Hate Me || Love Me von abgemeldet (Der Anfang von einem neuen Ende) ================================================================================ Prolog: Gefallener Engel ------------------------ Die Luft in diesem Raum war warm. Warm und stickig. Selbst die sonst so kühlen Steinwände fühlten sich wie heiße Kohlen an. Das Atmen fiel ihm dadurch deutlich schwerer. Zuviel davon hatte er auch an das °Himmlische Gericht° verschwendet. Sie hatten ihm nicht geglaubt, ihn als 'Lügner' und 'Mörder' beschimpft, wobei letzteres ja auch zutraf. Deshalb hatte man ihn hier wie einen räudigen Hund angekettet und in einem Raum im obersten Stockwerk eines Turmes nahe bei der Sonne eingesperrt. Kein Wunder also, warum diese Wärme so unerträglich war. Doch ein Lügner war er nicht. Keineswegs. Er hatte alles ganz genau mit seinen eigenen Augen gesehen. Dieses schreckliche Szenario. Nagori, wie sie da auf dem Holzboden gelegen hatte, das Gesicht völlig blutüberströmt, ihr starrer Blick, der sich auf ihn gerichtet hatte und die letzten Tränen der Verzweiflung, die aus ihren Augen noch gequollen waren, bevor sie dann endgültig diese Welt verlassen hatte. Ihn verlassen hatte. Nagori. Sein Schützling. Nagori. Seine große Liebe. Er hatte sie nicht beschützen können. Er hatte als Schutzengel auf der ganzen Linie versagt. Dafür sollte er jetzt sterben. Er sah sie noch oft in seinen Träumen. Es war immer wieder derselbe Traum, in dem er sie um Vergebung bat. Doch bisher hatte er sie immer nur von hinten gesehen. Sie hatte sich kein einziges Mal zu ihm umgedreht. Ob das von Bedeutung war? Er wusste es nicht. Er versuchte einfach weiterhin sich einzureden, dass nur sein Erzrivale, Takeru, an dem Ganzen schuld war. Das Opfer, wie viele behaupteten. Dabei war er es gewesen, der ihm Nagori letzendlich genommen hatte, weil er sie dazu gebracht hatte, Selbstmord zu begehen. Dafür hatte er widerum büßen müssen. Mit seinem Leben. Sie war nicht wie einst von ihm geplant zu ihresgleichen geworden, sondern war in den °Seelenfluss° eingegangen. Wie verhängnisvoll doch solche Pläne sein konnten. Aber eines wusste er genau, er würde diese Schreckensbilder nie wieder in seinem Leben vergessen können. ~Rückblick~ "Was... Was hast du getan?!", waren seine ersten Worte gewesen, nachdem er Nagori tot aufgefunden hatte und Takeru ihm gegenüber stand. Völlig unbekümmert und gleichgültig blickte er auf die beiden hinab. Tenshi, so war sein Name, kniete fassungslos neben seinem leblosen Schützling und hielt ihre Hand. Sein ganzer Körper zitterte und bebte. Immer wieder entwich ihm ein leises Schluchzen. Durch die vielen Tränen, die er vergoss, fingen seine Augen schon bald an fürchterlich zu brennen. Doch hielt sich seine Trauer noch in Grenzen, da sie eher der Wut und Verständnislosigkeit Platz machte. Nachdem die Sonne am Himmel den Horizont erreicht hatte, stand er wankend auf, zog sein Schwert und funkelte sein Gegenüber böse an. Seine Atemgeräusche erinnerten fast an einem wilden Stier. "Oh, du bist sauer?", unbeeindruckt davon hob er nur eine Augenbraue und musste über diesen Anblick sogar schmunzeln, was Tenshi nur noch wütender werden ließ. Doch zog auch er lieber seine Waffe, da er schon ahnte, dass gleich ein Kampf losbrechen würde. Ein Kampf auf Leben und Tod, wie sich ja dann herausstellte. "Wieso hast du das getan?! Sag's mir!", verlangte der blonde Engel. Er brauchte Antworten, ein kleines bisschen Klarheit, um das alles hier begreifen zu können. Takeru schloss daraufhin für einen kurzen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, wurde sein Grinsen noch breiter. Tenshi hatte diesen Moment genutzt und ihm die Spitze seines Schwertes entgegengestreckt, die sich jetzt genau vor seinem Gesicht befand. Zum Teil konnte sich der Blonde schon denken, weshalb er das getan hatte. Er hatte Nagori auch geliebt. Wollte sie ebenfalls für sich allein haben. Aber Menschen, die Selbstmord begangen, kamen nicht in den Himmel und wurden auch nicht als Engel wiedergeboren. Das hätte er eigentlich wissen müssen. Nein, er wusste es, und zwar ganz genau. Da war sich der Schutzengel absolut sicher. Takeru leckte sich über die Lippen. Sein Grinsen war noch immer nicht verschwunden. "Mir war langweilig", antwortete er nur. Das hatte er wirklich gesagt. Doch war es nur die halbe Wahrheit gewesen. Er hatte es einfach nicht länger ertragen können, dass der Schutzengel bei ihr viel beliebter war, als er. Sie waren ständig zusammen gewesen. Tagein, tagaus. Keiner konnte ohne den anderen sein. Seine Chancen von ihr mehr beachtet zu werden, waren daher auf Null gesunken. Er konnte nicht gegen Tenshi gewinnen, deshalb hatte er ihm einfach sein Glück genommen. Doch Reue hatte der Blonde in seinen Augen vergeblich gesucht. Noch nie hatte er einen so kaltblütigen Engel gesehen. Bis heute hatte er es nicht nachvollziehen können. Schließlich hatte das nichts mehr mit Liebe zu tun gehabt. "Es ist Zeit", sagte einer der Wachmänner monoton, spähte dabei durch den Schlitz der schweren Stahltür und riss den Engel somit aus seinen Gedanken. Er blickte auf und sah direkt in ein Gesicht voller Erbarmungslosigkeit. Ja, Zeit ihn hinzurichten. Zeit, ihn zu bestrafen, weil er für Gerechtigkeit gekämpft hatte, dachte er verärgert. Unterdrückte aber die aufkommende Wut, da es ihm jetzt eh nicht viel gebracht hätte. Unter schwerem Aufkeuchen stand er auf und folgte dem Mann wortlos. Erst jetzt bemerkte er, wie heiß doch der Boden war. Seine Füße fingen förmlich an zu glühen, da er keine Schuhe anhatte. Nach nur etwa 10 Minuten fühlten sich seine Beine langsam schon wie Blei an. Der Gang zum Ritusraum schien kein Ende zu nehmen. Um sie herum war alles soweit still, nur die Ketten, die von seinen Flügeln herunterhingen, klirrten bei jedem seiner Schritte geräuschvoll. Tenshi atmete erleichtert auf, als sie endlich den Ritusraum erreicht hatten. Moment mal, warum war er so erleichtert? Er würde doch gleich sterben, darüber konnte man sich doch wohl kaum freuen. Aber vielleicht dachte er hierbei einfach nur an Nagori. Dass er mit ihr jeden Moment wieder vereint sein würde. Vielleicht würde sie ihm dann auch vergeben, sich endlich zu ihm umdrehen und ihm bestätigen, dass alles nun vorbei wäre. Dass er sich keine Sorgen, keine Vorwürfe mehr machen müsste. Das wäre seine perfekte Vorstellung vom Tod gewesen. "Es ist nicht vorbei", verkündete ihm der Scharfrichter, als sie vor ihm standen. Tenshi glaubte sich gerade verhört zu haben und sah ihn ungläubig an. Wie konnte das sein? Was meinte er damit, dass die Todesstrafe zurückgenommen worden war? Er erklärte ihm, dass seine Familie dahinter steckte. Sie hatten sich monatelang für ihn eingesetzt und nun endlich das erreicht, was sich alle so sehr erhofft hatten. Der Engel wurde auf Bewährung gesetzt. Seine Aufgabe war simpel, so schien es jedenfalls. Ihm sollte ein neuer Schützling zugeteilt werden, um den er sich für eine gewisse Zeit zu kümmern hatte. Tenshi war sprachlos. Er wusste einfach nicht, was er dazu noch sagen sollte. Er machte zwar ein betrübtes Gesicht, da er seine Nagori jetzt nicht wiedersehen konnte, doch gleichzeitig war er seiner Familie so unendlich dankbar. Erst in solchen Momenten wusste er sie richtig zu schätzen, denn für gewöhnlich hielt er sie für nervig, ja sogar manchmal für überflüssig, weshalb er sich auch in den letzten Jahren von ihnen eher abgegrenzt hatte. "Dennoch wird es eine Bestrafung geben", gab er ihm zu verstehen und näherte sich ihm fast schon bedrohlich. Er ließ seine Finger ein paar Mal knacken und durchbohrte ihn mit seinem Blick. Tenshi schluckte. Das Gefühl der Freude und Erleichterung war nun nicht mehr zu spüren. Stattdessen machte sich die Unsicherheit breit. "Dreh dich um. Ich werde dir lediglich deine Flügel herausreißen", sagte er schon beinahe mit einem Lächeln. Die Augen des Engels weiteten sich vor Schreck. Ihm wurde mit einem Mal so anders. Sein Herz schlug heftig gegen seine Rippen und sein Puls hatte längst den höchsten Wert erreicht. Um ihn herum begann sich alles zu drehen. Weg. Er wollte nur noch weg. Doch selbst der Raum schien zu schwanken, sich auszudehnen und ihm keine Möglichkeit zu geben, irgendwie von hier zu verschwinden. Da er im Augenblick so versteinert war und sich dadurch nicht bewegen konnte, wurde er von ihm einfach brutal gepackt, umgedreht und auf den Boden gedrückt. Der Engel konnte ein leises Wimmern nicht unterdrücken. Anschließend wurde sein ganzer Körper durch den Fuß des Scharfrichters gegen die heißen Bodenplatten gepresst, damit es beim Herausreißen keinen Widerstand gab. "So, dann wollen wir mal", zuallererst entfernte er die Ketten und strich dann mit seiner Hand sanft durch das Gefieder, so als wollte er testen, wie weich es war, doch in Wirklichkeit glättete er es nur ein wenig, bevor er dann damit anfing, den ersten Flügel zu spannen. Tenshis ganzer Körper zitterte. Im Moment konnte er keinen klaren Gedanken fassen, er wollte einfach nur, dass das alles so schnell aufhörte, wie es begonnen hatte, obwohl ja eigentlich noch nichts passiert war. Der Scharfrichter befahl ihm sich ein wenig zu entspannen, da es sonst für ihn noch schmerzhafter ausgehen könnte. Doch das war leichter gesagt als getan. Die Hand glitt nun zum Schulterblatt. Genau da würde alles seinen Anfang nehmen. Tenshi krallte sich am Boden fest, bevor sich seine Hand zu einer Faust schloss. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Angst gehabt wie jetzt. Ein markerschüttender Schrei war im ganzen Turm zu hören, und das nicht nur einmal, als ihm nun der erste Flügel herausgerissen wurde. Die Augen des Engels quollen hervor und seine ganze Wirbelsäule bog sich so sehr nach innen, dass man Angst haben musste, sie würde jeden Moment durchbrechen. Heiße Tränen rannen über seine Wangen, vermischten sich mit dem Schweiß, der ihn schon überall glitzern ließ und versanken dann im Blut, welches sich schon reichlich unter ihm gebildet hatte. Er keuchte, hechelte, wimmerte, schrie immer wieder auf, selbst wenn der Scharfrichter ihn gerade garnicht anfasste. Es waren unbeschreibliche Schmerzen, die er noch nicht einmal Takeru gewünscht hätte. Er schluchzte und flehte jetzt schon, dass er aufhören sollte, obwohl er wusste, dass man dieser Bitte nicht nachkommen würde. "Das war Flügel Nummer 1", mit dieser Ansage machte es ihm sein Peiniger nur noch schwerer. Er schüttelte sich, bebte innerlich, bekam davon auch Kopf- und Gliederschmerzen. Nein, er sollte aufhören. Das war schlimmer als der Tod. Noch einmal würde er diese unsagbaren Schmerzen nicht ertragen können. Er spürte wirklich jeden einzelnen Nerv, den er besaß und bei jeder Berührung, war sie auch noch so sanft, zerissen immer wieder ein paar davon. Jeder Muskel war bis zum Äußersten angespannt und dehnte sich immer weiter, je mehr an dem Flügel gezogen wurde. Blut. Er musste Blut spucken. Ganz plötzlich. Zuerst nur ein paar Tropfen, dann wurde es immer mehr. Es kam ihm einfach hoch. Er konnte nichts dagegen tun. Überhaupt schien er einfach überall auszulaufen. Nebenbei hörte er noch das Knacken seiner Knochen, die einzeln nacheinander zerbrachen, als sein Peiniger weiter daran zerrte. Es war widerlich. Genauso widerlich wie der Anblick seines halb geöffneten Rückens, der ihm aber nun zum Glück erspart blieb. Gewebe, Nerven, Haut und Fleisch waren zu sehen, alles im roten Lebenssaft getränkt. "B-Bitte... A-Aufhören...", mehr brachte er im Augenblick nicht hervor. Seine Stimme zitterte genauso wie sein Körper und hörte sich wegen seinem Geschrei, was man auch durchaus als Gebrüll hätte bezeichnen können, schon recht heiser an. Er biss sich auf die Unterlippe. Natürlich hatte der Scharfrichter nicht vor, das Ganze so einfach abzubrechen und spannte den nächsten Flügel, nachdem er den Blonden wieder mit dem Fuß gegen die Bodenplatten gepresst hatte. "Neeein!!! Bitte nicht!", schrie er und verfiel wieder in Panik. Diesmal schienen die Schmerzen über jegliche Vorstellungskraft hinauszugehen, für jeden, der es selbst nicht mindestens einmal erlebt hatte. Seine Gliedmaßen gehorchten ihm nicht mehr und zuckten wie wild in alle Richtungen. Seine Beine schienen sogar den Scharfrichter treten zu wollen, doch dieser konnte ihnen geschickt ausweichen. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, die Adern auf seiner Stirn pulsierten, Speichel lief ihm ununterbrochen aus dem Mund, so dass es sicherlich für Außenstehende so ausgesehen hätte, als wäre er dem Wahnsinn verfallen. Doch dann kam endlich die erlösende Schwärze und raubte ihm das Bewusstsein. Alles was danach geschah, war für ihn nicht mehr von Bedeutung. Es war endlich vorbei, nur das allein zählte. Dies war der Anfang von einem neuen Ende. Kapitel 1: Drei sind einer zuviel --------------------------------- Tropf. Tropf. Langsam öffnete der Engel seine Augen, als er merkte, dass irgendwas nasses auf seiner Nase getropft war. Wasser. Regen. In der Ferne war ein lautes Donnergrollen zu hören, ähnlich wie bei einem Feuerwerk. Noch mehr Regen. Überall. Seine Sachen waren schon völlig durchnässt und klebten an seinem ganzen Körper. Was war nur geschehen? Er fühlte sich so kraftlos und verloren. Erst als er an den beiden Stellen - wo vorher seine Flügel gewesen waren, und ihn dort jetzt nur noch riesige Narben zeichneten - plötzlich einen stechenden Schmerz verspürte, wurde ihm wieder bewusst, welches grauenhafte Schicksal ihm widerfahren war. Doch musste er sich jetzt irgendwie zusammenreißen, wenn er sich hier draußen nicht den Tod holen wollte. Vorsichtig stand er auf, schwankte dabei zwar etwas, doch hatte er schnell sein Gleichgewicht wiedergefunden. Das wäre schon mal geschafft. Nur wohin sollte er jetzt gehen? Sie mussten ihm doch irgendeine Adresse seines neuen Schützlings gegeben haben. Verzweifelt suchte er in jeder Tasche, die er hatte. Jedoch fiel sein Blick schon sehr bald auf einen kleinen gelben Zettel, der auf der Straße lag und kurz davor war in den Abfluss gespült zu werden. Gerade als er ihn sich greifen wollte, fuhr plötzlich ein grüner Porsche direkt in eine große Pfütze an ihm vorbei und gab ihn somit nur noch mehr von dieser kalten Flüssigkeit des Himmels. Er schauderte und verfluchte sein Pech innerlich. Doch immerhin war der Zettel wieder in seinem Besitz gelangt, auf dem das Geschriebene zum Glück auch noch zu erkennen war, selbst wenn man ihn schon hätte auswringen können. Gedankenverloren las er sich die Adresse durch. Mehrere Male, damit sie sich gut bei ihm einprägte und er nicht immer wieder draufschauen musste. Er drehte dem Park, der nur wenige Meter von ihm entfernt war, dem Rücken zu und sah hinauf zu einem der gegenüber liegenden Gebäude. Tokyo. Das war also Tokyo. Die größte Stadt der Welt, wie manche behaupteten. Irgendwo hier war auch sein neuer Schützling. Shouta, der mit seiner Familie hierher ziehen wollte. Die Wolken am Himmel zogen nur gemächlich vorbei. So schnell würde der Regen also nicht nachlassen. //Trotz der vielen Wolken wirkt der Himmel von hier aus viel freundlicher//, ging es ihm durch den Kopf, was wahrscheinlich nur daran lag, dass die anderen Engel für die nächste Zeit nicht so gut auf ihn zu sprechen waren, und diese Stadt ihm auf jeden Fall eine bessere Zuflucht bot. Ein Rumpeln zog durch das sonst so ruhige Häuschen, was den Dämon kurz aufhorchen ließ. Da es aber gleich danach wieder ruhig war, machte er sich garnicht erst die Mühe, die Augen zu öffnen und aufzustehen. Er wollte viel lieber noch etwas hier oben auf dem Dachboden rumliegen und weiterdösen. Wer sollte schon in dieses leerstehende Haus kommen? Doch als er dann auch noch Stimmen hörte, wurde er mit einem Mal misstrauisch. In seiner Ruhe gestört, öffnete er die Augen, streckte gemächlich seine müden Glieder und stand dann auf. Auch seine schwarzen Flügel streckte er kurz, was in solch engen Räumen garnicht so einfach war - sie waren einfach viel zu unpraktisch, wenn man sich in einem Gebäude befand. Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit wieder von merkwürdigen Geräuschen auf sich gezogen, welche von den tieferen Stockwerken kamen. Was sollte dieser Lärm zu solch einer frühen Stunde? Hatten die Menschen denn keinen Anstand? Ja, was wollten sie überhaupt in diesem Haus? Es gehörte ihm und niemand anderes durfte es ohne seine Erlaubnis betreten! Grummelnd sprang er aus der kleinen Dachluke, um gleich darauf festzustellen, dass es aus vollen Eimern regnete. Na toll. Ehe er sich noch weiter beschweren konnte, fiel ihm ein weißer Klein-LKW ins Auge, der vor dem Haus geparkt hatte. Menschen trugen hastig große, schwer aussehende Kartons in das Gebäude. Akuma betrachtete das ganze Spektakel, als bei ihm endlich der Groschen fiel. Hier wollte doch tatsächlich jemand einziehen! Das konnte doch nicht deren Ernst sein! Was sollte er denn bitteschön mit nervigen Menschen anfangen?! Sie waren selten leise, sodass man kaum in Ruhe schlafen konnte und von diesem fröhlichen Grinsen, das manchen dieser Kreaturen wie eingraviert zu sein schien, wollte er erst garnicht anfangen. Ja, genau so ein Lachen, wie es dieser Junge dort unten gerade hatte. Mit bösem Blick starrte er zu dem Menschenkind. Dem würde das Lachen schon noch vergehen, das schwor er sich. Akuma stieß sich von dem Dach ab und flog hinunter auf dem Gehweg. Diese Menschen schienen sich trotz dieses Regenwetters sehr darauf zu freuen, in dieses Haus einzuziehen. Seinem Haus! Er trat auf den Jungen zu und sah ihn sich kurz an. Er schien nicht älter als 14 Jahre zu sein und hatte dunkelbraune, kurze Haare, die dank des blauen Regenschirms nicht nass wurden. Der Junge wollte gerade ins Haus gehen, als ihm Akuma kurzerhand das Bein stellte. Mit einem Plätschern fiel er genau in eine Pfütze, was dem Dämon ein belustigtes Grinsen entlockte. Tenshi seufzte schwer. //Also, wo ist er?//, fragte er sich und bog in die °Mühlenstraße° ein, die ihn weiter bergab führte. Der Wind wurde zunehmend stärker und zersauste sein kurzes, blondes Haar nur noch mehr. Als ihm plötzlich ein Werbeschild entgegen geflogen kam, flüchtete er schnell in einem Second-Hand Shop, der überwiegend Kleidung anbot. "Das war vielleicht knapp", sagte er völlig außer Atem. "Dieser Ort ist wirklich-", er unterbrach sich selbst, als er einen zweiten Blick auf das Geschäft warf. Hier könnte er sich doch zuerst einmal neu ankleiden, denn seine Sachen waren überwiegend nass, zerissen und blutig. So konnte er ja nicht weiter herumlaufen, auch wenn ihn eigentlich niemand sehen konnte, außer derjenige war selbst ein Engel oder gar ein Dämon. Er stöberte erstmal ein wenig herum, bis er dann etwas passendes gefunden hatte. Er nutzte den Moment der Unaufmerksamkeit des Kassierers aus, legte Geld auf den Tresen und verschwand anschließend mit den neuen Sachen, die er gleich anbehalten hatte. "Hm? Wo kommt denn das Geld so plötzlich her? Hallo? Ist da jemand?", fragte der Kassierer, doch niemand antwortete. Dennoch musste es ja irgendeinen Grund dafür geben, weshalb er sich dann kurzerhand dazu entschloss das Geld doch noch an sich zu nehmen und den restlichen Tag nicht weiter darüber nachzudenken. Währenddessen hatte Tenshi auch gleich für den Regenschirm mitbezahlt, der ihm anfangs sofort wegen der knalligen Farben vor dem Laden aufgefallen war, und den er jetzt mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck durch halb Tokyo trug. Triefend nass saß der Junge jetzt auf dem Boden, ehe er schnell wieder aufstand und den Regenschirm aufhob, welcher ihm aus der Hand gefallen war. "Der bringt jetzt auch nichts mehr", lachte Akuma schadenfroh und sah dabei zu, wie der Junge ins Haus lief. Akuma ergriff die Gelegenheit und ging dem Menschen hinterher, betrat ebenfalls das Gebäude. Er ließ seine Flügel verschwinden, als sie drinnen waren, da sie nur gestört hätten. Er sah sich etwas um, während er nur so am Rande bemerkte, wie der Junge unterdessen in einem angrenzenden Raum verschwand. Der Vorraum wirkte hell, ganz das Gegenteil von dem, was Akuma sonst so gewohnt war. Kartons standen zur linken und rechten Seite gestapelt übereinander und mussten wohl erst noch in die richtigen Zimmer zum Auspacken gebracht werden. "Ach, Shouta. Was ist denn mit dir passiert?", hörte er nun eine Frauenstimme und folgte dieser in die Richtung, aus welcher sie gekommen war. Akuma betrat einen Raum, der später einmal ein gemütliches Wohnzimmer sein sollte, wovon jetzt aufgrund der Umzugskisten noch nicht recht viel zu merken war. Der Dämon sah sich belustigt das Schauspiel an, welches sich ihm nun bot. Die Mutter des Jungen - wie hieß er nochmal... Shouta? - schalt gerade das durchnässte Kind, welchen Dreck es hier doch eben gemacht hatte. Tenshi warf noch einen letzten Blick auf den Zettel, auf dem die Adresse des Jungen stand, bevor er dann direkt vor dem Haus hielt und es betrachtete, während er den Menschen, die mit den Möbeln und Umzungskartons an ihm vorbeigingen, eher weniger Beachtung schenkte. //Das ist es also..//, dachte er verblüfft. "Ziemlich groß", sagte er, drehte sich um und beobachtete einen Mann mittleren Alters, wie er die Möbelpacker jedes Mal davor warnte, dass ja nichts zu Bruch gehen durfte, da alles ach so wertvoll sei. //Ob das Shoutas Vater ist? Hm.. ähnlich sieht er ihm nicht gerade//, er holte ein Foto des Jungen hervor, betrachtete es und kam dann zu dem Entschluss, dass er wohl mehr von seiner Mutter abstammte. "Oh, na endlich!", rief auf einmal Shoutas Vater erfreut und blickte gen Himmel. Die Wolken am Himmel waren nur noch Fetzen und zogen langsam weiter Richtung Norden. Einzelne Sonnenstrahlen wärmten nun die Gesichter der Umstehenden, die mit einem Lächeln emporblickten. //Man kann ja schon fast sagen, dass ihre Stimmung wetterabhängig wäre..// Akuma hatte sich inzwischen im Wohnzimmer auf den Boden gesetzt. Shoutas Mutter war verärgert wieder aus dem Raum verschwunden, während sich der Junge aus einem der vielen Kartons trockene Kleidung suchte. Diese fand er auch nach mehreren Versuchen. Nun drangen mehr Stimmen an Akumas Ohr. Die Möbelpacker trugen gerade ein Sofa die Eingangstüre herein, während ein weiterer Mann ihnen sagte, wo sie es hinzutragen hatten. //Das wird dann wohl der Vater des Jungen sein...//, schlussfolgerte er, sah dabei zu, wie besagtes Möbelstück ins Wohnzimmer getragen wurde - direkt auf ihn zu! Schnell rollte Akuma sich zur Seite, damit er nicht von dem Möbelstück erschlagen wurde. "Könnt ihr denn nicht aufpassen!?", beschwerte er sich lautstark, während er auf die Beine sprang, wohl wissend, dass sie ihn nicht hören konnten. Die letzten Regentropfen fielen auf Tenshi, nachdem er seinen Regenschirm zusammengeklappt hatte, und landeten mitten in seinem Gesicht, weshalb er kurz die Augen zusammenkniff und mit der Hand diese wieder wegwischte. Gerade als er dann eintreten wollte, rief Shoutas Mutter ihren Sohn. Erschrocken drehte er sich zu ihr um, denn er hatte sie garnicht bemerkt. Sie war hier wohl die einzige Frau im Haus. Seine Augen weiteten sich etwas, als er sie genauer musterte, während Shouta zu ihr herübergestolpert kam. "Na-Nagori?", sagte er ungläubig. //Nein... sie sieht ihr nur ähnlich//, etwas enttäuscht ließ er den Kopf hängen und beobachtete die beiden. Dass er sie ausgerechnet mit Nagori verglich, bewies wieder einmal nur, dass er immer noch nicht ganz mit diesem Kapitel abgeschlossen hatte. Doch, wieviel Zeit war eigentlich seit seiner Bestrafung vergangen? Wie lange war er bewusstlos gewesen? Es konnte doch unmöglich sein, dass er erst auf dieser Bordsteinkante seine Augen wieder geöffnet hatte. Er schüttelte den Kopf. //Jetzt ist nicht die Zeit dafür!//, ermahnte er sich selbst und atmete einmal tief durch. "Das ist also Shouta... Nun gut, von heute an, werde ich dich beschützen, ganz gleich was kommt", sagte er, um sich selbst wieder ein wenig aufzumuntern und lachte leise. Shouta trug zusammen mit seiner Mutter einen riesigen Flachbildschirm ins Haus, den sie dann erstmal im Flur abstellten. //Also an Geld mangelt es denen wohl nicht..//, dachte er verblüfft und folgte ihnen. Plötzlich hielt er inne. //Irgendetwas gefällt mir hier nicht, und das ist ganz bestimmt nicht nur der Fettsack neben mir, der gerade einen DoubleBurger mit übermäßig viel Knoblauch zum Mittag verdrückt//, dachte er und hielt sich angewidert die Nase zu. Akuma war in einer Ecke stehen geblieben, wo ihm niemand zu nahe kam oder gar auf die Zehen treten konnte. In Gedanken malte er sich bereits aus, wie er diese Familie in den Wahnsinn treiben würde. Da war das jüngste Familienmitglied - Shouta - das leichteste Opfer, keine Frage. Also würde Akuma sich wohl an dessen Fersen heften. Und anfangen würde er mit seinem Spielchen noch heute, auf jeden Fall. Das würde er sich doch nicht entgehen lassen! //Besonders bei so einem Chaos, wie es bei einem Umzug immer herrschte, kann ja schon mal so einiges passieren..//, dachte er verheißungsvoll mit einem Grinsen. So, wo war denn sein Opfer in der Zwischenzeit eigentlich hingegangen? //Ah, da ist er ja! Mit seiner ach so lieben Mutter. Und gleich dahinter ist...//, dem Dämon stockte für einen kurzen Moment der Atem. Wer oder was war das denn? Also schon mal definitiv kein Mensch, dazu war seine Aura viel zu rein. Noch dazu schienen ihn die Menschen ebensowenig wahrzunehmen wie ihn selbst. "Engel...", grummelte er leise missgelaunt und beobachtete ihn, wartete darauf, dass er ihn ebenfalls wahrnahm. Auch er bemerkte bald - kurz nachdem er von ihm entdeckt worden war - den jungen Mann mit den fledermausartigen Flügeln in der Ecke. //Ein Dämon...//, dachte er leicht erschrocken. Doch ließ er es sich nicht anmerken und ging sogleich stolz und mit erhobenem Haupt ein paar Schritte auf ihn zu, um ihn zu zeigen, dass er sich von seiner Gegenwart nicht abschrecken ließ. "Was im Namen von Jesus Christus hat ein Dämon wie du hier verloren?!", er klang schon beinahe empört über dessen Anwesenheit und zeigte klagend mit dem Finger auf ihn. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass ein Dämon im selben Haus sein Unwesen trieb und ihm somit seiner Bewährungsprobe im Weg stand. Zwar waren die Kriegszeiten zwischen diesen beiden Völkern schon längst vorbei, doch der Ursprung der Feindseligkeit untereinander, saß immer noch viel zu tief drinnen, als dass sie je einander vergeben und vergessen konnten. Akuma richtete sich daraufhin zu seiner vollen Größe auf und trat etwas näher auf ihn zu, mit einem dunklen aber dennoch ruhigen Blick im Gesicht. "Und da sag mal einer, die Engel seien immer höflich...", kommentierte er das Auftreten des Neuankömmlings und stellte sogleich die Gegenfrage: "Und was zum Teufel hat ein Engel wie du hier verloren? Ich habe dich jedenfalls nicht in mein Haus eingeladen, also verschwinde besser gleich wieder", nicht nur, dass hier in aller Früh Menschen kamen und sich hier dreist einrichteten, jetzt kam auch noch ein Engel dahergerannt - da fiel ihm plötzlich auf: //Wo sind eigentlich seine Flügel?//, nun doch etwas neugierig, besah er sich den Engel etwas genauer. Etwas kleiner als er, kurze, blonde Haare, blaue Augen. Kleidung, die aussah, als wäre sie aus einem Second-Hand Shop. Akuma lachte auf. "Sind euch im Himmel etwa die Klamotten ausgegangen?", fragte er spottend und deutete auf des Engels Aufzug. Tenshi war ein Schritt zurückwichen, als dieser ihm seiner Meinung nach etwas zu nahe gekommen war. Hätte der Dämon noch seine Flügel ausgebreitet, hätte das auf jeden Fall bewirkt, dass er ihm gegenüber nicht mehr ganz so großspurig gewesen wäre, doch noch dachte er nicht daran den kürzeren zu ziehen, und schon garnicht als dieser sich erlaubte ihn von oben herab zu belächeln. "Dein Haus? Tss.. so wie ich das sehe, ist es nun nicht mehr deins und deshalb hast du auch nicht länger das Recht hier zu wohnen! Und da ich aus beruflichen Gründen hier bin, werde ich ganz bestimmt nicht von hier verschwinden!", erklärte er und antwortete auch gleich auf den nächsten Kommentar, nachdem er den prüfenden Blick des Dämons bemerkt hatte und peinlich berührt rot angelaufen war. "Na warte, wie kannst du es wagen?! Warum ich so rumlaufe, geht dich ja wohl einen feuchten Dreck an!", er machte einen Satz nach hinten und deutete erneuert mit dem Finger auf ihn. "Dir wird das Lachen gleich vergehen - da!" Kapitel 2: Akuma, der Dämon --------------------------- "Ich war zuerst hier, also hab ich ja wohl das Vorrecht! Meins bleibt meins!", stellte er klar und funkelte den Kleineren an. //Moment mal. Hat er gerade 'aus beruflichen Gründen' gesagt? Soll das etwa heißen, ich werde ihn nicht so einfach los?!//, doch ehe er noch weiter darüber nachdenken konnte, wurde ihm auch schon von der Ferne ein Finger entgegen gestreckt. Doch zu hören war nur eine peinliche Stille. Nichts geschah. Nichts rührte sich. "Was? Aber wie kann das sein?", Tenshi drehte sich von dem Dunkelhaarigen weg. //Anscheind haben sie mir nicht nur meine Flügel genommen..// ".. sondern auch all meine engelhaften Fähigkeiten! Das gibt's doch nicht! Jetzt bin ich so nützlich... so nützlich wie ein Mensch!", sagte er schockiert und jammerte, denn eigentlich hatte er vor gehabt den argwöhnischen Dämon mit seiner Zauberei ein klein wenig zu bestrafen. Zunächst hatte Akuma sein Gegenüber verwundert angesehen und gewartet, was jetzt kommen würde, doch als dann nichts geschah, brach er in schallendes Gelächter aus. Die Show, die dieser flügellose Engel hier abzog, war einfach nur zum Wegschmeißen. Erst konnte er nicht fliegen und jetzt nicht einmal das kleinste bisschen Magie anwenden? Was war das denn nur für ein komischer Engel-Verschnitt? "Was, wolltest du mir mit deinem Finger ein Auge ausstechen?", kommentierte er dann kichernd und hielt sich den Bauch. "Sowas dämliches hab ich ja noch nie gesehen! Warte - mach's nochmal!", forderte er anschließend und machte sich weiter über den Engel lustig. Tenshis Wangen hatten derweil ein tiefes Dunkelrot angenommen. Er ballte die Fäuste und drehte sich zu ihm um. Er mochte es überhaupt nicht, wenn man ihn auslachte und schon garnicht wenn dies ein Dämon tat. "Halt die Klappe!", knirschte er mit den Zähnen und nahm seinen Regenschirm, den er beim Reinkommen in eine Ecke gestellt hatte, an sich und schleuderte ihn dem Dämon entgegen. Akuma konnte sich gerade noch so zur Seite beugen, dass der Regenschirm an ihm vorbeisauste und nur die dahinter liegende Wand traf. Währenddessen waren Shouta und seine Eltern schon fast mit dem Ausräumen fertig. Zumindest begann die Mutter bereits die Kartons auszupacken und holte vorwiegend Küchengeräte hervor, um auch gleich etwas leckeres zu kochen. "Ich bleibe jedenfalls hier, ob es dir passt oder nicht", sagte Tenshi noch zu ihm und verschränkte die Arme. Für ihn war die Sache des vorübergehenden Aufenthalts längst geklärt. Er wollte nicht mehr als nötig sagen, denn sein Atem war ihm viel zu schade, um ihn an einem Dämon zu verschwenden. "Was denn? Sag bloß, du fängst jetzt auch noch an zu schmollen", sagte der Dämon dann mit einem Grinsen und beruhigte sich allmählich wieder. So einen Engel hatte er ja noch nie angetroffen. Nicht, dass er schon viele Engel gesehen hätte. Er hielt sich lieber fern von diesen Geschöpfen des Himmels, aber auch die Gesellschaft von Dämonen fand er nicht besonders verlockend. Meist wollte er einfach nur seine Ruhe haben und alleine sein. Aber vielleicht wurde es mit diesem ungewöhnlichen Engel doch noch ganz lustig, und falls er sich da täuschen sollte, konnte er ihn immer noch aus dem Haus jagen. Nun trat Akuma wieder nahe an den Engel heran - sehr nahe - und grinste ihm frech ins Gesicht. "Ich will mal nicht so sein. Du kannst im Keller schlafen." Ungläubig starrte ihn der Engel mit seinen meeresblauen Augen an. Im Keller? Hatte er sie noch alle? Womit hatte er das nur verdient? Er öffnete den Mund und wollte widersprechen, belehrte sich aber dann eines Besseren und schloss ihn sogleich wieder. Immerhin hatten sie sich doch jetzt geeinigt, oder? Und das war doch schon mal viel wert, auch wenn er dafür nur im Keller schlafen durfte. Er sah weg und entfernte sich wieder ein Stück von ihm. "Okay...", seufzte er, denn er musste erst einmal verkraften, dass sie nun Mitbewohner in diesem Haus waren und mehr oder weniger miteinander auskommen mussten. //Wahhh~ Diese Vorstellung ist grauenhaft! Das glaubt mir niemand!//, dachte er und runzelte die Stirn. Akuma war richtig überrascht gewesen, dass sich der Engel nicht gegen diese Entscheidung wehrte. //Er hat wohl eingesehen, dass er gegen mich keine Chance hat//, ginste er und widmete sich dann wieder seiner Hauptaufgabe in diesem Haushalt. Nebenan stellte Shoutas Mutter schon mal das Geschirr und den eben zubereiteten Suppentopf auf dem kleinen Wohnzimmertisch. Der kam ihm gerade recht. Geschickt ließ er den Suppentopf mit einer Handbewegung in der Luft schweben, natürlich so, dass es keiner sah, sonst wären sie ja gewarnt. "Aber ich warne dich. Stellst du irgendwas an, das-", Tenshi unterbrach sich selbst, als er Notiz davon nahm, dass der Suppentopf plötzlich an ihm vorbeischwebte - hinüber zu Shouta. Verdutzt sah er den Dämon an. "Das wirst du nicht tun...", daraufhin bekam er nur ein weiteres Grinsen von ihm, doch seine Augen waren immer noch höchst konzentriert auf dem Topf gerichtet. "Wollen wir wetten?", entgegnete er dem Engel. Schon im nächsten Moment befand sich der Topf über Shoutas Kopf und wurde sogleich geleert. Der Junge schrie auf, aus Überraschung und wohl auch aus Schmerz, schließlich war die Suppe ja noch heiß. Seine Wangen wurden rot und fingen regelrecht an zu glühen. Weinend rannte er zu seiner Mutter. Akuma lachte nur bei diesem Schauspiel und ließ den Suppentopf geräuschvoll auf den Boden fallen, so dass dieser auch noch ein paar Dellen abbekam. "Du hast meinem Schützling den Suppentopf übergeschüttet. Das bedeutet Krieg!", schwor er ihm und wühlte in seiner Jackentasche. Er holte schnell eine goldene Uhr mit mehreren Zeigern und merkwürdigen Ziffern hervor. Wenn er schon keine Magie benutzen konnte, so musste er eben auf die technischen Hilfsmittel zurückgreifen. Noch bevor Shouta die Küche erreichte, brachte er mit einem Knopfdruck alles um sich herum - außer den Dämon natürlich - zum Stillstand. Akuma staunte nicht schlecht, als er die Wirkung dieser goldenen Uhr sah. Wohl noch etwas überfordert sah er dem Engel bei seinem Tun zu. Schnell huschte der Blonde in die Küche und bereitete eine neue Suppe vor, dann ging er zurück zum Ort des Geschehens und machte dort alles sauber. Anschließend musste Shouta gereinigt und die Verbrennungen mit einer speziellen Salbe, die er immer bei sich trug, behandelt werden. Den verbeulten Topf konnte er allerdings nicht wieder herrichten und ließ ihn in einem Karton verschwinden, um es so aussehen zu lassen, als sei der Umzug daran schuld gewesen. Gleich würde Shouta nicht mehr wissen, weshalb er zu seiner Mutter gerannt war, aber das war egal, hauptsache ein Großteil war wieder so wie es sein sollte. Er drückte erneuert auf den Knopf und schon lief die Zeit ganz normal weiter. Dann hastete er wieder in den Flur zurück und blieb keuchend vor dem Dämon stehen. "Mach... das... nicht... noch einmal. Hörst du?", Tenshi konnte auch anders, wenn ihm jemand Probleme bereitete. Er würde vor nichts zurückschrecken, wenn es darum ging, Shouta zu beschützen. Dem Dunkelhaarigen gefiel das ganz und garnicht. Da hatte er sich so schön angestrengt und dann funkte ihm dieser Möchtegernengel dazwischen. "Spaßverderber", grummelte Akuma und warf einen kleinen Stapel Kartons um, um sich Luft zu machen. Doch da kam ihm auch schon die nächste Idee, was seine Laune auch gleich wieder verbesserte. Mit einem unschuldigen Lächeln verschwand er ins Wohnzimmer. Allem Anschein nach verhielten sich die Menschen tatsächlich so, als wäre eben nichts passiert. Doch das sollte sich nun ändern. Die ganze Familie hatte sich mittlerweile an den Esstisch gesetzt und begann nun Suppe zu verteilen und zu essen. Der Dämon betrachtete kurz den Tisch, suchte sich dann einen großen Stapel Kartons daneben aus und sah verhängnisvoll zu dem Engel. Tenshi sah ihn fragend an. //Was hat er denn jetzt vor?// "Was passiert denn, wenn ich das nochmal mache?", fragte ihn Akuma, doch ohne auf eine Antwort zu warten, stupste er den Stapel an, welcher sogleich gefährlich zu wackeln begann und schließlich genau auf den Tisch umfiel. Nicht nur, dass Shouta beinahe von den Kisten erschlagen worden wäre, jetzt war auch die neue Suppe im Eimer. Auch die Kartons weichten sich durch das Essen immer mehr auf. Der Tisch sah jetzt ziemlich verwüstet aus, die Menschen waren mit Suppe vollgespritzt und rutschten fluchend vom Tisch zurück. Das gemütliche Essen konnten sie nun vergessen. Schon bald fing ein kleiner Streit zwischen den dreien an. "Wer von euch hat denn die Kartons so hoch gestapelt?!", fing Shoutas Mutter an. "Verdammt! Da sind meine ganzen Aufnahmen drinnen!", beschwerte sich der Vater. "Ich war es nicht! Wirklich nicht!", meinte Shouta und sah beide mit großen Kulleraugen an, da er ja genau neben den Stapel gesessen hatte. Leider war die Situation nun schon so eskaliert, dass Tenshi da nichts großartiges mehr machen konnte. Er seufzte schwer. //Warum immer ich?//, doch statt seine Wut wieder an dem Dämon auszulassen, half er lieber so weit es ging den dreien unbemerkt, die Kartons wieder wegzuschaffen. Nachdem er das geschafft hatte, trat er wieder auf den Dunkelhaarigen zu. "Du wirst es noch bereuen, dass schwöre ich dir! Und merk dir eins: Engel halten immer ihr Wort!" "Ah, so wie sie immer höflich und unschuldig sind?", meinte er daraufhin nur sarkastisch, nachdem er sich die Aufräumaktion belustigt angesehen hatte. "Dann lass mal sehen, Engelchen ohne Flügel und Zauberkraft. Was hast du eigentlich angestellt, dass sie dir alles weggenommen und dich am Arsch der Welt geschickt haben?", fragte er ihn völlig unerwartet. Eigentlich war es ihm ja egal, was den anderen hierher gebracht hatte. Ändern konnte er derzeit so oder so nichts daran. Aber mit der Zeit würde er diesen Engel schon so weit treiben, dass dieser freiwillig das Haus verließ, und die Menschen am besten gleich mit dazu. "Du hast wohl noch nicht sehr viele Engel getroffen, dass du dich immer noch an diese einfachen Klischees hältst?", natürlich waren die meisten Engel höflich und überwiegend unschuldig, doch es gab auch ein paar Ausnahmen, und zu denen gehörte er nun einmal dazu. Außerdem konnte man in der Gegenwart eines Dämons alles außer höflich sein, das war einfach so. //Was erwartet er denn? Dass ich ihn mit Blumen und einer Schachtel Pralinen beglücke?//, dachte er sich und sah ihn verwundert an. Als er dann auf einmal den Grund wissen wollte, weshalb er kein richtiger Engel mehr war, holten ihn die Schreckensbilder von damals ein. Er stellte sich vor dem Fenster und sah hinaus. "Kann dir doch egal sein. Ich möchte nicht darüber reden", immerhin konnte sich sein Gegenüber ja eigentlich vorstellen, dass es nichts gutes war, was er getan hatte. Schließlich wurden bei Kleinigkeiten einem nicht gleich die Flügel herausgerissen. Das °Himmlische Gericht° war da äußerst streng und präzise. Die Familie hatte sich inzwischen wieder zurückgezogen, doch dann hörte Akuma die Stimme der Mutter: "Jetzt komm endlich Shouta! Wir müssen dich noch in der neuen Schule eintragen lassen!", sogleich folgte er der Stimme ins Vorhaus. Stimmt ja, es war ja noch Vormittag. Der Tag hielt also noch viele Überraschungen parat. Er hatte zwar bemerkt, dass der Engel auf seine Anspielung hin, allem Anschein nach an Vergangenes gedacht hatte - wahrscheinlich, wie er zu dieser offensichtlichen Strafe gekommen war - doch was kümmerte ihn das schon? Es konnte nur zu seinem Vorteil sein, wenn der Engel in Gedanken versunken war und er sich inzwischen unbeobachtet bewegen konnte. Jedoch wurde der Blonde durch Shoutas Mutter aus seinen Gedanken gerissen und folgte dem Dämon sogleich, als dieser scheinbar schon wieder irgendetwas anstellen wollte. Seine Mimik, die eben noch betrübt ausgesehen hatte, war jetzt wieder etwas aufgehellter. "Ähm, warte mal!", rief er plötzlich und stellte sich direkt vor ihm. "Willst du mir nicht wenigstens mal dein Haus zeigen? Eine kleine Führung wäre ja wohl nicht zuviel verlangt", eigentlich hatte er kein Interesse daran sich die Wohnung zeigen zu lassen, doch musste er ihn ja irgendwie von seinem Vorhaben abbringen. Mit einem misstrauischen Grummeln sah ihn sein Gegenüber an. Natürlich war ihm klar, dass er ihn nur von Shouta fernhalten wollte, weshalb er den Engel auch gerade zur Seite schieben wollte. Doch dann überlegte er es sich doch noch anders. Draußen war gerade ein Taxi vorgefahren, in welches Mutter und Sohn gerade einstiegen. Doch bevor die Autotür geschlossen wurde, hörte Akuma noch, wie die Mutter die Adresse angab, zu der sie fahren würden. In solchen Momenten war Akuma froh, ein Dämon zu sein und über ein sehr gut ausgeprägtes Hörvermögen zu besitzen. Er war in der Lage Geräusche zu hören, von denen andere Wesen nicht einmal den leisesten Schimmer hatten, dass es sie überhaupt gab. "Also gut, Engelchen. Überredet.", grinste er den Engel dann an. Wenn er ihm jetzt ein wenig das Haus zeigen würde, könnte er den Menschen später einfach und schnell nachfliegen, was für den flügellosen Engel ein Problem werden würde. Schnell schob der Dunkelhaarige ihn durch den Flur auf eine Treppe zu, damit er ihm auch nicht durch einen anderen Trick entwischen konnte. "Ich nehme an, Wohnzimmer und Küche kennst du schon zu genüge. Also werde ich dir mal den ersten Stock zeigen." Zwar war Tenshi offensichtlich erleichtert darüber, dass es sich Akuma nochmal anders überlegt hatte, doch blieb er weiterhin misstrauisch. Auch wenn sich die beiden erst seit einigen Stunden kannten, konnte er schon fast mit absoluter Sicherheit sagen, was im Kopf dieses gemeinen Dämons als nächstes vorging. "Okay, mach das, aber hör auf mich so zu drängeln", sagte er und warf ihm einen grimmigen Blick zu. Im ersten Stock befand sich Shoutas Zimmer und das Schlafzimmer der Eltern sowie ein Bad, das sich aber im zweiten Stock als Gästebad vom Design her nochmal wiederholte. Dann gab es noch einen Balkon und eine kleine Terrasse, die zu einem kreisförmigen Garten hinter dem Haus führte. Im Großen und Ganzen war es ein sehr schönes Haus, das nur ein paar Renovierungen nötig hatte, vor allem von außen. Am Ende der Führung standen die beiden dann im Keller, wo Tenshi zukünftig wohnen sollte. Dort standen überwiegend Gerätschaften für den Haushalt und für den Garten, wie zum Beispiel eine Waschmaschine, ein Trockner, Werkzeuge, Essensvorräte und einige Dekorationen für Ostern, Geburtstage und Weihnachten. Der Keller schien soweit der einzige Raum zu sein, der schon fertig eingeräumt war. Aber der Engel musste zugeben, dass er es sich viel schlimmer vorgestellt hatte, denn dieser Keller hier war eigentlich recht erträglich. Während der kurzen Führung durch das Haus ließ Akuma den Blonden nicht aus den Augen. Wer wusste schon, was in diesem kleinen Kopf so alles vor sich ging? Vielleicht hatte er sich ja denselben Plan zurecht gelegt wie er und wollte sich jeden Moment aus dem Staub machen. Darauf vertrauen, dass er sich ruhig verhalten würde, konnte er jedenfalls nicht. "Ich hoffe, du fühlst dich wohl zwischen dem ganzen Krempel hier", sagte er dann, als sie sich in dem relativ dunklen Keller etwas umsahen. "Und wenn's dir nicht passt, kannst du ja immer noch dorthin zurückgehen, wo du hergekommen bist", meinte er und gab damit zu verstehen, dass ihm das mehr als nur recht war. "Oh, machst du dir etwa Sorgen?", fragte er mit einem ironischen Unterton und lächelte ihn an. Dass es hier im Keller so dunkel war, machte ihm nicht viel aus. Wozu gab es Lichtschalter? Oder Kerzen? Jedenfalls hatte er immer welche dabei. Allgemein trugen Engel immer die merkwürdigsten Sachen mit sich rum. Der Dämon drehte sich um und ging wieder zu den Treppen. "Willst du auch noch in den Garten gehen?", egal, wie die Antwort ausfallen würde, er würde ohnehin nach draußen gehen, und sich dann natürlich vom Acker machen. Daraufhin nickte Tenshi nur zustimmend und verließ mit ihm zusammen den Keller. Der Garten war übermäßig grün, es gab nur wenige Blumen und die großen Bäume, die dort drumherumstanden, ließen ihn ziemlich mickrig wirken. „Wie lange lebst du hier eigentlich schon?“, wollte er plötzlich wissen. Er konnte sich keinen Reim drauf machen, was ihn hierher verschlagen hatte, denn normalerweise waren Dämonen oft in Dreier-Gruppen unterwegs und lebten möglichst in der Nähe ihres Fürsten. Gedanklich musste er mit einem Mal lächeln. Was, wenn auch er so eine Art Ausnahme war? Welch Ironie das dann doch wäre. Eigentlich wollte Akuma genau jetzt losfliegen, doch da der Blonde wieder zu sprechen anfing, musste er noch für ein paar Sekunden ausharren. //Hat er mich das gerade ernsthaft gefragt? Warum sollte ihn das interessieren?//, er sah nur etwas fragend zu ihm und versuchte zu erraten, auf was der Engel hinauswollte. Tenshi bemerkte schnell, dass Akuma ihm noch immer nicht traute, und sah etwas genervt drein. //Starr mich nicht so an und beantworte einfach meine Frage//, dachte er und ließ seinen Blick in eine mit Unkraut übersäte Ecke schweifen. "Hm, keine Ahnung. Ein paar Jahre...", antwortete er dann einfach und erinnerte sich an den Zeitpunkt zurück, als er dieses Haus entdeckt hatte. Um ehrlich zu sein, war es schon etwas länger als einfach nur ein paar Jahre. Er hatte dieses Fleckchen gefunden, wo sonst nur selten Dämonen vorbeikamen und genau das fand er auch so gut daran. Er wollte nichts mehr von diesen hochnäsigen Fürsten wissen oder von deren Gefolgsleuten. Bei dem Gedanken daran, dass er einst auch einmal ein einfacher Mitläufer gewesen war, drehte sich ihm der Magen um. Akuma wollte jetzt wirklich nicht an seine Vergangenheit denken, also schüttelte er diese Gedanken ab und widmete sich wieder der Gegenwart. //Da war doch was... Ach ja!// "Naja, wie dem auch sei...", mit einem kräftigen Flügelschlag schwang er sich in die Luft. "Man sieht sich", verabschiedete er sich mit einem gehässigen Grinsen und stieg höher, um dann Shouta zur Schule zu folgen und sie dort ein bisschen aufzumischen. "Hey, was soll das?! Wo willst du hin?!", rief Tenshi ihm nach, wohl wissend, dass er lange auf eine Antwort warten konnte. Doch ahnte er schon, wohin er des Weges war. //Shouta..//, ging es ihm durch den Kopf und rannte zurück ins Haus. //Wenn ich die Adresse nur wüsste..//, es war wirklich schon mehr als fatal, sich an diesem Ort hier nicht auszukennen. Dann kam ihm plötzlich eine Idee. Schnell rannte er in die Küche und durchsuchte den Papierkorb. Bingo. Dort lag wirklich ein zusammengeknülltes Infoblatt über die Schule. Rasch steckte er es in seine Jackentasche, rannte nach draußen und erblickte ein Fahrrad. „Vergib mir, Gott. Aber es ist für einen guten Zweck“, sagte er, während er zum Himmel emporblickte, dann das Schloss des Fahrrads knackte und losfuhr. //Na warte, wenn ich dich erwische..// Kapitel 3: Schwierige Zeiten ---------------------------- Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck flog Akuma über die Dächer der Stadt hinweg. Er dürfte sich bereits einen schönen Vorsprung herausgeholt haben, aber das sollte ihn nicht dazu veranlassen, langsamer zu fliegen. Mit zwei, drei Flügelschlägen beschleunigte er noch einmal, konnte schon das Schulgebäude erkennen. Es machte sich bezahlt, dass er schon so lange in dieser Stadt war und sich bei seinen Streifzügen alle Orte eingeprägt hatte. Es war also kein Problem für ihn, auf Anhieb zu der genannten Adresse zu finden. //Heimvorteil, sozusagen.// Der Schulhof lag verlassen da, der Unterricht hatte natürlich schon längst angefangen. Doch Shouta würde ja noch nicht bei den anderen Kindern in der Klasse sitzen, denn zuerst musste er sich bei der Schulleitung melden. Der Dämon flog an den vielen Fenstern vorbei und lugte hinein. Schüler. Schüler. Noch mehr Schüler. "Zum Teufel aber auch...", grummelte er und versuchte es im nächsten Stockwerk. Da erblickte er auch schon die gesuchte Person. Shouta stand brav neben seiner Mutter, welche sich gerade mit einer Angestellten unterhielt und Papierkram erledigte. Er sah sich um und entdeckte ein geöffnetes Fenster, durch welches er problemlos einsteigen konnte. "Ach, verdammt!", schimpfte Tenshi, als er sich schon wieder verfahren hatte. Wo war diese Schule denn nur? Er hatte gehofft, dass sie ganz in der Nähe sein würde, doch dem war leider nicht so. //Am besten ich bringe bei der nächsten Gelegenheit einen Peilsender an dem Jungen an...//, schoss es ihm durch den Kopf, denn das hätte ihn auf jeden Fall weiter gebracht. Er blickte über die Menschenmenge, die sich gerade vor ihm ausgebreitet hatte. Gab es hier wenigstens nicht mal einen Engelkollegen, den man befragen konnte? Oder jemand, der so war wie Nagori? Jemand, der wie sie in der Lage war, Engel zu sehen und zu verstehen? Nein, offenbar nicht. Diese besonderen Menschen waren sehr selten. Menschen, die ihr Herz am rechten Fleck hatten und beinahe so rein waren, wie es ein Engel nur sein konnte. Es half alles nichts. Dann musste er eben so weitersuchen. Wenn er gekonnt hätte, hätte er ja auch lieber seine Uhr benutzt, allerdings musste die sich erst einmal wieder aufladen, und das würde erst in den nächsten 72 Stunden passieren. Währenddessen sah sich Akuma zunächst in dem Raum ein wenig um. Tische und Regale waren voll beladen mit Zettel, Ordner und Bücher. In diesem Raum war generell nicht allzu viel Platz. Der Dämon fragte sich gedanklich, wie man nur so einen öden Job ausüben konnte. Den lieben, langen Tag hier drinnen sitzen, sich mit nervigen Kindern rumschlagen und noch nicht mal viel Geld dabei verdienen. Wie konnte auch nur irgendjemand einen solch langweiligen Alltag aushalten? Doch genau deswegen war er ja hier. Um den Tag dieser Menschen ein bisschen zu versüßen. Bei dem Gedanken musste er schmunzeln. "Gut, dann wollen wir mal...", sagte er zu sich selbst und hockte sich schließlich zu dem mit Papier vollgestopften Mülleimer neben Shouta hinab. Er starrte auf das Papier, während er einmal mit den Fingern schnipste. Sogleich bildete sich eine kleine Flamme, welche aber schnell an Größe gewann. Als Shouta den Rauch bemerkte, sprang er erschrocken zur Seite - zum Bedauern seiner Mutter genau auf ihre Füße - und stieß dabei auch noch einen weiteren Stapel Papier in die Flammen. Die Anwesenden sahen sich schon fast panisch um, wussten im ersten Augenblick nicht so recht, was sie tun sollten. Immer mehr Rauch stieg in die Luft auf und erreichte schließlich auch den Brandmelder an der Decke des Büros. Mit einem lauten Schellen ging die Alarmglocke und zeitgleich auch die Löschanlage los, was den dreien nasse Kleidung verschaffte. Akuma lachte belustigt auf, als er die verdatterten Gesichtsausdrücke sah. So langsam kam es dem Blonden vor, als sei er schon durch ganz Tokyo geradelt, denn ihn verließen allmählich die Kräfte, auch Schweiß hatte sich schon auf seiner Stirn gebildet und lief an seinen Haaren herab. Doch dann, aus einer gewissen Entfernung, waren plötzlich viele Kinderstimmen zu hören. Sofort fuhr er in diese Richtung - und tatsächlich! Er hielt direkt vor einem Schulhof an, auf dem das gesuchte Gebäude stand. Er war zwar erleichtert, doch beschlich ihm ein ungutes Gefühl, denn es musste irgendetwas passiert sein, dass die Schüler während des Unterrichts auf dem Schulhof standen. Zur Sicherheit waren die Klassen alle auf dem Schulhof gebracht worden. Inzwischen versuchte die Schulleitung herauszufinden, wer den Brand gelegt hatte, natürlich ohne Erfolg. Tenshi ließ das Fahrrad achtlos auf dem Boden liegen und rannte ins Schulgebäude. Es war nicht schwierig den Ort an dem sich Shouta befand, ausfindig zu machen, da die Stimmen der Erwachsenen deutlich in den Korridoren zu hören waren. Doch betrat er den Raum nicht, sondern blieb direkt davor stehen, um zu lauschen. Nach geschlagenen 15 Minuten war die Löschanlage ausgestellt worden, ebenso dieses nervtötende Klingeln. Die Feuerwehr war bereits davon informiert worden, dass es nur falscher Alarm war, sozusagen. Immerhin war das Feuer wieder gelöscht worden, sowohl durch das darauf prasselnde Wasser als auch den Feuerlöscher, den sich schließlich die Lehrkraft geschnappt hatte. Nun lehnte Akuma grinsend an der Fensterbank und hörte aufmerksam dem kleinen Disput zu. "Was war das?! Wissen Sie eigentlich, wie hoch der Schadensersatz ausfallen wird!? Sämtliche Unterlagen sind durchnässt und unleserlich! Computer benötigen Reperaturen! Der Unterricht wurde unterbrochen und das wird er auch bleiben, bis man in diesem Badehaus wieder trocken ist!", die schneidende Stimme des Schuldirektors hallte von den Wänden wider. Es war eindeutig, dass er einen Sündenbock für dieses ganze Chaos suchte. Die Lehrerin hob jedoch abwehrend ihre Hände. "Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Plötzlich stand der Mülleimer einfach in Flammen", berichtete sie und warf dabei einen Blick zu Shoutas Mutter. "Geben Sie es doch einfach zu, dass sie etwas getan haben!" "Ich!? Wie hätte ich das machen sollen? Ich stand ja noch nicht mal neben dem Mülleimer!", wehrte die Frau ab. "... Das stimmt.", sagte die Lehrerin nun wieder und warf dann einen anklagenden Blick auf Shouta. "Dieser kleine Bengel stand daneben!" Akuma kicherte amüsiert. Shouta sah sie schockiert an. "Was? Sie glauben doch nicht im ernst, dass mein kleiner Shouta dafür verantwortlich ist?!", sagte die Mutter empört. Da war der erste gute Eindruck von dieser Familie schon wieder hin. Schlimmer konnte es doch garnicht mehr kommen, oder? Tenshi seufzte. Was hatte sich Akuma da nur wieder einfallen lassen? "Nun, dann bitte ich Sie doch, dass Sie Ihren Sohn mal durchsuchen", bat sie der Schuldirektor. Jetzt ballte Shoutas Mutter die Fäuste. Wie konnte es dieser Mann nur wagen, sie darum zu bitten ihren eigenen Sohn zu durchsuchen? Doch widersprach sie nicht, sondern tat was ihr geheißen. Sie wollte diese Stelle für Shouta einfach nicht verlieren. Sie suchte und wurde überraschenderweise sogar fündig. "Shouta!", sagte sie noch empörter als vorher und hielt tatsächlich ein Feuerzeug vor seiner Nase. Doch er wusste nichts davon. Er hatte keine Ahnung, dass er so etwas überhaupt in seinen Taschen hatte, aber wie sollte man das den Erwachsenen nun beibringen? Sein ganzer Körper fing mit einem Mal an zu zittern, er schluchzte und verließ dann das Büro im Eiltempo. Als die Tür aufsprang, wurde Tenshi glatt davon getroffen. "Au!", leicht benommen sank er zu Boden, fasste sich aber bald schnell wieder. Er hörte noch wie Shoutas Mutter rief: "Shouta, komm zurück!", dann rappelte er sich wieder auf und folgte seinem Schützling. Diesmal war der Dämon wirklich zu weit gegangen. Akuma wusste, dass er mit dieser Aktion voll ins Schwarze getroffen hatte. Es war sogar alles besser nach Plan verlaufen, als er sich gedacht hatte. Besonders die Sache mit dem Feuerzeug schien alle Anwesenden von der Schuld des Jungen endgültig überzeugt zu haben. Der Dunkelhaarige hätte sich selbst stolz auf die Schulter klopfen können. Als Shouta jedoch das Büro im Eiltempo verlassen hatte, war ihm aufgefallen, dass der Engel doch noch den Weg zur Schule gefunden hatte. //Jaja, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben//, dachte er und grinste, nachdem der Engel von der Tür getroffen worden war. Nun verließ auch Akuma den Raum und folgte den beiden in die Richtung, in welche sie verschwunden waren. Er konnte leises Schluchzen vernehmen und folgte dem Geräusch. Shouta hatte sich in die Jungentoilette verkrochen und hockte dort weinend in einer der Kabinen. "Na, auch endlich hier? Du hast den ganzen Spaß verpasst", sagte er dann mit einem bösartigem und belustigtem Grinsen. Doch Tenshi beachtete ihn erstmal nicht, denn er war gerade damit beschäftigt eine seelische Verbindung mit Shouta aufzubauen. Diese Verbindung ging übers Herz und dafür brauchte er seine Fähigkeiten nicht. "Shouta, hör auf zu weinen", sagte er und das Schluchzen in der Kabine erstarb. Nicht, dass er ihn gehört hätte, aber seine Seele schien auf diese Bitte zu hören. Irgendwie fühlte sich Shouta gleich viel besser, so als hätte ihn gerade jemand getröstet. Jetzt wandte er sich jedoch an Akuma, dessen Gesichtszüge sofort wieder normal wurden, als er diesen ziemlich beunruhigenden Todesblick von ihm sah. Ja, hätte er es gekonnt, hätte er ihn damit glatt getötet. "So, und nun zu dir! Das nennst du also Spaß?!", schnaubte er wütend und krempelte seine Ärmel hoch. "Dann zeige ich dir mal, was ich unter Spaß verstehe!", er ging langsam auf ihn zu und erhob die Fäuste, nur um dann für einen Schlag auszuholen. Da er ja keine magischen Kräfte mehr hatte, musste er ihm eben auf diese Weise zeigen, was er von diesem Streich hielt. Und auch, wenn er auf den ersten Blick nicht wie ein erfahrener Kämpfer aussah, so hatte er doch schon so manchen Bösewicht in die Flucht geschlagen oder gar tödlich verletzt. Nicht zu vergessen war natürlich auch der Mord an Takeru. //Ist der verrückt? Er weiß doch ganz genau, dass er in diesem Zustand keine Chance gegen mich hat!//, dachte der Dunkelhaarige verwundert, ehe er auch schon überrascht zur Seite weichen musste, da ihm sonst wohl eine Faust mitten im Gesicht getroffen hätte. Dieser kleine Engel war mit seinen Fäusten doch etwas schneller, als Akuma sich gedacht hatte, das musste er ihm lassen. Jedoch wich er zurück, hatte er doch keine Lust dazu, sich jetzt mit jemandem zu prügeln, und schon garnicht auf diesem Niveau. Mit den Fäusten - das war doch viel zu altmodisch! "Bist du jetzt völlig durchgedreht!?", meinte er schon fast empört. Gerade erst hatte er noch einen riesen Spaß gehabt und dann kam dieser Engel und musste wieder alles mit seiner Ernsthaftigkeit kaputt machen. "Du hast wirklich nicht den geringsten Sinn für Humor, was?", doch darauf antwortete Tenshi nicht. Das alles hatte doch schon lange nichts mehr mit Spaß zu tun. Als Akuma zurückwich, offenbar nicht scharf darauf sich jetzt mit ihm anzulegen, wurde der Abstand zwischen den beiden wieder größer. Natürlich hatte Tenshi noch nie gegen einen Dämon gekämpft und er wusste auch, dass er mit Fäusten nicht viel ausrichten konnte, dennoch musste er ihm doch irgendwie zeigen, dass er es ernst meinte. Draußen direkt vor der Jungentoilette stand eine große Eiche, und diese hatte sich jemand inzwischen ausgesucht, um die beiden besser beobachten zu können. Langsam spannte derjenige seinen Bogen und richtete die Pfeilspitze genau auf eines der Toilettenfenster. „Was denn? Zu feige gegen einen Engel zu kämpfen?“, provozierte er ihn und stürmte erneuert auf ihn los. Doch just in diesem Augenblick wurde der Pfeil abgeschossen, und kam mit einem zirrenden Geräusch direkt durch's Fenster, allerdings ohne dass es dabei zerbrach. Tenshi erschrak, hielt inne und ließ sich rückwärts fallen, um auszuweichen. //Das war knapp!// Jetzt steckte der goldene Pfeil direkt in der Flieswand. Verwirrt sah er sich nach dessen Besitzer um. //Moment mal. So einen Pfeil kenn' ich doch!//, dachte er dann bei genauerem Hinsehen und hatte den Dämon schon fast völlig vergessen. „Machst du wieder Ärger, Brüderchen?“, plötzlich tauchte eine engelhafte Gestalt vor eine der Kabinen auf. Angesprochener sah sie erschrocken an. „Wahh~ H-Hitomi?!“, er konnte nicht glauben, was er da sah. Seine eigene Schwester stand leibhaftig - in einer Jungentoilette?! „Das ist ein Jungsklo! Was hast du hier zu suchen?!“, fauchte er sie an, während sie nur ungläubig dreinblickte. Was für eine Begrüßung. „Deine Sorgen möchte ich mal haben“, sie ging auf den am Boden sitzenden Tenshi zu und stemmte die Hände in die Hüfte. „Und außerdem... darum geht es doch jetzt garnicht! Wie kannst du dich nur wieder prügeln wollen?! Hast du unsere Familienehre nicht schon genug verletzt?! Du machst wirklich nur Ärger!“, keifte sie zurück. „Der Einzige, der hier Ärger macht, ist der da!“, wieder einmal zeigte er mit dem Finger auf den Dunkelhaarigen. Sie wusste genau, wer hinter ihr stand, weshalb sie sich auch nicht umdrehte. „1. Man zeigt nicht mit dem Finger auf andere Leute, wie oft muss ich dir das eigentlich noch sagen?! Und 2. Akuma tut keiner Fliege was zuleide, damit das klar ist!“, wieder einmal verwirrt sah er abwechselnd beide an. „A-Akuma?“, erst jetzt fiel ihm auf, dass er ja noch garnicht den Namen des Dämons kannte. Irgendwie peinlich. „Ihr kennt euch?“, Hitomi seufzte. „Nicht wirklich. Aber ich und mein Kollege haben ihn öfters mal in Tokyo gesehen, wenn wir auf Mission waren“, erklärte sie ihm. „Aber das ist jetzt egal! Wenn Mutter nur sehen könnte, was du schon wieder alles anstellst. Du weißt, dass ihr bei sowas das Herz bricht!“, jetzt versuchte sie ihn zu manipulieren. „Mutter kann mir doch egal sein“, sagte er gleichgültig und ließ sich nicht von der Ich-drück-auf-die-Tränendrüse-Nummer beeindrucken. „Wie kannst du das nur sagen, Tenshi?! Nach allem, was sie für dich getan hat?!“, schrie sie empört und schüttelte ihren Bruder heftig durch. „Du vergisst, dass ich immer noch 83 potenzielle Väter habe! Und jetzt hör auf, mir wird schon ganz schlecht!“ Akuma konnte zunächst garnicht glauben, was sich da vor seinen Augen abspielte. Was hatte denn Hitomi hier zu suchen? Noch dazu sah es durch ihr Eingreifen jetzt so aus, als hätte er die Hilfe eines Engels nötig gehabt. //Pah! Moment, der da ist der Bruder von Hitomi?!//, er konnte garnicht fassen, was er da gerade hörte. Erst recht nicht, als sie so aus dem Nähkästchen über ihn plauderte. Wie kam sie eigentlich dazu zu sagen, er könne keiner Fliege was zuleide tun?! "He, es bringt Unglück, so etwas ausgerechnet über einen Dämon zu sagen, Hitomi", warf er tadelnd mit einem bösen Blick ein. Vor allem für Akuma, wenn andere Dämonen davon hören sollten. Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie sie ihn dann aufsuchen würden um dieser Schande der Dämonenwelt den Garaus zu machen. Ungebetene Gäste, die ihn bis jetzt überwiegend in Ruhe gelassen hatten und über die sich Akuma nur ärgern würde. Andererseits hatte Hitomi nicht ganz Unrecht mit ihrer Behauptung. Bis auf einige Streiche hatte er sich von den Menschen immer fern gehalten und das mit Shouta war einfach was anderes. Immerhin wurde er durch den Einzug dieser Menschenfamilie fast aus seinem Zuhause verscheucht. Das würde er natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Doch noch nie hatte er einen Menschen getötet oder ihm schlimmes Leid zugefügt. Das wäre wohl anders, wenn Akuma sich damals nicht von allem losgesagt hätte. Damals, als er noch einem großen und mächtigen Fürsten als rechte Hand gedient hatte. Er fragte sich, wie viel Hitomi inzwischen schon über ihn rausgefunden hatte. Über ihn und seinen Verrat an der Dämonenwelt. Was auch immer sie wusste, hoffentlich würde sie es nicht überall herumerzählen. Als Akuma noch weiter diesem Gespräch lauschte, erfuhr er unter anderem auch den Namen des flügellosen Engels - Tenshi - und ein wenig über die Familienverhältnisse, was ihn aber nicht wirklich interessierte. Dennoch fragte er sich, was Tenshi wohl verbrochen hatte, dass Hitomi ihn bei diesem Kampf gestoppt hatte und ihn an die zu zerbrechen drohende Familienehre erinnerte. Was auch immer es war, es wurde nicht auf die leichte Schulter genommen. Nach einigen Sekunden des reglosen Dastehens und Beobachtens fiel ihm etwas auf. Die ganze Atmosphäre hatte sich durch Hitomis Auftritt schlagartig verändert. Die Anspannung war weg. An sich war das eigentlich eine gute Sache. Akuma räusperte sich nun, um die Aufmerksamkeit der beiden Engel auf sich zu lenken und verschränkte die Arme vor seiner Brust. "Entschuldigt, dass ich euch bei eurem kleinen Familiendisput unterbreche, aber... dauert das hier noch lange? Ich habe nämlich keine Lust dazu, mir euren Streit noch länger anzuhören. Da bekommt man ja noch Kopfschmerzen." „Das tut doch jetzt überhaupt nichts zur Sache! Mutter ist halt sehr beliebt, dagegen hast du doch wohl nichts auszusetzen?!“, hatte sie ihm noch gesagt und ließ ihn los, wobei er keinen Halt mehr fand und zu Boden fiel. Alles drehte sich um ihn herum, weshalb er erstmal einen Augenblick brauchte, um sich wieder aufrecht zu setzen. „Oh, natürlich. Verzeih, Akuma“, sagte sie nun an ihm gewandt und lächelte. Sie war bis eben noch so auf ihren Bruder fixiert, dass sie den Dämon ebenfalls schon fast wieder vergessen hatte. „Sag mal, warum hast du denn jetzt die Pfeile von Amor?“, fragte Tenshi sie und zog den Pfeil wieder heraus, um ihn sich genauer anzusehen. „Dreimal darfst du raten, Brüderchen“, die Augen des Blonden weiteten sich. „Sag bloß..?! Du bist zum Liebesengel befördert worden?!“, Hitomi nickte und kicherte dabei. Als Akuma das hörte, hätte er laut loslachen können. Darauf würde man nie schließen, wenn man daran dachte, dass sie ihren Bruder gerade noch durchgeschüttelt hatte oder ihn beinahe mit einem Pfeil abgeschossen hätte. „Cool, oder?“, doch ihr Bruder streckte ihr empört den Pfeil entgegen. „Cool? Weißt du, was passiert wäre, wenn mich dieses Ding getroffen hätte?!“, seine Schwester winkte ab. „Sowas kann 'nem Single wie dir nicht passieren. Das funktioniert nur bei Verliebten“, beruhigte sie ihn. Jetzt wo der Dämon so darüber nachdachte, war er recht erleichtert, dass dieser Liebespfeil Tenshi nicht getroffen hatte. Auch wenn Hitomi sagte, dass er nur bei Verliebten wirkte, man konnte ja schließlich nie wissen, welche Nebenwirkungen solche Dinger hatten und er wollte den Blonden auf keinen Fall wie ein Schoßhündchen an seinen Fersen kleben haben. „Und bald werde ich mir auch meinen Heiligenschein verdienen. Das ist etwas, wovon du momentan nur träumen kannst“, sagte sie mit einem überheblichen Unterton. „Wart's ab! Ich werde ihn noch vor dir kriegen!“, er war aufgestanden und sah sie entschlossen an. „Wenn du meinst“, seufzte sie, „Aber das geht nicht, solange du dich hier so wie Satan aufführst“, mahnte sie ihn, wobei er sich sofort wieder hinsetzte, auch die Arme verschränkte und beleidigt dreinsah. Plötzlich wurde Hitomi ganz ernst. „Wie auch immer, ich bin nicht hier, um Mutter zu ersetzen. Ich habe gehört was passieren wird, wenn du's nicht schaffen solltest und mir halt Sorgen gemacht. Das Übliche, du kennst mich ja“, den letzten Satz murmelte sie nur so vor sich hin. Also wusste sie es nun auch. Wie gern hätte Tenshi sie jetzt getröstet, doch leider war er dafür gerade nicht in Stimmung und die passenden Worte ließen sich jetzt auch nicht so schnell finden. „Hey, das ist doch dein erster Arbeitstag, nicht? Also warum ziehst du so 'n Gesicht? So kannst den vielen Pärchen mit deinen Liebespfeilen doch nicht glücklich machen“, er stand wieder auf und zeigte ihr ein breites Grinsen. „Akuma und ich werden jetzt wieder nach Hause gehen und auf Shouta warten. Du wirst sehen, ich werde ein vorbildlicher Engel sein“, er ging an ihr vorbei, packte Akumas Arm und zog ihn mit nach draußen, ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen. Er wusste, dass sie jetzt einen Moment für sich brauchte. Er hätte dennoch nie damit gerechnet, dass seine Familie so sehr unter diesem Vorfall zu leiden hatte. Eigentlich wäre der Dunkelhaarige bei dieser Gefühlsduselei schon von selbst abgehauen, doch der Engel kam ihm da zuvor und schleifte ihn mit nach draußen. Erst nach einigen Metern den Gang entlang riss sich Akuma unsanft los. "Lass los! Warum glaubst du eigentlich, dass ich mit dir mitgehe?", er sah ihn aufgebracht an. „Tenshi...“, flüsterte Hitomi währendessen nur und sah wie Shouta langsam die Kabine verließ. Anscheind hatte er sich nun endlich wieder beruhigt. //Ahja, das ist also sein Schützling. Kann mir eigentlich garnicht vorstellen, dass er solche Probleme mit ihm haben soll//, dachte sie, zeigte wieder ihr typisches Lächeln und verschwand dann in einem Meer von Engelsfedern. Irgendwie musste es ja nun weitergehen, und sie wusste, dass es nicht viel half, wenn sie andauernd vor ihrem Bruder den Kopf hängen ließ. Derweil auf dem Flur. Tenshi ließ seinen unfreiwilligen Begleiter einige Meter hinter sich stehen und unterbrach die Stille erst nach etwa einer Minute. „Du willst wirklich wissen, warum ich das glaube?“, ein unheilvolles Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Er drehte sich triumphierend zu ihm um. „Dein Name... ist mir jetzt schon viel wert, weißt du? Vor allem, wenn ich ihn in der Gegenwart anderer Dämonen ausspreche und ihnen erzähle, was für ein gutmütiges Geschöpf sich dahinter doch verbirgt...“, sein Grinsen wurde noch breiter, denn es fühlte sich im Augenblick einfach zu gut an, endlich mal die Fäden in den Händen zu halten, und diesem vorlauten Dämon ein Ultimatum stellen zu können. Akuma überkam eine Gänsehaut, als Tenshi ihm mit diesen Worten drohte und sein Unwohlsein konnte man wohl auch in seinem Gesicht wiedererkennen. So hätte er den Engel nicht eingeschätzt und es missfiel ihm sehr, wie sich die Dinge zu entwickeln drohten. Das Letzte, was Akuma wollte, war, dass ihn jemand mit einem kleinen Druckmittel in die Enge treiben und kontrollieren konnte. Da hatte sich Tenshi wirklich mal ein gutes Argument einfallen lassen. Doch sollte er sich nicht zu früh freuen. "Ich würde gut darüber nachdenken, bevor du durch die Straßen läufst und das herumerzählst. Immerhin werde ich immer in der Nähe deines lieben Schützlings sein. Er könnte da leicht mit hineingezogen werden. Du weißt ja, Dämonen schrecken vor nichts zurück...", antwortete er nun grinsend darauf und fühlte sich gleich wieder ein Stück sicherer. Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und holte die paar Meter zu Tenshi mit gemächlichen Schritten auf. "Verstanden, Tenshi?" Kapitel 4: Zeit für Veränderung ------------------------------- Sofort fiel dieses gute Gefühl wieder von ihm ab und zerrte ihn zurück in die grausame Realität. Stimmt ja, Shouta war ja auch noch da. Wie konnte er den Kleinen auch nur für eine Sekunde vergessen? Aber dass ihm der Dämon ausgerechnet damit drohte, war mehr als einfach nur dreist. Doch natürlich durfte er das Leben seines Schützlings nicht riskieren, weshalb er auch jetzt lieber wieder den Kürzeren zog. Er nahm sich die Worte seiner Schwester ganz einfach zu Herzen und reagierte so, wie er es auch früher getan hätte, wo er noch nicht so verbittert und aggressiv war. Er nahm es mit Gelassenheit. „Du bist wirklich gerissen, das muss man dir lassen“, sein Grinsen erstarb allmählich, doch wurden seine Mundwinkel sogleich wieder angespannt, als ihm plötzlich eine blöde Idee kam. //Bin mal gespannt, wie er darauf reagiert. Er denkt wohl wirklich, ich könnte ihm keine weiteren Drohungen mehr an den Kopf werfen...//, dachte er belustigt und zog etwas goldenes aus seiner Tasche - und das war ganz bestimmt nicht die Uhr. „Weißt du, ich würde wirklich zu gern wissen, ob nicht doch etwas passiert, wenn ich diesen Pfeil in meine Brust lasse, du nicht auch?“, fragte er ihn und spielte den naiven, unschuldigen Engel. Immer wieder ließ er seinen Finger gegen die Pfeilspitze schlagen, während er dabei auf Akumas Reaktion wartete. Der Dämon blickte misstrauisch zu ihm. ////Was hat er denn schon wieder vor? Er wird doch nicht~//, der Engel spielte mit dieser goldenen Waffe, was ihn zutiefst beunruhigte. //Verdammt! Wieso muss Hitomi ihre Sachen immer rumliegen lassen?!//, verfluchte er den unordentlichen Liebesengel in Gedanken. In dem einen Moment wollte Akuma auf ihn zuspringen und ihm den Pfeil wegnehmen, doch schon im nächsten schreckte er unweigerlich ein wenig zurück, als Tenshi abermals auf die Pfeilspitze tippte. Hin und hergerissen wusste Akuma nicht so recht, was er jetzt am besten tun sollte. Dank dieses inneren Zwiespalts kam er sich wie der letzte Idiot vor und er starrte wütend zu dem Blonden, ballte seine Hände zu Fäusten. "Du bist verrückt, weißt du das? So ein idiotischer Engel wie du, ist mir noch nie untergekommen!", grummelte er mit einem grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht. Diese Runde ging wohl an den Engel, doch Akuma war wild entschlossen, sich dafür zu revangieren. Doch um das Ganze noch etwas weiter auf die Spitze zu treiben, setzte er den Engelsblick auf und sah ihn mit großen Kulleraugen an. „Aber Akuma-chan, haben wir denn jetzt unseren Humor verloren?“, er verniedlichte einfach noch seinen Namen, um dem noch die Krone aufzusetzen. Endlich hatte er seinen ersten Triumph erzielt, und vor allem war es sehr interessant zu sehen, dass man ihn mit so einfachen und eher niveaulosen Dingen klein kriegen konnte. Er lächelte nur noch mehr, als sein Gegenüber meinte, er wäre verrückt. Verrückt. Vielleicht stimmte das sogar? Wie normal war er nach diesem schicksalhaften Vorfall eigentlich noch? Er musste zugeben, dass er sich manchmal selbst nicht wiedererkannt hatte. „Also, kommst du nun mit, ja?“, jetzt hatte er sich einigermaßen wieder eingekriegt, doch umfasste er immer noch den Pfeil mit festem Griff. „Komm schon, wenigstens heute. Ich bin total erschöpft und brauch 'ne Pause. Das war viel zu viel für einen Tag. Außerdem könnte ich mal was zwischen den Zähnen gebrauchen, und du hast bestimmt auch noch nichts gegessen, oder?“ Dieser Ausdruck in Tenshis Gesicht hatte ihn schier zur Weißglut gebracht. Er wusste genau, dass er Akuma überlegen war und nutzte dies schamlos aus. Oja, und wenn er sich nicht unter Kontrolle hätte halten können, wäre duch seine dämonischen Kräfte schon das ganze Schulgebäude in Schutt und Asche zerfallen. Doch zumindest sein letztes bisschen Würde wollte er sich noch bewahren und hielt sich zurück. //Was denn! ER braucht eine Pause? ICH bin hier doch das Opfer! Was ist mit meiner Pause und mit meiner Ruhe?!//, fragte er sich in Gedanken, musste sich aber auch eingestehen, dass selbst er langsam Hunger bekam. Resignierend atmete er geräuschvoll aus und fuhr sich mit einer Hand durch sein rabenschwarzes Haar. "Pah! Mach doch, was du willst!", blaffte er schließlich und drehte sich auf dem Absatz um. Der Dunkelhaarige öffnete ein Fenster auf dem Gang, ehe er auf das Fensterbrett sprang, nach draußen blickte, und den Engel nicht weiter beachtete. So hatte Tenshi den Dämon bisher wirklich noch nie erlebt. Dass er das überhaupt schon von sich behaupten konnte, obwohl sie sich gerade mal einen halben Tag lang kannten, war doch irgendwie schon erstaunlich. Aber immerhin wusste Akuma nun in etwa, wie es ihm immer ging, wenn er seine Späße mit ihm trieb. Ob ihm das widerum klar war, konnte er nicht genau sagen, war ihm aber auch ziemlich egal. Er wollte jedenfalls jetzt etwas essen. Die Schnell-Imbiss-Bude, die er vorhin durch seine kleine unfreiwillige Tour entdeckt hatte, wäre jetzt genau das Richtige. Er steckte den Pfeil wieder weg, sah noch einmal zum Dunkelhaarigen und entfernte sich allmählich von ihm. Lieber hätte er jetzt wenigstens für heute eine Art Waffenstillstand gehabt, denn dicke Luft konnte er nun wirklich nicht mehr gebrauchen. Es war an der Zeit wieder die innere Ruhe zu finden, wieder zu dem Tenshi zu werden, den er vor 6 Monaten noch verkörpert hatte. „Und du willst wirklich nicht mit? Ich bezahl auch“, versuchte er es noch einmal und hielt inne, ohne ihn jedoch dabei anzusehen. Hoffentlich interpretierte er da nichts falsches hinein, auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass Akuma jetzt lieber allein sein wollte. Währenddessen war Shouta wieder aus der Jungentoilette herausgekommen, seine Mutter, der Schuldirektor sowie die Angestellte, hatten sich bei ihm entschuldigt und erklärt, dass das Feuerzeug seinem Vater gehörte und er es wohl versehentlich in die Jackentasche seines Sohnes gepackt hatte und der Brand deshalb nicht seine Schuld gewesen war. Somit war die Sache erst einmal wieder geklärt. Der Unterricht lief ganz normal weiter und die Anmeldung wurde fortgesetzt. Akuma dachte über dieses Angebot nach, konnte darüber aber nur leise lachen. Tenshi wollte anscheinend einen Waffenstillstand, so vermutete er. Oder war es einer von seinen Tricks? Allerdings machte der Engel nicht den Eindruck auf ihn, dass er einen Hintergedanken bei dem Ganzen hatte. Doch zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern, da er sowieso ablehnen würde. "Bist du bescheuert? Ich klau mir natürlich was!", sagte er mit einem frechen Grinsen, als ob er seine Ehre als Dämon bewahren müsste, und warf ihm noch einen letzten Blick über die Schulter zu. Wo kam er denn da hin, wenn er jetzt auch noch gemeinsam mit einem Engel essen gehen würde und dafür auch noch brav bezahlte? Tenshi erwartete eindeutig zu viel gute Taten von ihm. Mit einem Satz sprang er aus dem Fenster und flog los. "Man sieht sich dann Zuhause, nicht wahr? Ach ja, und vergiss nicht, dass Shouta sicher schon vor dir Zuhause sein wird. Also würde ich mir an deiner Stelle nicht allzu viel Zeit beim Essen lassen, sonst könnte mir noch langweilig werden...", gab er mit seinem Dauergrinsen zu verstehen, dass er auch weiterhin nicht von Shouta ablassen würde. Nach dieser letzten Warnung, flog er endgültig davon. Tenshi hatte sich irgendwie schon gedacht, dass er nicht mit ihm mitgehen würde. Schön, dann sollte er es eben bleiben lassen. Konnte ihm doch egal sein. Er warf noch einen kurzen Blick aus dem Fenster, nachdem dieser davongeflogen war und ging dann anschließend die Treppen hinunter. Natürlich war es mehr als bescheuert gewesen, zu erwarten, dass Akuma mal etwas vernünftiges tat. Aber so waren nun mal alle Engel, sie glaubten ständig an das Gute - in jedem Lebewesen - genauso, wie es ihnen ihr Gott immer gepredigt hatte. Endlich in der Imbissbude angekommen, konnte er sich kaum für eine Sache entscheiden. Es gab so vieles, das er sich am liebsten alles auf einmal in den Mund geschoben hätte. Er setzte sich in eine Ecke, die überwiegend von Pflanzen bedeckt war, um nicht so sehr aufzufallen. Schließlich konnte Essen nicht schweben, geschweige denn einfach nach und nach verschwinden. Das mit dem Fahrrad war ja auch riskant gewesen. Sicherlich hatte es einige Menschen gegeben, die verdutzt stehen geblieben waren und das Fahrrad ohne Besitzer gesehen hatten. Eigentlich konnte man ihn schon fast mit einem Geist vergleichen. Die Zeit verging wie im Flug, und als er auf die Uhr sah, stockte ihm mit einem Mal der Atem. Es war schon fast 17.00 Uhr! Shouta war sicherlich schon vor drei Stunden wieder heimgekommen. Gleichzeitig erinnerte er sich an Akumas Worte. „Oh nein!“, er ahnte schlimmes. Hoffentlich ging es Shouta gut. Sofort erhob er sich, bezahlte und stürmte dann nach draußen. Er rannte den ganzen Weg und war deshalb auch völlig außer Atem, als er endlich wieder Zuhause ankam. Behutsam legte er die Hand auf den Knauf und öffnete die Haustür... ~Zeitsprung (vor 3 Stunden)~ Akuma stibitzte sich bei einem Schnellimbiss ein Stück Pizza, setzte sich damit unbeobachtet auf einen Baum im einem der vielen Parks dieser Stadt, und genoss sein kleines Mahl. Hinter dem grünen Blätterwerk konnte er essen, ohne dass irgendein Mensch etwas ungewöhnliches wie eine fliegende Pizza sehen konnte. Währenddessen beobachtete er die Menschen, die durch den Park gingen. Junge, alte, große und kleine. Hier schien ja ein richtiger Treffpunkt für die Menschen zu sein. Doch ihn interessierte das nicht wirklich, weshalb er auch nicht sonderlich lange auf dem Ast sitzen blieb. Stattdessen flog er wieder zurück zum Haus, stieg über die Dachluke ins Innere. Shouta war mit seiner Mutter immer noch nicht zurückgekommen und der Vater schien in die Arbeit gefahren zu sein. Akuma machte sich bewusst, dass es eine solche Stille wie gerade eben jetzt nicht mehr so oft geben würde. Deshalb strich er erst einmal ziellos durch das Haus, sah sich die Zimmer an, wie sie durch die Menschen verändert wurden. Ihm gefiel das alles immer noch nicht, aber was sollte er jetzt schon noch dagegen tun? Er seufzte, ehe er in Shoutas Zimmer ging. Der Junge hatte immer noch nicht alle seine Sachen aus den Kartons ausgepackt. Als der Dämon die Kisten so betrachtete, kam ihm plötzlich eine Idee. Er huschte durch das gesamte Haus und dann in den Garten auf der Suche nach seinen vielbeinigen Freunden - Käfer, Spinnen, Tausendfüßler. Alles, was er an krabbeligen Tieren finden konnte, nahm er mit, ging dann wieder zurück in Shoutas Zimmer und setzte die Tierchen in den Kiste ab, verschloss diese auch wieder. Dann machte er sich noch an Shoutas Schreibtischstuhl zu schaffen, lockerte einige Schrauben, sodass er selbst bei einer kleinen Berührung gefährlich wackelte. Akuma grinste belustigt, als er auch schon unten im Haus die Eingangstüre hörte, ebenso die Stimme von Shouta und dessen Mutter. "Gut, der Spaß kann beginnen", nickte er zufrieden und gesellte sich zu dem Jungen. Allerdings dauerte es eine Weile, bis er sich endlich - auf die Bitte seiner Mutter - auf den Weg in sein Zimmer machte, um seine restlichen Sachen auszupacken. Gezwungenermaßen machte er sich also ans Werk, hob die erste Kiste vom Boden und öffnete sie. Sogleich warf er sie mit einem kurzen Aufschrei von sich, als er das ganze Ungeziefer darin erblickte. Der Inhalt der Kiste verstreute sich über dem Boden, während der Junge zurücktaumelte und über eine Tasche stolperte, welche der Dämon noch schnell dorthin geschoben hatte. Die vielbeinigen Tierchen - nun endlich befreit - krabbelten in alle Richtungen, auch zu Shouta. Dieser wollte sich auf den Stuhl setzen und somit in Sicherheit bringen, welcher allerdings bei der plötzlichen Belastung in sich zusammenbrach. Mit einem lauten Krachen und einem Ausruf der Überraschung plumpste er zu Boden, sah völlig geschockt und desorientiert aus der Wäsche, was den Dunkelhaarigen nun endgültig zum Lachen gebracht hatte. Nachdem Tenshi die Haustür geschlossen hatte, kam Shouta auch schon schreiend die Treppe hinuntergerannt. Er lief in die Küche und achtete nicht darauf gegen wen er dabei lief. „Shouta!“, rief seine Mutter, doch kam jede Warnung zu spät und die beiden stießen mit einem lauten Scheppern zusammen. Die Mutter hatte gerade das teure Porzellangeschirr in der Hand gehabt und nun war nicht mehr viel davon übrig. Überall lagen Scherben auf dem Boden, in die Shouta auch noch teilweise trat, als er versuchte wieder aufzustehen. Der Engel vergrub genervt das Gesicht in den Händen. //Das kann doch nicht wahr sein...//, dachte er und blickte auf, als der Vater noch hinzukam. „Um Himmels Willen!“, begann er. //Ja, das hätte ich auch nicht besser formulieren können//, meinte der Engel still in Gedanken. „Was ist hier los?! Shouta! Was hast du schon wieder angestellt?! Hast du überhaupt eine Ahnung wie wertvoll das Geschirr war?!“, schnaubte er wütend, packte den Jungen grob am Arm und zog ihn richtig hoch. „Dafür gibt es eine Woche Stubenarrest, mein Junge!“, sein Sohn sah ihn daraufhin flehend an. „Meinst du nicht, dass das jetzt ein bisschen zu hart ist? Immerhin war es nur ein Unfall“, mischte sich nun seine Mutter ein. „Zu hart? Dass ich nicht lache! Das ist noch recht großzügig von mir, Hanna. Normalerweise hätte er dafür einen Monat bekommen!“ Erst jetzt viel dem Engel auf, wie streng Shoutas Vater doch war, denn bisher war dieser eigentlich immer recht ruhig und gelassen gewesen, und hatte sich generell stets im Hintergrund gehalten. Wie sehr man sich doch täuschen konnte. „Akuma, was hast du wieder gemacht?“, fragte er ihn, als er ihn schon kommen hörte. Nur dieses Mal hielt er sich zurück und fiel ihn nicht gleich wieder an wie ein wildes Tier. Der Dämon zeigte wieder einmal sein breites Grinsen, als er die Treppen hinunterging und dann auch den Blonden bemerkte. Der Engel hatte sich ziemlich viel Zeit gelassen, wenn man daran dachte, was er in der Zwischenzeit so alles getan hatte. "Ich habe nur ein paar Spinnen ein neues Zuhause gegeben. Wer konnte denn ahnen, dass sich Shouta nicht darüber freuen würde?", sprach er unschuldig. Er sah ihn mit einem Blick an, der so viel bedeutete wie: Selber schuld, wenn du so trödelst und nicht rechtzeitig wieder da bist. Tenshi schüttelte den Kopf. „Mich wundert es, dass du nicht gleich ein paar Krokodile reingesetzt hast“, sagte er daraufhin nur und versuchte das Ganze nicht so tragisch zu sehen. Ändern konnte er an der ganzen Situation eh nichts mehr. Schließlich konnte er nicht die Zeit zurückdrehen und den Schaden ungeschehen machen. Inzwischen war es draußen schon dunkler geworden. Es grenzte wirklich schon fast an ein Wunder, dass er diesen chaotischen Tag bald hinter sich gebracht hatte. Während die Mutter dem Vater nicht weiter widersprach und brav alles auffegte, brachte er seinen Sohn erstmal zurück ins Zimmer, um die ganzen Tiere, von denen Shouta ihm eben noch erzählt hatte, wieder hinauszubringen. Doch ob sie sie alle finden würden? Sicherlich würden sie spätestens in der Nacht merken, ob ihnen nicht doch noch eins ins Bettchen gekrabbelt war. Der Engel streckte sich genüsslich. „Tja, die Pause hat mir halt so gut getan, dass ich völlig die Zeit vergessen habe“, er lachte leise, erschrak dann aber selbst ein wenig, als er merkte, wie ruhig und ausgeglichen er doch gerade war. Akuma war ebenfalls richtig verwundert, dass sich Tenshi nicht mehr darüber aufregte. Immerhin hätte er ihm noch vor einigen Stunden in der Schule den Kopf abgerissen, und dieses Chaos störte ihn nicht? //Was ist denn mit ihm los?//, fragte er sich. Wer konnte Engel schon richtig verstehen? Dennoch wurmte es ihn, schließlich war Tenshi doch sonst nicht so, jedenfalls von dem her, was Akuma bis jetzt von ihm gesehen hatte. Vorsichtig trat er näher an den Engel heran, beugte sich dicht vor sein Gesicht und musterte ihn forschend mit einem undeutbaren Blick. Er sah Tenshi in die Augen und versuchte, in ihnen etwas Aufschlussreiches zu entdecken. Unbewegt stand er einige Sekunden so da. "Sag mal, geht´s dir noch gut? Bist du krank?", fragte er dann misstrauisch. "Können Engel überhaupt krank werden?", setzte er dann noch verwirrt nach. Irgendwie brachte das alles Akuma gerade durcheinander, auch wenn er nicht wusste, warum. "Damit eins klar ist! Der Hund zu deinem 15. Geburtstag ist gestrichen!", konnte man von oben Shoutas Vater schreien hören, der allem Anschein nach immer noch aufbrausend und wohl nicht so schnell wieder zu besänftigen war. Er dachte wohl, sein Sohn hätte diese Viecher mit ins Haus geschleppt, um sie als Haustiere zu halten. Doch das interessierte Tenshi nicht im geringsten. Jedenfalls jetzt nicht. Er musste erstmal die Reaktion seines Gegenübers realisieren. Hatte der Dunkelhaarige denn immer noch nicht begriffen, dass er sich ändern musste, um wieder als vollwertiger Engel akzeptiert zu werden? Und dafür würde er sogar versuchen mit IHM auszukommen, egal wie. Allerdings passte ihm das ganz und granicht, dass der Dämon seinem Gesicht jetzt schon wieder so nahe war. Er hatte dabei so ein komisches Gefühl in der Magengegend und das war alles andere als angenehm. "W-was starrst du denn so? Ich bin nicht krank", doch je länger diese dunkle Augen in seine stachen, wurde ihm zunehmend unwohler. Vielleicht konnte man ja krank werden, wenn man darüber sprach? Als er dann noch die Frage stellte, ob das überhaupt möglich war, setzte sein Gehirn irgendwie aus. //Hä? Keine Ahnung... Ich... Och, jetzt bin ich genauso verwirrt!//, dachte er und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Der Tag hatte ihn wohl mehr geschafft, als er es je vermutet hätte. Akuma sah ihn noch eine Weile so an mit einem leicht zweifelndem Ausdruck im Gesicht. Nicht, dass er Tenshi nicht glaubte. Es beschäftigte ihn wohl eher die Frage, warum er Tenshi überhaupt nach seinem Wohlbefinden gefragt hatte. Was war es sein Problem, wenn dieser Engel nicht ganz bei Sinnen war? Er betrachtete den Engel noch kurz, der nun ebenso verwirrt zu sein schien. Schließlich schloss der Dämon die Augen und wandte sich von ihm wieder ab, schüttelte leicht den Kopf, um all diese Gedanken loszuwerden. Er brauchte unbedingt etwas Schlaf damit er wieder klare Gedanken fassen konnte. Kein Wunder, heute Morgen war er ja durch diese unerwünschten Menschen geweckt und um seinen wohlverdienten Schlaf gebracht worden. Er streckte sich genüsslich und gähnte leicht, als er wieder Richtung Treppe ging, ohne noch ein Wort zu dem Blonden zu sagen. Er sollte diesem Engel eindeutig nicht so viel Beachtung schenken. Heute würde er nicht auf dem Dachboden schlafen, wie er es letzte Nacht getan hatte, denn bei seinem kleinen Rundgang durchs Haus hatte er nämlich bemerkt, dass die Familie auch ein Gästezimmer eingerichtet hatte und das würde er jetzt auch ausnutzen. //Was sollte das denn gerade?//, fragte Tenshi sich und sah ihm noch für eine Weile verwundert nach. Dann zuckte er nur mit den Achseln und machte es sich auf einem Stuhl in der Küche bequem. Ab und zu spürte er den Wind, den Shoutas Mutter machte, wenn sie an ihm vorbeihuschte, viel zu beschäftigt, um überhaupt ans Ausruhen zu denken. Der Engel atmete tief durch, jetzt wo er zur Ruhe gekommen war, fing sein Gehirn gleich wieder an, auf Hochtouren zu arbeiten. Eigentlich konnte ihm dieser Dämon ja sowas von egal sein, aber irgendwie wusste er, dass das so nicht funktionieren würde. Wenn er von nun an hier lebte, musste er ja mit ihm auskommen und da war der Weg der Gleichgültigkeit und Ignoranz auf jeden Fall der falsche. Aber wie sollte man das anstellen, ohne ihm gleich auf die Nerven zu gehen? //Argh! Ich werd' noch wahnsinnig vom ganzen Denken!//, er raufte sich die Haare und warf dann nebenbei einen Blick auf die Uhr. Jetzt hatte er doch tatsächlich Stunden hier gesessen und sich Gedanken gemacht! Dass Shoutas Mutter längst nicht mehr in der Küche herumwuselte, war ihm ebenfalls garnicht aufgefallen. Nun da alle scheinbar schliefen, konnte er sich ja ins Badezimmer schleichen und erstmal ein ausgiebiges Bad nehmen. Als er sich auszog und sich dabei im Spiegel betrachtete, drehte er sich um und sah jetzt zum ersten Mal die 30cm langen Narben auf seinem Rücken, wo vorher seine Flügel gewesen waren. //Ob die verschwinden, wenn ich neue kriege?//, ging es ihm durch den Kopf, bevor er dann behutsam in die Wanne stieg. Er legte sich halb auf die Kante der Wanne und vergrub das Gesicht in den Händen. „Was für ein Tag...“, seufzte er mit gedämpfter Stimme. Und er wusste, es würden noch viele weitere folgen... Kapitel 5: Vergangenes ---------------------- Akuma hatte es sich auf dem Bett im Gästezimmer gemütlich gemacht. Er hatte schon lange keine solch warme und weiche Unterlage mehr gehabt, weshalb er sich genüsslich streckte. Er schloss die Augen und versuchte zu schlafen, doch irgendwie wollte es ihm nicht so ganz gelingen. Seine Gedanken wanderten umher und die Geschehnisse des Tages liefen vor seinem inneren Augen noch einmal ab. Nicht nur eine Menschenfamilie würde von nun an sein gewohntes Leben auf den Kopf stellen, sondern auch noch ein Engel. Ja, wie sollte so etwas denn überhaupt funktionieren? Ein Engel und ein Dänom unter ein und demselben Dach? Das konnte ja nur schief gehen. Doch wenn Akuma ehrlich war, war Tenshi im Großen und Ganzen völlig in Ordnung, auch wenn er manchmal etwas komisch drauf war. Dieser übertriebene Gerechtigkeitssinn und der ständige Drang den Menschen zu helfen, war wohl etwas, das jeder Engel intus hatte und Akuma einfach nur nervte. //Die müssen sich aber auch wirklich immer und überall einmischen.//, grummelte er in Gedanken, machte sich aber auch klar, dass er von nun an damit auskommen musste. Immerhin würde Tenshi sicher nicht so schnell von hier verschwinden und es war unvermeidlich, ihn nicht anzutreffen. Er seufzte leise. Jetzt brachte ihn dieser Engel auch noch um seinen Schlaf, obwohl er garnicht da war. Bestimmt waren schon einige Stunden vergangen, denn im Haus war es mittlerweile ruhig geworden. //Ich sollte mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzen, vielleicht werde ich ja dann endlich diese Gedanken los und kann doch noch schlafen//, dachte sich der Dämon, quälte sich aus dem Bett und machte sich auf den Weg zum Badezimmer. Mit den Gedanken noch immer ganz wo anders, öffnete er die Tür und blieb nach dem Betreten des Raumes stehen. Täuschte er sich, oder sah er da wirklich gerade Tenshi in der Badewanne sitzen? Irgendwie realisierte er die Situation nicht ganz, sondern starrte den Blonden einfach nur an. Das Bad war schon voll von den Dämpfen, die aus dem heißen Wasser aufstiegen, und man nur noch die größeren Gegenstände, wie den Wäschekorb, erkennen konnte. Seinen Kopf hatte Tenshi mittlerweile auf die Arme gelegt und beobachtete hin und wieder mit halb geöffneten Augen das Wasser unter sich, wie es hin- und herschwappte. Dabei dachte er noch einmal darüber nach, was bisher alles über ihn gesagt worden war und das, war alles andere als Lob gewesen. Man hatte ihm sehr deutlich gezeigt, was man von ihm hielt, ob nun im Himmel oder hier in Tokyo, überall hasste man ihn, für das was er war und was er tat. Doch Mitleid bekam er dafür nicht, er wollte auch keins. Trotz der neuen Chance, die man ihm gegeben hatte, hätte er sich mit Sicherheit isoliert, wäre dann psychisch wie körperlich daran kaputt gegangen, und anschließend wäre er Nagori in den °Seelenfluss° gefolgt. Doch so war dem nicht. Er war immer noch hier, und - auch wenn es sich manchmal so anfühlte - er war nicht allein. Seine Schwester und der Rest der Familie standen immer noch hinter ihm, selbst Shouta - obwohl er ihn weder sehen noch hören konnte - gab ihm irgendwie die Kraft weiterzumachen, und... „Akuma?“, kam es plötzlich verwundert über seine Lippen, als er den nicht zu übersehenden Dämon im Türrahmen stehen sah. Was machte er denn hier? Wollte er nicht eigentlich schon längst schlafen? Der Engel hob seinen Kopf und sah ihn fragend an. „Stimmt irgendetwas nicht? Jetzt sag bloß, es ist verboten hier zu baden.“ Durch Tenshis Stimme wurde der Dunkelhaarige aus seinen Gedanken gerissen, in welche er schon wieder abgedriftet war. "Hm...", gab er nur von sich, wusste nicht, was er Großartiges sagen sollte. Da war er mit dem Bemühen ins Badezimmer gekommen, den Engel aus seinen Gedanken zu verbannen und dann musste ihm ausgerechnet dieser hier über den Weg laufen. Das Schicksal meinte es heute eindeutig nicht gut mit ihm. Als ob er Kopfschmerzen hätte, griff er sich mit einer Hand an den Kopf und rieb sich über die Augen. "Schon gut, mach was du willst", sagte er dann endlich mit monotoner Stimme und ging zum Waschbecken. Er drehte den Wasserhahn auf und hielt seine Hände unter das kühle Wasser, ehe er sich dieses erfrischende Nass ins Gesicht spritzte. //Ah, das tut gleich viel wohler//, dachte er sich und machte sein Gesicht gleich noch ein zweites Mal nass. Tenshi blinzelte ihn noch ein paar Mal an, bevor er ihm dann schweigend den Rücken kehrte und zur gegenüberliegenden Kante schwamm, nur um sich da in dieselbe Position zu begeben, wie er es vorher schon getan hatte. Diese Badewanne war wirklich groß. Groß und rund. Bestimmt badete Shouta hier ab und zu mit seinen Eltern. Obwohl man das in seinem Alter bestimmt nicht mehr allzu oft tat. Er selbst war immer leidenschaftlich gern zu den himmlischen Quellen gegangen, auch wenn sie sich kaum von denen der Menschen unterscheideten und somit eigentlich nichts besonderes waren. Akuma hob leicht den Blick und sah in den Spiegel, der über dem Waschbecken angebracht war. Zuerst besah er sich sein eigenes Spiegelbild, doch dann glitt sein Blick zu dem Engel, welcher noch immer hinter ihm in der Wanne saß. Von hier aus konnte er zwei lange Narben auf dessen Rücken entdecken. Sogleich wurde ihm klar, dass dort einmal weiße Flügel gewesen sein mussten. //Es ist sicher nicht leicht, wenn man die Fähigkeit verliert zu fliegen//, schoss es ihm durch den Kopf und konnte sich garnicht vorstellen wie es sein würde, wenn er jetzt derjenige ohne Flügel gewesen wäre. "Hat es weh getan?", stellte er ihm dann die Frage, ohne eine Andeutung darauf zu machen, von was er eigentlich genau sprach. Er stellte das Wasser wieder ab und drehte sich zu dem Engel um, lehnte sich an das Waschbecken und sah ihn unverwandt an. Mit einem verwirrten Gesichtsausdruck drehte sich der Blonde zu ihm um. Was meinte er? Doch statt ihn direkt zu fragen, überlegte er selbst für einen Moment und kam dann zu dem Entschluss, dass er wohl seine Narben gesehen haben musste. //Was für 'ne blöde Frage//, dachte er und hob leicht eine Augenbraue. Kannte Akuma überhaupt sowas wie Leid und Schmerz? Sicher war er sich da jedenfalls nicht. „Wie soll ich dir das erklären?“, begann er und überlegte weiter. „Es war so, als würde man dir die Haut abziehen und dir gleichzeitig die Wirbelsäule herausreißen wolllen. Wie soll's schon gewesen sein? Schmerzhaft eben“, doch wusste er, dass dieser vollzogene Akt längst nicht so schlimm gewesen war, wie die Angst davor selbst. Und er erinnerte sich nur ungern daran, denn solange war es ja noch nicht her. Dennoch zeigte er kein bisschen Emotion, während er sprach. Warum auch? Er wollte nicht noch schwächer wirken, als er es ohnehin schon war. Sein Gegenüber hörte aufmerksam zu. Es hörte sich wirklich mehr als einfach nur schmerzhaft an, was Akuma aber auch wunderte, da der Engel während der Beschreibung nicht die kleinste Gefühlsregung zeigte. Er blickte ihm ruhig in die Augen und dachte nach. Es wunderte ihn, dass es solche höllischen Schmerzen nicht nur bei Dämonen gab, sondern auch bei den himmlischen und heiligen Geschöpfen. Deren Welt war wohl ebenfalls lange nicht so perfekt, wie sie andere immer glauben machen wollten. Er konnte sich durchaus vorstellen, wie sich Tenshi fühlen musste, wenn er über diese Bestrafung redete und daran dachte. Für ihn war es ja nichts Neues, solche Geschichten zu hören. Früher, als er noch unter einem dunklen Fürsten gedient hatte, wurde jeder noch so geringer Ungehorsam mit qualvoller Folter bestraft, auch wenn es noch so kleine Vergehen waren wie das Umwerfen einer Vase. Oft hatten Schreie durch die große, verlassene Burg gehallt, welche ihm jedes mal eine leichte Gänsehaut bereitet hatten. Doch mit der Zeit hatte man sich an dieses Klagen gewöhnt, doch spätestens dann wurde man daran erinnert, wenn man selbst angekettet im Kerker lag. Wenn man mit glühend heissen Schwertspitzen, die sich qualvoll langsam über die Haut zogen, immer und immer wieder in Berührung kam, wenn einem mit Hilfe von schwarzer Magie das Blut zum Kochen gebracht wurde und man dachte, man würde von innen heraus verbrennen, ja gar verdunsten. Doch das alles war meist erst nur der Anfang. Nicht einmal Akuma, die rechte Hand des Fürsten, war vor solchen Folterstunden verschont geblieben. Doch alles, was man in solch einem Moment tun konnte war, die Schmerzen zu ertragen, sich einzureden, dass es gar nicht so schlimm war und die eigenen Emotionen des Leids zu unterdrücken, bevor man den Verstand verlieren konnte. Narben waren also für den Dämon nichts Neues, hatte doch jeder seines Gleichen welche. Aber bei einem Engel war es etwas Anderes, zumindest aus seiner Sicht. Narben sahen einfach auf der hellen, makellosen Haut eines Engels, wie der Tenshis, ungewöhnlich und fehl am Platz aus. Es musste wirklich sehr schmerzhaft für ihn gewesen sein. Der Dämon rang sich ein leichtes, verstehendes Lächeln ab, schwieg jedoch. Tenshi konnte nicht genau sagen, ob Akuma wusste, wovon er da sprach. Er gehörte schon eher zu der Generation, in der man kaum noch ein Wort über die Dämonenwelt verlor. Ihm wurde immer eingeredet, dass sie nicht dazu gehörten, dass sie anders waren und dass sie einem nicht interessieren sollten. Mit anderen Worten: Sie waren das Böse, und die Engel sollten sich von allem, was mit diesem Begriff zu tun hatte, immer fernhalten. Doch ihm würden glatt nochmal die Flügel herausgerissen werden, würde er behaupten, dass Akuma genau das war, wovor man ihn immer gewarnt hatte. Er entsprach den Erzählungen und Legenden nicht so ganz. Er war anders, er war... irgendwie ganz nett, natürlich nur auf seine Art und Weise, und wenn sich Tenshi vornahm sich jetzt wirklich zu ändern, würde ihn vermutlich nicht einmal mehr das stören. Nicht zu vergessen dieses ständige Starren, das ihm immer das Gefühl gab, als er würde er irgendetwas falsch machen. Auf Akumuas Lächeln hin ließ er sich nur etwas tiefer ins Wasser sinken. Er badete jetzt bestimmt schon eine halbe Stunde und doch war das Wasser immer noch sehr warm. Der Dämon hatte nicht vor, jetzt aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Am liebsten würde er nicht einmal daran denken. Doch Tenshi schien in Gedanken versunken zu sein, was ihn auch an seine eigene Vergangenheit denken ließ. Das versuchte er jedoch immer zu vermeiden. Was hatte das Vergangene für ihn noch zu bedeuten- hier und jetzt? Er hatte mit diesem Kapitel abgeschlossen und wollte auch nicht mehr daran zurückdenken, wie er sich damals von den Dämonen losgesagt und abgehauen war. Es hatte Jahre gedauert, bis die Jagd nach ihm endlich etwas nachgelassen hatte und er nicht mehr ständig auf der Flucht war, sich nicht mehr an jeder Ecke mit anderen Dämonen auf einen Kampf einlassen musste. Dennoch war es klug, wenn er sich weiterhin ruhig verhielt und versteckt lebte, nicht unnötig auf sich aufmerksam machte. Vielleicht würden ihn die Dämonen irgendwann vergessen und gar nicht mehr über seine Existenz Bescheid wissen, doch bis dahin vermied er jede Konfrontation zu Seinesgleichen. Auch gegenüber Engeln verhielt er sich distanziert, doch in diesem Fall war das wohl kaum möglich. Noch eine Weile betrachtete er ihn unbewegt. Der Engel schien keine Anstalten zu machen, aus der Wanne zu steigen, also atmete Akuma schließlich geräuschvoll aus. "Wie auch immer... Ich werde jetzt schlafen gehen", sagte er dann und gähnte demonstrativ. Er streckte sich etwas und bewegte kurz seine Flügel. "Ja, tu das. Ich werd' mich auch gleich hinlegen", blubberte er nur daraufhin. Als er das Bad schließlich wieder verließ, sah er ihm noch für einen kurzen Moment nach. Schon komisch, dass er ihn so etwas gefragt hatte. So neugierig hatte er ihn eigentlich garnicht eingeschätzt. Zehn Minuten später stieg er dann endlich aus der Wanne, wickelte sich in ein weißes, flauschiges Handtuch ein, nahm seine Sachen und ging anschließend in den Keller. In einer Ecke hinter einem zerissenen Vorhang, fand er zu seinem Glück noch eine etwas ältere Matratze, die wohl keiner zu benutzen schien und bloß als Ersatz diente. Er platzierte sie direkt unter einem kleinen quadratischen Fenster und holte ein weiteres technisches Gerät aus seiner Jackentasche hervor. Er brauchte nur auf einen der Knöpfe zu drücken und schon spuckte dieses Gerät seinen Koffer aus. Doch bevor er diesen öffnete, trocknete er sich erstmal ab und zog sich seinen Pyjama an. Dann bezog er die Matratze noch und nahm einfach sein Handtuch als Decke. Nun wühlte er in seinem Koffer und holte ein mittelgroßes, grünes Buch und einen Kugelschreiber hervor. Schließlich musste er sich Notizen zu seiner Arbeit machen und diese dann dem °himmlischen Gericht° vorlegen. Allerdings machte er dies in Form eines Tagebucheintrages. So war es viel persönlicher und für ihn auch wertvoller. Das Buch selbst musste er ja beim Gericht nicht abgeben, er konnte die Einträge jederzeit neu verfassen, und zwar genau so wie sie es haben wollten. Für einen Augenblick tippte er mit dem Stift gegen sein Kinn und überlegte angestrengt. "Liebes Tagebuch, der heutige Tag war wirklich mehr als chaotisch. Ich hatte mich schon wahnsinnig darauf gefreut meinen neuen Schützling, Shouta, kennenzulernen, doch meinte es das Schicksal nicht gut mit mir und...", er hielt inne und versuchte die richtigen Worte zu finden. "brachte mich mit einem gewissen Objekt der Hölle zusammen. Dieses 'Objekt' ist ein weitaus größerer Störfaktor meiner Arbeit als ich anfangs vermutet hatte..." Akuma war derweil mit gemächlichen Schritten wieder in das Gästezimmer gegangen, das er nun sein Eigen nannte. Er warf einen Blick durch das Fenster nach draußen in den kleinen Garten. Dunkelheit. Nur das ferne Licht der beleuchteten Stadt warf lange, schwarze Schatten. In all den Jahren war es zu einer Angewohnheit geworden, die Umgebung nach möglichen Störenfrieden abzusuchen, bevor er sich schlafen legen wollte. Er legte sich auf das Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, schloss müde seine Augen. Nun hörte er nur noch die leisen Geräusche der Nacht. Im Haus war es soweit still, im Garten vernahm er das leise Zirpen von Grillen und das Rauschen der Büsche im leichten Wind. Weiter entfernt fuhren noch einige Autos, aber auch diese wurden weniger, war es doch schon mitten in der Nacht. Seine Gesichtszüge zuckten kurz, als er plötzlich Schritte auf dem Flur vernahm, doch er entspannte sich auch gleich wieder, war es doch nur Tenshi, wie er vermutete. Er lauschte den Schritten und bemerkte, dass sie die Stufen hinabgingen. Akuma schmunzelte leicht. Dieser Engel ging doch tatsächlich hinunter in den Keller wie er es ihm gesagt hatte. Tenshi hätte sich ja sonst wo hinlegen können, aber er schien tatsächlich sein Wort zu halten, was der Dunkelhaarige ehrlich gesagt, nicht erwartet hätte. Nach einer Weile drifteten seine Gedanken weiter ab und er schlief endlich ein. Tenshi seufzte und schloss das Buch. Das war also sein erster Tag gewesen. Garnicht auszudenken, wie der morgige Tag sein würde. Doch er dachte jetzt lieber nicht daran, denn das würde ihn nur am Schlafen hindern. Für eine Weile verharrte sein Blick noch auf der Deckseite des Buches. Für die einen mochte es vielleicht kindisch sein, so etwas wie ein Tagebuch zu führen, doch für so manchen war es eine gute Möglichkeit genau die Geschehnisse, die hauptsächlich sehr emotional gewesen waren, zu verarbeiten. Nachdem er seinen kurzen Gedankengang beendet hatte, verstaute er es wieder in seinem Koffer, deckte sich mit dem inzwischen trocken gewordenen Handtuch zu, knipste die kleine Lampe aus, die er neben sich noch aufgestellte hatte und drehte sich dann auf die Seite. Er wurde ruhiger und so langsam schlossen sich auch seine Augen, die erst um halb zehn wieder das Tageslicht erblickten. Gähnend setzte er sich aufrecht und rieb sich die Augen. Von draußen waren dumpf erzürnte Stimmen zu hören. Na, der Tag fing ja schon mal wieder gut an. "Was ist denn jetzt schon wieder?", seine Stimme klang noch etwas heiser. Mit einem müden und gleichzeitig verärgerten Gesicht ging er zur Tür und öffnete sie. Was jedoch ein Fehler war, wie sich dann herausstellte, denn sofort kamen ihm sämtliche Hunde und Katzen entgegen, sprangen ihn an und warfen ihn schließlich um. "Uhaaa!!!", schrie er, und lag alle viere von sich gestreckt, den Tieren förmlich ausgeliefert, auf dem Boden. Immer wieder tappsten mehrere Pfoten auf seinem Gesicht herum. //Woher kommen die denn nur alle?!// Akuma lachte bei diesem köstlichen Anblick. "Miezmiez~ komm her du putziges Kätzchen", sagte er dann mit süßer Stimme und kraulte das angesprochene Tier hinter den Ohren, welches sich auf Tenshis Kopf gemütlich gemacht hatte. Er musste schon sage, diese Idee, Hunde und Katzen ins Haus zu locken, war ein guter Einfall gewesen. Vor allem, wenn man sich dieses entstandene Chaos ansah. Aufgebrachte Rufe drangen durch das Haus. Die Mutter rannte mit einem Besen in der Hand durch die Räume und versuchte, die Tiere wieder nach draußen zu scheuchen, was ihr nur mit großer Mühe gelang. Der Vater währenddessen schalt den jungen Shouta, weshalb er diese Tiere ins Haus gelassen hatte. Der Junge war es nämlich gewesen, welcher die Türe geöffnet hatte und die Hund-und-Katzen-Jagd somit nach drinnen verlegt hatte. "Tja, das passiert nunmal, wenn man mich am Wochenende nicht ausschlafen lässt", grinste der Dämon und sprang kurz zurück, wich einem vorbeilaufenden Hund aus. Was mussten diese Menschen auch an einem Samstag so früh aufstehen? Weder musste Shouta in die Schule, noch musste der Vater in die Arbeit, warum also der morgendliche Lärm zu solch unchristlichen Zeiten? "Hat der Herr Engel denn gut geschlafen?", fragte er dann beiläufig ohne wirklichem Interesse, ignorierte die Tatsache, dass eben dieser noch auf dem Boden lag, unter Katzen und Hunden begraben. Er fand diesen Anblick wirklich amüsant, wie Tenshis Kopf zwischen dem ganzen Fell hervorlugte. Der Engel versuchte die Katze von seinem Kopf zu nehmen, doch schien sie da ganz hartnäckig zu sein, denn sie wollte ihn einfach nicht mehr loslassen. Im Gegensatz zu den Menschen, waren auch die Tiere imstande, Engel und Dämonen zu sehen. "Argh, geh runter!", schimpfte er, doch krallte sich die Katze nur noch fester und zerkratzte dabei sogar teils sein Gesicht. "Wirklich sehr witzig, Akuma!", als er es endlich geschafft hatte, die Katze herunterzunehmen, sah er mehr als nur zerzaust aus. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, in seinem Gesicht schmerzten die eben frisch zugefügten Kratzer und seine Augen verrieten, dass er erst vor ein paar Stunden wohl eingeschlafen war. Aber, dass er hier ausschlafen konnte, hatte er ja eigentlich nicht erwarten können. Ihm würden wohl noch öfters solche Aktionen den Schlaf rauben. Grummelnd stand er auf und schob dabei einige Katzen und Hunde beiseite. "Ist wohl besser, wenn ich mir auch eine Strafe ausdenke, da du ja meinen Schlaf gestört hast..", murmelte er eher leise und ging, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, nach draußen auf dem Flur, um sich erstmal um die etwas größeren Tiere zu kümmern Akuma schmunzelte leicht, nachdem sich Tenshi mit zerstrubbeltem Haar wieder aufgerichtet hatte und folgte ihm dann, sah ihm bei der "harten" Arbeit des Aufräumens zu und zog ihn mit einigen Kommentaren auf. Es dauerte etwa eine Stunde bis sie alle Tiere wieder losgeworden waren. Alle? Nein. Shouta war so gerissen gewesen und hatte seine liebe Mutter gefragt, ob er nicht gleich einen dieser Dalmatinerwelpen behalten könnte. Und da sie dem süßen, unschuldigen Blick ihres Sohnes selten widerstehen konnte, hatte sie dann auch "Ja" gesagt. Natürlich ohne der Einwilligung seines Vaters, aber der war sowieso gerade viel zu sehr mit Jubeln beschäftigt. Derweil hatte es sich Akuma auf dem weichen Sofa im Wohnzimmer gemütlich gemacht und lauschte der Unterhaltung der Menschen. "Seht her! Ich habe doch immer schon gesagt, dass es sich lohnt Kreuzworträtsel zu machen!", daraufhin sah ihn seine Familie fragend an. "Wir fahren dieses Wochenende in den Westen zum Meiji-Schrein, denn wir machen dort Urlaub!" "Was? Urlaub? Das ist ja klasse!", vor Freude hatte sich Tenshi gleich von der Treppe erhoben, auf die er sich zum Ausruhen gesetzt hatte. Er war von dieser Idee mehr als begeistert, denn bisher hatte er noch nie Urlaub gemacht, und sei es auch nur für ein Wochenende. "Aber nicht wirklich, oder? Was soll ich denn in einem Schrein anfangen? Das schlagt euch lieber wieder aus dem Kopf", sagte der Dämon entschieden dagegen, als ob sein Einwand irgendwelche Auswirkung auf die Entscheidung der Menschen hätte, doch im nächsten Moment wurde er schon vom Gegenteil überzeugt. Mit einem genervten Seufzen versank er tiefer in den Kissen. //Verdammt. Was macht bitte ein Dämon an einem heiligen Ort wie einem Schrein? Ich könnte ja auch hier bleiben, aber - nee! Das wär zu langweilig.//, überlegte er und stand dann schließlich auf. //Hoffentlich sind dort keine anderen Engel. Die würden mir sonst noch glatt den Kopf abreißen, wenn sie sehen, dass ein Dämon deren Reich betritt.// Shouta und seine Mutter waren ebenso aus dem Häuschen und freuten sich schon wahnsinnig auf den Meiji-Schrein. "Nach all dem Umzugsstress, den wir nun größtenteils bewältigt haben, haben wir uns das jetzt wirklich verdient", sagte die Mutter, lächelte und sah sich nochmal kurz um, so als bräuchte sie eine Bestätigung für das Gesagte. "Aber nur, wenn Shouta nicht noch anfängt, Delphine mit nach Hause zu nehmen." "Ah ja... apropos Tiere..", während sie ihm das mit dem Dalmatiner beichtete, gingen Shouta und Tenshi schon mal ihre Koffer packen. Nachdem der Engel wieder gekommen war, stellte sich Akuma zu ihm, während er darauf wartete, dass die Menschen mit dem Packen fertig wurden. Er selbst brauchte nichts einzupacken, denn alles war er hatte, trug er immer bei sich und konnte er mit Hilfe seiner dämonischen Fähigkeiten erscheinen und verschwinden lassen, wann und wo er wollte. Sein Blick glitt kurz zu dem Blonden, welcher sich über diese Entwicklung der Dinge zu freuen schien. Als dann alle draußen ums Auto standen, und die Sachen verstauten, meinte Akuma mal wieder, er könnte den Engel ja vielleicht dazu überreden am Schrein zu bleiben: "Wenn´s dir bei dem Schrein so gut gefällt, dann kannst du gerne auch dort bleiben", schlug er theorethisch vor und verschränkte die Arme. "Das hättest du wohl gern, was? Aber das kannst du mal schön vergessen!", sagte er mit einer leicht eingeschnappten Miene. "Und überhaupt... Wieso kommst DU eigentlich mit? Wir fahren zu einem Schrein, und da hat so etwas, wie du nichts zu suchen! Außerdem, wolltest du nicht deine Ruhe haben? Das wäre doch jetzt die perfekte Gelegenheit", natürlich interessierte es ihn nur, dass er seine Ruhe dann haben würde. "Und wehe dieser Hund macht meine Ledersitze dreckig! Dann setz ich ihn irgendwo auf dem Weg dorthin aus!", mahnte der Vater seinen Sohn und stieg mit einem lauten Türknall ins Auto. Die Mutter, Shouta und Tenshi taten es ihm gleich und stiegen ebenfalls ein. Zum Glück war es ein richtig großes Familienauto, was aber nur daran lag, dass Shoutas Vater dieses oft für seine Arbeit zum Transportieren für bestimmte wertvolle Dinge brauchte. "Wir müssen ihm noch einen Namen geben", bemerkte Shouta nebenbei und begann zu überlegen, nachdem auch Akuma eingestiegen war, der Vater den Motor startete und losfuhr. Kapitel 6: Der Meiji-Schrein ---------------------------- "Sowas wie ich?! Ich bin doch nicht irgendein Gegenstand!", beschwerte sich Akuma und funkelte den Blonden an. Nachdem er sich ebenfalls ins Auto gesetzt hatte, hörte er der belanglosen Unterhaltung der Menschen zu und sah still aus dem Fenster, beobachtete die Häuser, wie sie an ihnen vorbeizogen. Als Shouta dann auf den Hund zu sprechen kam, fiel dem Dämon auch gleich ein passender Name ein: "Wie wär's mit Cruella? Von der Farbe her würd´s doch passen", grinste er und sah zu dem Dalmatiner, welcher bei Shoutas Füßen auf dem Boden saß und neugierig seinen Kopf hin und her bewegte, konnte er doch ihn und den Engel sehen. Der Welpe bellte zwei Mal auf, was sich eher noch nach einem hohen Quieken anhörte und Shoutas Vater sofort aufmerksam machte. "Und sorg dafür, dass er nicht die ganze Fahrt über bellt!", sagte er strikt und warf dabei einen mahnenden Blick in den Rückspiegel zu seinem Sohn. Tenshis Sorgen und Ängste von gestern und heute Morgen schienen inzwischen wie weggeblasen. Er konnte fast garnicht mehr aufhören zu grinsen und schenkte seine Aufmerksamkeit jedem noch so kleinen Winkel von Tokyo, denn er saß ebenfalls am Fenster, was hieß, dass Shouta in der Mitte Platz genommen hatte. Was für ein Bild. Ein kleiner Junge saß zwischen einem Engel und einem Dämon, viel besser konnte man die Gegensätze garnicht darstellen. "Cruella? Sag mal, sonst geht's dir noch gut, ja?", sagte er schon beinahe wieder empört über Akumas Vorschlag. "Cruella war doch im Film die penetrante, eingebildete Modefanatikerin, da kannst du den Hund doch nicht nach ihr benennen! Lucky wäre ein viel passender Name", meinte er auf eine besserwisserische Art. Währenddessen war das Thema Hund auch bei den Eltern nicht mehr wegzudenken, denn der Vater war immer noch zu aufgebracht darüber, dass seine Frau ohne ihn vorher zu fragen, da einfach zugestimmt hatte. "Du bist einfach viel zu weich", doch die Mutter antwortete irgendwann nicht mehr darauf, stattdessen schwieg sie während der restlichen Fahrt und sah genervt aus dem Fenster. "Ich hab's! Wir nennen ihn Drops, weil seine Flecke mich an viele kleine Tropfen erinnern", verkündete Shouta stolz, ohne wirklich den Streit verfolgt zu haben. Nachdem das mit der Benennung geklärt war, fuhren sie auf einem Parkplatz, denn von da aus mussten sie zum Schrein laufen, da dort keine Verkehrsmittel erlaubt waren, damit man den Frieden nicht unnötig störte. "Drops... Oh man, was für ein lahmer Name. Aber immer noch besser als dein Lucky", bemängelte der Dunkelhaarige Tenshis Idee und stieg dann aus dem Auto, nachdem sie auf dem Parkplatz zum Stehen gekommen waren. Ausgiebig streckte er sich, waren sie doch eine ganz schönes Stück mit dem Auto unterwegs gewesen. Das Wetter war hier draußen herrlich und eine leichte Briese wirbelte durch Akumas dunkles Haar. Er sah sich etwas auf dem Parkplatz um, der relativ voll war. Kein Wunder, es war ja schließlich auch Wochenende und da kamen auch mehr Besucher zum Meiji-Schrein. Ob jedoch auch recht viele in dem Hotel beim Schrein übernachten würden, war fragwürdig. Soviel er wusste, gehörte das Hotel nicht gerade zu den billigsten. Akuma drehte sich wieder zu den anderen und bemerkte, dass die Menschen ebenfalls ausgestiegen waren und bereits ihre Koffer bereitstanden. Tenshi stand bei Shouta, welcher versuchte, den kleinen, neugierigen Drops davon abzuhalten, einen Schmetterling zu verfolgen und somit vielleicht noch verloren ging. "Komm endlich Shouta, oder wir lassen dich noch hier", ertönte dann die Stimme der Mutter. Shouta folgte, nahm Drops noch schnell an die Leine, die sie unterwegs noch gekauft hatten, schnappte sich seinen kleinen Trolley und zog diesen hinter sich her. Der Dämon grinste leicht und sah schon seine nächste Mitfahrgelegenheit. Er ließ sich auf Shoutas Trolley nieder, welchem das ziehen des Koffers augenblicklich schwerer fiel. "Hopp hopp, nicht so langsam, Shouta!", forderte er grinsend. Shouta sah etwas verwirrt drein. Kein Wunder, denn normalerweise konnte ein Trolley ja nicht von einem Moment auf den anderen plötzlich so schwer werden. Er zog mit Leibeskräften, kam aber nur mäßig voran. "Urgh, warum ist das Teil denn auf einmal so schwer?", er kratzte sich am Kopf und sah seinen Trolley an, als könnte dieser ihm eine Antwort darauf geben. "Da hast du's, du bist zu fett. Also runter da!", sagte Tenshi, der das Ganze mit Kopfschütteln beobachtet hatte. Das war doch einfach kindisch von Akuma. So langsam wurden auch die Eltern ungeduldig und riefen ständig nach ihrem Sohn. Da sie ja so nie weiter gekommen wären, stieg der Dämon letzendlich doch noch ab und ging wieder zu Fuß. Der Vorgarten, den sie dann nach etwa 20 Minuten erreichten, war wunderbar gepflegt und es roch aus allen Ecken nach Blumen und Gräsern. Für einen Momant blieb Tenshi auf der Anhöhe stehen, da er den Schrein etwas weiter abseits entdeckt hatte. "Komisch, von hier sieht es so aus, als sei der Schrein abgesperrt", bemerkte er beiläufig und setzte seinen Weg fort, nachdem er noch einmal einen kritischen Blick darauf geworfen hatte. Doch was sie dann im Hotel erwartete, war noch viel merkwürdiger. "Keine Gäste weit und breit", meinte er ungläubig und sah sich flüchtig in den unteren Hallen um. "Oh, und wir haben schon gedacht, die Gäste würden heute ausbleiben", begrüßte der Empfangschef die Familie. "Ist irgendetwas passiert? Es ist ziemlich ungewöhnlich für ein Hotel überhaupt keine Gäste zu haben", fragte die Mutter, genauso verblüfft wie die anderen Familienmitglieder. "Nun", grummelte der ältere Herr, "es heißt, ein Geist würde hier sein Unwesen treiben." "Ein Geist?!", riefen alle gleichzeitig und wussten nicht so recht, ob sie dieser Geschichte wirklich Glauben schenken konnten. "Ja, genauso ist es", bestätigte der Empfangschef. "Seitdem traut sich niemand mehr so recht hierher. Nur die Konkurrenz profitiert natürlich davon", erklärte er und seufzte schwer. "Geist hin oder her. Ich habe nicht umsonst Kreuzworträtsel gespielt. Wie werden hier trotzdem übers Wochenende bleiben!", verkündete dann der Vater und machte allen klar, dass er nicht an sowas wie Geister glaubte. Er checkte ein, während seine Frau weiter nach dem Geist fragte. "Und weshalb soll sich hier angeblich einer aufhalten?" "So genau weiß ich das auch nicht. Ich weiß nur, dass es vor etwa zwei Wochen im Schrein gebrannt hatte, und das soll wohl die Toten geweckt haben, oder so ähnlich. Ach ja... und genau deshalb, würde ich Ihnen auch nicht empfehlen den Schrein aufzusuchen. Er wurde eh abgesperrt, da wir mit dem Wiederaufbau noch nicht ganz fertig sind." Tenshi hörte schon garnicht mehr richtig zu. Er war gerade zu perplex wegen dieser Geistergeschichte. "G-G-Geist...", stotterte er nur und schluckte. Er hasste sowas. Schon als kleiner Engel konnte er sich mit solchen Wesen nicht anfreunden. Sie waren einfach zu... unheimlich. Akuma hatte der Erzählung des Empfangchefs ebenfalls interessiert zugehört. Es kam nicht oft vor, dass sich ein Geist aus dem Jenseits in das Diesseits verirrte, um nicht zu sagen so gut wie nie. Im Gegensatz zu Tenshi schien ihm diese ganze Geschichte nichts auszumachen. Er hatte schon öfters Gerüchte über derlei Vorkommen gehört. Gerüchte. Bei diesen Geistern konnte man nie so recht wissen, ob sie einem gut oder böse gesinnt waren. Einmal verhielten sie sich friedlich und wandelten von einem Ort zum anderen, während sie ein anderes Mal alles zerstören und ins Chaos stürzten wo sie gerade hinkamen. In diesem Fall schien ersteres schon einmal nicht zuzutreffen, sonst hätten schließlich nicht so gut wie alle Menschen das Gelände verlassen. Aber auch letzteres schien wieder das extreme Gegenteil zu sein, was auch wieder zu viel des Guten war. Akuma machte einen nachdenklichen und auch etwas neugierigen Eindruck. War der Geist es gewesen, der diesen Brand überhaupt erst ausgelöst hatte? Gerade wollte er dem Engel diese Frage stellen und sah zu ihm, bemerkte aber erst dann, dass diesem diese Geschichte mit dem Geist nicht zu behagen schien, hatte er doch einen seltsamen Gesichtsausdruck. Hatte Tenshi etwa Angst vor Geistern? Der Dämon grinste leicht. "Es gibt also doch etwas, wovor du Angst hast, was?", sagte er zu ihm, ehe seine Aufmerksamkeit wieder von den Menschen auf sich gezogen wurde. Die Familie nahm abermals ihre Koffer und wurde nun von dem Herrn vom Empfang zu deren Unterkunft geführt. "Ich und Angst? Nie im Leben! Ist doch bloß 'n blöder Geist", log Tenshi, auch wenn er wusste, dass das gerade nicht sehr überzeugend geklungen hatte, nahm ebenfalls sein Gepäck und folgte der Familie. Akuma hatte gemerkt, dass Tenshis Worte nicht ganz der Wahrheit entsprachen und grinste amüsiert. //Er will sich wohl eher selbst einreden, er hätte keine Angst//, dachte er sich, sagte aber nichts mehr dazu. "So das ist es. Es tut uns außerordentlich Leid, aber wir können Ihnen nur dieses Durchgangszimmer anbieten, da die anderen verschlossen sind", er verbeugte sich leicht und bat sie alle herein. "Und warum, wenn ich fragen darf?", die Mutter schien genauso neugierig wie Akuma zu sein und harkte bei der ganzen Sache deshalb ordentlich nach. "Die anderen Zimmer sind anscheind vom 'Geist' demuliert worden." Dem Dämon kam es gerade recht, dass die Mutter noch weitere Fragen über diesen Geist stellte. Sie war ganz erschrocken darüber, dass der Geist nicht nur im Schrein spukte, sondern auch hier in den Zimmern des Hotels sein Unwesen trieb. "Sie müssen sich jedoch keine Sorgen machen", versuchte der Empfangschef sie etwas zu beruhigen und auch Shouta schien inzwischen hellhörig geworden zu sein. Den Jungen schien das alles etwas zu verunsichern, man konnte jedoch nicht genau sagen, ob er sich fürchtete oder einfach nur misstrauisch war. "Der Geist wagt es nicht, zu solcher Stunde wie dieser zu erscheinen. Um genau zu sein, hat niemand diesen Geist überhaupt erst gesehen. Es scheint, als komme er nur nachts heraus", erklärte der Mann dann. "Oh man. Natürlich hat ihn keiner von euch gesehen, wie sollte das auch gehen? Ihr könnt ja noch nicht mal mich und Tenshi sehen", murmelte Akuma enttäuscht von dieser Naivität der Menschen. //Oh nein, der Geist muss echt wütend sein!//, wieder wich dem Blonden die Farbe aus dem Gesicht, ganz egal wie sehr er auch versuchte das zu verhindern, es gelang ihm nicht. Am liebsten wäre er jetzt wieder umgekehrt und nach Hause gefahren, doch das konnte er nun vergessen. Shoutas Familie wollte hier bleiben, also blieb es auch dabei. Um sich etwas abzulenken, sah er sich ein wenig um und ging dabei auch zum Durchgang, der die beiden Zimmer verband. Dort war alles recht rustikal eingerichtet, aber dennoch luxiorös. Seine Augen begannen förmlich zu leuchten als er das riesige Bett sah und warf sich gleich darauf. Dort hatten bestimmt sechs Menschen Platz, so groß war es. Wenigstens konnte er dieses Wochenende in einem vernünftigen Bett und nicht auf dieser alten Matratze schlafen. "Hah", seufzte er zufrieden und lächelte, "Also mir gefällt es hier." Akuma ging ihm hinterher, lehnte sich an den Türrahmen an und sah zum Engel, welcher sich gerade auf das große Bett gelegt hatte. "Und ich dachte, du würdest so schnell wie möglich von hier wieder weg wollen, wo uns doch der Geist sicher einen Besuch abstatten wird", bemerkte er ironisch. Geister waren wirklich unberechenbare Geschöpfe. Niemand vermochte genau sagen zu können, was in ihnen vorging, was sie als nächstes tun würden. Aber eines war sicher: Geister hatten ein ausgezeichnetes Gespür für andere Wesen. Sicher wusste er schon längst, dass ein Engel und ein Dämon sein Reich betreten hatten. Tenshi wünschte sich jetzt nichts sehnlicher, als dass das Thema 'Geist' endlich abgeharkt werden würde, doch hatte er zuviel Interessenten um sich herum, weshalb er das jetzt auf jeden Fall vergessen konnte. Er setzte sich aufrecht und sah zu Akuma. "Mach dir ja keine allzu großen Hoffnungen. Ich meinte ja auch nur den Ort und das Ambiente, und das mit dem Geist... Ich denke...", er schien sehr lange zu überlegen, schließlich musste er das ja irgendwie in den Griff kriegen, und um das zu schaffen gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder er versuchte den Geist für eine Weile zu ertragen oder er fand heraus, weshalb dieser so Angst und Schrecken verbreitete. Er schluckte. "Ich denke, ich werde der Sache auf den Grund gehen. Heute Nacht", immerhin konnten Geister auch eine riesige Gefahr für Menschen darstellen, in seinem Falle war es Shouta. Es war seine Aufgabe rechtzeitig zu erkennen, wenn Gefahr drohte und das Leben seines Schützlings stellte er nun einmal vor allen anderen Dingen. Nebenan packte die Familie schon die ganzen Reisesachen aus und machte es sich gemütlich. Drops rannte vor Aufregung hin und her und sprang wie wild auf den Möbeln, was der Vater natürlich nicht gern sah, da ja irgendetwas zu Bruch gehen konnte, und er somit Shouta wieder aufforderte, den Hund an die Leine zu nehmen. Für einen Augenblick dachte Tenshi noch über etwas anderes nach, dann fragte er den Dämon zögernd: "Du willst nicht zufällig... mitkommen?" Akuma sah Tenshi zunächst ungläubig an. Hatte er sich da gerade verhört? Doch dann fing er lauthals an zu lachen. "Was? Warum sollte ich plötzlich mitkommen?", es war einfach zu komisch. Wie kam dieser Engel nur auf den Gedanken, Akuma würde ihm zur Seite stehen? Gerade war er doch noch so überzeugt und entschlossen gewesen, und jetzt gab es schon die ersten Anzeichen eines Rückzuges? "Ich bin schließlich nicht dein Babysitter", wo kam er denn da hin, wenn er jetzt auch noch damit anfing, einen Engel vor Geistern zu beschützen? Es gab schließlich noch Grenzen, auch wenn er schon lange nicht mehr in die Kategorie eines 'normalen' Dämons gehörte. Doch in Gedanken musste er sich eingestehen, dass er eigentlich dasselbe vorgehabt hatte. Er wollte ebenfalls nachts diesen Geist aufsuchen und sich diesen mal etwas näher ansehen - aus reiner Neugierde natürlich. So etwas bekam man schließlich nicht alle Tage zu sehen. Vielleicht war es ja auch eine einmalige Chance, etwas über diese seltenen Wesen herauszufinden. Ob es nun nützliche Informationen bringen oder einfach nur reine Zeitverschwendung sein würde, würde sich wohl erst noch herausstellen. Akuma räusperte sich, machte wieder einen ernsten Gesichtsausdruck, ging dann auf den Blondschopf zu und beugte sich zu diesem hinab. "Na gut, mein kleiner Engel. Ich werde mitkommen. Aber glaube ja nicht, dass ich dir helfen werde, wenn du in Schwierigkeiten gerätst", sagte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, welches seinen Worten eine unheimliche Note verlieh - nicht an ihnen zweifeln ließ - und tippte dem Engel dabei mit einem Finger gegen die Stirn. Tenshis Wangen färbten sich vor Scham dunkelrot. Der Blonde hätte in diesem Moment einfach im Erdboden versinken können. Warum nur hatte er ihn tatsächlich darum gebeten mitzukommen? Ja, er hatte Angst, aber die würde doch nicht gleich verschwinden, nur weil ein Dämon an seiner Seite war, oder? Doch, genau das hatte er gedacht. Insgeheim traute er sich ja nicht wirklich allein dort hinein, obwohl er schon vorgehabt hatte, es auch allein über die Bühne zu bringen. Dass Akuma so reagieren würde, hatte er schon geahnt und er schwor sich innerlich ihn niemals wieder so etwas zu fragen. Er zuckte kurz zusammen, als ihn der Finger seines Gegenübers an die Stirn traf und schnaubte dann verächtlich. "Ach, Quatsch! Es hat doch niemand verlangt, dass du für irgendjemanden den Bodyguard spielen sollst! Sondern...", da geriet er wieder ins Stocken. Ja, weshalb wohl konnte man einen Dämon sonst noch mitnehmen? "Du weißt noch garnicht, wie ein Schrein von innen aussieht. Ein bisschen Kultur wäre doch nicht schlecht. Ist doch mal 'ne Abwechslung", sein Lächeln war gequält und die kleinen Schweißperlen unter seinem Pony verrieten nur, wie schlecht er im Lügen war. Akuma fand es immer sehr amüsant, wenn Tenshi so rot anlief, weshalb er deswegen nur wieder grinste. Nacht. //Wie schnell es doch Nacht werden kann//, dachte sich der Engel und musste wieder schlucken, als die beiden vor der Absperrung standen. Alles war recht groß, düster und hatte eine unheimliche Atmosphäre. Er atmete tief ein und aus, bevor er dann die ersten Schritte wagte. "Na dann, wollen wir mal." Die Renovierungsarbeiten nach dem Brand kamen anscheinend nur schleppend voran, denn man konnte immer noch Stellen von angekokeltem Holz sehen. Es lag wohl auch an dem Geist, warum die Menschen in dieser Hinsicht nicht schneller arbeiteten. Es herrschte totale Stille, beinahe so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Akuma folgte dem Engel, schritt nach ihm unter der Absperrung hindurch und näherte sich dem Eingang. Wieso nur hatte er bereits das Gefühl, als würde sie jemand beobachten? Er schärfte seine Sinne, wollte nicht plötzliche eine böse Überraschung erleben, sondern den Grund für dieses Gefühl ausfindig machen. Sein Blick suchte die Umgebung ab, doch er konnte nichts entdecken. Tenshi schob derweil das schwere Tor des Schreins auf, sodass sie durch den Spalt in das Innere schlüpfen konnten. Drinnen war es dunkel und deutlich kühler als draußen. Die Luft schien mit einer bleiernen Schwere auf sie zu drücken. Akuma blieb dicht bei Tenshi. In solch einer Situation war es schließlich klüger, einem möglichen Angriff nicht vollkommen allein ausgeliefert zu sein. Der hölzerne Boden knarrte unter ihren Füßen. Dies war das einzige Geräusch, welches der Dunkelhaarige mit seinen Ohren wahrnehmen konnte. Doch dann schloss sich plötzlich die Eingangstüre mit einem polternden Knall, welcher selbst ihn etwas zusammenzucken ließ. Nur für kurze Zeit waren sie in völlige Dunkelheit getaucht, ehe sich weiter vor ihnen eine Kerze entflammte - sie schien auf der Mitte eines Altares zu stehen. "Man hat uns wohl schon erwartet...", sagte er mit gedämpfter Stimme. Dass es so extrem dunkel und still war, bereitete dem Engel verdammt viel Unbehagen. Wieder rannen Schweißperlen über sein Gesicht. Ihm kam das Ganze hier schon fast wie eine Mutprobe vor, in der er sich seiner größten Angst stellen musste. Er bereute es jetzt zutiefst die Taschenlampe vergessen zu haben. Auch er war zusammengezuckt, als sich die Eingangstür ohne jede Vorwarnung geräuschvoll geschlossen hatte. Für einen Augenblick hatte sein Blick auf die Tür geruht. Hoffentlich kamen sie hier auch lebend wieder heraus. "Scheint so", antwortete er und versuchte ruhig und gelassen zu wirken. Doch zuckte er erneuert zusammen, als plötzlich links, rechts und über ihnen etwas vorbeizischte, das auf jeden Fall an einen Geist erinnerte. Es war durchsichtig, beinahe schon neonfarbig. Die drei schwebenden Teile sammelten sich an einem Punkt genau vor dem Altar und setzten sich zu einem vollen Geist zusammen. Tenshi ging ein paar Schritte zurück. "D-Das glaub ich jetzt nicht. Ein G-Geist. Ein echter G-Geist!", die Erscheinung vor ihnen schwieg jedoch noch für einen Moment, so als wolle sie die beiden erst einmal ausgiebig studieren. "Ein Dämon und ein Engel. Welch seltener Anblick", seine Stimme dröhnte in ihren Ohren und hallte im ganzen Schrein wider. "Was führt euch hierher?", er stellte ihnen die Frage, obwohl er eigentlich schon ahnte, weshalb sie hier waren, dass ER nicht ganz unschuldig an ihrem Erscheinen war. Der Blonde jedenfalls war gerade wie versteinert und brachte kein Wort heraus. Da musste wohl oder übel Akuma das Wort übernehmen. Der Dämon konnte es immer noch nicht ganz glauben, dass er gerade tatsächlich einen Geist vor sich hatte. Nie im Leben wäre er auf die Idee gekommen, einmal solch einem Wesen gegenüber zu stehen - jedenfalls noch bis vor wenigen Stunden. "Du bist wohl der seltenere Anblick von uns allen hier", erwiderte er dann auf die Bemerkung des Geistes. Sein Blick glitt dann zu seinem Begleiter, welcher sich jedoch kein Stück bewegte und nur die Erscheinung vor ihnen anstarrte. Wollte Tenshi denn nicht erklären, warum er unbedingt hierher hatte kommen wollen und sogar einen Dämon gefragt hatte, ihn dabei zu begleiten? Doch er schien seine Zunge verschluckt zu haben, schwieg er doch und machte keine Anstalten, irgendetwas daran in naher Zukunft zu ändern. Schließlich wandte sich Akuma wieder dem Geist zu und begann zu reden. Irgendjemand musste hier doch die Führung übernehmen, bevor sie hier noch die ganze Nacht nur dumm rumstehen würden. "Liegt das nicht klar auf der Hand? Wir sind hier, um dir einen kleinen Besuch abzustatten. Ich für meinen Teil bin aus reiner Neugierde hier, aber der Engel~", Akuma stieß ihn vor sich mit dem Ellenbogen an, wohl auch, um diesen aus seiner schier endlos langen Starre zu reissen. "Wer weiß schon, was er von dir will?", meinte er, war sich aber ziemlich sicher, den Grund schon zu kennen. Der Geist stellte in gewisser Weise eine Bedrohung dar - für Shouta und auch andere Menschen. Warum mussten sich Engel eigentlich immer einmischen und versuchen, die Welt für den Menschen sicherer zu machen? Der Geist begann kehlig zu lachen. Es war ein tiefes Lachen, welches in dem großen, leeren Raum von den Wänden wiederhallte und Akuma eine leichte Vibration in der Luft spürte. "Meinetwegen? Ich fühle mich geehrt", begann der Geist dann. "Aber so leid es mir tut, ich nehme keine Gäste in Empfang. Ihr werdet also wieder gehen müssen", der letzte Satz hatte etwas Unheilvolles an sich, was dem Dämon ganz und gar nicht gefiel. Die Art, wie der Geist dies gesagt hatte und sie nun mit seinem Blick erstechen zu schien, beunruhigte ihn nur noch mehr. Am besten, sie würden hier nicht allzu lange verweilen, ansonsten mussten sie sich wohl auf unerwartete Dinge gefasst machen... Der Stoß mit dem Ellenbogen war durchaus wirkungsvoll gewesen - Tenshi hatte sich aus seiner Starre gelöst und entspannte sich allmählich wieder, waren sie doch immer noch am Leben. Dennoch warf er Akuma einen grimmigen Blick zu, da dieser ja nicht gerade sanft vorgegangen war. "Ich... ähm...", begann er zögerlich und trat einen Schritt vor. "Ich bin hier, um zu erfahren, warum Sie überall die Menschen vergraulen", sagte er dann wahrheitsgemäß. Der Geist zeigte daraufhin ein breites Grinsen. Typisch Engel, dachte er nur und verschränkte dabei die Arme. "Verstehe. Aber gut, lasst es mich euch erklären. Vor genau zwei Wochen hatte es tatsächlich jemand gewagt, meinen Schrein in Brand zu setzen. Aber das ist nicht der Grund für meinen Spuk. Mir wurde etwas wertvolles entwendet, ein Familienerbstück, das eigentlich für dieses Grab, MEIN Grab, bestimmt war!", je mehr er erzählte, desto wütender wurde er und schon bald erzeugte seine Stimme ein leichtes Beben unter ihren Füßen. "Doch dieser Jemand trägt es nicht bei sich, oh nein... Er hat es hier irgendwo versteckt! Und ich werde nicht eher Ruhe geben, ehe ich es nicht wiedergefunden habe!" //Das ist also der Grund, weshalb er die Hotelzimmer so verwüstet hat//, dachte der Engel und hörte ihm aufmerksam zu, auch wenn es ihm dabei ziemlich schwer fiel, dieser dominanten, erdrückenden Stimme standzuhalten. "Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr Sie das ärgert", er versuchte einfühlsam zu sein, schließlich war es immerhin ein Geist, mit dem sich reden ließ. "Und damit Sie wieder in Frieden ruhen können, werden wir versuchen Ihnen zu helfen", schlug er dann vor und zwang sich zu einem Lächeln. Der Geist blickte auf, nachdem er sich auf seinem Sarg seufzend niedergelassen hatte. "Tatsächlich?", sagte er etwas überrascht, "Ihr wollt... mir helfen? Beim Jupiter! Dass ich das noch erleben darf, harharhar..", seine Stimmung hatte sich dadurch total umgeschlagen. Etwas weiter hinten, konnte der Blonde seinen Begleiter regelrecht knurren hören. Natürlich passte ihm dieses Wir nicht. Selbstverständlich hatte der Dunkelhaarige nie vorgehabt irgendjemandem zu helfen, außer sich selbst. Doch gerade als er das Wort ergreifen wollte, hielt Tenshi ihm den Mund zu und flüsterte: "Halt jetzt ja deinen Mund oder willst du, dass der Geist wieder wütend wird? Wenn das geschieht, dann sind wir beide tot", warnte er ihn und biss ihn förmlich mit seinem Blick. Ungläubig und wütend zugleich hatte er erst auf Tenshis Rücken gestarrt. Wie kam dieser Engel nur auf die wahnsinnige Idee, dass er bei diesem Spielchen mitmachen würde? Pah! Es war schließlich nicht seine Angelegenheit, wenn ein Geist etwas verloren hatte und zu dumm dazu war, besagten Gegenstand wieder zu finden! Und jetzt erlaubte sich dieser Engel auch noch, ihn einfach als Sucher einzuspannen und noch nicht einmal vorher zu fragen!? Okay, auch wenn er gefragt hätte, hätte er ihm entschieden den Vogel gezeigt. Dennoch fühlte er sich total übergangen und ignoriert, was ihn schier zum Kochen brachte. Widerwillig hörte er sich an, was er zu sagen hatte und erwiderte nur den wütenden Blick. Er ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Wahrscheinlich hatte er sogar recht mit dem, was er sagte. Noch immer wütend aber doch wieder etwas ruhiger, schlug er dessen Hand beiseite. "Das wird noch ein Nachspiel haben", knurrte er drohend, hatte dabei seine Stimme gesenkt, damit der Geist nichts von ihrem kleinen Gespräch hörte. Manchmal fragte er sich wirklich, warum er bei so einem Blödsinn überhaupt mitmachte. Er hätte ja auch einfach abhauen und Tenshi seinem Schicksal überlassen können. Akuma setzte nun ein Lächeln auf und wandte sich an dem Geist, welcher die beiden genau zu beobachten und auf etwas zu warten schien. "Richtig! WIR werden dir bei deiner Suche helfen", bestätigte er dann Tenshis Worte und warf dem Engel bei dem Wort Wir einen stechenden Blick zu. "Wunderbar! Wunderbar!", jubelte der Geist erfreut. "Dann lasst uns sofort anfangen!" Der Geist flog etwas näher an die beiden heran und zeigte ihnen eine Karte vom Meiji-Schrein und der Umgebung. Überall wo Kreuze einen bestimmten Ort makierten, hatte er schon gesucht. "Das wird euch bei der Suche helfen. Hoffe ich jedenfalls", er übergab Tenshi die Karte, die er auch sogleich einsteckte. Der Geist selbst würde hier bleiben und auf ihre Rückkehr warten, würde er ihnen die Suche mit seiner Presents doch nur erschweren. "Es handelt sich um eine mit Opalen besetzte Brosche. Ihr werdet sie schon erkennen, wenn ihr sie findet", erklärte er. "Okay, vielen Dank. Wir werden bald zurück sein", versprach der Blonde, lächelte und winkte ihm noch beim Verlassen des Schreins. Als sie wieder draußen waren, warf er gleich noch einmal einen Blick auf die Karte. Es war jedoch schwer sich voll und ganz darauf zu konzentrieren, da Akuma ihn deutlich spüren ließ, wie schlecht gelaunt er doch jetzt war. "Was glaubst du eigentlich, was du da getan hast?! Bist du vollkommen bescheuert?! Ich hab dir doch von Anfang an gesagt, dass ich nur mitgehe und mich nicht weiter einmischen werde! Hast du mir da überhaupt zugehört!?", Tenshi verstand den Dämon nur zur Hälfte. Er wusste, dass Dämonen nichts Gutes taten, anderen nicht halfen, aber Akuma hatte sich von seinem Volk abgewandt und anschließend völlig allein gelebt, da konnte er das hier doch mal als eine Art Abenteuer sehen, und nicht als Bestrafung, so wie er sich gerade gab. Der Engel versuchte ihn zu ignorieren und sich teils die Punkte zu merken, an dem der Geist schon gewesen war. Doch was, wenn selbst er sein Familienerbstück übersehen hatte? Das konnte ja mal jedem besten Geist passieren. Aber eigentlich war das Hauptproblem wohl eher, dass die Brosche überall sein konnte. Tenshi seufzte. "Hörst du mir JETZT vielleicht mal zu!?", doch da bekam Akuma auch schon Tenshis Antwort, welcher nun nicht minder aufgebracht schien. "Könntest du jetzt endlich mal aufhören herumzunörgeln, und vielleicht mithelfen?!", meinte er zu ihm und sah ihn genervt an. "Was denn?! Du glaubst noch immer, dass ich dir nach dieser Aktion eben helfe!?", er sah den Engel vollkommen verständnislos an. "Nein, verdammt! Du hast dir diesen Schlamassel selber eingebrockt, also musst du auch zusehen, dass du alleine da wieder rauskommst", sagte der Dämon entschieden. Seine Lautstärke war wieder zurückgegangen, seine Stimme klang dennoch überzeugt. So eine Frechheit! Er strafte ihn mit einem bohrenden Blick. Sollte er doch alleine suchen. Das alles hatte nichts mit ihm zu tun. Es war ja schon genug, dass ein Dämon mit einem Engel gemeinsam um die Häuser zog. Aber jetzt sollte er ihm auch noch helfen? Er seufzte ebenfalls und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, schwarzes Haar. Von dem Ganzen hier bekam er bald noch Kopfschmerzen. Kapitel 7: Das verfluchte Familienerbstück ------------------------------------------ Tenshi lächelte. Es war ein falsches Lächeln, gezwungenermaßen, damit er nicht wieder in sein altes Muster verfiel und komplett ausrastete. "Du willst mir nicht helfen? Schön, dann lass es bleiben. Ich kann das auch allein. Ich brauche dich nicht", und mehr konnte und wollte er jetzt auch nicht sagen. Er wandte sich von ihm ab und ging in Richtung See. Es war nicht einfach gewesen, ihn NUR mit diesen Worten vorm Schrein stehen zu lassen, da er ja viel mehr hatte über sich ergehen lassen müssen. Akuma sah ihm kurz hinterher, ehe er es ihm gleich tat, sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung davonging. Nachdem der Engel schon einige Meter gegangen war, hatte er immer noch dieses falsche Lächeln aufgesetzt. Was nur ein Zeichen dafür war, dass er sich immer noch nicht abgeregt hatte. Er blieb auf einen kleinen Hügel stehen und warf von dort aus gedankenverloren einen Blick auf den See. Bis ihn schließlich ein bekanntes Bellen aus seinen Gedanken riss. "Hm? Drops! Was machst du denn hier?!", als Antwort bekam er nur ein weiteres, freudiges Bellen. Tenshi hockte sich hin und streichelte den kleinen Dalmatiner. Endlich lockerten sich dadurch auch wieder seine Gesichtszüge. Dann kam ihm plötzlich eine Idee. "Hey, vielleicht kannst du mir ja bei der Suche helfen", er überlegte für einen Augenblick und sagte dann: "Ich hab's! Hier..", er hielt Drops einfach die Karte vor die Schnauze, an der er schnuppern sollte, um so möglicherweise auf eine erste Spur zu kommen. Obwohl er nicht wusste, ob Geister überhaupt noch einen Geruch besaßen, hoffte er dennoch sehr, dass sein Plan trotzdem aufging. Plötzlich schien Drops eine Fährte gefunden zu haben und rannte eilig und kleffend hinunter zum See. Tenshi folgte ihm, doch fand sein Weg im Sand ein Ende, kurz bevor der See anfing. "Verstehe. Du bist also der Meinung, die Brosche ist im Wasser?", der Dalmatiner bellte und wedelte mit dem Schwanz. Die Miene des Blonden verdunkelte sich daraufhin. Ungläubig ließ er sich im Sand nieder und winkelte die Beine an. "Das wird ein Problem", der Hund warf ihm einen fragenden Blick zu und stupste ihn mit seiner Schnauze an. "Aber... es ist für Shouta, richtig? Ich darf jetzt nicht aufgeben", motivierte er sich selbst und streichelte ihn noch einmal, bevor er sich dann einiger seiner Sachen entledigte... Mit beiden Füßen stand er nun im kalten Wasser und sog scharf die Luft ein. Alles um ihn herum war still, so als würden alle Pflanzen und Tiere, ja sogar der Wind es nicht mehr wagen zu atmen. Nur Drops tappste fröhlich und geräuschvoll im Wasser umher und wartete darauf, dass Tenshi ihm folgte. Der Engel schluckte. Was man doch nicht alles für seinen Schützling tat. Langsam trugen ihn seine Füße weiter nach vorn. Er bekam dabei eine unangenehme Gänsehaut, schließlich war das Wasser ja alles andere als warm. Aber so war es nun mal, besonders nachts. Er ging tiefer hinein und immer wieder war sein zittriges Atmen zu hören. Wo war diese verdammte Brosche nur? Alles, was er hin und wieder fand, waren Steine oder sogar kleine, teils kaputte, abgebrochene Muscheln. Drops war derweil nur soweit mitreingegangen, bis er nicht mehr auf dem Grund hatte stehen können. Der Dämon streifte derweil über das Gelände, ohne wirklich darauf zu achten, wo er überhaupt hinging. Er grummelte immer noch vor sich hin, konnte sich einfach noch nicht beruhigen. Aber immerhin hatte dieser Engel es eingesehen, dass Akuma nicht bei jedem Wort sprang, das er sagte. Seine Beine trugen ihn zunächst zurück zum Hotel, wo nur noch sehr wenig Lichter brannten. Alle Gäste schliefen bereits, nur noch einige Angestellte wuselten durch das Gebäude. Gedankenverloren schlug er einen anderen, ihm unbekannten Weg ein. Es war ihm egal, wo er hinging. Hauptsache, er bewegte sich erstmal ein wenig, das half ihm dabei, seine schlechte Laune zu vergessen. Fast zumindest. Nach einer Weile wurde ihm laufen zu blöd und so breitete er seine Flügel aus und stieg in den schwarzen Nachthimmel auf. Etwas weiter entfernt entdeckte er eine schimmernde Oberfläche, welche sich nach genauerem Hinsehen als ein See herausstellte. Er flog auf das Gewässer zu, betrachtete die Spiegelung des Mondes und der Sterne im Wasser. Ihm fiel auf, dass an einem Ort des Ufers kleine Wellen entstanden und er sah genauer hin. Da entdeckte er Tenshi, welcher sich fast ganz ausgezogen hatte und in das Wasser gestiegen war. Der Blonde tat ein paar Schritte, schüttelte sich kurz vor Kälte und ging dann weiter hinein. Akuma hob fragend eine Augenbraue an. Wollte er jetzt etwa schwimmen gehen? Doch Tenshi schien mit seinen Blicken den Grund des Sees abzusuchen, woraus er schlussfolgerte, dass er wohl im Wasser nach der Brosche suchte. Lautlos schwebte er über ihn und beobachtete den Engel gedankenverloren für einige Minuten, ohne dass es ihm richtig bewusst war. Ein paar Mal schien Teshi zu glauben, etwas gefunden zu haben, wurde dann aber doch nur von seinem wertlosen Fund namens Stein enttäuscht. Der Dunkelhaarige schüttelte leicht den Kopf. Wenn das so weiter ging, würde Tenshi noch Jahre hier suchen. Da fiel ihm etwas Schimmerndes auf; etwas, das nicht eine Reflexion der Sterne war. Es leuchtete leicht grün, war mal weniger und mal mehr erkennbar durch die kleinen Wellen an der Wasseroberfläche. Konnte das die gesuchte Brosche sein? Akuma war sich nicht ganz sicher, aber was hätte es sonst sein können? Es gab keine andere plausible Erklärung. Sollte er dem Engel mitteilen, was er entdeckt hatte? Eigentlich hatte er ihm doch nicht helfen wollen, aber wenn er sich ihn jetzt so ansah... Er suchte in der falschen Richtung und schien in dem kalten Wasser langsam zu frieren. Noch immer im Konflikt mit sich selbst, ob er nun doch seine Prinzipien über den Haufen werfen sollte oder lieber zu seiner Entscheidung stand, flog er etwas tiefer. Nach langem Hin und Her traf er eine Entscheidung. "Hey!", rief er nach unten und zog somit die Aufmerksamkeit des Engels auf sich. Akuma wusste nicht so recht wie er es sagen sollte, ohne später als totaler Vollidiot dazustehen, immerhin hatte er doch vorhin fest an seinen Standpunkt gehalten, ihm nicht zu helfen. "Wenn du in diese Richtung weitersuchst, wirst du nie was finden", sagte er deshalb nur und flog zu der Stelle, wo er dieses grüne Schimmern unter der Wasseroberfläche entdeckt hatte und warf Tenshi dann wieder einen Blick zu. Da der Engel so in der Suche vertieft gewesen war, war er erschrocken zusammengezuckt, nachdem er plötzlich die Stimme von Akuma über sich vernommen hatte. Ungläubig blickte er zu ihm empor. Was hatte ER denn hier zu suchen? War er sich denn nicht eigentlich zu schade für diese Aufgabe gewesen? Tenshis Verstand setzte aus. Das war zu hoch für ihn. Stattdessen nickte er nur und sagte: "Alles klar", bevor er sich dann zu der Stelle begab, über die der Dämon flog. Und tatsächlich! Er fand die verschwundene Brosche mit den Opalen. Er tauchte kurz unter und hob sie auf. Er hielt sie fest in der Hand und betrachtete sie für einen kurzen Augenblick. Dann sah er wieder nach oben und die Blicke der beiden trafen sich erneuert. Der Blonde entschied immer noch nichts zu sagen. Akuma erwiderte den Blick des Engels nur. Irgendwie war er froh darüber, dass Tenshi nichts weiter dazu gesagt hatte. Er kam sich ja auch so schon dämlich genug vor und brauchte nicht auch noch unbedingt einen dummen Kommentar dazu. //Hey, seit wann macht es mir was aus, was der über mich denkt?// Leicht schräg, senkte Tenshi nur den Kopf, schloss dabei die Augen und lächelte schmälernd, bevor er wegen der Kälte sich dann so schnell wie möglich wieder aus dem Wasser begab. Am Land erwartete ihn ein sprunghafter Drops, der ihn immer wieder freudig umkreiste. "Wir haben sie gefunden, Drops." Der Dämon schüttelte den Kopf, flog dann hinunter zu den beiden ans Ufer und landete dort. "Darf ich denn wenigstens sehen, was so wertvoll ist, dass wir einem Geist unbedingt beim Suchen helfen mussten?", fragte er und trat auf Tenshi zu. Die Wut von vorhin war schon seit einiger Zeit wie verflogen. Als Tenshi ihm schließlich das Schmuckstück reichte, drehte und wendete er es zunächst. Es sah aus wie eine ganz normale Brosche. Silbernes Material, eine ovale Form mit kleinen Opalen am äußeren Rand. In der Mitte schillerte ein grüner Stein. Dieser war es wohl auch gewesen, dessen Leuchten Akuma gesehen hatte. Er betrachtete den schillernden Stein einige Sekunden und fuhr mit dem Finger über dessen glatte Oberfläche. Die Brosche war schön, aber er glaubte nicht, dass sie ein Einzelstück war und einen unschätzbaren Wert hatte. Dann entdeckte er noch eine Gravur auf der Rückseite des Schmuckstückes. ~Forever~ war dort mit schwungvollen Buchstaben eingraviert. Er ließ sich alles noch einmal kurz durch den Kopf gehen. "Hm", war das einzige, was er dann dazu sagte, ehe er die Brosche wieder an Tenshi zurückgab. "Und jetzt bringst du sie zurück zu dem Geist, oder wie? Was macht dich eigentlich so sicher, dass er dann verschwinden wird? Vielleicht hat er ja einfach gelogen", meinte er und sah den Engel an. Der Blonde hatte sich derweil wieder angezogen und beantwortete seine Frage dann mit einem verträumten Lächeln: "Seine Augen. Ich habe es in seinen Augen gesehen. Kennst du es nicht? Dieses Leuchten, wenn etwas schönes, aufregendes passiert. Wenn man weiß, dass einem geholfen wird, um beispielsweise das zu beschützen, was einem sehr wichtig ist. Deshalb weiß ich, dass er es ernst meint." Akuma hörte sich Tenshis Erklärung auf seine Frage an, verstand allerdings nicht so recht, was dieser meinte. Er kannte das nicht... Dieses Leuchten in den Augen, von welchem er sprach. Konnte der Engel etwa mehr sehen als er? Hatten Engel eine besondere Fähigkeit, mit der sie so etwas bemerkten? Oder lag es einfach nur daran, dass Akuma so etwas noch nie untergekommen war? In der Dämonenwelt setzte sich schließlich niemand für irgendeinen Gegenstand oder gar einen anderen Dämon ein. So etwas gab es in dieser Welt einfach nicht. Selbst als sie nach nur 20 Minuten wieder vor dem Schrein standen, dachte er immer noch darüber nach. Die Atmosphäre hatte sich dennoch kein bisschen geändert, es war immer noch zu ruhig und unheimlich. Doch hatte Tenshi jetzt nicht mehr soviel Angst wie vorher. Ob es nun am Geist lag, der ihm nicht mehr so furchteinflößend vorkam oder ob es einfach die Tatsache war, dass Akuma bei ihm war und ihm geholfen hatte, das konnte er selbst nicht so genau sagen. Dieser plötzliche Sinneswandel verwirrte ihn auch jetzt noch. Doch jetzt blieb einfach nur zu hoffen, dass er, mit dem was er gesagt hatte, auch recht behielt und der Geist dann endlich verschwinden und weiter in Frieden ruhen würde. "Willst du lieber draußen bleiben, oder kommst du mit uns?", kam es ihm unerwartet über die Lippen. Irgendwie wollte er nicht noch einmal darüber entscheiden, was Akuma tun oder lassen sollte. Die Stimme des Engels lenkte die Aufmerksamkeit des Dunkelhaarigen wieder auf sich. Jetzt fragte er noch? War es nicht etwas spät, um zu fragen? Hätte er das nicht besser vorher tun sollen? Aber gut, jetzt war es auch schon egal, dachte sich Akuma und war irgendwie auch positiv überrascht. "Hm, ich komme mit", beschloss er, ohne recht lange darüber nachzudenken. Schließlich hatte er bei der Suche ja doch geholfen, jetzt würde er die Sache auch bis zum Schluss durchziehen. Er schob das große Eingangstor auf, sodass sie eintreten konnten, Drops lief aufgeregt voraus. "Gehen wir." Akuma und Tenshi betraten also zum zweiten Mal in dieser Nacht den dunklen Schrein. Wieder gingen sie in die Richtung des Altarraumes, wo der Geist von einer Ecke in die andere schwebte. Er schien über etwas angestrengt nachzudenken. "Wir haben gefunden, wonach du gesucht hast", meldete sich dann der Dämon, zog somit die Aufmerksamkeit des Geistes auf sich und seinem Begleiter. Freudige Überraschung war in seinen Gesichtszügen zu erkennen. "Ihr habt sie gefunden? Meine Brosche?", fragte er und kam sogleich auf die beiden zu. "Gebt sie mir! Sie gehört mir!", forderte er sogleich, schien es kaum noch aushalten zu können, besagtes Schmuckstück endlich wieder in seinen Händen zu halten. Tenshi nickte und holte sie hervor. Mit einem Mal spürte er wie sich seine Hand noch fester um das Familienerbstück schloss. Diese Brosche hatte jetzt eine unheimliche, anziehende Wirkung auf ihn. Es war beinahe so, als könnte man dadurch dem Wahnsinn verfallen. Nur warum hatten die beiden diese gefährliche Aura, die die Brosche nun umgab, vorher nicht bemerkt? Der Geist wurde zunehmend ungeduldiger. Anscheind war er schon längst von diesem Schmuckstück besessen. "Was ist denn nun?! Gib sie mir endlich!", befahl er und streckte seine Hand danach aus. Doch Tenshi wich zurück, von beiden, dem Geist und Akuma. "Nein! Ich kann es Ihnen nicht geben! Sie gehört... jetzt mir", sagte er mit entschlossener Miene und hielt die Brosch an seiner Brust. Dennoch kämpfte er mit dem Fluch, der auf diesem Schmuckstück zu liegen schien, und versuchte seine Hand zu öffnen, die ihm aber partout nicht gehorchen wollte. Bei ihm hatte dieser Fluch deutlich mehr Wirkung, da er das reinere Herz von allen hatte. Kein Wunder also, warum Akuma es so lange hatte betrachten können. Wieder wich er ein paar Schritte zurück, als der Geist vor Wut nun nicht mehr zu halten war und auf ihn zuflog. "Bleib weg! Komm mir nicht näher!" Der Dämon hatte durchaus gemerkt, wie die Atmosphäre in der Luft immer bedrohlicher wurde. Dennoch hatte er zunächst etwas verwirrt zu Tenshi gesehen, nachdem dieser das Schmuckstück nicht aus der Hand geben wollte, ja sogar vor ihm zurückgewichen war, als würde er es ihm wegnehmen wollen. Oder sollte er besser sagen, Tenshi konnte es nicht? Der Engel schien auf einmal völlig angespannt zu sein, starrte auf seine Hand, in welcher er das Schmuckstück hielt und warf unsichere Blicke zu dem Geist und auch ihm. Da wusste Akuma, was das zu bedeuten hatte. //Verdammt! Das ist ein Fluch! Irgendjemand hat die Brosche mit einem Bann belegt!//, wurde ihm klar. Er hatte ja von Anfang an ein komisches Gefühl gehabt, aber er hatte es auf die Erscheinung des Geistes zurückgeführt und nicht an einen Fluch gedacht. Wie hätte er auch auf eine solche Idee kommen können? Im Gegensatz zu ihm, schien der Geist diesem Bann schon längst verfallen zu sein und auch Tenshi schien bereits mit sich kämpfen zu müssen. Er hätte nicht gedacht, dass man in solch einer Situation den Unterschied zwischen Dämon und Engel so sehr zu sehen bekam. Wahrscheinlich lagen ihre unterschiedlichen Reaktionen auch darin, dass es in der Welt der Engel nur sehr selten Flüche gab, während man als Dämon ziemlich oft mit solchen Dingen konfrontiert wurde. Er hatte also im Gegensatz zu Tenshi schon eine gewisse Immunität bei solchen Sachen. Nun trat er auf den Engel mit der Brosche zu, ebenso der Geist, dessen weißliche, leicht durchsichtige Erscheinung sich langsam veränderte, das Aussehen von dunklem Rauch annahm, während seine stechenden Augen Tenshi mit einem Leuchten zu durchbohren schienen. Akuma konnte die Wut regelrecht in der Luft spüren, eine bleierne Schwere drückte auf ihn. Verdammt, was hatten sie sich da nur eingebrokt? "Gib sie mir sofort wieder!", donnerte er mit kräftiger Stimme und sprang den Engel an, welcher sich gerade noch zur Seite retten konnte und so den mittlerweile spitzen Klauen des Geistes nur knapp entkam. Doch der Geist ließ sich davon nicht entmutigen, sprang ihn gleich noch einmal an. Diesmal griff Akuma in das Geschehen ein und zog den Engel zur Seite und floh mit ihm hinter dem Altar, sodass der Geist sie nicht gleich noch einmal angreifen konnte. Er verschwendete keine Zeit mit unnötigen Erklärungen. "Gib mir die Brosche! Schnell!", forderte er Tenshi auf und sah ihm mit einem ernsten und auch drängenden Blick in die Augen. Sie mussten die Brosche so schnell wie möglich zerstören. Nur dadurch konnte dieser Fluch gebrochen werden. Er hoffte nur, dass es für den Geist noch nicht zu spät war, denn wenn dieser sich selbst dann noch nicht beruhigen würde, hätten sie noch größere Probleme. Doch der Blonde sah ihn verständnislos an und hielt das Ganze für einen schlechten Scherz. Er lachte. Aber es war nicht sein Lachen, sondern wohl eher das des Fluches. "Hältst du mich wirklich für so bescheuert? Ich weiß doch genau, dass du sie nur für dich ganz allein haben willst!", war nur seine Antwort und presste das Schmuckstück nur noch mehr an sich. Es war nun seins und nicht einmal Akuma durfte es anfassen, geschweige denn überhaupt ansehen. Wo kam er denn dahin? Dass er es ausgerechnet einem Dämon überlassen sollte! Er konnte jetzt niemandem mehr trauen, er war auf sich allein gestellt. Alle wollten seine Brosche haben, doch sie würden sie nicht kriegen, dafür würde er schon sorgen. Im Augenblick war ihm einfach nicht klar, dass er, wenn er so weiter machte, letzendlich genauso wie der Geist enden würde. Doch noch war er nicht so voller Hass und Gier, noch konnte man ihn retten, nur musste man ihm die Brosche schon irgendwie entreißen, denn eines war klar: Freiwillig würde er sie keinem geben. Drops kleffte und schnappte hin und wieder nach dem Geist, bis es diesem zuviel wurde, und er den störenden Köter mit einer kleinen Windattacke wegwehte. So ein Mist! Er schien schon stärker von diesem Fluch beeinflusst zu werden, als Akuma es sich gedacht hatte. So wie es aussah, würde der Engel das Schmuckstück nicht mehr so einfach hergeben. "Jetzt mach doch keine Dummheiten! Merkst du denn nicht, was der Fluch mit dir anstellt!?", versuchte er ihn zur Besinnung zu bringen. Doch in Tenshis Augen konnte er kein Verständnis entdecken. Im Gegenteil, er glaubte jetzt wohl auch, dass er ebenfalls die Brosche für sich alleine haben wollte. //Na super//, dachte der Dunkelhaarige pessimistisch und atmete genervt auf. Das leise Jaulen des Dalmatiners holte ihn wieder aus seinen Gedanken, gerade rechtzeitig, um dem Geist auszuweichen, der auf die beiden zugerast kam. Tenshi und Akuma stoben auseinander, entgingen nur knapp der Attacke. Holz zerbarst und flog in kleinen Splittern durch die Luft. Er erkannte, dass der hölzerne Altar in der Mitte auseinander geteilt worden war. Die brennenden Kerzen, welche auf dem Altar gestanden hatten, waren durch den heftigen Zusammenstoß polternd zu Boden gefallen. Einige waren erloschen, andere rollten gefährlich über den Holzboden. Akuma hoffte, dass hier nicht auch noch bald alles in Flammen stehen würde, doch er hatte jetzt keine Zeit, sich um lächerliche Kerzen zu kümmern. Sein Blick glitt wieder zu Tenshi, welcher sich bereits wieder aufgerappelt hatte und nun die Flucht ergriff, der Geist dicht hinter ihm. "Tsk...", er biss die Zähne aufeinander, ehe er den beiden hinterherstürmte. Dank seiner Flügel legte er schnell an Geschwindigkeit zu und hatte sie binnen weniger Sekunden eingeholt. Das wilde Gebrüll des Geistes hallte dröhnend in seinen Ohren. Die Füße des Blondschopfs brachten ihn zu einer Brücke, die er auch hastig überquerte. Der Geist hielt in der Luft inne und beschwörte eine riesige Geisterflamme, die er dann direkt vor dem Engel auf die Brücke warf. Es passierte, was passieren musste. Die Brücke brach entzwei und Tenshi stürzte in die Tiefe, konnte sich aber noch im letzten Moment an einer Holzlatte festhalten, die dann auf einen Felsvorsprung zuschnellte. Da er mit beiden Händen nach Halt gesucht hatte, hatte er die Brosche fallen lassen. Kurz darauf flog der Geist genau deswegen hinunter zum reißenden Fluss und versuchte sie wiederzufinden. Noch etwas benommen vom Fluch, aber schon realisierend, dass er immer noch in Gefahr schwebte, kletterte der Engel die Latten weiter empor. Doch genau in diesem Augenblick riss das Seil der Brücke und er stürzte erneuert in die Tiefe. Er schrie und fand sich schon sehr bald wieder im kalten Wasser. Durch die starke Strömung fand er weder Halt noch Gleichgewicht und wurde von ihr mitgerissen. Doch das Hauptproblem war das Auftauchen. Er kam zwar vorwärts, aber nicht nach oben. //Jetzt ist es aus//, dachte er, als er spürte, dass er so langsam keine Luft mehr bekam. Dabei musste er acht geben, dass er nicht gegen irgendwelche Felsen krachte. Dem Geist war Tenshi so ziemlich egal, er suchte ununterbrochen weiter nach seinem Familienerbstück. //Was hab ich nur getan?//, dachte der Engel verzweifelt. Akuma hatte sich mitansehen müssen, wie die Brücke in sich zusammengefallen war und die Bruchstücke mit einem lauten Klatschen ins reißende Wasser hinuntergeglitten waren. Ebenfalls hatte er mitbekommen, dass Tenshi die Brosche fallen gelassen hatte. Sehr gut. Jetzt musste er sie nur noch vor dem Geist finden. Kurz darauf sprang er ebenfalls ins kalte Wasser und wurde sogleich von der Strömung mitgerissen. Er paddelte mit den Händen und kam so einigermaßen gegen die Wassermassen an, dann holte er Luft, tauchte ab und suchte sogleich den Grund nach dem Schmuckstück ab. Die Strömung musste es schon ein ganzes Stück mit sich getragen haben. Nun schwamm er den Fluss hinab. Dabei musste er genauso aufpassen, nicht an kantige Felsen zu stoßen, oder unter dem Wasser begraben zu werden. Die Frage, die ihn zur Zeit beschäftigte, war, wie er diese Brosche aufspüren konnte. Es war alles andere als leicht, in solch einem aufgewühlten Wasser etwas zu erkennen. Doch da besann er sich darauf, dass das Schmuckstück mit einem Fluch belegt war. Vielleicht konnte er ja diese Energie spüren. Eine gewisse Kraft strahlte besagter Gegenstand aus, also müsste es theoretisch auch möglich sein. Der Dämon sandte seinen Geist aus und hatte die Brosche auch schon nach kurzer Zeit wahrgenommen. Sie war schon weiter abgetrieben worden, als er sich gedacht hatte. Jetzt musste er nur noch schneller schwimmen, als der tobende Geist. Aus dem Augenwinkel erblickte er ihn immer wieder mal, wie er mit hektischen Bewegungen durch das Wasser glitt. Und auch Tenshi sah er plötzlich. Dieser schien schwer daran zu arbeiten, an die Wasseroberfläche zu kommen und Luft zu schnappen. In dieser Hinsicht war der Geist im Vorteil, denn er brauchte keine Luft zum atmen. Er überlegte kurz. Sollte er sich die Brosche schnappen und sie zerstören oder doch besser zuerst Tenshi helfen? Die Brosche hatte wohl Vorrang, denn wenn der Geist sie zuerst entdecken sollte, würde wer weiß was passieren. Doch im Moment sah es nicht so aus, als könnte sich der Engel selbst weiterhelfen. Wenn das so weiterging, würde er vielleicht sogar noch ertrinken. //Immer nur Ärger mit dem//, dachte er sich und tauchte ab, bewegte sich auf die Brosche zu, welche er schon seit einiger Zeit gesichtet hatte und schnappte sie sich mit einer schnellen Handbewegung. Tenshis Augen waren nur noch halb geöffnet. Es hatte ihn all seine Kraft gekostet gegen die Strömung anzukämpfen. So langsam wurde er schon wieder von denselben Gefühlen gepeinigt, die ihn damals schon ständig gequält hatten. Er konnte nichts. Er war ein kompletter Versager. Er konnte sich nicht einmal selbst helfen, wie sollte er das dann bei anderen tun? Er senkte leicht den Kopf. Sein Mund öffnete sich etwas und er schluckte zum ersten Mal Wasser. Sein Gehirn befahl ihm immer wieder zu atmen, doch er konnte es nicht. Plötzlich sah er eine große Gestalt auf sich zuschwimmen. Wer konnte das nur sein? Als er nach oben blickte, streckte jemand seine Hand nach ihm aus. Es war eine wunderschöne, menschliche Frau, mit langen, goldbraunen wehendem Haar. //Nagori?// "Nimm meine Hand, Tenshi", hörte er sie sagen und streckte daraufhin ebenfalls seine Hand nach ihr aus. Mit einem Ruck wurde er aus dem Wasser gezogen. Was er nicht wusste, es war Akuma, der ihn am Arm gepackt und mit sich gezogen hatte. Mit kräftigen Flügelschlägen durchbrachen sie die Wasseroberfläche und er zog sich vollends aus dem Wasser. Jetzt, da seine Flügel klatschnass waren, kostete es ihn mehr Kraft als gewöhnlich, sich in der Luft zu halten. Er atmete schwer, hatte ihn diese kleine Wasserfahrt doch einiges an Energie gekostet. Ein wenig erschöpft landete er mit dem Blonden etwas weiter entfernt vom Fluss und kontrollierte auch sogleich, ob er die Brosche auch nicht verloren hatte. Der silbrige Gegenstand lag auf seiner Handfläche. Doch sein Tun war von dem Geist nicht unbemerkt geblieben. Dieser sprang aus dem Fluss und flog mit einem wütenden Grollen, welches unglaublich laut aus seiner Kehle drang, auf ihn zu, die Hände nach der Brosche ausgestreckt. "SIE GEHÖRT MIR!!!" Akuma zögerte keinen weiteren Augenblick mehr. "Dieses verdammte Ding bringt nur Unglück!", er umschloss mit seiner Hand die Brosche. Kleine, schwarze Blitze zuckten über seine Faust, dabei ging das leise, knisternde Geräusch wegen des Schreis des Geistes fast vollständig unter. Tenshi hatte, nachdem er aus dem Wasser gezogen worden war, die Augen geschlossen und öffnete sie erst jetzt wieder, als auch er dieses immer lauter werdende, knisternde Geräusch wahrnahm. Er hustete ein paar Mal, um das Wasser aus seiner Lunge wieder zu entfernen. Er sah kurz zu dem Dämon, dann zum Geist. Er schien die Brosche jetzt wirklich zerstören zu wollen. Für einen Augenblick wandte er seinen Blick von den beiden ab, und suchte nach Nagoris Erscheinung. Doch diese war nirgends zu sehen. Er musste sich das Ganze wohl eingebildet haben. Ob ihn Akuma gerettet hatte? Jedenfalls war es ihm so vorgekommen, als sei er geflogen, nachdem er das Wasser verlassen hatte. Er blieb erst einmal noch sitzen und beobachtete das Geschehen aufmerksam. Hoffentlich gelang es dem Dämon dieses Ding endlich zu vernichten. Akuma wurde von dem Geist mitgerissen und zu Boden geschleudert, prallte hart auf der Erde auf. Er trat den Geist mit den Füßen von sich, versuchte dieser doch ihn niederzudrücken, um an die Brosche zu gelangen. Noch immer züngelten kleine Blitze um Akumas Hand, schließlich handelte es sich hier um einen fluchbesetzten Gegenstand. Man konnte solche Dinge nicht einfach mit bloßer Gewalt zerstören. Dazu benötigte es Konzentration und das richtige Know-How um den Fluch zu lösen. Doch er würde dieses Ding schon zerstören. Beinahe wie ein Schwur klang dieser Satz in seinem Kopf und er musste leicht grinsen, als er zu dem Geist sah, welcher ihn hasserfüllt anstarrte. Er rappelte sich wieder auf. "Es ist zu spät. Du hast verloren", sagte er mit entschiedener Stimme und grinste überlegen. Langsam öffnete er seine Hand, in welcher zuvor noch die Brosche gelegen hatte. Jetzt war dort nur noch Asche zu sehen. Der Geist war wie erstarrt, bewegte sich nicht. Ein leichter Wind wirbelte die winzigen Partikel von Akumas Hand, ließ sie noch ein letztes Mal leicht grün aufschillern, ehe nichts mehr von ihnen zu sehen war. Die Augen des Geistes machten einen verlorenen Eindruck und er fing an zu zittern. Oder war es, dass die Konsistenz, aus welcher er bestand, langsam seine Festigkeit verlor? Er vermochte es nicht genau zu sagen. "Nein...", hörte man schließlich eine brüchige Stimme. Der Geist sank betroffen zu Boden und starrte auf die Erde vor sich. "NEIN!", schrie er plötzlich auf und zersprang in tausend Stücke, welche in alle Richtungen davonstoben und sich langsam verflüchtigten, unsichtbar wurden. //Der Geist hat wohl schon zu lange unter dem Einfluss des Fluches gestanden//, Akuma warf einen Blick zu Tenshi, welcher noch immer auf dem Boden saß. "Bist du jetzt wieder normal?", fragte er dann. Es wäre immerhin schön blöd, wenn sich Tenshi immer noch so besessen wie vorhin aufführen würde. Doch das dürfte nicht mehr der Fall sein, schließlich war die Brosche nun zerstört. Der Blonde nickte daraufhin nur und erhob sich dann. Langsam ging er auf ihn zu, seine Mimik verriet nicht, was er gerade dachte. "Ist bei dir alles in Ordnung?", fragte er ihn dann, schließlich hatte ihn der Geist angegriffen. Nachdem er eine Antwort darauf erhalten hatte, musste er es endlich über seine Lippen bringen. "Akuma... Danke", ihm war klar wie sehr ihn der Dunkelhaarige doch heute geholfen hatte. Ohne ihn hätte er es einfach nicht geschafft. Ja, sein Stolz ließ zu, dass er das jetzt zugab. Es stimmte ja auch, was aber widerum eine große Überraschung war. So groß, dass der Engel innerlich schon wieder grinsen musste. Ein Dämon hatte ihn tatsächlich geholfen! Dass er das noch miterleben durfte! Wenn doch nur alle Dämonen so wären wie er, dann würde es nicht einmal den Kalten Krieg zwischen diesen beiden Völkern geben. Akuma zeigte seine Verwunderung nicht, als Tenshi ihm dankte. Hatte der Engel das wirklich gerade gesagt? Irgendwie war es ein eigenartiges Gefühl. Etwas, das er noch nicht kannte. Okay, ein Dämon hätte sich niemals bedankt. Da waren die Engel wohl einfach anders. "Du bist der Held des Ta~ ähm... der Nacht", sagte Tenshi dann noch mit einer viel freudigeren Stimme, denn bis eben hatte er noch ziemlich mit sich selbst zu kämpfen gehabt. Doch er entschuldigte seine Nutzlosigkeit einfach damit, dass er ja weder Flügel noch engelhafte Fähigkeiten besaß. Außerdem durfte er sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Er musste weiterhin optimistisch bleiben. Dass er ihn gleich als Held kührte, fand Akuma dann doch etwas zu übertrieben. Wurde er da etwa verlegen? "Du bist ein Idiot, weißt du das?", sagte er deshalb, um sich selbst abzulenken. Wie konnte der Engel jetzt nur wieder so gut gelaunt sein? Sie waren gerade einem tobenden Geist mit knapper Not entkommen und Tenshi wäre auch noch fast ertrunken. Machte er sich denn gar keine Gedanken mehr darüber? Leicht schüttelte er den Kopf. //Wer blickt schon durch, was im Kopf eines Engels vor sich geht?// "Aber sag mal... Wo ist denn eigentlich Drops?", den kleinen Hund hatten sie völlig vergessen, wahrscheinlich war er immer noch im Schrein. "Lass ihn uns suchen und dann wieder zum Hotel zurückkehren, ja?" Akuma äußerte daraufhin nur erschöpft ein leises "Hm", was so viel bedeuten sollte, dass es ihm egal war. Also ging er ihm einfach hinterher. Er merkte, dass seine Glieder durch dieses nächtliche Abenteuer schwerer geworden waren. Durch diese Verfolgungsjagd war er wirklich müde geworden und der Gedanke an einen erholsamen Schlaf ließ ihn kurz aufgähnen. Er würde es sich auf der kleinen Terrasse vor Shoutas Zimmer gemütlich machen, vielleicht in einem dieser gemütlichen, gepolsterten Sessel, welche dort gestanden hatten. Von dort aus hatte man auch einen wunderbaren Blick auf den sorgfältig gepflegten Garten des Hotels. Ohne es wirklich realisiert zu haben, waren sie wieder bei dem Schrein angelangt, in welchen Tenshi auch gleich hineinging um nach Drops zu suchen. Akuma wartete derweil draußen. Das letzte Mal hatten sie den Dalmatiner gesehen, als er den Geist vor dem Altar angebellt und gebissen hatte. Tenshi brauchte nur einmal zu rufen und schon hörte er das vertraute Bellen, welches noch einige Male in den Gängen widerhallte. Hechelnd und mit wedelndem Schwanz kam Drops auf den Engel zugerannt. "Hey, da bist du ja", er hob ihn hoch und wurde daraufhin gleich von ihm abgeleckt. Der Blonde kicherte. "Drops lass das. Das kitzelt. Komm, Shouta kann bestimmt nicht schlafen, wenn er weiß, dass du weg bist", er ließ ihn wieder runter, bevor dann beide den Schrein erneuert verließen. Im Hotel war es derweil schon fast so still, wie es im Schrein gewesen war, doch auf eine viel angenehmere Art und Weise. Tenshi ließ sich gleich wieder aufs Bett fallen, so erschöpft war er. Endlich konnte er zur Ruhe kommen und im diesen schönen weichen Bett schlafen. Mit dem was er über seinen Schützling gesagt hatte, hatte er jedenfalls recht gehabt. Shouta lag zwar auch schon im Bett, doch war er immer noch wach und wartete auf seinen Hund, der aber, nachdem sie angekommen waren, sogleich auf sein Bett gesprungen war und ihn begrüßt hatte. "Und ich dachte schon, du würdest nicht mehr wiederkommen", flüsterte der kleine Junge erfreut und streichelte den Dalmatiner ausgiebig. "Das war ein anstrengender Tag...", seufzte Tenshi und beobachtete Akuma, wie er es sich in einem dieser Sessel gemütlich machte. "Wie kannst du nur im Sitzen schlafen?", fragte er ihn dann. Schließlich stellte er sich das trotz der Gemütlichkeit nicht gerade bequem vor. Sessel waren zum Sitzen da, und nicht zum Schlafen. "Hast du denn noch nie im Sitzen geschlafen?", stellte er ihm die Gegenfrage und warf ihm einen fragenden Blick zu. Er fragte sich, wie die Engel überhaupt wohnten. Hatten sie Häuser? Wohnungen? Gab´s vielleicht sogar Obdachlose? Akuma schüttelte lächelnd über seine eigenen Gedanken den Kopf, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Nein", antwortete er wahrheitsgemäß und kuschelte sich in eines der vielen Kissen. "Wir schlafen immer in weichen Himmelbetten und sind umgeben von all den Wolken. Manche riechen sogar nach Zuckerwatte", erklärte er und hatte dabei einen ziemlich verträumten Gesichtsausdruck. Erst jetzt wurde ihm klar, was er eigentlich im Himmel alles gehabt hatte. Die Engel lebten direkt auf den Wolken, waren oft umgeben von weißen Wänden oder gar seidenen Vorhängen, die ständig im Wind tanzten. Im Himmelreich würde sich ein Normalsterblicher sicherlich so fühlen wie die Prinzessin auf der Erbse. Alles fühlte sich dort so weich und unglaublich sanft an, es gab fast keinen Unterschied zu der eigenen Haut. Jedoch richtete sich jedes Augenmerk im Himmelreich immer noch auf das Schloss, in dem der Rat der Weisen seinen Sitz hatte, sowie ihre große Herscherin, deren Aussehen oft einer Göttin glich. Doch selbst sie hielt man nicht für so ganz unsterblich. Man sagt, sie allein hätte Kontakt zu dem einzig und wahren Gott dieser Welt, und würde sich von ihm auch ständig Rat einholen. Der Himmel konnte für manche ein Paradies, aber widerum auch die Hölle sein. So wie sie Teshi einst durchlebt hatte. Dennoch musste er zugeben, dass er genau in diesem Augenblick eine kleine Spur von Heimweh verspürte. Akuma ließ seinen Blick duch den verlassenen Garten schweifen und blickte dann hinauf in den Himmel. "Ob du´s glaubst oder nicht, aber als Dämon hat man nicht immer das Vergnügen, in einem weichen Bett zu schlafen. Außerdem kann man überall schlafen, wenn man wirklich müde ist." Und er war müde, soviel stand fest. Wahrscheinlich hätte er auch auf einem kantigen Felsen seinen Schlaf gefunden. Geräuschvoll atmete er aus und schloss dann seine Augen. Er hoffte, dass ihn die Menschen am nächsten Morgen nicht wieder so früh wecken würden wie schon einmal, nicht nach so einer ereignisreichen Nacht. "Und dann... wecken dich... immer die.. Vögel", erzählte er weiter. Mit jedem Wort, das er sagte, wurden seine Augenlider schwerer, "...mit ihrem Gesang... der sich so anhört wie...", weiter kam er nicht. Der Schlaf hatte ihn nun endgültig überfallen. Akuma hatte nur noch mit halben Ohr zugehört, was Tenshi so von seinen sonstigen Schlafgewohnheiten erzählt hatte. Unbewusst war ihm nur aufgefallen, dass die Stimme des Engels leiser gworden und schließlich ganz verstummt war. Kurz darauf war auch er endlich eingeschlafen. Kapitel 8: Alte Liebe --------------------- Am nächsten Morgen wurde Akuma aufgeweckt, als die Schiebetüre zur Terrasse mit viel Schwung aufgeschoben wurde. "Komm, Drops!", rief Shouta mit fröhlicher Stimme und rannte gemeinsam mit seinem Hund hinaus in den Garten. Verschlafen blickte er sich um. Die Sonne war schon längst aufgegangen und strahlte von einem beinahe wolkenlosen Himmel auf ihn hinab. Der Dämon streckte sich genüsslich und gähnte. "Hab ich gut geschlafen", sagte er leise zu sich selbst, wobei immer noch etwas Müdigkeit in der Stimme zu erkennen war. Er hatte einen erholsamen Schlaf gehabt und war somit bereit für einen neuen Tag. Welcher - nebenbei bemerkt - hoffentlich nicht wieder eine wilde Verfolgungsjagd auf dem Plan hatte. Kaum zu glauben, dass er noch nicht früher aufgewacht war, wenn er jetzt Shouta so rumschreien hörte. Er spielte mit Drops Fangen, bis er einen kurzen Ast in der Wiese fand und dann seinem Hund beibringen wollte, wie man richtig Stöckchen holen spielte. Doch der junge Dalmatiner verstand noch nicht so richtig, was er mit diesem Stück Holz anfangen sollte. Akuma schmunzelte leicht bei dem Anblick, wie passioniert der Junge das Spiel erklärte und Drops einfach nur dasaß und ihn mit großen, runden Augen anstarrte. "Komm jetzt Shouta! Wir wollten doch noch den Fluss hinaufspazieren und ein wenig baden!", ertönte dann die Stimme der Mutter, welche gerade noch einige Handtücher in eine Tasche stopfte. Akuma stand nun auf und fuhr sich einmal durch die Haare. //Hab ich irgendwas verpasst?//, fragte er sich. Die Familie musste den Tagesplan wohl schon beim Frühstück besprochen haben, während er noch geschlafen hatte. Auch der Vater schien trotz der lauten Rufe seines Sohnes, ziemlich gut drauf zu sein und rauchte erst einmal genüsslich eine Zigarre. "Also, wenn hier wirklich ein Geist sein soll, dann aber ein recht freundlicher, der nachts keinen Mucks von sich gibt und die Leute in Ruhe schlafen lässt", sagte er, sichtlich etwas amüsiert über diese Vorstellung. "Ich weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll. Anfangs schien mir dieser Ort wirklich wie... verflucht und jetzt scheint die Armosphäre nicht mehr so.. drückend wie vorher", erklärte ihm seine Frau, nachdem sie den Reißverschluss der Tasche zugezogen hatte. Ihr Mann lachte daraufhin nur. Wahrscheinlich war er der Ansicht, dass sie sich das alles nur eingebildet und die Geistergeschichte ein wenig zu ernst genommen hatte. "Du brauchst wirklich Urlaub, meine Liebe", meinte er dann nur und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Der Engel hatte bisher noch nichts von alledem mitbekommen. Er lag immer noch mit der Decke überm Kopf im Bett und schlief tief und fest. Sein Atmen war gleichmäßig und hin und wieder drehte er sich murmelnd auf die andere Seite. "Shouta? Bist du soweit?!", rief dann noch einmal die Mutter. "Ja! Wir warten vorm Haupteingang auf euch!", Shouta lief mit Drops einen Weg entlang, der sie außenrum zum Haupteingang führte. Dabei fiel dem Dunkelhaarigen auch auf, dass Tenshi garnicht bei dem Menschenkind war. Sollte er als Schutzengel nicht auf seinen Schützling aufpassen? Der Dämon sah sich in dem Hotelzimmer um und entdeckte etwas - oder besser gesagt jemanden - unter der Bettdecke. Er war leicht verwundert darüber, dass Tenshi noch immer zu schlafen schien. Sollte er ihn aufwecken? Ihm die Decke wegziehen? Oder vielleicht einen Eimer kaltes Wasser über ihn schütten? Er grinste kurz, schüttelte aber dann leicht den Kopf. Mit leisen Schritten ging er zu dem Bett, beugte sich nach unten und zog Tenshi erst einmal die Decke vom Kopf. Er erkannte, dass er immer noch schlief, die blonden Haare wirr in der Stirn. Er betrachtete ihn kurz gedankenverloren, wie er leise gleichmäßig atmete und in einer Traumwelt zu sein schien. Was murmelte der Engel da eigentlich vor sich hin? Akuma konnte nichts davon verstehen und zuckte mit den Schultern. //Dann eben nicht.//, nun stubste er ihn mit einem Finger an. "Glaubst du nicht, es wird Zeit, dass du aufstehst? Raus aus den Federn, die sind schon alle weg.", fing er an. Shoutas Eltern hatten mittlerweile ebenfalls den Raum verlassen. Tenshis Murmeln hörte abrupt auf, als er eine Stimme nah an seinem Ohr vernahm. Er runzelte die Stirn und drehte sich langsam auf den Rücken. "Mhmm? Was? Wer ist weg?", seine Stimme hörte sich ziemlich rau an. Seine Augen waren so voller Schlaf, dass er Akumas Gesicht nur durch eine Art Schleier sah. Nachdem er ihn ein paar Mal angeblinzelt und dann den Schlaf aus den Augen gerieben hatte, konnte er endlich das ihm erst noch so fremde Gesicht, gleich viel besser erkennen. Allerdings hatte er wohl jemand anderes erwartet, was auch der Grund dafür zu sein schien, weshalb er sogleich aufschrie und vor Schreck aus dem Bett fiel. Dabei hatte ihn Akuma doch eigentlich recht sanft geweckt. Doch wahrscheinlich war er noch zu sehr in seiner Traumwelt gefangen gewesen, und ein Dämon hatte da wohl auch nicht wirklich reingepasst. "Akuma! Musst du mich so erschrecken?!", fragte er mit einem schon viel wacheren Gesicht. Akuma musste ein wenig schmunzeln, nachdem Tenshi vor Schreck aus dem Bett gefallen war. "Ich soll dich erschrocken haben?", fragte er dann mit hochgezogener Augenbraue. Das war ja schon fast eine Beleidigung! Da war er mal freundlich und riss ihn nicht forsch aus seinen Träumen und dann wurde ihm das auch noch vorgehalten. Er hätte ihm wirklich einfach einen Eimer Wasser über den Kopf kippen sollen. Langsam rappelte sich der Engel wieder auf und klopfte das bisschen Staub von seinen Sachen. Nebenbei bemerkte er, dass es so ungewöhnlich ruhig in den Zimmern war. Verwirrt sah er sich um. "Was?! Wo... Wo sind sie denn alle?!", er lief sogar auf die Terasse, weil er glaubte, von dort aus in der Ferne vielleicht etwas erblicken zu können. "Meinetwegen, dann werde ich dich das nächste Mal eben nicht aufwecken, wenn Shouta auf große Entdeckungsreise geht. Stimmt schon, was hab ich eigentlich damit zu tun, dass du auf ihn aufpassen sollst?", meinte er dann und beantwortete somit auch gleich Tenshis Frage. Er folgte dem Engel auf die Terrasse. Wie schnell dieser doch munter geworden war, wo er gemerkt hatte, dass alle anderen weg waren. "Die sind schon längst beim Haupteingang und wollen den Fluss hochgehen", erklärte er dann noch weiter und stieg in die Luft. "Du solltest dich beeilen, sonst holst du sie nie mehr ein", grinste er leicht belustigt, während er höher und dann der Familie hinterherflog. "Hm? Zum Fluss?", hatte er noch einmal nachgefragt, so als hätte er sich eher gewünscht, er hätte sich verhört. Eigentlich kein Wunder - schon wieder Wasser! So langsam schien sich eine Phobie gegen diese unheilbringende Flüssigkeit bei ihm einzuschleichen. "Hä?! Hey! Kannst du nicht mal warten? Akuma!", rief er ihm verärgert hinterher. Was sollte das auch? Wer war denn hier Shoutas Schutzengel? Er oder Akuma? Immer noch die Stirn in Falten gelegt, ging er wieder rein und verschwand im Bad, um sich frisch zu machen. Er beeilte sich so gut er konnte, doch bevor er ihnen dann endlich folgte, nahm er noch sein grünes Notizbuch mit. Schließlich musste er jeden Tag dort etwas eintragen und durfte es kein einziges Mal vergessen. Derweil war die Familie schon am Fluss angekommen, und nachdem sie etwa eine halbe Stunde gelaufen waren, breiteten sie direkt unter einem Baumes eine riesige Wolldecke aus, um darauf ein Picknick zu machen. Den Picknickkorb hatte die Mutter vom Empfangschef bekommen, als eine Art Present, da es seit ihrer Ankunft keine weiteren Vorkommnisse gegeben hatte, die eventuell ein Geist hätte anrichten können. Ja, selbst der Empfangschef hatte bemerkt, dass es nun wieder ruhiger geworden war. Tenshi befand sich inzwischen auch schon außerhalb des Hotels und ging gedankenverloren denselben Weg, den die Familie genommen hatte. Als er wieder auf die Anhöhe kam, blieb er genau wie gestern stehen und ließ seinen Blick zum Schrein schweifen. Die Bauarbeiten hatten längst wieder begonnen und waren auch voll im Gange. Wenn sie Glück hatten, würden der Schrein vielleicht sogar heute schon fertig werden. Soviel war ja eigentlich nicht mehr zu machen. Eine Weile sah er den Bauarbeitern zu. Nachdem er sich satt gesehen hatte, setzte er dann seinen Weg fort. Akuma war der Familie nicht auf direktem Weg gefolgt. Er nutzte die Gelegenheit dazu, sich die Umgebung etwas aus der Luft anzusehen, denn später würde er Shouta und seine Eltern schon wieder einholen. Der Fluss verlief am Wald entlang. Ein kleiner Weg zeugte davon, dass hier viele Touristen entlang gingen, doch heute waren nur sehr wenige unterwegs. Das lag wohl noch immer an dem sogenannten Spuk-Schrein. Er überflog die Wipfel der Bäume und stieß dann wieder auf den Verlauf des Flusses. Nach einigen Minuten des Fliegens hörte er ein Rauschen, dessen Ursprung ein kleiner Wasserfall war, wie er gleich darauf entdeckte. Der Dämon musste sich eingestehen, dass es hier wirklich schön war. Noch dazu war es nicht einmal so weit von Tokyo entfernt, wie man vielleicht dachte. Nachdem er sich genug umgesehen hatte, kehrte er wieder zurück, fand Shouta mit seinen Eltern bei einem kleinen Picknick vor. Er landete ganz in der Nähe und ging dann zu ihnen, ließ seinen Blick über das ausgebreitete Picknick gleiten. Ja, eigentlich wäre jetzt was zu Essen garnicht mal so verkehrt. In einem unbeobachteten Moment schnappte er sich eines der köstlich aussehenden Sandwiches und verzog sich damit etwas abseits, schließlich wollte er nicht von den Menschen beim Essen ertappt werden. Er setzte sich hin und lehnte sich an einen Baum an, biss hungrig von dem Sandwich ab. Wo blieb eigentlich Tenshi schon wieder? Er hätte eigentlich gedacht, dass der Engel inzwischen schon aufgeholt haben müsste. "Schlechte Neuigkeiten, Mirage. Sie scheinen den Schrein fast schon wieder aufgebaut zu haben", teilte ihr eine Frau mittleren Alters mit. Sie sah aus wie ein Punkgirl, denn sie hatte mehrere Ohringe, Piercings und was ganz auffallend war, ihr pinker Irokesenschnitt. Mirage biss sich auf die Unterlippe und fing dann an auf ihren Fingernagel zu kauen. Ungeduldig, so schien es, ging sie hin und her. "Hat dich jemand gesehen?", fragte sie. "Nein, solange wir unsere Aura unterdrücken, wird uns niemand bemerken", antwortete sie mit gelassener Haltung. "Aber du bist geflogen. Wie oft habe ich dir gesagt, dass du zu Fuß gehen sollst?", belehrte sie ihren Gegenüber. "Mirage, chill mal ein bisschen. Du wirkst in letzter Zeit so.. angespannt. Liegt das etwa an dem neuen Fürsten?", auf diesen Kommentar hin wurde sie von ihr plötzlich am Kragen gepackt. "Angespannt?! Natürlich bin ich angespannt, du hirnloses kleines Miststück! Schließlich-", doch weiter kam sie nicht, denn ein weiterer Dämon landete auf dem Dach der alten Fabrik, auf der sie sich befanden. "Ähm... Entschuldigung, dass ich euch störe..", Mirage ließ das Punkgirl los und seufzte genervt. "Kaori, Dämonen entschuldigen sich nicht, verstanden? Also, was willst du?", Kaori nickte und kam gleich zu ihrer Antwort: "Es scheint so, als ob es wirklich wahr ist. Die Brosche wurde zerstört", fassungslos wurde sie von Mirage, die wohl die Anführerrolle inne hatte, angestarrt. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. "Das kann doch alles nicht wahr sein! Los, verschwinden wir!", ihre zwei Begleiter nickten und folgten ihr dann. "Na, du kleiner Dieb, schmeckt das Sandwich?", fragte Tenshi Akuma, als auch er endlich am Fluss angekommen war und sich hinter ihm gestellt hatte. Beinahe hätte sich dieser wegen seines plötzlichen Auftauchens verschluckt. Er war einfach zu sehr in Gedanken gewesen, als dass er ihn bemerkt hätte. Er drehte sich halb um und sah zu dem Engel empor. "Ein Sandwich ist doch wohl ein geringer Preis dafür, dass sie heute Nacht nicht von einem Geist gemeuchelt worden sind", erwiderte er darauf und biss noch einmal demonstrativ von dem Sandwich ab. "Du hast übrigens ziemlich lange gebraucht. Bist wohl aus der Übung, was?", meinte er dann und grinste leicht. In solchen Situationen war er wirklich froh, Flügel zu haben. Es war einfach viel praktischer zu fliegen, wenn man große Distanzen zurücklegen wollte, als zu Fuß unterwegs zu sein. Er aß gerade das letzte Stück seines Essens, als er ein lautes Platschen hörte. Ein Blick in die Richtung, aus welcher das Geräusch gekommen war, verriet ihm, dass Shouta in den Fluss gesprungen war, sich aber nahe am Ufer aufhielt, um nicht abgetrieben zu werden. Auch der kleine Drops ging ins Wasser, allerdings nur so weit, wie er noch Boden unter den Pfoten hatte. "Also ich hab von Schwimmstunden erstmal genug", sagte er und beobachtete das Schauspiel. "Und? Was gedenkst du nun zu tun?", fragte sie das Punkgirl nach einer Weile. "Irgendwas wird mir schon noch einfallen, nur keine Sorge", murmelte sie gedankenverloren. "Mit anderen Worten du hast keinen Plan...", auch wenn sie wusste, dass sie Mirage mit diesen Kommentaren jedes Mal zur Weißglut treiben konnte und sie dafür auch jedes Mal von ihr bestraft wurde, tat sie es immer wieder. Sie konnte einfach nicht anders, als direkt und ehrlich zu sein. Mirage knirschte mit den Zähnen. "Ach, halt die Klappe! Wo ist eigentlich Kaori schon wieder?!", bemerkte sie nebenbei als sie nach hinten blickte. "Was? Sie war doch eben noch hinter uns!", sie hielten mitten in der Luft an. "Dieses verdammte kleine Gör!" Tenshi musste daraufhin schmunzeln und kletterte auf einen Baum, um dort mit seinen Notizen zu beginnen. "Ohne Flügel ist es manchmal wie... ein Einbeiniger ohne Krücken", versuchte er ihm zu erklären und holte sein Buch hervor. Derweil schien Drops auf irgendwas aufmerksam geworden zu sein, weshalb er eilig ins Gebüsch rannte. "Hey Drops! Wo willst du denn hin?!", rief ihm Shouta noch nach und sah etwas verdutzt drein. Er wird schon wiederkommen, dachte er jedoch nur und ging dann wieder zurück ins Wasser. "Oh, sind die köstlich. Einfach himmlisch diese Beeren", Kaori hatte sich einige Meter vom Fluss entfernt, vor einigen Beerensträuchern niedergelassen und aß genüsslich ein paar davon. Bis auf einmal Drops sie fand. "Huch? Oh nein, wie niedlich!", sie schien sehr entzückt von dem kleinen Welpen und nahm ihn sofort auf den Arm. Als sie die rufenden Stimmen ihrer Kolleginnen hörte, rannte sie eilig mit dem Hund zu ihnen. "Schaut mal, was ich gefunden habe! Darf ich ihn behalten?", fragte sie sie gleich und streichelte Drops. "Kaori, hier bist du! Sag mal, wie kannst du es wagen, ohne uns vorher Bescheid zu sagen so einfach zu verschwinden?! Und überhaupt... Was willst du mit diesem Vieh?", Kaori sah sie beleidigt an, fast so als hätte Mirage sie gemeint. "Mhmm... wo wohl Drops bleibt? Am besten ich seh mal nach ihm", entschied Tenshi, nachdem er seinen Eintrag fertig geschrieben hatte und sprang vom Baum. "Könntest du solange darauf aufpassen?", fragte er Akuma und hielt ihm das Buch vor die Nase. "Aber wage es nicht, dort hineinzusehen. Sonst werden dir schreckliche Dinge widerfahren. Und ich meine es auch so, wie ich es sage", warnte er ihn. "Und nebenbei kannst du ja auch mal ein Auge auf Shouta werfen, danke!", ohne noch auf seine Zustimmung zu warten, verschwand auch er in den Büschen. Es konnte ja sein, dass Shouta doch noch irgendwie im Fluss landete und abtrieb. Für den Engel war das ja auch eher eine geteilte Arbeit. Während er nach dem suchte, was Shouta glücklich machte, konnte ja Akuma sich um dessen Wohlbefinden sorgen... Akuma hatte ratlos das ihm dargebotene Buch entgegen genommen. "Sonst noch Wünsche?", fragte er ironisch und starrte dem Engel hinterher, als dieser auch schon hinter den Bäumen und Büschen verschwand. //Na toll, und was mach ich jetzt?//, fragte er sich und sah das kleine Buch in seiner Hand an. Irgendwie reizte es ihn ungemein, dieses Buch aufzuschlagen und nachzusehen, was da so alles drinnen stand. Aber Tenshi hatte es ihm im Vertrauen darauf gegeben, dass er sich daran halten würde und es geschlossen blieb. Doch warum sollte sich Akuma daran halten? Er war doch ein Dämon! Dämonen konnte man nicht vertrauen... oder doch? Verdammt, warum hatte er es ihm überhaupt zur Aufbewahrung gegeben? Damit hatte er Akuma nur wieder zum Grübeln gebracht! Wie sehr er sich doch über diese Gedanken ärgerte. Grummelnd steckte er das Buch ein und beschloss, es einfach aus seinen Gedanken zu streichen, als ob er es nie in die Finger bekommen hätte. Sein Blick glitt nun zu Shouta, welcher noch immer im Wasser spielte, ab und zu aber auch nach Drops rief, welcher noch immer nicht zu ihm zurückgekehrt war. "Hey, wir könnten dem Hund doch einen pinken Irokesen machen! Sieht sicher super aus!", überlegte das Punkgirl, woraufhin Kaori ihn schützend an sich drückte. "Kommt nicht in Frage! Er ist mein Hund und ich werde ihn Hündchen nennen! Wir werden gemeinsam fangen spielen und die besten Freunde sein!", erklärte sie fest davon überzeugt. Mirage grummelte nur und sah mit funkelnden Augen zu den beiden. "Habe ich euch nicht gesagt, dass wir den Hund hierlassen!?" "Nein!", protestierte Kaori sofort. Wie konnte man nur so ein armes Tier alleine im Wald zurücklassen? "Drops!", hörten die drei plötzlich eine Stimme rufen, was sie stehen blieben und aufhorchen ließ. "Ich glaube, da ist jemand", sagte das Punkgirl monoton. "Was du nicht sagtst. Da wär ich nie drauf gekommen", antwortete Mirage voller Sarkasmus und wartete ab. Die Rufe wurden lauter, dieser Jemand schien sich ihnen zu nähern. Kurz darauf kam ein blonder Schopf in Sicht, ein Junge schob sich zwischen zwei Büschen hindurch. Die drei sahen zu ihm, er sah zu den dreien. Moment - er konnte sie sehen?! "Diese reine Aura. Ist das etwa... ein Engel?", fragte sich das Punkgirl und sah ihn an, als wollte sie, dass man sie kneifte. Sie schien allgemein auf Schmerzen zu stehen, sowie Tenshi beim genaueren Hinsehen vermutete. Diese ganzen Piercings, Tattoos und ihr Leder und Lack Outfit deuteten auf jeden Fall daraufhin. "Ja, scheint so", meldete sich Mirage und studierte den jungen Engel ebenfalls. Sie war der reifere Dämon von den dreien und hatte auch eine recht tiefe Stimme. Sie hatte knallrote Lippen, was aber eher vom Make-Up kam, doch der Rest war dezent aufgetragen. Man konnte nur ihr eines Auge sehen, da die rechte Seite von einer dicken und langen, lockigen Strähne bedeckt wurde. Der restliche Haarschnitt war bei ihr eher kurz. Alles in allem war sie schon eine relativ attraktive Frau. "Er hat ja garkeine Flügel", bemerkte die Jüngste beiläufig. Sie war wirklich noch sehr jung, vor allem wurde dieses kindliche von ihren blauen Zöpfen zusätzlich verstärkt. Sie schien ein süßer kleiner Teenie zu sein. Ihre Haut war dunkel, weshalb Tenshi daraus schloss, dass sie von irgendwo außerhalb kam. Auf jeden Fall war sie noch ein Dämon in der Ausbildung. //Warum achten alle nur immer auf die Flügel?//, fragte er sich, obwohl er sich ja eigentlich fragen müsste, was drei weibliche Dämoninnen in so einer Gegend verloren hatten. "Ja, schon komisch", und weil es so komisch war, musste das Punkgirl daraufhin gleich grinsen. "Er ist aber süß", fand Kaori und kicherte. "Ach, du findest doch alles süß, was bei 3 nicht auf dem Baum ist", kommentierte Mirage und rollte mit den Augen. //Was sind denn das nur für welche?//, so langsam fiel sein Blick jedoch auf Drops, der noch immer von Kaori gehalten wurde. "Was habt ihr mit Drops vor?", er deutete auf den Hund. "Drops? Ist das etwa dein Hund?", fragte ihn Mirage und zog eine Augenbraue hoch. "So in etwa, ja. Und ich würde ihn gerne wieder haben", doch daraufhin schüttelte Kaori heftig mit dem Kopf. "Nein, nein! Bitte lasst nicht zu, dass er ihn mir wegnimmt!" Mirage lachte kurz auf. Dieser Engel kam ihr doch gerade recht. Mit ihm würde sie den neuen Fürsten doch noch zufrieden stellen können. "Wir geben ihn dir zurück. Allerdings erwarte ich dafür eine kleine Gegenleistung", so waren Dämonen nun einmal. Für jeden Gefallen, den sie anderen taten, erwarteten sie stets eine Gegenleistung. Tenshi schluckte. "Und die wäre?", die Anführerin ging ein paar Schritte auf ihn zu. "Ich habe vor unseren Fürsten mit etwas Lebensenergie zu besänftigen. Aber um die erstmal zu kriegen, brauche ich eine Cameoblume. Wärst du so nett und würdest sie mir besorgen?", der Blonde nickte. Das war alles? Irgendwie kam ihm die Aufgabe mehr als lächerlich vor. Natürlich war diese Blume äußerst selten und nur schwer zu finden, aber der Engel hatte da insgeheim schon einen gewissen Ort im Hinterkopf... Und tatsächlich! Nach nur einer halben Stunde kam er mit der Cameo wieder und überreichte diese Mirage. "Was?! Wie kann das sein? Wie hast du sie nur so schnell finden können?", alle drei waren sprachlos und begutachteten die Blume sorgfältig, so als glaubten sie, er würde sie reinlegen wollen. "Das war ganz einfach. Auf dem Weg hierher hab ich ein altes, modriges Gewächshaus gesehen, das einst für seltene Blumen bekannt war und genau dort wuchs sie auch zu meinem Glück", erklärte er stolz. Endlich hatte er mal was richtig gemacht. "Los! Gib das Vieh her!", befahl Mirage und zog an dem Hund, da Kaori ihn einfach nicht hergeben wollte. Doch letzendlich musste sie nachgeben und sich von ihm trennen. "Hier, Dämonen halten soweit es geht, ihr Wort", sie war jetzt in ziemlich aggressiver Stimmung, wie Tenshi bemerkte, weshalb er sich jetzt lieber schnell bedankte, dann umdrehte und mit dem Hund verschwand. Doch kaum hatte er einen Fuß nach dem anderen gesetzt, befahl sie ihm sogleich sofort stehen zu bleiben. Der Engel rührte sich nicht und hörte nur, was sie noch zu sagen hatte. "Dieser Geruch... Wieso ist mir das nicht schon viel früher aufgefallen? Du kennst nicht zufällig einen Dämon, namens Akuma?", der Engel erstarrte daraufhin. Was sollte er denn jetzt sagen? Akuma hatte sich immerhin von ihnen abgewandt und es würde nur an Verrat grenzen, wenn er ihnen jetzt erzählte, dass er sogar sein Untermieter war. "N-Nein.. hab ich noch nie gehört... diesen.. Wie hieß er gleich nochmal?", er hatte sich noch immer nicht zu ihnen umgedreht, was ja auch nicht sonderlich hilfreich gewesen wäre, da er ja so ein schlechter Lügner war. "Du willst mich wohl verarschen, wie?! Diesen Geruch würde ich überall wiedererkennen!", Mirage durchschaute ihn trotzdem und näherte sich ihm wieder. "Dieses verdammte Arschloch!", fluchte sie immer wieder, während sich das Punkgirl genervt am Kopf fasste. "Oh nein, sag nicht, du bist noch immer nicht über ihn hinweg", für diesen Kommentar wurde sie nur wieder von ihr angefunkelt. "Nein, noch lange nicht! Er soll nicht glauben, er könnte mir so einfach entkommen. Du da! Du führst mich jetzt gefälligst zu ihm!", vor Schreck hatte sich Tenshi nun doch umgedreht und sah sie fassungslos an. //Die Art wie sie über ihn gesprochen hat... Ist sie vielleicht... Akumas Exfreundin?!// Der Dunkelhaarige hatte es sich an dem Baumstamm gemütlich gemacht und die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er döste halb vor sich hin, bemerkte gar nicht, wie schnell die Zeit verstrich. Erst als er Shouta nach seiner Mutter rufen hörte, wurde er wieder hellhörig. "Mama? Ich geh jetzt nach Drops suchen. Er ist schon über eine halbe Stunde weg", meinte er etwas betrübt und besorgt. "Ist gut, aber geh nicht zu weit weg, sonst müssen wir am Ende auch noch nach Dir suchen", erwiderte die Mutter woraufhin der Junge nickte und zwischen einigen Bäumen verschwand. Akuma sah ihm hinterher. //Was für ein Idiot. Der Hund ist doch in die andere Richtung abgehauen//, dachte er sich und schüttelte leicht den Kopf. "Hm", er sah in die Baumkrone über sich und überlegte. Hatte Shouta eine halbe Stunde gesagt? Was machte der Blondschopf eigentlich so lange? Wollte er nicht nach dem Hund suchen und hätte somit schon längst zurück sein müssen? Geräuschvoll atmete er aus, als er sich wieder vom Waldboden erhob und kurz darauf hinter den selben Büschen verschwand, wie auch schon Tenshi einige Zeit zuvor. Er wusste nicht genau, warum er jetzt nach ihm suchte. Er schob es einfach auf seine Neugierde. //Vielleicht hat er sich ja schon wieder mit einem Geist eingelassen//, scherzte er noch in Gedanken und hatte keine Ahnung, wie nahe er damit der Wahrheit kam, nur dass es kein Geist sondern Dämonen waren. Er strich einige Minuten durch den Wald, als er plötzlich jemanden reden hörte. //War das Tenshi?//, fragte er sich und ging leise den Stimmen nach. Doch dann überkam ihn eine leichte Gänsehaut, als er eine weitere Stimme erkannte. Mirage. Was zum Teufel machte Sie denn hier? Irgendwie verwunderte es ihn, dass er ihre Stimme immer noch erkannte, obwohl sie sich schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatten. Ob sie immer noch wütend auf ihn war? Vermutlich. Immerhin hatte er sich von den einen Tag auf den anderen einfach aus dem Staub gemacht und dabei ihren Teleportstein mitgenommen. Naja, das Ding hatte so und so nicht sonderlich lange gehalten, so oft und für weite Strecken wie er es benutzt hatte. Er hatte schließlich so weit wie möglich von dort wegkommen müssen. Aber irgendwie war Mirage ja auch selber schuld. Er hatte sie ja gefragt, ob sie mitkommen wollte, aber sie war zu feige gewesen, sich gegen den dunklen Fürsten zu stellen. Er schlich näher und als er nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt war, konnte er alle anwesenden hinter einem Busch entdecken. Da war Tenshi mit Drops, Mirage und noch zwei weitere Dämonen. Und so wie Mirage gerade drauf war, war mit ihr wohl nicht gut Kirschen essen. Tenshi hätte alleine so oder so keine Chance gegen drei Dämonen auf einmal in seinem jetzigen Zustand, glaubte Akuma zu wissen. Zu seinem Bedauern sah er in dieser Situation keinen besseren Weg, als ins kalte Wasser zu springen. Also schob er sich zwischen den Ästen hindurch und trat auf die Lichtung, ließ seinen Blick über alle Anwesenden gleiten und sah dann unverwandt zu Mirage. "Du suchst nach mir?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)