Dienen von Foe (Glaube, Liebe, Tod) ================================================================================ Kapitel 8: Lügenmärchen ----------------------- Entgegen meiner Erwartungen kehrten wir erst in den frühen Morgenstunden zurück. Es war wirklich erstaunlich, wenn man bedachte, dass dieser Mann von Tamaki verachtet wurde. Allerdings bezweifelte ich nicht, dass es Mios Gesellschaft gewesen war, die er genossen hatte. Ich musste gestehen, dass ich ebenfalls beide ziemlich interessant fand. Besonders Mio hatte zu meinem Erstaunen viel über sich preisgegeben. Sie hatte erzählt, sie hätte ihre Wurzel im Reich der Erde. Dort wuchs sie gemeinsam mit sieben Geschwistern in einem kleinen Dorf auf. Damals hatten ihre Eltern sie zum Kauf angeboten, um Schulden zu tilgen. Ihre Eltern hätten das nicht gewollt, aber keine andere Wahl gehabt, weil man die gesamte Familie, die aus insgesamt zehn Köpfen bestand, zu töten drohte. Also hatten sie ihre älteste Tochter schweren Herzens hergegeben, um einen noch größeren Verlust zu verhindern. Es machte den Anschein, als sei Mio tatsächlich kein bisschen wütend auf sie und sie erklärte, sie plane einen Besuch. Die Schilderung vollendete dann Ashikaga, als er beschrieb, wie er und Mio zueinander gefunden hatten. Ein unbeschreibliches Gefühl habe ihn eines Tages in der Eisenhütte auf den Marktplatz gezogen und da habe er dann Mio erblickt. Eigentlich, so sagte er, würde er den Sklavenhandel verabscheuen und sei nicht bereit ihn zu unterstützen. Doch Ashikaga sagte, dass er die Augen nicht mehr von ihr hatte lösen können und sie deshalb gekauft. Er hatte ihr die Freiheit geschenkt und es ihr überlassen, ob sie bei ihm blieb oder heimkehrte. Ashikaga gab zu, dass er es ein bisschen zunächst bereut habe, weil er fürchtete, sie könne sofort und für immer verschwinden. Aber sie hatte sich schnell dafür entschieden bei ihrem Retter zu bleiben und seine Muse zu werden. Ich hatte erwartet, dass die beiden verheiratet oder zumindest verlobt waren, so wie sie aneinander klammerten. Es war durchaus mutig von ihnen nicht zu verdrängen, wie sie einander begegnet waren. Vielleicht liebten sie einander sogar, wobei ich meine Zweifel hatte. Wenn sie sich liebten, dann hätten sie vermutlich längst eine kleine Familie, ob verheiratet oder nicht. Aber das ging mich nichts an. Um einiges interessanter wäre es gewesen, hätte Tamaki gesagt, welche Art Informationen er besaß, die für Konoha scheinbar von Bedeutung waren. Zuerst hätte ich am liebsten laut gelacht, dann hatte ich ihn ein wenig bemitleidet. Vielleicht war er davon überzeugt. Der Überzeugung, dass ein mickriges Kerlchen wie er etwas gegen Konoha in der Hand hatte. Dann hatte ich überlegt, ob er bewusst log. Wenn dies der Fall wäre, dann verdiente er zumindest für den Versuch meine Anerkennung. Ein Monster, das nicht zu zähmen war, war nutzlos. Selbst Tamaki musste das wissen. Deshalb war es weitaus schlauer, alle glauben zu lassen, dass ich hier war, weil Tamaki Wawashi eine unglaubliche Persönlichkeit war, die selbst Tsunade Ehrfurcht einflößte. Allerdings konnte das auch nach hinten losgehen. Falls die Wahrheit ans Licht kam, würde man sich bloß über ihn lächerlich machen, wenn derjenige, dem man dieses Lügenmärchen auftischte, es als solches erkannte. Ashikaga hatte nicht erkennen lassen, ob er Tamaki Glauben schenkte. Jedenfalls hatte Tamaki keinerlei Anstalten gemacht über die besagte Information zu reden und frech gemeint, er wolle sein Leben nicht aufs Spiel setzen. Ein zunächst guter Grund, weil dem Gastgeber und seiner hübschen Begleiterin klar sein dürfte, dass Tamaki ein Feigling war. Aber hätte ein wahrer Feigling es überhaupt gewagt so etwas nur zu erwähnen, wenn sein Leben bedroht wurde? Zudem wirkte es, als wäre ich zu Tamaki geschickt worden, um ihn zu observieren oder, was viel schlimmer war, damit er Konoha keinen Ärger machte, sozusagen, um sein Schweigen zu kaufen. So oder so, ob Konoha oder Tamaki, was auch immer Ashikaga und Mio eher in Betracht zogen, einer würde am Ende wieder eine Lachfigur sein. Zweifelhaft, dass man das mächtige Konoha in diesem Fall unterschätzen würde, deshalb machte ich mir wenig Sorgen darum. »Erlaubt Ihr mir, Euch eine Frage zu stellen?«, wandte ich mich an Tamaki. Dieser schielte über die Schulter hinweg zu mir. »Selbstverständlich, Naruto. Was möchtest du wissen?« »Habt Ihr die Wahrheit gesagt?« »Hm? Was meinst du…?«, er wusste genau, was ich meinte. Trotzdem tat ich ihm den Gefallen, aber nicht zu rasch. Ich ließ mir genügend Zeit. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit nicht zu weit gehe…Ich beabsichtige nicht, Euch zu verärgern und in Frage zu stellen…«, überlegte ich laut und wartete ab, wie er darauf reagierte. Zu meiner Verblüffung hielt Tamaki inne und drehte sich zu mir um. Er versuchte ernst zu bleiben, aber in seinen Augen bemerkte ich ein seltsames und begeistertes Funkeln. Ich betrachtete ihn einige Sekunden stumm. Schließlich wurde mir klar, was in seinen Augen lag: Gier. Er wusste, dass ich Fragen stellen würde, die ihn betrafen. Er verzehrte sich geradezu danach mir zu sagen, wer er war. Ich war bloß ein Sklave, aber diese Tatsache schien er zu ignorieren und im Augenblick war ihm jeder Recht, der etwas Interesse an seiner Person äußerte. Er wollte Anerkennung. Möglicherweise wünschte er sich, dass man zu ihm aufsah, auch wenn er für einen Menschen fast schon absurd klein war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass man in vielerlei Hinsicht auf ihn herabsah, weil er klein war. Wahrscheinlich nahmen die anderen Leute ihn nicht ernst oder täuschten es lediglich vor. Ich spannte ihn nicht lange auf die Folter, da ich schon wieder Sympathie für ihn empfand. Beinahe lächelte ich, weil wir zwar sicherlich ziemlich verschieden waren, doch unser Problem war im Grunde dasselbe. Ich für meinen Teil war den Großteil meines Lebens verabscheut worden. Dass man mich nicht akzeptiert und respektiert hatte, war dem zu folge nur naheliegend. Ich wusste nicht, wie genau man ihn behandelte. Doch ich bezweifelte, dass es einen nachvollziehbaren Grund wie in meinem Fall gab, der Hass und Verachtung entschuldigte. Oder irrte ich mich? Sicherlich war es jämmerlich, wie er so verzweifelt nach Aufmerksamkeit schrie. Aber ich hatte als Kind auch so eine Phase gehabt und konnte dementsprechend in gewisser Weise mit ihm eben sympathisieren. »Nun, dann wage ich es…Wawashi-sama, Ihr kennt doch hoffentlich den Grund für meine…meine…ja, meine Verbannung?« Eine unpassende Bezeichnung und irgendwie war es auch ein bisschen unehrlich. Immerhin war ich wie ein Tier verscherbelt worden. Er sah mich still an, dann senkte er den Blick. »Ich habe gehört, was du getan hast…« »Und Ihr habt keine Angst vor mir?«, erkundigte ich mich skeptisch, da er auf einmal wirklich ernst klang. Ich kaufte es ihm fast ab. »Du wirst mich für töricht halten. Aber ja, manchmal fürchte ich mich vor dir. Doch das ist in Ordnung, zumindest für mich, selbst wenn es für dich sicherlich unangenehm ist. Tsunade hat mir erzählt, wie man mit dir schon in früher Jugend umgegangen ist und, dass du darunter sehr gelitten haben musst. Trotzdem bin ich ehrlich gesagt froh, dass die meisten zurückschrecken, wenn sie dich sehen. Ich habe viele Feinde, Naruto, darum muss ich ständig darauf achten, wem ich vertrauen kann und wem nicht. Ich weiß nicht, ob du dich mit deiner Situation abgefunden hast, ob das für dich überhaupt möglich ist. Ich denke nicht, dass du vor Freude bei der Vorstellung platzen möchtest, weil du für mich jetzt arbeiten darfst. Aber du wirst diesen Ort niemals verlassen können und ich schätze, dass du nach einer Weile vielleicht nicht mehr so arg Heimweh hast, wenn du dich zumindest bemühst mit der Realität klar zu kommen«. Heimweh? Natürlich sehnte ich mich nach meinem zu Hause. Selbst wenn ich viel Schmerz und Einsamkeit mit dem Dorf verband, so hatte es mir gleichzeitig viele Freunde und schöne Erinnerungen beschert. Ich war mir bewusst, wie die Wirklichkeit aussah. Ich war jetzt nicht mehr der fröhliche kleine Optimist, der felsenfest davon überzeugt war, dass Konoha ihn irgendwann wieder mit offenen Armen empfing. Ich war gescheitert und eine Heimkehr war ausgeschlossen. Zu spät für mich. Wenn ich nicht wünschte durch die Hand meiner ehemaligen Freunde zu sterben, dann durfte ich keinen Fuß mehr in das Dorf setzen. Trotzdem war es nicht notwendig, mich mit meinem Dasein als Sklave abzufinden und zufrieden zu geben. Mein Vergehen war nicht so verwerflich, dass ich den Rest meines Lebens meine Schuld begleichen musste. Jedenfalls sah ich das so. »Was ich eigentlich wissen möchte, ist, ob ihr gelogen habt? Hat mich Konoha an Euch gegeben, weil Ihr bedeutendes Wissen besitzt?« Tamaki sah mich still an, dann setzte er den Weg fort. »Wie ich bereits sagte, habe ich viele Widersacher. Die Frage auf offener Straße entweder zu bejahen oder zu verneinen, wäre doch mehr als dumm. Nicht wahr, Naruto?« Ich gab ihm Recht und wusste gleichzeitig die Antwort: Es war kein Bluff. Die Erkenntnis war gleichsam ernüchternd und beunruhigend. Ich hatte schon befürchtet, ich sei Teil eines perfiden Plans des Dorfes schmutzige Geheimnisse vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Meine Befürchtung bewahrheitete sich. Ich war Schmiergeld. Etwa zwei Stunden Ruhe gönnte man mir, bevor ich wieder eher ruppig aus dem Schlaf gerissen wurde und mich fast unmittelbar an die Arbeit machen musste. Ich empfand es als Erleichterung, dass die Arbeit heute so verdammt anstrengend war. Damit konnte ich die grausame Wahrheit für eine Weile vergessen. Zunächst grub ich das Erdreich um und begann dann verschiedene Blumen und Bäume einzupflanzen. Ich vertiefte mich so gut es ging in die Arbeit und es funktionierte ganz prima. Am Mittag wagte ich schließlich eine Pause, weil ich sonst vermutlich unter der gnadenlosen Sonne zusammen gebrochen wäre. Ich setzte mich in den Schatten auf eine der Marmorbänke und ließ meinen Blick über den Garten schweifen. Ehe ich wieder an den Morgen dachte, spürte ich die Präsenz von jemand hinter meinem Rücken. Ich sprang auf und fuhr herum. Zum Glück hatte ich keine Kunais, sonst würde jetzt wahrscheinlich eines genau zwischen Natsukos Augen stecken. Ein diebisches Grinsen breitete sich in ihrem Gesicht aus und sie fragte mich erfreut, ob sie mich erschreckt hätte. »Ziemlich«, gestand ich. »Ich habe mit dir absolut nicht gerechnet…«. Sie verzog nun enttäuscht das Gesicht, was kurz meine Besorgnis erregte. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Doch zu meiner Erleichterung meinte sie nur, dass es lustiger wäre, wenn ich es abgestritten hätte. Als wir nebeneinander saßen und ich ihr ein paar meiner Reisbällchen gegeben hatte, da ihr Magen so furchtbar knurrte, unterhielten wir uns. »Freust du dich denn auch auf das Festival, großer Bruder?«, fragte sie fröhlich und biss hungrig in das vierte Reisbällchen. Sie war ein kleiner Vielfraß, aber es war nicht verwunderlich. »Festival?«, hakte ich nach und nahm noch einen kräftigen Schluck aus meiner Flasche. Sie nickte eifrig und ihr Lächeln wurde größer. »Ich spreche von dem großartigen und alljährlichen Drachenfestival«, erwiderte sie. »In dieser einen Woche wird die Eisenhütte ein schöner Ort. Die Reichen veranstalten Maskenbälle, es gibt auf dem Markplatz einen Jahrmarkt, es gibt einen Umzug durch die Hauptstraße und jeden Abend ein großes Feuerwerk. Ich wette, dass der Winzling deshalb seinen Garten auf Vordermann bringt. Er will sicher nicht abstinken… Im Grunde genommen werden nur unsere Herren ihren Spaß haben. Das einzige, an dem wir irgendwie teilhaben können ist der Umzug und das Feuerwerk, weil beides kostenlos ist«. Ich hörte ihr aufmerksam zu. Es war für mich eine Überraschung, dass es solche Feste in der Eisenhütte gab. Nicht, dass sie mir dadurch irgendwie sympathischer wurde. Lieber setzte ich anderweitig unser Gespräch fort. »Du scheinst Tamaki nicht leiden zu können«, merkte ich an und war gespannt auf ihre Antwort. »Wieso? Magst du ihn? Wenn du ihn magst, großer Bruder, dann mag ich natürlich auch!«, gab sie schnell zurück und sah mir forschend in die Augen. Ich lächelte freundlich und tätschelte ihren Kopf. »Darum geht es hier nicht. Ich möchte deine ehrliche Meinung hören«. »Du wirst es ihm nicht sagen?«, fragte sie vorsichtig. »Gegenfrage: Glaubst du das denn?« Sie schüttelte heftig mit dem Kopf und umarmte mich mit ihrem kleinen, dürren Körper. »Aber nein! Du bist der einzige, dem ich vertraue, großer Bruder!« Das stimmte mich irgendwie glücklich, selbst wenn es mich ebenso noch mehr unter Druck setzte. »Wenn das wahr ist, dann verrate mir, wieso du ihn nicht leiden kannst«. Sie löste sich von mir und sprang von der Bank. Ich sah zu, wie sie ihre Hände im Rücken zusammenfaltete und nun nervös umher wanderte. Fast lachte ich über das ernste Gesicht, dass sie machte. Doch ich riss mich zusammen, um sie nicht zu verunsichern und an meiner Aufrichtigkeit zweifeln zu lassen. »Zunächst sollte ich erwähnen, dass ich sie alle ausnahmslos hasse. Also, ich rede jetzt von den Sklavenhaltern… Aber Tamaki Wawashi hasse ich am meisten…«, sie stockte und sah sich suchend um. »Wenn es dich in Schwierigkeiten bringen kann, dann sag‘ lieber nichts«, meinte ich. »Es muss gesagt werden! Ich will nicht, dass dieser Abschaum dich an der Nase herumführt. Er ist Sklavenhändler, großer Bruder. Das ist natürlich hier nichts Außergewöhnliches. Trotzdem finde ich ihn abscheulicher, als alle anderen. Er ist ein feiges kleines Schwein und doch nimmt er sich das Recht Menschen ihren Familien zu entreißen und sie zu verschachern…« Ich sah sie überrascht an. Tamaki war auch Sklavenhändler? Es war mir im Grunde ziemlich egal, dennoch bereitete es mir ein gewisses Unbehagen. Ich wollte zuerst etwas sagen, merkte dann aber, dass sie noch nicht fertig war. »Ich erinnere mich noch, dass er es war, der mich in die Eisenhütte brachte. Zur falschen Zeit, am falschen Ort. Ich hatte einfach Pech, als er mich schnappte und in seinen Transporter packte. Ich hasse sie, aber die meisten vergessen wenigstens nicht, ob sie wollen oder nicht, wen sie verkauft, wessen Leben sie zerstört haben. Das kleine Monster hat vergessen, dass es mich zu einem jämmerlichen Preis verdingt hat«, in diesem einzigen Augenblick stand kein Kind mehr vor mir. »Meine Existenz ist so…«,ein Schluchzen entrann ihrer Kehle. »bedeutungslos. Er ist gewissenlos…« ____________________________________________________ Vielen Dank an die vielen Abonennten und die fleißigen Kommentatoren. Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat. Ich versuche definitiv in den Ferien weiter voran zu kommen. Liebe Grüße Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)