Hate Me || Love Me von abgemeldet (Der Anfang von einem neuen Ende) ================================================================================ Kapitel 6: Der Meiji-Schrein ---------------------------- "Sowas wie ich?! Ich bin doch nicht irgendein Gegenstand!", beschwerte sich Akuma und funkelte den Blonden an. Nachdem er sich ebenfalls ins Auto gesetzt hatte, hörte er der belanglosen Unterhaltung der Menschen zu und sah still aus dem Fenster, beobachtete die Häuser, wie sie an ihnen vorbeizogen. Als Shouta dann auf den Hund zu sprechen kam, fiel dem Dämon auch gleich ein passender Name ein: "Wie wär's mit Cruella? Von der Farbe her würd´s doch passen", grinste er und sah zu dem Dalmatiner, welcher bei Shoutas Füßen auf dem Boden saß und neugierig seinen Kopf hin und her bewegte, konnte er doch ihn und den Engel sehen. Der Welpe bellte zwei Mal auf, was sich eher noch nach einem hohen Quieken anhörte und Shoutas Vater sofort aufmerksam machte. "Und sorg dafür, dass er nicht die ganze Fahrt über bellt!", sagte er strikt und warf dabei einen mahnenden Blick in den Rückspiegel zu seinem Sohn. Tenshis Sorgen und Ängste von gestern und heute Morgen schienen inzwischen wie weggeblasen. Er konnte fast garnicht mehr aufhören zu grinsen und schenkte seine Aufmerksamkeit jedem noch so kleinen Winkel von Tokyo, denn er saß ebenfalls am Fenster, was hieß, dass Shouta in der Mitte Platz genommen hatte. Was für ein Bild. Ein kleiner Junge saß zwischen einem Engel und einem Dämon, viel besser konnte man die Gegensätze garnicht darstellen. "Cruella? Sag mal, sonst geht's dir noch gut, ja?", sagte er schon beinahe wieder empört über Akumas Vorschlag. "Cruella war doch im Film die penetrante, eingebildete Modefanatikerin, da kannst du den Hund doch nicht nach ihr benennen! Lucky wäre ein viel passender Name", meinte er auf eine besserwisserische Art. Währenddessen war das Thema Hund auch bei den Eltern nicht mehr wegzudenken, denn der Vater war immer noch zu aufgebracht darüber, dass seine Frau ohne ihn vorher zu fragen, da einfach zugestimmt hatte. "Du bist einfach viel zu weich", doch die Mutter antwortete irgendwann nicht mehr darauf, stattdessen schwieg sie während der restlichen Fahrt und sah genervt aus dem Fenster. "Ich hab's! Wir nennen ihn Drops, weil seine Flecke mich an viele kleine Tropfen erinnern", verkündete Shouta stolz, ohne wirklich den Streit verfolgt zu haben. Nachdem das mit der Benennung geklärt war, fuhren sie auf einem Parkplatz, denn von da aus mussten sie zum Schrein laufen, da dort keine Verkehrsmittel erlaubt waren, damit man den Frieden nicht unnötig störte. "Drops... Oh man, was für ein lahmer Name. Aber immer noch besser als dein Lucky", bemängelte der Dunkelhaarige Tenshis Idee und stieg dann aus dem Auto, nachdem sie auf dem Parkplatz zum Stehen gekommen waren. Ausgiebig streckte er sich, waren sie doch eine ganz schönes Stück mit dem Auto unterwegs gewesen. Das Wetter war hier draußen herrlich und eine leichte Briese wirbelte durch Akumas dunkles Haar. Er sah sich etwas auf dem Parkplatz um, der relativ voll war. Kein Wunder, es war ja schließlich auch Wochenende und da kamen auch mehr Besucher zum Meiji-Schrein. Ob jedoch auch recht viele in dem Hotel beim Schrein übernachten würden, war fragwürdig. Soviel er wusste, gehörte das Hotel nicht gerade zu den billigsten. Akuma drehte sich wieder zu den anderen und bemerkte, dass die Menschen ebenfalls ausgestiegen waren und bereits ihre Koffer bereitstanden. Tenshi stand bei Shouta, welcher versuchte, den kleinen, neugierigen Drops davon abzuhalten, einen Schmetterling zu verfolgen und somit vielleicht noch verloren ging. "Komm endlich Shouta, oder wir lassen dich noch hier", ertönte dann die Stimme der Mutter. Shouta folgte, nahm Drops noch schnell an die Leine, die sie unterwegs noch gekauft hatten, schnappte sich seinen kleinen Trolley und zog diesen hinter sich her. Der Dämon grinste leicht und sah schon seine nächste Mitfahrgelegenheit. Er ließ sich auf Shoutas Trolley nieder, welchem das ziehen des Koffers augenblicklich schwerer fiel. "Hopp hopp, nicht so langsam, Shouta!", forderte er grinsend. Shouta sah etwas verwirrt drein. Kein Wunder, denn normalerweise konnte ein Trolley ja nicht von einem Moment auf den anderen plötzlich so schwer werden. Er zog mit Leibeskräften, kam aber nur mäßig voran. "Urgh, warum ist das Teil denn auf einmal so schwer?", er kratzte sich am Kopf und sah seinen Trolley an, als könnte dieser ihm eine Antwort darauf geben. "Da hast du's, du bist zu fett. Also runter da!", sagte Tenshi, der das Ganze mit Kopfschütteln beobachtet hatte. Das war doch einfach kindisch von Akuma. So langsam wurden auch die Eltern ungeduldig und riefen ständig nach ihrem Sohn. Da sie ja so nie weiter gekommen wären, stieg der Dämon letzendlich doch noch ab und ging wieder zu Fuß. Der Vorgarten, den sie dann nach etwa 20 Minuten erreichten, war wunderbar gepflegt und es roch aus allen Ecken nach Blumen und Gräsern. Für einen Momant blieb Tenshi auf der Anhöhe stehen, da er den Schrein etwas weiter abseits entdeckt hatte. "Komisch, von hier sieht es so aus, als sei der Schrein abgesperrt", bemerkte er beiläufig und setzte seinen Weg fort, nachdem er noch einmal einen kritischen Blick darauf geworfen hatte. Doch was sie dann im Hotel erwartete, war noch viel merkwürdiger. "Keine Gäste weit und breit", meinte er ungläubig und sah sich flüchtig in den unteren Hallen um. "Oh, und wir haben schon gedacht, die Gäste würden heute ausbleiben", begrüßte der Empfangschef die Familie. "Ist irgendetwas passiert? Es ist ziemlich ungewöhnlich für ein Hotel überhaupt keine Gäste zu haben", fragte die Mutter, genauso verblüfft wie die anderen Familienmitglieder. "Nun", grummelte der ältere Herr, "es heißt, ein Geist würde hier sein Unwesen treiben." "Ein Geist?!", riefen alle gleichzeitig und wussten nicht so recht, ob sie dieser Geschichte wirklich Glauben schenken konnten. "Ja, genauso ist es", bestätigte der Empfangschef. "Seitdem traut sich niemand mehr so recht hierher. Nur die Konkurrenz profitiert natürlich davon", erklärte er und seufzte schwer. "Geist hin oder her. Ich habe nicht umsonst Kreuzworträtsel gespielt. Wie werden hier trotzdem übers Wochenende bleiben!", verkündete dann der Vater und machte allen klar, dass er nicht an sowas wie Geister glaubte. Er checkte ein, während seine Frau weiter nach dem Geist fragte. "Und weshalb soll sich hier angeblich einer aufhalten?" "So genau weiß ich das auch nicht. Ich weiß nur, dass es vor etwa zwei Wochen im Schrein gebrannt hatte, und das soll wohl die Toten geweckt haben, oder so ähnlich. Ach ja... und genau deshalb, würde ich Ihnen auch nicht empfehlen den Schrein aufzusuchen. Er wurde eh abgesperrt, da wir mit dem Wiederaufbau noch nicht ganz fertig sind." Tenshi hörte schon garnicht mehr richtig zu. Er war gerade zu perplex wegen dieser Geistergeschichte. "G-G-Geist...", stotterte er nur und schluckte. Er hasste sowas. Schon als kleiner Engel konnte er sich mit solchen Wesen nicht anfreunden. Sie waren einfach zu... unheimlich. Akuma hatte der Erzählung des Empfangchefs ebenfalls interessiert zugehört. Es kam nicht oft vor, dass sich ein Geist aus dem Jenseits in das Diesseits verirrte, um nicht zu sagen so gut wie nie. Im Gegensatz zu Tenshi schien ihm diese ganze Geschichte nichts auszumachen. Er hatte schon öfters Gerüchte über derlei Vorkommen gehört. Gerüchte. Bei diesen Geistern konnte man nie so recht wissen, ob sie einem gut oder böse gesinnt waren. Einmal verhielten sie sich friedlich und wandelten von einem Ort zum anderen, während sie ein anderes Mal alles zerstören und ins Chaos stürzten wo sie gerade hinkamen. In diesem Fall schien ersteres schon einmal nicht zuzutreffen, sonst hätten schließlich nicht so gut wie alle Menschen das Gelände verlassen. Aber auch letzteres schien wieder das extreme Gegenteil zu sein, was auch wieder zu viel des Guten war. Akuma machte einen nachdenklichen und auch etwas neugierigen Eindruck. War der Geist es gewesen, der diesen Brand überhaupt erst ausgelöst hatte? Gerade wollte er dem Engel diese Frage stellen und sah zu ihm, bemerkte aber erst dann, dass diesem diese Geschichte mit dem Geist nicht zu behagen schien, hatte er doch einen seltsamen Gesichtsausdruck. Hatte Tenshi etwa Angst vor Geistern? Der Dämon grinste leicht. "Es gibt also doch etwas, wovor du Angst hast, was?", sagte er zu ihm, ehe seine Aufmerksamkeit wieder von den Menschen auf sich gezogen wurde. Die Familie nahm abermals ihre Koffer und wurde nun von dem Herrn vom Empfang zu deren Unterkunft geführt. "Ich und Angst? Nie im Leben! Ist doch bloß 'n blöder Geist", log Tenshi, auch wenn er wusste, dass das gerade nicht sehr überzeugend geklungen hatte, nahm ebenfalls sein Gepäck und folgte der Familie. Akuma hatte gemerkt, dass Tenshis Worte nicht ganz der Wahrheit entsprachen und grinste amüsiert. //Er will sich wohl eher selbst einreden, er hätte keine Angst//, dachte er sich, sagte aber nichts mehr dazu. "So das ist es. Es tut uns außerordentlich Leid, aber wir können Ihnen nur dieses Durchgangszimmer anbieten, da die anderen verschlossen sind", er verbeugte sich leicht und bat sie alle herein. "Und warum, wenn ich fragen darf?", die Mutter schien genauso neugierig wie Akuma zu sein und harkte bei der ganzen Sache deshalb ordentlich nach. "Die anderen Zimmer sind anscheind vom 'Geist' demuliert worden." Dem Dämon kam es gerade recht, dass die Mutter noch weitere Fragen über diesen Geist stellte. Sie war ganz erschrocken darüber, dass der Geist nicht nur im Schrein spukte, sondern auch hier in den Zimmern des Hotels sein Unwesen trieb. "Sie müssen sich jedoch keine Sorgen machen", versuchte der Empfangschef sie etwas zu beruhigen und auch Shouta schien inzwischen hellhörig geworden zu sein. Den Jungen schien das alles etwas zu verunsichern, man konnte jedoch nicht genau sagen, ob er sich fürchtete oder einfach nur misstrauisch war. "Der Geist wagt es nicht, zu solcher Stunde wie dieser zu erscheinen. Um genau zu sein, hat niemand diesen Geist überhaupt erst gesehen. Es scheint, als komme er nur nachts heraus", erklärte der Mann dann. "Oh man. Natürlich hat ihn keiner von euch gesehen, wie sollte das auch gehen? Ihr könnt ja noch nicht mal mich und Tenshi sehen", murmelte Akuma enttäuscht von dieser Naivität der Menschen. //Oh nein, der Geist muss echt wütend sein!//, wieder wich dem Blonden die Farbe aus dem Gesicht, ganz egal wie sehr er auch versuchte das zu verhindern, es gelang ihm nicht. Am liebsten wäre er jetzt wieder umgekehrt und nach Hause gefahren, doch das konnte er nun vergessen. Shoutas Familie wollte hier bleiben, also blieb es auch dabei. Um sich etwas abzulenken, sah er sich ein wenig um und ging dabei auch zum Durchgang, der die beiden Zimmer verband. Dort war alles recht rustikal eingerichtet, aber dennoch luxiorös. Seine Augen begannen förmlich zu leuchten als er das riesige Bett sah und warf sich gleich darauf. Dort hatten bestimmt sechs Menschen Platz, so groß war es. Wenigstens konnte er dieses Wochenende in einem vernünftigen Bett und nicht auf dieser alten Matratze schlafen. "Hah", seufzte er zufrieden und lächelte, "Also mir gefällt es hier." Akuma ging ihm hinterher, lehnte sich an den Türrahmen an und sah zum Engel, welcher sich gerade auf das große Bett gelegt hatte. "Und ich dachte, du würdest so schnell wie möglich von hier wieder weg wollen, wo uns doch der Geist sicher einen Besuch abstatten wird", bemerkte er ironisch. Geister waren wirklich unberechenbare Geschöpfe. Niemand vermochte genau sagen zu können, was in ihnen vorging, was sie als nächstes tun würden. Aber eines war sicher: Geister hatten ein ausgezeichnetes Gespür für andere Wesen. Sicher wusste er schon längst, dass ein Engel und ein Dämon sein Reich betreten hatten. Tenshi wünschte sich jetzt nichts sehnlicher, als dass das Thema 'Geist' endlich abgeharkt werden würde, doch hatte er zuviel Interessenten um sich herum, weshalb er das jetzt auf jeden Fall vergessen konnte. Er setzte sich aufrecht und sah zu Akuma. "Mach dir ja keine allzu großen Hoffnungen. Ich meinte ja auch nur den Ort und das Ambiente, und das mit dem Geist... Ich denke...", er schien sehr lange zu überlegen, schließlich musste er das ja irgendwie in den Griff kriegen, und um das zu schaffen gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder er versuchte den Geist für eine Weile zu ertragen oder er fand heraus, weshalb dieser so Angst und Schrecken verbreitete. Er schluckte. "Ich denke, ich werde der Sache auf den Grund gehen. Heute Nacht", immerhin konnten Geister auch eine riesige Gefahr für Menschen darstellen, in seinem Falle war es Shouta. Es war seine Aufgabe rechtzeitig zu erkennen, wenn Gefahr drohte und das Leben seines Schützlings stellte er nun einmal vor allen anderen Dingen. Nebenan packte die Familie schon die ganzen Reisesachen aus und machte es sich gemütlich. Drops rannte vor Aufregung hin und her und sprang wie wild auf den Möbeln, was der Vater natürlich nicht gern sah, da ja irgendetwas zu Bruch gehen konnte, und er somit Shouta wieder aufforderte, den Hund an die Leine zu nehmen. Für einen Augenblick dachte Tenshi noch über etwas anderes nach, dann fragte er den Dämon zögernd: "Du willst nicht zufällig... mitkommen?" Akuma sah Tenshi zunächst ungläubig an. Hatte er sich da gerade verhört? Doch dann fing er lauthals an zu lachen. "Was? Warum sollte ich plötzlich mitkommen?", es war einfach zu komisch. Wie kam dieser Engel nur auf den Gedanken, Akuma würde ihm zur Seite stehen? Gerade war er doch noch so überzeugt und entschlossen gewesen, und jetzt gab es schon die ersten Anzeichen eines Rückzuges? "Ich bin schließlich nicht dein Babysitter", wo kam er denn da hin, wenn er jetzt auch noch damit anfing, einen Engel vor Geistern zu beschützen? Es gab schließlich noch Grenzen, auch wenn er schon lange nicht mehr in die Kategorie eines 'normalen' Dämons gehörte. Doch in Gedanken musste er sich eingestehen, dass er eigentlich dasselbe vorgehabt hatte. Er wollte ebenfalls nachts diesen Geist aufsuchen und sich diesen mal etwas näher ansehen - aus reiner Neugierde natürlich. So etwas bekam man schließlich nicht alle Tage zu sehen. Vielleicht war es ja auch eine einmalige Chance, etwas über diese seltenen Wesen herauszufinden. Ob es nun nützliche Informationen bringen oder einfach nur reine Zeitverschwendung sein würde, würde sich wohl erst noch herausstellen. Akuma räusperte sich, machte wieder einen ernsten Gesichtsausdruck, ging dann auf den Blondschopf zu und beugte sich zu diesem hinab. "Na gut, mein kleiner Engel. Ich werde mitkommen. Aber glaube ja nicht, dass ich dir helfen werde, wenn du in Schwierigkeiten gerätst", sagte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, welches seinen Worten eine unheimliche Note verlieh - nicht an ihnen zweifeln ließ - und tippte dem Engel dabei mit einem Finger gegen die Stirn. Tenshis Wangen färbten sich vor Scham dunkelrot. Der Blonde hätte in diesem Moment einfach im Erdboden versinken können. Warum nur hatte er ihn tatsächlich darum gebeten mitzukommen? Ja, er hatte Angst, aber die würde doch nicht gleich verschwinden, nur weil ein Dämon an seiner Seite war, oder? Doch, genau das hatte er gedacht. Insgeheim traute er sich ja nicht wirklich allein dort hinein, obwohl er schon vorgehabt hatte, es auch allein über die Bühne zu bringen. Dass Akuma so reagieren würde, hatte er schon geahnt und er schwor sich innerlich ihn niemals wieder so etwas zu fragen. Er zuckte kurz zusammen, als ihn der Finger seines Gegenübers an die Stirn traf und schnaubte dann verächtlich. "Ach, Quatsch! Es hat doch niemand verlangt, dass du für irgendjemanden den Bodyguard spielen sollst! Sondern...", da geriet er wieder ins Stocken. Ja, weshalb wohl konnte man einen Dämon sonst noch mitnehmen? "Du weißt noch garnicht, wie ein Schrein von innen aussieht. Ein bisschen Kultur wäre doch nicht schlecht. Ist doch mal 'ne Abwechslung", sein Lächeln war gequält und die kleinen Schweißperlen unter seinem Pony verrieten nur, wie schlecht er im Lügen war. Akuma fand es immer sehr amüsant, wenn Tenshi so rot anlief, weshalb er deswegen nur wieder grinste. Nacht. //Wie schnell es doch Nacht werden kann//, dachte sich der Engel und musste wieder schlucken, als die beiden vor der Absperrung standen. Alles war recht groß, düster und hatte eine unheimliche Atmosphäre. Er atmete tief ein und aus, bevor er dann die ersten Schritte wagte. "Na dann, wollen wir mal." Die Renovierungsarbeiten nach dem Brand kamen anscheinend nur schleppend voran, denn man konnte immer noch Stellen von angekokeltem Holz sehen. Es lag wohl auch an dem Geist, warum die Menschen in dieser Hinsicht nicht schneller arbeiteten. Es herrschte totale Stille, beinahe so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Akuma folgte dem Engel, schritt nach ihm unter der Absperrung hindurch und näherte sich dem Eingang. Wieso nur hatte er bereits das Gefühl, als würde sie jemand beobachten? Er schärfte seine Sinne, wollte nicht plötzliche eine böse Überraschung erleben, sondern den Grund für dieses Gefühl ausfindig machen. Sein Blick suchte die Umgebung ab, doch er konnte nichts entdecken. Tenshi schob derweil das schwere Tor des Schreins auf, sodass sie durch den Spalt in das Innere schlüpfen konnten. Drinnen war es dunkel und deutlich kühler als draußen. Die Luft schien mit einer bleiernen Schwere auf sie zu drücken. Akuma blieb dicht bei Tenshi. In solch einer Situation war es schließlich klüger, einem möglichen Angriff nicht vollkommen allein ausgeliefert zu sein. Der hölzerne Boden knarrte unter ihren Füßen. Dies war das einzige Geräusch, welches der Dunkelhaarige mit seinen Ohren wahrnehmen konnte. Doch dann schloss sich plötzlich die Eingangstüre mit einem polternden Knall, welcher selbst ihn etwas zusammenzucken ließ. Nur für kurze Zeit waren sie in völlige Dunkelheit getaucht, ehe sich weiter vor ihnen eine Kerze entflammte - sie schien auf der Mitte eines Altares zu stehen. "Man hat uns wohl schon erwartet...", sagte er mit gedämpfter Stimme. Dass es so extrem dunkel und still war, bereitete dem Engel verdammt viel Unbehagen. Wieder rannen Schweißperlen über sein Gesicht. Ihm kam das Ganze hier schon fast wie eine Mutprobe vor, in der er sich seiner größten Angst stellen musste. Er bereute es jetzt zutiefst die Taschenlampe vergessen zu haben. Auch er war zusammengezuckt, als sich die Eingangstür ohne jede Vorwarnung geräuschvoll geschlossen hatte. Für einen Augenblick hatte sein Blick auf die Tür geruht. Hoffentlich kamen sie hier auch lebend wieder heraus. "Scheint so", antwortete er und versuchte ruhig und gelassen zu wirken. Doch zuckte er erneuert zusammen, als plötzlich links, rechts und über ihnen etwas vorbeizischte, das auf jeden Fall an einen Geist erinnerte. Es war durchsichtig, beinahe schon neonfarbig. Die drei schwebenden Teile sammelten sich an einem Punkt genau vor dem Altar und setzten sich zu einem vollen Geist zusammen. Tenshi ging ein paar Schritte zurück. "D-Das glaub ich jetzt nicht. Ein G-Geist. Ein echter G-Geist!", die Erscheinung vor ihnen schwieg jedoch noch für einen Moment, so als wolle sie die beiden erst einmal ausgiebig studieren. "Ein Dämon und ein Engel. Welch seltener Anblick", seine Stimme dröhnte in ihren Ohren und hallte im ganzen Schrein wider. "Was führt euch hierher?", er stellte ihnen die Frage, obwohl er eigentlich schon ahnte, weshalb sie hier waren, dass ER nicht ganz unschuldig an ihrem Erscheinen war. Der Blonde jedenfalls war gerade wie versteinert und brachte kein Wort heraus. Da musste wohl oder übel Akuma das Wort übernehmen. Der Dämon konnte es immer noch nicht ganz glauben, dass er gerade tatsächlich einen Geist vor sich hatte. Nie im Leben wäre er auf die Idee gekommen, einmal solch einem Wesen gegenüber zu stehen - jedenfalls noch bis vor wenigen Stunden. "Du bist wohl der seltenere Anblick von uns allen hier", erwiderte er dann auf die Bemerkung des Geistes. Sein Blick glitt dann zu seinem Begleiter, welcher sich jedoch kein Stück bewegte und nur die Erscheinung vor ihnen anstarrte. Wollte Tenshi denn nicht erklären, warum er unbedingt hierher hatte kommen wollen und sogar einen Dämon gefragt hatte, ihn dabei zu begleiten? Doch er schien seine Zunge verschluckt zu haben, schwieg er doch und machte keine Anstalten, irgendetwas daran in naher Zukunft zu ändern. Schließlich wandte sich Akuma wieder dem Geist zu und begann zu reden. Irgendjemand musste hier doch die Führung übernehmen, bevor sie hier noch die ganze Nacht nur dumm rumstehen würden. "Liegt das nicht klar auf der Hand? Wir sind hier, um dir einen kleinen Besuch abzustatten. Ich für meinen Teil bin aus reiner Neugierde hier, aber der Engel~", Akuma stieß ihn vor sich mit dem Ellenbogen an, wohl auch, um diesen aus seiner schier endlos langen Starre zu reissen. "Wer weiß schon, was er von dir will?", meinte er, war sich aber ziemlich sicher, den Grund schon zu kennen. Der Geist stellte in gewisser Weise eine Bedrohung dar - für Shouta und auch andere Menschen. Warum mussten sich Engel eigentlich immer einmischen und versuchen, die Welt für den Menschen sicherer zu machen? Der Geist begann kehlig zu lachen. Es war ein tiefes Lachen, welches in dem großen, leeren Raum von den Wänden wiederhallte und Akuma eine leichte Vibration in der Luft spürte. "Meinetwegen? Ich fühle mich geehrt", begann der Geist dann. "Aber so leid es mir tut, ich nehme keine Gäste in Empfang. Ihr werdet also wieder gehen müssen", der letzte Satz hatte etwas Unheilvolles an sich, was dem Dämon ganz und gar nicht gefiel. Die Art, wie der Geist dies gesagt hatte und sie nun mit seinem Blick erstechen zu schien, beunruhigte ihn nur noch mehr. Am besten, sie würden hier nicht allzu lange verweilen, ansonsten mussten sie sich wohl auf unerwartete Dinge gefasst machen... Der Stoß mit dem Ellenbogen war durchaus wirkungsvoll gewesen - Tenshi hatte sich aus seiner Starre gelöst und entspannte sich allmählich wieder, waren sie doch immer noch am Leben. Dennoch warf er Akuma einen grimmigen Blick zu, da dieser ja nicht gerade sanft vorgegangen war. "Ich... ähm...", begann er zögerlich und trat einen Schritt vor. "Ich bin hier, um zu erfahren, warum Sie überall die Menschen vergraulen", sagte er dann wahrheitsgemäß. Der Geist zeigte daraufhin ein breites Grinsen. Typisch Engel, dachte er nur und verschränkte dabei die Arme. "Verstehe. Aber gut, lasst es mich euch erklären. Vor genau zwei Wochen hatte es tatsächlich jemand gewagt, meinen Schrein in Brand zu setzen. Aber das ist nicht der Grund für meinen Spuk. Mir wurde etwas wertvolles entwendet, ein Familienerbstück, das eigentlich für dieses Grab, MEIN Grab, bestimmt war!", je mehr er erzählte, desto wütender wurde er und schon bald erzeugte seine Stimme ein leichtes Beben unter ihren Füßen. "Doch dieser Jemand trägt es nicht bei sich, oh nein... Er hat es hier irgendwo versteckt! Und ich werde nicht eher Ruhe geben, ehe ich es nicht wiedergefunden habe!" //Das ist also der Grund, weshalb er die Hotelzimmer so verwüstet hat//, dachte der Engel und hörte ihm aufmerksam zu, auch wenn es ihm dabei ziemlich schwer fiel, dieser dominanten, erdrückenden Stimme standzuhalten. "Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr Sie das ärgert", er versuchte einfühlsam zu sein, schließlich war es immerhin ein Geist, mit dem sich reden ließ. "Und damit Sie wieder in Frieden ruhen können, werden wir versuchen Ihnen zu helfen", schlug er dann vor und zwang sich zu einem Lächeln. Der Geist blickte auf, nachdem er sich auf seinem Sarg seufzend niedergelassen hatte. "Tatsächlich?", sagte er etwas überrascht, "Ihr wollt... mir helfen? Beim Jupiter! Dass ich das noch erleben darf, harharhar..", seine Stimmung hatte sich dadurch total umgeschlagen. Etwas weiter hinten, konnte der Blonde seinen Begleiter regelrecht knurren hören. Natürlich passte ihm dieses Wir nicht. Selbstverständlich hatte der Dunkelhaarige nie vorgehabt irgendjemandem zu helfen, außer sich selbst. Doch gerade als er das Wort ergreifen wollte, hielt Tenshi ihm den Mund zu und flüsterte: "Halt jetzt ja deinen Mund oder willst du, dass der Geist wieder wütend wird? Wenn das geschieht, dann sind wir beide tot", warnte er ihn und biss ihn förmlich mit seinem Blick. Ungläubig und wütend zugleich hatte er erst auf Tenshis Rücken gestarrt. Wie kam dieser Engel nur auf die wahnsinnige Idee, dass er bei diesem Spielchen mitmachen würde? Pah! Es war schließlich nicht seine Angelegenheit, wenn ein Geist etwas verloren hatte und zu dumm dazu war, besagten Gegenstand wieder zu finden! Und jetzt erlaubte sich dieser Engel auch noch, ihn einfach als Sucher einzuspannen und noch nicht einmal vorher zu fragen!? Okay, auch wenn er gefragt hätte, hätte er ihm entschieden den Vogel gezeigt. Dennoch fühlte er sich total übergangen und ignoriert, was ihn schier zum Kochen brachte. Widerwillig hörte er sich an, was er zu sagen hatte und erwiderte nur den wütenden Blick. Er ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Wahrscheinlich hatte er sogar recht mit dem, was er sagte. Noch immer wütend aber doch wieder etwas ruhiger, schlug er dessen Hand beiseite. "Das wird noch ein Nachspiel haben", knurrte er drohend, hatte dabei seine Stimme gesenkt, damit der Geist nichts von ihrem kleinen Gespräch hörte. Manchmal fragte er sich wirklich, warum er bei so einem Blödsinn überhaupt mitmachte. Er hätte ja auch einfach abhauen und Tenshi seinem Schicksal überlassen können. Akuma setzte nun ein Lächeln auf und wandte sich an dem Geist, welcher die beiden genau zu beobachten und auf etwas zu warten schien. "Richtig! WIR werden dir bei deiner Suche helfen", bestätigte er dann Tenshis Worte und warf dem Engel bei dem Wort Wir einen stechenden Blick zu. "Wunderbar! Wunderbar!", jubelte der Geist erfreut. "Dann lasst uns sofort anfangen!" Der Geist flog etwas näher an die beiden heran und zeigte ihnen eine Karte vom Meiji-Schrein und der Umgebung. Überall wo Kreuze einen bestimmten Ort makierten, hatte er schon gesucht. "Das wird euch bei der Suche helfen. Hoffe ich jedenfalls", er übergab Tenshi die Karte, die er auch sogleich einsteckte. Der Geist selbst würde hier bleiben und auf ihre Rückkehr warten, würde er ihnen die Suche mit seiner Presents doch nur erschweren. "Es handelt sich um eine mit Opalen besetzte Brosche. Ihr werdet sie schon erkennen, wenn ihr sie findet", erklärte er. "Okay, vielen Dank. Wir werden bald zurück sein", versprach der Blonde, lächelte und winkte ihm noch beim Verlassen des Schreins. Als sie wieder draußen waren, warf er gleich noch einmal einen Blick auf die Karte. Es war jedoch schwer sich voll und ganz darauf zu konzentrieren, da Akuma ihn deutlich spüren ließ, wie schlecht gelaunt er doch jetzt war. "Was glaubst du eigentlich, was du da getan hast?! Bist du vollkommen bescheuert?! Ich hab dir doch von Anfang an gesagt, dass ich nur mitgehe und mich nicht weiter einmischen werde! Hast du mir da überhaupt zugehört!?", Tenshi verstand den Dämon nur zur Hälfte. Er wusste, dass Dämonen nichts Gutes taten, anderen nicht halfen, aber Akuma hatte sich von seinem Volk abgewandt und anschließend völlig allein gelebt, da konnte er das hier doch mal als eine Art Abenteuer sehen, und nicht als Bestrafung, so wie er sich gerade gab. Der Engel versuchte ihn zu ignorieren und sich teils die Punkte zu merken, an dem der Geist schon gewesen war. Doch was, wenn selbst er sein Familienerbstück übersehen hatte? Das konnte ja mal jedem besten Geist passieren. Aber eigentlich war das Hauptproblem wohl eher, dass die Brosche überall sein konnte. Tenshi seufzte. "Hörst du mir JETZT vielleicht mal zu!?", doch da bekam Akuma auch schon Tenshis Antwort, welcher nun nicht minder aufgebracht schien. "Könntest du jetzt endlich mal aufhören herumzunörgeln, und vielleicht mithelfen?!", meinte er zu ihm und sah ihn genervt an. "Was denn?! Du glaubst noch immer, dass ich dir nach dieser Aktion eben helfe!?", er sah den Engel vollkommen verständnislos an. "Nein, verdammt! Du hast dir diesen Schlamassel selber eingebrockt, also musst du auch zusehen, dass du alleine da wieder rauskommst", sagte der Dämon entschieden. Seine Lautstärke war wieder zurückgegangen, seine Stimme klang dennoch überzeugt. So eine Frechheit! Er strafte ihn mit einem bohrenden Blick. Sollte er doch alleine suchen. Das alles hatte nichts mit ihm zu tun. Es war ja schon genug, dass ein Dämon mit einem Engel gemeinsam um die Häuser zog. Aber jetzt sollte er ihm auch noch helfen? Er seufzte ebenfalls und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, schwarzes Haar. Von dem Ganzen hier bekam er bald noch Kopfschmerzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)