund herunter. Er konnte jeden hektischen roten Fleck auf dessen Haut sehen, jede schweißverklebte Haarsträhne, sogar den Schleier über seinen hitzigen Augen. „I’m the only John Wayne left ins this town.“ Kurz blitzte so etwas wie Verärgerung in Madaras lustverhangenen Augen auf, dann ließ er Itachis Hand los und presste seine Lippen auf dessen. Seine Zunge drang dabei forsch in die Mundhöhle des anderen ein und stieß gegen die Zahnreihen. Im gleichen Moment drückte er seine Hüften nach oben. Trotz des Lustgefühls, das er empfand, konnte Itachi deutlich die kleine Andeutung von Frustration in Madaras Mimik erkennen. Es war nicht genug, bei Weitem nicht. Das Einpendeln eines Rhythmus erwies sich als kleinstes Problem. Itachi hatte nicht gedacht, dass es ihm Vergnügen bereiten würde, Kontrolle über den dominanten, reizbaren Madara zu haben, doch genau das erwies sich als umso befriedigender. Das Knistern von Plastikfolie und der Farbgeruch wichen endgültig, als Itachi über die Reste seiner Verlegenheit und Madara über seine Frustration hinwegfand. Itachi hob und senkte sein Becken, bis er den Punkt fand, der ihn Sterne sehen ließ. Spätestens dann machte er sich keine Gedanken mehr um Lautstärke – wenn es wachrüttelnd war, mit Madara zusammen zu sein, war das hier die ultimative Wiederbelebung. Itachi warf den Kopf in den Nacken, um sein störendes Haar beiseite zu schaffen. Madaras Hüften drückten ihn mit einer beinahe anmutigen, rollenden Bewegung wieder hoch, und Itachi glaubte, unter Strom zu stehen. Seine Finger waren glitschig vor Gel und Schweiß und fanden auf Madaras glatten, männlich-schön geformten Schultern kaum Halt. „Aah! Madara...“, stöhnte er. Die Nennung seines Namens, die Madara unleugbar anmachte, brachte ihn dazu, seine Anstrengungen zu verstärken und seine Handfläche im Takt über Itachis Härte streifen zu lassen, und das nicht besonders sanft. Aber umso besser. Inzwischen nahm Itachi kaum mehr etwas wahr, außer dem Tosen seines eigenen Blutes und dem konstanten Strom von Geräuschen. Hätte er genügend Luft dafür gehabt, hätte er Madara sicher all den Unfug erzählt, den er sonst zurückhielt – es war gut, dass er nicht dazu kam. Madara schien Itachis abwesende Miene zu bemerken. Er stemmte sich auf einen Ellbogen und ließ seine Hand schwer auf Itachis Hinterkopf fallen, sodass er ihn küssen konnte. Es war keine Raffinesse dahinter, was vor dem Hintergrund sexueller Ekstase auch nicht nötig war. Doch warum er überhaupt nötig war, blieb schleierhaft. Itachis innere Uhr sagte ihm, dass die Viertelstunde rum war, doch es kümmerte ihn nicht. Madaras Griff um seine Erektion machte ihn wahnsinnig, und er ließ den Rhythmus außer Acht. Seine Finger bohrten sich in Madaras Schultern, sodass die Position bedrohlicher wirkte, als sie war, aber das schien Madara nur noch anzuspornen. Die Sprungfedern des Bettes quietschten authentisch, als Itachi sich ziellos auf und ab gleiten ließ. Er registrierte noch vage, dass Madara fast ehrfürchtig seine Wange berührte, als sei da etwas, was ihn faszinierte. Daraufhin versteifte Itachis gesamter Körper sich, und er erinnerte sich, dass er schrie, als er zu seinem Höhepunkt kam. Madara wusste es kurz zuvor so gegangen sein, was ihm in dieser Stellung jedoch nicht so schnell auffiel. Obwohl Itachis Muskeln zitterten und von Schwere befallen waren, hievte er sich von Madara herunter und ließ sich neben ihm fallen. Irgendetwas lief seine Innenschenkel herunter, aber darum sorgte er sich gerade am Wenigsten. Mit einem schnaufenden Ausatmen fuhr Madara sich durch sein sprödes Haar. Dann lachte er auf. „Bah. Ich hab’s mir in die Haare geschmiert.“ Itachi spürte die Vibration von Madaras Gelächter wie ein warmes Pulsieren. Es rang selbst ihm in dieser Situation ein dümmliches Grinsen ab. Man sollte die postorgasmische Selbstvergessenheit nie unterschätzen. „Dein Pech.“ Madara lachte schon wieder. „Ich bin ja auch nicht derjenige, der Handcreme im Arsch hat.“ Das brachte Itachis Aufmerksamkeit schlagartig zurück. Mit einem Schwung, der den Raum um ihn herum in Drehung versetzte, setzte er sich auf und starrte Madara ungläubig an. „Du hast... Handcreme genommen?!“ Madara erwiderte seinen Blick weniger schuldbewusst als vielmehr vorbehaltlos. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und wirkte mörderisch sexy in seiner stellenweise mit dunklen Schweißflecken übersäten Jeans und dem derangierten Haar. Itachi hasste es, dass sein Mund dabei immer noch trocken wurde, dabei war er gerade zweifellos befriedigt. Es gab keinen Grund mehr, Madara attraktiv zu finden, nur weil dieser noch keine Notwendigkeit gesehen hatte, wenigstens seine Hose zu schließen. Er zog sich beim Sex generell selten ganz aus, vermutlich hatte er eine Entblößungsangst. Hah. Hoffentlich gewöhnte er sich ganz schnell wieder an, Unterwäsche zu tragen, denn sonst würde Itachi in seiner Gegenwart nie wieder eine ruhige Minute haben. „Hatte nichts Anderes. Außerdem zieht das blöde Zeug nicht ein, was gut ist, sonst ginge es dir jetzt dreckig.“ Itachi war sich ziemlich sicher, dass es ihm ohnehin dreckig ging, und Madara war Schuld mit seiner blöden Ungeduld. „Zwei.“ „Hm?“ Madara musterte ihn selbstzufrieden aus halboffenen Augen. „Zwei Ohrfeigen. Du weißt, wofür.“ Eigentlich hätte Madara für das unschmeichelhafte Gekicher, das er daraufhin anstimmte, noch eine Dritte verdient. Es war immer wieder erstaunlich, wie gelöst er sein konnte, und Itachi begriff, dass er eine deutliche Hemmung hatte, ihn trotz aller Defizite aus diesem Zustand zu reißen. „Ich denke, es ist ein guter Zeitpunkt, um dir zu gestehen, dass ich nicht auf Schläge stehe. Obwohl, mit dem richtigen Inventar von-“ Itachi drückte ihm ein Kissen aufs Gesicht, nur um zu verdeutlichen, dass solche Gedanken nicht erwünscht waren. Es wäre überhaupt besser gewesen, wenn Madara ihn in diese ganze Cowboy-Geschichte vorher eingeweiht hätte. Aber Itachi wäre nicht einverstanden gewesen, das ahnte er selbst auch. Zusätzlich bat Madara nicht um Dinge, er setzte sie einfach durch. Itachi zog das Kissen wieder weg, bevor Madara noch erstickte, und legte sich wieder neben ihn. Es verschaffte ihm Genugtuung, dass Madaras Schultern rote Kratzspuren trugen, die mit dem Schweiß vermutlich ziemlich brannten. Gedankenverloren öffnete Itachi den Mund und ließ seine Zunge darübergleiten. Wie nicht anders zu erwarten, schmeckte es nach Salz, aber Madara tastete beinahe schlafwandlerisch nach Itachis Handgelenk und faltete seine schlanken Finger darum, sodass der Puls unter seinen Fingerkuppen hinweg raste. „Wir müssen zurück. Die Viertelstunde ist um.“, bemerkte Itachi plötzlich. Madara schmunzelte und schob sich das Kissen, mit dem er vorhin bedroht worden war, unter den Kopf. „Keine Chance. Sonst kommen sie zurück.“ Irritiert hob Itachi den Kopf. Diesmal erwiderte Madara seinen Blick nicht, da er die Augen geschlossen hatte. Sein schroffes Gesicht war uncharakteristisch entspannt und friedlich. Geistesabwesend zog er an Itachis Haar und brachte ihn so wieder auf die Höhe seiner Schulter. Ein subtiles Zeichen, weiterzumachen – ihm doch egal, ob Itachi sich dabei die Nase gestoßen hatte. „Wer?“ Madara schürzte desinteressiert seine dunkel verfärbten Lippen. „Keine Ahnung. Wer vorhin geklingelt hat.“ Itachi erstarrte. Automatisch sah er zur Zimmertür – sie war natürlich offen, denn keiner von ihnen hatte sich vorhin dafür begeistern können, sie zu schließen. Und Madaras Zimmer war relativ nah an der Wohnungstür. An dem verdammten Briefschlitz, der ständig ihr Privatleben herausposaunte. Itachi stöhnte, diesmal aus Resignation, und sackte in sich zusammen. Madaras Haar kitzelte sein Gesicht, und er konnte den ruhigen Herzschlag über seiner Hand fühlen. „Fuck.“ „Gerne. Wenn du wieder die Arbeit machst, sofort.“ Itachi war zu müde, um Madara zu knuffen. Er würde sich später darüber aufregen, dass ihr Geheimnis vermutlich schon wieder etwas weniger geheim geworden war. Für den Moment genoss er all die Dinge, die er an Madara bewunderte, in Natura. fin Kapitel 5: Sex Over The Phone ----------------------------- Sex Over The Phone Untertitel: Zugfahrten sind aller Laster Anfang Es hat sich ja bereits im letzten Kapitel angekündigt, dass es zumindest so langsam in die amouröse Schiene geht. Keine Sorge, es wird weder ganz schnell so kommen noch wird das alles ohne Ecken und Kanten vonstatten gehen, aber es musste mal angedeutet werden. Heute verwurste ich das sehr amüsante Lied ‘Sex Over The Phone’ von den Village People aus 1985. Enjoy! Zugfahrten. Es gab kaum etwas Langweiligeres. Madara konnte mit seiner speziellen Art so manchen in den Wahnsinn treiben, doch eine wirklich lange Fahrt mit einem Zug schaffte selbst ihn. Es war schlichtweg zermürbend: Es war langweilig im Abteil. Er konnte nichts lesen, weil ihm dadurch schlecht wurde, und er hatte auch keinen Hunger. Er konnte nicht schlafen, weil ihn das beständige Rattern ständig aufschreckte, und der unruhige Dämmerzustand, in den er zwischenzeitlich verfiel, wurde dann wieder zerrissen, wenn der Zug irgendwo hielt. Zwar war es ein ICE und somit gab es gar nicht so viele Haltestellen, aber wenn es eine gab, wurden ständig elektronische Melodien gespielt und knisternde Durchsagen durch den ganzen Zug gejagt. Da kam es einem plötzlich viel mehr vor. Ja, man konnte nicht mal wütend werden. Die Lethargie war so ansteckend, dass Madara nicht mal durch den Zug tigern konnte. Und wenn es jemand anders tat, ging es ihm auf die Nerven. Offiziell hatte er einen Arztbesuch in einer abgelegenen Klinik gemacht, um sich attestieren zu lassen, dass er keinen Gehirntumor hatte, nein, und er würde auch keinen bekommen. Er lief nur Gefahr, eine Migräne zu entwickeln, und das galt es zu verhindern. Einfacher gesagt als getan, nebenbei. Madara war mit dem Resultat nicht zufrieden. Er wollte kein Yoga machen, er wollte nicht mit dem Rauchen aufhören, er wollte keinen Termin beim Therapeuten (ihm doch egal, ob das psychische Hintergründe haben konnte, Therapie war für ihn gleichbedeutend mit einer Einweisung in die Klapse!)... Er wollte nicht mal zum Augenarzt, der ihm womöglich noch eine Brille verschrieb. Nach Silvester hatte eh jeder Kopfschmerzen. Seine hielten eben ein paar Monate länger und waren auch nicht beständig. Und der einzige Grund, warum er diese Fahrt auf sich genommen hatte, war um den Rest der Welt zum Schweigen zu bringen und mal etwas Ruhe zu haben. Und wenn das nicht anders ging... Was er sonst noch trieb, ging ja keinen was an. Inzwischen war es später Abend, kurz vor elf. Das Abteil war weitgehend leer, abgesehen von dem Schnarchen eines ältlichen Mannes, das Madara nur zu gern dadurch beendet gesehen hätte, dass dessen schwarze Reisentasche bei einer Vollbremsung aus dem Gepäckfach kippte und ihn unter sich begrub. Tja, keine Vollbremsung in Sicht. Nach fünf Stunden Fahrt gab es keine bequeme Sitzposition mehr, und es waren noch drei zu kommen. Allein schon der Gedanke war Horror, und es gab allmählich nichts mehr, was Madara nicht reizte. Er verabscheute alles und jeden, und es war ihm vollkommen egal, wann sie wo eintrafen und welche Anschlusszüge es gab... Die konnten ihn kreuzweise, allesamt! Womit er gleich beim nächsten Kritikpunkt war. Itachi hätte ja wohl mitfahren können, wenn er sich Sorgen machte – aber er machte sich ja keine! Das Höchste der Gefühle war es, entkoffeinierten Kaffee zu kaufen und ihm dann, wenn er es absolut nicht haben konnte, beispielsweise am Samstagmorgen, ein Kühlkissen in den Nacken zu legen. Zum Heulen, wirklich. Nicht, dass die anderen besser waren. Madara hatte ernsthaft Angst, dass Zetsu ihm demnächst Nadeln in seinen Körper jagte, um die Kunst der Akupunktur zu erproben. Und apropos Zetsu... Madara hatte seit einer Zeit den Verdacht, dass er es war, der geklingelt hatte, als Itachi und Madara ihre Renovierungen vorgenommen hatten. Was hieß, dass er derjenige war, der sie mehr oder minder... bei der Ausübung ihres innigen Wohngemeinschaftsverhältnisses belauscht hatte. Wüsste Itachi von dieser Vermutung, würde er wohl vor Scham sterben, und selbst Madara konnte ein gewisses Gefühl nicht unterdrücken. Was genau es war... Es war einfach sehr eigenartig und wenig angenehm, wenn jemand etwas wusste, der so undurchschaubar war. Positiv war nur, Zetsu würde es vielleicht nicht rumerzählen. Vielleicht. Bis zu dem Moment, in dem er Itachi ermahnte, bloß Kondome zu benutzen, weil er, nur weil er nicht schwanger werden könne, nicht alle Vorsicht fahren lassen dürfe. Das war dann der Moment, in dem Itachi hinterrücks in Ohnmacht fiel. Madara grinste unwillkürlich bei dem Gedanken, Itachi dahinsinken zu sehen wie Dornröschen. Er war gerade dabei, sich in der Wunschvorstellung zu versenken, wer sie wie aufweckte (Wozu lag die Gute denn auch auf einem Bett, na?), als die Schiebetür des Abteils erneut geöffnet wurde. Der schnarchende Mann wurde dadurch aufgeschreckt, und auch Madara drehte automatisch den Kopf. Die Bewegung verursachte ein dumpfes Pochen, und er berührte missmutig seine Schläfe. Soeben war eine junge Frau eingestiegen. Mit einem Schwein. Einem Schwein. Lately I'm never down lately I never frown At home or in the car - don't matter where you are Madara fand das Schwein schrecklich. Es war ja so hässlich, und wie es ihn anstarrte aus diesen bösartigen, schwarzen Knopfaugen... Und erst dieses Grunzen! Das klang, als würde man einen Klostampfer aus dem Toilettenbecken ziehen. Madara hatte das Geräusch noch nie gemocht, doch jetzt war es unerträglich. Seit wann durfte man solche Viecher mit in den Zug nehmen?! Fenster auf und raus damit, aber schnell! Die junge, adrette Frau nahm gegenüber von ihm Platz und setzte ihr Schwein auf den Schoß. Sie hatte eine kleine Fotoausrüstung bei sich, und Madara verfolgte argwöhnisch, ob sie ihm gleich das Stativ ins Knie rammte. In dem Fall war ihre Sau dran. Madara hatte den Fensterplatz. Ach ja, die Sau, die übrigens einen ungemein lächerliches T-Shirt trug. Madara hatte Vorbehalte gegen verkleidete Tiere, auch nicht ganz zu Unrecht. Und dieses hier war so ziemlich das größte- „Möchtest du ihn mal streicheln?“ Die Frau hatte Madaras Interesse an ihrem Schwein missdeutet und hatte überdies den Nerv, ihn zu duzen. Ausgerechnet ihn, das Meisterstück der Adoleszenz. Blöde Kuh. Madara schüttelte den Kopf, was er umgehend bereute, denn die Lavalampe in seinem Kopf nahm den Betrieb wieder auf und schwappte munter und hämmernd hin und her. Die Frau wechselte daraufhin ihre Rollen und beobachtete ihn aufmerksam. „Möchtest du etwas trinken?“ „Haben Sie ein Helfersyndrom?“, erwiderte er gereizt. Die Frau legte daraufhin lediglich den Kopf schief – sie hatte kurzes, schwarzes Haar und intelligente, wache Augen. Aber dass sie wach waren, störte Madara nun immens. Der alte Schnarchzapfen schoss ihn mit einem strafenden Blick ab, und Madara wünschte die Vollbremsung sehnlichst herbei. Und bitte schnell. Wenn der Koffer ihn nicht platt machte, gab Madara ihm gern mit dem Stativ den Rest. Wenigstens ließ ihn die allzu hilfsbereite Frau für die nächste Stunde in Ruhe. Das machte die Zeit leider nicht weniger nervenaufreibend, da all die sonstigen Probleme bestehen blieben oder sich verschlimmerten. Es wäre einfacher zu erdulden gewesen, wenn er sich wenigstens hätte hinlegen können... Was er theoretisch konnte, da die Lehnen herunterklappbar waren, doch er hatte keine passende Kopfunterlage und wollte sich nicht ständig das missbilligende Räuspern des alten Herrn anhören, weil da tatsächlich Schuhe auf dem Polster waren. Die junge Frau unterhielt sich zwischenzeitlich mit dem Mann. Madara hörte ihnen nicht zu, er nahm lediglich zur Kenntnis, dass sie ihn am Einnicken hinderten. Und dieses verfluchte Schwein mit seinem Gegrunze! Es grunzte sogar im Schlaf, und das waren gleich zwei Dinge, für die Madara es hasste. Als der alte Herr kurz das Abteil verließ, betrachtete die Frau sich gerade in einem Taschenspiegel. So wach ihre Augen auch scheinen mochten, ihr Gesicht war genauso blass und müde wie Madaras. Allerdings machte es eine bemerkenswerte Verwandlung durch, als etwas in ihrer Handtasche zu klingeln begann. Madara biss die Zähne zusammen, als das Handy Wagners Walküren allesamt gleichzeitig und mehrmals akustisch vergewaltigte. Nicht, dass er die Damen mochte, doch das hatten sie auch nicht verdient. Die Frau seufzte. „Handys sind eine tolle Erfindung.“ Fanden die geschändeten Walküren sicher nicht. Und das Schwein auch nicht, aber das konnte Madara nicht versöhnen. Die Frau erwartete ohnehin keine Reaktion, sie sah auf ihr Display und drückte dann die Kurzwahl. Es folgte ein ermüdendes Gespräch, wie es romantischer nicht sein konnte. Wo bist du, ich vermisse dich so, geht es dir gut, Schatzihasimausi, ich vermisse dich so, hier ist alles okay, Lieblingdarlingsüße(r), ich vermisse dich so, ich liebe dich (auch), nein, du legst auf!, bussi, ich vermisse dich so, Schnuckiputzi... Madara hätte schon nach der Hälfte kotzen können. Es ging so weiter, als der alte Mann seinen Platz wieder einnahm und ausnahmsweise die Frau unfreundlich anfunkelte. Die war davon nicht zu beeindrucken und schwatzte zuckersüß weiter. Schließlich kündigte der Zugführer den nächsten Stopp an, und die Schweinefrau legte auf, damit ihr Freund, Verlobter, Gatte oder was auch immer sie am Bahnhof begrüßen konnte, ohne dabei Geld zu kosten. Sie sammelte Schwein und Ausrüstung wieder ein und bewegte sich vorsichtig zur Schiebetür. Kurz drehte sie sich noch mal zu Madara um und lächelte. „Handys sind eine tolle Erfindung.“, wiederholte sie verschwörerisch, dann verschwand sie im Gang. Madara dachte darüber nach, während der Zug anhielt und der alte Mann anfing, sich eine Pfeife zu stopfen. Raucherabteil, Mist. Dafür begriff Madara schlagartig, was die Frau gemeint hatte. Don't wanna be alone you just pick up the phone Eilig fischte Madara sein Handy aus der Hosentasche. Inzwischen hatte er eins dabei, und er verfügte auch über sämtliche Nummern. Und wer wurde schon nicht gern um etwa halb eins angerufen? Mit sadistischer Vorfreude scrollte er durch sein Telefonbuch, auf der Suche nach einem passenden Opfer. Itachi anzurufen war kontraproduktiv, der würde ihn ordentlich dafür büßen lassen, wenn er um diese Zeit geweckt wurde. Konan hätte es verdient, doch die konnte er für sein Vorhaben nicht gebrauchen, wenn er nicht bald eine Menge Schmerzen haben wollte. Gleiches galt für Pein, die nahmen sich nichts. Konan konnte selbst mit einem Kugelschreiber foltern. Zetsu? Nein, hinterher war er noch so genervt, dass er seinen kleinen Lauschangriff verbreitete. Hidan war ganz schlecht. Der würde ihm das Ohr abschreien, zu dieser nachtschlafenden Zeit. Kakuzu würde einfach schweigen, bis Madara aufgab. Solange es ihn nichts kostete, hatte er beängstigende Geduld. Kisame arbeitete um diese Zeit, der würde gar nicht drangehen. Deidara... Gott allein wusste, was der gerade tat. Madara wollte keinen Anteil daran haben, wirklich nicht. Sasori führte zu diesen unchristlichen Zeiten seine Telefondebatten mit Orochimaru. Es war nicht empfehlenswert, ihn dabei zu stören. Tobi würde das gar nicht raffen. Er war ja noch so klein. Und... Tja, das war es also. Die waren alle nicht ideal. Allerdings konnte Madara sich von solchen Lappalien nicht aufhalten lassen, nicht bei diesem Gestank nach Pfeifentabak, der seine Kopfschmerzen noch verschlimmerte. Nein, das hatte dieser alte Sack verdient. Also gut, dann eben Itachi. Der hatte zwar keinen Sinn für Humor, aber er dachte sich allmählich nichts mehr bei Madaras grandiosen Aktionen. Er war sozusagen abgestumpft. Zum Glück war Itachis Nummer auch in der Kurzwahl gespeichert, sodass Madara das Verhalten der Schweinefrau originalgetreu nachahmen konnte. Es rauschte ein wenig, als die Verbindung hergestellt wurde. Und es klingelte. Sechs Mal, bevor Itachi den Lichtschalter, sein Handy und die Taste gefunden hatte. Im Hintergrund raschelten Decken. „'s w’s?“, brummte er schlaftrunken und räusperte sich. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fügte er verständlicher hinzu. Madara warf dem alten Herrn einen prüfenden Blick zu. Dieser hatte die konzentrierte Miene eines Menschen, der nicht zuhören will, doch es nicht recht ausblenden kann. Perfekt. „Du machst dir Sorgen? Musst du nicht.“ „Mache ich aber, wenn du mitten in der Nacht anrufst.“ Itachis Stimme nahm wieder ihren verwaschenen, leiernden Tonfall an, der anzeigte, dass er gleich wieder einschlafen würde. Fast niedlich, wie sehr es ihn aus der Bahn warf, nachts geweckt zu werden. „Ich wollte nur mal deine Stimme hören.“, erwiderte Madara mit so viel schwärmerischem Beiklang, wie er aufbringen konnte. „Bist du jetzt vollends übergeschnappt, zu dieser gottverdammt nachtschlafenden Zeit zu wecken, weil du eine Scheißlangeweile hast?!“ Das ‚niedlich’ nahm er zurück. Aber was waren schon diese Komplikationen? Madara raspelte kein Süßholz, wer war er denn, und es würde nicht lange dauern, bis Itachi die Idee grandios fand. Und alles, was es dazu brauchte, waren fünf Minuten auf der Zugtoilette, um ihn davon zu überzeugen. This is the part I hate why do they make you wait? Here's where the fevers rise enough to cross my eyes Die Herrentoilette war durch eine Fügung des Schicksals gerade frei. Es handelte sich um eine uncharmante, graue Kabine mit einer Toilette aus öligem Edelstahl und einem faden Geruch nach Lufterfrischer – hier verweilte man nicht länger als nötig. Dass Itachi nicht inzwischen aufgelegt hatte, war weniger eine Fügung des Schicksals als ein Ergebnis seiner Sorge, so wenig er das Madara auch verraten wollte. Er wusste schließlich nicht, was der Arzt gesagt hatte, und Madara war der Meister der blöden Verdrängungstaktiken. Dass er sich so verhielt, mochte einen ernsten Hintergrund haben. Itachi hätte viel darum gegeben, es zu wissen, denn er konnte nicht auflegen und weiterschlafen, solange er unsicher war. „Erklärst du mir jetzt, was das soll?“, fragte er mit mühsam gewahrter Beherrschung. Inzwischen hatte er sich aufgesetzt und seine Decke irgendwie um sich herumdrapiert, das Kissen vor die Brust gedrückt. Er wollte sich wenigstens eine Erinnerung ans Schlafen bewahren. „Telefonsex.“, antwortete Madara ungerührt und inspizierte sein Gesicht im schmierigen Spiegel. Etwas Anderes war mit dieser Visage auch unmöglich, resümierte er schnippisch. „Werd’ erwachsen.“, brummte Itachi und rieb sich die juckenden Augen. „Seit wann ist das denn was für Kinder? Mir ist langweilig, hast du doch bemerkt. Also. Ich kann nicht das gleiche Schmalztheater noch mal produzieren.“ Itachi verstand das nicht. Wollte er auch nicht. Die Schweinelady würde einiges zu bereuen haben, wenn er es tat. „Für so was gibt’s Hotlines. Lass mich schlafen.“ „Wie, mit fremden Menschen?“ Blöder Wortwitz. Trotzdem wusste Madara genau, welche Andeutungen er fallen lassen musste, damit der Eindruck eines tödlich kranken Menschen entstand, der das nicht so sagen wollte. Und selbstverständlich funktionierte das auch bei Itachi, der gewissermaßen abgehärtet war. „Das ist doch nur frivoler Kitsch.“ „Yeah.“ „Du bist krank.“ „Und wie...“ Sollte dem Kerl endlich mal wer das Maul stopfen. Hello, baby, it's me, your fantasy! What's your name? "Who cares? Just care about my body" What do you look like? Hot, I look very hot Kaum zwei Minuten später saß Madara wieder auf seinem Fensterplatz des Zugabteils, das inzwischen völlig zugeräuchert mit Pfeifenqualm war. Für ein Raucherabteil war es bemerkenswert schlecht belüftet, und Madara kam allmählich der Verdacht, dass es gar keins war. Noch besser, klasse. „Was soll ich tun?“ Itachis DNA hatte einen entscheidenden Fehler – sie hatte seinen weichen Kern nicht gut genug geschützt. Allerdings war die Liste der Personen, die Itachi in dieser Art ausgenutzt hatten, sehr kurz, was Madara bloß nicht ahnte. „Was du immer tust. Mich verrückt machen.“ Der alte Herr, der inzwischen hinter einer Zeitung verschwunden war, stieß eine große Rauchwolke aus. Bei diesem Qualm war es nicht besonders schwer, eine raue Stimme zu bekommen, und Madara musste lediglich aufpassen, dass ihm nicht gleich dazu die Tränen kamen. Itachi seufzte und kämmte sich mit den Fingern durch’s Haar. Er musste sehr von der Rolle sein, immer noch nicht aufzulegen. „Madara, bitte. Deine Idee ist blöd genug, aber ich weiß nicht mal, was du von mir erwartest.“ „Schon klar, du hattest ja noch nie 'ne Freundin.“, versetzte Madara und fügte sofort hinzu: „Und nein, Zeltlager gelten nicht, die haben einen Sprung in der Schüssel.“ Der alte Mann war wieder beruhigt in sich zusammengesunken, da von dem uncharmanten jungen Querulanten offenbar kein weiterer Sittenverfall drohte. „Ich habe mal Mei Terumi gefragt, ob sie mit mir ausgeht.“ Oh wunderbar, Itachi wärmte alte Kamellen auf, das war doch immer noch das Beste. Aus unerfindlichen Gründen musste er Madara jetzt daran erinnern, dass er ein ‚echter’ Mann war und als solcher empfänglich für das, was Mei unübersehbar vor sich herschob. Rache. What's your fantasy? I just wanna speak to a very hot one "We'll call you back" Es zu erklären, hätte wohl jegliche Regeln des Anstands verletzt. Itachi hasste das ständige Knistern in der Leitung, wenn der Zug durch einen Tunnel raste, genau wie das entrüstete Räuspern, das von Zeit zu Zeit erklang, weil Madara ständig irgendwen provozieren musste. So schlecht konnte es ihm nicht gehen. Itachi wischte sich das Haar aus dem Nacken. Winzige Schweißperlen hafteten an seinen Fingern und ließen sein T-Shirt am Rücken kleben. Er musste die Heizung zu warm gestellt haben, und jetzt war es stickig im Zimmer. Er wollte das Fenster nicht öffnen, dann würde es bis zum Morgen nicht mehr angenehm werden. Er hatte die Decke um sich drapiert, obwohl er sie nicht mehr benötigte, um nicht zu frieren. Ihm war heiß. In seiner Vorstellung spielten Madaras lange, schöne Finger mit einem gewundenen Telefonkabel, das es in der Realität nicht gab. Es rauschte unmerklich, wenn er mit der Zunge die Lippen befeuchtete, wie Seide auf Sandpapier. Seine Augen hielten dieses unbestimmbare Glimmen einer Faszination, die demjenigen, der diesem Blick begegnete, das Gefühl gaben, das einzige zu sein, was diese Faszination auf sich ziehen konnte. Madaras ganzer Körper vermittelte diesen Eindruck, seine beweglichen Hände, die belustigte Andeutung in seiner belegten Stimme, selbst die Art, wie er die Luft durch seine nur einen kleinen Spalt geöffneten Lippen entweichen ließ. Here's where the fevers rise enough to cross my eyes. Das beschrieb es am besten. Itachi konnte es nicht auf diese Wiese erwidern, er gab bestenfalls einsilbige Antworten. Aber das mit einer Hingabe, die vielleicht nur Madara erkennen konnte. Er und sein elendes Mona-Lisa-Lächeln, das alles bedeuten konnte. Right now I've got a cure to help your temperature All that you need's a dime and just a little time A pay phone on the street can help you beat the heat Hah! Der alte Schnarchzapfen saß wie auf glühenden Kohlen. Und sicher nicht, weil er das Ganze so sexy fand. Vielmehr verfolgte er jede Bewegung von Madaras Händen mit einem fast panischen Argwohn. Wäre interessant gewesen, was er getan hätte, wenn Madara wirklich auf die Idee kam, sich anzufassen, doch das Risiko ging er lieber nicht ein. Die Schweinefrau hatte ihren Kerl ja auch nicht über’s Handy geheiratet. Manchmal schwiegen Itachi und er minutenlang. Madara wusste, dass Itachi nicht wieder eingeschlafen war, es war etwas Anderes. So etwas wie eine Kunstpause ohne Kunst und Pause. Wie Rücksicht ohne Sehen, sondern Hören. Madara hatte sein Bestes getan, vulgäre und nicht zu laute Geräusche von sich zu geben, was dazu geführt hatte, dass der alte Mann sich drei Mal an seiner Pfeife verschluckt und sie mindestens sieben Mal fallen gelassen hatte. Wenn der mal keinen Herzkasper bekam wegen der obszönen Jugend heutzutage. Hatte ihn ja keiner gebeten, hier das Abteil einzuräuchern. Die altbekannte Durchsage erscholl, und diesmal brachte sie eine erfreuliche Nachricht mit sich – das Einlaufen in den heimatlichen Bahnhof. Entschlossen, eine letzte Kür zu vollbringen, seufzte Madara voller Sehnsucht und ließ seine Zunge über das Display des Handys gleiten. Jemand wie er hatte keine Angst vor Infektionskrankheiten, und sollte es mal jemand wagen, sein Handy zu entwenden und damit Scheiß zu bauen... Schwungvoll ließ er es zuklappen und der alte Mann zuckte zusammen. Er war förmlich erstarrt vor Entsetzen und Ekel, und Madara hatte keine Eile, seine Zunge wieder einzuholen. Jetzt hatte er einfach aufgelegt... Hoffentlich war Itachi keine Diva. „Angenehmen Abend noch.“ Madara präsentierte sein verruchtestes Lächeln – was für eine Verschwendung – und erhob sich grazil von seinem Sitz, nicht ohne seine Tasche so umständlich aus dem Gepäckfach zu holen, dass sein Pullover dabei einen handbreiten Abschnitt seines Torso zwischen Oberteil und Hosenbund freigab. Für Sexualtraumata gab’s auch keine Altersbegrenzung. Sex over the phone - Sometimes late in the evening Sex over the phone… Und so nahm die großartige Odyssee des Madara U. ein verdientes Ende, als er die Wohnungstür hinter sich schloss und Tasche, Mantel und Schuhe nach bester Manier sofort überall hingeworfen hatte. Er hatte überlegt, ob er noch etwas fernsehen wollte, nachdem ihn sein Zimmer nur mit wirren Eisenbahnromantikträumen plagen würde, und entschied sich dagegen. Das Flimmern tat ihm nur in den Augen weh. Er stattete dem Bad einen kurzen Besuch ab – sein Spiegelbild war nicht anziehender geworden – und war eigentlich fertig mit der Welt. Und auf der Schwelle seines Zimmers begrüßte ihn sogleich ein nasses Handtuch, das Bekanntschaft mit seinem malträtierten Gesicht schließen wollte. Madara war ‚not amused’ und zog das tropfende Tuch von sich herunter. Itachi bedachte ihn mit einem äußerst leidenschaftslosen Blick. „Was soll das?!“ Anklagend warf Madara das Handtuch zurück und wischte sich die feuchten Hände an der Hose ab. Itachi kickte das Geschoss ungerührt auf den Boden, wo es irgendeine Zeitschrift durchnässte, die Madara dort liegen gelassen hatte. „Ich wollte nur sichergehen, dass du wach bist.“, erklärte Itachi. Er trug Boxershorts und T-Shirt, und im schwachen Licht der gedimmten Nachttischlampe wirkte er größer, beinahe bedrohlicher. „Oder dachtest du, du könntest mitten in der Nacht solche schwachsinnigen Aktionen starten und danach schlafen gehen?“ Madara ließ sich auf den Teil des Bettes fallen, der nicht von Itachi belegt wurde, und streckte die Beine aus. „Ich bin lernfähig.“, erwiderte er mit einem lockenden Blick und wurde belohnt, indem Itachi sich nicht gerade sanft auf seine Oberschenkel fallen ließ. Der Stoff seiner Kleidung war ebenfalls nass, doch Madara sah nur, wie es dafür sorgte, dass er jeden hektischen Atemzug verfolgen konnte. So fühlte sich also jemand, der heiß auf den personifizierten Sittenverfall war. Es war undeutlich, weil Itachi seine Lippen ungestüm auf Madaras presste, während dieser seine immer noch und wieder schönen Finger unter den nassen, klebenden Saum des T-Shirts zwängte, aber er fragte etwas, wohl wissend, dass er heute Nacht keine Antwort mehr wollte: „Warum hat Zetsu mir gesagt, ich sollte mich um Kondome kümmern?“ War wohl besser so. fin Kapitel 6: Hard Candy --------------------- Hard Candy Untertitel: Ein Mal ist sicher nicht genug Hiho! Ausnahmsweise trägt dieser OS nicht den Titel des verwendeten Songs (der da lautet „Sex (I’m A...)“, von Berlin erschaffen wurde und aus 1982 stammt), sondern der Titel eines Doujinshi. Ähm... Sucht auf deviantart laira87 und nehmt die erste Seite oder fragt mich, weil ich nicht sicher bin, ob ich den Link posten darf. Fakt ist, ich musste furchtbar lachen. Im Text werden mehrere Filme erwähnt, die zu kennen zum Verständnis aber nicht nötig ist. Enjoy! Es nahm alles einen bösen Anfang. Madara wachte auf in einer Kathedrale. Was schon Irrsinn war, denn er ging nie in die Kirche, das fiel ihm gar nicht ein. Er hatte zusammengesunken auf einer der hinteren Bänke gesessen, ein Gesangbuch drückte in seine Schulter und zerknitterte die sorgfältigen Bügelfalten seines Smokings. Was ebenfalls Irrsinn war, denn Madara trug keine Smokings. Zuletzt hatte er einen getragen, als Itachi ihn in dieses infernalische Theaterstück geschleppt hatte und... Moment, das war gerade mal drei Tage her. Verdammt. Nicht genug Zeit, um den Schund zu vergessen. Jetzt war er jedenfalls wach und machte sich daran, diese Kathedrale so schnell wie möglich zu verlassen. Sie kam ihm nicht bekannt vor, doch das musste nichts heißen, denn es gab kaum eine kirchliche Institution, die er schon mal von innen besichtigt hatte. Umständlich rückte er aus der Bank und verdrehte dabei die Augen – nicht nur, dass er scheiße aussah, er hatte auch noch eine kitschige Rose im Knopfloch und konnte sich in diesem affigen Aufzug nicht richtig bewegen. Mit düsterer Vorahnung tastete Madara nach seinem Haar, fühlte Gel und begann sofort hektisch, die alte Unordnung wiederherzustellen. Für einen Moment hatte er wirklich wie ein schwuler Death-Metaller ausgesehen, in etwa wie Hidan. Wenn das nicht so unpassend in diesem Umfeld gewesen wäre, hätte er ‚Oh Gott’ gesagt. „Du hast ihn nicht gefunden?!“ Na, dafür hatte er jetzt noch reichlich Zeit. Madara wirbelte herum und wurde sofort am Arm ergriffen. Ein fester Griff, der von jemandem stammte, der einem die Luft aus den Lungen trieb. „Oh Gott.“ Konan funkelte ihn zornig unter ihrem Schleier hervor an. Ein Brautschleier. Sie trug ein bombastisches weißes Brautkleid, gegen das sogar die barocke Mode aus dem Versailles von 1670 hätte einpacken können, und hatte einen nicht weniger bombastischen Brautstrauß in der Hand, mit der sie nicht gerade Madaras Arm umklammerte. In diesem Strauß befand sich kurioserweise eine Ananas, die glatt ein zweites ‚Oh Gott’ wert gewesen wäre. „Wen habe ich nicht gefunden?“, fragte er vorsichtig, noch völlig gebannt von dem bedrohlichen Kleid. Und überhaupt, warum trug Konan ein Brautkleid, sie predigte doch selbst, dass man erst ab dreißig heiraten durfte... Konan stieß ein tiefes Grummeln aus. „Pein. Er hat unsere Hochzeit platzen lassen und ist abgehauen.“ Beim Anblick dieses Kleides hätte das jeder vernünftige Mann getan. Am Ende erkannte einen noch wer auf den Fotos. Madara kam allerdings nicht zu einer solch hässlichen Erwiderung, denn Konan gab seinem Arm einen heftigen Ruck. „Du hast ihn entkommen lassen. Verräter.“ Unter dem Brautschleier bildete sich auf Konans hübschem Gesicht ein gruseliges Lächeln, und ihre Finger bohrten sich tiefer in Madaras Arm. Er verspürte die seltsame Anwandlung, bei dieser Kombination aufzuschreien. „Also wirst du mich jetzt heiraten.“ Madara verschwendete keine Zeit damit, Konans Befehl zu widersprechen – er riss sich von ihr los, wobei ein Fetzen seines Ärmels in ihrer Hand zurückblieb, und stürzte zu den Portalen der Kathedrale. Die verschlossen waren. Madara trommelte mit den Fäusten dagegen, doch das zentimeterdicke Holz ließ sich nicht beeindrucken. Hinter sich hörte er das Klicken von Konans Absätzen und das unheimliche Schleifen ihres schweren Reifrocks. Spürte das schmerzhafte Pochen in seinem Arm und registrierte, dass Konans normalerweise kurze Fingernägel hier gefährliche Länge und Schärfe besaßen. Und in dieser Sekunde dämmerte Madara, dass er sich in einem kapitalen Alptraum befand. Einem typischen Alptraum, in dem er kein Entkommen gab und aus dem man nicht erwachen konnte, bis man nicht alle Scheußlichkeiten erlitten hatte. Konans Hand legte sich sanft auf sein rechtes Schulterblatt. Selbst diese Berührung schmerzte. Madara drehte sich aus Prinzip nicht um – es war keine gute Idee gewesen, ‚Bloody Mary’ anzuschauen und zu glauben, solche Horrorfilme gingen spurlos an einem vorbei. Er musste Zeit schinden. Zeit, in der er aufwachen konnte. „Schatz, der Priester kommt gleich.“, säuselte die soeben ernannte Braut in ihrem grauenhaften Kleid. Madara schluckte und drückte sich gegen das Portal, um Konans stiller Hand auszuweichen, die immer noch mahnend gegen seine Haut drückte. „A-ach ja? Wunderbar...“ Konan seufzte zuckersüß – spätestens hier musste man begreifen, dass sie es nicht war – und zupfte an Madaras unversehrtem Ärmel. Ihre Fingernägel waren tatsächlich mörderisch lang und scharf. „Ich freue mich schon so! Wir werden fünfzehn Kinder haben – Zetsu hat die Hormonpräparate schon fertig, das werden drei Fünflingsgeburten! Wir müssen früh anfangen!“ Madara verfluchte seine kranke Fantasie. Konan wollte keine Kinder, und am wenigsten wollte sie sich durch Hormone dort hineinpfuschen lassen. Irgendetwas in seinem Unterbewusstsein hatte das munter gemixt. „Früh anfangen? Tatsächlich...“, murmelte er und tastete über das Portal. Es gab keine Vorrichtungen zum Öffnen. Hinter ihm sinnierte Konan über ihr kleines Häuschen am See und ihre Kinder, von denen sie mindestens zwei Michael Jackson nennen wollte. Wäre das hier nicht sein Alptraum, wäre Madara sicher vor Lachen halb erstickt. „Sagtest du ‚Priester’? Willst du etwa katholisch heiraten?“ Madara fand seine Stimme wieder, als er zufällig eine schmale Treppe entdeckte. Sie führte hinauf zur Empore, wo er sich vielleicht verstecken konnte, bis dieses Grauen vorbei war... Und dafür musste er Konan dringend ablenken. „Wonach sieht es aus?“ Messerscharfe Ananasblätter schlitzten winzige Löcher in den Rücken von Madaras Smoking, als Konan ihren Strauß darüber streichen ließ. Auch das tat weh. „Das geht nicht. Ich heirate... nur russisch-orthodox. Bevor hier kein Pope ist, stelle ich mich nicht vor diesen Altar!“ Er konnte beinahe fühlen, wie Konan missbilligend die Stirn runzelte, und griff zur letzten Taktik, bevor ihn die Ananas tranchierte. Schwungvoll deutete Madara auf eine beliebige Reihe der Empore, die sich zu beiden Seiten erstreckte. „Da oben ist Pein! Schnell!“ Tatsächlich senkte Konan wütend ihren Brautstrauß, und Madara nutzte die Gelegenheit, um sie zu umrunden und die Treppe hinaufzuhetzen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie sich mit ihrem Kleid abmühte, und schöpfte etwas Mut. Da. Die Hintertür zur Kanzel. Madara schlüpfte so leise wie möglich hinein und verriegelte sie, dann lehnte er sich mit einem tiefen Seufzen dagegen. Draußen huschten Konans Schritte vorbei und verhallten, während sie die riesige Empore nach dem entflohenen Bräutigam absuchte. Eine Bibel klappte mit einem leisen ‚Patt’ zu, das in der dunklen Kanzel unerträglich laut war, und wurde zur Seite gelegt. „Ich wusste nicht, dass du die Hochzeitspredigt halten würdest... Oder bist du hier, um zu beichten?“ Madara war froh, dass er zu sehr außer Atem war, um ein erschrockenes Geräusch auszustoßen. Es wäre ihm ohnehin in der Kehle stecken geblieben. Auf einem nachlässig platzierten Hocker neben einem Regal voller Bibeln saß Itachi und präsentierte das absolut verruchteste Bild eines Priesters, Pastors, Pfarrers, was auch immer, das war Madara unglaublich egal. „Oh Gott...“ Allmählich musste der Kerl da oben ihm doch zuhören. I'm a man - I'm a goddess I'm a man - Well I'm a virgin Itachi war barfuß. Er hatte ein Bein vor die Brust gezogen, was den Stoff des Talars raffte, sodass dieser freie Sicht auf einen seiner milchig hellen Oberschenkel gab. Die Stola in jungfräulichem Weiß war in zufälliger Anordnung um seine Schultern drapiert und verdeckte den V-Ausschnitt nicht, dem inkorrekterweise der Schalkragen fehlte. Durch diese Nachlässigkeit lag die Haut über Itachis Brustbeinen teilweise frei, und als wäre das nicht genug, schien das Material so lose, dass es durch eine unbedachte Bewegung von der Schulter rutschen konnte... Was prompt geschah, als Itachi sich erhob. Der verfluchte Talar verhüllte seine Beine wieder, doch Madara wurde gebührend dadurch entschädigt, dass der gerutschte Stoff kurzen Ausblick auf Itachis rechte Brustseite gewährte. Durch die kalte Luft in der Kathedrale hatte die Brustwarze sich zusammengezogen und zeichnete sich selbst dann noch aufreizend unter dem Talar ab, als Itachi diesen wieder zurecht gerückt hatte. „Ich verstecke mich.“, knurrte Madara, der sich gerade fragte, wie man sich bei so einem Pastor auf die Braut konzentrieren sollte, selbst wenn sie ein weniger scheußliches Kleid trug. Itachi lächelte wissend. „Tatsächlich.“ Ein schlanker Finger deutete auf Madaras arg ramponierten Smoking. Am Rücken fühlte das Jackett sich ziemlich lose an, und Konans mörderisch scharfe Fingernägel hatten einen Ärmel in Fetzen gerissen. Darunter sickerte sehr reales Blut aus oberflächlichen Kratzern, und obwohl Madara bisher keinen Schmerz spürte, zog er automatisch sein Einstecktuch heraus, um das abzutupfen. Itachis Hand stoppte ihn. Dafür, dass er diesen wallenden Talar trug, bewegte er sich unglaublich leise. Eingehend betrachtete er den verletzten Unterarm und legte die Spitzen seiner Finger auf die Furchen, die bereits zu bluten aufgehört hatten. Beinahe nachdenklich machte er sich mit dem Anblick vertraut, und sein warmer Atem strich geisterhaft über die gerötete Haut. Dann bohrte er unvermittelt seine Fingernägel in den Kratzer, bis Blut heraussprudelte. Und Madara, wie jeder normale Mensch, der damit nicht gerechnet hatte, schrie auf. Itachis wissendes Lächeln schwankte dabei keine Sekunde, und er senkte den Kopf und schloss seine Lippen um die Wunde. Madara wusste, dass das idiotisch war. Itachi verabscheute den Geschmack von Blut, ihm wurde rasend schlecht davon. Dieses Szenario war ungemein unwahrscheinlich und entstammte ‚Interview mit einem Vampir’, so viel war klar. Mit einem dumpfen Pochen ließ Madara seinen Hinterkopf gegen die Tür der Kanzel prallen, ohne sich um seine rationale Gedankenwelt zu kümmern. Seine Lippen formten stumm ein drittes ‚Oh Gott’, als dieser blasphemische Verschnitt eines Pastors seine Zunge über die Ränder des Kratzers drückte und seine samtweichen Lippen mit betäubender Sanftheit über die stechende Wunde strichen. Stellenweise kitzelte Itachis nach vorn gerutschtes Haar Madara und legte gleichzeitig den schutzlosen, weißen Nacken frei. Itachi drückte Madaras Unterarm gegen seinen Mund und hob dabei den Kopf. Wundersamerweise war die Blutung gestillt und die Kratzer nur noch eine verblasste Erinnerung. „In meiner Kanzel wird kein Blut vergossen.“, begann Itachi mit fließender, subtil-rauer Stimme und ließ Madaras Arm los. Stattdessen fuhren seine Hände nun über das Revers, und ein nur als verheißungsvoll zu bezeichnendes Glimmen spiegelte sich in seinen dunklen Augen. Nur, um sich dann teilnahmsvoll zu erkundigen: „Tut dein Rücken sehr weh?“ Madara benötigte keine weitere Aufforderung. Es war schon eine Wohltat, dieses lächerliche Jackett auszuziehen, und das vor Itachi zu tun, war geradezu göttlich. Wenn er vorher aufwachte, würde er einen Mord begehen, mindestens. Itachi ließ seine Hände wieder fallen und fuhr sich selbstvergessen durch sein offenes Haar. Ein feuchter Schimmer war auf seinen bebenden Lippen zurückgeblieben, und sein stoßweiser Atem bildete vage Dampfwölkchen in der trockenen Luft. Ein Jackett auszuziehen war relativ einfach, um das darunter liegende Hemd zu entfernen, musste man hingegen erst die Manschettenknöpfe an Hemdbrust und Ärmeln öffnen. Das war schon ein großes Ärgernis, wenn man es allein im stillen Kämmerlein tat, und in einer ebenso stillen Kanzel, allein mit einem über alle Maßen heißen Pastor, der unter seinem losen Talar absolut gar nichts trug, wie Madara dämmerte, war es die Hölle. Als würde die Schlange Eva den Apfel vor den Augen herumschwenken und kurz darauf selbst verspeisen. Itachi strich sich über den Nacken. Die Bewegung veranlasste seinen Talar dazu, an einer Schulter wieder herabzurutschen, und diesmal zog Itachi den zugehörigen Arm schlicht und elegant heraus. Der verfluchte Fetzen balancierte nur noch auf der anderen Schulter, und wenn er sich dort löste, würde der Vorhang fallen und die glorreiche Perfektion offenbaren, die darunter lauerte... Itachi hob die Stola auf, die, von Madara komplett vergessen, irgendwo auf dem Boden gelegen hatte. Er hatte sie nicht mal fallen sehen, und auch jetzt interessierte er sich viel mehr für die reizende Aussicht von Itachis Kehrseite, die sich unter dem schwarzen Stoff erahnen ließ. Denn dieser ließ es sich nicht nehmen, sich vorher schwungvoll umzudrehen und sich tief herunterzubeugen, ohne die Knie zu neigen. Noch etwas, das er in der Realität nie tun würde, und Madara liebte seine Fantasie. Neuerdings. Der unheilige Pastor wandte sich wieder um, stellte sich auf die bloßen Zehenspitzen und beehrte Madara mit dem Kuss, auf den er so lange gewartet hatte. Noch während jener seine Finger aus dem Ärmelumschlag befreite, hatte Itachi die Stola um den Hals des Bräutigams geworfen und zog ihn zu sich herunter, um seine Lippen hungrig auf dessen zu pressen. Madara spürte kaum, wie der weiche Baumwollstoff an seinem Rücken wieder herabglitt, nachdem er seinen Zweck erfüllt hatte, und schlang die Arme um Itachi. Unter diesem dünnen Talar befand sich absolut gar nichts außer einem warmen, pulsierenden Körper, dessen inniger Kuss einem das Blut in den Adern kochen ließ. Itachi stieß etwas aus, das wie ein atemloses, ausgelassenes Auflachen klang, und löste seinen Mund von Madaras, bevor dieser seinen Kiefer herunterdrücken konnte. Für einen Anstrich von Züchtigkeit war es längst zu spät, dafür war jeder Zoll seines zitternden Körpers, den er gegen Madara geschmiegt hielt, zu offenbar. „Dreh dich um... Gott ist beschäftigt, aber ich kann dir auch helfen.“, wisperte er guttural. O ja, verruchte Blasphemie war genau die Art von Dirty Talk, die nicht jeder hatte. I'm a man - Well I'm your slave I'm a man - I'm a dream divine And we make love together Sämtliche Befürchtungen, Konan könnte doch noch zurückkehren und ihre Eheschließung einfordern, verschwanden zusehends, als Madaras Wange gegen das massive Holz der Kanzeltür gedrückt wurde. Ein kurzer, rascher Schmerz durchzuckte ihn, als Itachi seine Stola als Strick benutzte, um Madaras Handgelenke auf dem Rücken zusammenzubinden und gleichzeitig dem Anstand seiner Amtstracht den Gnadenstoß zu geben. Erhitzer Atem fiel kurz auf die Schnitte, die die Ananas Madara zugefügt hatte, bevor Itachi seine Hände in den Stoff krallte und das Smokinghemd mit roher Gewalt aufriss. Es widersprach zugegeben der Logik, dass selbst der Kragen des Hemds davon zerteilt wurde, aber seit wann hatte Logik etwas in seinen versexten Alpträumen zu suchen? Itachi hakte seine Arme unter Madaras Achseln, wie um ihn am Entkommen zu hindern – wohin denn – und tauchte seine feuchte Zunge in die schwach blutenden Schrammen. Wahre Reizströme schossen aus dieser unerwartet sinnlichen Berührung und vermengten sich mit dem Gefühl, dass Itachis linkes Knie gegen die Rückseite von Madaras Oberschenkel knuffte. Madara duldete keine Dominanz außer seiner Eigenen in der Realität... Aber was sprach dagegen, das im Traum zu genießen? Schon allein, weil Itachi sich für ihn nie in ein solches Kostüm schmeißen würde, von allem Anderen ganz zu schweigen. Das hier nicht zu nutzen wäre Frevel, und von dem hatten sie schon genug begangen. Und würden es noch weiter tun, darüber informierte ihn Itachi, der seine Erste Hilfe beendet hatte und nun Madaras störrisches Haar aus dem Nacken kämmte, um die Wirbel unter der sensiblen Haut zu küssen. Die Antwort darauf waren unkontrollierte Hitzeschauer und Madaras dringendstes Bestreben, sich sofort wieder umzudrehen. Er hatte eine ganz bestimmte Vorstellung, wie ein Pastor die Beichte abnehmen sollte, der konnte nicht erwarten, dass man das alles freiwillig erzählte... Wo war denn da die Gegenleistung? Er seufzte gedämpft, als Itachis Zunge über die Vertiefung zwischen den Wirbeln fuhr, und öffnete den Mund, um sein Anliegen vorzutragen. Das war, bevor ein ohrenbetäubendes Bersten durch die Kathedrale ging und die Kanzel sich bedrohlich neigte, während es kleine Steine und Holzsplitter regnete. Irgendetwas unwahrscheinlich Großes rollte knirschend durch die gesprengten Portale des Gebäudes, und wie ein düsterer Racheengel in einem abartig hässlichen Hochzeitskleid baute Konan sich auf dem Podium auf, von dem der Pastor eigentlich die Rede hielt. Der dem Innenraum zugewandte Teil der Kanzel war einfach abgerissen worden und eröffnete etwas, von dem Madara gar nicht begreifen wollte, was es war. Und tat es doch. Zetsu auf dem ‚Rücken’ eines gigantischen Hormonpräparats. ‚Doktor Hojo’ war völlig in den armen Kerl eingeschlagen. „So, da du mich nicht heiraten willst, gehen wir eben einen Schritt weiter.“, säuselte die besessene Braut. Itachi war auf wundersame Weise verschwunden, nur die Stola, mit der er Madaras Hände gefesselt hatte, war noch da, zusammen mit der brennenden Ahnung seiner Küsse. Der nächste Stoß riss Madara fast von den Füßen, als Zetsu, der elende Verräter, sein monströses Medikament neben ihn manövrierte. Das Ding war gut und gerne so groß wie ein LKW und ebenso lang. Und blau. ‚Matrix’ und ‚Alice im Wunderland’ hatten zu einem unheilvollen Cocktail in Madaras Unterbewusstsein geführt. „Iss das.“, verlangte Konan und trat neben das Präparat. „Wieso ich?!“ Abgesehen davon, dass das Ding zum Essen zu groß war, verstand Madara aufrichtig nicht, wie ein Hormonpräparat bei ihm etwas auslösen sollte. Er konnte keine Kinder kriegen, anbei. Konan grinste manisch. „Wir führen eine moderne, wilde Ehe, und das heißt, dass du mir die Empfängnis von siebeneinhalb Kindern abnehmen wirst. Runter damit, aber zackig!“ Richtig. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatten sie es für eine immens gute Idee gehalten, ‚The Blade Of The Rose’ anzuschauen, wo einem ständig Jackie Chan um die Ohren flog und Männer Brüste bekamen, was automatisch bedeutete, dass sie zu Frauen wurden. Und was nach sich zog, dass Madara dieses Gift da nicht schlucken würde. Das Letzte, was er noch sah, war eine riesige blaue Pille, die ihn erschlug, während Hidan als Barry White bühnenreif ‚I’m Qualified To Satisfy You’ sang. ‚Constantine’ - R.I.P. Madara wurde mit einem lieblichen Erwachen gesegnet – er rollte eine Treppe herunter. Eine Treppe mit Teppich, doch wenn man halbnackt war, die Hände mit einer Stola gefesselt hatte und sich noch erinnerte, dass man soeben von Dr. Hojos Meisterstücken, alias der irren Braut mit ihrem Ananasbrautstrauß und dem nicht weniger irren Wissenschaftler mit seinem gigantischen Hormonpräparat ermordet worden war, tröstete einen das nicht. Es war absolut nicht mehr lustig. Madara stellte erleichtert fest, dass die LKW-Pille ihn schnell genug getötet hatte und er sich noch in keine Frau verwandelt hatte. Jedenfalls hatte er keinen Busen, wie beruhigend. Und nun? Er konnte noch nicht wieder wach sein, denn als er sich umsah, entdeckte Madara nur lächerliche Zwiebeltürme und die Abendsonne. Na wunderbar, jetzt holte ihn auch noch ‚Aladdin und die Wunderlampe’ ein. Der Film, bei dem Izuna im mannhaften Alter von acht Jahren zu heulen angefangen hatte, weil er Dschinni so gruselig fand, ein herber Schlag in Disneys Gesicht. Madara schielte hinter sich. Hier war nichts Scharfes, mit dem er die Stola durchtrennen konnte, und generell hatte er keine Ahnung, wie er hier runterkommen sollte. Er saß auf der Brüstung eines dieser Zwiebeltürme, und als er die Treppe, die er heruntergestürzt war, wieder erklomm, führte diese nur auf das kitschige Dach. Madara überlegte bereits – sein Tod hatte ihn das letzte Mal gerettet, und wenn er sich hier vom Turm warf, würde ihn das sicher umbringen. Mit etwas Glück wachte er endlich auf. Bevor er seinen Suizid durchführen konnte, erregte allerdings etwas Glitzerndes seine Aufmerksamkeit. Eine Wunderlampe – die Wunderlampe – war auf die Spitze des goldenen Zwiebelturms gesteckt und funkelte in der untergehenden Sonne. Madara seufzte, halb erleichtert und halb genervt. Aladdin war leichter an dieses Ding gekommen, anstatt mit verbundenen Händen und im dämlichen Smoking auf mörderisch hohen und ebenso mörderisch blöden Zwiebeltürmen herumzukraxeln. Let's get lost in that magic place all alone now Drink your fill from my fountain of love, wet your lips Madara hatte nie rhythmische Sportgymnastik betrieben, aber er kannte sein Glück. Und wenn ihn niemand dabei beobachtete, wie er seine auf Hochglanz polierten Lackschuhe, die auszuziehen ohnehin eine Befreiung war, abstreifte und damit blind nach der Lampe warf, sie erwischte und bei dem Versuch, das abrutschende Utensil aufzufangen, beinahe vom Turm fiel, war das einfach fair. Immerhin hatte er die Lampe und rieb umständlich darüber. Es wäre den ganzen Ärger wert, wenn Itachi der Dschinn war... Eine ganz hervorragende Idee, die Madara eventuell entschädigen würde. Schon allein, weil diese Geister außer Lendenschurzen nichts trugen. Ein melodisches Summen erklang, als blauer Rauch aus dem Hahn der Wunderlampe strömte. Madara rutschte ein Stück weg und sah mit gnädigem Wohlgefallen zu, wie dieser Rauch sich zu einer ätherischen, muskulösen Gestalt verdichtete, die in der Tat nur einen Lendenschurz trug... Madaras Zufriedenheit hielt an, bis auch das Gesicht sich manifestierte. Dann fiel sie von ihm ab und zersprang klirrend. „Du?!“ Hashirama durchbohrte ihn mit einem säuerlichen Blick, die Arme vor der Brust verschränkt. Hätte ihm der Spruch nicht vorhin schon Unglück gebracht, hätte Madara wieder ‚Oh Gott’ gesagt. „Ich bin auch nicht begeistert davon, ausgerechnet dir drei Wünsche zu erfüllen.“, erwiderte der Dschinn, der einen achtjährigen Izuna sicher ebenfalls zum Weinen gebracht hätte. Wenigstens hatte Madaras Unterbewusstsein diesen Charakter nicht angerührt, Hashirama war genauso unausstehlich wie eh und je. „Also. Beeil’ dich damit.“ Bei Disney war der netter gewesen. Madara hätte den Mittelfinger präsentiert, wenn eine Chance bestanden hätte, dass Hashirama die Geste hinter seinem Rücken überhaupt sah. „Mach mich los.“ Hashirama schnippte stilecht mit den Fingern, und die Stola gab Madaras Handgelenke frei. Er rieb sich die roten Striemen und bewegte vorsichtig die Schultern, was Hashirama mit einem ungeduldigen Heben seiner Augenbrauen verfolgte. Ein Grund mehr, sich nicht zu beeilen. Madara nahm die Lampe an sich und stand auf. „Ich will hier runter.“ Die schwammige Formulierung bereute er sofort, als er aus der immer noch schmerzhaften Höhe von einem Meter auf den Hintern fiel, Hashirama glitt mit einem dünnen Lächeln hinterher. So viel war klar, Madara würde diese verdammte Lampe in die nächste Schrottpresse werfen, wenn er mit seinen Wünschen durch war! Die Straßen waren verlassen und öde, lediglich ein leichter, staubiger Wind wehte. Madara war froh, dass er ‚I Am Legend’ nicht gesehen hatte, allerdings war das schon das einzig Erfreuliche an diesem Anblick. Dann wollte er wenigstens etwas Spaß für Kleinkinder. „Ich wünsche mir einen fliegenden Teppich.“, verlangte er grinsend, und Hashirama rollte verächtlich mit den Augen. Madara hätte es fast zurückgenommen, um seinen Wunsch dahingehend abzuwandeln, der Dschinn und seine beschissene Lampe sollten von der nächsten Kamelkarawane überrannt werden. Hashirama schuldete ihm etwas. Betont lässig ließ der Geist eine kratzige Fußmatte erscheinen und bedachte Madara mit einem gehässigen Lächeln. Zu dumm, dass niemand außer Madara je erkannt hatte, wie dieser Senju wirklich tickte. „Du hast nichts über die Größe gesagt.“ Madara packte die Lampe und schleuderte sie auf den nächstbesten Zwiebelturm, woraufhin Hashirama sich grimmig in blauem Rauch auflöste. In ya face. Missvergnügt betrachtete Madara das Produkt seines Wunsches, bevor er mit den Schultern zuckte. Okay, auf dem Teil konnte man wenigstens surfen, das hatte er schon immer mal gewollt. Was allerdings beunruhigend war – bisher war er keinem neuen Streich seines Filmgedächtnisses begegnet. Das war ein ganz schlechtes Omen. I'm a man - I'm a boy I'm a man - Well I'm your mother Er hätte sich einen Nierenschutz wünschen sollen, der Wüstenwind war unangenehm. Das fiel Madara auf, während er über Agrabah hinwegraste, eventuell auftauchenden Zwiebeltürmen gekonnt auswich und dabei ‚Surfin’ USA’ summte. Doch zumindest war das sein einziges Problem, und dieser Alptraum hatte bewiesen, dass er das Potenzial für viel Größeres besaß. Da unten glitzerte etwas. Das letzte Mal, als er dadurch aufmerksam geworden war, hatte er Hashirama getroffen, aber abgesehen davon war es eine Win-Win-Situation gewesen. Deshalb ließ Madara seine Surfmatte etwas sinken, bis er eine Person erkannte, in einem Smoking. Pein. Seine metallenen Piercings schimmerten im Sonnenuntergang, Entwarnung. Madara landete barfuß vor Konans entflohenem Bräutigam und holte Luft, um ihn auf seine typische Art zu grüßen, als sich die Härchen in seinem Nacken warnend aufstellten. Das waren nicht die Piercings, die glitzerten... Ach du Scheiße. Twilight schlug zurück. Als hätte Madara eine Art unsichtbaren Schalter betätigt, ging der Alptraum in die nächste Runde. Denn es regnete Handtücher, ein sicheres Zeichen, dass auch ‚Per Anhalter durch die Galaxis’ nach seinem Recht verlangte. Pein starrte ihn durch den ungewöhnlichen Niederschlag unentwegt an. „Es gibt eine Bedingung, Bella... Heirate mich.“ Heiraten. Schon wieder. Dieses Pärchen hatte einen ernsthaften Knall, und Madara schüttelte heftig den Kopf. Sein Unterbewusstsein war der Meinung, dass Pein sich für Edward hielt, Hidan für Barry White, Zetsu für Doktor Hojo, Konan für Bloody Mary und Itachi... war ‚La Mala Education’ entsprungen. Und zu allem Überfluss kam Pein mit diesem stieren Blick näher. Wäre das nicht so riskant gewesen, hätte Madara mal die Smokinghose heruntergezogen, um ihm zu zeigen, dass das hier absolut sicher nicht Bella war. So ließ er seinen Teppich fallen, warf sich herum und rannte davon. I'm a man - I'm a slave I'm a man - I'm a little girl Vor einem wild glitzernden Vampir davonzulaufen, machte keinen Sinn. Madara hatte diesen Film nicht allzu genau verfolgt – warum er ihn geguckt hatte, gehörte zu den Fragen, die man ihm nicht stellen sollte – doch daran erinnerte er sich noch. Es regnete immer noch Handtücher, und Hidan war im Hintergrund auf Prince umgestiegen und sang ‚Purple Rain’. Bei violetten Handtüchern durchaus passend. Mal schnell rechnen, das ging bei Bewegung angeblich sehr gut. Madara war beschäftigt genug, Handtücher abzuschütteln und Haken um die bezaubernd-stereotypen Häuschen zu schlagen, doch er kam zu dem Schluss, dass ihm nur dann nichts Dämliches zustieß, wenn er mit Itachi zusammen war. Und dass Itachi verschwand, sobald sie nicht mehr allein waren. Dazu musste Madara Pein loswerden, was ihm auf natürlichem Wege nicht gelang. Bedeutete, er musste dafür sorgen, dass Konan und Pein sich trafen und ihre verdammte Hochzeit durchziehen konnten. Er war drauf gekommen. Sein ihn offenbar hassendes Unterbewusstsein spielte nämlich dankenswerterweise die Jeopardy-Musik ein, damit er sich besser konzentrieren konnte. Madara fing an, sich zu fragen, ob seine Persönlichkeit ihm mit diesem Schwachsinn etwas sagen wollte. Von einem Moment auf den anderen verebbte endlich der Handtuchregen, und auch Pein war verschwunden. Madara bremste und schnappte keuchend nach Luft. Er hob das nächstbeste Handtuch auf und wischte sich damit über das schweißüberströmte Gesicht. Seine Träume waren erschreckend real, manchmal. Aber eigentlich zum ersten Mal so real. Er befand sich jetzt auf einer breiten, ausgestorbenen Straße, die man aus lustlos zusammengeschusterten Computerspielen kannte. Große, nichtssagende Sandsteinbauten türmten sich bedrohlich zu beiden Seiten auf und bildeten ein undurchdringliches Spalier, und es schien keine Möglichkeit zu geben, die Straße zu verlassen. Mit anderen Worten, Madara hatte gar keine Wahl. So stellte man sich arabische Nächte nicht vor. Ein dezentes Räuspern wehte von hinten herüber – es stimmte also, er traf Itachi nur, wenn sie allein waren. In der Kanzel war die Atmosphäre um einiges intimer gewesen, und nachdem man ihn soeben umgebracht und das noch weitere Male zu wiederholen versucht hatte, verspürte Madara eh keine große Lust mehr auf irgendwas oder irgendwen. Trotzdem drehte er sich um. Itachi hatte die Arme lose verschränkt und musterte ihn mit leicht gerunzelter Stirn. Im Gegensatz zu dem aufreizenden Talar vorhin trug er Jeans, T-Shirt und Turnschuhe, das Haar war pragmatisch im Nacken zusammengebunden. Er sah aus, wie er immer aussah. Hidan im Hintergrund sang ‚Love Me Tender’, und Madara war froh, dass er nicht wusste, ob er auch die entsprechende Elvistolle hatte. I'm a man - I'm a blue movie I'm a man - I'm a bitch “Du kriegst einen Sonnenbrand.” Madara rollte gereizt mit den Augen. Ja, das klang sehr nach Itachi. „Kann mir egal sein. Ich träume nur.“ Itachi schnaubte verächtlich und kickte ein umliegendes Handtuch weg. zwischen ihnen bestand ein Abstand von fünf Metern, den keiner von beiden bisher überwunden hatte. Sie hatten es auch nicht probiert. „Deine Träume sind abartig und vulgär.“ Wirklich, ganz wie Itachi. Madara setzte an, dagegen zu halten, dass Itachi offenbar selten etwas dagegen einzuwenden hatte, doch dieser redete einfach weiter: „Du solltest dich schämen.“ Das... war hingegen weniger Itachi. Er versuchte nicht, andere Menschen zu erziehen, ganz egal, wen er vor sich hatte. Er missbilligte im Stillen. „Und wofür du dich noch schämen solltest... Du nimmst nie Rücksicht. Du bist selbstsüchtig und ignorant, bringst ständig alles in Unordnung, verhältst dich schamlos, obszön und barbarisch und bist eine Ausgeburt der Abscheulichkeit.“ Das war noch viel weniger Itachi. Er machte keine Vorwürfe, und erst recht nicht so hysterisch. Und dass er bei jedem Wort, das er Madara entgegen schleuderte, näher kam, war beunruhigend. „Du bist ein Ausbund der Freudschen Natur, außer Ficken und Kloppen nichts im Kopf.“ Gravierend untypisch für Itachi, solche Worte zu benutzen. Das brachte er nicht mal fertig, wenn er sich den Finger klemmte oder ihm mal wieder etwas aus dem Küchenschrank entgegenfiel. Und dann tat Itachi das, was am wenigsten er war – er ohrfeigte Madara. Das Klatschen hallte über die leergefegte Straße, und die Wucht riss Madaras Kopf zur Seite. Es mochte eine Ohrfeige sein, aber es fühlte sich an wie ein sauberer Kinnhaken, nach dem man rückwärts auf die Bretter krachte. Itachi prognostizierte seine Ohrfeigen oft, doch er tat es viel seltener. Und wenn er es tat, schmerzte das nicht annähernd sosehr. Vielleicht konnte er es nicht richtig, oder er machte es absichtlich. ‚Ready To Rumble’ polterte über die verödete Straße, als ‚Dead Or Alive’ Einzug hielt. Auf höchst pixelige Weise materialisierte sich ein langes, rasiermesserscharfes Katana in Itachis Hand, das er unverzüglich gegen Madara richtete. Dieser spürte etwas Kaltes, Metallisches in seiner Handfläche und zog dieses aus Reflex hoch, um sich zu verteidigen. Bratpfanne. Er hasste seine kranke Fantasie. Mit einer Kelle herumzufuchteln, erinnerte sehr stark an ein Video von Aqua, und Hidan setzte sogleich zum ‚Sailor Song’ an, während Madara mühevoll Itachis Katana abwehrte. Gewiss, er hätte diesen Irrsinn beenden können, wenn er sich durchbohren ließ, aber Itachi hatte ihn geohrfeigt. Geschlagen. Das würde er kein zweites Mal tun, so viel stand fest. Zumindest stand es das, bis sich ein Brautstrauß, gekrönt von einer Ananas, durch seine Kampfpfanne bohrte und den rostfreien Stahl mühelos durchstieß. Itachi war verschwunden, mal wieder, und Konan kam mit weit ausgreifenden Schritten auf ihn zu. In den Händen hielt sie ihre Stilettos, deren spitze Absätze problemlos das mit seinem Brustkorb machen konnten, was die Ananas mit der Pfanne gemacht hatte. In ebendieser spiegelte sich Peins herannahende Silhouette. Ergreifend, dass die verlorenen Liebenden sich gerade dabei trafen, Madara gemeinschaftlich zu ermorden. Level drei des skurrilen Traums hatte keinen sanfteren Anfang als Level eins und zwei. Madara, dessen Smoking während des Alptraums arg in Mitleidenschaft gezogen worden war und der noch überall Staub und Wüstensand hatte, landete platschend in einem kniehohen Teich. Ein fetter Koi paddelte erschrocken davon und versteckte sich unter einem Seerosenblatt, als der nicht totzukriegende Bräutigam sich triefend erhob. Es war vorher schon nicht witzig gewesen, und jetzt war es... Es... Es verlangte nach einem deftigen Fluch, aber Madaras Vokabular konnte das Maß seiner Gefühle nicht kanalisieren. Das war so... Also gut, es lief keine Musik mehr. Er war nass geworden, dieser ekelhafte Fisch schwamm zwischen seinen Beinen herum, Staub rieselte aus seinem Haar, seine Muskeln schmerzten und seine Nerven waren überreizt von den ständigen Katastrophen. Das war ein positiver Aspekt und ungleich mehr Negative. „Scheiße.“ Und just in diesem Moment öffnete sich die Schiebetür des traditionell japanisch gebauten Hauses, von dem es Madara gar nicht juckte, woher es entsprungen war. Es war da, und alles war scheiße. Madara hob den Kopf und wurde mit einer neuen Einsicht berieselt. Zuerst hatte es weder nach Itachi ausgesehen, noch hatte es sich so benommen. Dann hatte es so ausgesehen wie Itachi und sich nicht so benommen. Die geplagte Logik forderte, dass es nun nicht so aussah wie Itachi und sich so benahm wie er. Madara setzte sich ruckartig im Bett auf. Er war wach. Endlich. Er trug keinen Smoking mehr, niemand wollte ihn heiraten, es lief keine Musik und er war nicht tot. Er musste irgendwas Falsches gegessen haben, Käse vielleicht. Erschöpft fuhr er sich durch das zerzauste Haar. „Oh Gott, Scheiße.“ Er konnte gar nicht mehr Unglück heraufbeschwören, als ihm widerfahren war. Wie die meisten Menschen wurde Itachi nicht gern geweckt, bevor er das für nötig hielt. Und schon gar nicht von quäkenden Geräuschen, die einem Gänsehaut verursachten, wie wenn man mit den Fingernägeln über eine Schiefertafel kratzte. Und es gab nur einen weiteren Menschen im Haushalt, der Schuld sein konnte, dass es hier um vier Uhr morgens quietschte. Umständlich quälte Itachi sich aus dem Bett und verzog das Gesicht, als seine Füße die kalten Dielen berührten. Manchmal musste man Madara und seine spontanen Anwandlungen einfach hassen... Und dabei sollte man meinen, am Samstagmorgen würde ihn nichts aus dem Bett kriegen. Normalerweise war das so. Eisen kreischte auf Eisen, als Itachi die um einen Spalt geöffnete Küchentür aufdrückte. Madara lag unter der Spüle und fuhrwerkte an dem Rohr herum. Wohlgemerkt, am Samstagmorgen um vier. „Was soll das?“ Madara sah nicht mal auf und drückte den Schraubenschlüssel gegen eine der Muttern. „Der Wasserhahn tropft.“ „Das sage ich dir seit Wochen.“ „Schön. Verpiss dich.“ Es war ein guter Tag für Charme, stellte Itachi sarkastisch fest. Allerdings erklärte das nicht Madaras Aktivitätszwang. „Wieso musst du das denn jetzt reparieren... Tust du das überhaupt?“ „Wenn man keine Ahnung hat, Fresse halten.“ „Geh wieder ins Bett.“ Madara funkelte ihn am Abflussrohr vorbei warnend an. „Hau endlich ab.“ Itachi seufzte und fuhr sich durch sein chaotisches Haar. Dass Madara schlechte Laune hatte, war normal, doch das hier war diese Art von Schmollen, die er hatte. Bitte, schmollen. Itachi hatte ihm am vergangenen Abend höflich dargelegt, warum sie ihre Schlafzimmer nicht zusammenlegen und damit Platz für irgendwelchen Krempel schaffen konnten. Und nun schmollte der Kerl, nicht zu fassen. Wie sah das denn aus, wenn sie sich ein Zimmer teilten, ob es nun zwei Betten beinhaltete oder nicht?! „Madara...“ Itachis Tonfall war gedehnt und milde gereizt, doch die Erwähnung des Namens verlor nie ganz ihren Effekt. „... Möchtest du bei mir übernachten?“ “Auch keiner von der schnellen Truppe, war ja klar.” So war das eben mit Madara – seine Emotionen kannten kein Mittelmaß, nur Extreme. Dennoch wartete Itachi ab, bis der andere wirklich einschlief, wohl wissend, was er sich damit eingehandelt hatte. Madara musste Samstags ausschlafen, und mit ihm alles, was im selben Bett nächtigte wie er. Gab Schlimmeres. fin Kapitel 7: Born To Be Wild -------------------------- Born To Be Wild Untertitel: Knallgelb und höllenheiß ‚Born To Be Wild’ stammt aus 1968 von der Band Steppenwolf. Madara war verliebt. Verliebt bis in seine störrischen Haarspitzen. Bis in seine ewig selbstgefälligen Augen. Bis in seine schönen, schlanken Hände. Vermutlich sogar bis in den blauen Fleck, den er sich geholt hatte, als er mit dem Knie gegen einen Hydranten gestoßen war. Die Dinger waren signalrot und standen am Rand des Bürgersteigs, man musste geschickt sein, um da reinzurennen. Doch alles war möglich, wenn man absolut verliebt war. Deidara fiel es als Erstem auf. Er machte Kommentare, und Konan mit ihrer romantischen Ader nannte Madara Altair, den Hirten, und seine Liebe Vega, die Weberin. Laut der Mythologie konnten die beiden sich nur einen Tag im Jahr sehen. Madara fiel das nicht auf. Sogar das war möglich, wenn man absolut verliebt war. Itachi bemerkte, dass sein Mitbewohner etwas ordentlicher wurde und wesentlich weniger Zeit zu Hause verbrachte. Und noch alarmierender, er opferte den Samstag, seinen einzigen freien Tag in der Woche, um seine Vega zu sehen. Musste so was möglich sein, wenn man absolut verliebt war? Nach bereits einer Woche fand sogar Hidan es nicht mehr lustig, diese Obsession zu verspotten, und das musste etwas heißen. Madara reagierte einfach nicht, dazu war er zu verträumt. Ein sehr bedenklicher Zustand, denn Madara war nie verträumt, nicht mal dann, wenn man ihm auf einem Großbildschirm präsentiert hätte, wie jemand Hashirama Senju in einer Jauchegrube versenkte. Er war viel zu verliebt, um so feindselig zu sein. Madara seufzte sogar manchmal. Ein sehnsüchtiges Seufzen, wie man es sonst nur in richtig schmalzigen Liebesfilmen hörte. Itachi war bereit, ihn für jedes Seufzen zu ohrfeigen, wenn eine Aussicht bestanden hätte, dass Madara das überhaupt mitbekam. Aber er war ja so verdammt verliebt. Über ‚Vega’ wurde viel spekuliert. Man musste schon eine Handvoll sein, um einen so nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen, und es liegt in der Natur des Menschen, abscheulich neugierig auf das Privatleben anderer zu sein. Konan hatte sogar den Nerv, Itachi zu fragen – als ginge es ihn was an, in wen Madara so furchtbar verliebt war! Und so ganz nebenbei gab dieser auch keine Details preis. Und er grinste so dümmlich, dass Itachi Bluthochdruck davon bekam. Es war wie in einem Alienfilm, und zu gern hätte Itachi die klischeebeladene Frage ‚Wer bist du und was hast du mit Madara gemacht?’ gestellt, wenn die Antwort etwas Anderes als dieses elende Grinsen gewesen wäre. Der echte Madara hätte mindestens einen blöden Witz gerissen, zum Beispiel ‚Beam me up, Scotty!’. Die meisten Gesprächsversuche scheiterten. Madara hatte sein damals so plötzlich erwachtes Interesse an Itachi eingebüßt, er näherte sich ihm nicht mehr und zog sich in sein Zimmer zurück, wenn er mal nicht ausgegangen war. Dann war es da drinnen still, bis auf dieses aggressionsfördernde Seufzen. Eins war ihm also wenigstens erhalten geblieben, er scherte sich keinen Deut um die Gefühle anderer. Nicht besonders begrüßenswert. Er hatte sogar Appetitmangel, wie man das von den berüchtigten Schmetterlingen im Bauch so kannte. So nach allen Regeln der Kunst verliebt. „Du wirkst unausgeglichen.“ Itachi war Großmeister in den sogenannten Todesblicken, doch das Zeug war Esoterik. Das wirkte nicht, wenn man nicht dran glaubte, und Kisame glaubte leider nicht dran. „Ach was.“ Sie saßen gegenüber in der Cafeteria der Universität, Itachi starrte die schmierige Maserung des Tisches an und Kisame stocherte in seinem Mittagessen. Das war ein natürlicher Vorgang, wenn es sich beim Essen um eine solche Pampe handelte, die unmöglich Yorkshirepudding sein konnte, aber es erinnerte Itachi an die Art, wie Madara momentan in allem herumstocherte, was er essen sollte, ob es nun Yorkshirepudding war oder nicht. Da sollte man wohl unausgeglichen werden. „Mir fällt bestimmt noch ein besseres Wort ein.“, spottete Kisame und stach den unförmigen Teigklumpen ein weiteres Mal ab. „Mir ist etwas auf den Magen geschlagen.“, wehrte Itachi sich lahm. Es war seine Standardbegründung, wenn ihm eine Laus über die Leber gelaufen war. Nicht selten Madaras Schuld, weil er zu ungestüm gewesen war. Aber sie hatten ja keinen Sex mehr. Madara war ja verliebt, falls das wer vergessen hatte. Itachi hatte das jedenfalls nicht. „Du solltest mal wieder ausgehen.“, empfahl Kisame routiniert. Es war liebenswert von ihm, Itachi immer einen anderen Tipp bei dieser Ausrede zu geben, doch dass es gerade dieser war, stieß diesem sauer auf. „Scheiße, nein.“ Kisame hörte kurz auf, den Pudding zu traktieren, und sah auf, bevor er grinste. „Scheiße, nein? Du musst weg von Madara. Der verdirbt dich total.” Und das war Thema Nummer zwei, über das Itachi nicht reden wollte. Finster starrte er die Servietten an. Kisame ging zu einem erwünschten Themenwechsel über, als wäre nichts geschehen. „Du solltest dich echt mal untersuchen lassen. Vielleicht hast du ein Magengeschwür oder so was.“, brummte er und nahm die Folter des Yorkshirepuddings wieder auf. In solchen Momenten bereute Itachi es, sein Verhältnis mit Madara auch vor seinem besten Freund geheim zu halten. Dann wäre es wenigstens einfacher, alles. Und obwohl Konan davon wusste, sprach er nicht mit ihr darüber, wenn sie es nicht darauf anlegte. Was gerade selten vorkam, denn sie hatte selbst irgendwelchen Stress in ihrer Beziehung. Dreck, wenn man sie mal brauchte... Auf Frauen konnte man sich nicht verlassen. „Sollte ich wirklich.“ „Hm?“ Kisame schaute erneut auf, er hatte offenbar den Faden verloren, weil das Gespräch beendet war. „Zum Arzt gehen.“ „Ja.“ Itachi drückte seinen Fingernagel in eine Rille der Maserung. Er hasste das Geräusch, wenn Kisames Gabel den Pudding durchbohrt hatte und unten auf den Teller prallte, ein schrilles Klicken. „Bringst du mich hin?“ „Jetzt?“ „Ja.“ Kisame zog die Gabel heraus und legte sie weg. „Klar.“ Tauwetter war ziemlich deprimierend, fand Itachi. Matschiger Schnee überall, alles tropfte und lief, das war ekelhaft. Madara, der Schnee hasste, hasste die Schneeschmelze ebenso. Für ihn hatte das Zeug weg zu sein und nicht so theatralisch abzutreten. Kisame ging neben Itachi her, die Hände in den Taschen vergraben. Es war Anfang März und taute, und Itachi konnte nicht glauben, dass er tatsächlich zum Arzt wollte. Total sinnlos, ihm fehlte nichts außer gesundem Menschenverstand. „Sollen wir bei Madara vorbeischauen?“ Kisames Frage brachte Itachi aus dem Konzept. „Was?“ Nicht nur, dass Madara nicht hier in der Nähe arbeitete, er hatte jetzt nicht mal Schicht. Es machte also keinen Sinn, ihn besuchen zu wollen. Mal ganz davon ab, dass Itachi niemanden besuchen wollte, der so nervtötend verliebt war. „Ist gleich um die Ecke... Vega, du weißt schon.“ Kisame grinste, doch Itachi konnte seine Heiterkeit nicht teilen. Es war der Moment, in dem er begriff, dass er nicht selbst herausfinden wollte, wer Vega war. Verliebte schwärmten angeblich so viel, aber wenn Madara das tat, dann nicht in Itachis Gegenwart. War sowieso schwierig, so selten zu Hause, wie er war. Mistkerl. Itachi verschränkte die Arme vor dem Bauch und verzog das Gesicht. Konan signalisierte damit, dass sie Unterleibsschmerzen hatte und das gefälligst jemand zur Kenntnis nehmen sollte. „Geh schon mal vor, von hier aus schaffe ich es allein.“ Kisame war ein guter Freund. Gute Freunde wissen, wann sie nicht mehr erwünscht sind. Er klopfte Itachi mit seiner prankenartigen Hand auf die Schulter und stapfte weiter durch den tauenden Schneematsch. Offenbar legte er keinen Wert darauf, zur Universität zurückzukehren. Itachi sah ihm nach. Die Versuchung, Kisame hinterherzulaufen, war so groß wie die, sich die Faust in den Magen zu rammen, bis ihm wirklich schlecht war. Dreizehn Minuten später saß Itachi auf einer Behandlungsliege, die so hoch war, dass seine Füße eine Handbreit über dem Boden baumelten. Dreizehn war schon eine Unglückszahl, wohlgemerkt. Die ganze Zeit über starrte er die aufgereihten Apparate an und fragte sich, ob er wohl eine Magenspiegelung machen musste. Eine Kamera schlucken und... Bah. Schon der Gedanke war ekelhaft. Itachi wurde sehr selten krank, deshalb hatte er keinen ‚Arzt seines Vertrauens’. Zu diesem Exemplar hier konnte man allerdings kein Vertrauen haben, da fingen wahrscheinlich die Kinder an zu weinen. Die harten, stahlgrauen Augen musterten Itachi durch die Gläser einer runden Brille, die jedes andere Gesicht freundlicher und niedlicher gemacht hätte – dieses nun gerade nicht. Namentlich Kabuto Yakushi, hatte leichte Ähnlichkeit mit Doktor Hojo und schien mit fremden Patienten, die mal eben bei Tauwetter hereinschneiten, grundsätzlich nicht mehr als nötig zu reden. Und in seinem Behandlungszimmer war es kalt. Seine Finger waren kalt. Sein Stethoskop auch. Sogar seine Stimme war kalt. „Scheint alles in Ordnung zu sein.“, resümierte er, nachdem er Itachi mit dem Mindestmaß an Sorgfalt untersucht hatte und ihm eine Spitze in den Unterarm gejagt hatte. Und dass er die Vene traf, hieß nicht, dass es weniger weh tat. Kabuto hatte ihm gelegentlich Fragen über sein Essverhalten gestellt und ihn dabei in die Rippen gepiekst, wobei Itachi jedes Mal zusammenzuckte. „Gibt es ein Zeitmuster, in dem Sie sich unwohl fühlen?“ Itachi schüttelte den Kopf. Er bereute es bereits wieder, hierher gekommen zu sein, für nichts und wieder nichts. Mit ihm war alles in Ordnung, Madara sollte sich viel eher mal checken lassen. Kabuto furchte die Stirn, als müsste er darüber sorgfältig nachdenken. „Keine Lebensmittelallergien?“ Nächstes Kopfschütteln. Kabuto nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen dahinter. Itachi war taktvoll genug, die Diagnose abzuwarten, bevor er seinen Pullover wieder anzog. Es war immer noch kalt hier drin, und niemand, der je Horrorfilme gesehen hatte, saß gern halbnackt auf einem Behandlungstisch. Einem, der zu hoch eingestellt war. „Da ich sonst keine Anomalie feststellen kann... könnte es sich um ein Früherkennungszeichen von Krebs handeln.“ Itachis Mund war trocken. Zuerst fand er keine Stimme, was Kabuto offenbar nicht überraschte, denn er putzte mit seinem Ärmel die Brillengläser. Als würde er anderen ständig sagen, dass sie vielleicht Krebs hatten. „Wenn die Auffälligkeiten bis, sagen wir, den Donnerstag der nächsten Woche anhalten, machen wir sicherheitshalber eine Magenspiegelung. Bis dahin sind auch die Blutwerte näher ausgewertet.“ Er pappte Itachi ein Pflaster auf den Unterarm und reichte ihm nonchalant den Pullover. Itachi merkte kaum den leichten Schmerz in der Einstichstelle, als er sich das Kleidungsstück überzog und die Kaschmirwolle an dem Pflaster zog. Wenn man erst mal die Aussicht auf etwas so Ernsthaftes wie Krebs im Kopf hatte, war man hypersensibel. Itachi bildete da keine Ausnahme. War er von den Stufen zu ihrer Wohnung schon immer so kurzatmig geworden? Was war das für ein komisches Zwicken in der Nierengegend? Hätte er inzwischen nicht längst Appetit bekommen sollen? Stumm stierte Itachi auf den schwarzen Fernsehbildschirm und zählte die Staubflusen. Da war es wieder, dieses Pochen... War sein Gesicht schon immer so blass und ausgezehrt gewesen? Seine Augen so blutunterlaufen? Und letzte Nacht war er an die sechs Mal aufgewacht... Er hatte sich zu sehr daran gewöhnt, wie Madara sich zwischendurch herumwarf. Und da war dieses Ziehen im Nacken, das musste keine Verspannung sein, vielleicht- Itachi hatte länger dort gesessen, als er bemerkt hatte, denn nun flog die Tür geräuschvoll auf und spuckte Madara aus, zusammen mit einer eisigen Böe und einer Menge Schneematsch. Itachi hatte nie ein solches Bedürfnis verspürt, sich ihm in die Arme zu werfen. Madara sah ihn an, machte aber keinen typischen Kommentar, was er so früh hier machte. Stattdessen schüttelte er verkrustete Eisstückchen ab und summte Disneys ‚This Is Halloween’. Wie immer, wenn er gut gelaunt war. Wie geschmacklos, jetzt gut gelaunt zu sein. Itachi hatte nie ein solches Bedürfnis verspürt, ihn anzuschreien. Madara wickelte seinen Schal ab und spuckte dabei seinen Kaugummi in den Mülleimer neben der Garderobe. Er war ganz das blühende Leben, strahlend verliebt und vollauf mit sich und seiner Vega beschäftigt. Itachi hatte nie ein solches Bedürfnis verspürt, ihn zu ohrfeigen. Obwohl, vielleicht doch. Nach der Sache mit dem Gedicht für Tobirama. Itachi starrte wieder auf den Fernsehbildschirm, die Knie vor die Brust gezogen und die Hände gefaltet in den Schoß gepresst. Sie waren schweißfeucht, und Madara summte immer noch, vermischt mit einzelnen Wortbrocken. „In this town, don’t we love it now? Everbody’s waiting for the next surprise…” “Du bist zu alt für Disney.”, brummte Itachi dumpf. Schon allein an Kürbisse zu denken, ließ Übelkeit in ihm aufwallen. Madara hörte ihm nicht zu, er bog in die nächste Passage ein: „This is Halloween, everybody scream! Won't ya please make way for a very special guy?!” “Madara…” Itachi klang mahnend. Madara ignorierte das schon wieder und verschwand in der Küche, um dort vergnügt herumzukramen. Er hatte nicht mal auf seinen Namen gehört, von dem er es liebte, wenn man ihn richtig aussprach. Itachi hatte nie ein solches Bedürfnis verspürt, in Tränen auszubrechen. Like a true nature's child We were born, born to be wild We can climb so high I never wanna die Itachis Tage verliefen düster – allen ging es gerade so. Pein stritt sich mit Konan und Konan stritt sich mit Pein, Sasori hatte eine Nebenhöhlenentzündung, worum ihn niemand beneiden konnte, Deidara hatte eine Schaffenskrise und nahm das ungeheuer ernst, Zetsu hatte den Winter-Blues. Sogar Kisame schien bedrückt und schweigsam. Nur Hidan war ätzend gut drauf. Itachi hatte das zweifelhafte Vergnügen, ihn in seiner Mittagspause zu treffen, während er gerade überlegt hatte, ob er sich vorzeitig einen Termin für die Magenspiegelung geben lassen sollte. Inzwischen hatte er nämlich Magenschmerzen. Phantombeschwerden, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Hidan trug irgendein seltsames T-Shirt und darüber eine dünne Jacke, weshalb man schon bei seinem bloßen Anblick fror. Im Takt zu Limp Bizkit wippte er auf seinen ebenfalls schockierend sommerlichen Chucks. „Jo.“ Dass dieser Begrüßung keine familiendiskriminierende Beleidigung folgte, war das Alarmsignal seiner guten Laune und machte Itachi, der ihn eh nicht sehen wollte, misstrauisch. „Was willst du?“ Hidans Grinsen hatte etwas Ironisches, das einen davor warnte, seine Stimmung nicht zu überschätzen. Der Kerl konnte einen wirklich nervös machen. „Dich abholen, Mann. Zeit für ein paar Zentner stahlharter Erotik.“ I never wanna die Born to be wild Stahlhart auf jeden Fall. Mörderische Maschinen, die man sonst nur aus Roadmovies oder Final Fantasy kannte. Wie Hidan ausgerechnet die erotisch finden konnte, war Itachi nicht klar, dafür war etwas Anderes zuständig. Ein wenig steif schaute Itachi sich in der Halle um, wo die Motorräder aufgereiht waren wie Teilnehmer einer Rallye, die gleich aufheulen und jeden Besucher zwischen sich zerquetschen würden, bevor sie in einem ohrenbetäubenden Inferno aufeinander prallten. Die Räder waren mit Stützen gesichert, sodass die Standeisen nicht benötigt wurden, sodass die Dinger kerzengerade gehalten wurden und zusätzlich den Anschein verstärkten, sie seien abfahrbereit. Die blank polierten Windschutzscheiben und gewölbten Rücken machten Itachi unruhig. Ihm fehlten die Jungenträume von dem Sonnenuntergang, der endlosen Straße und ihm auf seiner Maschine, und das regte sich auch jetzt nicht. Hidan nahm seinen Mangel an Begeisterung nicht zur Kenntnis, was bedeutete, dass er sich von dieser Situation noch irgendeinen schlagenden Witz versprach. Und wer Hidans Sinn für Humor kannte, wurde davon umso nervöser. Und da sollte noch jemand keine Magenschmerzen haben. Glücklicherweise betrat ausgerechnet jetzt ein neugieriger Kunde den Hort der ‚stahlharten Erotik’, ein Begriff, von dem Itachi partout nicht loskam. Hidan verpasste ihm einen rohen Schubs, der ihn beinahe in eine Vespa stolpern ließ, die sich unerklärlicherweise hierher verirrt hatte, und meinte, er sollte einfach durchgehen und sich umsehen. Alles, wovon Itachi schon immer mal geträumt hatte. Wenigstens erhielt er einen Aufschub, bevor Hidan die Bombe platzen ließ. Itachi stand neben der Vespa, beide so verloren wie die Kätzchen im Raubtierkäfig. Es roch nach Leder, Imprägnierspray und Plastik, und nach etwas Scharfem, Herben, auf das man nicht so recht den Finger legen konnte. So wie... Rasierwasser, wenn man keines brauchte. „Wo ist Hidan?“ Wie unpassend, aber das war stahlharte Erotik. I like smoke and lightning Heavy metal thunder Madaras Haar stand immer ab, doch in naher Vergangenheit musste er sich einen Helm darüber gezerrt haben, denn inzwischen sah es aus wie unter Starkstrom. Itachi konnte Leder nicht viel abgewinnen, das gehörte zu sehr in die SM-Sparte, wenn es allerdings dezent war, beispielsweise nur an den Handschuhen und hin und wieder woanders... Zum ersten Mal ignorierte Itachi den schrecklich verliebten Glanz in Madaras Augen. Die Schutzkleidung war dunkel, die einzig wahre Farbe für eine Motorradkluft, und relativ unspektakulär. Bis auf die leichten Lederakzente, die die Polster kaschierten. Das alles schien geradewegs einer seltsamen Art von Porno entsprungen, weil Madara es sogar in dieser absolut deckenden Kleidung schaffte, verrucht auszusehen. Er wartete nicht länger auf Itachis Antwort, der immer noch wie angewurzelt neben der Vespa stand, sondern griff nach dessen Hand. Das glatte, brandneue Leder der Handschuhe knirschte dabei und fühlte sich eigenartig lebendig an. „Komm, sieh sie dir an!“ Dazu hatte Hidan ihn auch aufgefordert, und Itachi war absolut zufrieden damit, sich die Vespa anzugucken und schicksalsergeben abzuwarten, für welches Farce er hier war. Seit er sich krank vorkam, war er noch passiver als sonst. Madara zerrte ihn im Slalom durch die Reihen der Motorräder, wobei er mühelos hervorgestreckten Spiegeln und Standhilfen [1] auswich. Er war also nicht zum ersten Mal hier. „Hier warst du die ganze Zeit?“ „Ich wusste, dass es dir nie in den Sinn kommen würde, mich einfach danach zu fragen.“ Itachi fühlte sich ertappt und gekränkt zugleich. „Das heißt Ja?“ Madara zog dramatisch die Augenbrauen hoch, sonst blieb seine Miene blank. Oh, das war ein toller Moment für ‚Ich bin vielleicht ernsthaft krank und hey, wer hat mich nicht danach gefragt, na?’. Er hatte allerdings Recht – Itachi hätte sich nicht von sich aus erkundigt, wer Vega denn war. Und Madara wusste das zweifellos sehr genau. Und fast genauso zweifellos hatte es ihn wütend gemacht und dazu gebracht, Itachi zu meiden. Nicht alles konnte man auf Verliebtheit schieben. Itachis Magen ging es dadurch keineswegs besser. Madara stieß ihn ein weiteres Mal vorwärts, und Itachi bremste instinktiv. Weigerte sich, noch einen einzigen Schritt weiter zu machen. Visueller Reiz, sehr stark. Sein Magen machte einen Salto und landete auf dem Rücken. „Was ist das?“ „Kawasaki.“ Madaras Stimme haftete wieder dieses Verträumte an, doch Itachi war zu gelähmt, um das zu bemerken. Er hatte Mühe genug, nicht die Kinnlade fallen zu lassen. Wenigstens seine Stimme war fest und beherrscht. „Madara, bist du farbenblind?“ Kawasaki, ja. In Knallgelb. Fire all of your guns at once And explode into space Jeder vernünftige Mensch, der sich überhaupt in diesen Hort der Maschinerie wagte, näherte sich diesem Ding nicht bis auf einen Radius von zwei Metern. Klar, eine Kawasaki war cool. Und Itachi verstand auch, warum Madara so versessen darauf war, keine Freizeit mehr zu haben, er wollte dieses Baby. So weit alles in Ordnung. Aber dieses Gelb! Damit war gar nichts in Ordnung. „Das ist Vega...?“ Madara furchte missvergnügt die Stirn. Er musterte das Motorrad mit der Hingabe, von der man dachte, es gäbe sie nur in Filmen. Itachi kam entfernt der Gedanke, ob er eigentlich einen Führerschein für das da hatte. „Pah! Der Name ist auf Konans Mist gewachsen.“ Itachi rieb sich die Augen, um sich von dem Gelb zu erholen. „Das willst du haben?“ „Yeah.“ „Das wird wirklich teuer.“ „Mhmmm.“ „Kannst du die überhaupt fahren?“ Madara grinste diabolisch. „Willst du’s rausfinden?“ Itachi hatte nie ein solches Bedürfnis verspürt, in Ohnmacht zu fallen. Racin' with the wind And the feelin' that I'm under Nein, nein und nochmals nein, Madara konnte ganz und gar nicht fahren! Nicht, wenn man Itachi fragte! Selbst durch den ruhigen Innenstadtverkehr jagte die Kawasaki wie ein knallgelber Blitz und neigte sich in jeder Kurze bedrohlich zur Seite. Der Motor ließ die gesamte Maschine donnern, sodass man durchgeschüttelt wurde wie in einer Wildwasserbahn. Der Lärm war infernalisch. Nach nur zehn Minuten Fahrt war Itachi sicher, dass, wenn er von dem Motorrad stieg, seine Beine unter ihm nachgeben würden. Also blieb er sitzen, als das Ungetüm endlich auf dem Parkplatz eines Supermarkts zum Stehen kam. „Scheiße.“, war alles, was er herausbrachte. Sein gesamter Körper sprudelte vor Adrenalin. „Und jetzt sag’ nie wieder Vega. Das ist die Hornisse.“ Itachi warf ihm einen drohenden Blick zu, doch Madara ließ den Motor einfach wieder aufheulen, und der Blick schmolz zu einem kümmerlichen Bitten zusammen. „Du... bist ohne Helm gefahren, bist du komplett wahnsinnig?“ Was den Nebeneffekt hatte, dass Itachi zumindest temporär sein Gesicht in Madaras rauem Haar vergraben und die vorbeirasende Landschaft vergessen konnte. Doch das musste er ja nicht wissen. Wusste er eh schon. „Ich hab’ noch keinen.“ „Das ist die Dümmste aller Ausreden.“ „Damit das gleich klar ist, ich schiebe den Rückweg über nicht.“ Toll, noch so ein Höllenritt. Was war nicht in Ordnung mit öffentlichen Verkehrsmitteln?! „Dir scheint dein Kopf nicht so wichtig zu sein.“ Madara zuckte mit den Schultern und drehte sich wieder nach vorn. Niemand achtete zu genau auf sie, obwohl Itachi auf dem Sattel der Hornisse mehr als Fehl am Platz wirkte. Seine Glieder bebten immer noch. „Kisame meinte, du wärst krank.“ Itachi lachte trocken auf. „Meint er das.“ Madara sah erneut über die Schulter und gab Itachi diesmal das Gefühl, derjenige von ihnen zu sein, der unreif war und unangebrachte Witze riss. Zuerst sagte keiner von ihnen etwas. Itachi unternahm einen Versuch, seine verkrampften Beine zu lockern. „Lass uns zurückfahren. Meinetwegen kaufe ich dir einen Helm.“ Madara lächelte undurchsichtig und drückte so flüchtig Itachis Hand, dass nur das schmeichelnde Gefühl von Leder bestätigte, dass er es tatsächlich getan hatte. „Ich hab’ schon längst einen. Wollte ihn bloß nicht aufsetzen.“ „Du hast-“ „Du könntest ja dir einen kaufen.“ Itachi seufzte schwer. Ein Grummeln ging durch die Hornisse, ihr Motor erwachte wieder zum Leben und hustete eine Qualmwolke aus dem Auspuff. „Solange er nicht gelb ist.“ Mit Itachi war alles okay. Er wollte nur nicht einsehen, dass knallgelbe, höllenheiße, stahlharte Erotik ihn geheilt hatte. Yeah Darlin' go make it happen Take the world in a love embrace Fire all of your guns at once And explode into space fin [1] Man kann sich denken, warum ich es mit allen Mitteln vermieden habe, den volkstümlichen Begriff ‚Ständer’ dafür zu benutzen... Von dem Thema, das in diesem OS angerissen wurde, will ich gar kein Fass aufmachen. Es geht mich auch nichts an, und wenn man das Dramedy nennen kann... Wohl eher nicht, da schätze ich meine Fähigkeiten realistisch ein. Wenn ich jemandem da zu nahe getreten bin, tut mir das zwar leid, aber es war auch nicht beabsichtigt. Kapitel 8: Come On In My Kitchen -------------------------------- Come On In My Kitchen Untertitel: Der Widerspenstigen Zähmung Aus irgendeinem Grund musste ich das Klischee aufgreifen, warum Sex in der Küche so populär ist... Dazu was schön Altes aus 1936, „Come On In My Kitchen“ von Robert Johnson. Plopp. Sonntagabend, kurz nach dem Abendessen. Langweilige Tageszeit. Unangenehme Zeitzone zwischen Wochenende und dem unvermeidlichen Montag. Und irgendwie ging dieser Abend schleppend vorbei. Itachi hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, Zeitungen abends zu lesen, weil er vorher nicht die Zeit dazu hatte. Jetzt starrte er die eng bedruckte Seite vor sich an und musste ohne Schockieren feststellen, dass eine Sonntagszeitung genauso langweilig war wie ein Sonntagabend. Madara saß ihm gegenüber und rührte desinteressiert Brausetabletten in ein Glas Wasser, das inzwischen seine Dosis an diesen Dingern weit hinter sich hatte, wie eine trübe Mandarine gefärbt war und nach sprudelnder Orange stank. Das ständige Prickeln juckte in der Nase, aber Madara ignorierte jede Aufforderung, das endlich wegzukippen, weil er nicht mit einer vorgehaltenen Zeitung sprechen wollte. Plopp. Schon wieder ging das Zischen der nächsten Brausetablette los. Itachi zwang sich, den Bericht über den nächsten Vulkanausbruch zu lesen, immerhin gab’s bunte Bilder. Und in nicht allzu ferner Zukunft würde Madaras Glas ebenso explodieren wie dieser Vulkan hier. „Was soll an Sex in der Küche eigentlich so toll sein?“ Itachi machte nicht den Fehler, die Zeitung zu senken. Man durfte Madara nicht in die Augen schauen, wenn er solche Fragen stellte, dann war alles in Ordnung. „Es peppt ein alltägliches Umfeld auf. Ganz davon ab ist es ekelhaft, weil man nie wieder in Ruhe essen kann.“ Itachi fand die Küche, in der sie derzeit saßen, nicht besonders erotisch. Vielleicht ging das bei verchromten Küchen ja besser... Doch eher nicht. „Badezimmer sind auch alltägliche Umfelder.“ „Es geht ja auch von einem bestimmten Rollenbild aus. Männer sind daran gewöhnt, ihre Frauen in der Küche stehen zu sehen. Der alltägliche Eindruck verändert sich.“ „Du bist eindeutig die Frau hier, aber was du kochst, grenzt an Körperverletzung.“ Itachi blätterte um, wobei er Madara für einen Moment einen unfreundlichen Blick zuwerfen konnte. Es war schon erniedrigend genug, dass es etwas so Elementares gab, das er nicht konnte und Madara schon. „Dann hast du ja Glück, dass die ganze Theorie damit in sich zusammenfällt.“ Madara schnaubte und warf eine neue Tablette ins Glas. Plopp. „Von wegen. Du hast es falsch erklärt.“ Itachi tauchte kurz über seiner Zeitung auf. Es war nicht völlig aus der Luft gegriffen, ihn als Rechthaber zu bezeichnen. „Und du gehst es falsch an. Wer hat je gesagt, dass Sex in der Küche toll ist? Es ist unhygienisch, man isst in Küchen und–“ „Man isst auch im Wohnzimmer. Und, hat dich das je aufgehalten?“ Itachi hatte die Zeitungsbarriere schnell wieder hochgezogen. Nur noch ein bisschen, und Madaras Ego stieß sich hier den Kopf, doch ihm das zu sagen, hätte nur einen dreckigen Witz provoziert. Dabei wäre die richtige Frage, ob es irgendetwas gab, das Madara aufhalten konnte. „Das ist nicht dasselbe wie eine Küche, dort lagert man–“ „Ist das nicht praktisch? Alles in Reichweite.“ „Warum hast du nicht begriffen, dass man andere nicht unterbricht?“ Itachi versuchte, Madara zur Strafe vor’s Schienenbein zu treten, doch dieser hatte sich inzwischen erhoben und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tischrand ab. Itachis Magen machte einen nervösen Satz, und er wünschte sich, die Zeitung wäre dicker. Es kam ihm vor, als könnte Madara mühelos hindurch in seinen Kopf sehen. „So haben wir nicht gewettet. Deine chauvinistische These ist überholt und dämlich, aber alle Welt hat immer noch Sex in der Küche. Wenn du es nicht erklären kannst-“ „Ich würde lieber wissen, wohin die Socken in der Waschmaschine verschwinden, warum widmest du dich nicht stattdessen diesem Problem?“ „Du hast mich unterbrochen. Und warum sollte ich runter in den Wäschekeller, wenn ich keine Garantie habe, dass dir wieder eine Spinne in den Kragen kriecht und du kreischend dein T-Shirt ausziehst und im Quadrat springst?“ Itachis Finger pressten die Enden der Zeitung zusammen. Die aktuelle Kommunikationsstörung zwischen ihnen – sie waren einfach unfähig, ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Die Zeiten waren im Wandel, Frauen gehörten nicht mehr in die Küche und Sprachnot nicht mehr in den Pauperismus. Man ersetzte lediglich den Gebrauch von Volksliedern durch flapsige Sprüche und Zeitungen. Und durch Brausetabletten, die einem in der Nase juckten. „Wie schade. Du kannst gern Konan fragen, und sie wird dir sicher erklären, welcher frühzeitliche Mechanismus Jagen, Sammeln und Sex verknüpft.“ „Nimm die Scheißzeitung runter. Ich will das jetzt wissen und nicht irgendwann.“ „Ruf’ sie eben an.“ Die Spitze von Madaras Brotmesser bohrte sich durch die bewegende Ansprache des Pflichtverteidigers eines Steuerhinterziehers und zerfetzte den Schlussappell. Die Klinge stoppte weit genug vor Itachis Nase, doch angesichts eines Abstands von drei Zentimetern fuhr dieser trotzdem zusammen. „Ich rufe niemanden an.“, betonte Madara mit Würde und zog sein Messer wieder aus dem Papier, während Itachi ihn wütend anstarrte. So konnte man Kommunikationsstörungen auch lösen, was für ein Genie. Can’t you hear that wind howl? You better come on in my kitchen, baby It’s goin’ to be rainin’ outdoors Itachi hatte mit etwas Spektakulärem gerechnet – stattdessen fing Madara an, die Reste des Abendessens sowie das Geschirr auf der Anrichte zu stapeln, sodass man es schon beim Anschauen scheppern hörte. Verblüfft ließ Itachi seine lädierte Zeitung sinken. Madara räumte ungern den Tisch ab, genauso wie er ungern das Geschirr spülte und ungern den Kühlschrank sauber machte. Wie jeder Normalsterbliche. Nun ja, präzise räumte er auch nicht ab, sondern um. „Was tust du da?“ Madara zuckte mit den Schultern und stellte die Gläser ineinander. „Hey, wir brauchen einen freien Tisch. Es sei denn, du willst es auf dem Herd treiben.“ Eins, zwei, drei, das konnte nur heißen, dass Madara seine periodischen fünf Minuten hatte... Itachi zog mechanisch seinen Zeitungsschild wieder hoch. „Bitte...“ „Es ist ein Gasherd, du würdest es überstehen.“ Durch den kleinen Schlitz im Zeitungspapier konnte Itachi verfolgen, wie sich der Tisch allmählich leerte. Sein Magen machte inzwischen einen nervösen Salto, und es gelang ihm nicht, sich auf die Worte zu konzentrieren. Dieses Klischee... Niemand konnte annehmen, dass es etwas Anderes als unhygienisch und primitiv war. In der Küche wurde gegessen, um Himmels willen, das war widerlich! Als gut erzogener junger Mann ließ man das nicht zu! Es war Sonntag, von irgendwoher sah bestimmt noch Gott zu! Entschlossen faltete Itachi seine Zeitung – oder eher knüllte sie – zusammen und stand auf, sodass sein Stuhl quietschend über den Küchenboden schlitterte. Das Glas mit der Überdosis von Brausetabletten stand immer noch da, weil Madara es vermutlich ungern anfasste, gut. Zur Küchentür waren es nur wenige Meter. Itachi marschierte los. Madaras flache Hand klatschte so laut gegen den Türrahmen, dass Itachis Ohren kurz summten. Der Arm des anderen blockierte den Durchgang genau drei Zentimeter vor Itachis Nase, und allmählich wollte er gar nicht mehr wissen, wie Madara das so akkurat hinbekam. „Lass mich. Ich bin müde, ich habe Kopfschmerzen, und ich muss morgen früh raus.“ “Ich hab’ noch gar nichts gesagt.”, erwiderte Madara grinsend und zog Itachis Kopf an seinem Zopf in den Nacken. Itachi zischte leise, und seine Kopfhaut begann zu pochen. Ungnädig schürzte er die Lippen und versuchte, Madaras Hand zu lösen oder wenigstens zu lockern. „Lass mich los. Nicht in der Küche, verdammt, wieso verstehst du das nicht?“ „Immerhin habe ich dich schon so weit, dass ‚überall, außer in der Küche’ okay ist.“, merkte Madara grinsend an und betrachtete nonchalant die Fingernägel seiner abgestützten Hand, während Itachi sich wand und sich fühlte wie ein verhinderter Limbotänzer. Jetzt seufzte er dramatisch. „Meinetwegen. Überall, außer in der Küche. Und lass los!” Eigentlich ging es nicht an, dass Madara das ablehnte. Obwohl die Sache mit John Wayne ein wenig dazu beigetragen hatte, Itachis frigiden Kern anzutauen, überließ er es meist Madara, etwas ins Rollen zu bringen. Getreu dem Spruch, dass Frauen einen Grund für Sex brauchten und Männer nur einen Ort. „Nein.“ Itachi fror buchstäblich ein. Nicht nur, dass er sich gerade selbst als Frau bezeichnet hatte, Madara hatte es auch gewagt, diese dämliche Küchentheorie zu verteidigen. Er wollte das wirklich herausfinden. Itachi brauchte keine überbordende Fantasie, um sich zu erschließen, was das bedeutete. Seine Gedanken rasten, und sein Magen rutschte vor... Nervosität nach unten. Zumindest hoffte er, dass es Nervosität war, im besten Fall gepaart mit Ekel. „Du kannst nicht einfach-“ Ein zweites Mal erinnerte Madara ihn daran, dass er sehr wohl konnte und überdies so mancher Kommunikationsstörung auswich. Verlockend unsanft presste Madara die Lippen auf seine, die noch leicht geöffnet von dem Protest waren. Surrealerweise bildete ein Teil von Itachis Verstand trotzdem noch die möglichen Erwiderungen, als müsste er dieses belanglose Gespräch im Geiste weiterspinnen. Als würde er sich in diese Prozeduren, die ihn eigentlich nur ärgerten, flüchten. Itachi widerstrebte der Gedanke, er könnte vor Madara flüchten wollen. Dessen Haar war so pieksig und ungefällig wie er selbst, als Itachi die Arme um Madaras Nacken schlang und diesem erlaubte, ihn von der Tür wegzuziehen. Winter time’s comin’, it's goin’ to be slow You can make the winter, babe, that's dry long so Das heilige Sakrament der Kirche. Küche. Was auch immer. Die nur minimal abgerundete Kante des Esstisches bohrte sich schmerzhaft in Itachis Nierengegend, und die Kacheln des Raumes drehten sich vor seinen Augen wie ein Karussell. Wie Funken aus einer Wunderkerze schossen ihm Gedanken durch den Kopf – dieses Brauseglas stand immer noch da, das war der Küchentisch, igitt, und verdammt noch mal, er konnte sich nicht entspannen, solange die Küchentür offen stand! Die Wohnung war klein und die Haustür mit dem elenden Briefschlitz gefährlich nahe. Itachi wusste inzwischen, was er von seinem Glück zu erwarten hatte. Seine Finger hatten sich zu fest in Madaras Nacken verflochten, um sie leicht zu lösen. Itachi stolperte rückwärts und schob den Tisch quietschend ein paar Zentimeter über die Fliesen. Um das Gleichgewicht zu halten, zog er den Kopf ein, und Madaras Zähne schrammten über seine Unterlippe. Ein gezielter, stechender Schmerz durchzuckte Itachi, gefolgt von einem widerwärtigen Geschmack nach alten Centstücken. Madara schluckte das Blut, mit dem er in Kontakt gekommen war, kommentarlos herunter und ließ Itachi los, der sich wie betäubt gegen den Tisch lehnte. Es war ein ungeschriebenes Gesetz – keiner von ihnen mochte Schmerz, aber Itachi verabscheute Blut. Besonders den Geschmack. Und genau deshalb holte er ohne zu Überlegen aus und ohrfeigte Madara. Dieser hatte nicht mal die Pietät, so zu tun, als hätte es wehgetan. Stattdessen machte er einen Schritt zur Seite und nahm die Küchenrolle vom Dach des Kühlschranks, wo nur er hinkam, weil Itachi zu klein war. Er riss ein Stück ab und fing an, selbem die blutende Unterlippe abzutupfen. Dies alles geschah mit einer so effizienten, schnellen Selbstverständlichkeit, dass Itachi nichts einfiel, was er ihm an den Kopf hätte werfen können. Vollends aus dem Konzept gebracht, ließ er die Säuberung zu und stellte verärgert fest, dass er errötet war. Es war ein Stimmungskiller. Nur leider fühlte es sich nicht wie einer an. Denn Madara – und das wusste er inzwischen – liebte es, wenn er errötete. The woman I love, took from my best friend Some joker got lucky, stole her back again Für mehrere Sekunden lehnten sie sich nur atemlos gegen den Küchentisch und Itachi wartete, dass das Gefühl schmerzhafter Hitze in seiner Unterlippe abklang. Die Hitze, die nach wie vor seinen Körper durchflutete, würde nicht auf so friedliche Weise verschwinden, das wusste er. Denn obwohl er Madara vor etwa zwanzig Sekunden erst geohrfeigt hatte, berührten sich ihre Fingerspitzen, die auf den Tisch gestützt waren. Nach einer Weile rieb Madara sich seine malträtierte Wange, die dank Itachis Fassungslosigkeit und dem deshalb schlechten Schlag nicht anschwoll. „Ich hatte mir das einfacher vorgestellt.“ Itachi schnaubte gereizt. „Natürlich.“ „Die Ergründung des Erotikterritoriums Küche scheint viel komplexer zu sein als im Fernsehen.“ „Richtig.“ „Wir müssen das ganz anders angehen.“ „Mhm.“, machte Itachi und begriff erst im Nachhinein, dass er sich damit als Versuchsobjekt zur Verfügung stellte. Schlimmer noch, dass man das nicht als Versehen bezeichnen konnte. Madara rieb sich nachdenklich das Kinn, und Itachi folgte der Bewegung aus den Augenwinkeln. Das Zwicken in seiner Unterlippe war weit in den Hintergrund getreten, ebenso wie der Nachgeschmack von Blut. Er fand die unaufgeräumte Küche um sie immer noch nicht im Mindesten anziehend, aber Madara konnte so einiges vergessen machen. Nicht alles, wenn sein Blick jetzt zum Kühlschrank irrte. „Nein, nicht diese Sauerei mit der Sprühsahne!“, wehrte Itachi energisch ab. „Wie kommst du darauf, dass ich Sprühsahne wollte? Wir haben noch die Tabascosauce, wenn du die auf deine Lippe bekommst-“ „Du hast mich gebissen!“ „Wenn du auch zu... Nein.“ Unvermittelt hielt Madara inne, und die schroffen Wangenknochen traten stärker hervor, als er alles herunterschluckte, was er im Mund hatte, inklusive der hämischen Bemerkung. Seine Wange war immer noch ein wenig gerötet und ließ sein Gesicht auf einer Seite weniger kantig wirken, ohne dabei in irgendeiner Art den bestimmten Ausdruck aufzuweichen. Zum Glück, wie Itachi fand. Seit dem Zwischenfall mit dem Grapefruitwein hatte er entdeckt, dass er hin und wieder dazu neigte, seine eigene, ovale Gesichtsform und seine delikaten Wangenknochen zu betrachten und verstohlen zu wünschen, dass sie mehr von Madara hatten. Auch das noch. „Können wir die Sache mit der Küche jetzt vergessen und meinetwegen-“ „Halt die Klappe.“ Madaras Ton war so endgültig und unerbittlich autoritär, dass Itachi tatsächlich verstummte. Vielleicht auch, weil er die Hoffnung hegte, heute könnte noch irgendetwas zwischen ihnen passieren und den Sonntagabend auflockern. Unnötig zu sagen, die ganze Chose mit der Müdigkeit und den Kopfschmerzen war gelogen gewesen. Madara ließ den Tisch los, wobei seine Hand flüchtig Itachis Fingerspitzen streifte, und ließ sich neben dem Tischbein auf den gefliesten Boden sinken. Der auch mal wieder geschrubbt werden musste. Als Itachi sich deswegen nicht hinsetzte, kniff Madara ihn in die Kniekehlen, woraufhin Itachi ein leises Quieken ausstieß und unsanft auf’s Steißbein knallte. Wie schön, dass Madara heute in der Laune war, ihm Schmerzen zuzufügen und seine gottgegebene Hypersensibilität auszunutzen. Madaras Hand grub sich in Itachis Seite, wo sich die Nägel unangenehm zwischen seine Rippen bohrten und sein Herzschlag kurz ins Stolpern kam. Als sie sich küssten, mit derselben Ungeschicklichkeit wie vorhin und ebenso ungestüm, als läge kein Gerangel und Geplänkel dazwischen, spannte sich die Tischplatte über ihnen wie ein natürlicher Baldachin. You better come on in my kitchen babe, It’s goin’ to be rainin’ outdoors Itachi konnte es gar nicht leugnen – es regte seine Fantasie an. Unter dem Tisch tat man immer die verbotenen Sachen. Man warf den Spinat runter, schrieb SMS, machte obszöne Gesten oder füßelte mit dem Sitznachbarn. Aber dass man mit diesem gleich ganz unter dem Möbelstück verschwand, war neu und sexier als die idiotische Idee, sich auf den Gasherd zu setzen. Diesmal registrierte er kaum, wie das Tischbein gegen seinen Rücken drückte und Madara einem der Stühle einen Tritt verpasste, woraufhin dieser schlitternd gegen den Kühlschrank prallte. Trotz dieses Krachs war Itachi der Einzige, der jeden von Madaras hektischen Atemzügen hören konnte. Der einzige, dem der minimale Temperaturunterschied von Madaras Wangen auffiel, als er seine Hände darauf legte. Der Kuss, der nicht abzureißen schien, brannte auf seinen Lippen und verhinderte so etwas wie Reue. Ungelenk tastete Itachis Hand über die Fliesen und ballte sich im Stoff von Madaras Hemd zusammen. Im zaghaften Frühling schon Poloshirts zu tragen, konnte man bestenfalls optimistisch nennen, doch sie waren erfreulich simpel zusammengebaut und erzeugten ein elektrisches Knistern, als sie mit Madaras Haar in Kontakt kamen. Zerstreut schon Itachi es unter sich, um von dem ungeschrubbten Küchenboden wegzukommen – etwas, das Madara zu irritierend tiefem und höchst unzüchtigem Gekicher verleitete. Itachi selbst lächelte ebenso. Oh yeah, das war der wahre Kick – nicht die Küche, sondern der Tisch. Berauscht von seiner neuerwachten Begeisterung für diese Sache und Madara ohne sein blödes, mintgrünes Polohemd – bei seinem schlechten Modegeschmack war er mindestens bi – wagte er es nun, beide Hände gleichzeitig zu bewegen. Seine Handballen begannen zu kribbeln, als sie die vielen Stellen streiften, an denen Madara sich in letzter Zeit wehgetan hatte, denn auch Motorradfahren war kein angeborenes Talent und forderte viele blaue Flecken. Itachi war von sich selbst erstaunt, wie gut es ihm gelang, diese hässlichen Verfärbungen zu ignorieren und sich darauf zu konzentrieren, ihnen auszuweichen. Es war... seltsam, denn noch während er den Hinterkopf gegen die spitze Kante des Tischbeins sinken ließ und Madaras raue Küsse von ebenso rauen Lippen genoss, war er absolut sicher, dass er sich nie gemerkt hatte, wo Madara überall Blutergüsse hatte. Dennoch ging er ganz in dem lustvollen Gefühl auf, dessen Haut zu berühren und ihn leise keuchen zu hören. Es war, als hätten sie zum ersten Mal etwas wie Synchronisation erreicht, eine erste Version des Aufeinandereingehens... Madara zuckte zusammen und kniff die Augen zusammen, die rebellischen Strähnen seines schwer zu bestimmenden Scheitels kitzelten Itachis Hals. Für einen Moment glaubte Itachi, er hätte doch einen der Einläufe erwischt, bis ihm klar wurde – und zu seiner Frustration errötete er umso mehr – dass er keineswegs dorthin geraten war, sondern er die Hand auf geradezu schamlose Weise in Madaras Schoß gelegt hatte. Die Härte, auf die er dort traf, erzeugte gleichermaßen Verlegenheit und Erregung in ihm. Trotzdem genierte er sich zu sehr, um dort anzusetzen. Das war zumindest, bevor Madara ihn ruckartig zu sich zog und an sich presste, sodass Itachis ganzer Arm zwischen ihnen eingeklemmt wurde und er auf abrupte, hitzige Weise von einer Woge des Wohlgefühls überschwemmt wurde. Ein Teil von ihm, und er hatte keine Ahnung, wie viel vom Ganzen er ausmachte, zog zudem ein unheimliches Vergnügen aus diesem anrüchigen Verhalten. Itachi spannte kurz die Lippen zusammen und löste sie schnell wieder, als ein stechendes Zwicken ihn an die minimale Verletzung erinnerte. Auf diese Weise hörte er sich selbst ein fast melodisches Stöhnen hervorstoßen. Madaras Hände hatten zuvor den Saum von Itachis T-Shirt nach oben geschoben, und ihm wurde klar, dass es auf diese Weise nur noch ein wahrnehmbares Hindernis dafür gab, wie interessant Madara diese ganze Küchensextheorie genau fand. „Ich hatte gerade... eine geniale Idee.“, verkündete dieser unvermittelt, in einem unpassend schnurrenden Tonfall. Die einzige geniale Idee, an die Itachi derzeit denken konnte, war dass Madara etwas gegen dieses letzte Hindernis in Form seiner Jeans tat. Und ja, das sollte er selbst tun. „Hmm?“, machte er unbestimmt und versuchte halbherzig, die wirren Strähnen seines eigenen Haars mit der freien Hand aus seinen Augen zu wischen. Seine Finger zitterten und bewegten sich unkoordiniert, und er begann, die sexuelle Reizüberflutung als unangenehm zu empfinden. Es war allmählich zu viel. „Was würdest du sagen... wenn ich dich darauf aufmerksam mache, dass... die einzige greifbare Gleitsubstanz gerade... Sonnenblumenöl ist?“ Die Erwähnung dieses Umstands riss Itachi aus seiner quälenden Erwartung, überdies weckte es unerfreuliche Erinnerungen an Madaras Kompromisslosigkeit mit der Handcreme, trotz deren Einsatz es Itachi später ‚dreckig gegangen war’. „Kommt nicht in Frage!“, stieß er atemlos hervor und versuchte erfolglos, Madaras stählernen Griff zu lockern. Dass er sich dabei wand, trug nur dazu bei, das Glied des anderen mehr oder weniger unabsichtlich wieder zu berühren. Jedes Mal schoss ein kühler Schauer seinen ganzen Arm hinauf, und er nahm mit Genugtuung auf, dass er Madara gequält ächzen hörte. „Ich weiß.“ Leider war Madaras Grinsen fast ebenso akustisch hörbar. Itachi erbebte schwach, als dessen stockender Atem dabei über seinen Nacken strich. „Sei mir dankbar.“ Mmm... you better come on in my kitchen babe, It’s goin to be rainin’ outdoors “Das ist… nicht dein Ernst.” „Je nach Definition ist es kein Sex. Und tut nicht weh.“ Itachi warf Madara einen bohrenden Blick zu, der sich schlecht mit seinen geröteten Wangen und verschleierten Augen vertrug. „Bei dir tut alles weh.“ Als einzige Erwiderung öffnete Madara seine feuchten Lippen und ließ seine bewundernswert bewegliche Zunge über Itachis Ohrmuschel gleiten. Itachi seufzte schon bei dem Gedanken, was dieser begabte Muskel noch so tun könnte... Nicht, dass sie das je ausprobiert hatten. Jedenfalls nicht miteinander. „Du hast gar keine Wahl.“, fügte Madara mit kaum verhohlener Zufriedenheit hinzu, obwohl sich ein ungeduldiger Unterton eingeschlichen hatte. Obwohl er seinen Atemrhythmus zurückgewonnen hatte, konnte Itachi nicht umhin, das Vibrato seiner Stimme verstohlen zu genießen. Hatte er eigentlich keine Wahl? Er konnte immer noch versuchen, seinen Stolz zu retten und... das würde er eh nicht tun. Schon wieder so ein unverblümter Angriff auf seinen frigiden Kern – warum akzeptierte Madara diesen Teil von ihm überhaupt nicht, war Akzeptanz nicht sonst das Gebot der Stunde?! Nicht die Sonntagabendstunde, offensichtlich. Itachi schlug die Beine unter und musterte Madara zweifelnd. Es war ihm schon peinlich, bevor er angefangen hatte, und außerdem hatte er geglaubt, dass dies in perverse Highschool-Schmuddelmärchen gehörte. Wohl nicht. Zögernd und darauf bedacht, keinen Blickkontakt mit Madara zu halten, streckte Itachi seine weiterhin zitternde Hand aus und öffnete ungeschickt dessen Jeans. Jemanden zu berühren, während dieser tatenlos dabei zusah, war eine neue und aufregende Erfahrung, doch nichts von beidem musste eindeutig positiv sein. Genauer gesagt hatte er nicht mal eine Ahnung, wie er am besten anfing. Mit glühenden Wangen umfasste er Madaras Glied, eine so übertrieben vorsichtige Berührung, als sei auch dieser Teil seines Körpers voller blauer Flecken. Wollte Itachi nicht gehofft haben. Madara grinste nicht mehr, noch verzog er generell keine Miene. Nichts in seinem Verhalten ließ ahnen, ob er diese Situation genauso befremdlich fand wie Itachi, mit der Mona Lisa konnte man einen hormonbesessenen jungen Mann mit einer Haarmähne wie ein Brombeergestrüpp allerdings jetzt nicht vergleichen. Dann keuchte er. Itachi erschrak beinahe, aber auch nur beinahe. Die Hitze in seinen Wangen breitete sich in seinem gesamten Körper aus und ermutigte ihn dazu, etwas weniger behutsam vorzugehen. Er ließ seine kurzen Fingernägel über die Unterseite der Erregung fahren und spürte das warme Pulsieren von Blut, wie es rauschte, seinem so ähnlich. Und er ertrank in Madaras Stimme, wenngleich er es immer noch nicht fertig brachte, ihn direkt anzusehen, die ihn mit keinem Wort lobte oder antrieb, sondern nur ausdrückte, dass es ihm gefiel. Itachi lächelte, und das Nächste, was er wahrnahm, während der Raum sich um ihn drehte, war wie Madaras etwas größerer, heißer Körper ihn erneut gegen das Tischbein presste, mit diesmal deutlich mehr Kraft. Itachi bemerkte nicht einmal, wie unbequem das war, und in seinem Kopf herrschte wohltuende Sprachlosigkeit, als er Madaras Kuss nachlässig und mit mehr besinnungsloser Intensität als mit Raffinesse erwiderte. Geistesgegenwärtig zog Itachi seine Unterschenkel unter dem Körper hervor und stemmte beide Knie in den Boden, wobei sein Kopf bereits die Unterseite der Tischplatte berührte. Er zog Madara zwischen seine leicht gespreizten Beine und ermöglichte ihnen so erneuten Kontakt – Itachi wusste nicht, ob er sich einbildete, dass es auf diese Art inniger war. Madaras kräftige Hand schob sich unter den Bund von Itachis immer noch verschlossener Hose und umfasste dort seine Erregung. Trotz aller Sicherheit war auch Madaras Griff fahrig und unstet, trotzdem gelang es ihm, Itachi leise, flehentliche Laute zu entlocken, die sonst nie jemand hören würde. Itachi kniff die Augen zusammen und schlang die Arme um Madaras Nacken, während er sich an ihm rieb, unkoordiniert, zügellos und absolut lüstern. Alles, wofür er sich bei vollem Verstand geschämt hätte. Als Madara ihn besonders heftig gegen das Tischbein stieß, kippte das Brauseglas herunter und zerbrach klirrend, doch wenn auch etwas in ihre Richtung spritzte, bekam nur Madaras Rücken es ab. Die hölzernen Beine quietschten auf den Fliesen und die Kanten hinterließen rote Druckstellen auf Itachis Rücken, dennoch war das Einzige, woran er denken konnte... nichts. Außer vielleicht Madara. Ein bisschen. Ganz wenig. „Mad-ah-ra!“ Vielleicht auch ein bisschen wenig mehr, Itachi war es gleich. Es machte den Sinn, dass Madara daraufhin seine Anstrengungen, ihn zu befriedigen, erhöhte. Seine Zähne schabten erneut und vermutlich versehentlich über die notdürftig verschorfte Stelle an Itachis Lippe und brachten sie erneut schwach zum Bluten, aber dieser konnte sich einfach nicht dazu zwingen, es zu bemerken. Ein weiterer Stoß, und seine Welt stülpte sich nach innen. Itachis Wahrnehmung hatte sich für einen Moment ausgeschaltet, als er von Lustgefühlen überwältigt wurde. Als er wieder zu sich kam, war er gegen das Tischbein gesunken und seine Hose wurde von einem anzüglichen nassen Fleck verunstaltet, der ihm unbeschreiblich egal war. Madara wälzte sich schwerfällig herum und ließ sich auf ihn fallen, legte den Hinterkopf auf Itachis Brust ab. Es erschwerte das ohnehin rasselnde Atmen, doch Itachi beschwerte sich nicht, die Wellen vom Genuss seines Orgasmus nahmen ihn völlig in Anspruch. Abwesend fuhr er sich über die schweißnasse Stirn und ließ seine Hand dann in Madaras widerspenstiges Haar fallen. Die Augen des anderen starrten auf irgendeinen unbestimmbaren Punkt, viel zu zufrieden, um etwas sehen zu wollen. Itachi starrte auf die Scherben und die orangerote, prickelnde Lache der Brause und fragte sich, wie es dazu wieder gekommen war, ohne eine Antwort zu wollen. Heute war doch Sonntag. „... nicht ganz so schlimm, hm. Passt das durch dieses Dings da, hm?“ „Man nennt es Briefschlitz, Deidara.“ „Steck rein das Teil, aber bitte mit Gefühl, hm.“ „Jemand sollte dir wirklich mal sagen, wie oft du in deinem ganzen Leben lustig warst. Momentan haben wir wieder ein Tief.“ „Und die Einbrecher, hm? Bei dem Radau da drinnen, hm...“ „Da sind keine Einbrecher. Sie haben die Trittleiter vom Tapezieren einfach nicht weggeräumt, und Madara ist zu dämlich, um vor die Füße zu gucken.“ Madara drehte den Kopf, wobei seine Wange auf Itachis hämmerndem Herzen lag. „Halt’s Maul, Sasori!“ … Vielleicht hatten sie das mit der Küche noch nicht ganz drauf. Sie sollten besser noch üben. Winter time’s comin’, it's goin’ to be slow You can make the winter, babe, that's dry long so You better come on in my kitchen baby, It’s goin’ to be rainin’ outdoors... fin Kapitel 9: Everyday I Write The Book ------------------------------------ Everyday I Write The Book Untertitel: Auch Bomben platzen mal Nach kreativer Flaute habe ich endlich das passende Lied für mein Szenario, als solches ‚Everyday I Write The Book’ aus 1983 von Elvis Costello, und ihr dürft alle gern mäkeln, dass das Video doof ist. Enjoy! Nicht, dass hier wer desozialisierte. Itachi war sich nicht sicher, ob es das Wort überhaupt gab, er hatte nur die Ahnung, wie das ging. Oder dass es ging. Er war eigentlich völlig glücklich damit, unsozial zu sein. Er brauchte kein Clubbing am Samstagabend und keine nachmittäglichen Touren durch Spielhallen, er musste nicht mal Essen gehen. Es reichte, wenn er seine Mittagspausen mit Kisame verbrachte, nach ein paar Gläsern Sangria dazu zu überreden war, mit den anderen Dance-Dance-Revolution zu spielen (oder in ganz verwegenen Fällen auch Twister, aber das war eine wirklich feuchtfröhliche Gelegenheit gewesen). Und was seine Abendunterhaltung betraf… Da ging ja keinen etwas an. Da er allerdings dieselbe Schule besucht hatte wie die Personen, von denen er nicht wusste, ob man manche von ihnen allein auf der Basis der langen Zeitspanne, die man sie kannte, als Freunde bezeichnen konnte, war er gezwungen, sich hier und da blicken zu lassen. Nicht, dass es so schrecklich war, meistens war das ganz lustig. Doch an jenem Abend, und auch schon am gleichen Tag, hatte Itachi einen Knoten im Magen. Nicht, dass er Scheu vor den anderen hatte oder sich in ihrer Gegenwart nicht mehr wohl fühlte. Oder was hieß ‚wohl‘… Es fühlte sich nicht richtig an, so unverständlich es auch war. Dass es so war, fiel ihm allerdings erst auf, als er neben Sasori den Bürgersteig entlang schlenderte. Heute waren sie zum Einkaufen verdammt worden, und das nicht etwa, weil sie die kürzesten Streichhölzer gezogen hatten, über so primitive Auswahlverfahren war dieser eingeschworene Kreis von Intellektuellen ja längst hinweg. Sasori und er waren einfach die Kürzesten. Dumm gelaufen. Itachi fand das nicht allzu dramatisch. Wenn er die Hälfte der Einkäufe erledigte, konnte er auch unbemerkt ein paar Süßigkeiten mitschmuggeln. Er hätte sofort bestritten, primitive Freuden zu haben, dennoch freute er sich auf die Blaubeer-Marshmallows in seiner Plastiktüte. Es war ein erstaunlich lauer Märzabend, eher noch später Nachmittag. Die beiden hatten den kleinen Supermarkt verlassen, jeder jeweils beladen mit zwei großen Plastiktüten, deren kuriose Zusammenstellung befremdlich war, aber so war das, wenn man sich länger kannte und einfach wusste, was gebraucht wurde. Das zeichnete Freundschaft aus, nahm Itachi an, der auch nach Jahren immer noch nicht der Meinung war, dass Hidan und er befreundet waren. Na, trotzdem ein ganz nettes Gefühl. Das Wetter war gut, wenn auch nicht übermäßig warm, Itachi freute sich auf das Essen, und er freute sich darauf, in Kisames Wohnung zurückzukehren und sich irgendwie die Zeit zu vertreiben. Samstagabend, alles so weit okay. Sasori beachtete ihn nicht. Itachi konnte damit leben, nicht beachtet zu werden, und wenn er vor einer Fußgängerampel wartete, brauchte er auch keine Aufmerksamkeit. Es war auch nicht der Fakt, dass Sasori ihn nicht beachtete, der ihn aufbrachte, sondern der Fakt, wen oder was Sasori so sehr beachtete, dass er sonst alles um sich herum nicht mal wahrnahm. Sein Handy. Sasori war kein typischer Handy-Junkie, technische Errungenschaften waren nur dazu da, von ihm repariert oder kaputt gemacht zu werden (es gab keine gewisse Korrelation zu diesen beiden Zuständen, ein sorgfältiges Gleichgewicht von Yin und Yang). Und er spielte ja auch nicht Pinball oder sonstig stupide Spiele, sondern schrieb konzentriert SMS. An und für sich war es ein drolliger Anblick – Sasori war ein abgebrochener Meter, er war sogar eine Handbreit kleiner als Itachi, und nur sein zerzaustes, signalrotes Haar bewahrte ihn davor, ständig umgerannt zu werden. In einer Hand hielt er beide Tüten, die bedrohlich schaukelten wie Abrissbirnen und jedem Schienenbein auf Konfrontationskurs einen blauen Fleck verpassten, Sasori hatte die Bierdosen strategisch günstig platziert. Ab und zu wechselte er die Tragehand und schrieb mit der frei gewordenen Hand weiter. Er als selbsterklärter Künstler war flexibel. Itachi konnte damit leben. Aus Langeweile linste er Sasori hin und wieder über die Schulter, was aufgrund dessen homöopathischer Körpergröße nicht allzu schwer war. Er fragte sich, wie man per SMS eine Debatte über Kamikaze führen konnte, und fand keine Antwort. Nicht, dass das Thema so speziell, so kompliziert war. Aber wie konnte man überhaupt? Und wie konnte man sich mit so unerschöpflicher Energie streiten? Und das ohne böse Wörter… Wenigstens begriff Itachi an diesem lauschigen Samstagabend an der Fußgängerampel, während er auf Grün wartete, dass mit seinem Magen alles in Ordnung war. Es war nur das, was ihm fehlte. Die Konfrontation mit dem Ebenbürtigen auf allen Ebenen. Sasori und Orochimaru konnten sich zwar wechselseitig nicht ausstehen, doch sie waren dem anderen in jeder Beziehung gewachsen (mit Ausnahme der Körpergröße, denn Orochimaru war knapp einen Kopf größer und vergaß das nie). Sie konnten sich auf Augenhöhe begegnen, sich miteinander messen, und all ihre Kontakte wurden auf verbaler Ebene ausgetragen. Womit sie so ziemlich das krasse Gegenteil von Itachi und Madara waren. Und damit war nicht gemeint, dass Madara größer war. Sie waren auch völlig unterschiedlich voneinander, sie teilten nur wenige Interessen. Sie agierten nur auf physischer Ebene. Ihre räumliche Distanz war klein, die zwischenmenschliche immens. Sollte heißen: Kein Augenkontakt, nur Sex. Sogar, wenn Madara ihn anrief, siehe diese Episode im Zug! Und das war eine… „… beschissene Fickbeziehung.“ Das Klischee wäre gewesen, dass Sasori Itachi befremdet anstarrte. Doch Sasori neigte nicht zu solchen Ausbrüchen, und er riss auch keine Witze. Man sollte meinen, dass er überhaupt keine Themen außer Kunst hatte, doch das war ein brachialer Irrtum. Kunst war nur das einzige Thema, bei denen er anderen eine abweichende Meinung gestattete und sich deshalb auf Diskussionen einließ. Alles Weitere… war der Kram, wegen dem Orochimaru seine Brille auf dem Nasenbein balancierte, bis man irgendwann den Augenkontakt zugunsten des Erlebnisses, sie herunterfallen zu sehen, abbrach. Und dann hatte er gewonnen. Sasori war der einzige, der gegen diesen Drang ankämpfen konnte. „Du bist erstaunlich, Itachi.“ „Gib mir einfach deine Tüten.“ Even in a perfect world where everyone was equal I'd still own the film rights and be working on the sequel Madara kam zu solchen ‘Events’ nicht, es sei denn, es handelte sich um Großereignisse wie Konans Geburtstag. Er hatte andere Freunde, und seine Art, Menschen als Freunde zu behandeln, unterschied sich gänzlich von Itachis – er führte Freundschaften wie Feindschaften mit großer Leidenschaft aus und vergab beides nur an solche, denen er wirklich Gefühle entgegenbrachte, Zeit bedeutete ihm nichts. Soweit Itachi wusste, hatte seine legendäre Feindschaft zu Hashirama sich binnen weniger Sekunden entwickelt, gerüchteweise, weil der andere ihn in der Mittelschule beim Baseball für „out“ erklärt hatte, obwohl Madara seiner Meinung nach noch rechtzeitig in die Base hineingeschlittert war. War natürlich nicht so leicht, wenn der Spieler die Pylone dabei umriss und einfach behauptete, dass er „safe“ gewesen war. Madara mochte es nicht, wenn man seinem Dickkopf nicht nachgab. Heute jedoch überraschte er Itachi. Sein blödes Motorrad stand auf dem Parkplatz, und er würde es sicher nirgendwo stehen lassen, wo er nicht in der Nähe war. Vielleicht hatte er sich erinnert, dass Kisame am Achtzehnten Geburtstag gehabt hatte. Besser spät als nie, war ja erst eine Woche her. … Madara war vielleicht nicht der größte Arsch unter der Sonne, aber einer von denen, die zu gut damit durchkamen. Sasori schob sein Handy wieder zu und rieb sich sein streichholzkurzes Haar. Itachi fragte sich, ob es schon immer so kurz gewesen war. Vielleicht desozialisierte er wirklich. Und die einzige Bremse war der dumme Briefschlitz. „Was ist?“ Sasori lehnte sich gegen die Klingel. Itachi kannte das Modell mittlerweile unangenehm genau, es hatte einst fast dafür gesorgt, dass er beim dümmsten Klingelstreich der Welt erwischt wurde. Einst, vor… knapp einem Vierteljahr. War es wirklich schon so lange? Dann hatte Konan in einem Dreivierteljahr wieder Geburtstag. [1] Scheiße. „Ich gehe heute zu Fuß“, erwiderte Itachi mit einem nervösen Blick auf die Hornisse. Er bekam Bauchschmerzen, wenn er dieses knallgelbe Ungetüm nur sah. „The question, O me! so sad, recurring — What good amid these, O me, O life?”, zitierte Sasori statt einem banalen Signal, dass er das hingenommen hatte. Itachi kannte das Zitat, kannte den Dichter, er kannte sogar die Epoche. Es war nicht, dass ihm nichts darauf einfiel, er war durchaus geistreich. Und natürlich blieb immer noch das gute, alte ‚Was hat das damit zu tun?‘ als Notnagel. Aber er brummte nur: „Meinetwegen.“ When you find strange hands in your sweater When your dreamboat turns out to be a footnote I’m a man with a mission in two or three editions Kisames Wohnung bestand aus vier Zimmern, Bad, Küche, Schlafzimmer und der Allzweck-Arena. Einem Ort, dessen räumliche Erstreckung niemals so groß sein konnte, wie sie sein musste, deshalb evakuierte der Hausherr vorher alles, was noch wichtig war. Und wenn es hieß, dass alles in die Badewanne kam und irgendwie alles scheiße war. Itachi hatte heute die passende Laune, um mal derjenige zu sein, der mit der Kabeltrommel die Scheiben der Duschkabine zu zertrümmern versuchte. Eine wahre Meisterleistung, denn die Dusche hatte nur einen Vorhang, schon immer gehabt. Jetzt stellte er die Einkaufstüten in der Küche ab und schloss die Augen. War es wirklich zu spät, um Magenschmerzen vorzutäuschen oder nach Hause zu rennen, unter dem Vorwand, man habe den Herd an gelassen? Lächerlich. Was konnte ihm schon passieren? Er war keine Gesellschaft mehr gewöhnt, das war krank. Das war Samstagabend und nicht der Tag des Jüngsten Gerichts. Konan knallte eine Papptüte mit klirrendem Glas auf den kalten Herd in der Küche und grinste ihn an. „Heute machen wir einen drauf, okay?“ „Hörst du deine biologische Uhr ticken?“ Konan zuckte mit den Schultern und tolerierte die These, dass es überhaupt so etwas wie eine biologische Uhr gab, was sie sonst vehement bestritt. Solche Beobachtungen alarmierten Itachi von vornherein. „Ehrlich, sollten wir machen. Gegen den Frust des Alltags und um der alten Zeiten willen.“ „Und was soll Madara dann hier?“ Es hatte zu feindselig geklungen, und Konan warf Itachi einen fragenden Blick zu. Wahrscheinlich jonglierte sie innerlich schon mit dem Konter ‚Ich habe nicht gesagt, wie alt die Zeiten sein sollen‘, doch im letzten Moment überlegte sie es sich anders und kippte einen Schuss dunklen Traubensaft in den Porrón. Jemand musste sich die Mühe gemacht haben, das spitze Sangria-Gefäß mitzubringen, ohne die Hoffnung, dass es den Abend überlebte. „Man fängt an zu integrieren“, brummte Konan schließlich. Zur besonderen Stimmungsauflockerung hatte Deidara seine Kamera mitgebracht, verdammt sei diese Blondine. Und natürlich wurde keine Zeit verloren, sich unter lautem Johlen und brüllendem Gelächter die Aufnahmen von Konans letztem Geburtstag – und auch sonstigen Geburtstagen, wenn sie nur blamabel genug waren – zu Gemüte zu führen. Es gab Dinge, die ganz lustig waren, und die Dinge, die Itachi lieber nicht sehen wollte, zum Beispiel die Nahaufnahme von Peins verquollenem Gesicht, nachdem er den Ingwer gegessen und in Tränen ausgebrochen war. Und dann gab es die Dinge, die er absolut nicht sehen wollte, zum Beispiel, wie Madara ihn in den Simulator schubste oder wie sie zusammen die Toiletten verließen. Niemand sonst schien das zu bemerken, und Itachi fragte sich, ob Madara sich überhaupt erinnerte. Was zurück zu der Frage führte, was der Kerl hier eigentlich machte… Schon gut, sie hatten mal wieder nicht darüber gesprochen, doch das war kein Freifahrtsschein! Unnötig zu sagen, sie saßen nicht nebeneinander, also konnte Itachi auch nicht fragen. Nicht, dass es jemandem aufgefallen wäre, wenn sie nebeneinander saßen, schließlich verbrachten sie mehr oder weniger freiwillig den Großteil ihrer Zeit miteinander. Es war nur, dass Itachi nicht neben seinem Mitbewohner sitzen wollte, und es gab sowieso nichts zu bereden. Ausformuliert klang es viel lächerlicher, als wenn man es wirklich so empfand. Sasori klappte sein Handy wieder auf, dann tippte er mit flinken Fingern eine Nachricht, die sicherlich keine Smalltalkbegriffe mehr beinhaltete, nachdem er sich in eine Diskussion hineingesteigert hatte. Über Pop-Art, also nahm er seine Umgebung doch noch wahr. Itachi nahm den Porrón an, als er herumgereicht wurde. Absurd, aber vielleicht war er ja derjenige mit den Problemen, mit der biologischen Uhr, den Komplexen, oder was auch immer den Menschen bewegte, wenn Freud gerade nicht aufpasste. Auf dem Fernsehschirm wurde auf das zutiefst genervte Gesicht eines Taxifahrers gehalten, der auf den Bluff hereingefallen war. Es zog sofort eine heftige Lachsalve nach sich, und Itachi gestattete sich etwas Entspannung. Nur heute, ausnahmsweise, und solange keiner auf dem Tisch tanzte… Don’t tell me you don't know the difference Between a lover and a fighter With my pen and my electric typewriter Nachdem man fast zwanzig Mal zurückgespult hatte, wie Zetsu ‚Objection Tango‘ besser meisterte als Konan, schien sich die ganze Gesellschaft nur noch hüftschwingend und summend fortzubewegen. Der Abbau menschlicher Hemmungen war eine tolle Sache, und das Tollste, er geschah automatisch. Mehr oder minder. Itachi stellte fest, dass er wirklich betrunken sein musste, wenn er darüber lachen konnte, wie die von Deidara dokumentierten Schnappschüsse von Kisames Geburtstagsparty präsentiert wurden. Diese Filmaufnahmen waren ein Teufelskreis, denn jetzt, in diesem bewussten Moment, lief die Kamera auch, um die nächsten Bilder einzufangen. Es gab kein Ende und sowieso keine Zensur. Nur Spaß und Scham Hand in Hand… Und einen ziemlich festen Schlag auf den Rücken, der Itachi fast von der Couch fegte. „Du sahst aus, als müsstest du kotzen.“ Madara ließ sich neben ihn fallen, und Itachi sparte sich die Bemerkung, was für eine Beihilfe es gewesen wäre, ihm dann einen kräftigen Klaps zu verpassen. Er fühlte sich zu gelöst, um so etwas zu sagen. Bis vorhin hatte Sasori neben ihm gesessen, bis dieser, sein Handy zwischen den Zähnen, damit kein Blödsinn mit seinem Adressbuch angestellt wurde, auf Kisames Schultern gestiegen war, um die Gardinenstange abzumontieren, er hatte schließlich ruhige Finger. Die ursprüngliche Absicht des Limbotanzens wurde fallen gelassen, als ins öffentliche Bewusstsein rückte, dass die Gardine rot war und man sich damit wunderbar als Torero versuchen konnte. Vergaßen diese Menschen eigentlich, dass Deidaras Kamera einen gut aufgelösten Zoom hatte? „Mir ist nicht schlecht.“ Itachi bemerkte, dass seine Stimme weitaus langsamer war als seine Gedanken. Währenddessen ließ Kisame Sasori kopfüber baumeln, während Konan versuchte, ihm das Handy wegzunehmen. Die Nachbarn mussten bestochen oder betäubt worden sein. „Ich gehe zu Fuß nach Hause“, fügte Itachi hinzu, diesmal war seine Stimme doch schneller. Zu schnell, um genau zu sein, als hätte er etwas zuvorkommen wollen. The way you walk The way you talk, and try to kiss me, and laugh In four or five paragraphs „Einverstanden. Wenigstens du kotzt mir nicht in den Nacken“, erwiderte Madara unbeeindruckt und bewies damit, warum es zwischen ihnen nie zu tiefschürfenden Diskussionen kommen konnte. Und dabei passten sie trotzdem nicht zusammen. „Warum bist du so?“ Itachi hatte das Gefühl, das Falsche gesagt zu haben, doch Madara zog lediglich die Brauen hoch, während so etwas wie ein Lächeln um seine Lippen spielte. Er hatte die Ärmel seines Rollkragenpullovers hochgekrempelt und hatte einen dunklen Fleck von irgendetwas auf seinem Knie, aber er war augenscheinlich nüchtern. Natürlich, er musste fahren. Vernunft… Itachi konnte sich einfach nicht konzentrieren. „Willst du’s sehen?“ Madara grinste, Itachi nicht. „Das sagst du nur so.“ Etwas, womit Madara offenbar nichts anfangen konnte, doch Itachi war es seltsam klar. Veränderungen geschahen immer, aber meist bemerkte man sie nicht oder ignorierte sie. Itachi war ohnehin nicht glücklich, dass er ‚klar‘ sah. Doch Madara gab keinen weiteren, flapsigen Kommentar, und er grinste auch nicht mehr. Itachi wusste, dass er sich nicht irrte. Madara hatte sich verändert, so wie jeder andere. Er war vernünftig genug, sich nicht zu betrinken, wenn er noch vorhatte, ein Fahrzeug zu führen. Er sah die Welt rational, und er hatte Itachi längst durchschaut. Er kannte die Grenzen zwischen gemeinsamen Freunden, Itachis Freunden und seinen eigenen Freunden, er respektierte sie, andererseits schlug er eine Einladung auch nicht aus, eben weil Dinge sich veränderten und man diese Grenzen nicht ewig behalten musste. Und trotz allem, trotz all dieser Dinge, die Madara längst begriffen hatte, hielt er diese Fassade aufrecht, als wäre er immer noch derselbe Idiot, der fast alles mit zweideutigen Sprüche beantwortete, bis zum Gotteserbarmen versext war, sich um die Interessen anderer einen Dreck scherte, wenn sie seinen im Weg standen, der sich in Rivalitäten hineinsteigerte und der lachte, wenn Itachi ihn ohrfeigte. Selbst jetzt noch. „Sicher, dass du zu Fuß gehen willst?“ „Fick dich“, knurrte Itachi und drehte den Kopf zur Seite, um weiter zuzusehen, wie die anderen ihr Torero-Spiel mit Hidan als ‚wilder Stier‘ aufgaben und stattdessen mithilfe der roten Gardine posten. Itachi erwartete eine typische Erwiderung von Madara – er hatte praktisch eine Steilvorlage, wen oder was er fickte, nur nicht sich selbst. Es war alles ideal, die anderen hörten ihnen nicht zu, und Itachi konnte auf altbekannte, brüske Art reagieren, gefangen zwischen Scham, Ärger und geheimer Zufriedenheit. Er war nicht mehr klar, er durfte das. „Nicht so laut, was sollen denn die Nachbarn denken?“, spottete Madara. Itachi dämmerte, dass er wohl doch nicht so unbeachtet geblieben war, er sah sich als Ziel mehrerer neugieriger Blicke, Deidara schwenkte vorsichtshalber die Kamera auf ihn um. Konan brach schließlich das Schweigen. „Lasst uns Flaschendrehen spielen, solange sich noch jeder artikulieren kann!“ Itachi hörte auch das an ihrer Stimme, das Überdrehte, Vorschnelle, mit dem er vorhin ebenso reagiert hatte. Es war geradezu gemacht, um Zweifel zu wecken. Pein, der halb in den roten Vorhang verstrickt war, nutzte die Gelegenheit, um seine unrechtmäßige Toga abzustreifen. Auch er durchschaute seine Freundin. Itachi war zu verwirrt, um den Gedanken wirklich festzuhalten, oder er war einfach zu betrunken dazu. Kakuzu richtete seine ausdruckslosen, grünen Augen auf sie. Sie waren im Gegensatz immer noch beunruhigend nüchtern und bohrend. Itachi öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Seine Reaktion war zu langsam, er konnte es nicht schneller, es war verdächtig, ihm fiel nichts ein, und warum verflucht noch mal tat Madara nichts, um die Situation zu entschärfen? Er war doch sonst mit der Zunge schneller als mit jedem anderen Muskel! Itachi hatte das unangenehme Gefühl, dass er gerade errötete. Eigensabotage. „Das ist nicht… Wir…“, begann er, als Hidan schnaubte. Er lehnte sich gegen Kakuzu, und was auch immer hier gerade ablief, es war interessant genug, um diesen nicht zur Seite treten zu lassen wie eine launische Straßenlaterne. „Ihr fickt.“ Ihr fickt. So banal, ordinär, und… alles erklärend. Chapter One we didn’t really get too far Chapter Two I think I fell in love with you You said you’d stand by me in the middle of Chapter Three But you were up to your old tricks In Chapters Four, Five and Six Konan, gute Konan. Ihr Gesicht wurde so blass, wie Itachi vermutete, dass seines war. „Ich hab‘ nichts verraten, ehrlich!“ Dieses Weib…! Genau, ehrlich. Sie war zu ehrlich für diese Welt. Itachi starrte sie fassungslos an, es fühlte sich an, als würde das Blut in seinem Kopf versuchen, sich seinen Weg nach draußen zu pressen. „Ihr wusstet…?“ „Es war anschaulich hörbar“, brummte Sasori. Er hatte sein Handy aufgeklappt, aber er schrieb nichts. Vielleicht ließ er Orochimaru mithören, um ihm zu beweisen, dass schlechte Seifenopern nicht erst in einen Fernseher gequetscht werden mussten. „Such dir ein weniger aufdringliches Parfüm, Maddy, und seid wenigstens ruhig, bevor sich die Nachbarn wirklich beschweren, hm“, summte Deidara, ohne die Dokumentation zu unterbrechen. Und Itachi war zu betäubt, um ihn dazu zu zwingen. „Das könnte… besser sein. Vor allem, da sexuell übertragbare Krankheiten keine Erfindung der Neuzeit sind“, bemerkte Zetsu, und er machte nicht den Eindruck, als sei er nur entfernt angetrunken genug, um seine Worte nicht zu kennen. „Wenn Madara wirklich so schrecklich fahren würde wie in diesem Simulator, dürfte er jetzt nicht mal Fahrrad fahren“, meinte Kisame und hob entschuldigend die Schultern. Itachi sank nur noch tiefer ins Polster der Couch. „Es musste etwas faul sein, wenn ihr beiden widerlich-einträchtig herum salbadert“, brummte Kakuzu und bewies damit, dass Bauchgefühl nicht den Frauen vorbehalten war. „Ihr habt Händchen gehalten. Inmitten stahlharter Erotik!“, knurrte Hidan, als sei das eine persönliche Beleidigung. „Ihr glaubt doch nicht, dass sie wirklich den Mund-… Au!“ Itachi hatte eine vage Idee, was Pein gesagt hätte, hätte Konan nicht mit der Gardinenstange ausgekeilt. Es war… erschlagend. Und ungemein demütigend. Sein gesamter Freundeskreis hatte innerhalb eines Vierteljahrs herausgefunden, dass er… Was? Es sich lieber von einem Mann besorgen ließ, als sich endlich eine Freundin zu suchen? Dass er das Betthäschen von irgendwem war, der sowieso mit allem durchkam? Es würde die Zeit kommen, in der er sich verteidigte, hoffentlich. Momentan fand er alles nur widerlich. Und Madara tat so, als wäre da nur eine Anekdote erzählt worden, sein Gesicht hatte nicht im Mindesten die Farbe gewechselt. Selbst seine Augen waren nichts als kühles Schwarz, so unantastbar wie der Nachthimmel. In einer bedeckten Nacht, in der Wolken alles verbargen. Mona Lisa. Wie konnte man das nicht ernst nehmen? Alle schienen auf irgendetwas zu warten. Itachi wandte Madara den Kopf zu. Sein Nacken schmerzte und sein Magen füllte sich dumpf und schwer an, als müsste er sich erbrechen und wüsste nicht, warum. „Was ist…?“ Itachis Stimme schwankte nicht, aber in seinen eigenen Ohren klang sie entsetzlich leer. Er konnte sich nicht an das Wort erinnern, das dazu passte, aber nicht zu seinem Charakter. „Willst du’s noch etwas melodramatischer machen?“ Melodramatisch, das war das Wort. Und Madara sprach es aus, das war… nicht richtig, wirklich. Es war die schlimmste Blamage in Itachis Leben, und sie wäre nicht weniger vernichtend ausgefallen, wenn er nüchtern gewesen wäre. Was sie wesentlich gemildert hätte, wäre die Vorstellung, dass Madara vielleicht ähnlich diskret sein konnte. Itachi holte mit der rechten Hand aus – es war mittlerweile eine geübte Bewegung, er wusste sogar, wie er seinen Handballen anspannen musste, damit es einen lauten Klatsch gab und entsprechend schmerzhaft war. Die Welt um ihn herum verschwamm zu einem Wirbel aus Farben, der rote Vorhang leuchtete auf wie eine Ampel. Es war zum Ersticken. Es kam zu keiner Ohrfeige, stattdessen sprang Itachi auf. Er hatte gerade noch genug Zeit, die Mienen der anderen zu ignorieren, Schweiß verklebte seinen Nacken, der Atem stach in seiner Brust, statt dem Schwindel abzuhelfen. Er hatte das verdammte Spotlight und wusste nicht, wohin damit. Und Madara tat nichts, gar nichts. „Ich hab genug von dir.“ Von allen, aber von Madara am meisten. Es beschrieb es am besten, er hatte seinen Spaß gehabt, jetzt war Schluss mit dem Herumalbern. Itachis Gedanken klärten sich erst wieder ein wenig aus, als er draußen war. Er hatte ein paar aufgebrachte Stimmen gehört, doch hier auf dem Parkplatz war es ruhig, er war von Kisames Wohnung nicht einsehbar. Sein Atem gefror in der Luft, und die Kälte kribbelte auf seiner erhitzten Haut. Und es war zu viel Atem… Er hörte sein eigenes, keuchendes Atmen wie aus dem Innenraum einer großen Maschine, laut dröhnend und gleichzeitig fern, etwas, das automatisch geschah und über das er keine Macht hatte. Unter dem Nachthimmel verspürte er eine Euphorie wie nie zuvor, nie zuvor hatte er seine eigene Verwirrung als so überwältigend und erhebend zugleich empfunden. Seine Hände waren endlich wieder ruhig. Er nahm einen Stein auf, einen Grauen mit kleinen Quarzeinschlüssen, dessen Kiesbett das Gebäude säumte. Er schloss ihn in der Faust ein, genoss die kühle, sandige Oberfläche, er genoss auch das leise Knirschen, als er das Glas der Hornisse zersprengte. Die Scheibe des Tachometers war Plexiglas, sie bekam nur Kratzer, doch die Scheinwerfer, die Seitenspiegel, das Rücklicht, das war nicht so widerstandsfähig. Sogar die Windschutzscheibe bekam einen Riss, vermutlich war zuvor ein Steinschlag unbemerkt geblieben. Man sollte wissen, was man mit seinem Körper anrichtete – ganz essenzielle Geometrie. [2] Itachi atmete ein weiteres Mal tief ein, und das Dröhnen der Maschinen in ihm wurde leiser. Nachdenklich betrachtete er den Stein in seiner Hand. Er war zu groß, um in den Auspuff zu passen, doch ansatzweise ließ er sich hinein rammen. Itachi tat genau das und ließ dann vorsichtig seine Schultern kreisen. All das… war zu verwirrend, um es jetzt zu begreifen. And I’m giving you a longing look Everyday, everyday, everyday I write the book fin [1] Tatsächlich hat Konan am 20. Februar Geburtstag, bevor ich jemanden irritiere. Aber da habe ich zu Anfang einfach nicht drüber nachgedacht, also hat sie jetzt im November. [2] Es ist eine Anspielung, oder es soll eine sein, auf den Film „Teorema – Geometrie der Liebe“. Ein historischer Film, in dem ein schöner Gast einen ganzen Haushalt verführt und auch sexuellen Verkehr hat (wie Madara), durch sein Verschwinden aber die verschiedensten persönlichen Desaster auslöst. Itachi reagiert gewissermaßen ähnlich. Kapitel 10: Making Love Out Of Nothing At All --------------------------------------------- Making Love Out Of Nothing At All Untertitel: Zwischen den Zeilen ohne Text Da haben wir mal einen echten Schmachtfetzen aus 1983, ‚Making Love Out Of Nothing At All’ von Air Supply. Ich kann versichern, dass mein Stilbewusstsein gelitten hat. „Wen hast du denn erwartet?“ Itachi war nicht in der Stimmung für schlechte Psychospielchen. Er blieb im Türrahmen stehen, eine zerknitterte, vergleichsweise kleine Erscheinung mit wirrem Haar und geröteten, müden Augen. Ja, er wusste, wonach er aussah. „Es ist nicht so, wie du denkst.“ Kisame maß ihn mit einem so skeptischen Blick, dass es schon ungehobelt war. Und dass er es von oben herab tat, lag schon natürlicherweise an dem Größenunterschied. „Es ist schon elf. Bist du geschrumpft?“ Itachi rieb sich die juckenden Augen und ignorierte die hoffentlich ironische Fragerei. „Es ist Wochenende, und ich hatte eine Hausarbeit liegen gelassen. Zusätzlich zu dem Anderen.“ „Entweder, du bittest mich jetzt rein, oder du schläfst im Türrahmen weiter.“ Itachi war bereits erleichtert, dass Kisame nicht fragte, als es doch kam, gerade in dem Moment, als er beiseite trat: „Und was ist dieses ‚Andere’?“ I can make tonight forever, or I can make it disappear by the dawn; And I can make you every promise that has ever been made, And I can make all your demons be gone Kaum fünf Minuten später hatte Itachi Kisame erst mit grimmiger Miene seinen hoffnungslos aus der Ordnung geratenen Schreibtisch gezeigt, bis dieser achselzuckend signalisierte, dass er ihm die durchgearbeitete Nacht glaubte, dann kehrten sie in der Küche ein. Itachi tunkte einen der von Kisame mitgebrachten Doughnuts in den Kaffee und rieb sich die Augen, bis ihm auffiel, dass sie ihre Rötung dadurch nicht schneller verloren, ganz im Gegenteil. Ihm entging nicht, dass Kisame sich gelegentlich umsah. Es war Samstag, also war es ein Ding der Unmöglichkeit, Madara schon um elf Uhr zu begegnen. Wenn man es doch tat, mied man ihn besser. Die Kaffeekanne war sonnengelb. „Nein.“ Itachi betrachtete missmutig die Krümel, die der Doughnut in seinem Kaffee hinterlassen hatte, und fischte sie mit dem Löffel heraus. Allerdings war sein Zielvermögen nicht besonders gut, wenn er müde war und Koffein auf nüchternen Magen bekam. „Was ‚nein’?“, fragte Kisame und blickte sich betont ein weiteres Mal um. Itachi ignorierte auch diese Nachfrage. „Ich lege es nicht drauf an, also bleibe ich nicht. Du bist sicher gut informiert?“ Es lag etwas Trockenes im letzten Satz, das Kisames Geduld aufzehrte. „Sieh mal einer an, du bist ja wirklich melodramatisch. Wegen solcher Lappalien tust du zwei Wochen lang so, als wärest du tot?“ Itachi funkelte ihn mahnend an, als das verhasste Wort zitiert wurde. Er hätte es ja wissen müssen. Madara brauchte nicht mal viele Worte, um einen bleibenden Eindruck bei Menschen zu hinterlassen, einen so starken Eindruck, dass er Kisame zu kritischen Äußerungen verleitete. Itachi weigerte sich zu glauben, dass Kisame das von sich aus getan hätte. „Ich hatte zu tun. Und ich schlafe nicht gut.“ „Ach?“ „Der Wasserhahn tropft, das stört.“ Kisame vergewisserte sich dessen mit einem raschen Blick, und Itachi hätte ihn dafür treten können, dass er ihm das nicht einfach abkaufte. Der Wasserhahn tropfte bestätigend, mit großem Abstand, aber ständig. „Und Madara?“, bohrte Kisame nach, jedenfalls kam es Itachi wie ein Verhör vor. „Hat gesagt, dass er sowieso eine Wohnung in einem Haus mit separater Garage will, und für mich allein ist die Wohnung zu teuer und zu lästig.“ Itachi deutete auf den Wasserhahn, obwohl er eigentlich den Briefschlitz meinte, und verschränkte dann die Finger um sein vor die Brust gezogenes Bein. Er fühlte sich bereits wacher vorhin, und das hatte unerfreulich wenig mit dem Kaffee oder dem Zuckergehalt der Doughnuts zu tun, sondern mit diesem unbequemen Gespräch. „Kein neuer Mitbewohner?“ „Was willst du von mir?“, schoss Itachi zurück. Dass sein bester Freund sich gegen ihn verschworen hatte, war nicht der Start ins Wochenende, den er gebrauchen konnte. Und dass er mit seinem ehemaligen Mitbewohner paktierte, war genug, um ihn achtkantig rauszuschmeißen. Wie auch immer er das anstellen würde. Kisame seufzte leise und stupste gegen den Henkel seiner Kaffeetasse. „Nach dir sehen. Das war nicht-“ „Nicht was?“, fiel ihm Itachi eisig ins Wort, und Kisames Finger verharrten. „Zuerst mal ist es vierzehn Tage her, du könntest die Staatstrauer mal langsam ablegen, findest du nicht?“ „Das hat mit Zeit nichts zu tun...!“ „Womit denn?“ Kisames Erwiderung kam so unvermittelt und schnell, dass Itachi im ersten Moment zu verblüfft war, um auf eine geistreiche Parade zu kommen, überhaupt über eine nachzudenken. Der Kaffee in seinem Magen fühlte sich ätzend heiß an mit Scham, Zorn und Trotz, die sich dort in seiner Magengrube festgesetzt hatten und jetzt aufgewirbelt wurden. Wie harter, dreckiger Kalk in einem Abflussrohr. Itachi schluckte und versuchte, den süßen, klebrigen Geschmack von Gebäck loszuwerden, bevor ihm schlecht davon wurde. „Kannst du dir... kannst du dir eigentlich nicht vorstellen, wie peinlich das war? Wie demütigend?“ „War doch kein Staatsgeheimnis, dann ist es eben raus. Das ist nicht das achtzehnte Jahrhundert.“ Noch bevor Kisame es zu Ende aussprach, krachte Itachis Faust auf den Tisch. Kein Geräusch, das imposant genug war, um die Worte abzuschneiden, und das machte es noch schlimmer. „Wieso begreifst du nicht, dass es nichts damit zu tun hat, melodramatisch zu sein? Hast du dir je Gedanken darüber gemacht, was die anderen jetzt von mir denken? Und erspar’ mir deine Verniedlichungen von einem aufgeklärten Zeitalter, weil du sie kennst.“ An der Art, wie Kisame seine Augen senkte, las Itachi ab, dass er Recht hatte. Es gab kein ‚Scheiß auf die anderen’, dazu war die Welt immer noch zu klein. Und die Frage, ob Itachi eigentlich homosexuell war, war dabei zweitrangig. Und dass Kisame nicht sagte, auch nach mehreren Minuten nicht, bestätigte das. „Du solltest vielleicht mit Deidara reden.“ „Deidara ist nicht schwul.“ „Ist er nicht?“ Itachi musste einen ungewöhnlichen Ansturm von lästerlichen Beschreibungen davon zurückhalten, wo sich der Unterschied zwischen exzentrisch-emotionalem Verhalten und einem nicht praktizierenden Homosexuellen befand. Es hatte nichts mit Kisame zu tun, er zeigte nur das typische Unverständnis eines normalsterblichen Hetero. Nein, mit der Orientierung hatte dort nichts verloren. Das war bloß eine bequeme Ausrede. „Es ist besser, wenn du-“, begann Itachi, doch Kisame ließ ihn diesmal nicht ausreden. Als wollte er verhindern, dass er es sich selbst anders überlegte. „Selbst, wenn du mal... Das heißt ja nichts. Du kannst nicht allen, die dabei waren und deine Schmach miterlebt haben, bis an dein Lebensende aus dem Weg gehen.“ Itachi war der Meinung, dass er das sehr wohl konnte, aber er ließ Kisame trotzdem seinen Spießrutenlauf um verfängliche Formulierungen weiterführen. Es war das Falsche, das war ihm klar, dennoch war er überzeugt, dass sein Freund nur so verstehen würde, warum man sein Verhalten nicht einfach unter Selbstmitleid abbuchen konnte. „Tja, und... kann sein, dass es dir besser geht, wenn du dir dessen erst mal klar wirst, bevor du dich mal wieder integrierst.“ „Wessen?“ „Was?“ „Wessen soll ich mir klar werden?“ Kisame zog seine Umhängetasche auf den Schoß, doch der tadelnde Unterton seiner Miene lebte in seiner Stimme weiter: „Lass diese penetrante Paragraphenreiterei, wir sind hier nicht im Hörsaal. Da.“ Er warf eine Zeitschrift auf den Küchentisch, mit dem Cover nach oben, damit Itachi nicht so tun konnte, als hätte er nicht verstanden. „Und das soll mir dabei helfen?“ „Noch so eine skeptische Frage, und ich nehm’s wieder mit.“ Itachi wusste, dass sein gesunder Menschenverstand ihm anraten sollte, Kisame genau dazu zu bringen, doch nichts in ihm regte sich. Nur seine klägliche Rücksicht, die ihm empfahl, nicht noch unausstehlicher zu werden, als er heute eh schon war. Er seufzte. „Ein Pornoheft?“ „Illustrierte Erotikliteratur. Meinetwegen spül’s im Klo runter.“ Itachi nickte mit zusammengepressten Lippen; mit einem Mal ballte sich sein Magen wieder zusammen, und er verschränkte die Arme davor. „Wo ist er eigentlich?“ Kisame war gnädig genug, das Spielchen der unpräzisen Fragen nicht zu wiederholen, und Itachis Dankbarkeit dafür paarte sich mit einem schlechten Gefühl. „Weiß ich nicht so genau. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er versucht, etwas an seinem Auspuff zu reparieren. Da muss sich irgendwas verbogen haben, wahrscheinlich muss das ganze Ding ersetzt müssen – schöner Scheiß, bei einer neuen Maschine.“ Itachis Magen verwandelte sich in Eis, fassungslos starrte er Kisame an. Nichts in diesem Gesichtsausdruck musste gefälscht werden, und wenn dem anderen etwas daran verdächtig vorkam, ging er darüber hinweg und behandelte Itachi selbstverständlich wie den schlecht informierten Exmitbewohner. „Pech eben, das Glas ist hin, und eigentlich ist die Süße noch nicht abbezahlt.“ Itachi wusste, wenn Kisame log oder etwas ausließ – er musste dann eine kurze Pause einlegen, um seine Worte zu koordinieren. Und momentan schien er wirklich nicht zu wissen, wer Madaras Hornisse so zugerichtet hatte. „Wann... ist das passiert?“ Kisame reagierte augenscheinlich nicht auf Itachis krächzenden Tonfall, allerdings musste das nichts heißen. „Irgendwann letzte Woche, er wusste es selbst nicht so genau. Auch eine Kawasaki Ninja ist nicht unverwundbar.“ Regungslos starrte Itachi auf die leicht zerknitterte Illustrierte, die Kisame ihm mitgebracht hatte. Er meinte es nur gut. Alle meinten es gut. Oder so kam es einem vor, wenn man erfuhr, dass Madara auf jeden Fall wissen musste, dass seine Hornisse nicht in der letzten, sondern am Ende der vorletzten Woche lädiert worden war, an jenem verwünschten Samstag. Kisame schien nichts weiter sagen zu wollen, er stand auf, hängte sich seine Tasche über die breite Schulter und stellte den Kaffeebecher in die Spüle, unter den tropfenden Wasserhahn. Itachi war dankbar, dass er wusste, wann er gehen sollte. Doch ganz so einfach wurde es offenbar nicht, Kisame drehte sich im Türrahmen der Küche um, ein letztes Mal. „Nicht, dass es mich was angeht, aber ist dir was aufgefallen?“ Itachi funkelte ihn ein weiteres Mal warnend an. Defensiv. „Der Wasserhahn da tropft ständig, Madara hat an die hundert Mal versucht, ihn zu reparieren. Erst jetzt, wo er weg ist, raubt es dir den Schlaf.“ And I know the night is fading, and I know that time’s gonna fly; and I’m never gonna tell you everything I’ve got to tell you, but I know I’ve got to give it a try Itachi starrte gedankenlos auf das Heft, das Kisame ihm hier gelassen hatte. Das also war sein Rückticket in ein normales Leben. Er sollte hoffen, dass der Zug nicht schon abgefahren war. Er setzte sich auf die Couch, noch immer in seiner Jogginghose und seinem zerknitterten T-Shirt, in denen er geschlafen hatte. Das Heft – Pornoheft – legte er auf seine Oberschenkel und betrachtete kritisch das Cover. Zumindest kein Groschenheft. Die Artikel klangen gar nicht mal alle so anrüchig oder inhaltslos, doch Itachi ertappte sich dabei, das Mädchen auf dem Deckblatt einfach zu übersehen. Und das, obwohl sie suggestiv ihre Schürze fallen ließ. Itachi seufzte leise und schlug das Heft irgendwo in der Mitte auf. Die linke Seite war beschriftet, auf der rechten befand sich ein qualitativ hochwertiges Farbfoto einer jungen Frau auf dem Sattel eines Motorrads. Anstatt wie ein waschechtes Boxenluder die Zähne zu fletschen und sich breitbeinig darauf auszustrecken, saß sie beinahe damenhaft mit beiden Beinen auf einer Seite, eine Hand hielt ihren Tweedmantel zu – was nicht hieß, dass sie sich züchtig bedeckt hielt, das war immer noch ein Pornoheft, wie Itachi säuerlich bemerkte – , die andere krallte sich in die lederüberzogene Sitzfläche. Ihr welliges, dunkles Haar lag nahezu penibel ordentlich auf dem Rücken, und ihre halb geöffneten Lippen glitzerten feucht. Sie hatte große, braune Augen mit dichten Wimpern und ein schmales, nicht allzu markantes Gesicht. Dieses Gesicht verschwamm langsam vor Itachis Augen, während er darauf herab stierte. Er war vermutlich der erste Mann, der über einem Pornoheft in Tränen ausbrach. I know just how to whisper, and I know just how to cry; I know just where to find the answers, and I know just how to lie Es war nicht weiter schwierig, die Halle wiederzufinden, den ‚Hort der stahlharten Erotik’, wo die Hornisse herkam und wo Itachi Madara bereits ein Mal getroffen hatte, als das blöde gelbe Ärgernis noch unter ‚Vega’ rangierte. Schwieriger war es, an Hidan vorbeizukommen. Wenn Itachi einem nicht gegenübertreten wollte, dann ihm – in seinen Augen hatte Hidan den Karren fast so sehr in den Dreck gefahren wie Madara, mit dem Unterschied, dass er einfach zu dämlich war, es zu merken. So zumindest beurteilte Itachi das, und ihm war sowieso nicht daran gelegen, sich mit den anderen zu befassen. Kisame mochte es herunterspielen, wie er wollte, er wusste selbst sehr gut, dass es eben nicht ‚nichts hieß’, wie Kisame es ausgedrückt hatte. Ein Geschäft von Zweirädern in dieser Größe hatte meist auch eine Werkstatt, und Itachi kannte Madaras Arbeitszeiten. Und er kannte auch ihn, und wie. Er würde hier seine Zeit zubringen, wie andere Menschen am Krankenbett wachten. Außerdem kosteten professionelle Reparaturen noch mehr Geld, und da dieser geistesschwache Do-it-yourself-Handwerker ja darauf schwor, dass das schon irgendwie ging... Warum hatte er dann nie den Wasserhahn repariert?! Itachi hatte keine Geduld, er wollte das jetzt regeln. Der Eingang zur Werkstatt befand sich neben dem Tresen, der Information, wie man es auch nennen wollte, wo Hidan gerade seine Füße abgelegt hatte. Er hatte die Kopfhörer seines iPods in den Ohren, das Dröhnen von Grunge-Gitarren meinte Itachi sogar von Weitem zu hören. Das hier war auch der einzige Ort, an dem das da eine Arbeitshaltung war... Warum vögelte Madara eigentlich nicht mit dem, die konnten ja sogar über ihre dummen Maschinen reden, wenn sie mal zwischendurch Pause machten, sie konnten sogar zusammen rauchen, um das Klischee zu perfektionieren. Shall I compare thee to a winter’s day? Hidan sah nicht mal auf, als Itachi an ihm vorbeirannte. Every time I see you, all the rays of the sun are streaming through the waves in your hair, and every star in the sky is taking aim at your eyes like a spotlight Madara beugte sich stirnrunzelnd über eine zersprungene Glühbirne. Die Hornisse hatte ihren knallgelben Panzer eingebüßt, er lag auf einer Werkbank wie eine Hülle, die bei einer Häutung übrig geblieben war. Ihre tatsächlich insektenähnlichen Scheinwerferaugen waren noch nicht ersetzt, womöglich hatte bei den Schlägen eine Stromleitung gelitten, die jetzt die Glühbirne versorgen sollte. Es war still, keine laute Musik, auch keine leise, kein Radio. Dass es hier so ölfleckig und unordentlich war, rechnete Itachi den Ansprüchen des Klientels zu. Niemand sonst war hier, es war unangenehm kühl. Itachis Knie waren sonderbar weich und zittrig, als er einen Schritt vorwärts machte, in das Licht der Leuchtstoffröhren, die für grelle Beleuchtung sorgten und den gelben Panzer der Hornisse unwirklich leuchten ließen. Madara bemerkte ihn. Zuerst schaute er zurück auf die leere Augenhöhle des Motorrads, als überlegte er, ob er damit weitermachen sollte. Dann schien er zu dem Entschluss zu kommen, dass sich diese Konfrontation schwerlich aufschieben ließ, und stand auf. Das war so schrecklich an Madara – er schob nie etwas Unangenehmes auf, dabei war das nichts als menschlich. Itachi löste die Arme, die er bisher verschränkt hatte, etwas zu eilig voneinander und machte einen weiteren Schritt vorwärts. „Warum hast du gelogen, was den Zeitpunkt angeht?“, fragte er, seine Stimme klang ungewöhnlich herausfordernd. Madara fuhr sich durch sein widerspenstiges Haar, rieb sich die besonders rebellischen Strähnen seitlich und oberhalb des Ohrs. Es konnte an der Beleuchtung liegen, aber er sah müde aus. „Kannst du’s dir nicht denken?“ Itachi schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf, ohne seine herausfordernde Haltung zu verlieren, und Madaras Hand wanderte in den Nacken, um dort die versteifte Muskulatur zu massieren. „Wenige Menschen nehmen es dramatischer als du, wenn man ihre Freunde gegen sie aufhetzt. Und so hättest du es ja gesehen, bis ich es irgendwann aus lauter Frust getan hätte.“ Er war so... ruhig. Madara brauste sonst ständig auf, wie überkochende Milch, immer dann, wenn man gerade nicht hingesehen hatte. „Warum?“, wiederholte Itachi. Madara winkte ihn zu sich und nahm langsam die Hand aus dem Nacken, ließ die Schultern kreisen, um sie an die gelockerten Muskeln zu gewöhnen. Itachi wusste nicht, wie viel Zeit er hier eigentlich zubrachte. Er war immer noch ein Laie, kein Mechaniker. Aus der Nähe wirkte er stiller. „Darum.“ Madaras Finger hatten keine Ölflecken, nur ein paar Kratzer und gerötete Fingerkuppen. Itachi sah überhaupt nicht, was er tat, es war zu schnell, aber seine Ohrfeige war derart heftig, dass es Itachis Kopf herumriss und flimmernde Sterne vor seinen Augen tanzen ließ, sodass er das Gleichgewicht verlor und auf den Hintern fiel. Seine Wange brannte wie Feuer, als würde die Haut gleich aufplatzen, und seine Sicht verschwamm, als auf mindestens einem Auge Tränen kamen. Schon das zweite Mal heute, doch diesmal tat es einfach nur weh, er hätte schwören können, dass sein Kiefer gebrochen war. Wenn er daran gedacht hätte, was eben an Schaden angerichtet worden war. Madara ging in die Hocke, trotzdem war er größer und konnte auf Itachi herabsehen. Er ließ die Finger seiner anderen Hand krachen. Die andere war rechts, und er war Rechtshänder. „Weil es das absolut nicht wert gewesen wäre. So tief zu sinken, nur weil du es dann, wenn es mal drauf angekommen wäre, nicht fertig bringst, dich gegen irgendwen zu richten. Vielleicht gegen einen unbelebten Gegenstand, der sich nicht wehrt, der aber genauso effektiv ist?“ Madara ließ seine Finger einzeln wieder gerade werden, löste seine Faust. Itachi starrte wie hypnotisiert auf den kleinen und den Ringfinger, die sich nicht ganz unabhängig voneinander bewegen ließen. „Wolltest du unbedingt geschlagen werden?“, krächzte er, seine Stimme klang undeutlich und verwaschen. Er sollte die Wange kühlen, bevor sie anschwoll. „Musst du das jetzt wirklich noch wissen? Es ist eh zu spät.“ Madara grinste, aber er hätte ebenso gut wie Zähne blecken können. Er lebte alles mit Leidenschaft aus, Ab- und Zuneigungen, und er mochte keine Menschen, die keine Leidenschaft hatten. Das Paradoxon war, warum er je mit Itachi zusammengezogen war, wenn er so viel Teilnahmslosigkeit eigentlich nicht ertrug. Vorsichtig hob Itachi eine Hand, legte die Fingerspitzen auf seine pochende Wange. An seinen Fingern klebte der Dreck und Staub der Werkstatt, er klebte dort fest. „Zu spät?“, wiederholte er langsam und fragend. Madara ließ seine Finger ein weiteres Mal krachen, ein unangenehmes Geräusch. „Wenn du das tust, sammelt sich Harnflüssigkeit in deinen Gelenken und du kriegst Gicht.“ Madara zwinkerte ihm zu, spreizte den Daumen ab. „Da ist die Tür.“ But I don’t know how to leave you, and I’ll never let you fall, and I don’t know how you do it, making love out of nothing at all... Itachi richtete sich langsam auf und klopfte mechanisch seinen Hosenboden ab. Der Sturz hatte wehgetan, doch das Brennen in seiner Wange war schlimmer. Er meinte sogar, die einzelnen Druckstellen der Finger zu spüren, glühende Kanäle in seiner Haut. Madara hatte so schöne, lange Finger. Kurz blickte Itachi zur Tür, über der eine grüne Lampe angebracht war, mit dem multifunktionellen Zeichen für den Fluchtausgang. Ein Schlüssel steckte in der schweren Brandschutztür, vermutlich war sie offen. Madara stand ebenfalls auf und rieb sich abwesend das Knie, anscheinend hatte er dort Schmerzen. Itachi wusste, dass er sich in seiner Mittelschulzeit mal die Kniescheibe herausgesprengt hatte, und seit dem Zurechtrücken war er dort ein wenig wetterfühlig. Nur zeigte er das für gewöhnlich nicht, weil Itachi ihm dann irgendwann eine Kompresse aufnötigte. Knieverletzungen wurden öfters chronisch. Wie um es zu verbergen, verlagerte Madara das Gewicht auf sein gesundes Bein und lehnte sich gegen den Werktisch. Dort lagen neben den Werkzeugen mehrere Zeitschriften und Internetausdrucke verteilt, Zeugen davon, wie schwierig es war, sich ohne Mechatronikerausbildung in ein Motorrad einzudenken. „Warum lässt du es nicht reparieren?“, hörte Itachi sich fragen. Professionelle Reparatur war teuer, sicher, aber vermutlich hatte Hidan wenigstens mehr Ahnung vom Innenleben eines Motorrads als Madara, und er schien sich auf seinem Posten ohnehin zu langweilen. Wenn man auf der Arbeit die Füße hochlegen und ohrenbetäubende Musik hören konnte, war es wahrscheinlich nur ein Qualitätsbeweis, wenn man nebenbei etwas reparierte. „Weil ich mir nicht jeden Dreck von anderen erledigen lasse. Kannst du jetzt gehen?“ In Madaras Ton schwang eine Abweisung mit, die endgültig war. Itachi wusste, dass er die Beschädigung der Hornisse nicht leicht nahm, dass er sie als persönliche Feigheit betrachtete und es nicht anders behandelte, als hätte man einen Menschen ‚beschädigt’. Und neben allem hatte er noch Platz, einen Seitenhieb auf Itachi unterzubringen. Das Gefühl von Kalk kam wieder, Itachi ignorierte das Kratzen eines verkalkten Rohr in seinem Hals. „So, wie du Hidan das erledigen lassen hast?“ „Ernsthaft, verpiss dich.“ „Du wusstest, dass er uns sehen würde, er wird dafür bezahlt, dass er hier ist.“ „Komm schon, hau ab.“ „Es musste unbedingt er sein, weil er den Mund nicht halten könnte.“ „Küchenpsychologie? Geh endlich.“ „Warum ist er eigentlich zu mir gekommen? Das hätte er von sich aus nicht getan, jemand muss ihn dazu angestiftet haben. Ihm gesagt haben, wo ich bin, was los ist.“ „Raus.“ „Warum ist er jetzt beschäftigt, und warum hilft er dir nicht, wenn er sich so langweilt?“ „Raus!“ Madaras Augen glommen zornig auf, wie zwei schwarze Kerzen. Itachi glaubte nicht, dass das noch mehr brennen konnte als seine Wange, folglich hatte er auch keine Angst. Er wandte sich ab, langsam, und ein Teil von ihm rechnete jeden Moment damit, dass ein Schraubenschlüssel ihn im Kreuz traf. „Madara?“ Keine Antwort diesmal. Kalte Aprilluft fegte herein, als Itachi die Tür öffnete, und kühlte wohltuend sein glühendes Gesicht. „Schon okay. Ich kann nicht mehr.“ But I’m never gonna make it without you, do you really want to see me crawl? And I’m never gonna make it like you do, making love out of nothing at all (Making love) out of nothing at all… fin Kapitel 11: A Ballad To Forget ------------------------------ A Ballad To Forget Untertitel: Orientierungsfragen Es ist aus 2005, aber ich habe mir schon lange erträumt, den Text dieser absoluten Undergroundband Soulwax zu verunstalten, ‚A Ballad To Forget‘. Verregneter April, öde und deprimierend, ereignisarm. Und Dosenkaffee schmeckte nicht besonders, er war nur heiß. Feuchte Luft kondensierte an dem dünnen Blech und machte sie glitschig. Man musste sie fest halten, damit sie nicht wegrutschte, und verbrannte sich die Finger. Und so hatte jede Schikane im Leben ihren Sinn. Itachi war gerannt, und jetzt gönnte er sich eine Pause. Sein Sweatshirt, das er unvorsichtigerweise ohne wasserdichte Jacke angezogen hatte, war klamm und schmiegte sich unangenehm an seine Haut. Und es regnete, auf seine frisch gewaschenen und geföhnten Haare, die jetzt akkurat gestutzt waren, weil seine Ponysträhnen allmählich aufmüpfig geworden waren. Und Itachi hasste Besuche beim Friseur, er hasste Gefummel in seinem Haar und das Summen von einem Rasiergerät nah an seinem Ohr. Und jetzt bekam er dort Zug, wo ihm der Nacken ausrasiert worden war, die glatte Haut war ungewohnt. Es war Identitätsfindung. Bisher fühlte Itachi sich nicht gut damit, aber er fing auch gerade erst an. Mit allem. Mit sorgfältigerem Kleidungsstil, Hautpflegeprodukten, einem Nebenjob und dem richtigen Lächeln. Ironischerweise brauchte er auch all das. Zehn Minuten, nachdem Itachi seinen Kaffee getrunken hatte, saß er einer Frau gegenüber, in einem Café. Das Leben fing mit Frauen an und hörte mit Frauen auf. Sie hatte einen Soßenfleck auf ihrer Bluse und ziemlich stramme Waden. Ihr Blick war stechend und rigide. „Bisschen schmächtig“, knurrte sie und faltete ihre Hände auf den Papieren auf dem Tisch. Es war früh am Morgen, fast niemand war hier. Aber wer hier war, hörte sicher mit, denn die Frau sprach ziemlich laut. Itachi wusste nicht, wie er richtig darauf reagierte, schmächtig zu sein – so schlimm fand er sich gar nicht, das lag alles nur daran, dass er noch feucht vom Regen war. Bloß würde das die Inquisitorin nicht besonders interessieren. Sie interessierte sich ja nicht mal für den Soßenfleck auf ihrer Bluse. „Hast du so was schon mal gemacht?“ Barscher Tonfall und unerlaubtes Duzen waren Einschüchterungstaktik. Das sagte Itachi sich, als er den Kopf schüttelte. „Kannst du auch reden?!“, schnappte sie und schob die Papiere etwas weiter weg. „Ich meine, was sollen die Kunden denken?!“ Was würden sie schon denken, wenn man hier so herumbrüllte? Itachi fuhr sich abwesend über den glatten, haarlosen Nacken und begegnete dem Blick der jungen Frau. Das ‚jung‘ nahm er zurück, sie war wohl Mitte dreißig und Autorität gewöhnt, also gewöhnte auch er sich besser daran. „Ist das nicht besser so, unpersönlich?“ „Du bist doch kein Butler!“ „Ich würde es versuchen.“ Die Frau mit den strammen Waden musterte Itachi argwöhnisch, und er fragte sie nicht, ob sie sich wieder Gedanken über seine Statur machte. „Du kannst ja nur nachmittags.“ „Und abends.“ „Ich brauch‘ aber wen für vormittags.“ „Meine Lesungen nehmen nicht den ganzen Morgen ein.“ „Soll ich dich etwa anpiepsen?!“ „Meine Universität ist nicht so weit weg, deshalb.“ „Hinrennen, umziehen, zurückrennen?“ Die Frau musterte ihn voller Misstrauen, eine Falte grub sich zwischen ihre Brauen. Auch ihre Arme waren kräftig, wie die einer Kickboxerin. „Sag mal… Du musst nicht zufällig ‘nen Sorgerechtsstreit gewinnen und brauchst dafür unbedingt einen Job, oder?“ „Ich mag keine Kinder. Selbst, wenn ich welche hätte, würde ich sie nicht wollen.“ „Aha. Dann hast du vielleicht einen perversen Fetisch mit Uniformen? Ich meine, dir ist klar, dass du hier ‘ne Uniform tragen musst…“ „Die narzisstische Störung, die das voraussetzt, würde auch von mir verlangen, dass ich diesen Anblick niemandem außer mir selbst gewähre.“ „Was soll… Dein Vokabular kotzt mich an, Freud. Du passt nicht ins Konzept, bist ein Hänfling, und Erfahrung hast du auch nicht. Ich kenn‘ euch Studenten doch, ihr haltet euch für was Besseres, ab dem dritten Tag geht ihr lieber Party machen, anstatt zu arbeiten. Und quatscht nur unnötig mit den Gästen.“ „Ich muss nur zwischendurch lernen. Ich gehe nicht aus.“ „Auch das noch! Wie sieht das denn aus, das ist hier keine Bibliothek, Einstein!“ Itachi hatte das Gefühl, dass das Gespräch schon seit Stunden ging. Und das Merkwürdige war, es machte ihm nichts aus. Er faltete die Hände auf dem Tisch und sah absichtlich nicht zu seinen Papieren, die die Frau mit ihrem Jeansrock und den Overknees von sich weggeschoben hatte. Ihre Bluse war ein Stück aus dem Bund gerutscht, der rote Fleck auf der cremefarbenen Bluse wirkte wie ein Schild. Vorfahrt gewähren. „Wenn Sie mich nicht wollen, warum lehnen Sie dann nicht einfach ab?“ Ihre Augen waren dunkel wie Schmieröl und bohrten sich in ihn, bis sie an seinem ausrasierten Nacken wieder austraten. „Ich mag keine Schlaumeier.“ „Ich kann lernen.“ „Genau das sollste nicht tun! Ich mag keinen Ehrgeiz!“ „Ich… Bitte?“ Die Frau grunzte und schlug die Beine übereinander, wobei ihre strammen Waden leise zusammenschlugen. Aus der Nähe war ihr Gesicht interessant, die Benutzung von Mascara hatte über die Zeit hinweg ihre Wimpern brüchig und kurz gemacht, trotzdem waren es noch feminine Augen, scharf und wach. „Und das mag ich auch nicht, bloß nicht anbiedern. Erst recht nicht mit dem Blick, verstanden? Du schielst nämlich… Schieltachi!“ Sie lachte, und Itachi lächelte. Das war das, was er suchte. You’re honest, Even when you lie Letzten Endes bekam Itachi immer, was er wollte – er konnte hartnäckig sein, vor allem, wenn er den perfekten Ort gefunden hatte, das perfekte Umfeld und nicht zuletzt die perfekte Kleidung. Und die perfekte Chefin. Der Ort war objektiv gesehen nicht so perfekt, das Café hatte nicht die beste Lage und wirkte abgeliebt, etwas schmuddelig, mit nur einem Stockwerk und einer leicht abgewetzten, schwarzen Ledergarnitur. Itachi liebte es, die Finger darin zu vergraben. Das perfekte Umfeld? Er war sich nicht sicher, ob er es sich überhaupt leisten konnte, diesen zeitraubenden Job anzunehmen, das lenkte ihn vom Studium ab. Ganz egal, was er gesagt hatte, er hatte so viel Zeit nun auch nicht übrig. Und dass er nicht ausging, hieß nicht, dass er keine Verwendung für Freizeit hatte. Bevor er darauf kam, wie er sonst seine Freizeit zugebracht hatte, wie ein gutes Haustier in Madaras Armen, ging Itachi über zu den anderen beiden Faktoren der Perfektion. Von nun an würde jemand anders über ihn bestimmen, und obwohl es niemand glaubte, Anko war die perfekte Chefin. Ausgereift, auf irgendeine Weise noch feminin, aufbrausend und launisch, war sie der ideale Anziehungspunkt. Ein Charakter, interessant genug, um sich Aufmerksamkeit zu sichern, und weiblich genug, um attraktiv zu sein oder zu werden, wenn er sie besser kannte. Das mit der perfekten Uniform hatte sie sich wahrscheinlich ausgedacht, um ihn abzuschrecken, doch da sie die Vorstellung von einem Livree mochte (die Erwartungen wurden zumindest da etwas heruntergeschraubt), hatte sie es beibehalten, ihn in die Kluft zu stecken. Und sich auch, aber es wollte erst mal eine Weste gefunden sein, die Ankos Figur gewachsen war. Itachi durfte unter der schwarzen Weste tragen, was er wollte, solange die nicht wegblieb. Selbes galt für die Schürze. Ein vernünftiger Mann mit gefestigter Identität wäre kreuzunglücklich gewesen, doch als Itachi sich selbst in der spiegelnden Theke betrachtete, war er zufrieden. Es ging nicht darum, ob sein Äußeres gelungen war oder nicht, welchen Eindruck er vermittelte. Er wollte nur selbst endlich wissen, welche Sexualität er vertrat. Und das ging gut in diesem kleinen Café im Irgendwo, in einer Fetischist-gefährdeten Uniform und mit einer Chefin, die sich Wrestlemania im Fernsehen ansah, Soßenflecken auf der Bluse hatte und dabei noch etwas Stilvolles besaß. Bi war keine Lösung. ‘Cause you didn’t Intend to lie You just merely got it all wrong I‘m better off blind “Lächel’ mal mehr, Schieltachi, ich mein’s ernst.” Ungeduldig klopfte Anko mit den runden Fingernägeln auf die Theke. Sie nannte ihn immer so, wenn sie glaubte, dass niemand zuhörte – bei ihrer lauten Stimme nicht so leicht. Itachi ahnte, dass sie damit aufhören würde, wenn er ein Mal deshalb ausflippte, das Tablett mit Kaffee an die Wand warf und sie anbrüllte. Sie wollte auch, dass er das tat, aber Jähzorn gehörte nicht zu seinen Tugenden. Nur Madara reagierte so, und das war eine typisch bisexuelle Reaktion. So etwas brauchte Itachi nicht. In Ordnung war es dafür, wenn den ganzen Tag über Elvis lief und Anko ihn nötigte, alle möglichen, völlig veralteten Discomoves zu lernen. Tat sie nur, wenn sie gut gelaunt war, und wenn sie schlecht gelaunt war, ließ sie ihn in Ruhe und er sie. Momentan war sie übrigens gut gelaunt – jemand hatte Pfannkuchen bestellt, das war ein Gericht, das sie konnte und sie nicht vom Discofox-Tanzen abhielt. Von daher bezog sie auch die Soßenflecken; Anko liebte Pfannkuchen mit scharf-süßer Soße und Curryketchup. Itachi lächelte nicht und schaute nach draußen. Er hatte sich entschlossen, die Wohnung doch zu behalten, das forderte einen gewissen Einsatz. Eine Identitätskrise konnte nicht mit einem Umzug einhergehen, alles hatte Grenzen, zumindest sagte er sich das. Es reichte schon, dass er seine Handynummer gewechselt hatte, und die anderen ließen ihn in Ruhe. Oder sie waren doch abgestoßen, endlich. Endlich… „Gehen Sie mit mir aus?“ Für einen Moment hörte Anko auf, mit den Fingernägeln auf der Theke zu trommeln. Sie starrte Itachi nicht an, wie sie das eigentlich hätte tun müssen. „Wie bitte?“ Ausgerechnet jetzt ertönte das silberne Klingeln der Glöckchen, die an der Tür angebracht waren. Itachi drehte sich mechanisch um, im Zweifelsfall um eine Bestellung zugerufen zu bekommen. Auch das noch. Hashirama samt Freundin, vermutlich gerade auf einem romantischen Date. In diesem Café. You’re honest Even when you lie And in all of the kitchens in the world Full of broken light Hashirama war so einer. Er traf irgendwann in seinem geordneten Leben eine Frau, sie führten dann zivilisierte Gespräche, bis irgendwann der Magische Moment kam und sie zusammen ausgingen. Und dann noch mal und noch mal und noch mal, bis sie sich an ihrer Haustür – er brachte sie natürlich immer mustergültig mit seinem Kleinwagen pünktlich Heim – zum ersten Mal… umarmten. Geküsst wurde sich natürlich erst in einem blühenden Park bei einem Picknick, und dann kam das politisch korrekte Gespräch mit „Du bist die erste (!) Frau, bei der ich mich je…“ und „Würdest du mit mir…?“. Und wenn das endlich überwunden war, durften sie als Pärchen herumlaufen, so wie jetzt. Itachi wusste das nicht von sich aus, Madara schon. Den Feind besiegen heißt, den Feind zu kennen. Zumindest behauptete er das, aber Itachi glaubte, dass es etwas Anderes war. Es war ein so unglaublich geregeltes und harmonisches Leben, dass man unwillkürlich daran teilhaben wollte, um sich dann doch höhnisch abzuwenden, weil es einem nicht gehörte. Die Truman-Show ohne die ganze Technik drum herum. Mit schwer zu deutendem Blick musterte Anko das Paar, das sich in einer Sitzecke niederließ, während es sich leise unterhielt. Itachi kannte nicht den Namen von Hashiramas Freundin, doch ihr feuerrotes Haar war unverwechselbar, außerdem trug sie es merkwürdig aufgedreht, dass Itachi an Spaghetti mit zu viel Tomatensoße dachte. Madaras uneingeschränkt negativer Blick auf alles, was mit Hashirama zu tun hatte, färbte wohl ab. Die beiden berieten sich, was sie bestellen wollten, mit höflich gesenkten Stimmen natürlich. Sie machten den Eindruck sehr vertrauter Menschen, obwohl jeder seine Hände in jeder Weise bei sich hatte und sie nicht mal die Köpfe auffällig zusammensteckten. Wie Itachi das sah, hatte sogar jeder die Füße auf seiner Seite unter dem Tisch. Faszinierend. „Sag‘ Bescheid, wenn sie Pfannkuchen wollen“, knurrte Anko und verzog sich in die Küche – wenn ihre Bestellung anders ausfiel, sollte Itachi das allein machen, dieser Vermerk schwang darin mit. Anko sagte dazu, sie sei nicht faul, sie vertraue ihm lediglich genug, um ihn selbst machen zu lassen. Hashirama drehte sich um. Itachi hielt unbewusst den Atem an – er war diesem Mann nie vorgestellt worden, kannte ihn nur vom Sehen, dennoch fragte er sich, ob Madara ihn vielleicht erwähnt hatte. Er trug nicht anderer Leute Feindschaften aus, aber er war dennoch unsicher, wie er sich verhalten sollte. Es geschah nichts. Hashirama zeigte keine Anzeichen von Misstrauen oder Feindseligkeit, noch schien er mit Itachis Anblick irgendetwas anfangen zu können. Seine Freundin tippte ihn an, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken – und bekam sie prompt. Selbst das funktionierte also bei den beiden. Itachi kam hinter dem Tresen hervor, während die rothaarige Frau Hashirama an einen Abend in einem Tanzlokal erinnerte, an dem genau dasselbe Lied gelaufen war und sie dazu getanzt hatten, das Tempo von ‚Tutti Frutti‘ sie aber so sehr überfordert hatte, dass sie aus dem Takt gekommen waren und fast ein anderes Paar zu Boden gerissen hatten. Sie lachten, und Itachi musste seine Überzeugung revidieren, dass solche Anekdoten eigentlich erst bei alten Eheleuten vorkamen. Und selbst dann hatte einer von beiden etwas zu nörgeln, es gab einen Haken an der Sache. Nur bei Hashirama natürlich nicht. Wann wurde geheiratet? Mr. Right schlug scherzhaft vor, hier zu tanzen, bis dahin hatte Itachi allerdings den Tisch erreicht. Er musste Anko schleunigst überreden, diesen Elvis-Kitsch abzuschalten, sonst kamen die beiden womöglich noch öfter hierher. Stammkunden waren nichts Schlimmes. Das war nur Madaras schadhafter Einfluss. Hashirama schien immer noch nichts zu argwöhnen, und er bestellte natürlich für seine Freundin mit, wie ein echter Gentleman, der zahlte. Sie hatten sich für schwarzen Kaffee entschieden, ein Stück Kuchen für Sie und Ingwerkekse für Ihn. Itachi hatte sein Lächeln mittlerweile geübt. Außerdem machten die beiden einen netten Eindruck, ganz gleich, was Madara darüber dachte. Und gerade, als Itachi sich desinteressiert abwandte, um Kaffee zu kochen, hörte er Hashirama, der bereits wieder an das Gespräch anknüpfte, sagen: „Übrigens, ich habe Madara gestern getroffen.“ … Und die Welt war klein und das Leben so unfair. ‘Cause it doesn’t Happen when you’re asleep Die Rothaarige runzelte kurz die Stirn, während sie sich erinnerte, von wem ihr Freund sprach. Die Falten glätteten sich nicht, weil ihre ebenso roten Brauen dann fragend hinauf wanderten. „Ich dachte, ihr nehmt euch nicht zur Kenntnis?“ Hashirama schüttelte den Kopf, aber als wahrer Gentleman fügte er auch nichts Beleidigendes hinzu, wie es sich angeboten hätte. Itachi hätte sich besser gefühlt, wenn er es getan hätte, sozusagen stellvertretend. „Er war out“, murmelte Hashirama und bewies damit, dass die Baseball-Legende in etwa der Wahrheit entsprach. Itachi konnte nicht noch langsamer gehen, was an ihm nagte, da die beiden das Thema noch weiter behandelten. Denn Hashirama teilte sein Leben ja mit seiner Freundin, er hatte keine Leichen im Keller und interessierte sich aufrichtig für ihre Meinung. Wann fiel dem Kerl endlich der verdammte Scheinwerfer auf den Kopf?! Itachi schaltete die Kaffeemaschine an, über die Musik hinweg hörte er immer noch die leisen Stimmen der beiden. Ausgerechnet jetzt konnte er nicht zuhören… Was für ein Dreck. Er goss den aromatischen Kaffee ein und stellte die Tassen samt Milch, Zucker und jeweils einem abgepackten Keks auf das Tablett. Mit etwas Glück hielten sie das für Arbeitseifer. „Das überrascht mich“, sagte die Rothaarige gedankenversunken, während sie im Takt zur Musik auf die Tischplatte tippte. Diese Geste ähnelte Anko sehr. „Er hat nicht abgelehnt“, entgegnete Hashirama in einem Tonfall, der keine weiteren Fragen stellte. Und etwas resigniert fügte er hinzu: „Ich mag keine Feindschaften, nicht solche Unnötigen.“ Seine Freundin lächelte ihm warm zu – allein dieses Lächeln erübrigte das „Und dafür liebe ich dich“, was dazugehörte. Itachi stellte die Kaffeetassen ab und legte die Papierservietten daneben, und er kam nicht umhin zu denken, wie falsch Hashirama diese ‚unnötige Feindschaft‘ einschätzte, Madara söhnte sich nicht einfach aus, dazu war er viel zu leidenschaftlich in seinem Hass. Just in diesem Moment wandte sie sich Itachi zu. Ihr Gesicht war angenehm herzförmig, eine vorwitzige Haarsträhne kringelte sich über ihrem Ohr. Sie war hübsch, auf eine geordnete, adrette Art, zu seriös, um sich in der Disco anbaggern zu lassen oder auf der Baustelle nachgepfiffen zu werden. „Können wir die Bestellung noch abändern, ohne Umstände? Ich hätte doch gern Pfannkuchen, was ist mit dir, Hashirama?“ Diesmal war Itachis Lächeln nicht gefälscht – er liebte diese Frau jetzt schon. Ob Hashirama jetzt tatsächlich einen Pfannkuchen wollte oder nur zustimmte, um seiner Freundin nicht zu widersprechen, er erhob jedenfalls keinen Einspruch und entschied sich für einen mit Goya-Soße, sie wollte heiße Pflaumen. Itachi notierte das gewissenhaft und hochzufrieden. Die beiden vertieften sich in eine angeregte Diskussion, als Itachi sie wieder allein ließ, es ging um ein bestimmtes Restaurant. Schien, als hätten sie das Thema Madara wieder beendet, schade. Aber vielleicht kamen sie ja doch noch öfter. Er gab Anko die Bestellung durch und räumte dann hinter dem Tresen auf, wobei er sich Mühe gab, leise zu sein. Eigentlich gab es nichts aufzuräumen, weil er keine Unordnung schuf, und Ankos Chaos war überschaubar und schnell zu beseitigen. Er schob also nur herum und wischte etwas. Die Pfannkuchen waren fertig, ohne dass Anko Laut gab, sie stellte nur die Teller hin. Sie mochte keine Pärchen, nahm Itachi an, und es wäre ein günstiger Moment gewesen, um mit ihr zu reden. Er hatte sie schließlich gefragt, ob sie mit ihm ausging, mindestens zehn Jahre älter als er, so ganz anders, so robust. Und wenn sie so still war, ging es ihr wahrscheinlich nicht allzu gut. Und trotzdem zog er Madara ihr vor. „Würde es dir denn nichts ausmachen?“, erkundigte Hashirama sich gerade, als Itachi wieder in Hörweite kam. Die Rothaarige lächelte nur. „Es ist besser so, oder? Wenn du mich dabei hast, seid ihr nicht alleine, und Frauen unter sich verständigen sich besser.“ Hashirama rührte seinen Kaffee um. „Ich habe ihn nicht gefragt, wen er mitbringen will, und er hätte es mir eh nicht gesagt. Madara ist so, glaub‘ mir.“ Itachi verbiss es sich, ihn zu korrigieren – Madara ließ nicht zu, dass man etwas gegen ihn verwenden konnte. Zum Glück bezahlte Hashirama offenbar gleich, vorbildlich, wie er war, und kramte erst in seiner Brieftasche herum, sodass Itachi stehen bleiben konnte. Wenigstens war er dann nicht so extrem organisiert, dass er sein Kleingeld immer parat hatte. „Du wirst es schon wissen. Dann holen wir es eben nach und gehen diesmal indonesisch essen.“ Die Rothaarige zwinkerte lächelnd, und Hashirama erwiderte ihr Lächeln. Selbst Itachi lächelte für einen Moment, und er war dankbar, dass die beiden zu verliebt waren, um es überhaupt zu bemerken. Well I wish you were closer than near I must be blind „Ich mache jetzt zu.” Ankos Tonfall war grimmig und schlecht gelaunt, er erlaubte keinen Widerspruch, dass es erst Mittag war. Sie schrubbte eine Pfanne aus, verlor dann nach der Hälfte die Lust und warf sie mit einem blechernen Scheppern zurück in die Spüle, wischte sich die verschmierten Hände achtlos an ihrer Jeans ab und hinterließ fettig-seifige Streifen. Itachi beobachtete sie gedankenvoll vom Türrahmen aus. Er hatte ihr angeboten, sie auszuführen, indirekt. Jetzt wäre der Moment. Er vermutete zumindest, dass sie sich erinnerte, doch sie überließ es ihm, ob er es erneuern wollte. Niemand ging gern mit einer Frau aus, die mies gelaunt war und ihre Hose dreckig gemacht hatte, außerdem hatte sie vorhin beim Pfannkuchenbacken einen Fettspritzer auf ihre binsengrüne Bluse bekommen. Liebespaare hatte sie quer gefressen, sie sollte mit jemandem reden. Jemandem, der jünger war als sie und sowieso keine Ahnung haben konnte, der alles nur abnickte, was sie sagte, weil er eh sonst nichts zu verkünden hatte. Jemand, mit dem sie umspringen konnte, wie sie wollte, und es nicht tat, weil sie eine Beißhemmung hatte, weil sie nicht auf jemanden losging, der doch eh keine Ahnung hatte. Itachi starrte auf die halb geschrubbte Pfanne. Deswegen waren halbe Sachen nichts, bi war nichts. „Soll ich hier aufräumen?“ Anko grunzte und rauschte an ihm vorbei. Sie warf ihm den Schlüsselbund mehr oder weniger zu, doch Itachi schaffte es nicht, ihn rechtzeitig zu fangen, klirrend fiel die schwere Sammlung zu seinen Füßen auf die Küchenfliesen. Itachi ging in die Knie, um ihn aufzuheben, froh, als sein Knöchel gegen die plötzliche Beugung nach dem ständigen Laufen protestierte und einen trockenen Schmerz seinen Unterschenkel hinaufschickte. Anko schlug die Tür zu, wie immer, und sie schwang wieder auf, Glöckchen klingelten, ein kalter Aprilwind zog durch das Café wie ein schlechter Scherz. Er hatte es ja verdient. ‘Cause I must remember to forget you And I must remember you can’t seem to Kaum zwanzig Minuten später klingelten die Glöckchen wieder und hießen somit einen neuen Besucher willkommen, den Letzten für heute. Das ‚Geschlossen‘-Schild hing bereits an der Tür, Itachi hatte die Pfanne gespült die Tische abgewischt und die Stühle hochgestellt, nur die Sitzecken blieben unberührt und wartend. Itachi hatte überlegt, sich umzuziehen, doch letztendlich hatte er es gelassen. Er war beschäftigt gewesen, es gab immer irgendetwas aufzuräumen, wenn Anko nicht da war. Und jetzt war es soweit. Madara zog seine Jacke nicht aus, er betrachtete das offenbar nicht als längeren Besuch. Wie um das zu unterstreichen blieb er mit verschränkten Armen vor der Tür stehen. Das Elvis-Gedudel lief immer noch, was auf einer Skala von eins bis zehn einer musischen Beleidigung gleichkam. Schlimmer war noch Lawrence Welk. Ansonsten… Wenn diese Uniform mal kein schmutziges Fetischist-Item war. Itachi konnte es gerade noch lassen, lasziv den Rücken in ein Hohlkreuz zu drücken, das ging in dieser verruchten Weste ganz gut. Klasse, er konnte seine sexuelle Orientierung immer noch zwischen hetero-verwirrt und stockschwul pendeln lassen. Sp(r)itze. „Also?“ „Setz dich.“ Itachi deutete auf eben die Sitzecke, die Hashirama und seine Freundin vorhin genommen hatten. Itachi war schneller, setzte sich auf den Platz der Rothaarigen. Würde Madara vielleicht das Sagrotan herausholen, wenn er wüsste, welches Hashirama-kontaminierte Stück Leder sein holder Arsch gerade okkupierte? Madara hielt die Arme immer noch verschränkt. Sein Haar war zerzaust, er wirkte, als habe man ihn gerade aus dem Bett geholt. Tatsächlich hatte er am Telefon verschlafen geklungen. Seiner überbordenden Arroganz tat es keinen Abbruch. Itachi hätte sich nicht gewundert, wenn hier irgendwo Kameras laufen und die Musik gleich von Elvis auf ‚Je t’aime‘ übersprang. „Du steckst in der Scheiße.“ Itachi ging über seinen plötzlichen Ausbruch an semi-erotischen Fantasien hinweg und musterte Madara auffordernd. Dieser ließ desinteressiert einen Bierdeckel zwischen seinen langen, schönen Fingern entlangwandern. Verdammt, seit wann konnte er das? Und seit wann sah das eigentlich gut aus, es war ein Bierdeckel, bitte… „Jesus, Doktor, wie bist du nur darauf gekommen? Ach, ich vergaß, du hast es ja selbst-“ „Du bist mit Hashirama verabredet, diesen Samstag. Damit eure dämliche Feindschaft endlich beenden könnt.“ Itachi legte sein Kinn auf seine verflochtenen Finger, die Ellbogen stützte er auf den frisch gewischten Tisch. Der Tisch, von dem er winzige Soßenspritzer entfernt hatte und der jetzt bereit war für so viel Unreineres… Sexuell frustriert war er also auch. Nicht gerade der Selbstfindungstrip, den Itachi wollte, aber er nahm die Dinge, wie sie kamen. Eine steile Falte oberhalb von Madaras Nasenwurzel suggerierte vage, dass er diese Meinung nicht vertrat. „Was soll das?“ „Hast du ihm nicht gesagt, dass du ohne Begleitung kommst?“ „Wer sagt denn so was?“ Der Bierdeckel hielt inne, als brauchte Madara die Konzentration für die Bewegungsabfolge momentan für seinen gelassenen Tonfall. „Aber es stimmt, oder?“ „Madara…“ ‚Es ist was Tolles, wenn man erkennt, dass man immer noch die Fähigkeit besitzt, sich selbst zu überraschen.‘ Filmzitat, doch Itachi stellte fest, dass es noch befriedigender war, wenn die Überraschung des anderen größer war als die eigene. To the unspoken question I say: ‘Will you have me?’ “Du blamierst dich, wenn du alleine aufkreuzt oder das Treffen platzen lässt.” Eine nüchterne Feststellung am Rande. Itachi schlug die Beine übereinander, auch wenn seine Weste diese Körperhaltung missbilligte. Das blöde Ding zwang einen geradezu, sich immer gerade zu halten, darauf war es zugeschnitten. Madara betrachtete ihn schweigend. Der Bierdeckel wanderte wieder zwischen seinen Fingern, doch Itachi sah diesmal nicht zu. „Und wenn ich dich recht verstehe, kannst du jetzt aufhören, Hashirama zu hassen, du hast ja mich.“ Itachi wusste, dass es kindisch, nein, melodramatisch gewesen wäre, wenn er das ‚S‘ in ‚hast‘ noch länger gezogen hätte. Doch die bedeutungsvolle Pause musste sein, und Madara widersprach ihm auch nicht. Belehrte ihn nicht darüber, wie tiefschürfend eine echte Männerfeindschaft war. Der Bierdeckel kippte über den Rücken des Mittelfingers und glitt problemlos unter den Zeigefinger. „Ich kenne eine Frau, die mit dir ausgehen würde.“ Wieder eine Pause, diesmal kürzer. Itachi lächelte – es war dieses lästige Mona-Lisa-Lächeln, das alles bedeuten konnte. „Allerdings hasst sie indonesisches Essen.“ „Ach.“ Es war endlich mal eine Reaktion von Madara, auch wenn er nicht beeindruckt klang. „Sie raucht.“ Was für Madara wahrscheinlich ein Pluspunkt war. Zwei, genauer gesagt, weil erstens er rauchte und Hashirama zweitens keine Raucher mochte. Itachi glaubte keinen Moment, dass Madara seine Feindschaft wirklich aufgeben wollte, ganz egal, ob er einen Ersatz gefunden hatte. „Sie kichert nicht und macht gute Pfannkuchen.“ Viel mehr fiel Itachi nicht ein, was er für Anko vorbringen konnte. Und es reichte auch, Madara stellte keine Anforderungen an Dates, das wusste er aus eigener Erfahrung. Oh Moment, er stellte keine Anforderungen an Bettgeschichten, Dates hatten sie ja keine gehabt. „Und dann hört sie nebenbei diese Scheißmusik“, warf Madara ungerührt ein und balancierte den Bierdeckel auf seinem ausgestreckten Zeigefinger. „Geh mit ihr aus.“ „Warum sollte ich etwas tun, was du mir sagst?“ Weil Itachi hier die überlegene Autorität war? Er wusste es selbst nicht. Und er versuchte auch nicht, so zu tun. „Sie könntest du nicht manipulieren.“ „Versuchst du gerade, mich nachzumachen? Mich kannst du nicht manipulieren“, stellte Madara fest und gähnte leise. Itachi fragte sich, ob er Langeweile zur Schau stellte oder wirklich müde war. „Gut, dann geh mit Hidan, das wird sicher ein wunderbarer Abend. Oder leih‘ dir Konan aus, die springt dir ins Gesicht, weil du das chauvinistische Ideal der Tischdame am Leben hältst.“ „Merkst du nicht, dass du immer wieder mit demselben anfängst?“ Itachis Hand zuckte; er wollte Madara dafür ohrfeigen, ihm eine knallen, wirklich. Doch das wäre nur der Beweis, dass Madara Recht hatte. Langsam verzog er die Lippen, lächelte träge, ob es ihm gelang, wusste er nicht. „Du wirst dich blamieren. Hashirama wird dich immer für einen zurückgebliebenen Idioten halten, einen Kindskopf, wenn du nicht erwachsen wirst.“ „Fick dich endlich, Itachi.“ „Siehst du, was ich meine?“ „Kann ich gehen, Süßer? Kinder müssen früh ins Bett.“ „Sei vernünftig und söhn‘ dich nicht mit ihm aus.“ ‘Cause I must remember to reject you And I must remember you can’t seem to Madara wirkte überrascht, für einen Moment zumindest. Er ließ den Bierdeckel nicht fallen, das wäre zu klischeehaft gewesen. Er nahm ihn in die Hand, legte Daumen und Zeigefinger an die Kanten. Die recycelte Pappe wölbte sich unter dem behutsamen Druck leicht nach oben. Itachi fuhr sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. „Ich glaube nicht, dass ich das vorhabe“, sagte er schließlich. „Seine Freundin scheint nett zu sein.“ „Mito? Ich hasse diese Frisur, sieht aus wie Spaghetti. Sie ist erst so spießig, seit sie mit ihm ausgeht.“ Itachi wurde allmählich bewusst, wie wenig er eigentlich über Madaras Bekannte wusste. Madara hatte über seine Bekannten etwas zu wissen, das war alles. „Bist du dir sicher?“ „Dass sie spießig ist? Sie hat diese-“ „Kann man wirklich spießig werden, wenn man mit einem Spießer ausgeht?“ Er sah das Aufflackern von Wachsamkeit in Madaras dunklen Augen, der Pappdeckel wölbte sich weiter. Der Papierbezug der Biermarke warf eine kleine Falte. „Es war klar, dass Hashirama sich unbedingt eine Braut sucht, deren Charakter schwach genug ist, um-“ „Weich mir nicht aus.“ „Unterbrich mich nicht.“ Madaras Stirn furchte sich gereizt, er taxierte Itachi ungeduldig. „Im Übrigen sind wir nicht ausgegangen.“ „Ich weiß, ich weiß, du bist nicht zu beeinflussen. Willst du Pfannkuchen? Wir haben noch Kalte.“ „Ich bleibe nicht. Aber mach Elvis aus.“ Der sang gerade ‚Tonight’s Allright For Love‘. Itachi hätte die Anlage zertrümmern können für diesen Mist. Oder Anko für ihren Musikgeschmack. Obwohl der ihr auch die Chance auf ein Date verbaut hatte, es war in Ordnung. Nichts in der Welt war fair, und Itachi wusste schon, dass er scheiße war. Er streckte die Hand aus und drückte Madaras Finger zusammen. Sie wehrten sich nicht, als der Bierdeckel mit einem leisen Knistern in der Mitte einknickte, Pappfasern stachen daraus hervor. Das war einfach besser, als wenn man plump seine Nummer da schrieb oder einen Lippenstiftkuss darauf setzte. „Jetzt hast du’s kaputt gemacht.“ „Ja, schon wieder“, bemerkte Itachi mit trockener Ironie. Ein Lächeln flackerte in Madaras Augen auf, das erste Mal seit der Beschädigung der Hornisse. Man musste ihn wirklich nicht verstehen, und Hashirama würde das nie tun. „Dann mach dieses verdammte Versöhnungsessen doch kaputt.“ „Gerne.“ ‘Cause I must remember to forget you And I must remember you don’t seem to… fin Kapitel 12: Everybody Have Fun Tonight -------------------------------------- Everybody Have Fun Tonight Untertitel: Der Böse kriegt das Mädchen Hier haben wir eine echte Achtziger-Klamotte aus 1986, ‚Everybody Have Fun Tonight‘ von Wang Chung, auch stimmungstechnisch sehr… angemessen. Außerdem ist mir unverbindlich aufgefallen, dass dieses Werk letzten Monat einjähriges Bestehen hatte. Aber ihr wollt dafür sicher kein doofes, inhaltsloses Bonuskapitel, das sowieso nur Crack ist. Und nein, das ist keine Frage. :) Enjoy! Jeder Mensch hatte das Recht auf Reue. Es war Samstagabend, und Madara würde dafür sorgen, dass dieses Recht ausgelebt wurde, und nicht von ihm. Die Menschheit bekam ihre Rechte in dieser Zeit nur noch in den Arsch geschoben, Antiquitäten von vorherigen Generationen, und sie interessierten sich einen Dreck dafür. Wenn man wählen ging, das Recht auf freie Wahl, ließ man eben ein anderes Recht aus, man äußerte seine Meinung nicht oder ließ sich von einer Religion indoktrinieren. Es war das Recht jedes jungen Menschen, die Welt so zu kritisieren und sich ihr anzupassen, Anarchie und Anpassung fing beides mit A an. Wenn man das noch länger machen wollte, studierte man BWL oder Philosophie und wurde dann Politiker. Oder man interessierte sich nur für ein einziges Recht und überließ den anderen ihre Gesellschaftskritik. Madaras Feuerzeug zischte und fauchte wie ein wütender Feuersalamander. Interessanterweise war es auch schwarz-gelb und spuckte eine dünne Flamme, brannte die Zigarettenspitze an. Jeder, der mal einen wütenden Feuersalamander am Schwanz festgehalten hatte, kannte die Komik, wer nicht, verpasste nichts. Der Rücksturz in Schulerinnerungen war sowieso nicht Madaras Ding, aber es ließ sich auch nicht abwenden. Zurück zum Terrarienputzen, Fahrenlernen und Baseball, wo er sich die Kniescheibe herausgesprengt hatte, und verdammt, er hatte danach fast geheult. Das war scheiße, und er fand, wenn er sich schon dem Treffen mit seinem Erzfeind und seiner Exfreundin stellte, sollte er wenigstens Izuna dabeihaben. Der hatte ihm damals auch die Kniescheibe zurechtgerückt, er kannte sich also mit allem aus. Itachi neben ihm schwieg. Sie warteten auf den Bus, es war kalt und windig, doch sie hielten formellen Abstand zueinander. Der Qualm der Zigarette wurde vom Wind schnell auseinandergetrieben, die rauchige Grenze verweht, Itachi wischte sich die Augen und hustete leise. Aber er sagte auch nichts dagegen, sondern vergrub das Gesicht tiefer in seinem Schal wie in einer Gasmaske. Und für eine Gasmaske war graugrün eine noch relativ fröhliche Farbe. Sie würden sich in einer halben Stunde vor dem Lokal treffen, das Hashirama und Mito ausgewählt hatten, Madara wusste schon, dass sie es nicht pünktlich schafften. Es interessierte ihn auch nicht, es gehörte dazu, spät zu kommen. Denn es war ja kein Duell, zu so etwas wäre Madara niemals zu spät gekommen, es war ihr Zusammentreffen der allgemeinen Vernunft. Itachi verschränkte die Arme fester und fröstelte. Er trug eine dunkle Stoffhose, Madara Jeans. Itachi trug ein gebügeltes Camouflage-Hemd (der Gegensatz da tat irgendwie weh), Madara einen anthrazitfarbenen Rollkragenpullover. Itachi war viel passender angezogen, adrett und zwanglos zugleich. Sie hatten nicht miteinander gesprochen, seit sie sich hier getroffen hatten – an einer Bushaltestelle, richtig, nicht bei irgendwem zu Hause. Das wäre sowieso nur ein Umweg gewesen, und die Hornisse war noch nicht wieder fit. Und Hidan, ganz der rachsüchtige Brautvater, würde sich auch erst völlig mit der Reparatur anfreunden können, wenn er den Schänder gefunden hatte. Übrigens, mit Madara als Schwiegersohn war er auch nicht ganz glücklich. Hätte er sich denn den dämlichen Stein aus dem Auspuff ins Gesicht rammen sollen?! Der Bus hatte mit quietschender Karosserie vor ihnen gehalten, die Türen hatten sich geöffnet. Itachi war sogar schon eingestiegen, von dort aus überragte er Madara um eine Handspanne. Er drehte sich um, schien die Hand ausstrecken zu wollen. Madara ließ seine halb abgebrannte Zigarette fallen und trat sie aus, wie sonst nie, den Kopf gesenkt, als sähe er es nicht. I’ll drive a million miles To be with you tonight So if you’re feeling low Turn up your radio Hashirama und Mito warteten ebenfalls auf sie, auch wenn die beiden wahrscheinlich zusammen gekommen waren. Mit einer gewissen Erleichterung nahm Madara hin, dass Mito ihr Haar zwar wieder aufgesteckt hatte, aber wenigstens nicht diese Pucca-Zöpfe trug. Das ließ sie zu niedlich aussehen, und Madara mochte keine niedlichen Dinge. Aber sie lächelte, als sie ihn sah. Angeblich wirkten Frauen ja erst attraktiv, wenn sie einen Freund hatten. Allerdings fand Madara bissigerweise, dass Hashirama überhaupt nicht wirkte wie ihr Freund, oder präzise, nicht wie der Kerl, der sie nachts flachlegte. Wenn er sich nicht eigentlich zufällig hierher verirrt hatte, machte er den Eindruck ihres deplatzierten Vaters oder Onkels – er hielt ja nicht mal ihre Hand. Er hatte nicht den Arm um sie gelegt, und sie standen ordentlich auseinander, wie die Zinnsoldaten. Sie schauten sich nicht an. Sie hätten ebenso an der Bushaltestelle warten können wie Madara und Itachi vorhin. Nein, das ging in die falsche Richtung. Als wäre es nur so ein kurzer Sprung zu falschen Schlüssen. Während Mito Madara ansah, wanderte Hashiramas Blick zu Itachi. Ein Königreich für das, was hinter dieser Madaras Meinung nach zu hohen Stirn vorging. Es war wie ein Hinweis. Die Welten prallten aufeinander, und Madara erwiderte Mitos Lächeln mit allem Charme, den er aufbringen konnte. Und ihn kennend, Performance aus dem Steigreif war genau sein Ding. „Ich hoffe, du hast nicht zu lange gewartet?“ The words we use are strong They make reality But now the music’s on Oh baby dance with me, yeah Das von dem Paar ausgesuchte Restaurant war nett, auch wenn es für Madaras Geschmack zu sehr darauf anspielte, exotisch sein zu wollen. Es roch nach Zitronengras, es lief komische Flötenmusik – Mito nannte es ‚Angklung‘ – und man wurde von komischen Götterbildern angegrinst. Dann musste das Essen hier ja himmlische Unterstützung nötig haben. Sie lachte, als er das sagte. Hashirama ignorierte es und Itachi rollte mit den Augen, aber Mito lachte. Sie suchten sich einen Fensterplatz, wo die Fronten sich klar aufteilten. Es waren keine Stühle, sondern zwei Sitzbänke, und Hashirama als Gentleman ließ seine Freundin zuerst aussuchen, und sie nahm den Platz am Fenster. Unter ihrem Mantel trug sie ein dunkelviolettes, schlichtes Kleid, konservativ genug für das vorige Jahrhundert, fand Madara. Sie war doch noch nicht verheiratet, und selbst wenn, was lief sie denn herum wie eine Spießerin… Hashirama nahm ihren und seinen Mantel mit zur Garderobe, und Itachi tat dasselbe mit seinem eigenen. Madara schnaubte leise, zog seine Jacke aus und warf sie lose über die Lehne, dann setzte er sich auf den Platz gegenüber von Mito. Er würde sich nicht zu Hashirama setzen, das konnte Itachi übernehmen. Der ja leider kein Mitspracherecht hatte, solange er darauf bestand, seinen Mantel aufzuhängen wie ein Streber. Es mochte die Umgebung sein, aber Madara war minimal reizbar. Von dem Paravent hinter Mito grinste ihn ein fetter Elefant an, da sollte noch jemand nicht reizbar werden. Mito musterte ihn neugierig, die Beine damenhaft übereinandergeschlagen. Sie hatte sich dezent geschminkt, ihre Nägel waren nicht lackiert. Madara widerstand der Versuchung, sich unter den Tisch zu beugen, um nachzusehen, was für Schuhe sie trug. Er hatte schon eine dunkle Ahnung. Wie spießig war sie eigentlich geworden?! „Deine Haare sind gewachsen.“ Mito nickte langsam, wie um ihre eigenen Worte zu bekräftigen. „Früher gingen sie dir nur bis hier hin.“ Sie zeigte auf ihre Armbeuge und lächelte. In diesem Moment kehrten Hashirama und Itachi zurück, jeweils mit einer Menükarte, die ihnen die zerstreute Bedienung ausgehändigt hatte. … Und die beiden sprachen auch noch miteinander. Hashirama fragte nach Itachis Studienfach, und sie vertieften sich in eine zögerliche Konversation. Auch das noch, Anbiedern beim Feind. Und wohin waren Hashiramas Manieren sublimiert, dass er seine Freundin und sich nicht zuerst vorstellte wie der gut erzogene Junge, der er war? Alles an diesem Abend schrie danach, in Jack Daniels ertränkt zu werden. „Deine Haare sind auch gewachsen. Ich meine, ich weiß noch ziemlich genau, dass sie genau bis hier gingen.“ Madara schmunzelte, als er Mitos Wortlaut imitierte, und seine Hand verschwand hinter seinem Rücken, sank tiefer. Es war klar, wo sie gerade lag, und dass es doch keiner genau sah, war Teil des Effekts. Mito errötete züchtig, Hashirama zog die Stirn kraus, und Itachi schien sich in Position zu bringen, falls er kotzte, würde das zielsicher in Madaras Schoß landen. Jeder auf verschiedene Art, und sie alle lebten gerade ihr Recht auf Reue aus. Ev’rybody have fun tonight Ev’rybody Wang Chung tonight Ev’rybody have fun Die Speisekarte war unleserlich. Wahrscheinlich war das noch Absicht, dann wusste der Gast wenigstens nicht, was ihm nicht geschmeckt hatte. Madara gestattete beim Aussuchen eine Atempause, das Pärchen gegenüber amüsierte sich im Flüsterton über ein fremdes Wort, das irgendeinen unverständlichen Witz barg, den nur sie witzig finden konnten. Da es pro Bank nur ein Menü gab, beugte Madara sich zu Itachi und blickte über dessen Schulter. „Seit wann hast du dir ein Loch stechen lassen?“ Itachi löste den Blick nicht von den unerklärlichen Gerichten auf der Karte, nur ein unmerkliches Schaudern ging durch seinen Körper. Madara sah es nicht, aber er ahnte es. Er hatte eine feine Antenne, das war irgendwann unabdinglich geworden. „Seit vorgestern. Mit der Ohrlochpistole“, erwiderte Itachi ausdruckslos. Und direkt darauf, leiser: „Du könntest dich zusammenreißen.“ Wenn das mal keine Änderung in der Gangart war. Hatte Itachi etwa seine spontane Zuneigung zu Hashirama entdeckt? Oder wollte er ganz einfach nicht, dass hier geflirtet wurde? Bitte, der Freund saß gleich daneben, und das war immerhin die Ex, wer würde denn so kleinlich sein… Letztlich beschlossen sie, alle dasselbe zu bestellen. Das joviale Gelächter blieb aus, aber wenigstens blieb es ihnen ebenso erspart, denjenigen gierig anzustarren, der zufällig ein essbares Gericht ergattert hatte. Denn das Restaurant war nicht vorher getestet worden, und für einen Samstagabend war es hier auch erstaunlich leer. Soso. Appetit holt man sich woanders, gegessen wird zu Hause. Just in dem Moment fing Madara Mitos Blick auf. An der Art, wie sie diesen hastig senkte, las er ab, dass er das nicht hatte bemerken sollen. Allerdings sah sie nicht weg, sondern betrachtete seine Hände, die lose verflochten auf der Tischplatte lagen. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, also… hat sich sicher viel geändert.“ Mito spielte mit einem ihrer Ohrringe, der angesichts ihres feuerroten Haars verblasste. Klar hatten sie sich lange nicht gesehen, seit dem Schulabschluss. Und seit sie die blöde Idee gehabt hatte, ihrem Freund in eine andere Stadt zu folgen. Solchen Mist redeten Menschen auch wirklich nur, wenn man sie ertappt hatte. Mito fing sich allerdings schnell. „Was machst du jetzt so, als Hobby?“ Sie sprach nicht über Berufliches, Arbeit zu Arbeit und Freizeit zu Freizeit. Dann betrachtete sie das hier also als Freizeit? Da hatte wohl keiner ihren göttlichen Hashirama nach gefragt. Madara wusste, wann man ihm eine Chance bot. Die Hornisse war genau das, wofür Mito sich interessieren würde, wovon sie zwar nicht allzu viel Hintergrundwissen hatte, was sie aber gern hörte. Schade, dass das Ding gerade nicht lief. „Er schreibt gern Gedichte.“ Itachi war schneller, er verzog keine Miene. Erstaunlich, wenn er gerade so eine infame Lüge in die Welt setzte… Er wusste ganz genau, dass Madara das sicher nicht gern getan hatte! Hashirama sprang auf den Zug auf, bevor er vorbei war. Und bevor Madara die Bahnschranken hochfahren konnte. „Ja, Tobirama erwähnte das.“ Grinste der Kerl etwa? Hashirama, musste der nicht immer tolerant sein und alles in Ordnung finden, auch poetisch aufstrebende Männer? Madara konnte sich dieses belustigte Grinsen nicht einbilden. Verdammt, wäre das nicht zufällig gegen ihn gerichtet, hätte es Hashirama für Madara ein Fünkchen sympathischer gemacht. Mito musterte ihn lächelnd. Lächelnd, nicht grinsend. „Schön.“ Das war dieses Kindergärtnerlächeln, das Izuna auch in petto hatte, aber immerhin unterschied ihre Reaktion sich von der Hashiramas – gotcha. Deshalb hatte es mit ihnen auch funktioniert. Eine Weile. Shall I compare thee to a winter’s day? Itachi grinste weder, noch lächelte er. Er rieb sich gedankenversunken über das frische Loch in seinem linken Ohrläppchen. Rip it up Cool down Rip it up And get the feeling not the word Bis die Getränke gebracht wurden, kränkelte der Smalltalk angestrengt vor sich hin. Man stellte sich allgemein vor, wobei Itachi es übernahm, seinen Namen selbst zu sagen. Und Hashirama stellte auch nicht die Dame vor, denn das waren ja so verdammt aufgeklärte Zeiten, wenn Frau was zu sagen hatte, sagte Frau das. Die Vermutung, dass das Pendel bei Madara leicht in den Chauvinismus schwang, war nicht falsch, aber das sollte ihm erst mal einer nachweisen. Immerhin, Itachi war sowieso keine Frau. Und man konnte ihn auch nicht gut vorstellen, außer mit ‚Ex-Mitbewohner‘. Und das klang sentimental. Die Getränkekarte war übrigens leserlich gewesen. Und obwohl dieser Abend nach Gin Tonic ohne Tonic schrie, war Madara wunderbar vorbildlich. Und auch ihn erwischte das Recht auf Reue, als er sein Glas mit einer Flüssigkeit in einem ziemlich hässlichen Gelb beäugte. Itachi hätte es Hornissen-Gelb genannt, aber den fragte ja keiner und der Bastard war sowieso feige und hatte Wasser bestellt. Guavensaft. Und Madara würde nicht aufzählen, wofür man dieses Zeug noch halten konnte. Er hatte eh schon keinen Appetit, aber das hier… „Nur zu – Guaven sind unheimlich gesund, extrem viel Vitamin C. Vor allem der Blättersaft…“ Mito sah ihn an, und er sah sie an. Weil er einfach wusste, dass sie jetzt irgendetwas Schräges sagen würde, was ihm den Appetit noch mehr vermieste. Madara war prophetisch veranlagt, was Menschen anging, die er kannte. Aber wenn das wirklich stimmen würde, hätte er die Hornisse nicht draußen stehen lassen, wo ihre Scheiben zerdeppert wurden. Wenn er Itachi wirklich eingeschätzt hätte, hätte er gewusst, was zu vermeiden war. Und wenn er sich richtig kennen würde, wüsste er auch, ob er es selbst herausgefordert hatte oder nicht. „… hilft gegen Durchfall.“ „Ich liebe deine subtile Art, mir auszudrücken, dass ich beschissen aussehe.“ Mito lachte leise, während ihr ewig zuverlässiger Hashirama sich weiter dem Thema moderne Poesie beschäftigte, und Itachi mit ihm, lyrische Heuchler, alle beide. „Du bist ja so ein Sensibelchen. Komm schon, lass mich probieren.“ Mito streckte die Hand nach dem Glas aus, und Madara schob es ihr zu. Ihre Finger berührten sich flüchtig vor der Kulisse dieser pissgelben Brühe, und Mito wirkte für einen Moment abwesend. Sie sah Madara an, als sie an dem Glas nippte, verräterische Grübchen blitzten an ihren Mundwinkeln auf. Madara stützte sein Kinn in ebendiese Hand, ein Durchschimmern seines typischen Lächelns huschte durch seine Augen. Madaras Augen konnten lächeln, dann vertieften sich die alterslosen Linien um die Lider und ließen sein Gesicht weniger schroff, weicher erscheinen. Und seine ausdrucksstarken Augen machten einen Gutteil seines eigenwilligen Charmes aus, das wusste Madara. Hashirama schöpfte keinen Verdacht, als Mito sich eine Haarsträhne um den Finger drehte und die hübschen Grübchen sich lautlos vertieften. Deep in the world tonight Our hearts beat safe and sound I’ll hold you so close Just let yourself go down Mito und Madara waren in der Schule miteinander gegangen – zu der Zeit nannte man das so, denn gegangen wurde immer eine Menge. Zur Schule, zum Unterricht, zum Sport, zu irgendwessen Zimmer, zum Kino, zum Date, zum Restaurant, zum Schwimmbad, und wieder von vorn, Rückwege nicht eingerechnet. Jedes Pärchen machte das durch, so wenig sie auch sonst gemeinsam hatten. Ansonsten war da nicht viel gegangen. Oder es ging alles zu langsam. Mito ging die Dinge gern langsam an, und Madara ging mit, und das ging ihm dann irgendwann auf die Nerven. Nicht, dass er von sich aus unsensibel und triebgesteuert war, das war es nicht. Madara hätte eh ungern mit jemandem Sex gehabt, mit dem er auf eine Schule ging, und es war auch nicht so, als wäre er nur mit Mito ausgegangen, weil Izuna schon eine Freundin hatte und er nicht vom Jüngeren abgehängt werden wollte. Und dieses ganze Gehen konnte nicht gesund sein. Mito war eine gute Freundin. Sie kam zu den Matches der Baseballmannschaft, in der Madara spielte, und sah manchmal auch beim Training zu, und sie verstand, warum das wichtig war, man musste sie nicht überreden. Sie schaute sich auch die Filme mit ihm an, die sie nicht interessierten, und half ihm bei den Hausaufgaben, wenn sie darum gebeten wurde. Sie ließ ihn Verabredungen verschieben, wenn ihm etwas dazwischenkam, und sie war nicht gleich eingeschnappt, wenn sie abends mal nicht alleine waren, weil irgendwelche fehlgeleiteten Idioten noch vorbeigeschneit waren und nicht abhauen wollten. Madara hielt sich auch an ihre Spielregeln. Keine blöden Bemerkungen vor ihren Freundinnen, keine überschäumende Eifersucht, gelegentliches Mithelfen bei einem ihrer schultechnischen Projekte, Recht auf freie Meinungsäußerung und kein Knutschen auf den Fluren. Nun konnte Madara durchaus die Klappe halten, er neigte nicht zu extremer Eifersucht, weil ihm sowieso niemand Konkurrenz machen konnte, für’s Mithelfen gab es meistens Pizza oder Enchiladas, verwertbare Naturalien also, und das mit den Fluren war annehmbar, solange Knutschen im Auto okay war. Und was die Meinungsäußerung betraf, sie waren sehr kommunikativ. Mito war immer etwas bieder, aber nicht langweilig gewesen. Langweilig war etwas Anderes gewesen. Es gab kein Konfliktpotenzial, sie stimmten völlig miteinander überein, der Zündstoff fehlte. Und nachdem die erste rosarote Begeisterung vergangen war (‚verliebt‘ war nicht das richtige Wort, eher ‚verknallt‘), fiel das auf. Madara hatte gewusst, dass er nur gegen eins ihrer Verbote angehen musste, um sich den erwünschten Funken zu schaffen, aber das war zu primitiv. Nicht das Vorgehen selbst, sondern die fehlende Unterscheidung des Konflikts. Es half ihm nichts, sie wütend zu machen oder zu verletzen oder beides. Die Beziehung war in die Brüche gegangen, Mito hatte Schluss gemacht. Madara ging es danach nicht besser, allerdings ging es ihm erheblich besser, nachdem er sich im Vorgarten eine Rauferei mit Izuna geliefert hatte, der versucht hatte, ihn und sein gebrochenes Herz zu trösten. Da ging wieder einiges gut, und dass Madara die Pest als Bruder war, sollte keinen wundern. Und dann war da Hashirama. Der unglaublich kompetente und gebildete junge Mann mit seinen dämlichen braunen Haaren (hätte Madara nicht gewundert, wenn er insgeheim blond gewesen wäre), der Mitos Vorliebe für soziale Projekte teilte, sich kulturell wertvolle Filme gern ansah, keine stupiden Sportarten spielte und dessen Terminplan so ordentlich war, dass niemand unangekündigt aus der Reihe tanzen konnte. Oder das wagte. Und er hatte auch einen jüngeren Brüder, einen blöden Albino-Spinner, mit dem er sich nie prügelte. Hashirama, der auch dann für andere eintrat, wenn sie nicht zur Mannschaft gehörten, der auch dann höflich war, wenn er schlechte Laune hatte, und der genauso konzentriert über die Entschlüsselungsmöglichkeiten von R.E.M.-Lyrics nachdachte wie Mito (und Madara hörte sich einfach nur die Musik an). Das war einfach Schicksal. Und ja, erst dann hatte Madara zugelassen, dass man ihn tröstete. Izunas Noten waren nur halb so gut wie Tobiramas, aber dafür war er ein doppelt so guter Bruder. Mit der eisernen Konstitution eines Boxers. Er hatte es einfach verdient, eins auf die Nase zu kriegen, wenn er anmerkte, Madara sei wie eine weibliche Gottesanbeterin, nachdem er die männliche Gesellschaft nicht mehr brauchte, würde er sie eben auffressen. „Ich war überrascht, dass du deine Freundin nicht mitgebracht hast.“ Mito sagte das völlig vernünftig, ohne diesen übertrieben neugierigen Beiklang, der einen quasi zwang, das Ganze aufzuklären. „Hab’s nie behauptet.“ „Mit dir zusammenzuleben und mit dir zusammenzusein ist doch vergleichbar, oder?“ Es war eine blöde Frage, aber Mito lächelte, sie meinte es nicht ernst. Woher sollte sie auch wissen, wie umgänglich Madara war, wenn man mit ihm zusammenwohnte? Samstags war er in Ruhe zu lassen, und die Kalligraphie kam runter von den Wänden, das war alles. Die Unordnung in den Küchenschränken musste sowieso Itachi beseitigen. „Sag du’s mir.“ Madara warf einen bedeutungsvollen Blick auf Hashirama. Halb erwartete er, dass Mito tadelnd den Kopf schüttelte, aber ihr Lächeln vertiefte sich. „Hast du eine Ahnung. Wir haben erst gestern, als wir endlich die Fenster putzen wollten…“ Sie unterbrach sich, offenbar war kurzzeitig der Drang, über ihr Alltagsleben zu lästern, mit ihr durchgegangen. Während ihr Freund neben ihr saß, das war… scheiße. Und vielleicht war es sogar eine Art Hilferuf aus Langeweile, vielleicht war insgeheim dasselbe Problem aufgetreten. Und vielleicht bereute Mito auch, dass sie sich von Madara getrennt hatte. Man konnte viel in so ein verlegenes Schweigen hineininterpretieren. Aber Mito war auffällig wenig an Itachi interessiert, sich mit dem Exfreund so intensiv zu beschäftigen war schon fast unhöflich. „Ihr putzt zusammen die Fenster“, wiederholte Madara skeptisch. Wenn es etwas Unerotischeres gab als gemeinsame Hausarbeit, dann war es nur gemeinsames Benutzen des Bads. „Es muss gemacht werden.“ Mito hatte wieder ihren Erziehertonfall angelegt und trank einen Schluck Tee, auf den hatte sie übrigens bestanden. Sie wollte sich offenbar nicht kritisieren lassen, ob sie nun hinter diesem Spießertum stand oder nicht. Also noch mehr peinliche Details aus seinem Leben, oder noch mehr ungezogene Sprüche? Allzeit bereit. „Es ist falsch, dabei Kopftücher zu tragen. Aber ich denke, es ist richtig, sich ausgleichend auszuziehen.“ „Halt die Klappe, Madara“, schaltete Hashirama sich routiniert ein, und Itachi trat dem Teufling zur Strafe gegen den Knöchel. Für so etwas unterbrachen die beiden also ihren Diskurs. Aha, man kam der Sache näher. Rip it up Cool down Rip it up Get out what’s inside of you Madara war Mitos erster Kuss. Hatte sie ihm erzählt, und sie hatte es nicht schlimm gefunden, dass er seinen wie das verfleischlichte Klischee bei irgendeiner dummen Wette verschlampt hatte. Im Gegenzug hatte er ihr umsichtig verschwiegen, dass die Wette von Izuna ausgerichtet worden war und wem das Ganze zuteil geworden war. Und es war ohnehin besser, wenn das nie jemand erfuhr. Nie, nie, niemals, auch nicht hundert Jahre später. Mito mochte keine Zungenküsse, das mochte auch nicht jeder. Sie fühlte sich unwohl, wenn jemand sie beim Küssen sah, oder auch ansah, Madara wusste nie, warum. Er hatte einfach die Augen zugemacht. Es war fast wie das erwünschte Konfliktpotenzial, nur dass man sich nicht wegen etwas streiten konnte, was gar nicht verboten war und was man nicht kannte. Wahrscheinlich hatte sich keiner von ihnen beiden geändert, Madara würde immer noch nicht versuchen, Mito oder irgendeine Frau für etwas zu begeistern, für das sie sich einfach nicht begeistern konnte. Männer waren anders, die hatten sich anzupassen, Frauen zwang man nicht. Würde sie es jetzt ausprobieren wollen? „Du bist unmöglich“, zischte Itachi. Hashirama hatte sich einen Moment zuvor entschuldigt, um zur Toilette zu gehen, vielleicht ging er auch sein Spiegelbild anschreien, warum es diese blöde Idee gehabt hatte, bisher verlief die Annäherung eher schleppend und man konnte mit Fug und Recht behaupten, dass Madara daran schuld war. Und Itachi konnte wohl Gedanken lesen. „Danke, dass du mit dem Disziplinieren gewartet hast, bis die Anstandsdame weg ist. Flüstern ist unhöflich.“ „Musst du so ordinär sein?“ Man musste es Itachi lassen, Mitos Anwesenheit kratzte ihn nicht im Mindesten. Und sie mischte sich nicht ein, was Madara halb erwartet hatte. Konan mischte sich allenthalben ein, ob nun zugunsten ihrer weiblichen Einfühlsamkeit oder um darauf hinzuweisen, dass sie nicht zu ignorieren war. Vielleicht hatte er sich einfach zu sehr an Itachis abnorme Freunde gewöhnt. Vielleicht begriff er auch nicht, warum Itachi mit ihnen befreundet war oder sie mit ihm. „Ich bin nur anders. Und das war deine Idee“, erinnerte Madara ihn süffisant. Einen Moment lang schlich sich ein hohles Gefühl ein. Er hatte Hunger, aber hohl fühlten sich seine Worte an. Er empfand diese Süffisanz jetzt nicht, er war etwas reizbar. Und müde. Warum hatte er eigentlich nicht bemerkt, wie müde er war? Seine Augen juckten, und er verspürte ein Widerstreben, sich zu bewegen. Das taube Gefühl zwischen seinen Schläfen kündigte Kopfschmerzen an. Ein Kellner stellte Teller und Besteck klirrend und scheppernd ab. Das Geräusch war mörderisch, es gab nichts Nervtötenderes. Hätte der Kerl auch ein Schwein an der Leine, hätte Madara versaute Rache genommen. Ja, er war müde, das war nun wirklich… keine seiner Glanzpointen gewesen. Itachi schnaubte und schaute wieder geradeaus, schien die Scheuklappen hochzufahren. Man konnte förmlich das Surren hören, und das warnende Piepen, falls Madara den Sicherheitsabstand überschritt. Mito betrachtete höflich interessiert die Spieße auf ihrem Teller. Madara streckte die Hand nach den für jeden Teller beigestellten Schälchen mit Erdnusssoße aus, zog sie jedoch rasch wieder zurück. Ihm reichte die Erinnerung an Deidara, wie er versuchte, seine Haare von diesem Zeug auszuwringen. „Möchtet ihr nicht?“ Mito blickte fragend zwischen ihnen hin und her. Offensichtlich musste diese Soße unbedingt ans Essen, weil die hundertsiebenundzwanzigste indonesische Gottheit das so wollte. „Friesische Meeresbrise“, brummte Itachi, und Madara grinste. Itachi auch, übrigens. Mito zog verwirrt die Brauen hoch. Jetzt hatten sie auch noch Insiderwitze. Bitte. On the edge of oblivion All the world is Babylon Das Essen war nicht schlecht. Es war auch nicht besonders gut, denn es war zu trocken, dafür vermutlich die Soße, in der man das auf Spieße gezogene Hühnerfleisch ertränken sollte, aber da Madara die Soße bestreikte… Es klappte alles nicht. Man konnte nicht über alte Zeiten reden, ohne Itachi auszuschließen, und dafür waren sowohl Hashirama als auch Mito zu taktvoll. Und Madara dämmerte bald, dass niemand das so richtig hatte kommen sehen können – er hatte nicht gesagt, wen er mitbrachte. Es war keine neue Freundin und auch niemand, der auf derselben Schule gewesen war, Izuna schon gar nicht. Es war sozusagen nicht mal seine Absicht gewesen. Itachi war allerdings auch nicht wirklich kommunikativ. Er antwortete, wenn man ihn fragte, und wenn er von sich aus einen Beitrag lieferte, blieb seine Miene ausdruckslos. Deidara nannte es ‚Die hundert Arten des Wandhypnotisierens‘, weil er von sich aus Personen anzuziehen schien, die das praktizierten, wie ein blonder Magnet. Es war nicht zu verübeln, dass man es so wahrnahm, vor allem, weil Itachi auch von Tonlagenvariation nicht viel hielt. Es war zum Lachen. Wie ein Ausschnitt aus einer schlechten Date-Night-Komödie, und Mito und Hashirama waren das Paar. Aber die Lachschleife klemmte, und niemand verpasste ihr einen heilsamen Tritt in die Technik. „Du hast dich eigentlich kaum verändert. Ich meine, was haben wir vor Jahren um diese Zeit immer gemacht? Ich glaube, die Schwimmbäder waren schon offen.“ Mito blickte nach draußen, wo die dunkle Fensterscheibe sie wiederspiegelte. Hashirama erklärte etwas, wobei er höflicherweise aufhörte zu essen, seine Hände gestikulierten in gemessener Art. Auch Hashirama hatte schöne Hände. „Du hast dich nicht vom Zehner getraut.“ „Ich habe Höhenangst. Man muss nicht springen.“ „Du hast dich nicht vom Turm runtergetraut, ich musste dich tragen.“ Mito grinste schelmisch. „Alles Absicht.“ Auf einmal schien es so verblüffend einfach, sich in die Vergangenheit sinken zu lassen, wenn Mito ihm half. Madara erinnerte sich an kaltes Poolwasser, Chlorgeruch und Sonnencreme, das Johlen und Pfeifen seiner Freunde, der geschmeidige Druck von Mitos Gewicht, das Kitzeln ihres weichen Haars. Sogar das sanfte Gefühl ihrer Brüste, warmer Nylon auf seinem nackten Rücken. Mito roch nach Chlor und Sonnencreme. Rothaarige hatten empfindliche Haut. Es war die Gelegenheit. Man sprengte einen Abend nicht besser, als mit dem einzigen Mädchen zu flirten, und sie bot es Madara geradezu an. Sie kam auf eins ihrer erfolgreichsten Dates zu sprechen. Auf einen Nachmittag, als sie die Dinge nicht wie in einer Teenie-Romanze gemacht hatten, sondern auf ihre eigene Art. Itachi stand kurz auf, um einen Reiskrümel von seiner Bank zu fegen, bevor er sich hineinsetzte. Bei der Gelegenheit nahm er sich des kippelnden Tisches an, und Hashirama beugte sich herab, um ihm eine zusammengefaltete Serviette zu reichen, die den Keil ersetzen würde. Den Keil, was für ein unerhörter Wink des Schicksals. Mitos Hand lag neben ihrer Teeschale. And all the love and ev’ryone A ship of fools sailing on Der Böse bekam immer das Mädchen. Madara bekam aber nicht lange die Gelegenheit dazu, falls ihn überhaupt noch jemand fragte, was er wollte. Natürlich wollte er. Er war ein Arsch, schon immer gewesen. Und er würde auch immer damit durchkommen, das war keine größenwahnsinnige Illusion, sondern seine prophetisch-nüchterne Einschätzung. Itachi war schneller, er war einfach blitzschnell. Eine Hand auf der Tischkante, zog er sich wieder hoch, die andere Hand streckte er fast gleichzeitig aus und lehnte sich über den Tisch. Er hielt die Soßenschale ungemein anmutig, drehte sie mit athletischem Schwung – und leerte sie über Madaras Haar aus. Auch eine Schale voll Erdnusssoße konnte viel sein, wenn man sie im Haar hatte und spürte, wie sie sich den Weg zum rechten Ohr herunter bahnte. Mito japste erschrocken, Hashirama tauchte gerade erst wieder unter dem Tisch hervor, seine braunen Augen huschten verwirrt und beunruhigt umher. Madara hätte es nicht verstanden, wenn Itachi sich einfach wieder hingesetzt hätte, doch dieser blieb stehen wie ein zu kurz geratenes Denkmal in Camouflage, um seinen Hals funkelte etwas Silbernes, dabei waren seine Augen frei von Panik, Hysterie, Melodramatik. Sie waren sogar geduldig. Madara rutschte über die Bank und schoss hoch, Erdnusssoße bahnte sich ihren Weg durch sein Haar und in seinen Nacken. Es klebte ekelhaft, und es roch kein bisschen nach Erdnuss. Itachi hatte es nicht wissen können, er war nie dabei gewesen. Er war blind, als er nach draußen rannte, er hörte noch im Treppenhaus seinen Namen und noch mehr Schritte. Seine Baseball-Zeit war noch nicht so lange her, er war ein guter Batter gewesen. Seinen Ball fing keiner, und bis dahin war er schon längst an der Base. Leider war alles so unsportlich, Geschwindigkeit reichte nicht. Es wurde mit Tricks gearbeitet. „Du hast deine Jacke vergessen!“ Across the nation Around the world Ev’rybody have fun tonight A celebration so spread the word Itachi hatte die Worte atemlos hervorgestoßen, er war wohl nicht ganz in Form. Jetzt stützte er sich auf den Knien ab und keuchte, seine Hand umklammerte noch Madaras Jacke. Seinen eigenen Mantel hatte er über den Arm geworfen, wenn er sich vorbeugte wie in diesem Moment, hing sie auf den Boden. Erdnusssoße rann in Madaras Kragen. „Was willst du?!“ „Du wolltest raus. Du bist draußen.“ Vielleicht klang Itachis Stimme unstet, weil er so gerannt war, vielleicht war er auch unsicher. Er richtete sich wieder auf, sein Gesicht war gerötet vor Kälte und er atmete weißen Dampf aus wie ein Teekessel. Er hatte das nicht wissen können. Hashirama hatte es vermutlich erkannt – die einzig wahre Methode, mit einer prekären Situation umzugehen, nämlich Scheiß zu bauen. Wenn Izuna vor aller Augen bei einem Mädchen abblitze, bekam er von seinem älteren Bruder eine gescheuert und man prügelte sich. Wie echte Männer, das machte zumindest den Ausfall vorher vergessen und wahrte das Gesicht, wenn auch nur metaphorisch, praktisch eher im Gegenteil. Itachi konnte das aber nicht wissen. „Das ist widerlich“, stöhnte Madara und fasste nach hinten, wo die Soße gemächlich in seinem Haar eintrocknete, und trotzdem schien das Zeug, das langsam in sein Hemd rann, nicht weniger zu werden. Itachi zuckte enervierend mit den Schultern. Er fror. „Es wäre nicht das Erste, was du dir in die Haare schmierst.“ „Eine Pointe zum Kotzen.“ „Meinetwegen. Du hast eh Migräne.“ Madara unterließ die Erwiderung, dass er keinesfalls Migräne, nur vereinzelt Kopfschmerzen hatte wie jeder andere auch, vor allem, wenn er müde war und das war er jetzt. Denn dieses gewinnende Halblächeln ließ auf Fatales schließen. „Was für einen Dreck hast du Hashirama…“ Itachi suchte sich eine hässliche Zeit, um seine kreative Ader zu entdecken. Von wegen Gedichte. Aber er konnte nichts davon wissen, nichts. Sex can lead to nasty things like herpes, gonorrhea and something called relationships. [1] Madara grunzte leise. Natürlich, auch das. Aber er wäre der Letzte, dem das passierte. „Was für ein Divenabgang.“ „Scheiße war es allemal“, stimmte Itachi ungerührt zu und schlüpfte in seinen Mantel, schmiegte sich fröstelnd in das Futter. Madaras Jacke hielt er immer noch in der Hand. „Und was ist mit der Rechnung?“, fügte er hinzu. Madara schnaubte und wackelte missmutig mit seinen soßeverklebten Fingern. Roch nach Mandarine. Na, wer wollte den ersten billigen Witz reißen? Das hatte Hashirama doch absichtlich gemacht. „Das war Eigenrisiko.“ „Es lässt sich also vergleichen, mit dir zusammenzuleben und zusammenzusein? Und was war das mit deinem ersten Kuss?“ Itachi klang seltsam erleichtert, sprudelnd. Es betäubte nicht den Drang, Hashirama an seinen Füßen aufzuhängen und den Teppich, den er Haar nannte, mal so richtig auszuklopfen. Mit dem Teppichklopfer, oder besser gleich mit dem Baseballschläger und es musste nicht gezielt werden. Mal sehen, wer da out war. „Ich geh mir die Haare waschen“, brummte Madara. Itachi schnaufte und zog seine ausgestreckte Hand mit. Es war etwas Zitterndes darin, etwas Zerbrechliches, wie das rasende Herz eines Kaninchens, das man auf den Behandlungstisch setzte. „Hah, das war die Hand mit der Soße!“ „Du bist ja so… ekelhaft.“ Ev’rybody have fun tonight Ev’rybody have fun Ev’rybody Ev’ryone fin [1] Es ist vermutlich der Gipfel des OoC, Madara Sacha Baron Cohen zitieren zu lassen. Aber was die Charaktertreue abgeht, habe ich es eh ziemlich ausgeleiert, ich meine, künstlerische Freiheiten zum Interpretationsspielraum genommen… Kapitel 13: Flowers In December ------------------------------- Flowers In December Untertitel: Das Magnum Opus des dreiundzwanzigsten Dezember Entgegen meiner ursprünglichen Absicht, keine Specials zu schreiben, kommt es nun doch dazu… Denn da ich generell etwas unproduktiv bin, muss ich mal etwas liefern, ohne gegen mein Herumtönen, Feierlichkeiten seien egal, anzugehen. Aber glücklicherweise ist das hier ja kein Weihnachts-OS – Madara hat nur zufällig auch am 24. Geburtstag, was ein Glück. Wie alt er ist, vermeide ich immer noch zu sagen, nur, dass er bereits berufstätig ist und sich wohl bei gut Mitte zwanzig bewegt. Es war nicht leicht, den typischen Weihnachtsklatsch zu nehmen, so schön er auch ist. ‚Flowers In December‘ von Mazzy Star ist aus 1996 und musste sich gegen endlose Konkurrenz durchsetzen. Ich habe die Liedzusammensetzung tatsächlich drei Mal geändert. Enjoy! Itachi knallte die Tür zu und war müde. Er war schon den ganzen Tag müde. Heute war der dreiundzwanzigste Dezember, und Itachi war wohl seit mindestens zwei Wochen müde, er wachte morgens müde auf und ging müde zu Bett. Es war nicht die lethargische Müdigkeit, die einen in den Semesterferien oft befiel, weil man nichts zu tun hatte, und auch nicht die wohltuende Müdigkeit der Anstrengung vor einem großen Fest. Es war eine bleierne, sich nie richtig hebende Müdigkeit, die einfach daraus zu resultieren schien, dass sein nächtlicher Schlaf nicht ausreichte, um ihm Energie zu geben. Und Itachi fand keine Gelegenheit, diesen Schlaf aufzuholen, seit zwei geschlagenen Wochen nicht. Er hatte ständig irgendwo zu tun, etwas zu lernen, eine Hausarbeit zu schreiben, in der Bibliothek zu sein, einzukaufen. Er kam gerade vom Einkaufen. Um die Weihnachtszeit eine einzige Pest, alles war überfüllt mit rücksichtslosen Menschen, es schneite wie verrückt, die Geschäfte waren vollgestopft mit unnötigem Krempel, der das vor ihm verbarg, was er eigentlich besorgen wollte, und ständig hielt ihn irgendetwas auf. Die tausendste Weihnachts- oder Adventsfeier stand immer an. Und dann war heute noch Montag. Itachi hatte den vierten Advent hinter sich und war völlig fertig. Seine Gedanken bewegten sich träge wie kalter, grauer Pudding, und er konnte nur daran denken, sich in etwas Warmes zu legen und die Augen zu schließen. Die mühevoll errungenen Einkäufe stellte er in der Küche ab und legte nur die verderblichen Sachen in den Kühlschrank, den Rest ließ er stehen. Madara würde sich zwar wahrscheinlich nicht kümmern, oder tat es besser nicht, aber Itachi war es gleich. Ihm war gleich, dass er die Pfeffernüsse nicht vor seinem Mitbewohner versteckt hatte, die er eindeutig für sich wollte, ihm war gleich, an welchem unzweckmäßigen Ort die Einkäufe landeten, ihm war ganz besonders gleich, ob er sie später wegräumen musste. Das war alles so scheißegal. Er wollte sich hinlegen, bevor Madara heimkam und womöglich mit ihm sprach – Madara hasste Schnee und Weihnachten gleichermaßen, beides hatte er gerade im Überfluss, da würde er sich beschweren wollen. Itachi war mehrmals nahe dran, ihm zu sagen, dann hätte er halt besser nicht am Vierundzwanzigsten geboren werden sollen, der Idiot. Der war doch nur so ungeduldig gewesen, damit er die Silvesterfeier noch mitbekam. Wahrscheinlich schon als Baby ein Stimmungskracher. Itachi schnaubte. Wenn ihn etwas ermüdete, dann die Vorstellung von Madara als Baby. Er taumelte ins Wohnzimmer. Das Bett würde er nicht belegen, dann würde er nur zu lange schlafen und seinen Tagesrhythmus durcheinanderbringen, was darin resultierte, dass er noch müder wurde. Die Couch hingegen war wie gemacht für eine kleine Tagesunterbrechung. Die Couch. Und sie war voller… Kram. I wouldn’t have taken everything out on you, I only thought you could understand Itachi starrte die Couch an. Sie war voller Kram, wirklich. Mehrere Lagen Zeitungspapier waren dort und auf dem kleinen Tischchen ausgebreitet, und darauf balancierten zerbrochene Tassen, halb geklebte Tassen, ganz geklebte Tassen. Die Zerstörungsbilanz des letzten halben Jahres. Itachis Lieblingstasse war auch darunter, er hatte sie vor einigen Wochen versehentlich mit dem Ellbogen vom Tisch gefegt. Madara reparierte diese Sachen irgendwann im Winter, weil er dann naturbedingt einen Rückzug in die Wohnung machte, bis dahin sammelten geborstene Tassen, Vasen, Zahnputzbecher und sogar Keramikmesser sich auf der Fensterbank der Küche an. Küchendunst neigte dazu, die Bruchstellen irgendwann schmierig zu machen, das erleichterte das Kleben nicht direkt. Folglich bot es sich nicht an, diese nette Sammlung da von der Couch zu reißen. Zumal Itachis rote Lieblingstasse dabei war. Itachi rang mit sich. Der Krempel war doch egal, da waren Sachen dabei, von denen sie froh waren, dass sie kaputt gegangen waren. Wie zum Beispiel die Schneekugel. Sasori hatte sie nicht besonders versehentlich hier vergessen, nachdem ihn seine Oma damit terrorisierte und er nicht wollte, dass Orochimaru das Ding jemals sah und einen mörderischen Titanium-Strick daraus drehte. Und wegschmeißen tat man das ja nicht. Madara hatte es allerdings bald geschafft, das ätzende kleine Häuschen im Inneren ins Delirium zu schütteln, und bei einem dieser Manöver war ihm die Schneekugel aus der Hand gerutscht und mit der Küchenzeile kollidiert. Die Fassung aus mit Glitzerpulver bestäubtem Porzellan war dabei gesplittert, seitdem residierte die Schneekugel auch auf der Küchenfensterbank. Itachi war kaum bewusst, was er tat. Er stierte immer noch auf die zugemüllte Couch, taub vor Müdigkeit, und schüttelte dabei die blöde Kugel. Es war eine entmutigte Geste, und wenn es ihm scheiße ging, dann wenigstens auch diesem kitschigen Haus mit seinen gelben Fenstern und den armseligen Plastiktannen. Die Wohnungstür krachte auf, das kalte Treppenhaus spie bei der Gelegenheit feuchtkalte Luft hinein, und das Zeitungspapier auf Tisch und Couch raschelte leise. Itachi nahm das allmählich nicht mehr wahr, auch nicht die vor Nässe klatschenden Schritte und das unterdrückte Gemurmel, mit dem Madara sein Missvergnügen kundtat. Itachi drehte ihm zwar den Rücken zu, doch das Prozedere war gleich, ja, ermüdend einfach zu erahnen. Und weil Madara zu dämlich war, sich die Schuhe abzutreten, hatten sie wieder einen halben Liter Schmelzwasser mit Straßendreck und Streusalz auf dem Flur. Letztendlich blieb es immer an Itachi hängen, das mal wegzuscheuern. Das war’s dann. „Madara“, knirschte Itachi. Er erhielt ein nichtssagendes Brummen von der Garderobe, wo der Vollidiot sich gerade aus seiner Winterkleidung schälte – dieses ignorante Geräusch reichte, um unvermittelt Gewaltfantasien in Itachi aufsteigen zu lassen. Und er war wirklich kurz davor, sie auszuleben. „Was?!“ Madara war von Natur aus schlecht gelaunt, wenn sich das Jahr seinem Geburtstag näherte. Er konnte Weihnachtsgeschenkpapier nicht leiden, wie Itachi wusste, sein einziger gelungener Geburtstag wäre es wohl, wenn man ihn den ganzen Winter lang auf den Mond schoss. Mit etwas Zubehör. Zumindest war er jetzt da. Und Itachi war zu müde, um sich umzudrehen und ihn anzuschreien. „Nimm das weg.“ Madara nahm sich die Zeit, einen kurzen Blick auf Tisch und Couch zu werfen. Verharschte Eiskristalle schmolzen auf den stacheligen Strähnen seines Deckhaars, wo sie sich vorhin nicht hatten abschütteln lassen, und funkelten wie Lametta. „Nein“, grunzte er lediglich. Sein restliches Sprachvolumen schien er dafür verbraucht zu haben, leise den Advent zu verfluchen und natürlich seine Eltern, die sich das doch besser hätten überlegen können. Itachi wandte sich zu ihm um und glich die Handbreit Größenunterschied [1] zwischen ihnen durch den schwelendsten Blick aus, den je jemand in der Vorweihnachtszeit abgeschossen hatte. Aus Madaras dunklen, missmutigen Augen starrte ihm dieser Ausdruck wieder entgegen, überreizt und müde wie eine zerknitterte Reklame. Nein, sie nahmen sich nichts. Before I let you down again, I just want to see you in your eyes Itachi hatte sich in den Wohnzimmersessel fallen lassen und die Augen geschlossen. Es war das Bild eines Vulkans, der sich auf das Ausbrechen ausbreitete, und der schwachen Seite der Vernunft, die ihm noch geblieben war, schwante bereits, wie sie sich eine halbe Stunde sinnlos anbrüllten. In der Weihnachtszeit kam das öfter vor als sonst. Madara war dann eh gereizt und dünnhäutig, und Itachi hatte schon längst erkannt, dass man nur ab einer bestimmten Lautstärke überhaupt eine Chance hatte, sich dann zu behaupten. Und da seine Vernunft so zusammengeschmolzen war, hatte er auch nicht mehr die Energie, auf sie zu hören. Energie hatte er eh für gar nichts. Madara kehrte zurück. Er war irgendwo gewesen, und seine Miene war immer noch grimmig, als er Itachis Decke auf den Boden fallen ließ. Zusammen mit seinen Kissen und der Wolldecke, die für akute Notfälle neben Itachis Bett lagerte. Jetzt war all das ein unordentliches Gewühl zwischen den großen Fenstern und dem Tisch. Dafür, dass Madara gerade sein Bett abgezogen hatte, war das geradezu faszinierend. War da überhaupt gesaugt worden…? Die Gewitterwolke auf Madaras Gesicht blieb, als der Deckenturm wuchs, sich erweiterte um Madaras eigenes Bettzeug, einer weiteren Decke, die aus irgendeinem Grund immer in der Abstellkammer lag und muffig roch, und einer Picknickdecke aus Fleece, die man nur anzuschauen brauchte, damit sich die Haare elektrisierten. Das alles bildete einen schiefen, bunten Haufen, Flicken aus buntem Schnee mit klumpigen Kissen. Madara fiel offenbar gerade auf, dass er ekelhaft freundlich war, für seine Verhältnisse zur Weihnachtszeit. Er sammelte das letzte Couchkissen auf, das er für seine Reparaturen nur irgendwo auf den Boden gefegt hatte, und warf es Itachi ins Gesicht. Es prallte an dessen Gesicht ab, um unter empörtem Rascheln dann in dessen Schoß zu rollen. Arsch, Arsch, Arsch. Kam nicht mit dem Altern klar, aber Zielen konnte er noch?! Itachi murmelte betäubt vor sich hin und grub seine Finger in das Kissen, als er aus dem Sessel rutschte und die Decken notdürftig sortierte und die Kissen zusammenraffte, bevor er sich in dem Nest aus noch kühler Behaglichkeit niederließ. „Was?!“, schnappte Madara warnend. Itachi machte sich nicht die Mühe, seine Augen dafür offen zu halten. „Ich sagte, das kostet dich dein Geburtstagsgeschenk.“ Madara brummte wieder auf dieselbe, enervierende Weise und zog Itachi eins der Kopfkissen weg, um sich darauf zu setzen und in seiner dämlichen Werktätigkeit fortzufahren. Keramikartikel zu kleben erschien Itachi mit einem Mal wie die dümmste Sache der Welt. Madara war anscheinend gern beschäftigt. Die Gedankenfront blieb nicht lange, schon begann Itachis Welt zu driften. Die Decken wärmten sich langsam an, und so unbequem war es ohne eine Matratze nicht, solange man ein Ersatzpolster hatte. Und man konnte sich absolut sicher sein, dass Madara keine Weihnachtsjingles summte. „Was ist es?“ Itachi rührte sich nicht. Als würde er Madara dabei unterstützen, dass dieser abschätzen konnte, ob dieses angeblich einbehaltene Geschenk ein Verlust war oder nicht. Er sollte eigentlich wissen, dass das sinnlos war, er sollte vernünftig sein. „Ich find’s sowieso.“ Itachi war ja auch nicht kreativ im Verstecken. Dreister fand er es, dass Madara ihn überhaupt wissen ließ, dass er nicht gedachte, sich an die heiligen Regeln des Geschenkgeheimnisses zu halten. Er hatte erst morgen Geburtstag, gegen sieben Uhr abends. Also schon als Baby immer krankhaft darauf bedacht, im Mittelpunkt zu stehen, wahrscheinlich eine echte Sturzgeburt. Nein, nicht schon wieder diese Gedanken. „Wirst du nicht“, nuschelte er schläfrig, nicht willens, sich mit Madara zu unterhalten, der hielt ihn nur vom Schlafen ab. „Du bist doch eh nicht da.“ Bezog Madara sich darauf, dass man für gewöhnlich über die Feiertage verreiste? Itachi war nicht übel versucht, ihm eine zu knallen. Würde er dann hier herumliegen, wenn er vorhatte, heute oder morgen noch irgendwo hinzukommen? Und nebenbei hatte er diesem Arsch sicherlich mal gesagt, dass seine Eltern geschieden waren. Itachi beließ es bei einem unfreundlichen Blick aus einem Kissen heraus. Allerdings sah Madara nicht mal her, sondern klebte einen Splitter an den Sockel der Schneekugel. Als sei dieses Ding wichtiger als Itachis Lieblingstasse. Lächerlich. Lächerlich wie so einiges andere. Itachi wälzte sich herum, sodass er Madara den Rücken zukehrte und aus dem Fenster sehen konnte. Ätzende, weiße Flocken fielen dort einträchtig, allein der Anblick kotzte ihn an. Er war so einschläfernd, wenn da nichts wäre… Nichts. Es war so still. Selbst Madara war still, und der Schnee rieselte nicht nur leise, sondern lautlos. So andächtig und heimlich, als wollte er Itachi auf keinen Fall stören. Und in seinem erschöpften Verstand gingen wirre Vorstellungen durcheinander, dass jemand aufhören sollte, die verdammte Schneekugel zu schütteln, damit dieses weiße Zeug sich endlich legte, anstatt zu fallen. „Mad‘ra?“ Drittes Grunzen an diesem Tag. Als gute Pawlowsche Töle hörte Madara immer auf seinen Namen, auch durch die Tiefen eines Kissens und ein fehlendes ‚A‘. Er würde einen guten Lawinenhund machen, mit zotteligem Fell und einem Schnapsfässchen um den Hals… Diese Vorstellungen mussten aufhören. In dieser besinnlichen Stille hatten sie viel zu viel Platz zum Ausbreiten. „Kannst du dich hinter mich legen?“ „Pah.“ „Bitte.“ „Was ist mit-“ „Tu’s einfach.“ Kleidung raschelte, und Itachi spürte einen Zug an einer seiner Decken, vermengt mit der Präsenz eines schweren, warmen Körpers, der sich seinem minimal annäherte. Der sich trocken räusperte, ob aus Verlegenheit oder weil irgendein Keim doch den Weg in seine Kehle gefunden hatte, der den Geruch von Zigarettenqualm, Klebstoff und scharfem Aftershave mit sich brachte, und der sich stachelig anfühlte wie ein boshafter Mistelzweig. And I got nothing more to say about it Nothing more than you would me „Was ist nun mit dem Geschenk?” Nervensäge. Und Itachi beschwerte sich noch, dass es nicht leise genug war. „Das erfährst du morgen.“ „Letztes Jahr-“ „Letztes Jahr gilt nicht.“ Dieses bewusste Jahr hatte Itachi mit seiner Mutter und ihrer neuen Familie verbracht. Er war ein unaufdringlicher Charakter, der sich schnell überflüssig fühlte, und war nicht damit zurechtgekommen. Itachi war gleichzeitig ein sehr korrekter Mensch, und er hielt es für unangemessen, seinen Vater irgendwo zu erwähnen, nicht, weil er ihn verleugnete, aber weil es jetzt zwei Welten waren. Das nannte man entweder unselbstständig oder sensibel, beide Bezeichnungen waren zulässig. Und sein Vater musste über Weihnachten arbeiten, sein Projekt lief zu dieser Zeit. Also sahen sie sich im Frühjahr und unternahmen dann wieder einen Ausflug in die Natur. Letztes Jahr waren sie auf eine Moorwanderung gewesen. Es hatte Spaß gemacht, aber tief in seinem Inneren hatte Itachi sich danach auf betonierten Boden plötzlich sehr sicher und geborgen gefühlt. Diesmal versteckte er sich nur vor alledem unter einem großen Stapel Decken. Er versteckte sich vor allen Diagnosen, dass er zu sensibel war, und vor allen Rohrdommeln und Quellmooren. Vor seinem putzigen Halbbruder und dem neuen Fernglas, das ihm sein Vater geschenkt hatte. Und sein Exilkamerad war ausgerechnet dieser Idiot hier. Es gab leider keinen anderen. „Und hör mir gefälligst zu, wenn ich mit dir rede.“ Und dass Itachi nicht zugehört hatte, wusste Madara offensichtlich sehr genau. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte desinteressiert hinauf zu den Glühbirnen an der Decke. Seine Haut war etwas heller geworden, wo die Kälte sie über den markanten Wangenknochen trocken gemacht hatte, und seine Lippen waren rissig. Während er im Sommer durchaus Sonnencreme benutzte, schien ihm bis jetzt nicht eingeleuchtet zu haben, dass auch der Winter klimatische Besonderheiten hatte, die man nicht so hinnehmen musste. Itachi beugte sich vor, um diese Lippen mit seinen eigenen zu berühren. Sie schmeckten nach schroffem Winter, so idyllisch und einsam wie die Schneekugel, und ihnen fehlte etwas Süßes. Etwas wie gewürzte Schokolade… Send me your flowers of your December, Send me your dreams of your candied wine Itachi haste sich für so einige Dinge. Er wollte nichts tun, was ihn weckte. Er hätte Madara nicht küssen sollen, dürfen, dann wäre er selbst nicht aufgestanden. Dann hätte er nicht die dämliche Idee gehabt, heiße Schokolade zu machen, mit Zimt und Grünem Kardamom. Und einem Marshmallow, der eigentlich sofort schmolz und eine dicke, zähe Schicht über der Schokolade zurückließ. Madara beobachtete ihn nicht, er schlief auch nicht. Er lag in dem Deckenknäuel und hatte die Augen geschlossen, wirkte unberührt und ungerührt. Itachi hatte keine Lust, sich um jemanden zu kümmern. Allerdings hatte Madara das wohl auch nicht, und er hatte es trotzdem getan. Verdammt, wenn er hinter diesem Egomanen zurückstand. Draußen war es grau geworden, schneite heftiger. Es erweckte in Itachi das Verlangen, die Schneekugel zu schütteln, und nach kurzem Überlegen (und nachdem er die zwei Tassen auf den Boden neben dem Deckenhaufen gestellt hatte, beide Tassen übrigens gleichermaßen hässlich und hellblau) tat er das auch. Prompt lösten sich Teile des wieder zusammengeklebten Sockels und fielen zu Boden, wo sie neuerlich zerbrachen. Madara öffnete die Augen und schaute ihn an, nicht das Malheur. „Du Genie.“ „Ich könnte schwören, vorhin hättest du noch weiter links gelegen“, sagte Itachi und schüttelte die Schneekugel. Madara verpasste ihm dafür – das Schütteln oder die Bemerkung – einen nicht allzu sanften Boxhieb auf den Oberschenkel, bevor er sich auf den Bauch wälzte und die Decken so noch weiter ineinander verknotete. Skeptisch betrachtete er über ein Kopfkissen hinweg die Tassen. Aus seiner Perspektive sah er nicht, was drin war, also wog er vermutlich ab, ob es sinnvoll war, sich die Größere von beiden zu nehmen. Auf den fragenden Blick hin seufzte Itachi ungeduldig. „Ja, es ist Rum drin.“ Damit ging die größere Tasse an Madara. Itachi war ganz außer sich vor Begeisterung. Arsch. Er schlüpfte wieder unter die Decken und nahm sich ein Kissen, um es sich vor die Brust zu drücken. Jetzt befand er sich auch noch in der wunderbaren Lage, nicht schlafen zu dürfen, weil seine Schokolade dann kalt wurde oder ganz verschwand, wenn Madara es gar nicht erst zu solcher Verschwendung kommen ließ. Weihnachten war die Zeit des Gebens, aber wenn das Madara das ganze Jahr nicht interessierte, dann sicherlich nicht zu einer Zeit, die er sowieso nicht ausstehen konnte. Itachi drehte den Kopf zur Seite und starrte Madara dabei an, wie er versuchte, ohne Einsatz seiner Hände, sondern mit seiner berüchtigten Zunge den glitschigen Rest von festem Marshmallow aus der Tasse zu fischen, bevor dieser auch schmolz. Irgendetwas an diesem Anblick reizte Itachi derzeit zum Lachen. Gut, dass er das nicht tat, das hätte die Stimmung schädlich aufgelockert. Trotzdem konnte er nicht schlafen, das stellte er fest, als er sich von Madara abwandte, um nicht länger von dessen Alberei abgelenkt zu werden. Itachi blinzelte, sah aus dem Fenster. Sein Körper rührte sich nicht, schien seinerseits sehr wohl zu schlafen. „Was hast du heute gemacht?“ Zuerst erhielt er keine Antwort. Entweder wog Madara ab, was das sollte, oder er bereitete eine Art gehässigen Witz über alte Ehepaare vor. Oder er dachte darüber nach, was es überhaupt gewesen war. Anstatt Itachi enthusiastisch von seinen Weihnachtseinkäufen zu erklären oder sich, wie es Madaras Art war, zu einer Schmährede über religiös-heidnische Bräuche (bei ihm verschmolz das zu einem unansehnlichen Klumpen, ähnlich wie verbranntes Karamellpopcorn) auszuholen, schwieg er. Irgendetwas beschäftigte den Menschen immer, irgendetwas sollte sofort parat sein. Denn wenn Madara mit einem seiner Muskeln noch schneller war als mit seinen schönen Händen, war das seine Zunge. „Über Schneehaufen geklettert.“ „Den ganzen Monat?“ Madara grunzte leise und beschäftigte sich wieder mit seiner Tasse. Er schien nicht weiterreden zu wollen. „Ich meine, was war dein Magnum Opus?“ „Ich hasse Kraken.“ Itachi versuchte, seine Augen zu schließen, doch sie klappten hartnäckig wieder auf. „Der Witz war schlecht… Sogar für dich.“ Sogar für den dreiundzwanzigsten Dezember, hatte er sagen wollen, ließ es dann aber. „Und?“, brummte Madara. Seine Stimme klang näher als zuvor, sonst verriet nichts, ob dieses Gespräch ihn interessierte. „Kennst du es?“ „Bei Sprachen hab‘ ich in der Schule geschlafen.“ Itachi verdrehte die Augen. Sein Bein war zu müde, um nach hinten zu treten, obwohl er gute Chancen hatte, Madaras Kniekehle zu treffen. „Ehrlich. Mein Bruder musste mich zwischendurch wecken.“ Es war wohl kein Zufall, dass Madara, anstatt den Namen dieser Person einzuführen, ihn nur als ‚mein Bruder‘ titulierte. Obwohl dieser mysteriöse Bruder nur sehr selten Erwähnung fand, war die familiäre Verbindung vorhanden. Das war nicht belanglos, wenn Itachi wusste, dass er seine Mutter seit dem letzten Weihnachten mit ihrem Vornamen ansprach. Weil er in seiner korrekten Art nicht anklingen ließ, sie könnte mal eine Familie vor ihrer jetzigen gehabt haben. „Dein großes Werk.“ Itachi fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und fuhr fort: „Dein großes Werk der Zerstörung vielleicht. Wie viele Kinder hast du in diesem Monat zum Weinen gebracht, wenn sie eigentlich Fotos mit dem Weihnachtsmann machen wollten? Oder wie oft bist du beim Kaufhaus über die Dekoration getrampelt? … Wie oft hast du meine Kalligraphie entsorgt?“ Die Decken bebten schwach unter Madaras kurzem, tiefem Lachen. Itachi spürte den schwachen Zug an seinen Haarspitzen, als der andere sich ein wenig bewegte. „Ach, das meinst du. Seit wann ist das ein Magnum Oktopus und nicht einfach ‚Welchen Mist hast du jetzt schon wieder angestellt‘?“ „Hast du oder hast du nicht?“ Madaras warme Hand glitt zwischen Itachis Schulterblätter. „Ich hab‘ sie nicht entsorgt, nur versteckt.“ Itachi wälzte sich so schnell herum, dass die Hand unter ihm begraben wurde. Er spürte den Druck von Madaras Fingern gegen seine Wirbelsäule und seine Rippen, nichtssagend, aber vertraut. „Wo?“ Madaras Augen schlossen sich träge wieder und schienen ihn somit übergangslos auszuklinken. Itachi kannte das, es war eine enervierende Geste, die Madara sonst dafür benutzte, den Pillow Talk zu beenden. Was voraussetzte, dass einer stattfand, und das war bei ihnen fast immer der Fall. Itachi gab zu, es zu genießen, aber er machte mental einen Schlenker um intime Erinnerungen. Madara regte sich immer noch nicht. Itachi hatte nicht die Absicht, ihn schlafen zu lassen, ihm selbst war das auch nicht vergönnt. Er lehnte sich vor, und, einen Moment von plötzlichem, verlegenem Widerstand überwindend, streifte mit seinen Lippen den Mundwinkel des anderen. Es fand sich nicht derselbe Geschmack dort wie vorhin, dennoch strich lebendiger Atem gegen Itachis Wange und hinterließ eine kribbelnde Spur auf der empfindlichen Haut, sodass er seine Lippen fast heimlich etwas fester aufdrückte. „Das war mein Marshmallow.“ Itachi war nicht zu abgelenkt, um zu bemerken, dass kein klebriger, weißer Klumpen mehr auf seiner heißen Schokolade schwamm. Madara hatte von jeher wenig Achtung vor dem Eigentum anderer, falls das noch nicht hinreichend klar geworden war. „Er ist geschmolzen“, erwiderte Madara mit der Nonchalance eines ehrlichen Lügners. Und bevor Itachi womöglich zu einem Exkurs ausholen konnte, dass die zähe Schicht von geschmolzener Zuckermasse dann dicker sein müsste, presste er seine Lippen direkt auf Itachis. Der Kuss teilte den Geschmack von breiigen Marshmallows zwischen ihnen auf, der plötzliche Zuckerschub machte Itachi unliebsam wach. Er schlang seine Arme um Madaras Hals und öffnete seine Lippen einen Spalt, gab seiner Frustration Ausdruck, indem er sie wieder schloss, sobald Madaras Zunge dagegentippte. Spielerische elektrische Impulse huschten zwischen ihnen hin und her, fingen sich scheinbar in Madaras Haar und rannen seinen Rücken herab, kitzelten Itachis Fingerspitzen, als sie über den Kiefer des anderen glitten. Es reizte seinen Mund zu einem trockenen Lächeln, das Itachi zuließ. „Wo?“, wiederholte er, während er mit der Hand durch Madaras sprödes Haar fuhr. Die alterslosen Falten um dessen Augen vertieften sich einen Moment lang, sein Körper ließ Itachi den leisen Schauder spüren, der ihn durchrieselte. „Ich zeig’s dir.“ They say every man goes blind in his heart, And they say everybody steals somebody's heart away Itachi hatte sich lustlos von dem Lager der Decken hochziehen lassen, nachdem er seine Schokolade getrunken hatte. Der Geschmack haftete noch unnachgiebig und süßlich an seiner Zunge, ließ ihn Ingwer mit einem scharfen Brennen schmecken. Er folgte Madara auf den Flur, obwohl es dort nach der Wärme der Decken beklagenswert kühl war, und trottete dann nach rechts hinterdrein, den Blick auf den Rücken des anderen geheftet. Madara hatte die Schultern gestrafft, so wie immer. Er wahrte ganz automatisch Haltung, als wüsste er, in welcher Weise es ihn von anderen abhob. Passte auch ganz vorzüglich zu seiner Unart, anderen zu unterstellen, sie hätten den Stock im Arsch. Itachi glaubte schon, sie würden zu seinem eigenen Zimmer gehen. Noch so ein Spleen von Madara, er fand es lustig, Dinge dort zu verstecken, wo der Suchende sich zwar oft aufhielt, aber nicht suchen würde. Spätestens da wusste man, dass er kein Einzelkind sein konnte. Und wenn er Itachis Kalligraphien – es waren nur Ausdrucke, dafür hatte er sie extra im Copyshop machen lassen – zerknittert hatte bei dem dämlichen Versuch, sie in irgendwelche Bücher zu klemmen, würde das eine Ohrfeige nie gekannten Ausmaßes geben. Itachi war gerade in Stimmung zum Zielen. Doch ihr Weg endete noch vor Itachis Zimmertür, bei der Abstellkammer. Es war eine unscheinbare Tür, die beim Öffnen immer quietschte und an deren schlichtes, mit der Zeit verdunkeltes Fichtenholz Madara sich derzeit lehnte. Itachi blickte automatisch lauernd zur Klinke – die Tür ging nach innen auf, er müsste nur schnell genug sein, um Madara in einem Stapel staubigem Vormieter-Müll zu versenken. Andererseits war er momentan noch diplomatisch genug, um das nicht zu tun. Nicht, solange seine Finger noch treulos kribbelten, seit sie durch das drahtige Haar gefahren waren. „Nett“, grunzte Itachi stattdessen, „Hol‘ sie. Ich will da nicht rein.“ Da waren Spinnen. Und Staub, wie gesagt. Itachi hatte vor beidem keine Panik, aber er ekelte sich davor, und in Kombination war es nicht gerade das, was er am dreiundzwanzigsten Dezember brauchte. Das konnte Madara sage und schreibe höchstselbst erledigen, der hatte den Kram da versteckt. Und machte sich so gern darüber lustig, Itachi sei eine Pussy, Angst vor etwas Dreck und Krabbelviechern zu haben. Madara piesackte immer so feinsinnig. Dieselben Sprüche kannte Itachi schon aus der Grundschule. „Kommst du nicht mit?“, erkundigte Madara sich scheinheilig und fing sich einen unfreundlichen Blick, als er auch noch stilecht herumdruckste wie das Klischeebild eines Schulmädchens. Ein Schauspieler war er nicht gerade. „Das schaffst du allein.“ „Ist wie Ostereiersuchen. Mit Spinnen als Bonus.“ „Geh rein.“ „Was ist das für ein Geschenk?“ „Du sollst reingehen!“ „Ich kriege es eh morgen!“ „Du kriegst gar nichts“, murmelte Itachi gereizt. Dann ging es schnell, fast zu plakativ. Er streckte die Hand nach der Klinke aus, um sie herunterzudrücken, dann würde das Schloss unter Madaras Gewicht nachgeben. Itachi machte dabei einen raschen Schritt nach vorn, um nicht beim Vorlehnen das Gleichgewicht zu verlieren. Madara bemerkte es zu spät, vielleicht hatte der Rum auch seine Reflexe verlangsamt, doch eine seiner Hände schoss noch vor und krallte sich in den Türrahmen, während seine andere Körperhälfte ins Leere taumelte. Und wenn Madara dabei nicht so breit gegrinst hätte, hätte Itachi seinen Triumph auch auskosten können. Stattdessen wanderte sein Blick nach oben, wo auch Madara hinschaute. Er hätte sich nicht so mit dem Rücken des Älteren beschäftigen sollen. Da wäre ihm vielleicht auch aufgefallen, dass dieser das ekelhafteste, lästerlichste und stereotypste Unkraut in ihre Wohnung geschleppt hatte, das es zu Weihnachten gab. Ja, ein Mistelzweig. I’ve got just one thing I can’t give you... Just one more thing of mine Itachi starrte hinauf zu dem hässlichen kleinen Gestrüpp. Es war ein kränklicher Mistelzweig mit einem stacheligen Ilexblatt und einer fetten, roten Plastikschleife. So was wurde wahrscheinlich nicht mal an der Tankstelle verkauft, sondern irgendwo fertig abgepackt und als Geschenk im Kaufhaus verlost. Und wie man mittlerweile wusste, hatte Madara immer Glück in der Lotterie. „Der Brauch der Mistel steht für Treue und Fruchtbarkeit, Madara. Es wundert mich überhaupt nicht, dass du das nicht weißt, aber ich werde dir mit absoluter Sicherheit nicht den Gefallen tun und mir denken, was das bedeuten soll“, sagte Itachi in einem Ton äußerster erzwungener Ruhe. Madara, der sich mittlerweile wieder gefangen hatte, blinzelte ihn unverschämt an. „Du stehst drunter.“ Itachi schnaubte und schaffte es, gleichzeitig gelangweilt und geduldig auszusehen. „Das war albern.“ „Weißt du, was das bedeutet?“ „Als…!“ Itachi beendete seinen Ausruf nicht. Als brauchte Madara neuerdings einen Vorwand, um ihn zu küssen, das war lächerlich… Sonst tat er das auch, wann es ihm passte. Das war nur wieder eine bescheuerte Idee, die ihren Haken hatte. Madara hatte eine Hand immer noch am Türrahmen, stand jedoch mittlerweile wieder auf beiden Beinen. Hinter ihm gähnte die staubige Abstellkammer, in der mit etwas Glück irgendwo Itachis Kalligraphien vermoderten oder von Spinnen beheimatet wurden. Großartig. „Du gibst doch sonst keinen Volksbräuchen nach.“ „Wer wird denn so unartig sein?“, entgegnete Madara anzüglich und legte den Kopf schief, um den Eindruck zu vervollständigen, schob er seine Hüfte nur ein wenig vor, gerade so viel, dass man es bemerkte, wenn man darauf achtete. „Knutschen, jetzt.“ „Du bist vulgär.“ „Und du willst es so. Ich hatte sowieso vor, reinzufeiern.“ Was Madara darunter verstand, war Itachi nur allzu klar, und er konnte nicht verhindern, dass seine Wangen sich mit heißer Röte füllten. Sein Herz drosch unruhig gegen seine Rippen und sandte ein Prickeln durch seinen Körper. Es schien nur auszusagen, dass er viel besser schlafen konnte, wenn er eh müde war. Pillow Talk nicht zu vergessen. Er ließ sich von Madara näher ziehen, gegen den Türrahmen der Abstellkammer. Ihre Lippen pressten sich ungestüm aufeinander, verbreiteten wohlige Taubheit im Verstand. Itachi atmete auf, als eine geschmeidige, kalte Hand über die Naht seines Brustkorbs schlich. Die Schneekugel in ihm schüttelte sich und bedeckte alles mit reizvollen kleinen Berührungen irgendwo. „Lass mich raten… Du bist gar nicht nachts geboren, sondern irgendwann im Laufe des Tages…“, begann er geistesabwesend, bevor er seine Lippen ein weiteres Mal einladend gegen Madaras öffnete. „Sieben Uhr sechsunddreißig oder siebenunddreißig am Abend“, bestätigte Madara schmunzelnd, seine tiefe Stimme füllte sich mit einem warmen Timbre. „Und bis dahin…?“ Madara schwieg, seine Lippen glitten wieder über Itachis, als suchten sie dort etwas. „Also, was ist es?“, wollte er erneut wissen. Anscheinend war die Frage nach dem Geburtstagsgeschenk die bewehrte Waffe, aber diesmal war Itachi vorbereitet. Seine Nägel gruben sich in die Haut von Madaras Nacken. „Sagtest du nicht, du findest es sowieso?“ Madaras unanständiges Grinsen hätte eigentlich einen schwarzen Zensurbalken gebraucht. Es ließ Itachis Atem stocken, zumindest einen Moment lang. Diabolische Sexualität war nicht da, sie wurde verliehen. „Ich habe dreizehn Stunden und fünfundfünfzig Minuten zum Suchen.“ Itachi stellte sich auf die Zehenspitzen. Sein Pullover war eh verrutscht, noch mehr blasse Haut kam zum Vorschein, als seine Lippen sich zu einem andeutungsreichen Lächeln verzogen. Mit einem kläglichen Knistern riss er den Mistelzweig herunter und ließ ihn ostentativ zu Boden fallen. „Ab jetzt.“ And I’ve been wondering why you let me down And I’ve been taking it all for granted fin [1] Joker der künstlerischen Freiheit benutzt. Tatsächlich ist Itachi sogar drei Zentimeter größer als Madara. Aber diese Vorstellung konnte mein fannon-verseuchtes Gehirn nicht akzeptieren. Das ist wohl ein guter Moment, um zu sagen, dass ich allen Kommentatoren danke, die es alle geschafft haben, tolle Reviews zu schreiben, anstatt drüberzublättern. Was vermutlich auch der Grund ist, warum dieses Feuerwerk an OoC und einigen anderen sowohl positiven als auch negativen Inhaltsstoffen (ich tue nicht so, als sei ich unzufrieden, das wäre dann auch nicht fair) so lang geworden ist. Und noch keinen Abschluss hat. Ernsthaft. Ich werde es vermutlich nie schaffen, ein Buch zu veröffentlichen, aber Fanfiction zu schreiben und Feedback zu erhalten ist sehr aufbauend. Und motiviert immer wieder aufs Neue. Frohes Fest und guten Rutsch! Kapitel 14: As Time Goes By --------------------------- As Time Goes By Untertitel: Ausflüge und Ausflüchte War nicht einfach, nach dem Heile-Welt-Szenario wieder einzusetzen, ich hoffe mal, ich habe es geschafft. Natürlich nicht ohne Unterstützung, denn „As Time Goes By“ von Herman Hupfield aus 1931, das auch der großartige Frank Sinatra in seinen Fingern hatte, wurde mir von Flecki49 zugespielt :) Allein schon, weil die Idee nicht von mir war, fühlte ich mich verpflichtet, den OS nicht so schleifen zu lassen. Enjoy! „Ich befürchte, er könnte eine Lernschwäche haben.“ Itachi hatte es geschafft, sich in eine bizarre Situation zu manövrieren, und er wusste nicht mal, wie. Also drückte er sich nur den Hörer seines schnurlosen Telefons gegen die Ohrmuschel und versuchte, einen Arm in seinen zweiten Jackenärmel zu schieben. Es war jetzt wärmer draußen, definitiv Frühling, aber er hatte sich angewöhnt, etwas über seinem Pullover zu tragen. „Ist es schlimm?“ Verhaltenes Zögern am anderen Ende der Leitung, während Itachi verbissen mit seinem Ärmel kämpfte. „Er hat die Aufnahmeprüfung der Grundschule nicht bestanden.“ Itachi schnaufte ärgerlich und wusste nicht, ob er damit den Ärmel meinte oder die Antwort. Er hatte das nicht gemeint, er hatte gefragt, ob es schlimm war. Minderwertigkeitsgefühle oder depressive Phasen. Derlei unbedeutende Details, denen kleine Jungen gelegentlich anheimfielen. „Was macht ihr jetzt?“ „Ich weiß nicht. Wir versuchen, eine andere Schule mit ähnlichem Standard zu finden. Solange soll er möglichst außer Haus sein, damit er es nicht so mitbekommt.“ Itachi brummte, was nach Zustimmung klang. Eigentlich hatte er sich nur mit dem Arm verheddert. Schließlich klemmte er sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr und versuchte, von dort aus in den Ärmel zu kommen. Es konnte gar nicht sein, dass er einen Wachstumsschub gehabt hatte, dazu war er zu alt… War Schweigen so ermutigend? Anko wartete auf ihn, und sie tolerierte immer nur einen Makel. Itachis Makel war bereits sein langsames Bedienen einer zu komplizierten Kaffeemaschine, wenn Unpünktlichkeit dazukam, würde sie das nicht so einfach hinnehmen. „Es ist natürlich schwierig, man kann ihn nicht allein losschicken. Ich hatte da-“ Itachi hatte seinen Arm in den Ärmel geschoben, ein kalter Schauer rann seinen Rücken hinab und schien sich in seinem Magen zu einem Klumpen zu zementieren. Hatte er einfließen lassen, dass er lernen musste, dass seine Prüfungen anstanden? Dass er einen Job hatte, um den er sich zu kümmern hatte? Aber dann würde sie fragen, warum das nötig war, wenn seine Eltern doch übereingekommen waren, dass sie die Kosten für sein Studium und die entsprechende Logis trugen und er es später zurückzahlen konnte, wenn er es denn unbedingt wollte, weil er ein solcher Pedant war… Sie hatte den Moment gehört, ganz sicher. Sie wusste, wenn er sich anbieten wollte, auf seinen kleinen Halbbruder aufzupassen, hätte er zumindest eine Andeutung gemacht. Wenigstens einen Tag lang. Weil Itachi noch nie eine Prüfung vermasselt hatte. Sie hatte weitergeredet, und in diesem egoistischen Augenblick bereute Itachi sein Schweigen nicht. Sie interessierte sich nicht für ihn, oder? Instrumentalisierte sie ihn so, wie jede Frau es angeblich tat? Oder war er nur der selbstsüchtige Störfaktor, der ständig wollte, dass sich alles um ihn drehte und Dinge wie Familienzusammenführungen deshalb kategorisch ablehnte? „… im Zoo. Er mag seinen früheren Kindergärtner ganz gern, vielleicht befreit ihn das von einem Teil des Drucks. Magst du mitkommen?“ „Ich muss arbeiten“, erwiderte Itachi steif und knotete seine Schuhe zu, den Hörer immer noch zwischen Ohr und Schulter. Sein Ohr wurde taub, das war Druck. Nicht… das da. Hätte man für ihn auch so einen Affenzirkus gemacht? „Hast du keine Mittagspause oder so?“ „Ich werde sehen, was sich machen lässt.“ „Wäre schön. Ich schicke dir eine Mail mit dem Programm.“ Programm. Also bitte. Es wurde lächerlich. Und Itachi wusste mittlerweile, dass er zu spät kam. „Musst du jetzt los?“ „Ja. Wiederhören, Mikoto.“ A sigh is still (just) a sigh The fundamental things apply As time goes by Natürlich ärgerte Anko sich über ihn, das hatte Itachi nicht anders erwartet. Es war nicht gerade der ideale Ausgangspunkt, um sie um etwas zu bitten, das mit weniger Arbeit zu tun hatte. Es war erst Mai, doch Anko trug Bermudas und ein Band-Shirt. Sie wirkte jünger so, obwohl sie gelegentlich darüber scherzte, dass ihr Busen nicht richtig in Form war. Ihre Beine waren es jedenfalls, sie hatte immer noch die strammen Waden einer Fußballerin. „Klingt ja ganz abgefahren“, brummte sie trocken und blickte Itachi skeptisch an, während sie ihre Finger über die Tasten und Hebel der Kaffeemaschine fliegen ließ, ohne überhaupt hinsehen zu müssen. „Ich wusste immer, dass du den Job nur genommen hast, weil du’n Sorgerecht haben wolltest. Gereicht hat’s ja nicht.“ Sie führten dieses Gespräch etappenweise, weil einer von ihnen bis dahin wieder etwas zu tun bekommen hatte. Es verhinderte zumindest, dass Itachi sich gereizt fühlen konnte, bis sie beide wieder da waren, hatte er ihre Taktlosigkeit halb vergessen. „Es ist nicht mein Sohn.“ „Sondern?“ „Halbbruder.“ Anko musterte ihn gründlicher als ein Nacktscanner. Auf eine abartige Weise machte es Itachi nichts aus, er erwiderte ihre Aufmerksamkeit kühl. Schließlich grunzte sie zog in betont proletenhafter Art die Nase hoch. „Da muss deine Mutter sich ja ganz schön angestrengt haben.“ „Woher willst du wissen, dass meine Mutter es war?“ Itachi gelang es, eine neutrale Miene zu behalten. Er wusste, dass Anko ihn reizen wollte, doch das war es gar nicht so. Ein boshafter Stich von schlechtem Gewissen bohrte sich unter seiner Weste in seine Rippen. Er hatte heute vermutlich schon dasselbe gedacht, mehrmals, als Mikoto ihn so unerwartet angerufen hatte. „Bloß Mütter stellen solche Forderungen“, murmelte Anko gleichgültig und drückte ihm kalte Gläser mit Eiskaffee in die Hand, dann wandte sie sich ab. Sie hatte ihr Portemonnaie schon halb von ihrem Gürtel gepflückt, als sie wieder aufsah. „Wird nichts. Du siehst ja, was hier los ist, und ich steh‘ nicht drauf, den Laden allein zu schmeißen. Du hast gesagt, du machst, also machst du.“ Sie war ungerecht. Er opferte drei Mal in der Woche seine Mittagspause, um von der Universität hierher zu rennen, und in den anstehenden Semesterferien nicht selten ein Wochenende. Itachi wusste das, er akzeptierte es, weil er sich ohnehin distanzierte und es ihm gelegen kam, wenn er für andere keine Zeit hatte. Seit Kisame ihn besucht hatte, war das Thema Sexualität nie wieder angesprochen worden. Anko wischte mit einer schwungvollen Bewegung den verstreuten Kristallzucker von der Arbeitsfläche, wobei sie Itachi warnend im Blick behielt. „Kannst ja gehen, wenn es dir nicht passt“, fügte sie ohne Wimpernzucken hinzu und lächelte automatisch, als jemand etwas bestellte, was Itachi nicht genauer verstand. Anko beherrschte im Gegensatz zu ihm ein professionelles Lächeln. Nein, er konnte nicht einfach gehen. Aus mehreren Gründen nicht. Itachi biss die Zähne zusammen und kam sich feige vor. „Kannst sie ja hierher einladen.“ Grandioser Ersatz, übrigens. Als Itachi sich später zu Hause das ‚Programm‘ ansah, das Mikoto ihm geschickt hatte, seufzte er leise. Sie hatte wirklich nichts unversucht gelassen, um Sasuke immer und überall beschäftigt zu halten, eine Beschäftigungstherapie vom Feinsten. Und so hatte sie auch die Betreuer in sorgfältige Reihenfolge gebracht. Sämtliche Mitglieder ihrer neuen Familie, zu denen sie irgendwie Vertrauen hatte – Itachi kannte nicht mal alle Namen – schienen eingeplant zu sein, und trotzdem reichte es nicht, also hatte sie für einen Tag wirklich diesen Kindergärtner engagiert. Der war sicher begeistert. Bezahlte Mikoto ihn eigentlich dafür? Das erklärte, warum sie Itachi einspannte, der kostete wenigstens nichts. Missmutig betrachtete Itachi die Tabelle auf dem Bildschirm. Der Vormittag des fraglichen Tages war mit einem Zoobesuch belegt, wie er es schon wusste, der Nachmittag mit einem Bummel. Das war vermutlich das Problem, kleine Jungs bummelten nicht, das langweilte sie. Aber wenn Itachi sich den Rest des Ablenkungsprogramms ansah, konnte er Mikotos Ringen allmählich verstehen – es gab fast nichts, wohin Sasuke noch nicht geschleift worden war, Kino, Schwimmbad, Museum, Ponyreiten, Vergnügungspark, sogar zum Yoga. Das Deprimierende daran war, dass er all das wohl mit Erwachsenen absolviert hatte, damit ihn kein altersmäßig Nahestehender an sein Versagen erinnerte. Itachi druckte den Plan aus und schaltete den Computer ab. Ohne das Brummen des Rechners war es seltsam still in der Wohnung, bloß der Wasserhahn tropfte gelegentlich vor sich hin. War es ein Grund für Eifersucht? Vielleicht verschaffte es ihm ja geheime Befriedigung, diese Probleme zu sehen, andere Menschen zu vernachlässigen. Vielleicht war er so kaputt, und ein Masochist obendrein. Er vermisste jemanden, der ihn nicht ernst nahm, der seine Wünsche einfach überging. Es musste ja nicht unbedingt Madara sein, aber jemand, der diese Anforderungen erfüllte. Und zwar alle beide. Morgen war es dann also. Woman needs man - and man must have his mate That no one can deny An diesem Tag – es war ein Samstag – ließ Itachi seine Kellnerkluft im Schrank. Er hatte das weiße Hemd ordentlich gebügelt und den lose sitzenden Knopf an seiner Weste wieder festgenäht. Was zog man an, wenn man Fremde traf? Itachi machte sich Gedanken, bis er sich schlichtweg entschloss, sich so nüchtern und geschlossen zu kleiden wie sonst, und er nahm etwas mit, was nach scharfem Rasierwasser und Rohheit roch. Itachi war gut vorbereitet. Er hatte das ausgedruckte Programm, dessen Zeiten er im Kopf behielt, einen Stadtplan, sein U-Bahn-Monatsticket, eine Flasche halbstilles Wasser, Stifte und Papier und ein paar Süßigkeiten, von denen er nicht wusste, ob sie für seine Nerven waren oder für Sasukes. Mikoto hatte ihm nicht gesagt, was der Junge gern aß, wahrscheinlich weil sie ihm nicht unterstellen wollte, dass er so wenig über ihn wusste. Tatsächlich war es aber so. Diese Familie war Spießrutenlauf genug, wie sollte er denn da darauf achten, was Kinder alles in sich hineinstopften… Also gut, was auch immer. Gegen zwei würde die Bespaßungseskorte den Zoo verlassen und dann essen gehen, und was dann war, oblag der Fantasie. Da allmählich sämtliche Unterhaltung abgearbeitet war, die irgendwie kinderfreundlich war, würde es gar nicht so leicht sein, da etwas zu finden, und Kreativität war nicht Itachis Stärke. Er ging größtenteils davon aus, dass der designierte Betreuer sich etwas ausgedacht hatte. Dennoch stellte er fest, dass er unruhig war. Itachi sah den meisten Dingen mit stoischer Unbewegtheit entgegen, als gingen sie ihn nichts an. In gewisser Weise empfand er auch so, als er an der Bushaltestelle auf die kleine Ausflugstruppe wartete. Im Grunde ging es ihn nicht viel an. Es war, als würde er jemanden vom Flughafen abholen und hätte sein Pappschild mit dem Namen vergessen. Trotzdem sah er auf die Betonplatten unter sich, als der Linienbus hielt und Menschen hinein und hinaus strömten. Doch er sah keine kleinen Jungen und auch niemanden, der nach Kindergärtner aussah. Großartig, jetzt verspäteten sie sich auch noch. Oder hatten sie sich verirrt? Itachi holte den ausgedruckten Plan hervor und glättete ihn. Nein, es war jetzt zehn nach zwei, das Mittagessen war angesetzt. Und möglichst kein Junkfood, das war für den Körper eines Heranwachsenden ganz schlecht. Itachi blickte auf und sah sich um. Der Bus war wieder abgefahren, und sein Halbbruder stand auf der anderen Straßenseite und starrte diesem schmutziggrünen Ding nach, während er anscheinend darauf wartete, dass die Fußgängerampel auf Grün umsprang. Itachis erster Gedanke war, dass der Junge zerrupft aussah. Man hatte ihn offenbar vorhin vom Arm abgesetzt, denn sein Pullover war etwas hochgerutscht. Er hatte einen Rucksack über der Schulter und hielt den Gurt sicherheitshalber mit einer Hand fest, seine Mutter hatte ihn wohl zur Vorsicht gemahnt. Die andere Hand umklammerte den Zeigefinger eines Mannes, des Mannes, der ihn vorhin getragen hatte und außer Atem wirkte. Eine Frau beugte sich herunter und zog Sasukes Pullover herunter und stopfte den Saum bei der Gelegenheit in den Hosenbund, wo er, kleine Jungen kennend, sicherlich keine zehn Minuten bleiben würde. Itachi kannte die beiden Erwachsenen nicht, auch wenn kein Zweifel bestand, dass sie Sasukes Betreuer waren. Doch er war vielmehr davon gebannt, wie sehr sie wie eine junge Familie wirkten; wie Sasuke den Zeigefinger des Mannes festhielt und die Frau die Kleidung des Jungen ordnete. Altersmäßig hätten die beiden es bestimmt geschafft, Sasukes Eltern zu sein, und sie hatten beide schwarzes Haar. Fraglos hatte sie im Zoo jeder für eine Familie auf einem samstäglichen Ausflug gehalten. Die Ampel zeigte Grün. Der Mann sortierte daraufhin seinen menschlichen Schützling und die Frau ihren tierischen. Zu Itachis gereizter Faszination zog sie ein dickes rosa Zwergschwein an einer roten Leine hinter sich her. Es war doch hoffentlich nicht zu spät, umzukehren und seinen Arbeitstag noch wahrzunehmen, oder… Es war in dem Moment zu spät, als Sasuke ihn ebenfalls entdeckte. Zwar gab der Junge nicht die typischen Anzeichen von Erkennen von sich – kein Lächeln, Winken oder Quieken – aber der Mann, der mutmaßlich sein Kindergärtner war, schien Itachi trotzdem geübt auszufiltern und änderte den Kurs. „Hi.“ Bevor Itachi sich versah, streckte der Mann die Hand aus. Er war eine hochgewachsene, normale Erscheinung und schlaksigen Gliedern und langem, schwarzem Haar, das in seinem Nacken zu einem unordentlichen Zopf zusammengefasst war. Er hatte einen gewöhnlichen Teint und war nicht umwerfend attraktiv, da seine Lippen für einen Mann zu voll waren und die Proportionen seines sonst eher schmalen Gesichts durcheinander brachten, doch er wirkte resolut und sympathisch, schwer zu verunsichern. Itachi ergriff die Hand und verzog tapfer nicht die Miene, als sie zusammengedrückt wurde. „Du bist Itachi?“, erkundigte der Kindergärtner sich und hielt sich nicht damit auf, ob Itachi geduzt werden wollte. Zu viel Berufsgefühl in diesem Menschen, der laut Mikotos Anleitung Izuna hieß. Itachi nickte mehr oder minder überzeugt und ließ seinen Blick fragend zu der Frau schweifen, die nicht Teil des Programms war. Sie war etwas älter als Itachi und zierlich, ihr Haar war kurz und der Pony modisch um das hübsche Gesicht drapiert. Sie trug ein geblümtes Kleid mit Bolero und wirkte mehr wie jemand, der vorgehabt hatte, auf ein Date zu gehen. Vielleicht war das auch so, und sie hatte nur das Pech, dass ihr Freund nicht Nein sagen konnte. Nur seit wann nahm man Schweine mit auf seine Dates? Die Frau lächelte entwaffnend und bot ihm ebenfalls die Hand an. Itachis Wortkargheit schien sie nicht sonderlich zu stören. „Fein! Ich bin Shizune, freut mich. Ich bin eigentlich mit in den Zoo gekommen, um dort Fotos zu machen. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich anschließe?“ Itachi hatte nicht angedacht, das abzulehnen, obwohl er wirklich nicht damit gerechnet hatte, dass diese Gruppe um ihm fremde Personen und Tiere erweitert wurde. Er fragte sich noch, ob Shizune ihm nur ihren Vornamen genannt hatte und wie er sie ansprechen sollte, als er Sasukes Blick auffing. Er wurde jetzt bald fünf, oder? Oder war er erst vier geworden? Alt genug, um Prüfungen zu bekommen. Er war ungewöhnlich reserviert für ein Kind seines Alters, Izunas Hand hatte er immer noch nicht losgelassen. Itachi sah seine Befürchtung, Shizune könnte mit ihrem putzigen Ausstattungstier weggehen und ihn weiter ans Alleinsein mit seinem merkwürdigen Relikt von Bruder rücken, der von ihnen beiden die älteren Rechte hatte und offensichtlich nicht wusste, was er mit denen sollte. Und Itachi für seinen Teil wollte auch nicht mit diesem Kind allein sein, das er so wenig wiederkannte und sicher das nächste Mal auch nicht wiedererkennen würde. So sah die Realität aus. Itachi musste zu Izuna aufschauen, doch es kam ihm leichter vor, als Sasukes unterschwellige Beunruhigung zu erwidern. „Sicher, warum nicht.“ On that you can rely No matter what the future brings As time goes by Essen war kaum besser, wirklich. Junkfood war von vornherein verboten, und allein die Anwesenheit dieses Schweins – es hieß Tonton, wie Shizune strahlend verkündete – machte es unmöglich, irgendeine Art von Fleisch zu essen, ohne die junge Frau in ihrer Vegetarierehre zu kränken und Sasuke angeekelt die Lippen zusammenkneifen zu lassen. Das tat er allerdings auch, wenn man ihm anbot, ein Eis essen zu gehen. Er mochte kein Eis. Welches Kind mochte kein Eis?! Itachi hatte wenig Verständnis für diese kleine Kreatur. Elenderweise war er der einzige Ortskundige, weshalb Sasukes Garde selbstverständlich von ihm erwartete, dass er irgendeine Art von Lokal kannte, die zu empfehlen war. Und das tat Itachi nicht, zu Anko konnte er diese Gruppe ohnehin nicht schleppen. Schließlich suchte er sich aus lauter Verzweiflung das seltsame Restaurant aus, das Madara und er mit Hashirama und Mito besucht hatten. Freilich kein besonders glücklicher Ort, aber wenigstens erinnerte sich hier keiner an ihn. Shizune bestand darauf, Fotos von ihnen zu machen, und sie zeigte auch die Fotos vom Zoo. Dafür benutzte sie eine Digitalkamera mit relativ großem Display, und offenbar hatte sie sich Mühe gegeben. Itachi hatte sich die Bilder mit blanker Miene angesehen. Sasuke sah dort besser aus als jetzt, was kein solches Wunder war – er war müde und musste sich ausruhen. Ob seine Stimmung danach besser war, konnte Itachi auch nicht sagen. Denn sie kamen ja nicht wirklich zum Ausruhen. Dass sämtliche Lebensmittel hier irgendeinen süßen Unterton hatten, war Itachi bereits bekannt, doch für ihn war das kein Problem. Für Sasuke offenbar schon, denn er weigerte sich, irgendetwas zu essen und zog die Nase kraus, sobald man darauf bestand. Für Itachi war es eine Geduldsprobe, er war kleine Diven nicht gewohnt. Izuna stellte sich geschickter an, er schien sich nicht mal zu wundern. Kindergärtner waren offenbar ein eigenartiger Menschenschlag. Izuna und Shizune waren offenbar ein Paar, das war beim Betrachten der Fotos nicht weiter schwer festzustellen. Shizune schaltete zwar verlegen darüber hinweg, doch Itachi entgingen die typischen Bilder von händchenhaltenden, umarmenden und/oder küssenden Menschen nicht. Sasuke war in solchen Fotos allenfalls im Hintergrund, vermutlich hatten sie nur fotografiert, wenn sie ihn außer Sichtweite wussten. Itachi hätte ohne Weiteres geglaubt, dass Mikoto auch eine Etikette aufgestellt hatte, die besagte, dass ein Paar sich nicht wie eines zu verhalten hatte. Was sie nun miteinander anfangen sollten, fragte Itachi sich. Und der Blick von Sasukes dunklen Murmelaugen schien dasselbe zu fragen, während er das Ende von Izunas Zopf in der Faust hielt wie eine Rettungsleine. Und nein, er wollte nichts essen. You must remember this A kiss is still a kiss Nach diesem Essen war Itachi ziemlich überzeugt, dass er es nicht durchstehen würde, wenn er diesen Jungen einen ganzen Nachmittag unterhalten sollte. Irgendeine Beschäftigung musste her, dringend, sonst würde diese Art von peinlichem Schweigen eintreten, die unweigerlich zu Gereiztheit und Wortgewalt führte. Izuna schien seine Meinung zu teilen, doch es kostete die Aufbietung von Shizunes ganzem Charme, um Sasuke von seinem vertrauten Anker loszueisen und ihn vor ein Reiterdenkmal zu stellen, wo er Tonton auf den Schoß nahm und ernsthaft in die Kamera starrte. Er wirkte wie zerdrückt, und Itachi wusste nicht, ob es an der vermasselten Prüfung lag oder an der Lawine, die dieses Ereignis losgetreten hatte. Dann wandte er sich wieder dem Stadtplan zu, den er entfaltet hatte. Izuna fuhr stirnrunzelnd eine Straße mit dem Zeigefinger nach. Er hatte schöne, lange Finger, und die konzentrierte Miene stand ihm auf eigenartige Weise. Schade, dass er schon eine Freundin hatte. Itachi schüttelte den Kopf und vertiefte sich wieder in den Plan. „Hat er denn wirklich jeden Film schon gesehen?“ „Nein, aber er findet Kinderfilme lächerlich, und in etwas Anderes darf er nicht rein“, brummte Izuna, ohne aufzusehen. Itachi wunderte sich nicht mehr, dass der Kindergärtner Sasuke besser kannte als er, in manchen Bereichen vielleicht sogar besser als Mikoto ihn kannte. Sasuke war nicht chronisch anhänglich, doch Izuna schien er zu mögen. Er gehorchte zumindest dessen Anweisungen und hörte ihm zu. Und er hielt sich an ihm fest, obwohl Sasuke an sich nicht klammerte, und hin und wieder entlockte Izuna ihm sogar ein kurzes, immer noch ernsthaftes Lächeln. Itachi versuchte sich zu erinnern, ob es immer so gewesen war. „Was ist mit Kegeln?“ Itachi wusste, dass der Vorschlag dämlich war, eine Bowlingkugel war definitiv zu groß für Sasuke. Er war allmählich mit seinem Latein am Ende, das war alles. Echter Sport kam nicht in Frage, weil Sasuke schon müde war und nicht richtig hatte essen wollen (Shizune hatte mit größerem Nachdruck einen Salat gefunden, den sie ihm aufnötigte, doch davon lebten Kinder auch nicht), und dann war Kino plötzlich tabu und alles Andere war auch schon… Es war zum Auswachsen. Izuna faltete den Stadtplan wieder zusammen, seine gerade Nase kräuselte sich etwas. „Wir könnten auf den Spielplatz gehen, wie man es mit Kindern macht. Bolzen gehen. Aber wenn ich das tue…“ Aus seiner Stimme sprach weniger Angst als vielmehr Resignation. Über diesen verhexten Samstag, über sein eigenes Verhalten oder Mikotos, über die Pädagogik oder über irgendwas, was er nicht verriet. Einen Moment lang schien er etwas Anderes zu sehen als einen verdrossenen kleinen Jungen mit einem zappelnden Schwein auf dem Schoß. „Hör mal…“ Izuna verlagerte das Gewicht und schürzte seine glatten Lippen. Er schien etwas sagen zu wollen, und Itachis Magen zog sich vor Nervosität zusammen. Es war nur ein weiterer fremder Mensch, dessen Meinung ihm egal sein konnte. Und er wollte es nicht wissen, wirklich. Wenn es irgendeine Art von Problem in Sasukes Familie gab, dann wollte er davon gar nicht erst erfahren. Aber es kam nicht dazu, dass Izuna irgendetwas sagte, denn seine weichen Gesichtszüge erstarrten von einer Sekunde auf die Nächste. „Madara…“ Itachi wirbelte herum, aus Reflex presste er sich die Hand auf die Brust, als hätte er sich erschrocken. Nun, er hatte sich auch erschrocken, und er hatte das Gefühl, wenn er jetzt den Mund aufmachte, würde jeder Ton eine Oktave zu hoch sein. Madara sah keinen von ihnen beiden an, auch wenn Itachi tausend Dinge gleichzeitig einfielen. Es war nicht warm genug für ein T-Shirt, wo kam dieser Idiot eigentlich her, wie sollte er das erklären, und warum hatte sein Herz es gewagt, einen Satz zu machen. Die Lage war gleichzeitig peinlich und ersehnt. Madara blickte an ihnen vorbei, es raschelte. „Die Schweinelady!“ Shizune schaute auf und grinste zum ersten Mal an diesem Tag. „Wir kennen uns, oder?“ Moonlight and love songs - never out of date Hearts full of passion - jealousy and hate Rot-orange und weiße Freesien in einem unscheinbaren, weißen Papier. Sie dufteten hypnotisch, und sie zeigten auf Shizune. „Sind die für mich?“ Eines musste man Madara lassen, er zuckte nicht mit der Wimper, und erst bedachte er Tonton ausführlich mit einem indignierten Blick, bevor er sich um irgendetwas Anderes kümmerte. Itachi hatte das Gefühl, dass er nie erfahren würde, für wen die Blumen gewesen waren, und sie standen Shizune gut, die sie mit einem breiten Lächeln in Empfang nahm und den Strauß Schnittblumen in ihre Armbeuge legte. Sie hatte nur scherzhaft gefragt, doch die Ausflucht war geglückt. Izunas Erstarrung hatte sich gelöst, als hätte es sie nie gegeben. Lässig hakte er seine Daumen in die Hosentaschen und musterte Madara schweigend. Itachi hatte nicht vergessen, dass Izuna den anderen erkannt hatte. Kurios, Madara war sonst nicht der Typ, der ausgerechnet Kindergärtner befreundete. „Hi.“ Izuna verlagerte das Gewicht aufs andere Bein. Sasuke ging wieder hinter ihm in Deckung, er schien von dem hochgewachsenen Fremden nicht begeistert zu sein. Allerdings war er momentan von gar nichts begeistert. „Ihr kennt euch auch?“, fragte Itachi schließlich und betonte das letzte Wort beinahe ironisch. Madara schmunzelte; er wirkte irgendwie überdreht, als hätte er einen Adrenalinschub hinter sich und wäre noch nicht wieder ganz klar. Itachis Magen verdrehte sich nervös, er presste seine Zunge nach oben, als wollte er sie davon abhalten, Worte zu formen. War nicht so gemeint. Du bist auch schuld. Ich bin nicht feige. Du bist feige, du bist ja abgehauen. Aber so lange solltest du nicht wegbleiben. Woher kennst du Shizune. Woher kennst du Izuna. Warum hast du mich überhaupt blamiert. Kommst du jetzt zurück. „Klar. Deine Mutter ist 'ne Schlampe.“ Izuna nahm Madaras Beleidigung gelassen hin, mit einem hintergründigen Lächeln. „Ich weiß. Deine auch. Sie lutscht-“ „Nicht vor Sasuke“, unterbrach Itachi ihn, weil er das Gefühl hatte, dass es kein anderer sagen würde. Sein Mund war trocken, und sein Herz schlug immer noch heftig. Sasuke indes sah aus, als fände er zum ersten Mal heute ein Gespräch interessant. Mikoto würde ihnen die Köpfe abreißen. Shizune schien die Wandlung ihres Freundes auch nicht zu verstehen, doch sie zückte mechanisch ihre Digitalkamera und machte ein Foto von ihnen. „Kommst du mit?“, fragte Izuna angelegentlich, ohne seinen Blick von der im Sonnenlicht blitzenden Linse abzuwenden. Madara brummte, was vermutlich als eine Art Zustimmung galt. „Wenn du dich benimmst.“ Auch Itachi konnte seine bereits eingenommene Stellung nicht verändern, auch wenn er ein störendes Kribbeln im Nacken spürte und es ihn reizte, über die Haut zu reiben. „Was meinst du, warum ich allein gekommen bin“, erwiderte Madara, und Itachi wusste, was er meinte. Er gab sich geschlagen. „Und, was machen wir jetzt?“ Shizune war wieder hinter ihrer Kamera aufgetaucht und lächelte ihnen hoffnungsvoll zu, als würde sie erwarten, dass jetzt der große Clou kam. Madara zuckte mit den Schultern. „Paintball.“ And when two lovers woo They still say: "I love you" Unnötig zu sagen, Itachi war nicht einverstanden. Nicht einverstanden damit, das auf einer Promenade zu diskutieren, und nicht damit, dass der Vorschlag von Madara kam. Und mit dem Vorschlag an sich sowieso nicht. Sasuke blickte zwischen ihnen hin und her. Vermutlich wusste er nicht, was Paintball war, aber viel offensichtlicher war er es gewohnt, dass man über seinen Kopf hinweg über rätselhafte Dinge redete und ihm dann das Ergebnis mitteilte. Sicherheitshalber war er wieder an Izunas Zeigefinger vor Anker gegangen und wartete schicksalsergeben ab, was man sich ausdachte. Shizune schien ebenfalls ihre Zweifel zu haben. „Das ist doch gar nicht erlaubt, Sasuke ist viel zu klein. Und das Spiel viel zu gewalttätig, das könnte seine Psyche beeinflussen“, hielt sie dagegen. Sie meinte es gut, und Itachi stimmte ihr zu, allerdings begann auch sie völlig natürlich, über Sasuke so zu reden, als sei er gar nicht anwesend. Izuna schwieg mit schwer deutbarer Miene, sodass Shizune sich an ihn wandte und in einem nachdrücklicheren Ton hinzufügte: „Izzy, sag‘ auch was dazu.“ Madara schnaubte, was vermutlich seine Reaktion auf ‚Izzy‘ war und anbei noch das löbliche Vermeiden eines Grinsens. „Uns fällt nichts mehr ein“, murmelte Izuna schließlich und erntete eine empörte Miene ganz für sich allein. Das Paar schien daraufhin in ein stilles Duell überzugehen, wie es offensichtlich nur Paare von Anfang an konnten, und ließ die Diskussion solange stehen. „Wer ist der Zwerg überhaupt?“ Madara deutete auf Sasuke, der gleichgültig zu ihm hochstarrte. Itachi war sich nicht sicher, ob er angesprochen war, doch von den anderen beiden würde eh keiner so schnell reagieren, bis sie ihr Kräftemessen nicht ausgestanden hatten. „Sasuke. Mein Halbbruder.“ „So was hast du“, grunzte Madara schnippisch. „Ich weiß, dass ich’s dir nicht gesagt habe.“ Itachi wich dem Ausdruck von Überraschung aus, der ohnehin zu kurz währte, um sich lange daran zu erbauen. Er wusste nicht viel über Madara, aber der wusste auch nicht viel über ihn. Sie nahmen sich nichts. „Unpädagogisch!“, trumpfte Shizune auf und drückte Tonton an ihre relativ flache Brust, als wollte sie ihr Hausschwein vor dem schädlichen Einfluss schützen und nicht Sasuke. „Wir könnten VIP spielen“, warf Madara ein, und Itachi hatte das Gefühl, dass er es… für Izuna aussprach, damit dieser sich nicht den Ärger einhandelte. Er hatte keine Ahnung, warum er auf solche Interpretationen kam, doch aus irgendeinem Grund funktionierten die beiden scheinbar mit demselben Mechanismus. Wie Geräte, die dieselbe Art Batterie benutzten, ohne sich dabei ähnlich zu sein. „Du willst mich nur mit Fachjargon verwirren“, schmetterte Shizune mürrisch ab. „Der Hosenscheißer will aber“, beharrte Madara grinsend. Izuna musterte ihn trocken. „Ein Flachwichser wie du nennt meine Schüler nicht Hosenscheißer, sonst sorge ich dafür, dass du nicht mal mehr wi-“ „Izuna!“, fuhr Shizune ihn an, mechanisch schaute sie sich um, ob einer der Passanten auf sie aufmerksam geworden war. Madara stöhnte unterdrückt auf. „Deine Freundin ist langweilig“, knurrte er, jedoch so leise, dass ihn Shizune wahrscheinlich nicht hörte. Izuna hörte ihn durchaus, allerdings bedankte der sich auch mit einem ruppigen Schlag der flachen Hand in Madaras Nacken. Wobei er es irgendwie schaffte, das raue Haar schnell genug beiseite zu schieben, um ein sattes Klatschen zu erzeugen. „Fang‘ nicht davon an. Mito war langweilig.“ „Ich weiß.“ Madara rieb sich die sich rötende Haut im Nacken und kniff die Augen zu. „Tja. Schätze, ich stehe einfach auf Langweiler.“ Ja, sie gingen. Letztendlich. Shizune war dagegen, aber Itachi setzte sich durch, indem er die Verantwortung übernahm. Er war nicht Sklave einer Äußerung, hoffentlich; er hatte das Gefühl, dass wenn Mikoto so sehr darauf bestand, Sasuke das Programm für Große durchlaufen zu lassen, er es ihrem Sohn schuldig war, ihn auch genau das erleben zu lassen. Madara wusste, wo sich eine Anlage befand, und der Weg dorthin war nicht weiter kompliziert. Doch von einem ganz elementaren Problem erlöste sie das nicht: Sasuke war einfach zu jung. Abgesehen von den schweren Schäden an seiner Psyche, die Shizune ihnen leuchtend ausmalte, war er einfach zu jung, zu klein. Niemand würde ihm überhaupt erlauben, dass er das Gelände betrat, vom Teilnehmen ganz zu schweigen. Wenigstens die erste Hürde ließ sich umgehen, indem sie sich ausführlich mit dem Betreiber der Paintball-Anlage auseinandersetzten. Shizune bestand darauf, dass sie Tonton nicht draußen anbinden konnte, und irgendjemand musste auf die Sau aufpassen, und man konnte einen kleinen Jungen nicht draußen stehen lassen… In diesem Fall kam es ihnen wohl zugute, dass Izuna und Shizune so frappierend wie Sasukes Eltern wirkten. Dem Quengeln einer Fusion aus Mutter und Tierhalterin konnte niemand lange Paroli bieten, und irgendwann, in ein paar Jahren, würde Sasuke sicher auch mal herkommen. Das mit der Werbung zog sich ja immer. Itachis Herz schlug dennoch bis zum Hals, als sie den kleinen Schuppen betraten, indem Helme, Markierer und sonstige Ausrüstung gelagert wurde. Es sah ganz so aus, als wollte der ältliche Wächter zumindest hier die Oberhand behalten, damit die ‚Jungs‘ nicht mit den Markierern herumfuchtelten und die Helme richtig anlegten. Itachi behielt seinen Halbbruder argwöhnisch im Auge, während er ungelenk in die ihm etwas zu großen Handschuhe schlüpfte. Sasuke beobachtete sie alle äußerst ernsthaft, das Ende von Tonton roter Leine in beiden Händen. Es war nicht zu erkennen, ob er Angst vor ihnen hatte. Ging dieser Farbmist aus der Kleidung wieder raus? Itachi hatte nicht vorgehabt, sich seine Sachen heute zu ruinieren! Der Wächter kontrollierte mürrisch den Sitz der Helme und händigte ihnen dann die geladenen Markierer aus, um ihnen dann möglichst unbegreiflich deren Anwendung zu erklären und sie krächzend zu ermahnen, dass er jeden abknallen würde, der seinen Helm während des Spiels abnahm. Madara murmelte irgendetwas von einem alten Sackgesicht mit anatomischen Mängeln, und Sasuke sah konzentriert weg, wie jemand, der allzu genau lauschte. Da waren sie schon wieder allein. Itachi seufzte leise und sah Izuna dabei zu, wie dieser Neoprenbinden in einen Helm stopfte, damit dieser auf Sasukes kleineren Kopf passte. Shizune beobachtete ihn ebenfalls, äußerst zweifelnd. Mit demselben Ausdruck hatte der Mann vorhin ihr geblümtes Kleid bedacht, und so Unrecht hatte er da nicht mal. „Ich finde das immer noch nicht richtig.“ „Es soll ja niemand ihn treffen. Das ist der Sinn der Sache.“ Madara hatte einen Knieschoner gefunden, den er Sasuke wie eine Schulterplatte auflegte und festzurrte. Schien eher, als wollte jemand den Jungen zum Eishockey schicken. „Er ist der VIP, und er muss ungetroffen die Fahne erreichen. Und möglichst auch ohne bemerkt zu werden…“, ergänzte Izuna und setzte Sasuke den Helm auf. Er saß etwas schief, und Itachi begann sich ernstlich zu wundern, ob er hier nicht eine soziale Katastrophe einläutete. Aber Sasuke hatte nicht protestiert. Vielleicht war er es gar nicht mehr gewohnt, dass ihn jemand nach seiner Meinung fragte. Shizune wog ihren Markierer zweifelnd in der Hand und fuhr über die Laufsocke, die ein vorzeitiges Auslösen des Schusses verhinderte. „Vier gegen einen. Klingt fair.“ „Dann gibt es wohl eine Schutzmannschaft“, murmelte Itachi leise. „Wir knallen euch ab und ihr knallt uns ab, damit wir nicht den Zwerg abknallen. Das ist fair“, bestimmte Madara achselzuckend und Izuna musterte ihn schief. „Wer hat bestimmt, dass du Angreifer bist?“ „Ich beschütze keinen abgebrochenen Meter, Izzy.“ Shizune verschränkte die Arme. Mit ihrem Helm, dem geblümten Kleid und dem Markierer in einer Hand wirkte sie keineswegs so drollig, wie man meinen sollte. „Ich bin im Team, das auf dich schießt.“ Itachi musste sich wundern, wie Madara es immer so schnell schaffte, sich Frauen zum Feind zu machen. Izuna stieß ihn an. Er grinste, scheinbar grundlos. „Und du?“ Itachi blickte Madara absichtlich nicht an. Izuna sollte in einem Team mit seiner Freundin sein, sie waren überhaupt viel sanfter und hatten sich den ganzen Tag mit Sasuke beschäftigt, auch wenn das mit Sicherheit nicht zu jeder Zeit einfach war. Jemand, der dafür sorgte, dass dieser Junge keine blauen Flecken bekam, sollte jemand sein, der sich wirklich Gedanken um ihn machte. Itachi machte sich Gedanken, aber waren es denn die Richtigen? „Zu den Verteidigern. Zu Sasuke“, formte er langsam. Izuna grinste breiter und klopfte ihm auf die Schulter. „Besser so. Brüder sollten in einem Team sein.“ It’s still the same old story A fight for love and glory A case of do or die Sie schmuggelten Sasuke auf eines der Felder, indem Shizune ihn mit ihrem Rock abschirmte und ihn so schnell wie möglich hinter einem Hindernis versteckte. Tonton hatte der Junge weiterhin auf dem Arm – irgendwohin musste das Vieh ja. Die beiden Teams hatten zugestimmt, an verschiedenen, möglichst entgegengesetzten Punkten zu starten. Ein künstlicher Parcours bot Deckung, doch die kleine Fahne, der Zielpunkt, lag verheerend offen. Itachi hasste diesen Helm jetzt schon, er drückte, und das Visier war nicht ordentlich gereinigt worden. Er drückte den Markierer gegen die Brust und blickte sich um; Shizune hatte ihn vorgeschickt, weil er weniger auffällig gekleidet war. Widersprechen konnte man ihr da nicht. „Ich wette, sie warten in der Nähe der Fahne“, brummte Shizune und nahm unbeholfen die Waffe in den Anschlag. Da sie hinter Sasuke ging, schien ihr das Gewissensbisse zu bereiten, und sie senkte sie meist gleich wieder. Er war immer noch still und bewegte sich leise. „In dem Fall müssen wir sie zuerst markieren.“ „Ich kann nicht gut zielen…“ „Schieß, so oft du kannst.“ Shizune schnaufte zustimmend, es klang blechern durch den Helm. Itachi konnte nicht widerstehen. „Woher kennst du Madara?“ „Aus dem Zug. Die große Klappe vergisst man nicht so schnell.“ Shizune schwieg kurz und fügte hinzu: „Seine Chauvinisten-Attitüde muss nicht sein. Ich sollte ihm auf den Arsch schießen. Tut mir leid, Sasuke!“ Durch die Entschuldigung hatte sie erst recht die Aufmerksamkeit des Kindes angezogen, falls er es nicht eh gehört hatte. Itachi seufzte. In diesem Moment löste sich ein Schuss. Tonton kreischte auf und wand sich aus Sasukes Armen, um panisch grunzend davonzupreschen. „Jetzt! Auf die Sau!“ The world will always welcome lovers As time goes by Sasuke stürzte ohne zu Überlegen hinter dem fliehenden Tonton her, und auch Shizune war so alarmiert durch den Ausruf, dass sie ihr verängstigtes Haustier retten wollte. Sie raffte ihr Kleid und setzte den beiden nach, kleine Farbkugeln summten durch die Luft. Itachi hätte gewettet, dass es Madaras Kugel war, die Tonton traf, grüne Farbe spritzte über den dicklichen rosa Körper. Zu schaden schien es dem Schwein nicht, aber es quiekte gellend und wechselte die Richtung, wobei es die Leine hinter sich herschleifte. Shizune nahm sich, ob absichtlich oder nicht, Itachis Rat zu Herzen und feuerte auf die erste Ahnung von schwarzem Haar, das sie entdeckte. Itachi konnte ihr nicht folgen. War vielleicht eine Falle, ihm ganz egal, er versuchte, seinen Halbbruder einzuholen, der in Windeseile über das Gelände flitzte und dabei Haken schlug. Farbgeschosse schlugen ein, spritzten jedoch nur vereinzelt auf ihn, ohne ihn direkt zu treffen. Der Junge stolperte und fiel, sein Helm saß jetzt noch schiefer. Doch das einzige, was Itachi von ihm hörte, war: „Scheiße!“ In diesem Moment entdeckte Itachi jemanden. Er achtete nicht darauf, wer es war, es war jedenfalls nicht Shizune, das Kleid hätte er erkannt. Blitzschnell hob er den Markierer und zielte auf die Silhouette, die ihrerseits Sasuke ins Visier genommen hatte. Trat einen Schritt zurück, um den anderen absolut sicher zu treffen. Und strauchelte. Weil dieses… Schwein hinter ihm war und sich geduckt hatte. Itachis Schuss löste sich, ohne irgendwas außer leerer Luft zu treffen, und er landete auf dem Hosenboden, sein Markierer schlitterte aus seiner Hand und über das spärlich mit Gras bewachsene Gelände. Knurrend rappelte er sich wieder auf und rannte weiter, hinter Sasuke her, der der Fahne nun hoffnungsvoll nahe kam. Itachi holte ihn endlich ein, der Helm des Jungen war noch weiter verrutscht, und er keuchte. Sasukes Finger berührten die Fahnenstange, und ein grüner Fleck breitete sich auf Itachis Hemdbrust aus, wo er Sasuke hätte treffen sollen. Er riss sich den Helm vom Kopf, trotz der scharfen Anweisung, gerade das nicht zu tun, wenn noch nicht jeder wusste, dass das Spiel vorbei war. „Du dreckiges Arschloch, so kommst du nicht davon!“ Und wie sich herausstellte, konnte Sasuke definitiv keine Lernschwäche haben, wenn er sich jeden einzelnen Fluch dieses Tages in chronologischer Reihenfolge und entsprechender Betonung gemerkt hatte. Das Leben konnte ja so scheiße gut sein. fin Kapitel 15: Karma Chameleon --------------------------- Karma Chameleon Untertitel: Eiswürfel, Zitronensaft und Zuckerwatte “The song is about the terrible fear of alienation that people have, the fear of standing up for one thing. It's about trying to suck up to everybody. Basically, if you aren’t true, if you don’t act like you feel, then you get Karma-justice, that’s nature’s way of paying you back.” (Boy George über das Lied „Karma Chameleon” von Culture Club, 1983) Er wollte nicht alleine sein. Itachi stellte es fest, als er in der Spülküche war. Wieder einmal übrigens. Anko hatte ihn gewaltig dafür ausgeschimpft, dass er nicht zu seiner Schichte erschienen war und hatte ihm schulmeisterlich eine Strafarbeit aufgebrummt. Da Itachi keine angemessene Reue aufgebracht hatte, hatte er das Schrubben als Bußpflicht akzeptiert. Anko schmollte trotzdem oder gerade deshalb und hatte ihn seit einer Woche keines weiteren Blickes gewürdigt. Und die Überstunden waren unbezahlt. Itachi machte das nichts aus, doch mit einem Mal empfand er den kleinen Raum, in dem es nach abgestandenem Spülwasser roch, als unangenehm. Es war leidlich sauber hier, das war nicht das Problem. Aber er wollte nicht alleine sein. Er wollte auch nicht allein in seiner Wohnung sein; deshalb hatte er sich in erster Linie einen Mitbewohner gesucht. Niemand, mit dem Itachi übermäßig sozialisieren wollte. Es sollte nur jemand da sein. Das Café hatte bereits geschlossen, und Anko war heimgegangen. Draußen ging ein warmer Tag zuende, und es herrschte eine angenehme, sanfte Dämmerung, die ganz allmählich kam. Derzeit war es noch hell, ein zu schöner Abend, um verkrustete Pfannen zu spülen. Itachi ließ seinen derzeitigen Peiniger wieder ins trübe Wasser sinken. Anko vergaß ständig, wieder etwas Öl in die Pfanne zu geben, wenn sie Pfannkuchen machte, und beschichtete Pfannen lehnte sie ab. Daher dieser ewige Dreck. Er fragte sich, ob Sasuke eine neue Grundschule gefunden hatte, eine mit weniger hochgesteckten Standards vielleicht. Aber er genierte sich jedes Mal, dort anzurufen. Itachi hasste es, mit Sasukes Vater zu reden, und sei es nur kurz, und er hatte auch Mikoto nicht so viel zu sagen. Außer vielleicht dem insgeheimen Du bist schuld, dass ich nicht allein sein will. Oder Du musstest ja unbedingt ein zweites Kind haben. Dennoch dachte er öfter an Sasuke, als er es noch vor Monaten getan hatte. Itachi war schon immer eher ein ‚Beobachter‘ gewesen – er sah sich die Dinge aus der Ferne an und machte sich aufmerksame Gedanken, doch er kam nur zögernd näher. Er hätte mit Sasuke telefoniert, wenn er mit Sicherheit gewusst hätte, dass er auch diesen zu sprechen bekam und nicht dessen Eltern. Für ein Handy war er freilich zu jung. Nicht, dass Itachi momentan viel von dem wahrnahm, was um ihn herum geschah. Konan hatte sich von Pein getrennt oder er von ihr, es sah aus, als würde Zetsu wegziehen, ins Ausland vermutlich. Itachi stellte fest, dass er das nicht wollte. Der Gedanke war hohl und drängend zugleich. Es gab tatsächlich jemanden, mit dem er in letzter Zeit Kontakt aufgenommen hatte – oft abends, wenn er keine Lust mehr hatte, seine Strafarbeit zu machen. Das war Izuna. Itachi hatte früh festgestellt, dass er den Kindergärtner mit seinem launenhaften Temperament und dem losen Mundwerk leiden konnte. Izuna verwickelte ihn nicht in Gespräche über persönliche Belange, sondern schlug allgemeine Themen an. Er hatte genug Geduld, um auch Schweigen zu ertragen, und man fühlte sich nicht wie einer seiner Schützlinge. Itachi ertappte sich erneut mit dem Bedauern, dass Izuna kein Interesse an Männern hatte. Wenn ihm das wieder passierte, verspürte Itachi stets den Drang, seinen Kopf im Takt zum Walzer aus dem Schwanensee auf die Küchenablage zu donnern, um die Psychose herauszuschleudern, die sich darin eingenistet haben musste. Andere Menschen waren nicht dazu da, eigene Bedürfnisse zu befriedigen und kompensatorische Funktionen zu erfüllen, das lernte man in jedem Schnupperkurs für Sozialwissenschaften an der Uni. Ganz davon ab hatte Izuna schon eine Freundin. Über Madara hatten sie nur ein einziges Mal gesprochen, beziehungsweise ihn erwähnt. Izunas Verbindung zu ihm war Itachi seitdem nicht klarer geworden, und er hatte sich auch gar nicht bemüht, sie zu beleuchten. Er hatte sich in eigener Sache, ganz beiläufig, erkundigt. Was Madara damit gemeint hatte, er ‚stehe einfach auf Langweiler‘. I’m a man without conviction I’m a man who doesn’t know How to sell a contradiction Vielleicht zerbrach ja gerade etwas – Itachi hätte es nicht sagen können. Er ließ das Spülwasser ab und wusch seine Hände, dann rieb er sie mit Metallseife ab, um den Geruch zu entfernen. Anschließend richtete er seinen Kragen und knotete die Schürze los, hängte sie wieder auf. Er stellte die abgetrockneten Pfannen zurück in den Schrank und schloss die Fenster, ließ noch etwas Wasser ins Becken laufen, um Rückstände zu entfernen. Und irgendwo in dieser Aneinanderreihung von gewissenhaften, langweiligen Alltagstätigkeiten ging er zu dem cremefarbenen Wandtelefon direkt neben dem Durchgang von Küche und Café und nahm den Hörer ab. Itachi war ruhig, kein bisschen nervös. Seine Beine taten weh vom langen Stehen, er brauchte bequemere Schuhe, wenn er sich keine Blasen holen wollte. Und seine Finger, die die Tasten drückten, waren trocken. Anko ermahnte ihn ständig, zum Spülen Handschuhe zu tragen, aber er hasste dieses Gefühl von dickem Gummi einfach. Salbe würde es auch tun. Er legte den Hörer an seine Ohrmuschel und verlagerte das Gewicht aufs andere Bein. Izuna hatte ihm erzählt, dass es ihm oft so ging – steif wie eine Vogelscheuche und irgendwo ein Schmerz, von dem er nicht wusste, woher er kam, weil sein Körper noch nicht sortiert hatte, wo er sich gestoßen hatte. Und Izuna war der einzige Mensch, bei dem man sich die Leidensgeschichten gern anhörte, weil er sie selbst völlig locker nahm. Izuna war cool. Die Leitung klickte und knirschte leise, als der Hörer über irgendetwas gezerrt wurde. Itachi wartete geduldig ab. „Ja?“ Itachi glaubte nicht, dass er sich etwas überlegt hatte, was er sagen wollte. Deshalb schwieg er mehrere Sekunden und sprach dann das aus, was er dachte. „Ich bin froh, dass du abgehoben hast.“ „Hm?! Wieso nicht.“ „Ich bin froh, dass du abgehoben hast“, präzisierte Itachi und erntete dafür dieselbe irritierte Stille. „Wer sonst.“ Offenbar verstand Madara nicht, dass Itachi sehr eigen darin war, Menschen anzurufen. Es gab keine hundertprozentige Sicherheit, dass derjenige abnahm, mit dem er reden wollte, und so einfach war es. Es war auch nicht zu erklären. Itachi hielt den Hörer locker in der Hand, ohne Nervosität und trotzdem nicht entspannt. Er wusste jetzt, wo es ihm wehtat, seine Waden fühlten sich steif an, dort würde sich bald ein Krampf auslösen. „Findest du mich langweilig?“ Madara schwieg nur einen Moment. Itachi rechnete eigentlich mit einer klaren Antwort, doch er wurde enttäuscht. „Denkst du wirklich, dass es Sinn macht, so zu tun, als wäre nichts?“ Madara klang müde und schlecht gelaunt. Itachi kannte ihn gut genug, um sich nicht von seiner Stimmung einschüchtern zu lassen – momentan stand ihm alles bis hierhin. Es war wie einer dieser Tage, an denen alles schiefging, nur dass es länger anhielt und sich besser verteilte. So was zermürbte. „Ich weiß es nicht. Es ist alles schon eine Weile her.“ Was Itachi damit meinte, ließ er bewusst unklar. Vielleicht bezog er sich nur auf das letzte Mal, dass er Madara geohrfeigt hatte. „Was hast du denn gemacht?“ Jetzt war Madara auch noch irritiert, auf ungeduldige Art. „Pfannen gespült“, erwiderte Itachi wahrheitsgemäß. Geistig anspruchslose Arbeit war besser als jeder Selbstfindungstrip, hatte Izuna bereits festgestellt. Allerdings machte er auch nicht den Eindruck eines Menschen, der irgendwann mit sich haderte. Es entstand ein Schweigen, in dem sie wohl beide auf etwas warteten. Keiner von beiden hatte bislang eine Antwort erhalten, und so erreichten sie ein ziemlich trockenes Patt. Itachi hatte auch nicht den Drang, etwas zu sagen; er war müde und hatte an dem Zustand, allein zu sein, etwas geändert. Das reichte ihm, er war kein kommunikativer Mensch, der mehr daraus machen musste. „Noch was?“, hakte Madara nach und klang eher gedehnt als frustriert. „Wo bist du jetzt?“ Bestand denn der ganze Dialog nur aus zwecklosen Fragen?! „Auf der Straße.“ Na, wenigstens etwas. Gemessen an der Zeit war das wahrscheinlich der Heimweg, doch so genau wollte Itachi es nicht mal wissen. Er hatte zwar alle Gelegenheit, aufmerksam zu lauschen, aber ihm waren das leichte Rauschen des Luftzugs und das leichte Stimmengewirr bisher entgangen. Nicht, dass er Madara bezichtigte, über seinen Aufenthaltsort zu lügen. „Kommst du zurück?“ Itachis Rippen begannen wieder zu kribbeln, und er war froh, dass er die Worte nicht wieder einfangen konnte. „Auf die Straße? Klar.“ „Dann ist die Hornisse repariert.“ Mit Reparatur pariert, touché. Madara wusste sicherlich, dass Itachi sich nicht darauf bezogen hatte, doch wenn er das Thema nicht wechseln wollte, vertieften sie es also. Auf Madaras Seite summte es leise, als die Ampel umsprang und ihr Signal abgab. Itachi hörte das Rascheln von Stoff und Haar, als Madara sich in Bewegung setzte, um in ähnlich zügigem Tempo wie die anderen Menschen die Straße zu überqueren. Das Bewundernswerte daran war, dass er fast nie gehetzt schien – er hatte lange Beine, die scheinbar immer gleich zügig ausschritten, unerschütterlich und gleichmäßig wie ein Uhrenzeiger. „Jo“, grunzte Madara zufrieden. Itachi konnte leider seine Miene nicht sehen. „Freut mich.“ „Ach, wirklich?“ Sarkastischer Vorstoß. „Ja, wirklich“, bestätigte Itachi geduldig. Der Krampf in seiner linken Wade begann, und er biss die Zähne zusammen und versuchte, sich den Unterschenkel zu reiben, ohne den Hörer vom Ohr zu nehmen. Das verdammte Kabel war zu kurz für solche Manöver, seine Finger schwebten knapp über dem Knoten des Schmerzes. Es zerrte im Rücken, als Itachi feststellte, dass die menschliche Wirbelsäule einfach zu steif war. Und dennoch verrenkte er sich, weil es weh tat. „Wirst du dazu nichts sagen?“ „Ich hab den Faden verloren. Ich meine, ändert doch nichts.“ Itachi versuchte, seinen Oberkörper zur Seite zu neigen, seine Fingerspitzen krallten sich in den Stoff seiner Hose. Er konnte sich nicht auf das Gespräch konzentrieren, wenn er gleichzeitig Gymnastik machte. „Mhm“, machte er zerstreut und schwieg, bog sich angestrengt weiter. Vielleicht klang er gepresst – natürlich tat er das, seine Wade krampfte sich ständig zusammen, das war schmerzintensiv genug, und es sandte ein falsches Signal. Oder es war missverständlich. Itachis Stimme drückte selten viel Gefühl aus, das lag ihm nicht. Und ein Anzeichen von Schmerz war vieldeutig genug. „Deine hysterischen Anfälle rühren nicht daher, dass du Probleme damit hast, schwul zu sein, sondern dass du nicht willst, dass es irgendjemand weiß“, stellte Madara nüchtern fest. Itachi versuchte, sein Bein anzuziehen und sich die Wade zu massieren, doch mit dieser Zusatzbelastung schien sein anderes Bein nicht einverstanden zu sein. Die Muskeln zuckten warnend, und Itachi stöhnte leise. Das Reißen wurde stärker. Er brummte eine Zustimmung und bemühte sich, sein Bein wieder zu strecken. „Dabei wirst du es kaum glauben, die Welt hat ihre eigenen Probleme, da sind deine scheißegal.“ Er hatte wohl Kalziummangel… Hatte die Apotheke die Straße runter noch auf? Er konnte vorbeigehen und ein Präparat kaufen. Obwohl Gehen derzeit eine sehr unattraktive Aussicht war. Itachi verlagerte sein Gewicht, auf der Suche nach einem weniger schmerzhaften Stand, bei dem sein anderes Bein nicht gleich auch einen Krampf ansetzte. „Und in all der Zeit schaffst du es nicht mal, das Heft in die Hand zu nehmen. Das ist nicht langweilig, das ist schwach.“ Hinsetzen, hinsetzen… Itachi wollte einen Stuhl haben! Doch die versammelten sich verlockend außerhalb seiner Reichweite, und die Theke blockierte ihm den Weg. „Hab ich bisher nicht so bedacht“, knirschte er und fragte sich, wovon Madara noch mal sprach. Das Zucken in seiner Wade lenkte ihn völlig ab, während er wartete, ob sich auch dort ein Krampf auslöste. „Ich bin jetzt vor der U-Bahn-Treppe.“ Das kündigte unweigerlich das Ende des Gesprächs an, da man im Allgemeinen damit rechnen konnte, auf dem U-Bahn-Steig schlechten Empfang und ein beständiges Rauschen zu haben. Itachi hatte dieses Gespräch gesucht, doch momentan war er ohnehin nicht allein, er mit seinem verfluchten Krampf, und wartete eigentlich darauf, dass er sich dem widmen konnte. „Fahr vorsichtig.“ „Was ist los?“ Madara konnte der geplagte Unterton nicht entgehen, und er entschied sich wohl nun, darauf einzugehen. In diesem Moment verlagerte Itachi sein Gewicht besonders unglücklich, und seine Wade verlor die Geduld mit ihm. Ein scharfes Zerren raste seitlich an seinem Schienenbein hoch und grub sich ins Kniegelenk. Itachi schnappte nach Luft, als das Knie mit einem Mal nachgab, auf das er sein Gewicht verlagert hatte. Der nächste Schmerz war profanerer Art, als er sein Gleichgewicht verlor und mit einem gedämpften Ächzen auf den Hintern fiel. Über ihm zischte es vielsagend. Itachi blickte auf und stellte fest, dass er den Hörer noch in der Hand hielt, die Leitung allerdings tot war. Er arbeitete mittlerweile lange genug hier, um etwas, das er beim Hinfallen hielt, auf keinen Fall loszulassen, und sein plötzlicher Sturz mit dem Gewicht eines Erwachsenen hatte das Telefonkabel aus dem Apparat gerissen. Die Stelle, wo das Plastik des Gehäuses ins Kabel geschnitten hatte, qualmte sogar ein bisschen. Anko würde ihn in Stücke reißen. Er freundete sich besser mit den Pfannen an. Didn’t hear your wicked words every day And you used to be so sweet I heard you say Itachi erhob sich erst nach mehreren Minuten wieder, als der Schmerz in seinen Unterschenkeln endgültig verebbt war. Die Muskeln fühlten sich taub und steif an, doch das konnte ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass er müde war. Itachi hängte den Hörer wieder ein und klopfte sich den Hosenboden ab. Er würde Anko früh genug Bescheid geben, fürs Erste waren sie einfach nicht erreichbar. Um der Wahrheit Genüge zu tun, er hatte keine Lust, zwei unerquickliche Telefonate an einem Abend zu führen, er wollte nach Hause und ein heißes Bad. Auf dem Heimweg besorgte er sich ein Kalziumpräparat und einen Becher Eistee, in den er zwei Tabletten hineinwarf. Der Himmel hatte sich dunkelrot verfärbt, wo die Sonne unterging, der Rest ging in ein wässriges Blauviolett über. Itachi trödelte etwas und genoss die verbleibende Wärme, bevor er sich etwas zügiger auf den Heimweg machte. Seine Muskeln waren noch immer etwas reizbar beim Treppensteigen, ansonsten war sein Verstand schon längst in der Badewanne und drehte das Wasser auf. Dazu passte es nicht, dass er nicht allein auf dem Flur war, den Schlüssel schon in der Hand. „Madara?“ Ein äußerst zorniger Blick durchbohrte ihn in dem Moment, in dem er die Stimme erhob. Itachi fand nicht, dass es einen Grund dazu gab; aber das dachte er erst im zweiten Moment. Im ersten Moment war er schlichtweg erschrocken. Madara hatte diesen einschüchternden Effekt, er schliff sich nie ab. „Was sollte das?!“, fuhr er Itachi an. Schweißränder säumten seinen Kragen, seine Tasche hatte er noch unter dem Arm. Ansonsten war er nicht anders, als Itachi ihn in Erinnerung hatte. Ungestüm, mit einem mürrischen Flair, ungreifbar. Wie es wohl war, mit ihm zu arbeiten? „Bitte?“ Itachi fasste den Wohnungsschlüssel fester und stopfte ihn ungeschickt ins Türschloss. Mit Madara zu telefonieren war etwas gänzlich Anderes, als eine Armlänge von ihm entfernt zu sein. Kein Zweifel, dass er hier auf ihn gewartet hatte. „Das frage ich dich! War das dein monatlicher melodramatischer Ausbruch oder ein besonders gelungener Scherz?“ Melodramatisch – das verhasste Wort ließ ein wütendes Stechen in Itachi aufsteigen. Er rieb sich die Seite, um das Gefühl zu ersticken und funkelte Madara an. „Das Telefonkabel ist gerissen. Was dachtest du?!“ Die Episode, in der er sich auf den Arsch gesetzt hatte wie in einer Slapstick-Komödie, ließ er aus. Madara musste ja nicht alles wissen. Schon das schien ihn nur noch mehr aufzubringen. Itachi sah die Anspannung seiner Kiefer und das hitzige Flackern in seinen schwarzen Augen, wenn man es darauf anlegte, konnte es einem sogar so vorkommen, als sträubte sich Madaras chaotisches Haar in dem leichten Luftzug des Flurs wie das Rückenfell eines Hundes. „Was würdest du dir bei einem Anruf aus dem Irgendwo denken, der so plötzlich abbricht und das Letzte, was man hört, ist dieses Geröchel?“ Itachi bannte kraft seines Willens das Blut aus seinen Wangen. Als hätte er geröchelt… Abgesehen davon tat ein Krampf in beiden Beinen weh. „Ich bin kein Risikopatient für Schlaganfälle.“ Madara bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Und du hast nicht geöffnet.“ „Gesetzt den Fall, ich hätte einen Schlaganfall, wie sollte ich.“ Itachi erwiderte den Blick mit zunehmender Gereiztheit. „Und dann hätte es mir auch nicht viel genutzt, wenn nicht der Notarzt, sondern du hier bist.“ Itachis wenig akzentuierte Stimme rang sich für dieses einzelne Wort eine Höchstleistung ab, die nach Empörung und Spott gleichermaßen klang. Nur ein kleiner Teil fragte sich, ob es wirklich geschickt war, sich schon wieder zu streiten. Madara schnaubte abfällig, doch seine Worte sanken allmählich. Itachi begriff ihn langsam, oder er fand zumindest den Ansatz, wie Madara gedacht haben mochte. Dass das, was Madara gesagt hatte, für ihn derart erschütternd war, dass es irgendeine Art von Schock auslöste. Dass es… „Ich hatte auch nicht vor, mich umzubringen.“ Itachi wandte sich ab und drehte den Schlüssel herum. „Und ich rede keinen Moment länger hier mit dir. Komm rein oder hau ab.“ Itachi öffnete die Tür und spürte einen kalten Luftzug der Klimaanlage, der ihn blinzeln ließ. „Bitte.“ Karma Karma Karma Karma Karma Chameleon You come and go You come and go Loving would be easy if the colours were like my dreams Red, gold and green „Du hast doch eigentlich einen Schlüssel.“ Es war irgendwie ungewohnt, Madara hier zu sehen. Wie ein Kolibri auf einem Schneemann – es konnte so kommen, aber es war dennoch surreal. Konstruiert. Itachi fragte sich, ob er aufgehört hatte, den anderen als Mitbewohner zu betrachten oder ob es einfach seine Art war, Dinge zu begrüßen. „Ist zu Hause.“ Itachi reagierte nicht auf das Wort, als er Eiswürfel aus der Form klopfte und zwei Gläser mit ihnen bestückte, aber er mochte es nicht, wie das klang. „Du hattest es so eilig?“ Itachi goss Kiwisaft über die Eiswürfel. Sie klirrten leise und schwammen herum, der obere Glasrand beschlug leicht. Madara antwortete nicht, und Itachi kam der Gedanke, dass es vielleicht er war, der neuerdings Streit suchte. Er stellte die Gläser auf den Tisch und setzte sich dem anderen gegenüber. Es war ganz alltäglich, trotzdem kam nicht das Gefühl auf, dass dies auch eine alltägliche Szene war. Madara nippte an seinem Glas und verzog das Gesicht. „Bist du je auf die Idee gekommen, das Zeug zu verdünnen?“ „Ich mag das.“ Itachi trank ostentativ einen großen Schluck; Madara fand grundsätzlich Dinge zu süß, das war ein altbekanntes Ritual. In dieser Hinsicht ähnelte er Sasuke. Madara musterte ihn scharf, als wollte er die Richtigkeit dieser Aussage überprüfen, dann nahm er sein Glas zur Hand und fischte einen Eiswürfel heraus. Madara mochte den Winter hassen, aber er aß immer die Eiswürfel. Itachi verzog seinerseits das Gesicht. Jetzt war die Konversation an ihm, großartig – seit Madara sich so beiläufig eine Maulsperre verpasst hatte. Es sah komisch aus, wie dieser konzentriert den Eiswürfel im Mund herumschob, gelegentlich knirschte es leise, wenn er darauf biss. Er schaffte es jedes Mal, nicht dabei zu schlürfen. Itachi nahm einen Schluck Saft, der angeblich zu süß war, und ergab sich der Situation. „Es mag sein, dass du Recht hast. Das ändert sowieso nichts.“ Madara zog die Brauen hoch und schluckte etwas Schmelzwasser, schwieg jedoch. Der Abend ließ die Schatten unter seinen Augen tiefer und die Augen selbst dunkler erscheinen. „Ganz davon ab würde es mir keinen Schock verpassen, das von dir zu hören“, fügte Itachi trocken hinzu und wartete, bis Madara den Eiswürfel krachend zerbissen hatte. Es dauerte nie lange, vielleicht hatte er einfach zu viel Temperatur. „Warum hast du also angerufen?“ Madara fischte den zweiten und letzten Eiswürfel aus dem Kiwisaft und schob ihn sich in den Mund. „Weil ich mit dir reden wollte, offensichtlich“, gab Itachi unleidlich zurück und hob sein Glas wieder an. Die Eiswürfel klirrten wieder gegen seine Lippen, doch im Gegensatz zu Madara ließ Itachi sie zurück. Madaras Augenbrauenhochziehen fiel diesmal auffordernder aus. Itachi hatte nicht vor, es ihm leicht zu machen, wenn er es nicht für nötig hielt, diesen Eisbrocken aus dem Mund zu nehmen, während er sich unterhielt. „Das habe ich auch getan.“ Madara spuckte den Eiswürfel in die hohle Hand. „Am Arsch.“ Dann war der Eiswürfel wieder drin, nach diesen gewichtigen Worten. „Wieso? Du oder Izuna.“ Daraufhin warf Madara ihm einen ungewöhnlich bohrenden Blick zu. Es krachte, als er begann, auf dem Eiswürfel herumzubeißen, und Itachi erschauderte. „Lass das.“ Er senkte die Augen wieder auf die Tischplatte und wartete, dass Madara mit dem Eiswürfel abgerechnet hatte. Aber war das nicht das, was sie immer taten? Sie kannten die Gewohnheiten des anderen recht genau, die Facetten des Charakters und des Verhaltens. Über die Dinge, die darüber hinausgingen, über Vergangenheit und das eigene Empfinden, wusste Itachi nichts, und Madara tat es auch nicht. Es war für sie beide ein Ärgernis, das jedoch absichtlich nicht überwunden wurde. Weil es niemanden etwas anging. „Er ist der ehemalige Kindergärtner meines Halbbruders.“ Itachi sprach schnell, bevor er es sich anders überlegte. Es fühlte sich unangenehm an; als hätte er sich in den Finger gestochen, ein winziger Stich, und Madara das Blut gezeigt. Etwas Kleines, Unbedeutendes, das völlig unnötig und befremdlich war. Madara schluckte die Reste des Eiswürfels. „Ich weiß.“ There’s a loving in your eyes all the way! If I listen to your lies, would you say? Itachi kauerte sich missmutig auf seinem Stuhl zusammen. Das hatte man offenbar von Soziologie, was für ein Scheiß. Madara stand auf, Itachis Augen folgten ihm nicht gleich. Er fragte sich, was der andere gedacht haben mochte – über Izuna und die Beziehung, die Itachi zu ihm hatte. Oder über Sasuke. Madara hatte selbst einen Bruder, also sollte er das verstehen. Andererseits war der Altersunterschied dort wohl kaum so frappierend. Nachdem Madara seine Eiswürfel verbraucht hatte (und einen hoffnungsvollen Blick auf Itachis Glas geworfen hatte), öffnete er den Kühlschrank und nahm eine halbe Zitrone heraus. Itachi ließ immer eine halbe Zitrone im Kühlschrank – irgendwann verschrumpelte sie und mumifizierte sich und wurde ersetzt. Aber es war immer eine da. Diese war sogar noch relativ in Ordnung. Madara setzte sich wieder hin und betrachtete die leicht runzlige Zitrone, kam anscheinend zum selben Schluss. Dann lehnte er sich vor und goss mehrere Fingerbreit seines Kiwisafts in Itachis Glas, bis es wieder aufgefüllt war. Itachi starrte auf sein Glas, in dem die kleiner gewordenen Eiswürfel wie winzige Bojen herumschwammen, und furchte andeutungsweise die Stirn. „Du übertreibst.“ Madara ließ die Zitrone über seinem Glas schweben, ohne sofort zuzudrücken. Er lächelte leicht; seine Lippen bogen sich, eine schwache Ahnung geschlossener Zahnreihen blitzte dahinter auf. Es lag kein Spott darin. „Tatsächlich.“ Danach quetschte er die Zitrone über dem Glas aus, ohne dass das Lächeln völlig verschwand. Every day is like survival You’re my lover, not my rival Itachi betrachtete sinnierend sein Glas. Die Weitsicht, mit der eine so simple Geste geplant war, beeindruckte ihn; er war sich sicher, dass er das nicht bemerkt hätte, wäre es im Fernsehen gelaufen oder ähnlich indirekt geschehen, doch dies hier schloss ihn ein. Was er brauchte, war auch keine Unterhaltung, sondern das Dabeisein. Das war das Problem mit der neuen Familie seiner Mutter und vielleicht auch das Problem mit Madara. Obwohl man mit Madara naturbedingt immer viel mehr Probleme hatte. „Ich möchte, dass du wiederkommst.“ Wie es klang, hasste Itachi es. Weil die Formulierung unglücklich war, aber auch, weil er der Meinung war, dass er das längst zum Ausdruck gebracht hatte. Madara hatte sich entschieden, nicht darauf einzugehen, damit hatte es sich. Nur hatte der Idiot seinen Schlüssel noch. Madara sagte zumindest nichts Überflüssiges wie ‚Ich bin doch schon da‘ oder etwas Ähnliches, was man mit einem Augenzwinkern und einem Machogrinsen begleiten musste. Aber dann hatte er sich ja bereits verändert – Itachi war nur nie dazu gekommen, die Auswirkungen wahrzunehmen, da sie sich dann entzweit hatten. Was für ein fades Karussell. Und wie bei einem Karussell mochte man die Musik nicht, die Farben nicht, die Preise nicht, man schaute aber trotzdem zu, als hätte man sonst nichts zu tun. Der Unterschied war, ob man dabei Zuckerwatte mampfte oder nicht. Itachi glaubte nicht, dass er Zuckerwatte hatte, unverdünnter und höchstwahrscheinlich chemisch gesüßter Kiwisaft tröstete dafür ohne Weiteres darüber hinweg. Er fühlte sich eh nicht bedrückt, ihm war nur bewusst, dass er sich mit diesem Zeug den Appetit verdarb. Itachi war ein Pedant, er mochte keine Ausfälle. Der größte Ausfall saß vor ihm und fischte einen Zitronenkern aus dem Glas, den er beim Ausdrücken versehentlich hineingeschossen hatte. „Ist nicht langsam wieder die Zeit gekommen, Regeln an die Küchenkacheln zu schreiben?“ Itachis Brauen spannten sich an. „Keine Schmierereien.“ Seit er sich an dieses Café gewöhnt hatte, hatte er prompt ein Problem damit entwickelt, so etwas zu sehen. „Siehst du?“ Madara warf ihm einen triumphierenden Blick zu. Itachi erwiderte ihn frostig. „Kann mich nicht erinnern, dich zum Einziehen aufgefordert zu haben.“ Mittlerweile erschien ihm seine Formulierung nicht mehr ganz so unglücklich. „Einziehen, Ausziehen, alles dasselbe“, konterte Madara ungerührt, und man konnte davon ausgehen, dass diese Formulierung auch nicht zufällig so gefallen war. Er nippte an seinem Glas, schien an dem Geschmack immer noch keinen Gefallen zu finden. Madara hatte Zuckerwatte und hatte beschlossen, dass sie ihm nicht schmeckte. War die Welt nicht gerecht? „Wenn ich entscheiden müsste“, fuhr er fort und zupfte eine Faser von der runzligen Zitrone ab, um darauf herumzukauen. Anscheinend störten ihn gemischte Aromen, er brauchte eins von beidem. Damals, mit dem Grapefruitsaft, hatte ihn das nicht so gestört… Itachi schürzte düster die Lippen. „Weniger körperliche Gewalt?“ Itachi sah Madara überrascht an. Rückblickend wusste er selbst nicht, woher sein Impuls gekommen war, den anderen zu ohrfeigen; Itachi war sein ganzes Leben nie geschlagen worden, wenn man von obligaten Rangeleien in der Grundschule absah, und er war kein gewalttätiger Charakter, eher das genaue Gegenteil. Er hatte nie jemanden schlagen wollen, nicht mal Hidan, als dieser diese zwei äußerst geistvollen Worte ausgespuckt hatte. Er hatte keinen Gefallen an Gewalt, er mochte keine Schmerzen. Eine Ohrfeige war unterdessen ebenso Sinnbild der Demütigung, und das bereitete ihm keinen Deut mehr Vergnügen. Warum also brannte es ihm selbst jetzt unter der Handfläche? Itachi entdeckte in sich in diesen Sekunden nicht das Verlangen, Madara unbedingt wehzutun, seine Haut zum Anschwellen zu bringen oder seinen Kiefer mahlen zu lassen, das Klatschen zu hören, ihn in Tränen aufzulösen. Er wollte ihm einfach eine knallen. Und es war so völlig untypisch für ihn, dass er diesem Wunsch bislang nachgegeben hatte, ohne ihn je zu hinterfragen. „Tut mir leid, dass du dachtest, ich hätte deinetwegen einen Schlaganfall gehabt“, murmelte er mechanisch und gab Madara damit den nicht allzu subtilen Hinweis, dass dieser sich entfernen konnte. Sollte. Und das ein bisschen plötzlich. Itachi war nicht wütend, im Allgemeinen war er schlichtweg verwirrt. Er begriff nicht, warum er jemanden um sich haben wollte, der in ihm destruktive Triebe weckte, und er zog es vor, allein darüber nachzudenken. Vielleicht sollte er noch etwas Geschirr spülen. That my love was an addiction When we cling, our love is strong When you go, you’re gone forever You string along Madara bewegte sich nicht – natürlich nicht. Unterschwellige Hinweise waren an ihn verschwendet. Wenn man davon überzeugt war, dass sich das Universum um einen drehte, konnte man auf solche Feinheiten keine Rücksicht nehmen. Er trank einen Schluck aus seinem Glas, rang sich anscheinend dazu durch und leerte es ganz, woraufhin er sich mit einem augenfälligem Mangel an Gefallen die Lippen leckte. „Wenn du so weitermachst, bekommst du Diabetes“, stellte er fest und bedachte Itachis zu einem Dreiviertel volles Glas mit einem vielsagenden Blick. Itachi fand heraus, dass sein Destrudo auch damit einverstanden war, Madara das Zeug ins Gesicht zu kippen. Wer hatte denn dafür gesorgt, dass der Pegel gestiegen war?! „Wenn ich das tue, erfährst du es sicher als Erster – dann rufe ich dich wirklich an, um dir…“ Itachi erinnerte sich noch sehr genau, doch er legte die Kunstpause dennoch ein, „… etwas vorzuröcheln.“ „Wir sind heute aber empfindlich“, spottete Madara und stand auf, stellte sein Glas in die Spüle. Nur Itachi fiel auf, wie seine Hand kurz über dem Metallbecken schwebte. Weil er von sich selbst irritiert war, wie schnell er alltägliche Prozesse aufnahm, obwohl er seit etwa einem Monat nicht mehr hier gewesen war. Auch Madara machte sich Gedanken, und auch er verstand sich nicht zur Gänze. Itachi beäugte den grünlichen Kiwisaft zweifelnd. Er hatte keine Lust mehr darauf, gleichzeitig wollte er ihn nicht wegschütten. Kopfschüttelnd nahm er die zerknautschte Zitrone vom Tisch und erhob sich ebenfalls. Schon wieder diese Hemmung, sie zu entsorgen. Das würde noch eine Manie werden. „Ist etwas?“ Madara war neben der Spüle stehen geblieben und wartete anscheinend auf etwas. Vielleicht nur auf eine etwas deutlichere Aufforderung, endlich hier abzuhauen. „Nichts. Komm mal vorbei.“ Itachi zuckte mit den Schultern und kam sich idiotisch vor. Warum, konnte er nicht genau sagen. Etwas daran war ziemlich aufgesetzt, das störte ihn. Madara zog die Augenbrauen hoch – schon wieder – und verschränkte die Arme. Seine Körpersprache drückte Skepsis und Erwartung aus, dazu musste man kein Fachmann sein. Und Itachi wollte keiner sein. „Ich bin kein Kinofilm, bei dem du dir den Abspann anschauen musst, weil noch was kommen könnte. Das war’s“, fauchte Itachi schärfer als beabsichtigt. Schon wieder kribbelte seine Handfläche, und er ballte sie zur Faust, um das Gefühl zu beherrschen. Es war verunsichernd und vor allem sehr ärgerlich. Madara rührte sich nicht, er grinste nicht. „Ich möchte…“ Da war diese Kunstpause, die Itachi vorhin auch eingelegt hatte, und dieses Mal war ebenso zu vermuten, dass Madara sich gut erinnerte, denn er fuhr ohne weiteres Stocken fort: „… dass du nicht mehr mit Izuna redest.“ Itachi starrte ihn entgeistert an. Das Kribbeln in seiner Faust wurde heftiger, trotziger. „Abgelehnt.“ Madara machte einen weit ausgreifenden Schritt auf ihn zu und löste seine Arme voneinander. Itachi sah ihn, roch die Mischung aus Schweiß, Aftershave und Zigarettenqualm, und eigentümlicherweise Zitrus. Woher das kam, wusste er nicht. „Folgendes“, knurrte Madara und riss Itachis Kinn mit einem Ruck hoch, sodass dieser das Knatschen seiner Sehnen im Hals spürte. Es pochte sanft, und das zornige Kribbeln wurde schwächer. Itachi begriff nicht, warum. Er tastete nach diesem Zorn und fand ihn nicht, obwohl Madara ihm jeden Moment mehr Grund dazu gab. Sein Mund senkte sich über Itachis. Die Aromen von Zitrone oder Kiwi waren völlig vergessen, machten sich nicht bemerkbar. Seine Lippen waren rau, heiß, sie brannten auf Itachis und schmolzen sie zusammen. Madaras Hand, seine schönen Finger umfassten Itachis Kehle, ohne dabei zuzudrücken. Aber Itachis eigene Hand krampfte sich unweigerlich zusammen und quetschte die Zitrone, sodass ein paar vergessene Tropfen auf den Küchenboden fielen. Sein Herz hämmerte, Madara gab nicht nach. Seine Zunge stupste gegen Itachis Lippen, ohne sie aufzudrücken, seine Zähne schrammten so flüchtig darüber hinweg, dass die Stellen zu prickeln begannen. Madaras freie Hand zog Itachis weißes Hemd, den Teil seiner Uniform, den er nicht ausgezogen hatte, aus seiner Hose, zwängten sich sekundenlang durch die kleinen Abstände zwischen den Knöpfen, ohne diese zu öffnen. Itachi erzitterte, er hörte seine Stimme gequält seufzen. Sein Kopf war vollgestopft mit Watte, mit Zuckerwatte, und er konnte nicht denken. Madaras Lippen lösten sich von seinen, verschmierten Feuchtigkeit und Atem zwischen ihnen. Er beugte sich etwas weiter vor und umhüllte Itachi dabei mit Wärme und der Frustration des Hungers. Madaras Atem streifte sein Ohr und ließ ihn ungeduldig erschaudern. So hörte er die Worte kaum, sie traten erst nach und nach in sein Bewusstsein. „Ich komme zurück… wenn du nie mehr mit Izuna Kontakt hast.“ Loving would be easy i the colours were like my dreams Red, gold and green Red, gold and green fin Kapitel 16: Magic Dance ----------------------- Magic Dance Untertitel: Indirekt Dies ist ein bewegender Moment – endlich kann ich mir einen langgehegten Traum erfüllen. Die wundervolle Konstellation von Madara und David Bowie! Denn „Magic Dance“ aus 1986 ist leicht Slapstick, mit einem leichten Augenzwinkern ist das ein bisschen auf die Handlung zu beziehen. Wenn jemand mit einer „Labyrinth“-Referenz reviewen will, würde mich das trotzdem enorm begeistern. Wirklich, schaut euch diesen Film an. Ich meine, David Bowie als Koboldkönig! Die Ähnlichkeit zum Manga erschlägt einen. Enjoy! Es mangelte diesem Bild gewiss nicht an Schönheit. Itachis dunkle Augen waren weit offen, die müden Schatten, die sich dort eingegraben hatten, schienen zu verschwinden. Es waren Augen wie ein Mahlstrom, von dem Itachi nicht zu wissen schien, wie er Menschen darin nach unten ziehen konnte. Nun, das machte das zu einem ziemlich unnützen Attribut, nicht wahr? Itachis Lippen pressten sich zu einer feuchten, farblosen Linie aufeinander; er strengte sich an, die zwei Sachverhalte, die nicht das kleinste bisschen miteinander zu tun hatten, miteinander zu verknüpfen. Madara beobachtete ihn schweigend, mit einer geheimen Genugtuung. Von Körperlichkeit leicht zu erschüttern, das hatte Madara früh festgestellt. Itachi war ein sinnlich veranlagter Mensch, der im Grunde nicht wusste, wie er damit umgehen sollte. Er war damit das Gegenteil von Hashirama. Itachis Lider senkten sich. „Ich verstehe.“ Er verlangte keine Erklärung. Das hieß vermutlich nicht, dass er keine wollte, aber Itachi war nicht so direkt. Er stellte keine Fragen, die er selbst beantworten konnte, dennoch wartete er stets, bis er eine ungefähre Vorstellung von der Antwort hatte. Es war sein System, sich nicht erschüttern zu lassen. Deshalb wirkte er so spröde. Deshalb war er so langweilig. Itachi überwand sich zur Bewegung und zog eine Schranktür auf, um die Zitrone in den Biomüll zu werfen. Seine Hände waren gerötet und bewegten sich etwas steif, als wären manche Stellen wund. Es sollte nichts mit Izuna zu tun haben – es ging ihn nichts an. Madara war kaum überrascht gewesen, dass sein kleiner Bruder, von dem ihn außer einem Lebensjahr noch einiges Weitere trennte, es wieder geschafft hatte, sich eine möglichst biedere Tussi zu angeln. Als würde er glauben, dass es war wie damals bei der Theater-AG, mit einer angemessen staubtrockenen Freundin sah jeder darüber hinweg, was für ein Raufbold und Herumtreiber man eigentlich war. Shizune wäre sicherlich erstaunt, wenn sie hörte, wie unausstehlich ihr Izzy mal gewesen war. Oh, wirklich. Wahrscheinlich hatte Izuna Itachi nur angesehen und schon gewusst, dass er ein ordentlicher, wohlerzogener Langweiler war. Izuna mochte Langweiler nicht nur, er war auch sehr geschickt darin, sie zu finden. Er umgab sich mit ihnen. Es war sein Kriterium, und das einzig Unberechenbare waren diese Kinder, die er mochte. Das war es, was Itachi so beschäftigte – oder war er bereits so gefangen von Izzy?! Madara wusste nicht viel über Itachis Präferenzen, ging davon aus, dass er langes Haar mochte, so wie Madara auch. Ansonsten ließ Itachi keine besondere Begeisterung für körperliche oder charakterliche Attribute erkennen. Eben. Dann konnte es irgendjemand sein, irgendjemand war ausreichend. Irgendjemand, der ihn vor seiner Scham beschützte, weil er bloßgestellt worden war. Madara kannte seine Rollen, er kannte Itachi, er kannte diese obskure Beschützerrolle. Was ihm noch fehlte, war die überfällige Bestätigung. Itachi hatte die Gläser weggestellt und spülte das Waschbecken von dem Kiwisaft aus, den er weggegossen hatte. Dann trocknete er seine Hand ab und wandte sich Madara zu. Seine sanft geröteten Lippen verschoben sich, und er blies seinen Pony beiseite – die Geste war neu. Es ließ ihn jünger erscheinen und täuschte doch nicht über seine ernsten, klaren Augen hinweg, die Madara jetzt beobachten wie eine komplexe Rechenaufgabe, wie ein Labyrinth, das er studierte und den Weg nach draußen suchte. Oder nach drinnen. „Komm her.“ Itachi verzichtete darauf, ihn an den Denkprozessen teilhaben zu lassen, die er gerade durchging – das war von jeher eine angenehme Seite, Itachi war ein unaufdringlicher Mensch, der andere mit seinem Innenleben verschonte, ohne es krampfhaft geheim zu halten. War ja eine tragische Entscheidung, Izuna und der kleine Pisser waren ja befreundet, falls man von Freundschaft sprechen konnte, wenn es diese maulfaule Nervensäge betraf, Sasuke. Madara war nicht entgangen, wie dieser Junge Menschen abschätzte, sie taxierte, hinter sie zu kommen versuchte. Er misstraute der ganzen Welt und fand sie unterm Strich alle scheiße, und dennoch führte jeder diesen Affentanz um ihn auf. Zum Kotzen. Diese ganze Entwicklung war zum Kotzen. Madara gehorchte ohne Eile und machte ein paar Schritte, bis er vor Itachi stand, die Arme locker an den Seiten. Und Itachi streckte die Hand nach seiner Hand aus, die Augen waren groß und aufmerksam auf dieses öde Konstrukt aus Knochen, Sehnen, Adern, Muskeln und Haut gerichtet. Fünf Komponenten, die etwas Zweckmäßiges, nicht allzu Erstaunliches ergaben. Itachi blinzelte und ergriff den Handteller an den Seiten, als wollte er einen Handkuss geben wie in einem kitschigen Film, ohne die korrekte Haltung zu beherrschen. Madara konnte sich das plötzliche Verlangen, darüber zu lachen, nicht erklären. Es schien nicht, als könnte ihn heute irgendetwas überraschen. I saw my baby, trying hard as babe could try What could I do? My baby’s fun had gone And left my baby blue Izuna hatte mit Sicherheit eine ähnliche Szene geschmissen, als er erfahren hatte, dass Madara und Shizune sich kannten – ‚kennen‘ war mit Sicherheit zu viel gesagt, aber diese Details waren meist verloren. Konkurrenzdenken war dieser primitive Mechanismus der Natur, der dafür sorgte, dass Testosteron zur falschen Zeit ins Hirn gelangte und archaische Verhaltensweisen hervorkratzte, bis man die Keule holte und Frauen in weißen Kleidern in die Höhle schleifte. Madara war der Besseraussehende von ihnen und verstand sich auf bleibende Eindrücke, und noch dazu hatte er Shizune Blumen geschenkt. Und er war der Ältere. Die Natur besagte, dass ausgewachsene Männchen nur dann miteinander zurechtkamen, wenn beiden ein ausreichend großes Territorium zur Verfügung stand. Izuna hatte seines verlassen, um hier zu wildern, und er war die bessere Version von Madara. Die Nettere, nein, die leichter Auszuhaltende. Und für Itachi war er die Alternative, die nicht schmollte und sich nicht über ihn hinwegsetzte. Have some Uchiha. Itachi zog an der Hand. Da er der Kleinere von ihnen war, machte er sonst immer einen Schritt auf Madara zu, anstatt zu versuchen, die Masse zu bewegen und sich darauf zu verlassen, dass Madara nicht wie ein bockiges Maultier stehen blieb. Das war heute nicht der Fall, sodass sie sich nah gegenüber standen und Itachi Madaras Hand immer noch auf diese eigentümliche Art festhielt. Itachi wirkte nicht wie jemand, der eine schwere Entscheidung fällen musste, er hatte immer noch dieses Brütende, Grüblerische. Jemanden mit weniger soliden Nerven als Madara hätte das nervös gemacht, und er fand es störend. „Ich kann dir das jetzt nicht sagen. Ich brauche Zeit“, sagte Itachi schlussendlich und sah auf. Sein Tonfall hatte nichts Bittendes, als wäre es vollkommen selbstverständlich, dass man ihm Zeit einräumte. Madara schnaubte verächtlich. „Wenn du noch hinzufügst ‚Ich rufe dich an‘, ist das Klischee perfekt. Tu mir den Gefallen, ja?“ „Ich muss mit jemandem reden. Dafür ist es heute zu spät.“ Itachi war so unverrückbar darin, dass Madara tatsächlich einen flüchtigen Blick auf die Wanduhr warf. Es war mittlerweile zwanzig nach acht; vorausgesetzt, man hatte kein kleines Kind oder das horizontale Gewerbe im Sinn, erreichte man da noch jeden. Es klang wie eine billige Ausrede. Aber Madara interessierten nur die Resultate, er war nicht hier, um tiefes Verständnis für einen anderen Mann aufzubringen. Wenn es im Leben nicht um Geld ging, dann um Sex – obwohl Madara sich darauf heute nicht viele Chancen ausrechnete, und wenn er ehrlich war, hatte er keine Lust dazu. „Meinetwegen“, grunzte er, ließ allerdings mitschwingen, wie wenig er von dieser Variante hielt, ihn zu vertrösten. Itachi würde zustimmen, und da war es egal, ob er Izuna noch ein letztes Mal sein Herz ausschüttete. Im besten Fall klang sein Innenleben sogar so faszinierend, dass er das Siegel eines langweiligen Menschen verlor, und das wiederum war Mist für Izuna. Tja, tragisch, tragisch. Und doch so vorhersehbar. Itachi entging der ätzende Tonfall nicht, und er zog die Augenbrauen hoch, was angesichts seiner bisher spärlich gezeigten Mimik geradezu ein wildes Gebrüll war. So was hast du denn gedacht?! Seine Finger umschlossen Madaras Hand fester, und Itachi hob den Kopf und küsste ihn. An Itachis Lippen haftete nichts mehr von süßlichem Kiwisaft, sie waren warm und klar wie dieser Abend. Obwohl Itachi ihn mit keiner Bewegung an sich zog und lediglich Madaras Hand hielt, hatte sein Kuss etwas Drängendes, Knisterndes – einen verborgenen Sexappeal. Sein Daumen rieb kleine Kreise auf Madaras Handfläche, knapp unterhalb der Lebenslinie, und sandte ein kribbliges Gefühl seinen Arm hinauf. Fast im selben Moment öffneten Itachis Lippen sich einen kleinen Spalt, nicht groß genug, um seine Zungenspitze hinauszulassen, bloß so viel, dass sein Atem auf die feuchte Haut fiel. Weniger Itachis forsches Vorgehen überraschte Madara als mehr die Erkenntnis, wie lange sie sich nicht mehr geküsst hatten – ein Monat, zwei allmählich? Unwillkürlich hob er seine freie Hand, sie schwebte unschlüssig in der Luft. Madara hätte geschworen, das er vorhin noch keine Lust gehabt hatte, sich länger mit Itachi und seinen obskuren Launen abzugeben, und im nächsten Moment strich seine Hand über die Kante von Itachis Unterkiefer, als kraulte er eine missmutige Katze. Wegen des Größenunterschieds musste Itachi aufschauen und legte somit diesen Bereich offen, und Madara spürte das Schlucken unter seinen Fingern. Itachi schloss seine Augen, wie um diesen Reiz zu genießen, ohne sich von ihm überwältigen zu lassen. Kurz gewann sein Kuss an Nachdruck, dann öffnete er die Lider wieder. Seine Fingerspitzen fuhren mit den Nägeln über Madaras Daumenballen und setzten an den empfindlichen Nervenenden einen neuerlichen Schauer frei. Madara zeigte sich erst jetzt nachgiebiger, neigte den Kopf leicht, damit ihre Blicke sich leichter begegnen konnten. Obgleich seine Lippen störrisch geschlossen blieben, erfasste ihn ein jähes Gefühl von Erwartung, als Itachi ihn so unverblümt ansah. Sekunden später war der Kuss zuende, und Itachi ließ seine Hand los. Er wirkte täuschend unbeteiligt, doch das winzige Räuspern, das doppelte Blinzeln, um sich wieder zur Ordnung zu rufen, verrieten ihn. So subtil sie waren, so leicht entdeckte Madara sie. Nicht, dass er danach gesucht hatte. Er hatte nie gezweifelt, dass er unvermindert anziehend auf Itachi wirkte. Lediglich etwas am Verhalten des Jüngeren war aus der Norm geraten. Itachi fuhr sich flüchtig mit der Zunge über die Unterlippe und trat ein Stück auf übliche Distanz zurück. „Ich rufe dich an.“ Es klang wie eine Retourkutsche, aber Itachi war bisweilen blind für Klischees, oder er ignorierte sie einfach, damit er seine Formulierungen nicht zugunsten anderer ändern musste. Madara gluckste spöttisch und tätschelte ihm die Wange, eine Geste, die Itachi nicht ausstehen konnte, wie er wusste. Vielleicht erinnerte er sich ja an eine weitere Retourkutsche über’s Ohrfeigen. Madara verließ die Wohnung ohne ein weiteres Wort und sortierte sich wieder in den Feierabendverkehr. Es war angenehm kühl geworden, und seine Gedanken wandten sich bald alltäglichen Belangen zu, als er in der U-Bahn den Rest der Tageszeitung las, den er in seiner Mittagspause nicht geschafft hatte. Dafür, dass er keine Überraschungen eingerechnet hatte, war es allerdings ein erstaunlicher Abend gewesen. Nobody knew: What kind of magic spell to use? Unruhig betrachtete Itachi das Telefon. Er hatte zwei Telefonate an diesem Tag vor sich, und er freute sich auf keines von ihnen. Noch konnte er den Inhalt eines der beiden jetzt feststellen. Es war Viertel nach vier am Morgen. Er hatte sich einen Wecker gestellt, um pünktlich wach zu werden, war im Bett sitzen geblieben und fragte sich zum hundertsten Mal, ob es das wert war. Er hatte sich das schon zuvor gefragt, und wenn er vor sechs Uhr geweckt wurde, war er noch einen Deut empfindlicher. Er hatte bereits die Nummer gewählt, und nach dem zweiten Klingeln wurde abgehoben. Itachi unterdrückte seine eigene Nummer nicht, weshalb er davon ausgehen konnte, sich nicht vorstellen zu müssen. „Itachi. Das ist unerwartet.“ „Ja. Störe ich?“ „Nein. Was ist?“ Itachi rieb sich den Augenrand und unterdrückte ein Gähnen. Ein Grund, warum die Ehe seiner Eltern in die Brüche gegangen war, bestand in den Arbeitszeiten seines Vaters. Nachtschichten bei einem Sicherheitsdienst wurden gut bezahlt, aber sie kanzelten einen auf lange Sicht vom Leben ab. Itachi konnte nur mit ihm telefonieren, wenn er auf den freien Tag wartete oder, wie heute, sich einen Wecker für den Dienstschluss stellte. Für eine Gattin war keins von beidem wirklich eine Alternative. Für einen Sohn auch nicht, doch da bestand immer noch ein kleiner Unterschied. Trotz seiner Schläfrigkeit verspürte Itachi eine nervöse Leere im Magen. Er konnte der direkten Frage seines Vaters nicht ausweichen, dennoch war ihm klar, dass er eigentlich kein Recht hatte, das zu erfahren, wonach er fragen würde. Kinder glaubten, sie hätten diese Rechte, tatsächlich konnte jedoch niemand gezwungen werden, Dinge über sich preiszugeben, die er nur mit anderen Menschen teilte. „Wie hast du dich damals von Mi-… von Mutter getrennt?“ Die Worte brannten in seiner Kehle; er kam sich schamlos und impertinent vor. Aber es war ausgeschlossen, jemand anders zu fragen. Itachi hatte willentlich den Einzigen erwählt, dessen Situation absolut nicht mit seiner zu vergleichen war. Fugaku schwieg. Zweifellos hatte er sich wie jedes Elternteil vorhin noch gewundert, ob es Probleme gab, die nicht warten konnten. Wäre Itachis Anliegen nicht so persönlich, wäre es sicherlich unter die normalen Sorgen gefallen. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es unvermeidlich ist, und haben alles Weitere nach ihrem Auszug geklärt, größtenteils telefonisch oder über den Anwalt.“ Theoretisch konnte Itachi nicht wissen, was geschehen war – seine Eltern hatten gewartet, bis der Wechsel von Schule auf Studium und sein eigener Umzug ihn völlig beschäftigt hatten. Was die Rückkehr in ganz andere Verhältnisse nicht angenehmer gemacht hatte, sodass er es regelrecht eilig gehabt hatte, endlich wegzuziehen und ein anderes Leben zu beginnen. „War es schmerzhaft?“ „Das sind Trennungen immer“, erwiderte Fugaku nüchtern. Itachi presste die Lippen zusammen und bohrte nach, obwohl es sich schlecht anfühlte. „Hättest du versucht, sie aufzuhalten?“ „Das hatte keinen Sinn.“ „Hättest du?“ Fugaku seufzte, und Itachi sah vor sich, wie er sich mit der Hand durch sein schütter werdendes, braunes Haar fuhr. Es war kein trauriges Seufzen und auch kein Verständnisvolles, sondern eher ein ärgerlicher Laut. „Nein. Nicht, dass ich das Recht dazu gehabt hätte, und die Umstände hätten das nicht erlaubt. Es wäre irrational gewesen.“ Er legte eine Pause ein, und Itachi setzte an, sich zu entschuldigen, als Fugaku fortfuhr: „Und im Übrigen wollten wir dich nicht belasten. Du warst schon immer ein vernünftiger Junge.“ Itachi verzog keine Miene, als er einen Hauch Stolz in der Stimme seines Vaters hörte – er wusste, dass Fugaku seine kühle, vernünftige Veranlagung schätzte, während Mikoto sich vielleicht ein emotionaleres Kind gewünscht hatte. Oder sie hatte das Gefühl, dass Itachis Mangel an Leidenschaft eine Mangelerscheinung war, weshalb sie so unheimlich besorgt um Sasuke war. Die Einsichten kamen ein paar Jahre zu spät, aber eventuell nicht völlig unnütz. Itachi griff nach dem Haarband auf seinem Nachttisch und dehnte das Gummi zwischen den Fingern. „Hast du Sasuke kennen gelernt?“ Die Umstände, von denen Fugaku gesprochen hatte, waren nichts Anderes als die unerwartete Schwangerschaft, mit der Mikoto vermutlich selbst nicht gerechnet hatte. Es war nicht wirklich tröstlicher, dass seine Eltern mit der offiziellen Scheidung gewartet hätten, bis Itachi sich eingelebt hatte, doch es war auch nicht zu vermeiden gewesen. „Nein.“ Fugakus Tonfall deutete an, dass er diese Richtung nicht wünschte, und Itachi respektierte das. „Wärst du ärgerlich, wenn ich es tue?“ Itachi wusste, dass sein Vater ihm das nicht zu verbieten hatte, aber ihm war klar, dass er, wenn er sich seiner Familie wieder annäherte, damit riskierte, das Verhältnis zu Fugaku zu beschädigen. Wenn man mindestens fünfzehn Jahre glücklich verheiratet gewesen war, gab es da nur noch Persönliches zwischen zwei Menschen, und Itachi wollte nicht zu verstehen geben, dass er eins für das andere aufgab. Fugaku sagte nicht gleich etwas. Er ließ es sich sorgfältig durch den Kopf gehen, wühlte zugunsten einer richtigen Antwort durch alles, was für ihn höchstwahrscheinlich schmerzhaft war, und Itachi wartete ab. Er war unruhig und fand es gleichzeitig nötig – wie Sitzen im Wartezimmer beim Zahnarzt. „Nein. Und ich wäre es auch nicht, wenn du es nicht tust. Solche Dinge kann man nicht pauschal entscheiden, und wenn du versuchst, mich frei von Minderwertigkeitskomplexen zu halten, bist du dreißig Jahre zu jung dafür“, schnauzte Fugaku, und es knisterte in der Leitung, als er irgendetwas tat, wahrscheinlich schlüpfte er aus seiner Jacke. Normalerweise schaltete er um diese Zeit sein Handy ab, damit ihn niemand beim Schlafen störte, und Itachi selbst hatte auch nicht im Sinn, Zeit zu verschwenden. „Nur noch eins“, murmelte er und zauderte kaum merklich, „wie war es, nachdem Mutter weg war?“ Fugaku atmete aus, es zischte leicht, als hätte er die Lippen halb dabei geschlossen. „Leer. Das kann man nicht beschreiben. Du weißt, dass etwas fehlt, und du willst nicht einmal etwas Neues wollen. Die Zeit macht es besser.“ „Wie viel Zeit?“ „Du sagtest, eins“, erinnerte Fugaku ihn scharf. „Eine Woche, zwei?“ Itachi biss sich auf die Lippe. „Höchstens, für einen vernünftigen Jungen wie dich.“ Fugakus Tonfall signalisierte, dass er müde war und das Telefonat beenden wollte, zweifellos war es auch geistig anstrengend für ihn. Gleichzeitig ließ er Itachi absichtlich merken, wo er eine Parallele zu ihm zog. Er fragte dennoch nicht nach, und dafür war Itachi ihm dankbar. „Danke“, brummte er und fuhr sich durch sein zerzaustes Haar. Die roten Zahlen seines Weckers waren erbarmungslos, und Itachis Augen brannten mit dem Verlangen, sie zu schließen. Er brauchte acht Stunden Schlaf, daran würde sich nie etwas ändern. „Wenn weiter nichts ist…“ „Noch eine Sache.“ „Bitte?“ Diesmal klang Fugaku offen strapaziert. Itachi konnte ihm nicht verübeln, dass er eine weitere private Frage nicht gerade antizipierte. „Bekomme ich ein Motorrad?“ „Nicht von mir. Und auch nicht von deiner Mutter!“ Itachi grinste, bevor es ihm selbst bewusst war, und er hörte Fugaku schnauben. Er grinste noch immer, als er sich wieder ins Kissen fallen ließ. „Schlaf gut, Vater.“ Put that magic jump on me Slap that baby, make him free Es regnete in Strömen, und Madara war nicht begeistert davon. Er war nie begeistert von Regen, aber heute war es einfach nur scheiße. Als pisste der Himmel auf die ganze Stadt, weil er es lustig fand, oder noch schlimmer, als himmlische Reviermarkierung. Insgesamt hatte er heute einen miesen Tag. Freitag war meistens ein mieser Tag, und die Kopfschmerzen, die ihn seit dem Beginn des Jahres hin und wieder plagten, komplettierten den Eindruck. Es war ein Tag, an dem man den Rest der Welt einfach hassen musste. Madara unterdrückte ein Gähnen. Er erlaubte sich diese Blöße nicht am Arbeitsplatz, selbst wenn seine Schicht für heute sowieso um war. Um ehrlich zu sein, er hasste diesen Job, er hasste Verwaltungsarbeit. Der Grund, warum er nicht gekündigt hatte, war der, dass die Arbeitszeiten bequem waren – es war nicht die Branche, die er wollte. Und ein Großraumbüro wollte er auch nicht. Madara rieb sich die trocken gewordenen Augen, als er aufstand. Er hatte längst vorgehabt, das hier gegen etwas Anderes einzutauschen, die Werbebranche interessierte ihn mehr, und er hatte ein natürliches Talent darin, Menschen zu manipulieren, darauf kam es an. Er war nur abgelenkt gewesen, von vielerlei Faktoren. Von Personen wie Itachi, die ihr Leben nicht in den Griff bekamen, oder von solchen wie Hashirama, die man einfach nicht ignorieren konnte. In diesem Moment bedauerte Madara es, dass er die Aufzugtür hinter sich nicht knallen konnte; für gewöhnlich schreckte das den ganzen Betrieb ordentlich auf. Wie hatte er je so von sich selbst abkommen können? Rückblickend war es so erstickend wie die Kapsel des Aufzugs, angefüllt mit durchgeatmeter Luft und künstlichen Duftstoffen, muffiger Druckerschwärze und Desinfektionsmittel. Das Gemisch machte es schwer, nicht doch zu gähnen, und Madara traten die Tränen in die Augen, als er seine Kiefer zusammenpresste. Es war zum Kotzen, und er wusste nicht, warum er das nicht gemerkt hatte. Izuna zu sehen, hatte ihn daran erinnert, dass er anscheinend damit zufrieden gewesen war, nicht das zu tun, was man von ihm erwartete, und sich in irgendwelchen Nichtigkeiten treiben zu lassen. Das war nur die Hälfte des Plans. Sein Handy vibrierte in seiner Hosentasche. Idealer Moment dafür, im Aufzug. Madara konnte fast spüren, wie jeder hier die Ohren spitzte, begierig auf private Details. Es war ein Mechanismus, wenn man in diesem Ding feststeckte, und Madara entging die geballte Aufmerksamkeit nicht, als er das Handy aus seiner Tasche fischte und das Display überflog, nachdem er es aufgeklappt hatte. Itachi hatte ein grauenhaftes Timing, und er erwischte Madara auf dem falschen Fuß. Er hatte keinen Schirm dabei, er würde nass werden, er hatte Kopfschmerzen und war generell ungnädig gestimmt. Und dieser Idiot rief ihn jetzt an, nachdem er schon den Witz nicht kapiert hatte. Der Apparat summte beleidigt, und jeder der Anwesenden sah sich bereit, davon genervt zu sein. Madara war dadurch nicht zu beeindrucken, aber ihn nervte es auch, und er drückte seinen Daumennagel auf eine Taste. „Hör mal, du störst.“ Es knirschte in der Leitung, und Itachis Stimme klang verzerrt. „Bitte?“ Offenbar hatte er bei der miesen Übertragung von Aufzug zu Rest der Welt nichts verstanden. Wie unbefriedigend. „Bist du fertig?“, erkundigte Itachi sich, ohne auf eine Wiederholung zu warten. Die Worte mochten ihm entgangen sein, für den Tonfall hingegen brauchte er keine Erklärungen. „Völlig.“ Madara schoss die ältere Frau mit ihrem geschmacklosen Dutt mit einem bohrenden Blick ab, als sie ihre scheußliche Hornbrille ostentativ nach oben stupste. „Verdammt noch mal, fick dich doch.“ Die Frau wirkte verblüfft, und Madara grinste düster, als empörte Röte sich auf ihren runden Wangen ausbreitete. Die Aufzugtüren öffneten sich sirrend, und man konnte davon ausgehen, dass Itachi diesmal sehr wohl verstanden hatte. „Du bist vulgär.“ Madara schob sich an der Frau vorbei und atmete ein. Die Luft des Foyers war nicht besser, nicht so stickig zwar, aber schwer von der Feuchtigkeit des Regens draußen. Madara wusste, dass er so oder so nass werden würde, aber er wünschte sich trotzdem, er hätte die Hornisse hier, dann würde es wenigstens Spaß machen. „Am Telefon immer, das weißt du ja“, bemerkte er süffisant und holte seine Tasche aus dem Schließfach. Er klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter, um das störrische Schloss zu bedienen, und Itachis leises Seufzen klang, als stände dieser direkt neben ihm. Wobei Madara nicht sagen konnte, ob er aus Frustration seufzte oder aufgrund der Erinnerung. Die Erinnerung hätte es jedenfalls verdient. Allerdings brachte Madara das auf Shizune, und das war die Richtung, die er mittlerweile gründlich satt hatte. „Was willst du?“ „Mit dir reden.“ Itachi war nicht aus der Ruhe zu bringen. Madara schob den Polyestergurt seiner Tasche auf die Schulter und zog das Polster hoch, damit dieser nicht auf der Haut zu liegen kam und scheuerte. „Das weiß ich. Du hast sicher eine grandiose Idee, wo wir das tun sollen.“ Der sarkastische Tonfall war kaum zu ignorieren, aber Itachi schaffte es trotzdem. Manchmal musste man ihn für seine Dickfelligkeit bewundern. Madara hatte keine Lust, durch den Regen zu laufen, in eine U-Bahn zu steigen und dann wieder in den Regen zu kommen, also war es ihm egal, wo er nass wurde. Es war scheiße, und er war nah dran, sich leid zu tun. „Es gibt da ein ganz gutes Café“, sagte Itachi. Madara schnaubte ungehalten und trat vor die automatischen Schiebetüren, bei denen man fast davorrennen musste, damit sie aufgingen, und Menschen unter fünfzig Kilo mussten sowieso hüpfen. Damit es auch ja bescheuert aussah. „Ich bin sicher, dir fällt noch eine etwas unpräzisere Angabe ein“, schnurrte Madara und funkelte den dichten Vorhang aus Regen mürrisch an, der sich vor ihm auftat. Die Luft hier draußen war frischer und dabei so pappig-warm, dass es das Pochen zwischen seinen Schläfen schlimmer machte. „Natürlich“, erwiderte Itachi und legte den Hauch Nachgiebigkeit in seine Stimme, den man anwandte, wenn man mit zickigen kleinen Mädchen zu tun hatte. Madara machte einen Schritt vorwärts, und die Spitze eines zusammenklappbaren Regenschirms rammte sich ihm mit all ihrer plastik-metallenen Wucht in die Seite, als der Auslöser betätigt wurde. Itachi starrte ihn von der kleinen Insel aus Trockenheit, die sich nach dem Senken des Schirms rasch auflöste, mit einer Mischung aus Ärger und Milde an. Kleine Wasserperlen hafteten an seinem zusammengebundenen Haar, als er sein Handy vom Ohr nahm. „Deshalb dachte ich, ich bringe dich hin.“ You remind me of the babe What babe? Babe with the power What power? Power of voodoo… Itachi gab seinen Schirm nicht aus der Hand, als sie gingen. Es war ein ungeschriebenes Gesetz der Etikette, dass derjenige, der größer war, auch den Schirm hielt und somit verhinderte, dass er sich ständig den Kopf an der Bespannung stieß oder sein Haar sich in einem der dünnen Eisenarme verhedderte. „Gib mir das verdammte Ding endlich.“ Madara hatte sowohl die Größe als auch das Haar, und ihn reizte jeder Schritt. „Nein. Du hättest deinen eigenen Schirm mitbringen sollen.“ „Bist du meine Mutter?“ Madara hätte schwören können, dass Itachis Lippen ihm verschmitzt zulächelten – seine Augen taten es in jedem Fall. „Eben nicht. Deswegen bleibt es mein Schirm.“ Für fünfzehn Meter ging das gut, dann griff Madara Itachis Handgelenk und drückte es grob höher, damit der elende Schirm ihn endlich in Ruhe ließ. „Wenn du dich nicht gerade machen kannst, müssen wir daran etwas ändern“, knurrte er und gab dem Stiel des Regenschirms einen Ruck. Doch Itachi hielt den Griff hartnäckig fest. „Das war kein Scherz“, beschied er Madara lediglich. „Es wäre mir auch neu, wenn du so etwas auf Lager hättest.“ „Du bist erstaunlich fantasielos heute. Hast du wieder Kopfschmerzen?“ Es war von Itachi aus wohl eine rhetorische Frage, denn er schien sich sicher zu sein. Die Vorstellung, dass Itachi nachsichtig mit ihm war, gefiel Madara nicht. Allerdings war es nicht schwierig, den Jüngeren aus der Reserve zu locken, man musste es nur wollen. Er senkte den Kopf und ließ seine Zunge über Itachis Fingerknöchel gleiten. Die feuchte Haut schmeckte nach Metall, Salz und Papier, die Muskeln zuckten instinktiv, und die Menschen, die ihnen entgegenkamen, blinzelten erschrocken. Itachis Griff lockerte sich, und Madara rupfte ihm den Regenschirm aus der Hand. In seinem Besitz wirkte selbst dieses farblose Ding wie eine Siegesfackel. Itachi rieb sich seine Fingerknöchel und musterte Madara dabei skeptisch. „Ich habe mir heute Morgen zum letzten Mal die Hände gewaschen, weißt du.“ „Ehrfurchtgebietend“, kommentierte Madara höhnisch. „Unhygienisch“, berichtigte Itachi ihn steif. Dafür zog Madara den Schirm über ihm weg und ließ Regen auf ihn prasseln. Diesmal zeigte Itachi die angewiderte Miene, die er vorhin hatte vermissen lassen, und packte den Stiel des Schirms. Madara tat ihm allerdings nicht den Gefallen, locker zu lassen. „Ich werde nass.“ „Tröste dich, indirekt bin es auch diesmal ich, der dich nass macht.“ Madara legte den Worten sein verruchtestes Grinsen bei. Itachi strich sich eine vor Nässe klebrige Haarsträhne aus der Stirn, und es gelang ihm, trotz seiner allmählich durchweichenden Kleidung noch Würde in seine Haltung zu legen. „Ich hätte nicht gedacht, dass du wiederum so indirekt dabei bist, dass ich mich dir an den Hals werfen soll.“ „Oh, versuch’s mal.“ Madara wusste sehr wohl, dass Itachi das nicht tun würde, aber er hatte sein Vergnügen an ihrem Geplänkel. Es war lange her, seit sie miteinander grundlos geredet hatten – egal, ob alles irgendwo einen Grund hatte, waren ihre Worte in der letzten Zeit abgewogen gewesen, ohne inhaltsloses Gesabbel wie dieses hier, das man sich nur erlaubte, wenn man jemanden kannte, weil man mit ihm lebte. Itachi kniff die Augen zusammen, als Regentropfen über die Lider liefen, und wich von Madaras Seite, um sich unter die Markise einer Eisdiele zu flüchten, und zupfte an seinem T-Shirt, um die vor Nässe klebrigen Stellen von seiner Haut zu lösen. Madara betrachtete die Eisdiele aus der Sicherheit des Regens kritisch. Er kannte Itachi und seine Fähigkeit, Süßes zu essen, auch zu Mittag oder zu Abend, wo es jedem anständigen Menschen Bauchschmerzen verursachen würde. Wenn sie schon ihr Gespräch führen mussten, dann nicht in einem Etablissement, wo man nur zwischen Eis und heißem Kaffee wählen konnte. Das war mehr als genug, um Madara bei der Aussicht in eine schlechte Stimmung zurückfallen zu lassen. Itachi verlagerte das Gewicht, wobei seine Sandale ein quietschendes Geräusch machte. Sein Pony klebte an Schläfen und Wangen, und er wirkte verschwitzt, obwohl bloß die verdunkelten Ränder seiner Kleidung diesen Eindruck erweckten. In gewisser Weise erinnerte Madara der Anblick an den gestrigen Abend, an die seltsame Art, auf die Itachi schön war – ähnlich vielleicht, wie man das Wetter schön nannte, schön wie ein blauer Sommerhimmel, der sich ihnen heute verweigerte. So lebendig Itachi auch war, schien es, als veränderte sich an ihm nichts. Aber dann hatte Madara wiederum gestern geglaubt, dass ihn nichts an dem anderen überraschte. „Schieß los“, forderte Madara ungeduldig und legte den Schirm über seine Schulter. Das stetige Trommeln des Regens ging Tack! Tack! Tack! Auf dem straff gespannten Stoff, wenn man genau genug hinhörte, klang es wie das Ticken einer Eieruhr. So viel Zeit rechnete Madara ihrem Gespräch auch in etwa zu, für ein hartgekochtes Ei. „Warum willst du Izuna aus deinem Leben heraushalten?“ „Ich wüsste nicht, dass wir neuerdings verheiratet sind, also hat das mit meinem Leben wenig zu tun“, erwiderte Madara kühl. Itachi taxierte ihn schweigend, als wägte er ab, ob es die Diskussion wert war, bevor er sagte: „Hätte es nichts mit dir zu tun, müsstest du dich nicht einmischen, oder irre ich mich da?“ „Ich dachte, wir reden nicht über persönliche Sachen“, tat Madara es lässig ab, und Itachis Ausdruck wurde eine Spur schärfer. „Mir war bis eben nicht klar, dass das persönlich ist.“ Score, goal. Und ob das persönlich war, es war sein verdammter Bruder! Slime and snails Or puppy dogs’ tails Thunder or lightning Then baby said Madara war entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Seine Schuhe begannen allmählich durchzuweichen, und er hatte Hunger. Dieses ganze Geplörre von oben kam ihm vor, als seien sie versehentlich in das Set eines wirklich schlechten Filmes geraten, und da er rein technisch gesehen derjenige war, der im Regen stand, war es wohl an ihm, auf die Knie zu fallen und hoffnungsvoll aufzuschauen. „Geht dich nichts an“, raunzte er missmutig. Was unter den Uchihas passierte, blieb unter den Uchihas. Itachi nahm Anstoß daran, wenn man ihn kategorisch ausschloss, das war ganz normal. Unerwartet wurde seine Miene allerdings weicher, eine Reaktion, die er, da war Madara sich sicher, gestern nicht gezeigt hatte. Es war nicht einzuordnen, was für ein Ausdruck es war. Aber es fühlte sich an wie gestern, als er Madaras Hand festgehalten hatte. „Wenn ich einen Schritt vorwärts mache, bringst du es dann fertig, den Schirm wieder auszustrecken?“, forschte Itachi nach, ohne dass sich dieser merkwürdige Ausdruck in seine Stimme schlich. Das Trommeln des Regens auf dem Schirm war etwas weniger staccatohaft geworden, und Itachi beäugte den mattgrauen Himmel mit ärgerlicher Resignation. Er wurde offenbar nicht gerne nass. Ganz neue Töne. „Wieso sollte ich?“ Madara hatte genug davon. Er beugte sich vor und streckte den Arm aus, wobei der Regen seine Haut mit lauwarmen Tropfen besprenkelte, packte Itachi an der Schulter und zog ihn unter der Markise hervor. Der Jüngere ächzte leise, als er einen Moment aus dem Gleichgewicht geriet, und er blickte flüchtig nach oben, als misstraute er der Dichte seines Schirms plötzlich. Sie standen nah beieinander, um sie herum hatten sich Pfützen ausgebreitet, und überschüssige Wärme strahlte durch die klamme Kleidung. Diese halbtrockene Konservierung war Madara mit einem Mal zuwider. „Du redest mir heute zu viel“, stellte er fest und gab Itachi den Schirm zurück. Regen umschloss ihn prompt und versuchte erfolglos, sein widerspenstiges Haar an seinen Kopf zu drücken, bis das Wasser schließlich besiegt von den Spitzen abtropfte. „Gehen wir.“ I saw my baby, crying hard as babe could cry What could I do? My baby’s love had gone And left my baby blue Der Regenschirm war so eine Art Barriere. Sie konnten nicht auffällig nah nebeneinander gehen, weil die Spitzen im Weg waren, und Madara war sich nicht sicher, ob das überflüssig oder frustrierend sein sollte. Er fühlte sich besser – er genoss es nach wie vor nicht, nass zu werden, doch der Regen wusch von ihm ab, was er zuvor auf Itachis Haut geschmeckt hatte. Sie nahmen den Bus, das war einfacher. Madara versuchte nicht erst, sich hinzusetzen. Er war bei diesem Scheißwetter sicherlich nicht der Einzige, der nass geworden war, und um die Sitze machte er sich keine Sorgen. Nachdem er den ganzen Tag gesessen hatte, war ihm lediglich nicht mehr danach. Als Kind war ihm das immer so gegangen, er war hoffnungslos aufgedreht, wenn er aus der Schule kam. Wann hatte er sich angewöhnt, jetzt müde zu sein, so wie alle anderen Menschen? Er fühlte sich geradezu rastlos, während der Bus sich über die Straße quälte und bei jedem Bremsen und Beschleunigen ein Ruck durch die ‚Reisenden‘ ging. Itachi schien nachdenklich. Er hatte nichts mehr gesagt, wirkte aber ganz und gar nicht so, als fehlten ihm die Worte. Letztendlich wandte er den Kopf zur Tür. „Lass uns aussteigen.“ Es war die falsche Haltestelle, doch Madara protestierte nicht erst. Die feuchte Wärme im Bus war so stark, dass die Scheiben bis oben hin beschlugen, und er war erleichtert, sich nach draußen zu schieben. Itachi schloss sich ihm an, den Schirm in einer Hand, die andere ruhte in Madaras Armbeuge. Es fühlte sich verletzlich an, wie sie über den bläulichen Adern lag, Madara erinnerte sich, dass er es nicht gemocht hatte, wenn Mito sich bei ihm untergehakt hatte. Es lag nicht an der altbackenen Art, nach der die Frau sich so unterhakte, es war eher etwas Genervtes – die Haltung war so unnatürlich, warum nahm man sie ein?! Itachis Hand rutschte beim Aussteigen von seinem Arm, weil der Gummiboden glitschig war. Sie ließ einen kalten Fleck zurück, Madara drehte sich unwillkürlich um und blieb dabei stehen, nahm Itachi damit unabsichtlich den Platz, um sein Stolpern abzufangen. Um sie herum strömten Menschen rein und raus. Es regnete unverändert auf sie, als Madara Itachi auffing, eine reflexähnliche Tat, und dabei spürte, wie dem anderen ein gedämpftes ‚Uff‘ entwich. Itachi grub seine Finger in Madaras Oberarm und atmete durch, er wischte sich mit einer irritierten Geste über den Mund, wo sich die zähe Wärme des Busses festgesetzt zu haben schien. Madara lächelte leicht und ohne besonderen Grund. Ihm sagte das etwas. „Lass uns nach Hause gehen“, brummte Itachi. Er machte keine Anstalten, seinen Regenschirm aufzuspannen, und der Regen durchnässte ihn schleichend. Es gab Itachi etwas, das besser greifbar war als ein blauer Sommerhimmel, es ließ sein glanzloses Haar schimmern und seine helle Haut rosig werden. „Meinetwegen. Das Reden war deine Idee.“ Itachi runzelte die Stirn, dann schlossen seine Finger sich ungelenk um Madaras Handteller. Sie waren nass und weich von der stetigen Feuchtigkeit, und nach einem kurzen Zögern erwiderte Madara den Druck. Er war sich nicht sicher, ob es Sinn machte, doch andere Menschen in seiner Nähe hatte er nicht so prinzipiell gehasst wie langes Sitzen und langweilige Arbeiten. „Deine Antwort hast du, was willst du mehr?“ Darüber musste Madara nicht lange nachdenken. „Machst du Witze?! Ich hab‘ Hunger!“ Itachi schmunzelte andeutungsweise, ohne seine Hand loszulassen. Dann zog er Madara mit, zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „Kann ich mir vorstellen.“ „Glaube ich nicht.“ Itachi schnaubte. „Nicht… das.“ Then baby said Dance magic, dance fin Adult nächstes Mal – die Steckbriefe geben aber einen Handlungsabriss, ich warne nur vor. Nicht zu streng sein. Kapitel 17: Need You Tonight ---------------------------- Need You Tonight Untertitel: Liebe machen ‚Need You Tonight‘ stammt von der Band INXS aus 1987. Genaueres zum Fortlauf dieses Werkes in der Kurzbeschreibung. Wir haben sogar einen Fortschritt…! Enjoy! Ab und zu raschelte leise Papier, wenn Itachi umblätterte, oder ein Stift kratzte über Papier. Madara war ebenso versunken ins Lesen wie Itachi, und sie beide schwiegen konzentriert. Dafür, dass sie nebeneinander im Bett lagen, war das erstaunlich. Das Fenster war gekippt und ließ warme Luft ein, allerdings war es draußen nicht so heiß, dass man es in Kleidung nicht aushielt. Itachi hatte als Zugeständnis an die Sittlichkeit und vor allem an seine Natur die Decke bis zur Mitte seines Rückens hochgezogen, während sein Bleistift über die Seiten eines in der Bibliothek kopierten Essays wanderte und gelegentlich etwas am Rand notierte. Madara hatte diese Sorgen nicht, er hatte lediglich ein Kissen auf seinen Schoß gelegt, damit der Laptop nicht ständig auf seine bloße Haut drückte, und lehnte sich gegen das hölzerne Kopfende seines Bettes. Oder der Hälfte, die ihm gehörte. Sie hatten ihre Schlafzimmer nicht dauerhaft zusammengelegt, doch für einen ganzen Sonntagnachmittag, den man im Bett verbrachte, war etwas Komfort vonnöten, und ein einzelnes Bett war zu schmal. Sie hatten Itachis Bett herübergetragen – erstens gab es darunter keine Leichen zu entdecken, zweitens blockierte man in Madaras Zimmer nicht gleich die Tür, wenn man ein zweites Bett hineinstellte, und drittens störte Madara sich nicht ständig an den Kalligraphiedrucken an Itachis Wänden. Obwohl Itachi sich keine Illusionen darüber machte, dass Madara sie wieder abriss, sobald die Tür mal nicht abgeschlossen war. Sie hatten die Bettpfosten dort zusammengebunden, wo die Längsseiten aneinander auflagen, damit die Gestelle nicht auseinanderrutschten. Grund genug dazu hatten sie gehabt. Itachi ertappte sich bei einem verstohlenen, zufriedenen Lächeln. Die Examen hatten ihn unter Stress gesetzt, doch jetzt fühlte er sich so entspannt wie seit Wochen nicht mehr. In dieser Hinsicht war der menschliche Körper angenehm berechenbar. Itachi wusste nicht, wann er das letzte Mal um diese Zeit im Bett gelegen hatte, eine andere Person noch nicht eingerechnet. Es fühlte sich gut an. „Was grinst du so?“ Madaras Hand landete mit gespreizten Fingern auf seinem Kopf, als wollte sie das Haar zerzausen. Dann überlegte Madara es sich offenbar anders und fuhr über den säuberlich gezogenen Scheitel, ließ das offene Haar durch seine Finger rinnen. Die Berührung war schwer und sandte ein Kribbeln durch Itachis Kopfhaut. „Mir war nicht klar, dass du diese Farbe von Unterwäsche bevorzugst.“ Madara schnaubte, sein Zeigefinger hämmerte geschickt auf das Touchpad, ohne dass seine andere Hand aus Itachis Haar auftauchte. Er sah malerisch aus, das goldene Nachmittagslicht ließ seine schroffen Züge weicher erscheinen und puderte sein wildes Haar mit einem rötlichen Glanz. „Das war schon immer so“, behauptete er beiläufig und wickelte eine von Itachis Ponysträhnen um seinen Mittelfinger. Itachi ließ den Bleistift über dem Text schweben und drehte den Kopf, um die verstreute Kleidung mit leicht gehobenen Augenbrauen zu betrachten. „Rosa?“ [1] „So?“ Madara gab der Ponysträhne einen leichten Ruck, eine Disziplinarmaßnahme, die Itachi ignorierte. Sein Blick galt immer noch der rosafarbenen Boxershorts, die auf dem Rand des Teppichs zum Liegen gekommen war. „Ungewöhnlich.“ „Irrtum.“ Madara ließ die Ponysträhne los und klopfte Itachi mit dem Knöchel des Zeigefingers gegen die Stirn. Itachi ließ es zu, weil er sich nicht dazu bringen konnte, sich an diesen Kleinigkeiten zu stören. „Rosa ist keine eigene Farbe, sondern nur ein ausgewaschenes Rot. Rot ist die Farbe der Warnung und der Erotik, die Verknüpfung dazwischen ist rein psychisch.“ Madara konnte in jeder Lebenslage selbstgefällig klingen, und es machte ihm gar keine Mühe, das jetzt auch zu tun. Itachi hob den Blick wieder von seinem Essay. „Und warum trägst du dann Rosa und nicht einfach Rot?“ „Farbsymbolik“, lautete die schlichte Antwort mit einem Hauch von Belustigung. Itachi wusste bereits, wenn Madara es nicht aussprach, erwartete er, dass man sich seinen Teil dachte, sollte man dennoch nachfragen, würde er dafür sorgen, dass es Verlegenheit mit sich brachte. Itachi riss sich endlich von der malerisch durcheinandergebrachten Kleidung los und setzte den Bleistift zurück auf das Papier. Solange er hier herumlag, konnte er alles tun, selbst Wäsche bügeln, wenn er das Bügelbrett irgendwie auf die Matratze legen konnte. Es war leicht, entspannt, und trotzdem war Itachi unterschwellig klar, dass sich die Dinge geändert hatten. Sie hatten ihre Struktur geändert wie ein Enzym-Substrat-Komplex, und noch war nicht sicher, ob sie noch zusammenpassten. Ob der eine den anderen noch auflösen konnte oder ob es eine nutzbringende Koexistenz gab. Biologisch ausgedrückt. Oder bildeten sie im Grunde eine Symbiose? Im besten Fall eine Probiose, wenngleich Itachi das anzweifelte. Probiosen sorgten nicht dafür, dass man sich in den ersten zehn Minuten nach dem Aufstehen vorsichtig bewegte. Erwiesen, es war eine Antibiose. Itachis Bleistift war kein Stück weitergewandert und drückte gedankenversunken gegen das Papier. Madara bemerkte die Regungslosigkeit, und Itachi sah aus den Augenwinkeln, wie er schmunzelte. „Ich hatte keine Ahnung, dass dich das so fesselt. Soll ich sie für dich wieder anziehen?“, fragte er stichelnd und klappte den Laptop ohne Eile zusammen. „Sei nicht albern“, brummte Itachi nüchtern, blickte jedoch auf, als Madara den PC anhob, um ihn auf den niedrigen Hocker hinter dem Kopfende des Bettes zu stellen. Seine Muskeln streckten sich dabei unter der Haut, als Madara es zu einer gymnastischen Übung machte, das Gerät nach hinten über seinen Kopf zu bringen. Sein Rücken bildete unweigerlich ein Hohlkreuz, um den Laptop möglichst sanft abzusetzen, und das Kissen verrutschte. Madaras Miene zeigte eine ulkige Mischung aus Zufriedenheit und Konzentration, was sich kaum miteinander vereinbaren ließ. Er bot ein anregendes Bild, und Itachi ließ den Stift langsam sinken. Bügeln und Biologie waren schwer im Kopf zu behalten, von seinem Essay ganz zu schweigen. Er schob den dünnen Blätterstapel und den Stift vom Bett, wo sie das allgemeine Chaos vergrößerten und zu Itachis Genugtuung beitrugen. Madara blinzelte träge, als Itachi sich über ihn lehnte. Der Laptop setzte mit der Kante leise auf dem Hocker auf, und Madaras Körper spannte sich umso mehr, um den Rest nachzuschieben. „Soll ich’s etwa wirklich anziehen?“ „Verdient hättest du’s.“ Itachi stützte seine Hand auf Madaras Brust und zwang ihn, umso mehr Spannung aufzubauen, scharf geschnittene, flache Pakete von Muskeln traten dabei unter dem Brustkorb hervor. Madara atmete hörbar, da seine nach hinten verdrehten Arme das Luftholen erschwerten, doch er wehrte sich nicht. Itachi entschied sich, die Gymnastik ein wenig zu erschweren, die Andeutung eines Grinsens flackerte über sein Gesicht. „Hättest du etwas dagegen, wenn ich dich küsse? Madara…“ Die angespannten Muskeln trugen das sonst unmerkliche Schauern weiter, auch wenn Madaras Miene so beiläufig blieb, als habe er selbst nichts bemerkt. „Wenn du willst.” Itachi beugte sich herab. Noch war das angestrengte Zittern unter ihm nicht zu spüren, und Madara beherrschte sich tadellos. „Du willst es doch auch.“ „Nicht den Satz. Der ist so alt…” Itachi ersetzte seine Hand durch den Ellbogen und quittierte das gepresste Einatmen mit dem süffisanten Schatten eines Lächelns. Dann neigte er den Kopf und küsste Madara. All you got is this moment The twenty-first century’s yesterday You can care all you want Everybody does, yeah that’s okay Ganz allmählich kroch das Beben durch Madaras schmerzhaft gestreckten Körper. Itachi spürte es selbst an seinen Lippen, wie die Muskeln sich anspannten. Zweifellos war es auch nicht angenehm, dass sein Ellbogen dabei auf Madaras Brust ruhte – der Ältere hatte sich schon öfter beschwert, Itachi bestehe nur aus spitzen Ecken und Kanten. Diese Erinnerung brachte diesen dazu, den Ellbogen leicht zur Seite zu schieben, bis er über einem Lungenflügel auflag. Es hatte unbestreitbar etwas Erregendes. Selten hatte er die Gelegenheit, sich dem Körper des anderen zu widmen, und noch seltener erlaubte er sich, diese Gelegenheit überhaupt zu nutzen. Und nun spürte er Faser für Faser, was vor ihm lag. Madara streckte sich etwas weiter, um den Laptop endlich abzustellen, und machte Anstalten, sich vor Itachi zurückzuziehen. Aus einem Impuls heraus fing Itachi mit den Zähnen spielerisch die Unterlippe des anderen ein, knetete sie behutsam. Selbst ein schwaches Zwicken führte dazu, dass sie sich heiß anfühlte, als das Lippenbändchen gedehnt wurde. Die Wahrheit war, dass Itachi diesen Kuss beobachtet hatte, als er vor ein paar Tagen U-Bahn gefahren war. Es war Voyeurismus, in gewisser Weise, aber manchmal wurde es einem zu leicht gemacht. Es hatte Itachi verlegen gemacht, und nun erstaunte es ihn milde, dass es ganz einfach war, das nachzuahmen. Und das Ausprobieren war amüsant. Solange man demjenigen vertraute, an dem man es ausübte. Madara entließ abrupt die Spannung aus seinen Armen, sein Körper sackte für einen Moment in die Matratze zurück, als er nach Luft schnappte. Anstatt sich über seine schmerzenden Muskeln zu beklagen, entkam ihm ein atemloses Glucksen. Itachi hatte seine Unterlippe freigelassen, aber der Ellbogen bohrte sich immer noch ungehindert in die Rippen. „Bist du heute nicht ein böser Junge…“ Itachi schmunzelte und stützte das Kinn auf die Hand. „Das ist wirklich alt.“ „Du weißt einfach, wie man erfolgreich Pillow Talk betreibt“, neckte Madara ihn und zog seine Arme zurück auf das Bett, ließ sie jedoch über seinem Kopf auf das Kissen fallen. „Du hast ja nicht lange durchgehalten“, meinte Itachi ungerührt und legte seine freie Hand auf die linke Brustseite, wo das Herz immer noch etwas schneller als sonst schlug. „Meinst du mein Stehvermögen?“ „Ich kann das nicht ernst nehmen, wenn du mit Plattitüden um dich wirfst“, murmelte Itachi, auch wenn er zugeben musste, dass Ernsthaftigkeit nicht das Ziel war. Dazu war dieser Nachmittag bislang zu amüsant verlaufen. „Wann haben wir das Stadium verlassen, in dem du das peinlich findest?“, erkundigte Madara sich mokant, Itachi erwiderte seinen Blick mit studierter Leidenschaftslosigkeit, ignorierte den Funken Unbehagen. In den Stunden, die Anko ihn momentan mit ärgerlichem Schweigen strafte, hatte er genug Zeit gehabt, und nun ging es zu seiner Überraschung ganz einfach. „Du bist mir nicht peinlich.“ Madaras Erstaunen war echt. Frei von Ironie oder Humor, als er sich mit einer Hand hinter dem Ohr kratzte. „Natürlich nicht. Warum sollte ich?“ Es gab nicht den Hauch eines Kratzers in Madaras Selbstbewusstsein, kein Stücken Moos, das sich an dem gewaltigen Monolith festklammern konnte, der sein Ego war. Selbstverständlich war er nicht peinlich. Itachi ließ diese Erkenntnis sinken, selbst verblüfft durch die schlichte Sicherheit, mit der Madara Komplexe ausschloss. Dann gluckste er. Erst leise, bis sich das Lachen seine Kehle hinaufarbeitete, lauter schließlich. Itachi lachte nicht oft, aber der Hormoncocktail, der bei Männern nach dem Orgasmus ausgeschüttet wurde, war nicht zu unterschätzen, wirkte spannungslösend. Konnte ihm nicht wenigstens das peinlich sein? Sein Lachen steckte Madara nicht an, doch Itachi sträubte sich nicht, als jener ihn zu sich zog und ihn küsste. Seine Lippen waren immer noch angespannt vom Lachen, und er bemühte sich nicht, es loszuwerden. Es war nur eine Kontraktion von Muskeln, die aufhören konnte, wann sie wollte. Itachi hatte es nicht eilig, als Madara ihn in den Mundwinkel zwickte und ein testendes Kribbeln durch seinen Kiefer schlich, als wollte es ihn fragen. Kannst du, willst du, oder vielmehr, kannst du nicht wollen? Er konnte, er wollte, und er versuchte nicht mal, nicht zu wollen. Kurz hefteten Itachis Augen sich an den Laptop, dessen Standby-Lämpchen noch grün leuchtete. Madara war immer so unordentlich und ließ das Gerät tagelang so stehen, bis der Akku leer war… Madara versetzte der Anstandsbarriere Decke einen Ruck, damit sie Itachis Unterkörper frei gab. Sein Knie streifte Itachis Hüfte, während Madara mit seiner Daumenkante über Itachis Wangenknochen fuhr. Die Haut dort fühlte sich noch immer etwas zu warm an. „Was machst du damit?“ Itachi deutete fahrig auf den Laptop, bevor er riskierte, das in eine obszöne Pointe zu verwandeln. Dann kehrte seine Hand unverzüglich zu Madaras Nacken zurück und strich durch das hoffnungslos verknotete Haar und die kräftigen Genickwirbel, die sich darunter fühlen ließen. „Hm?“ Madara blickte nur flüchtig in die Richtung. Doch er zögerte mit einer Antwort. How do you feel I’m lonely What do you think Can’t take it all Itachi hatte den Moment des Zögerns bemerkt, denn Madara zögerte selten. „Kann das warten?“, präzisierte er mit einem Hauch Ungeduld – er hatte nicht vorgehabt, sich in das einzumischen, was Madara da tat, das ging ihn nichts an. Sie mochten sich zusammengerauft haben, doch manche Grenzen blieben bestehen. Madara fand mit der Geschwindigkeit eines Blinzelns wieder zurück in sein voriges Verhalten. Was es auch war, was ihn diesen Moment abgelenkt hatte, er haderte nicht damit, dass er es nicht weiter verfolgte, sondern zog mit geschickten Fingern die Decke zur Seite und schob sie über die Bettkante, wo sie wie ein Vorhang über Itachis verstreute Kopien fiel. Madara konnte es nicht leiden, wenn er sich später darin verhedderte. Itachi erschauderte leicht, als ein lauwarmer Lufthauch von draußen über seinen nackten Rücken strich, und schob sich seine Haarsträhnen aus den Augen. „Wenn du willst“, wiederholte Madara mit einem feinen Lächeln und stemmte sich auf die Ellbogen hoch und fing Itachi in einem weiteren Kuss ein, ohne Hast, trotzdem nahm es diesem den Atem. Er stützte seine Hand wieder auf Madaras Brust, nur um diesen dazu zu bringen, dass er von Neuem seine Muskeln anspannen musste, um dem Druck standzuhalten. Benommen fragte Itachi sich, wie man das nannte, was sie taten. Ihr fickt. Aber sollte das nicht eigentlich die einmalige Tätigkeit beschreiben, einen Akt, der vielleicht ein Mal pro Tag ausgeführt wurde und allzu oft dazu führte, dass man später Schmerzen hatte? Was war das an einem Nachmittag wie diesem? Vögeln? Liebe machen? Miteinander schlafen? Er hatte die Wahl zwischen vulgären oder unzutreffenden Umschreibungen. Und biologischen Begriffen, die nach einer Mischung davon klangen. Er verlor den Gedanken, als Madara energisch mit der Zungenspitze gegen sein Lippenbändchen stieß und ihn völlig ablenkte. Itachi seufzte noch so leise und neigte den Kopf etwas weiter. Er konnte spüren, wie Madara einatmete, seine Schultern sich anspannten. Allmählich schien es ihn anzustrengen, den Gegendruck aufzubauen, seine Zähn schabten über Itachis Unterlippe und teilten etwas von dem Schmerz mit ihm. Itachi fühlte einen Schauer seinen Rücken hinabkriechen, er stemmte seine Hände in die Matratze und richtete sich auf, löste den Kuss gleichzeitig mit dem Druck. Madara ließ sich zurücksinken und blickte versonnen zu ihm auf. Seine schwarzen Augen glommen wie die die Metallplatte über dem Bunsenbrenner. „Und der Briefschlitz?“, erkundigte er sich spöttisch, seine rauen Hände umfassten bereits Itachis Hüften und schmiegten sich mühelos in die V-förmige Neigung des Knochens. Offenbar konnte Madara es sich wortwörtlich nicht verkneifen, Itachi kurz zu zwicken, woraufhin dieser ihm einen Klaps auf die Finger gab. „Dreckiger alter Mann“, schalt er ihn, und Madara grinste verwegen. „Und alle haben’s gehört.“ Itachi schob sich sein Haar in den Nacken, zögerte kurz und schüttelte es dann aus, sodass die miteinander verhedderten Strähnen lose über seine Schultern fielen. Die beiläufige Geste kostete ihn Überwindung, doch sie war tatsächlich nicht unangenehm. „Sollen sie.“ Es würde niemand vorbeikommen, trotzdem konnte es ihm egal sein. Itachi war entschlossen, es zu ignorieren, an einem Sonntagnachmittag. ‚Sex haben‘ klang wirklich zu banal. ‚Sich hingeben‘ zu einseitig. Itachi beugte sich herab. Wie er es auch nennen sollte, sie hatten es bereits gehabt, sodass er keine Eile haben sollte, gleichzeitig begannen seine Fingerspitzen zu kribbeln, warme Röte breitete sich auf seinen Wangen aus, noch bevor Madaras Hand träge von seiner Hüfte glitt und über seinen Innenschenkel strich. Andachtsvoll strich Itachi über das Gelenk von Madaras Schulter, wo dünne, zornige Linien sich über die Haut zogen, die in halbmondförmigen Abdrücken endeten. Sie sahen aus wie kleine Kometen, unter den empfindlichen Tastsensoren seiner Lippen waren sie hingegen nur winzige Furchen, die schwach nach Schweiß schmeckten. Und sie klangen wie immer schneller pulsierendes Blut. „Was machst du damit?“, fragte Madara belustigt. Er schien heute Gefallen an Wiederholungen zu finden, während seine Finger nonchalant über Itachis Kniekehle strichen. Der Reiz wurde nicht schwächer; vielmehr fühlte es sich an, als würden bereits geschaffene Pfade sich ausdehnen, und Itachi schauderte wohlig. Er hatte noch keinen passenden Begriff gefunden. Madara fragte zu früh. Sinnierend strich Itachi über die feuchte Spur auf den Kratzern. „Ich weiß nicht.“ Mit der Unberechenbarkeit einer Sprungfeder drückte Madara sein Knie nach oben, stieß es gegen Itachis halbhartes Glied. Itachi sog die Luft ein, erwartete, dass es weh tun würde, doch Madara war umsichtig. Es reizte ihn bloß umso mehr. Mit einem beinahe koketten Lächeln stützte Itachi sein Kinn auf die Hand. „Ich genieße dich.“ I need you tonight ‘Cause I’m not sleeping Madara war ein undurchsichtiger Mensch, aber nach allem, was sein Körper verriet, war er erfreut über die Antwort. Itachi hatte begonnen zu begreifen, dass Madara eine eigenartige Beziehung zu Worten hatte – es war etwas Anderes, ob er sie glaubte. Er stöhnte heiser, als Madara über seinen Unterbauch strich, er konnte sich unmöglich auf die Definition konzentrieren, die er gesucht hatte, denn selbst sein Kopf schien sich mit unzusammenhängenden Lauten zu füllen. Unwillkürlich brummte er sehnsüchtig und entzog sich gleichzeitig Madaras Hand, indem er sich auf den Rücken wälzte. Triebleben betreiben? Beischlafen? Furchtbar. Warum gab es keine präzisen Begriffe für manche Dinge? Madara ließ sich nicht so einfach auf Pause schalten, er drehte sich auf die Seite. Itachi sah ihm in die Augen und verlor ums Mal jedes Interesse am Grübeln. Warum erschien es ihm überhaupt wichtig? Er hakte die Arme um Madaras Nacken und küsste ihn, ohne dabei die Augen zu schließen. Er nahm den anderen bewusst wahr, als ihre Glieder begannen, sich ineinander zu verschlingen. Itachi keuchte erstickt, weil Madaras Zunge unerträglich warm erschien, als sie den kleinen Nervenpunkt zwischen Ohr und Kiefer streifte. Itachi erinnerte sich noch gut, wie Madara ihm früher an diesem Nachmittag dort einen versehentlichen Stoß mit dem Fingerknöchel verpasst hatte, als er ihm das T-Shirt über den Kopf gezogen hatte – vielleicht war es eine späte Wiedergutmachung. Er fühlte die Stelle an seiner Zungenspitze nicht mehr, wo er sich gestern Morgen am Tee verbrannt hatte, als er Madara küsste. Vielleicht wollte er das heute auch noch öfter als sonst, fiel ihm auf. Itachi runzelte leicht die Stirn, als er die Finger in Madaras Haar vergrub. Er konnte sich nicht entsinnen, ob es so wichtig war, jetzt nachzudenken, trotzdem blieb es in seinem Hinterkopf und störte ihn dabei, sich zu entspannen. Itachi atmete durch zusammengebissene Zähne aus. Madara hatte sich prompt für seine Unachtsamkeit revanchiert und grinste ihn süffisant an, hob seine Finger langsam an, mit denen er Itachi in die Brustwarze gekniffen hatte. Zweifellos würde er seine Disziplinarmaßnahme auf der anderen Seite wiederholen, wenn er sich nicht entsprochen fühlte. Itachi setzte sich auf, schob dabei Madaras Arm beiseite, der ihn daran hinderte. Madara tat es ihm nach, und Itachi schnalzte leise mit der Zunge. „Vergiss es.“ So slide over here And give me a moment Your moves are so raw „Bitte?“ Itachi ignorierte ihn. Madara war entschieden experimentierfreudiger als er, aber für Itachi bedeutete es Überraschungen, die er vor seinen Prüfungen nicht haben wollte. Nicht, dass er keinen Sex haben wollte – und Madara wusste es. Zu Itachis Erstaunen zuckte der andere lediglich mit den Achseln, ohne Überzeugungsversuche zu machen. Er wirkte beinahe schon gleichgültig, als er die Plastikhülle eines Kondoms aufriss. Itachi fuhr sich durch sein Haar und versuchte vergeblich, seinen Atem wieder in einen geordneten Rhythmus zu bekommen. Was war es noch, woran er gedacht hatte… „Hast du noch einen abgedroschenen Spruch?“ Madara hob eine Augenbraue. „Willst du etwa einen hören?“ Noch bevor Itachi Gelegenheit zum Antworten hatte, gab Madara ihm einen Stoß zurück auf die Matratze, und Itachi wurde unwillkürlich von nervöser Aufregung durchflutet. Er konnte nichts dagegen tun – den anderen über sich zu sehen, schien einen Schalter in seinem Gehirn umzulegen, ein erregtes Flattern in seiner Brust, das er niemals zugegeben hätte. „Ich-“ Madaras Zeigefinger auf seinen Lippen stoppte ihn. Die dunklen Augen funkelten schalkhaft, sodass die schmalen Falten um die Lider einen Moment zurückzutreten schienen. „Scht…“ Itachi fing die Komik auf, doch sein Lächeln hatte wenig von direkter Belustigung. Ihm fiel nicht auf, dass er insgeheim grundlos lächelte, seine noch lächelnden Lippen öffneten sich einen Spalt, und seine Zunge huschte über das gedrehte Muster der Fingerbeere. Madaras Haut schmeckte nach Salz und schwach nach Plastik, die Muskeln zuckten verräterisch. Madara hatte dennoch Recht. Sein Bedarf an stereotypen Äußerungen war gedeckt. Unter dem gekippten Schlafzimmerfenster fuhr heulend ein Wagen mit Sirenen vorbei, in exakt dem Moment, in dem Madaras Glied in ihn eindrang. Itachi schnappte nach Luft, ein Zittern erfasste ihn, als Hitze über seine Haut kroch und seine Nerven, die sich unweigerlich wieder beruhigt hatten, ihn mit einem Ruck wieder mit Impulsen überschütteten. Ein schwaches Stechen zuckte durch sein Becken, doch der Schmerz blieb aus. Madara nutzte die Gelegenheit und tippte ihm mit dem Zeigefinger dreist gegen die Zunge, als Itachi Luft geholt hatte, zog sich zurück, bevor er gebissen werden konnte. „Hah“, machte er triumphierend und leckte über die Fingerkuppe, aber er klang atemlos und keinesfalls so ungerührt. Itachi fuhr sich mit der Zunge fahrig über die Unterlippe und streckte sich, sah mit nicht unbeträchtlicher Zufriedenheit zu, wie Madara aufgrund dem unerwarteten Dehnen der Muskeln um seine Erregung die Kiefer zusammenpresste und doch leise keuchte. Itachi strich sich mit leicht unsteten Fingern eine Ponysträhne aus der Stirn. Er hatte die Definitionen vergessen, die er bisher aufgestellt hatte… Er konnte sich nicht mal erinnern, womit er angefangen hatte. Er nickte abgehackt und legte sein Bein um Madaras Hüfte. Das erste Mal, als er es getan hatte, war es ungelenk gewesen, mittlerweile gelang es ihm, sich dabei nicht zu verkrampfen. Die warmen Formen schienen sich flüssig ineinander zu fügen, nur ein kurzes Brennen machte sich bemerkbar. Itachi kniff die Augen zusammen und erinnerte sich im selben Moment, es nicht zu tun. Erneut raste ein elektrisches Knistern durch seine Nerven, als Madara seine Zähne um das dunkle Gewebe der Brustwarze schloss. Er hielt noch immer still, anstatt blinde Leidenschaft an den Tag zu legen. Itachi richtete sich auf einen Ellbogen auf und vergrub seine Hand in Madaras drahtigem Haar, zog es in den Nacken. Es war keine besonders liebevolle Geste, doch der andere sah gehorsam auf. Itachi wusste nicht, woher der plötzliche Drang kam, Madaras Gesicht zu sehen – hatte er nicht deswegen angefangen, sich Gedanken zu machen? Madara lehnte sich vor und küsste ihn, sein Atem prallte harsch auf Itachis Lippen und füllte seinen Mund, weshalb Itachi begann, sich auffordernd gegen ihn zu bewegen. Die Spitze seines Glieds streifte dabei Madaras Unterbauch, und Itachi stöhnte verhalten. Die Frage, ob Madara vorsichtig sein würde, erstarb auf seinen Lippen und machte Platz für hastiges Atmen. Er legte sein anderes Bein langsam und deutlich weniger koordiniert um Madaras Hüfte. Madara teilte sich nicht nicht in einzelne Stöße, keine ruckartigen Intervalle, er bewegte sich unablässig, beschrieb streichende, mal kreisende Bewegungen, die Itachi das Gefühl gaben, sein Innerstes würde langsam eingeschmolzen. Dennoch blickte er auf, verfolgte mit vernebelter Faszination den hitzigen Ausdruck in Madaras Augen, seine raue, tiefe Stimme, das Spiel seiner Muskeln. Alles Andere trat in den Hintergrund. Madaras Erregung streifte eine unbedeutend erscheinende Erhebung, ein Bündel von Nerven, das er bewusst erst jetzt zu berühren schien. Itachi keuchte auf, seine Hand klammerte sich haltsuchend in Madaras Haar und glitt davon ab. Seine Fingernägel zogen neue, dünne Linien auf Madaras Oberarmen, nur weiße Kratzer diesmal. Er wusste wieder, warum er nachgedacht hatte. Liebe machen. I’ve got to let you know I’ve got to let you know: You’re one of my kind Manche Dinge wurden nicht richtig wahr, bevor man sie nicht feststellte. Nicht, dass Itachi über die Auswirkungen nachsann oder es überhaupt wollte. Er hatte seine Definition gefunden. Erlösung hingegen nicht. Es war leicht, sich an Madaras Bewegungsmuster anzupassen – alles war leicht im Moment. Itachi zog ihn zu sich herab, brachte seinen Mund nah an Madaras Ohr. In einem so leichten Moment wie diesem hätte er alles sagen können, und es hätte nicht seltsam geklungen. Aber das war es nicht. „Madara…“ Itachi seufzte kehlig, als seine Nervenenden zu glühen begannen. Schweiß befeuchtete seine Haut, noch viel verzehrender war das stetige Pochen, das ihn durchfuhr, wenn Madara ihn berührte. Es reichte, wenn seine Haarspitzen zufällig und pieksig über seine Haut wanderten, wenn seine Handfläche ziellos über Itachis Brust strich, so wie jetzt. Itachis Augen weiteten sich überrascht, als Madara die Lippen gegen seine presste, geschlossen und weich zugleich. „Ich weiß“, erwiderte Madara heiser, ein sichtbarer Schauer überlief ihn. Itachi verschränkte seine Beine fester. Nein, Madara wusste das nicht – das machte aber nichts. Sie hatten schließlich eine Menge Zeit. Itachi warf sich herum, als die aufsteigende Hitze schlimmer wurde, sich unberechenbar durch seinen Körper wühlte. Klebrige weiße Flüssigkeit perlte bereits über seinen Bauch, und er zuckte zusammen. Madara nahm keine Notiz davon, Itachi presste stur die Lippen aufeinander, um sich zu beherrschen. Zu gern hätte er das lustvolle Prickeln, das sich von innen nach außen ausbreitete, zurückgehalten, doch diesmal fiel der Stoß gegen seine Prostata heftiger aus. Es war nicht so gewaltsam wie das erste Mal, doch nicht weniger überwältigend, als würden seine Gelenke sich voneinander lösen, ein heißkalter Schauder fauchte durch jeden Winkel seines Körpers. Itachi verlor für einen Moment aus den Augen, wo er war, seine Arme schlangen sich dennoch bewusst um Madara und zogen ihn mit sich nach unten. Die an den Pfosten zusammengebundenen Betten hielten, auch wenn die Seile ächzten. Itachi ließ sich langsam zurücksinken, blinzelte träge. Sein Körper glomm vor sich hin, ohne dass er etwas tun musste. Madara ließ sich neben ihn fallen, sodass es die Matratze erschütterte. Kurz betrachtete er sein langes Haar kritisch, als bemerkte er es jetzt erst. Itachi glaubte, der andere werde einschlafen. Es wäre zu schade für diesen Sonntag, doch es war auch nicht das Schlimmste. Aber Madara schlief nicht. „Hey, Itachi?“ Itachi drehte den Kopf auf die Seite und sah Madara mit einem Ausdruck an, den er selbst nicht kannte – er hatte keinen Spiegel. „Kann ich dich küssen?“ Es war keine Wiederholung mehr, und Itachi lächelte – dann würde er auch nichts wiederholen. „Klar.“ Whatcha gonna do? Gonna live my life Auf dem Hausflur schüttelte Izuna sinnierend den Kopf. Nur gut, dass er Sasuke nicht mitgebracht hatte… Es war besser, wenn Izuna seinen Bruder zum zweiten Mal bei etwas hörte, was er nicht hören wollte, als dass Sasuke dieses Erlebnis entdeckte. Und immerhin… war dieses nicht der Sonntag mit entschieden zu viel Scotch vor vielen Jahren, an dem er Lärm im Badezimmer gehört hatte. Gefolgt von: „Bah! Du bist nicht weniger Albino, wenn du das mit Zunge tust, verdammte Scheiße!“ [2] fin [1] Das ist ein Fakt, und wie wahr er ist, bestätigt dieses Bild. http://www.lovelessfai.deviantart.com/gallery/#/d30lw5d [2] Das Mysterium um Madaras ersten Kuss findet ein Ende. Nicht weiter verwunderlich, dass er Mito keine Details verraten hat. Und dass sie nicht gefragt hat. Kapitel 18: World Of Our Own ---------------------------- World Of Our Own Untertitel: Ein Nest sonstwo Der Song ‚World Of Our Own‘ von Westlife stammt aus 2001 (schon wieder Stilbruch) und war eigentlich für das Ende geplant. Wurde aber im Ranking von einem anderen verdrängt, obwohl die Band beim Schreiben oft läuft. Es ist peinlich, irgendwie, aber dieses Bekenntnis bin ich ihnen schuldig. Madara und eine Boygroup, Sie dürfen jetzt brechen. Enjoy! Itachi war noch versunken in das Geschehen einer Vormittagstalkshow, als es klingelte. Besuch zu dieser Tageszeit war nicht normal, und er spielte mit dem Gedanken, nicht hinzugehen. Es war Samstag, und in einer halben Stunde musste er zu Anko. Madara war nicht da. Vielleicht war er seit ihrer Trennung die ganze Zeit so beschäftigt gewesen, doch in jedem Fall war er jetzt häufig weg. Itachi störte sich nicht sonderlich daran; Madara hatte seine Gewohnheiten leicht geändert, gleichzeitig war er immer bereit, seine Abwesenheit wettzumachen. Itachi hatte für heute erwogen, etwas zu kochen – sein Talent war in dieser Hinsicht weiterhin eher begrenzt, dafür war es wenigstens nicht mehr negativ. Es war Anko gelungen, ihm ein paar Parallelen von Kochen und Biologie aufzuzeigen, seitdem war sein Repertoire etwas angewachsen. Und darüber hinaus würde es dann ein entspannter Abend werden. Sie würden etwas reden, etwas trinken, eventuell Sex haben… So was eben. Itachi sah nichts Schlimmes darin, wenn er seine Ansprüche geltend machte. Es klingelte wieder. Itachi riss seinen Blick von der Mattscheibe los, auf die er gestarrt hatte, ohne etwas davon wahrzunehmen. Besuch der hartnäckigen Sorte. Er stand auf und trottete hinüber zur Tür. Hoffentlich beeilte sich die Nervensäge, damit Itachi noch duschen konnte. Es war Juni und bereits flirrend heiß. In ein paar Tagen hatte er Geburtstag, und auch diesen Tag würde er sinnvoll verbringen. Wahrscheinlich im Schwimmbad, das hatte er seit der Grundschule nicht getan. Madara hatte keine Einwände dagegen gehabt, mit ihm zu kommen. Die Gewissheit fühlte sich an wie Zitroneneis in einer Waffel, dessen klebrige Süße noch Stunden später an den Fingern haftete. „Hi.“ Itachi war so überrascht, dass er im Türrahmen stehen blieb. „Izuna.“ Wenn sein verblüffter Tonfall verräterisch war, zeigte Izuna nicht, dass er es bemerkt hatte. Er hob grüßend die Hand und schielte diskret an Itachi vorbei. „Stör‘ ich?“ „Ich wollte gerade los“, murmelte Itachi und bejahte somit indirekt. Er hatte keine Ahnung, wann Madara zurückkommen würde – im schlimmsten Fall jetzt gleich, wie in einer Soap. Izuna hatte die Adresse wahrscheinlich von Mikoto, da Itachi sich nicht erinnern konnte, sie ihm genannt zu haben, aber ganz pauschal sah es so aus, als würde Itachi sein Versprechen brechen. Und das, bevor er Zeit gehabt hatte, sich zu überlegen, ob er das tun wollte. „Dauert nicht lang.“ Anscheinend kein reiner Höflichkeitsbesuch. Itachi hatte keine Ahnung, wie gut Izuna Madara kannte; da in der Wohnung überall Sachen herumlagen, die auf Madara hinwiesen, hielt er es für besser, den anderen gar nicht erst hereinzubitten, sondern sich sofort auf den Weg zu machen. Sie konnten hier nicht bleiben. „Warum bist du hier?“, fragte Itachi und bemühte sich, arglos zu klingen, während er in seine Schuhe schlüpfte und seine Tasche nahm. Beinahe hätte er sich umgesehen wie eine Ehefrau, die sich mit ihrem Hausfreund traf. „Es ist Wochenende“, erwiderte Izuna, als erklärte das alles. Anscheinend betreute er jetzt keine Kinder, was allerdings nicht erklärte, wieso er sich die Mühe machte, in eine andere Stadt zu kommen. Itachis Nummer hatte er, sie hatten mehrfach telefoniert. Itachi betete, dass Anko ihn nicht auffliegen lassen würde, wenn er zu früh bei ihr erschien. Er konnte einen Umweg nehmen, damit die Zeiten sich anglichen, aber er hatte die irrationale Angst, dass Madara das mitbekommen würde. Ihre derzeitige Harmonie – wenn man es so nennen wollte – basierte auf diesem Versprechen, und Itachi wollte kein neues Zerwürfnis. Darüber hinaus hatte er keine Ahnung, was Izuna wollen konnte. Sie hatten nicht wieder miteinander gesprochen, doch Izuna war nicht der Typ Mensch, den das beeindruckte. Wahrscheinlich war es ihm nicht mal aufgefallen, so lange währte die Funkstille noch nicht. Ein paar Minuten gingen sie schweigend. Itachi musterte Izuna aufmerksam. Er bildete sich ein, dass der andere auf irgendeine Weise bekümmert oder bedrückt wirkte, gleichsam so abwesend, dass es anscheinend nicht mit Itachi zusammenhing. Wie er auf diese Deutung kam, wusste er selbst nicht so ganz. Er kannte Izuna nicht so gut, dennoch kamen ihm bestimmte Züge seines Charakters bekannt vor. „Hast du dich mit deiner Freundin gestritten?“, erkundigte Itachi sich, als sie vor den Gleisen der U-Bahn warteten. Es war eine sehr allgemeine Frage, stellvertretend für all die Gründe, wegen denen man mies gelaunt war. Deshalb war Itachi erstaunt, als Izuna mit den Schultern zuckte, was in diesem Fall einer Bestätigung gleichkam. „Zum Glück sind wir nicht zusammengezogen. Das wär‘ scheiße jetzt.“ Dem konnte Itachi sich nur anschließen – sobald man zusammen wohnte, war das alles nicht mehr so einfach. „Ihr saht glücklich aus.“ Shizune hatte Izuna sogar auf seinen Ausflug begleitet, und Madara hatte ein paar verächtliche Bemerkungen über schnulzige Telefonate gemacht, bei denen angeblich sogar ein Pottwal kotzen würde. „Ich weiß.“ Izuna klang abweisend. „Sagen wir, die Aspekte familiärer Bindung sind bei uns etwas verschieden. Wir trennen uns spätestens nächste Woche.“ Er sprach darüber so nüchtern wie über das Wetter, auch wenn die düstere Falte zwischen seinen Brauen signalisierte, dass diese Gewissheit ihn plagte. Itachi sparte sich Fragen über die Länge ihrer Beziehung und Mitleidsbekundungen. Er schaute zu Izuna, als sie in die Bahn stiegen und sich nebeneinander auf die Sitzflächen setzten. Das scharfe Profil passte nicht ganz zu den vollen Lippen und dem mühsam gebändigten Haar. „Ich verstehe“, sagte Itachi schlicht und klappte seinen Rundfächer auf, um sich in der mittelmäßig klimatisierten Bahn etwas Luft zuzufächeln. Izuna nahm seine Worte mit einem kurzen Nicken hin, was allemal besser war als ein halbherziges Lächeln. „Deswegen bin ich nicht hier.“ Itachis Nackenhärchen stellten sich trotz der stehenden Wärme auf. Izuna sah ihn an und wartete, bis Itachi seinen Blick erwiderte. „Was ist jetzt mit Sasuke?“ Der Name hing beinahe greifbar in der Luft. Itachi blinzelte verständnislos. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ Seines Wissens würde sein Halbbruder demnächst regulär auf eine Grundschule gehen. Mikoto hatte angedeutet, dass es reizend wäre, wenn Itachi es einrichtete, zu seiner Aufnahme zu erscheinen, und er hatte zugestimmt. Die Bahn hielt, und sie standen auf. Da viele Menschen zusteigen wollten, beeilten sie sich, schnell hinauszukommen, sodass Izuna hinter Itachi war, als er entgegnete: „Ich will wissen, ob du es ernst mit ihm meinst.“ Itachi grinste trocken bei dieser Formulierung. „Er ist mein Bruder und keine Affäre.“ Izuna holte ihn ein, seine Miene war völlig ernst und gelassen. „Genau genommen warst du bis vor kurzem ein Fremder für ihn“, berichtigte er ohne Zurückhaltung und schob seine Hände in die Taschen. Itachi konnte ihm nicht einmal widersprechen, und er versuchte es auch nicht. Als kein Protest kam, fuhr Izuna fort: „Er ist noch ein Kind, für ihn ist jeder, der ihn fallen lässt, egal wie kurz, gegen ihn. Und ausgerechnet du, der bei keiner Prüfung durchgefallen ist und ihm durch dein Alter so viel voraus hast… Wenn du keine Lust hast, dir das aufzubürden, lass es besser.“ Im Grunde war nichts Unvernünftiges an Izunas Worten, doch sie reizten Itachi. Schloss Izuna von seinem Fall auf andere? Oder war er sowieso überzeugt, dass Itachi zu sehr auf sich selbst fixiert war, um sich um Sasuke zu kümmern? Itachi hatte nicht den Eindruck, dass er so viel Bedeutung für den Jungen hatte. Während den Telefonaten mit Mikoto hatte sie Sasuke hin und wieder geholt, damit sie sich ein wenig unterhielten. Der Ausflug hatte Sasuke um viele schöne neue Schimpfwörter bereichert, doch wenn ihm etwas unheimlich gewesen war, hatte er immer Izunas Hand festgehalten. Darüber hinaus verlockte es Itachi tatsächlich nicht so sehr, auf ein Kind aufzupassen, das nur zur Hälfte mit ihm verwandt war und in einer Stadt lebte, die einige Zugstunden von seinem Wohnort entfernt war. Itachi bezwang die Versuchung, etwas Schnippisches zu antworten. Mittlerweile waren sie fast bei Ankos Café angelangt. „Wenn du mich darum bitten wolltest, ihn in Ruhe zu lassen, wärst du nicht persönlich gekommen.“ Auch, wenn Izuna offenbar keine Hoffnung in seine Beziehung setzte und deshalb lieber auf Abstand ging. „Dann wollte ich wohl das Gegenteil.“ Izuna zog die Augenbrauen hoch. „Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass es besser ist, mit einem großen Bruder aufzuwachsen als ohne.“ Itachi brummte etwas und lächelte letztlich doch. „Ich bin mir nicht sicher, ob man das vergleichen kann.“ „Du vergisst, dass Mad-…“ Izuna stoppte mitten im Satz, als sie das Café betraten, dessen Deckenventilatoren hektisch rotierten. Itachi warf ihm einen neugierigen Blick zu, bevor er nachsah, was Izuna seine Stimme geraubt hatte. Es kam ihm wie ein Déjà-vu vor, dass er plötzlich in denselben Ausdruck von bewundernder Fassungslosigkeit starrte. Anko hielt ein Tablett mit leeren Eisbechern in den Händen, wenn man allerdings nach ihrer Miene ging, hatte sie das längst vergessen. Itachi hatte das Gefühl, Zeuge eines Hollywood-Klischees zu werden. Vermutlich sollte er in Ehrfurcht erbleichen, aber für solche Albernheiten war es zu heiß. Und er konnte nicht glauben, was ihm hier passierte. Er machte einen Schritt vor, als weder Anko noch Izuna sich bewegten, und zog seiner Chefin das Tablett aus den Händen, bevor sie es fallen ließ. „Ich nehm’s mit in die Küche.“ Er erwartete nicht, dass einer von beiden ihn überhaupt gehört hatte. Funny how life can be so surprising I’m just realizing what you do Erst lächelte sie noch, doch als Madara vorgetragen hatte, was er von ihr wollte, erstarrte das Gesicht der jungen Frau zu einer unfreundlichen Grimasse. Wenn es nicht um Geld ginge, hätte sie sich höchstwahrscheinlich einfach geweigert. Frauen waren so. Wenn sie mal endlich die Initiative ergreifen sollten, verließ sie gleich der Mut und sie brauchten männliche Unterstützung, und dann wunderten sie sich noch, dass man sie das schwache Geschlecht nannte. Nachdem Madara diese antifeministischen Unfreundlichkeiten vom Stapel gelassen hatte, ging es ihm gleich besser. Er besaß sogar die Dreistigkeit, der Dame noch mal triumphierend zuzulächeln und sich mit geübtem Charme durch sein schwarzes Haar zu fahren. Scheiße, war das ungewohnt. Und zwar nicht das Anlächeln von Frauen. Vielleicht sollte er es vorher noch an Itachi erproben, der reagierte auf Veränderungen immer amüsant. Wie neulich, als Madara ihn auf seine liebenswert-subtile Art darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sein frigider Kern offenbar ins Tauen gekommen war. Denkwürdig schließlich, dass Itachi es mit seiner inneren Iron Lady vereinbaren konnte, kurze Hosen zu tragen, die tatsächlich oberhalb der Knie endeten. Regelrecht skandalös, und Madara gefiel es ausnehmend gut. So war er nicht auf das Bild gefasst, das sich ihm präsentierte – und dass es ausgerechnet seinen Bruder einschloss, der mit der ergebenen Miene eines kompletten Idioten auf seinem Stuhl herumkippelte und die Bedienung angaffte. Es war ein ziemlich schräger Zufall, dass Izuna hier war, um nicht zu sagen, Madara hielt es keine Sekunde für einen Zufall. Izzy wollte sich wohl nicht an die Revierabsteckung halten… Dann würde er sehen, was er davon hatte. Und Itachi war danach dran. Izuna bemerkte ihn erst, als er sich ihm gegenüber in der Sitzecke fallen ließ und den Blick auf die Frau blockierte. Madara hatte sie nur flüchtig gemustert. Ihr forscher Blick hatte etwas, aber sie reizte nicht auf dieselbe Weise die Fantasie wie Itachi. Oder wie Mito. Madara hatte nicht tatsächlich an seine Exfreundin, vielmehr Hashiramas zukünftige First Lady, gedacht, doch ihm war aufgefallen, dass es reichlich seltsam war, einen Mann und eine Frau so vergleichen zu wollen. Lag nur an diesen dämlichen Uniformen. „Hast du sie gesehen?“ Izunas Stimme überschlug sich fast, seine Augen waren weit geöffnet und glänzten. Er überging einfach den säuberlichen, mit Sarkasmus gespickten Sicherheitsabstand, den sie zueinander aufgebaut hatten, und das nur, weil er diesen menschlichen Drang hatte, etwas Unglaubliches sofort mitteilen zu müssen. Na schön. Aber das war bloß eine Kellnerin, deren Arsch schon bessere Tage gesehen hatte. Das war glatt übertrieben. Trotzdem brachte Madara es nicht über sich, Izuna einfach zu ignorieren. Sie waren bloß ein Jahr auseinander, dennoch war Izuna der immer Kleinere, immer derjenige, der im Notfall (und das hier war offenbar einer) beraten wurde. Der Rat war in den allermeisten Fällen absoluter Scheiß, aber wenn man etwas abwog, war es immer gut zu wissen, was definitiv falsch war. „Die ist mindestens zehn Jahre älter als du“, erwiderte Madara brüsk und gähnte. Die Hitze war anstrengend, allerdings war sie besser als der Winter. „Und Itachi ist mindestens zehn Jahre jünger als du“, konterte Izuna abwesend. Anscheinend hatte sich seine Neuronalaktivität noch nicht ganz abgeschaltet, auch wenn der Bemerkung die Schärfe fehlte. Und warum? Weil die Porzellannymphe eine Münze hatte fallen lassen und sich danach bückte. Na klar. Madara fühlte sich heute von Zufällen verfolgt. „Hattest du nicht letztes Mal noch 'ne andere, so 'ne geblümte Trockenritze?“ Izuna war anständig genug, um sich von dem Anblick der Kehrseite loszureißen und seinen Bruder drohend anzufunkeln. „So war das nicht.“ „Ach ja? Sie sah aus, als wartete sie nur darauf, ihre Eierstöcke für dich zu aktivieren.“ „Halt die Schnauze!“, knurrte Izuna und büßte seine rosige Verliebtheit schlagartig ein. „Und im Übrigen ist das nicht drin, wie du weißt.“ „Ich weiß…? Oh.“ Mehr fiel Madara in diesem Moment nicht ein. Die Vermutung, dass Izuna steril war, hatte es schon in seiner Jugend gegeben, und offenbar hatte er es nachprüfen lassen. Es nahm Madara effektiv den Wind aus den Segeln. Anders als er fand Izuna Blagen mysteriöserweise toll und wollte sie sich tatsächlich aufbürden. Seine wenig professionelle Freundschaft zu Itachis kleinem Bruder machte mehr Sinn. Der düstere Ausdruck schwand wieder, als die Frau zu ihnen an den Tisch trat. Sie schien es eher als Vorwand zu betrachten, und Madara starrte sie an. Er glaubte nicht, dass er mit zehn Jahren so danebenlag, und wunderschön war sie auch nicht gerade. Eher Modell robust und kräftig, und ihre Bluse war zu eng, sodass sich die Umrisse ihres BHs abzeichneten. Eine Venus sah anders aus, doch Ähnlichkeiten zwischen ihr und dem Mädchen mit dem Schwein bestanden nicht. Madara wusste, dass Izuna ihn umbringen würde, wenn er in Gegenwart dieser Wuchtbrumme von einer anderen sprach. „Möchtet ihr noch was?“ Die Frau richtete sich zwar verbal an sie beide, ihre Aufmerksamkeit ruhte jedoch allein auf Izuna. Er grinste sie auf eine Weise an, die Madara nur als dümmlich bezeichnen konnte. Er wohnte diesem Balzritual bei für – für was bitte?! „Da bist du ja. Hilf mir endlich.“ Itachis knappe Anweisung bohrte sich wie eine Nadel durch die rosarote Watte, als die Frau sich auf den verbleibenden Stuhl sinken ließ, ihre eigentliche Tätigkeit schien sie völlig vergessen zu haben. Eine heiße, leicht klebrige Hand schloss sich erstaunlich fest um Madaras Arm und zog ihn hoch. Itachis ganze Haltung drückte die ärgerliche Verwirrung aus, die Madara selbst empfand. Bei ihm lag das vermutlich eher daran, dass die ganze Arbeit eines summenden Cafés jetzt bei ihm lag. Noch lange kein Grund, so zu tun, als sei Madara zum Helfen hier, nur damit Izuna sein Sexualleben für die nächsten Monate arrangieren konnte. Definitiv abgelehnt. „Was wird das dahinten?!“ „Muss ich dir das wirklich erklären?“ Irritiert wischte Itachi sich über den Nacken und musterte ihn genauer. Klar, der Überraschungseffekt war jetzt ruiniert, wer rechnete denn schon mit diesem akuten Querfeuer von Hormonen? Madara schaute lieber nicht hinter sich. „Was ist denn mit deinen Haaren passiert?“ We got a little world of our own I’ll tell you things that no one else knows I let you in where no one else goes What am I doing without you? Madara schmunzelte. „Der Weg alles Irdischen.“ Itachi verzog ungläubig das Gesicht und legte den Kopf schief, bevor er die Hand hob und seine Finger durch das biestige, schwarze Haar fahren ließ. Etwas unterhalb des Nackens wurden die unbändigen Ranken schmaler und endeten schließlich. „Du hast es abschneiden lassen.“ Itachi klang überrascht und enttäuscht zugleich. Trotzdem tasteten seine Finger neugierig über die zurechtgestutzten Spitzen, rieben sie zwischeneinander und strichen sie danach wieder glatt. Seine Art der Untersuchung hatte etwas Neutrales, trotzdem hätte Madara nicht geduldet, dass jemand anders einfach dort herumfuhrwerkte. Itachi zog seine Hand zurück und lächelte vage, sodass man es eher an seinen Augen sah als auf seinen Lippen. Dann machte der Ausdruck wieder der üblichen undurchdringlichen Miene Platz. „Weißt du, wie man eine Kaffeemaschine bedient?“ „Ja. Na und? Dazu bin ich nicht gekommen“, brummte Madara und erwiderte vernichtend den Blick eines älteren Mannes, der ihn erwartungsvoll angestarrt hatte, bis dieser es endlich sein ließ. Er war nicht dazu da, sich von Leuten anzuhören, warum sie bei diesen Temperaturen einen Kaffee wollten, oder zu warten, bis sie ihr Kleingeld abgezählt hatten. „Wofür bist du denn gekommen?“ In Itachis Stimme schlich sich tatsächlich ein Hauch Spott, als er sich abwandte, um sich der Bestellung des Mannes anzunehmen. Obwohl das Café vollgestopft war, erweckte er nicht den Anschein von Hektik, welcher die Menschen allgemein darin bestärkte, dass sie das Recht zum Beschweren hatten. „Schnelle Nummer in der Küche?“, warf Madara ein, als Itachi wieder an ihm vorbeiging. Der hoffnungsvolle Tonfall überließ es dem Empfänger, ob der Vorschlag ernst gemeint war oder nicht. „Die hat keine Tür.“ Itachi stopfte ein paar Eiskugeln in ein hohes Glas und goss Orangensaft darüber, dabei sah er in die Richtung der kleinen Spülküche, abgetrennt nur durch einen Vorhang aus bunten Schnüren, der sich sanft wiegte. Madara warf einen beiläufigen Blick auf Izuna, der seine komische pummelige Venus mit irgendeinem Scherz zum Lachen gebracht hatte. Wie kitschig und falsch konnte das Leben werden? „Nachdem du schon den Briefschlitz überwunden hast, dachte ich, es wird Zeit für eine neue Herausforderung?“ Itachis Lippen zuckten, als er sich ein Lächeln nicht ganz rechtzeitig zu verkneifen schien. Es war typisch für ihn, dennoch rief es in Madara jäh das Gefühl wach, nicht über das reden zu wollen, über das er eigentlich reden musste. Er schob nichts auf – er wusste, dass das keinen Sinn hatte. „Bist du wegen Izuna hier?“ Itachi lud Getränke auf sein Tablett und ließ Madara an der Theke zurück, um damit unweigerlich eine Gesprächspause einzuleiten. Sicherlich nicht. Er hatte nicht mal gewusst, dass seine reizende Miniaturausgabe sich überhaupt in dieser Stadt aufhielt, noch hatte er den Wunsch, dieser beim Brunftverhalten zuzuschauen. Eigentlich sollte dieses Café wegen dem Hormon-Hurrikan geschlossen werden, wenigstens heute, aber man wollte ja keine Kinder erschrecken. Wenigstens war dieses dicke Schlachtschiff endlich aufgestanden, um sich, wenn auch zögernd, wieder an ihre Arbeit zu machen. Madara wiederholte seine frauenfeindlichen Nettigkeiten und fügte ihnen hinzu, dass bei dieser abgetakelten Fregatte offenbar das Steuerruder lose war. Und der Anker war wohl schon vor Jahren etwas ins Sacken gekommen. Ha-ha. „Nein, bin ich nicht“, knurrte Madara und würdigte Izuna keines Blickes. Itachi stellte leere Gläser ab und wischte sich die Finger an einem Geschirrtuch ab. Leider zeigte er sich heute nicht besonders fürsorglich und schaute stattdessen an Madaras Stelle in die Sitzecke. Madara mochte den verständnisvollen Ausdruck gar nicht, mit dem Itachi seinen Izzy bedachte. Na schön, sie war vielleicht eine Wuchtbrumme, aber was war so sexy an diesem Weib, dass man dafür ein schweigendes Übereinkommen brauchte?! Seine Finger bohrten sich unvermittelt in den Stoff von Itachis T-Shirt, wanden es fest um seine Knöchel, als Madara sich vorlehnte. Ruppig presste er seine Lippen auf Itachis, gerade lange genug, um die Mischung aus Schweiß, Eiswaffeln und Leitungswasser zu schmecken und zu spüren, wie dieses gewisse ‚Oh‘ durch den Körper des anderen ging. Itachi atmete aus, als Madara ihn losließ, und trat von der Kante der Theke zurück, die sich bis vorhin genau unter seinem Rippenkäfig in die Haut gebohrt hatte. Allerdings war ihm das wahrscheinlich nicht aufgefallen. Zwei Mädchen im Teenage-Alter starrten sie sprachlos von der Seite an und kicherten dann ekstatisch, eine Dritte zog eine Grimasse. Wenn sie dachten, dass sie am Set von einem neuen Notting Hill gelandet waren und deswegen dasselbe bei Itachi abziehen durften, musste Madara ihre Zuckerwattenhirne leider vertrösten, indem er ihnen ein unmissverständliches „Verzieht euch“ zuraunzte. Itachi rieb sich die Magengrube. „Ich würde es vorziehen, wenn du das nicht hier tätest.“ Wobei er nicht genau sagte, ob sich das auf den Kuss bezog oder die Unhöflichkeiten gegenüber Kunden. „Lass dich nicht ablenken, dann können wir über die Örtlichkeiten verhandeln“, erwiderte Madara seidenweich. Ihm entging nicht, dass Itachis Zunge flüchtig über seine Lippen huschte, bevor er seufzte und Gläser auszuspülen begann. „Ablenken wovon?“ „Kennen die sich?“ Wäre irgendwie beruhigender, wenn Izuna einfach ein Arsch war und zweigleisig fuhr. Wenigstens hatte sein verträumter Gesichtsausdruck im Bezug auf diese Amazone da eine gewisse Berechtigung. „Nicht, soweit ich weiß.“ Itachi kratzte sich kurz am Ohrläppchen. „Ihr Sohn geht in einen Kindergarten hier in der Gegend.“ Sein Tonfall besagte deutlich, dass er keine Lust zum Tratschen hatte, doch Madara ignorierte das, als er sich vorbeugte. „Sie hat Kinder?!“ „Eins.“ Verdammte Scheiße. Wenn der bittere Tonfall vorhin irgendetwas zu bedeuten hatte, hieß es, dass man Izuna nicht mit kleinen Kaninchen oder Kätzchen ins dunkle Auto lockte, sondern mit Kindern. Warum auch immer dieser Idiot da eine Verbindung herstellen konnte. „Wie alt?“, erkundigte Madara sich und rieb sich die Stirn. So was war der Stoff, aus dem Kopfschmerzen waren. „Fünf.“ Itachi schmunzelte einen Moment. „Aber entschieden präpubertär.“ Verdammte Scheiße, die Zweite. Das waren immer die Interessanten, zumal die Uchiha-Brüder auch recht früh in die Pubertät gekommen waren und das Wiedererkennungspotenzial somit unerwünscht hoch war. Und zudem kotzte es ihn an, dass Itachi solche Sachen wusste, immerhin arbeitete er noch nicht so lange hier. Und man konnte ihn wirklich nicht als übermäßig kommunikativ beschreiben. Itachi las seine düstere Miene offenbar. Er schaute ihn an, wieder ernsthaft, und widmete sich wieder den Gläsern. Kurz griff er in den kleinen Kühlschrank unter der Spüle und zog eine orangefarbene Palette mit Eiswürfeln heraus, die er mit geübter Brutalität auf die Anrichte schlug und einen der herausschlitternden Eiswürfel einfing. Er warf ihn auf eine Untertasse und reichte sie Madara, bevor er die restlichen einsammelte, die Palette zurückstellte und mit dem Spülen fortfuhr. Nicht besonders tröstend, er hatte Madara nicht mal angesehen, geschweige denn gelächelt. Es war eine eigenartige Gegebenheit, dass Itachi nicht erwartete, bestätigt oder belohnt zu werden, wenn er so eine Geste benutzte. Tatsächlich tat er so, als sei nichts gewesen. Madara schob sich wortlos den Eiswürfel in den Mund und schob ihn hin und her, schrammte mit den Zähnen über die knirschende Oberfläche. Gott sei Dank war Itachi also nicht wesentlich anders. You make me feel funny When you come around Yeah that’s what I found out, honey What am I doing without you? „Also?“ Izuna war weg – Madara hatte nicht aufgepasst, wann genau. Er hatte sich dazu bringen lassen, etwas aufzuschieben, das war mies genug. Itachis komische Chefin schwebte jetzt mit diesem entrückten Blick herum, und der Eiswürfel in seinem Mund schmolz rasch, erstickte ihn fast mit Tauwasser. „Ich kann an deinem Geburtstag nicht.“ Itachi hob den Kopf. Er wirkte enttäuscht, auf eine kontrollierte, nicht überraschte Art. Madara wollte für ihn nicht hoffen, dass er wirklich mit dieser Absage gerechnet hatte. So oder so schien es, als habe der andere sich längst damit abgefunden. Das hieß, sie würden jetzt definitiv nicht über die Gründe sprechen. Itachis nüchterne Attitüde fragte ja nicht nach, also nutzte Madara das aus. „Ich nehme an, du wirst gar nicht hier sein?“ Itachi nahm sein Tablett als unmissverständliches Zeichen, dass er keine Zeit zum Reden mehr hatte. Heute Abend würde er vielleicht schmollen oder so tun, als hätte er es vergessen – die Wahrscheinlichkeit, dass er genauer nachfragte, war eher gering. Das klang ja, als wollte er, dass Itachi sich in sein Leben einmischte. Diese Grenzen hielten sie sorgfältig ein – es war irgendetwas da, aber es war nicht wichtig genug, um in der Priorität hochgestuft zu werden. Madara schüttelte den Kopf im Sinn einer Verneinung und trat von der Theke zurück. Diese nervtötende Teenagergruppe näherte sich schon wieder, zum zweiten Versuch von Was-auch-immer, und es war leicht zu glauben, dass er sie wirklich nur ein zweites Mal erschrecken wollte, als er die Hand nach Itachis ausstreckte und sein Handgelenk drehte, es gegen seine Lippen drückte, kurz und heiß, sodass er das Pulsieren der Adern fühlen konnte. Die Reserviertheit in Itachis Miene vertiefte sich und verriet Madara alles, was er wissen musste. Er schmunzelte und lehnte sich vor, die Mädchen kicherten. „Aber er ist mein Bruder“, raunte er und ließ los, ließ seine so unspektakuläre Enthüllung einwirken, bevor er sich abwandte. You make me feel happy When I leave you behind It plays on my mind, now honey Es war nicht ganz der Geburtstag, mit dem Itachi dieses Jahr gerechnet hatte. Es war eine Sache, dass er ihn nicht so verbrachte, wie er es sich eigentlich erhofft hatte, mit einem Tag im Freibad, bei dem die Augen vom Chlor brannten und man die ganze Zeit ungesundes Zeug aß und vom Rand ins Becken sprang. Ein Geburtstag wie ein Ferientag in der Grundschule. Es war eine andere Sache, dass er ihn so verbrachte, wie er es nicht gewollt hatte. Geburtstage waren seit der Scheidung seiner Eltern eher Itachis Privatsache. Meistens schaffte sein Vater es nicht, sich rechtzeitig freizunehmen, oder er wurde kurzfristig noch mal gebraucht, und seine Mutter beschränkte sich auf ein längeres Telefonat. Beide holten es in den folgenden Wochen irgendwie nach, diese glorreiche Durchtrennung einer Nabelschnur zu feiern. Itachi störte sich nicht daran. Aber dieses Jahr war alles anders – dieses Jahr waren sie offenbar beide entschlossen, ihm als Erstgeborenen die richtige Achtung zu erweisen. Einem Erwachsenen Nestwärme zu geben und in alten Erinnerungen zu schwelgen. Schön. Leider hatten Geburtstage in den meisten Fällen die Angewohnheit, an einem Tag zu sein. Und Mikoto zudem so reizend gewesen war, Sasuke mitzubringen. Mit seinen Eltern und seinem Halbbruder hätte die Situation kaum unbehaglicher sein können, fand Itachi. Er hatte den ganzen Tag in einem Spagat von Aufmerksamkeitsverteilung verbracht, möglichst ohne Izunas Warnung dabei zu vernachlässigen, und hatte sich gewünscht, ihnen ihre Geschenke als Bestechung zurückgeben zu können, damit sie endlich wieder gingen. Eine Weile hatte er seinen Eltern zugesehen, wie sie unter einem Sonnenschirm saßen und Limonade tranken, ohne sich dabei anzusehen. In diesem Moment hatte er zum ersten Mal den Wunsch gehabt, Mikotos Mann – strenggenommen seinem Stiefvater – ein Brett mit rostigen Nägeln über den Kopf zu donnern. Eine höhere Macht oder einfach Gott beobachtete diesen schändlichen Gedanken und strafte Itachi sofort dafür, indem Sasuke als ein menschlicher Torpedo aus der Rutsche schoss und seinen älteren Bruder einfach umriss wie einen Pin beim Kegeln. Itachi schluckte einen gefühlten halben Liter Chlorwasser mit Mund und Nase und musste sich das dümmliche Grinsen von spielenden Kindern gefallen lassen. Allerdings war Sasukes Lachen in gewisser Weise entschädigend. Wie jedes gesunde Kind fand er es brüllend komisch, wenn man sich wehtat. Kisame zollte ihm für diesen durchwachsenen Start in sein zweiundzwanzigstes Lebensjahr ein Schulterklopfen und ein Grinsen. Und eine Bemerkung, er sei selbst schuld, wenn er zu beliebt wäre. Das war hinderlich, wenn man sich selbst in Ruhe bemitleiden wollte. Madara kehrte am zehnten Juni zurück, hieß, einen Tag nach Itachis Geburtstag. Ob er gut gelaunt war, war schwer zu sagen, doch er wirkte in jedem Fall zufrieden. Damit war er ganz anders als Anko, wie zwischen Stress und Entspannung schwankte, und das so heftig und vielschichtig, dass Itachi sich fragte, was sie in ihrem Leben schon mitgemacht haben musste, um so ein Wechselbad zu erleben. Man wurde schließlich nicht so hysterisch, wenn man nicht definitiv wusste, was alles schief gehen konnte. Izuna schien ohne viel Federlesen mit seiner Freundin Schluss gemacht zu haben – wie auch immer man das bewertete. Itachi hatte für die nächsten Monate keine Lust mehr, sich in das Leben anderer Menschen einzumischen, er würde sich ganz auf sich beschränken. Madara irgendwie ausgenommen, denn der Kerl war einfach in derselben Wohnung. Und in seinem-… Nein, wie kitschig! And all of the things I’ve been looking for Have always been here outside of my door And all of the time I’m looking for something new „Warum hast du mir so spät gesagt, dass er dein Bruder ist?“ Madara sah vom Bildschirm seines Zimmerfernsehers auf und zog die Augenbrauen hoch, noch bevor er seinem Türrahmen einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte. Er hatte das Fenster aufgelassen, sodass drückende Abendhitze hineinsickerte, und Itachi erwog, wie viel es wert war, wenn die Klimaanlage in diesem Zimmer ausfiel und den Bewohner dazu zwang, in der Badewanne zu übernachten, Itachi jedoch an den Reparaturkosten beteiligt wurde. Er kam zu dem Entschluss, dass es sich nicht lohnte, und marschierte durch das Zimmer, um das Fenster zu schließen, wobei er sich bei der allgemeinen Unordnung nicht viel Mühe gab, nicht auf herumliegende Gegenstände oder Madara zu treten. „Ich wusste ja, dass du dich wie’n Weib aufführen würdest deswegen – es ist nicht so, als wäre er mein uneheliches Kind oder so“, erwiderte Madara gereizt. Was der Grund für diese Stimmung war, wusste Itachi nicht genau, vielleicht lag es daran, dass er seine Hand wegziehen musste, damit Itachi nicht drauftrat. Oder er war schlecht drauf, wofür sich wiederum unzählige Ursachen suchen und finden ließen. „Wieso ist so was weiblich?“, fragte Itachi nüchtern und schob den Riegel vor das Fenster. Der Himmel war strahlend blau, und imposante weiße Wolkenberge türmten sich auf. Es wäre wünschenswert, wenn das Gewitter sich auflöste oder einfach vorbeizog. Madara verschränkte die Arme hinter dem Kopf, zufrieden auf dem Teppich ausgestreckt. „Du lässt dich immerhin ficken wie eine Frau.“ Itachi verengte die Augen und spürte das jähe Aufwallen von Zorn über diese abfällige Bemerkung. Es war nur diese Delle in seinem Verstand, die ihn innehalten ließ – Madara musste sie dort hineingekloppt haben, seit sie sich kannten, mindestens aber seit den letzten Monaten. Es störte den flüssigen Ablauf, den Zorn hatte. Es war eine Äußerung, von der Madara genau wusste, dass Itachi wütend deshalb werden würde, das Gespräch lenkte sich in andere Bahnen. Offenbar wollte er nicht von Izuna sprechen – jemandem, von dem Itachi gewusst hatte, ohne dass er ihn hätte zuordnen können. Er warf dem Wolkenberg einen letzten Blick zu, dann setzte er sich neben Madara auf den Teppich und überkreuzte die Beine. „Ihr seht euch nicht ähnlich.“ „Wir waren uns auch nicht besonders sicher, ob wir denselben Vater haben.“ Itachi zog die Augenbrauen hoch und zuckte über die Fifty-Fifty-Chance, dass das die Wahrheit war, mit den Schultern. „Eigentlich schon.“ „Hm?“ „Ihr seid ähnlich.“ Izuna hatte seine nette Freundin mit derselben Kompromisslosigkeit abgeschossen, wie ein Vogel sein Nest zurückließ, wenn es ihm nicht mehr sicher erschien. Itachi zweifelte nicht daran, dass Madara genauso war – bei allen Übereinstimmungen war das die eine, die ihm nicht behagte, auch wenn sie ihn nicht überraschen konnte. Madara hatte nicht verraten, was er gestern zu tun gehabt hatte, keine begütigende Erklärung geliefert, warum er ihre Pläne gecancelt hatte. Und es war unwahrscheinlich, dass er sich dazu bringen ließ. Oder hatte Izuna Shizune verraten, warum er mit ihr Schluss machte? So brutal ehrlich, dass es eine Frau gab, die ihn ungleich mehr faszinierte, obwohl sie älter war, nachlässig mit ihrer Kleidung umging und sofort tobte, wenn etwas nicht funktionierte? Konan hätte gewusst, mit wem man sympathisieren sollte. Itachi nahm sich vor, sich zumindest wieder zu melden. Kisame hatte Recht, es hatte keinen Sinn, in zu vielen Töpfen zu rühren, nur weil man es konnte. Und er hatte sich zu sehr abgesondert. Etwas Warmes streifte seine Ohrmuschel und das feine Haar seitlich des Jochbeins. Itachi fuhr nicht zusammen, doch er versteifte sich, bevor feuchtwarmer Atem auf seine Haut rieselte. Itachi blinzelte langsam und sah Madara an, der sich neben ihm aufgerichtet hatte und ihn mit so etwas wie Belustigung anfunkelte. „So schlimm?“ Der Spott war nicht zu überhören, gleichzeitig gelang Madara die milde besorgte Miene eines Softporno-Lovers, der gleich mit Plattitüden wie ‚Ich küss den Schmerz weg, Cherie‘ um sich werfen würde. Gelegentlich fragte Itachi sich, ob der Kerl nicht doch eine Persönlichkeitsstörung pflegte. „Zwei von deiner Sorte?“ Itachi schnaubte abgehackt. „Schlimm ist untertrieben.“ „Ach so?“ Diesmal fühlte er Madaras Lippen seitlich seines Unterkiefers, dann an der Unterkante. Seine Zungenspitze streifte beharrlich die Haut, bevor sein Mund sich unvermittelt über dem Halsansatz schloss und daran saugte. Itachi seufzte gedämpft. Das war eine weitere Art, wie Madara versuchte, ihn zu manipulieren… Durchsichtiger und schwerer zu überwinden als die Erste. Der Nachrichtensprecher im Fernsehen schaute sie mahnend und teilnahmsvoll zugleich an, als Itachi eine Hand hob, um Madara ohne echten Nachdruck wegzuschieben, und stutzte, als er auf die ungewohnte Kürze in dessen Haar traf. „Hast du sie abgeschnitten… weil du anders sein wolltest als…“ Itachi kniff die Augen zusammen, um den geistesabwesenden Tonfall aus seiner Stimme zu verbannen. Ein Eckzahn stach gegen einen seiner Muskelstränge und ließ ihn zucken. „… als Izuna?“ Er spürte Madaras Lächeln, wieder dieser eigentümliche, undeutbare Ton. „Kann sein.“ Took for granted everything we had As if I’d find someone Who’s just like you Das weiche Pochen seines eigenen Blutes ließ Itachi ahnen, dass er Madara Einhalt gebieten sollte, wenn er morgen nicht irgendwelche peinlichen Erklärungen erfinden wollte. Bei diesen Temperaturen würde er sicher keinen Schal tragen. Der Geist ist willig, und das Fleisch stellt sich taub. „Ist etwas zwischen euch schief gelaufen?“ Madara grinste erneut und rollte eine kleine Hautfalte an der Halsbeuge zwischen den Zähnen, bis Itachi scharf die Luft einsog. „So könnte man es sagen.“ Itachi zog frustriert die Augenbrauen zusammen. „Kannst du nicht klar mit Ja oder Nein antworten?“ Diesmal war Madaras Belustigung ein kleiner Stoß Atemluft, als er auflachte. Itachi schauderte. „Weil das kürzer ist?“ „Du willst also nicht darüber reden.“ Itachi versuchte es anders. „Wieso interessiert dich das? Du wolltest dich eh von ihm fernhalten.“ Diesmal lauerte ein spitzer Unterton in Madaras Stimme, und Itachis Finger krümmten sich um die frisch geschnittenen Haarspitzen. „Es sieht nicht so aus, als wäre das in Zukunft möglich. Und du hast die angenehme Angewohnheit, mich in solche Sachen reinzuziehen.“ „Das Essen mit Hashirama war deine Idee“, erwiderte Madara unbeeindruckt und senkte seine Lippen wieder auf einen Punkt an Itachis Hals, diesmal in seinem seitlichen Nacken. Er schob den halb aufgelösten Zopf dafür beiseite, Itachi legte instinktiv den Kopf schief. Die Wetterkarte auf dem Bildschirm wurde dadurch schräg, ohne dass es ihn störte. „Die Summe unseres Zusammenlebens besteht aus etwas mehr.“ Diesmal achtete Itachi besser auf seine Worte. Seine Glieder fühlten sich schwer und warm an, sie kribbelten erwartungsvoll, doch sein Verstand blieb wach. Er war vorsichtig. Madara sagte nur: „Wahrscheinlich.“ „Gut. Ich gehe Hausaufgaben machen.“ „Später.“ Wie zum Beweis presste Madara seine Zunge nachdrücklicher gegen einen Punkt, wo Itachis dunkles Haar sich durch die Haut bohrte. Sein Atem stockte kurz, er ertappte sich bei der Frage, ob sein Aufsatz wirklich so dringend war, dass er ihn nicht morgen schreiben konnte. Er hatte es verdient, sich zu erholen, nach diesem Geburtstag, diesem verqueren Tag… „Nein.“ Itachi zog seine Hand aus Madaras Haarspitzen und stellte erstaunt fest, dass der Fernsehbildschirm schwarz war. Wann hatte der andere das abgeschaltet? Reizend, dass er im Hintergrund nicht die Sportnachrichten laufen lassen wollte, aber nicht reizend genug. Itachi fühlte sich grimmig bestätigt, sein Hals prickelte taub und angenehm. „Wieso nicht? Wenigstens bin ich nett zu dir“, bemerkte Madara, ohne sich abhalten zu lassen, seine Lippen geisterten erneut über den seitlichen Nacken. „Du klingst wie ein Zuhälter“, brummte Itachi und zuckte mit der Schulter, um sich Madara zu entziehen und aufzustehen. Madara sah ihm zu und riss ihn mit einem nicht allzu sanften Ruck wieder zurück, sobald Itachi halb oben war. Sein Steißbein schmerzte trotz des Teppichs, und diesmal fiel sein Blick deutlich abwehrender aus. „Nein“, wiederholte er deutlich und schob Madaras Hand von seinem Hosenbund, wo dieser ihn festgehalten hatte. Madara lächelte bloß und zog das Band aus Itachis Haar, befreite es mit einem weiteren Ruck aus den ungekämmten Strähnen. Es ziepte auf der Kopfhaut, sodass Itachi zischte, noch während eine Hand sich an seine Wange legte – im Nachhinein betrachtet war es untypisch für Madara, das zu tun. In diesem Moment brodelte der Zorn in ihm hoch, den er vorhin beiseite geschoben hatte, stärker und sprunghafter. Es überraschte Itachi selbst, und noch mehr verwirrte es ihn. „Nein!“, stieß er hervor und schlug die Hand weg, fast hätte er dabei ausgeholt. Madara presste seine Hand auf den Teppich, bis die Finger taub wurden. Die Aufruhr schien ihn nicht zu beteiligen, das hieß nicht, dass er sie nicht bemerkte. Er lächelte langsam, bis Itachi seine wütende Anspannung verlor. „Doch.“ Itachi tastete behutsam nach seinem Hals, seinem Nacken, atmete tief durch. Noch hielt dieses dumme Nest. Mehr musste er gerade nicht wissen. Praying that somehow You will understand the way It’s feeling right now, baby somehow I won’t let this slip away fin PS: Wechsel in der Perspektive?! Ging aber leider nicht anders. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)