Engine Spirit von Imp (Das Experiment) ================================================================================ Experience ---------- Was genau geschah, während ich deaktiviert war, kann ich nicht sagen, aber die darauffolgenden Ereignisse gestatteten mir einige Schlussfolgerungen zu ziehen. Direkt nach meiner Ankunft auf dem Militärstützpunkt wurde ich an eine Gruppe von Wissenschaftler übergeben, deren einzige Aufgabe darin stand neue und bessere Waffen für das Militär zu entwickeln. Ich, der erste und einzige voll funktionsfähige Androide war ein Leckerbissen für sie. Wenn es ihnen gelungen wäre, meine Funktionsweise genau zu analysieren und sie mich nachgebaut hätten, wäre die Kriegsführung der Zukunft ein Albtraum von ungeahnter Größenordnung geworden. Doch glücklicherweise reichte keiner von ihnen auch nur ansatzweise an das Genie meines Vaters heran. Es gelang ihnen zwar Einflussnahme auf einige meiner Subsysteme, wie Schmerzempfinden und Emotionen, zu erhalten, aber wirkliche Kontrolle konnten sie nicht über mich gewinnen. Ich weiß nicht, wie lange ich in den Laboren untersucht wurde, aber letztendlich gaben die Wissenschaftler auf. Viele Jahre später erhielt ich Einsicht in den Bericht der gemeinsam mit meinem leblosen Körper wieder an das Militär übergeben wurde. Es war fast lächerlich, wie wenig diese sogenannten Wissenschaftler in Erfahrung bringen konnten. Kaum mehr als das karge Wissen, dass meine Subsysteme sowohl deaktiviert, als auch in ihrer Intensität reguliert werden konnten ohne meine Funktionsfähigkeit negativ zu beeinflussen. Dazu kamen noch die Gesamtkapazitäten meiner Datenbanken, die Erkenntnis, dass ich trotz meines menschlichen Äußerns über außergewöhnliche Körperkraft und Reflexe verfügte, und die für sie nützliche, für mich jedoch peinliche, Information, dass man mich mit einem simplen Schalter aktivieren bzw. deaktivieren konnte. Ein Absatz in diesem Bericht amüsierte mich immer besonders, denn der Frust des Verfassers war deutlich zwischen den Zeilen geschrieben. >Das Subjekt verfügt über ein simples Ethikprogramm, das eine direkte Schnittstelle zum neuronalen System bildet und somit ausschlaggebend für die Funktionsfähigkeit ist. In diesem Programm sind Moralvorstellungen und antrainierte Verhaltensweisen im Umgang mit Lebewesen verankert. Da es technisch nicht möglich ist dieses Programm zu deaktivieren oder zu ändern, ist der Einsatz des Subjekts als gesteuerte Waffe unmöglich. < Ich schätze, dass so mancher General sich nach der Durchsicht dieses Berichts die Haare gerauft hat. Da hatten sie den perfekten Soldaten direkt vor der Nase, doch wegen einer verankerten, individuellen Ansicht von Gut und Böse, war seine Benutzung für ihr Vorhaben unmöglich. In meinem Leben gab es immer wieder Situationen in denen ich meinem Vater unendlich dankbar für seine weise Voraussicht war - dies war eine davon. Ich vermute, dass ich nach dieser niederschmetternden Nachricht für einige Zeit in einem Lager eingestaubte. Doch schließlich erregte ich die Aufmerksamkeit eines Offiziers. Major Nemis. Auch wenn ich diesen Mann nie besonders gut leiden konnte, muss ich ihm doch Dankbarkeit zollen. Ohne seinen Einsatz wäre ich vermutlich in einer Holzkiste in Regal 3 von Lager 5 verrottet. Ich weiß nicht, wie Nemis die Obrigkeit überzeugen konnte, mich wieder zu aktivieren, noch, was seine Beweggründe dafür waren. Doch Tatsache ist, dass ich eines schönen Morgens wieder meine Augen aufschlug und direkt in einen ganzen Wald von Galil ARM Sturmgewehrmündungen blickte. Damals habe ich beim besten Willen nicht verstanden, aus welchem Grund die Menschen so feindselig auf mich reagierten. Also hatte ich das einzige getan, was man in so einer Situation tun konnte. Ich sah den Offizier mit dem höchsten Rang in der Gruppe ratlos an und wartete auf eine Erklärung. Die nächsten Tage verbrachte ich in einem spartanischen Quartier, unter ständiger Bewachung. Nahezu stündlich statteten mir verschiedene Soldaten Besuche ab, um mich zu Verhören oder mir vor Augen zu halten, dass ich keine Rechte besaß. Genau das war auch meine aufschlussreichste Erkenntnis während dieser Zeit. Die zusammenhanglosen Verhöre dienten nicht dazu mir Informationen zu entlocken, sondern hatten nur den Zweck mir unmißverständlich klar zu machen, dass ich unter der Kontrolle des Militärs stand. Ich bin anders. Anders ist schlecht! Diese Lektion habe ich aufs schmerzhafteste gelernt. Unzählige Male versuchte ich in Erfahrung zu bringen, aus welchem Grund man mich dort festhielt, aber die einzige Antwort die man mir gab lautete: > Das Militär erhebt Anspruch auf Sie, Sie haben sich zu beugen. < Und so wurde ich von Eric dem geliebten Sohn Professor Febraums zu Eric der Maschine, die zu gehorchen hatte. Meine Begeisterung für das Leben nahm rapide ab. Mir wurde immer deutlicher, dass die Menschen mich nicht als Lebewesen akzeptieren würden und ich für sie nur ein Ding war, das man besitzen und kontrollieren konnte. Den Verhören folgten Versuche. Von einfachen Reflex- und Wissenstests bis hin zu komplexen gestellten Situationen, in denen ich gezielt gedemütigt und angegriffen wurde, um meine Reaktionen zu studieren. Immer, wenn ich eine Beleidigung mit einem schlagfertigen Argument konterte oder leichte Angriffe blockte ohne selbst tätlich zu werden, machten meine Beobachter kopfschüttelnd Notizen auf ihren Klemmbrettern. Bis eines Tages ein Soldat zu weit ging. Während des Versuches wurde der Corporal immer aufmüpfiger und entwickelte eine diebische Freude daran, mich zu schikanieren. Seine Schubsereien und leichten Schläge nahm ich gelassen in Kauf, doch plötzlich und ohne Vorwarnung war der junge Mann hinter mich getreten und hatte seine Hände fest um meinen Hals gelegt. Sicher, ich bin eine Maschine, doch auch ich muss atmen. Nur so wird die Hydraulikflüssigkeit die meine Bewegungen ermöglicht durch mein System gepumpt. Panik stieg in mir auf. Ich reagierte instinktiv und in den Bruchteilen einer Sekunde. Mit einer blitzschnellen Bewegung und der Kraft von mehreren ausgewachsenen Männern, schleuderte ich den Corporal gegen eine Wand. Ein dumpfes Knirschen machte auf gebrochene Knochen aufmerksam. Mit Entsetzen beobachtete ich, wie der verletzte und bewusstlose Mann an der Wand herunterrutschte und zum liegen kam. Ich weiß nicht, was mich damals mehr schockierte. Die Tatsache, dass ich zum ersten Mal jemanden verletzt hatte oder dass ich von meinen Beobachtern Applaus dafür erhielt. Kurz darauf hatte man mich wieder in mein Quartier gebracht und, bis auf die zwei Wachposten vor der Tür, allein gelassen. Meine Gedanken rasten und ich konnte den panischen Ausdruck in den Augen des Soldaten, kurz bevor er auf die Wand traf, nicht vergessen. Ich hatte das Gefühl etwas in mir war in diesem Augenblick zerbrochen. Du findest das bestimmt ziemlich amüsant. Eine Maschine, die um ihre Menschlichkeit trauert. Aber so bin ich nun mal. So wurde ich erschaffen. Oder vielleicht habe ich mich auch so entwickelt. Ich weiß es nicht. Wie dem auch sein, ich werde mit meiner Geschichte fortfahren. Den Tag und den darauffolgenden erhielt ich keinen Besuch mehr von den Soldaten. Nur gelegentlich kam ein ziviler Mitarbeiter in mein Quartier, um eine Nahrungsration auf den Tisch zu stellen und die Vorangegangene, die ich nicht angerührt hatte, mitzunehmen. Wie ich schon erwähnt habe, benötige ich ebenso wie ein Mensch Nahrung, um zu überleben. Aber die vorangegangenen Ereignisse hatten mir gründlich den Appetit verdorben. Zwar erinnerte mich mein Selbstdiagnoseproramm in regelmäßigen Abständen daran, dass meine Energie langsam zur Neige ging, aber der Frust saß zu tief, um mich darum zu kümmern. Am dritten Tag nach meinem Gewaltausbruch bekam ich wieder Besuch. Ein alter Bekannter, Major Nemis. Ich erfuhr zwar erst an diesem Tag seinen Namen, aber ich erkannte ihn wieder. Immerhin war sein Gesicht so ziemlich das Erste, was ich nach meiner Auferstehung zu sehen bekommen hatte. Das Gespräch mit ihm war nur sehr kurz, aber ausschlaggebend für mein weiteres Leben. Außerdem geschah direkt nach dem Gespräch noch etwas, was mir wieder Hoffnung machte. ~ Regungslos verharrte Eric in der gleichen Position wie man ihn vor drei Tagen in dem Quartier zurückgelassen hatte. Tief in Gedanken versunken nahm der Androide kaum wahr, dass sich die Tür öffnete und ein Mann in tadelloser Uniform eintrat. Major Nemis musste sich eingestehen, dass er etwas nervös war, als er den bewegungslosen Androiden vor sich sitzen sah. Aber die militärische Disziplin, die er quasi mit der Muttermilch aufgesogen hatte, halfen ihm diese Tatsache zu überspielen. Nemis räusperte sich um Erics Aufmerksamkeit zu erhalten, doch es folgte keine Reaktion. Nach einigen verlegenen Sekunden entschloss sich der Major einfach das Wort zu ergreifen. „Mein Name ist Nemis. Major Nemis.“ Gespannt wartete der Mann auf eine Reaktion und wurde wieder enttäuscht. In der Hoffnung, dass der Androide trotzdem zuhörte, entschied sich Nemis dafür sein Anliegen vorzubringen. „Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund hier. Ich will Ihnen ein Angebot unterbreiten.“ An dieser Stelle machte der Major eine dramatische Pause und hegte die schwache Hoffnung, doch noch eine Reaktion zu erhalten. Für einen Moment bildete er sich auch ein, einen zuckenden Muskel in dem sonst so regungslosen Androidengesicht gesehen zu haben. Als keine weiteren Aktionen deutlich wurden, fuhr der Major fort: „Dieser Stützpunkt wurde eingerichtet, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Neben den üblichen normalen Streitkräften haben wir hier eine Spezialeinheit, die sich um einen besonders gefährlichen Feind kümmert. Aus Gründen der Geheimhaltung kann ich Ihnen nicht mehr dazu sagen, als dass dieser Feind die wohl größte Bedrohung darstellt, mit der wir es bisher zutun hatten.“ Der Major machte erneut eine Pause und atmete tief ein. „Wir hätten sie gern für diese Spezialeinheit.“ Bisher hatte Eric dem Major nur halb zugehört, doch bei dem letzen Satz wurde er hellhörig. Die Militäraffen wollten ihn tatsächlich in ihrer Spezialeinheit? Bislang hatten sie ihn doch höchstens auf die Stufe einer Espressomaschine gestellt. Seine Neugierde, aber auch seine Skepsis war geweckt. Mit zusammengekniffenen Augen starrte Eric den Major abschätzend an. Zufrieden registrierte Nemis, dass er die Aufmerksamkeit des Androiden gewonnen hatte und fuhr nun selbstsicherer fort: „Natürlich ist das Ganze mit einer Reihe von Auflagen verbunden. Sie werden sich für die Dauer ihrer Existenz verpflichten lassen und den Kontakt zur Zivilbevölkerung auf ein Minimum beschränken. Als Ausgleich werden ihnen die Grundrechte, sowie die Rechte ihrer Militärischen Ränge, die sie sich aneignen werden, zugesprochen. Sollten sie sich allerdings dagegen entscheiden, werden sie deaktiviert und archiviert.“ Eric schwirrte erneut der Kopf. Der Vorschlag des Majors entsprach zwar nicht seinen Vorstellungen eines erfüllten Lebens, aber die Alternative war noch viel weniger nach seinem Geschmack. Der Androide zwang seine Gedanken zur Ordnung und versuchte das für und wieder abzuwägen. Erfreut beobachtete Nemis, wie der Androide über seinen Vorschlag nachdachte. Auch wenn der Offizier wusste, dass er es nur mit einer Maschine zu tun hatte, wollte er Eric doch ausreichend Bedenkzeit zur Verfügung stellen. „Denken Sie in Ruhe über meinen Vorschlag nach. Wenn Sie Ihre Entscheidung getroffen haben, informieren Sie die Wachen. Sie werden mich dann informieren.“ Mit diesen Worten drehte Nemis sich um und verließ das kleine Quartier. Wieder allein grübelte Eric noch immer und versuchte, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Zwar schien die Antwort auf den ersten Blick recht einfach, wenn er bedachte, dass er sich zwischen Leben und Tod entscheiden musste. Aber Eric war sich nicht sicher, ob in diesem Fall nicht doch der Tod vorzuziehen war. Allerdings bestand auch die Hoffnung, dass er innerhalb des Militärs glücklich werden könnte. Mehrere Stunden vergingen, ohne dass Eric zu einem Ergebnis kam. Doch plötzlich schreckte der Androide auf. Sein Selbstdiagnoseprogramm machte ein weiteres Mal auf sich aufmerksam und teilte dem Androiden mit, dass aufgrund von Energiemangel die Notabschaltung in wenigen Sekunden eingeleitet würde. Erschrocken registrierte Eric, dass es zu spät war, um etwas dagegen zu unternehmen. Als die ersten Systeme sich deaktivierten und er zu Boden glitt, konnte er nur hoffen, dass die Wissenschaftler wussten, wie man seine Energiesysteme wieder auflud. Vor dem Quartier wurde der wachhabende Unteroffizier Sergeant Gephor durch ein Geräusch von der genauen Inspektion eines Pin-up Kalenders abgelenkt. Irritiert sah er sich um und stieß dann seinen Kameraden an. „Hey du Schlafmütze. Ich glaub da drinnen stimmt was nicht, ich werd das mal abchecken.“ Gelangweilt nickte der andere Soldat und griff gähnend nach der ID-Karte um die Tür zu öffnen. Mit erhobenem Gewehr und ausnahmsweise einmal ohne Grinsen auf den Lippen betrat Gephor das Quartier. Er hatte kaum einen Schritt in den Raum gemacht, als sich seine Augen erschrocken weiteten und er sein Gewehr in die nächste Ecke pfefferte. Mit einem hastigen Satz sprang Gephor nach vorne und fing den Androiden auf, ehe dieser auf dem Boden aufschlug. Panisch untersuchte er den regungslosen Körper. „Verdammt, ruf sofort einen Arzt.“, brüllte der Sergeant in Richtung seines Kameraden. „Hey, Mann, was ist los mit dir?“, sprach er Eric an. Reflexartig griff der andere Soldat nach der Sprechanlage. Aber bevor seine Finger den Hörer auch nur berührten, stutze er und wandte sich wieder zu Gephor. „Wieso Arzt? Der Typ is‘ ne Maschine.“ Genervt rollte Gephor mit den Augen. „Dann ruf halt ‘nen Techniker, du Intelligenzbolzen.“ Sofort widmete er sich wieder dem Mann in seinen Armen und bemerkte plötzlich, dass dieser ihn aus halbgeöffneten Augen ansah. Nur noch am Rand seines Bewusstseins nahm Eric wahr, dass ihn jemand auffing. Die letzte Aktion seiner Logikprozessoren, bevor sie sich abschalteten, bestand darin Eric mitzuteilen, dass es sich bei seinem Helfer wohl um eine der Wachen handeln musste. Mit letzter Kraft versuchte der Androide einen Satz zu formulieren. „Sag Nemis ich entscheide mich für das Leben.“ Dann schalteten sich auch die letzten Systeme ab und Eric konnte sich nicht einmal mehr darüber wundern, warum der Soldat, der ihn festhielt, so besorgt aussah. ~ TBC~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)