Bleeding Love von --Tina-- ================================================================================ Kapitel 1: Gefrorenes Herz -------------------------- Closed off from love I didn't need the pain Once or twice was enough And it was all in vain Time starts to pass Before you know it you're frozen Ich stand vor dem Spiegel und zog noch einmal die Wimperntusche nach. In ein paar Minuten würde mich Jessica abholen, um mich in einen der angesagtesten Nachtklubs der Stadt zu schleppen. Ich hatte keine Lust dazu, denn was soll ich dort? Mir war so gar nicht nach feiern zu Mute. Schließlich war es gerade erst knapp zwei Wochen her, dass ich meinen Freund – Entschuldigung, Exfreund – mit einer blonden, langbeinigen, breitmäuligen Tussi erwischt hatte. In unserem Bett! War es denn wirklich so leicht, meine Gefühle mit Füßen zu treten? Hatte jemand das Recht dazu, mir so weh zu tun, dass ich mir wünschte zu sterben? Ich lehnte seufzend die Hände auf die Ränder des Waschbeckens und schaute mich im Spiegel an. Die Haare könnten einen neuen Schnitt gebrauchen, schließlich hatte ich die letzten Wochen trauernd in meiner Wohnung verbracht und wohl etwas zu wenig auf mein Äußeres geachtet. Meine Wangen waren eingefallen und trotz der Schminke sah ich ein bisschen blass aus. Vielleicht hätte ich in den letzten Wochen doch etwas mehr und ausgewogener essen sollen. Andere machten Frustessen, mir blieb jeder Bissen im Hals stecken, wenn ich nur an das dachte, was ich dort vor zwei Wochen gesehen und gehört hatte. Das Gestöhne, Geseufze, die ineinander verschlungenen Gliedmaßen – auch jetzt musste ich mich zwingen das Würgen zu unterdrücken. Ich ging die Inventur in meinem Inneren weiter durch. Ich schaute in braune, nichts sagende Augen, ich war zu klein, um Aufmerksamkeit zu erregen und mein Busen war zu flach. Vielleicht war ich nicht hässlich, doch irgendwas musste ich an mir haben, dass es geradezu erlaubte mich zu betrügen, zu verlassen und zu hintergehen. Ich wischte die Tränen aus den Augenwinkeln und fluchte leicht vor mich hin, als ich merkte, dass ich meine Wimperntusche verschmiert hatte. Ich beseitigte das schwarze Zeug unter meinen Augen mit einem Taschentuch so weit wie es nötig war, während ich versuchte ruhig zu atmen. Nur nicht durchdrehen! Ich würde nie wieder einem Mann vertrauen, denn Mark hatte es mir gründlich versaut. Er war der erste Mann gewesen, in den ich wirklich ernsthaft verliebt hatte, von dem ich gedacht hatte, dass ich mit ihm den Rest meines Lebens verbringen könnte und er hatte mich betrogen und mein Herz völlig zerfetzt. Ich war schon wieder kurz davor in Tränen auszubrechen, doch da klingelte es an meiner Haustür. Das musste Jessica sein und einen Moment war ich regelrecht froh, dass sie mich zu diesem Ausflug zwang, hätte ich mich doch sonst wieder mit einer extra großen Packung Taschentücher auf das Sofa verzogen, hätte alte Fotos beschaut und mich in den Schlaf geweint. Das Bett im Schlafzimmer hatte ich nicht mehr benutzt, seit ich Marc darin mit dieser Blondine hatte turnen sehen. Nichts gegen blonde Frauen, Jess war auch strohblond, aber diese aufgetakelte Nutte, die mir meinen Freund ausgespannt hatte, trieb mich alleine bei dem Gedanken daran in den Wahnsinn. Nein, eigentlich war es eher Marc, den ich verfluchte. Denn auch wenn er mir mein Herz gebrochen hatte, liebte ich ihn immer noch und ein Teil von mir hasste mich dafür, dass ich ihn aus unserer Wohnung geworfen hatte, die wir uns seit drei Monaten geteilt hatten, aber offiziell nur auf meinen Namen lief. Wäre ja noch schöner gewesen, wenn er mich betrogen hätte und ich dann auf der Straße gestanden hätte. Oh, Marc! Der Anblick von ihm und diesem Miststück, hatte mein Herz zu Eis erstarren lassen und in tausend Stücke zersplittert. Manchmal wünschte ich mir, dass ich genauso in Stücke zerspringen und sterben könnte. Ein erneutes Klingeln riss mich aus meinen Gedanken und ich merkte erst jetzt, dass ich immer noch vor dem Spiegel stand. Außerdem war meine Wimperntusche schon wieder verschmiert, hatte ich anscheinend wieder angefangen zu weinen, ohne es selbst mitzubekommen. Aufseufzend wischte ich mir einmal übers Gesicht und rannte zur Tür, um sie zu öffnen. Wie ich Jessica kannte, war sie nämlich kurz davor die Feuerwehr und Notarzt zu rufen, weil sie dachte ich läge mit aufgeschnittenen Pulsadern und Medikamentenüberdosis in der Badewanne. Und wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich in ein, zwei meiner schwachen Momente wirklich daran gedacht. „Let’s get ready for paaarty!“, schrie mir Jess entgegen, kaum dass ich die Tür geöffnet hatte und hielt, triumphierend wie ein Weltmeister seinen Pokal, eine Flasche Sekt in die Höhe. Doch sofort wurde ihr Gesicht ganz sanft und mitfühlend, als sie mich sah und in diesem Moment musste ich mich zusammenreißen, nicht aus Freude über so eine gute Freundin loszuflennen. Ja, ich war in letzter Zeit sehr nahe am Wasser gebaut, obwohl ich sonst eher die optimistische und fröhliche Person war. Mit dem was ich an Tränen produzierte, könnte ein ganzer, afrikanischer Kleinstaat bewässert werden. Ich fand mich in einer liebevollen Umarmung wieder und es tat gut, so eine Freundin zu haben. Ich hatte es Jess die beiden Wochen nicht gerade einfach gemacht. „Oh, Kleines. Er ist es nicht wert. Wollen wir die Party sausen lassen und uns lieber „Ghost“,“Pretty Woman“ oder „Stadt der Engel“ ansehen und eine Familienpackung Eis verdrücken?“, fragte Jessica, während sie mich immer noch umarmte und einen Moment war ich versucht auf ihren Vorschlag einzugehen. Doch dann bekam ich es mit meinem schlechten Gewissen zu tun. Jess machte sich solche Mühe mich aufzuheitern und wie dankte ich es ihr? Ich würde diesen dämlichen Club besuchen und wenn ich nur einen Cocktail nach dem anderen trinken und den Tänzern zugucken würde. „Nein, ich will hier mal raus. Du hast Recht, ich kann hier nicht vor mir hinvegetieren und alles schleifen lassen“, erklärte ich und sofort ließ Jess mich los, um mich freudestrahlend anzusehen. Sie drückte mir die Flasche Sekt in die Hand und fing an in ihrem Handtäschchen zu suchen. Nach wenigen Augenblicken, die ich etwas verstört zugesehen hatte, zog sie ein Taschentuch hervor und begann damit in meinem Gesicht herum zu wischen. „So können wir dich nicht gehen lassen. Du willst doch hübsch aussehen. Wir zwei werden die heißesten Feger im ganzen Laden sein und alle Männer werden sich die Hälse nach uns verrenken“, prophezeite Jessica und ich hätte skeptisch meine Augenbrauen hochgezogen, wenn sie nicht so gefährlich nah an meinem Auge mit ihrem Taschentuch hantiert hätte. Ich glaubte ihr gerne, dass sich alle Männer nach ihr umsehen würden, schließlich trug sie einen Minirock und ein sehr freizügiges Top, das sie aber auch gut ausfüllte. Meine Freundin war die geborene Partymaus, stand als erstes auf der Tanzfläche und verließ sie als Letzte, dabei brauchte sie noch nicht mal Alkohol. Ich hingegen war zwar keine graue Maus, brauchte aber immer etwas Anlaufzeit, bis ich mich zum Tanzen und flirten durchringen konnte. „Gut, schnapp dir deine Jacke und auf geht’s!“, jubelte Jess und scheuchte mich eindringlich in Richtung Garderobe. Ich lächelte zaghaft, aber ehrlich, über den Übermut meiner Freundin. Sie hatte ja auch Recht. Es wurde langsam Zeit, dass ich mich wieder aufraffte und lebte. Außerdem lief nach diesem Wochenende mein Urlaub aus, dann müsste ich sowieso wieder das Haus verlassen. Aber so oft ich mir auch innerlich immer wieder sagte, dass Marc ein Arschloch und ich besser ohne ihn dran war, änderte es doch nichts daran, dass ein kleiner Teil von mir ihn noch liebte. Der Rest hasste ihn, zumindest versuchte ich es. Ach verdammt, ich würde mich heute Nacht amüsieren. Alkohol trinken, tanzen und vielleicht auch ein kleines bisschen flirten, wenn mein Herz das aushielt und ich nicht in Tränen ausbrach. Ich schnappte mir meine Jacke, zog sie über mein zwar hübsches, aber nicht aufreizendes Top und folgte Jessica nach draußen. Nach etwa zwanzig Minuten Fußmarsch, den wir die ganze Zeit redend und die Sektflasche leerend verbracht hatten, kamen wir an diesem Nachtclub an. Der Laden war noch ziemlich neu, erfreute sich aber größter Beliebtheit und war der Trend unter den Partygängern. Der Besitzer war noch relativ jung, erst Ende Zwanzig und man munkelte, dass er das Geld für den Kauf und Ausbau auf nicht hundertprozentig legalem Wege erhalten hätte. Andere Gerüchte sagten, dass er ein sehr hohes Erbe von irgendeinem Onkel erhalten hätte, doch musste man das auch nicht wissen, um in dem Laden feiern zu können. Der Türsteher hatte uns durch gewunken, ohne lange zu zögern. Ich vermutete mal, dass das an Jessica lag, die hemmungslos mit dem Mann flirtete oder aber, dass wir so freundlich und partywütig aussahen. Meine Laune hatte sich erstaunlicherweise erheblich gebessert und fast freute ich mich auf die Feier. Vielleicht lag es ja auch nur an der halben Flasche Sekt, die ich intus hatte. Wie dem auch sei, drei Stunden später standen wir beide auf der Tanzfläche und erstaunlicherweise hatte ich sogar richtig Spaß. Jess blieb in meiner Nähe und tanzte mal mit mir und mal mit einem der Männer. Ich war ihr dankbar, dass sie mich nicht allein stehen ließ, denn im Moment wollte ich von keinem der Herzen brechenden, schwanzgesteuerten Mistkerlen angetanzt werden. Zu sehr musste ich noch an Marc denken und daran, wie wir uns kennen gelernt hatten. Es war in einer Diskothek gewesen, auch auf der Tanzfläche und sein umwerfendes Lächeln hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Nach nur ein paar Tänzen hatten wir knutschend am Rand der Tanzfläche gestanden und was Marc da mit mir gemacht hatte, grenzte schon an Zauberei. Ich war im völlig verfallen, war es immer noch. Leise seufzte ich auf, was sich in ein Kreischen verwandelte, als mir jemanden an den Hintern packte. Mein empörter Schrei ging in den wummernden Beats der Musik unter und ich drehte mich wütend um. Nur weil ich hier tanzte, hieß es noch lange nicht, dass ich mich betouchen ließ. „Hey, Finger weg!“, schimpfte ich, als der Mann erneut nach mir griff und an sich heran zog, die Hände wieder an dieselbe Stelle legte. Der Kerl stand so nah vor mir, dass er den Satz sogar verstanden haben musste, doch scherte er sich nicht darum, grinste nur frech. Lasziv bewegte der Mann seine Hüfte und ich verzog vor Ekel das Gesicht. Dieser Kerl sollte mich bloß loslassen, denn sonst würde ich ihm mein Knie dort hin stoßen, wo es ihm sehr wehtat. Ich drückte den Mann vor mir weg und riss mich los. Jess sah mittlerweile besorgt zu mir, doch ich machte nur ein Zeichen, dass ich etwas trinken wollte und sie ruhig auf der Tanzfläche bleiben könnte, denn der Mann mit dem sie tanzte, war eindeutig ihr Fall. Ich drängte mich zügig durch die tanzenden Personen in Richtung Bar und schaute sichernd nach hinten, wo der Mann mir grinsend hinterher schaute und mir eine Kusshand zuwarf. Angewidert drehte ich mich um und trat an den Tresen. Ich winkte dem Barkeeper, bestellte mir einen Cocktail und lehnte mich wartend mit den Unterarmen auf die Tischplatte. „Ein hübsches Mädchen, so ganz allein hier?“, fragte mich ein Mann von der Seite und ich wandte mich die Augen verdrehend ihm zu. Das war jetzt so ziemlich der schlechteste Anmachspruch aller Zeiten! Ich musterte den Mann abfällig. Mit seinem etwas offen stehendem Hemd und auffälligen Uhr war er eindeutig der Typ, der für jede Frau in seinem Bettpfosten eine Kerbe machte. Ja, er war gut aussehend, mit seinen breiten Schultern, blonden Haaren und unwiderstehlich blauen Augen und das wusste er allem Anschein nach auch. Aber dieser leicht arrogante Zug um seine Lippen, als er mich anlächelte, ließ meine Alarmglocken schrillen. Vielleicht war ich im Moment etwas übervorsichtig, aber das war ein Mann! Die brachen doch mit Vergnügen Herzen und trampelten darauf herum. Und dieser Kerl sah so eingebildet auf mich herab, der erwartete wohl, dass ich ihm gleich um den Hals fiel. Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich zu dem Barkeeper um, da er gerade mit meinem fertigen Cocktail zu mir kam. Ich wollte ihm meine Verzehrkarte geben, damit er den entsprechenden Betrag darauf notieren konnte, doch mein nervender Begleiter machte ein Handzeichen, als der Mann hinter dem Tresen nach der Karte greifen wollte und aus mir unerfindlichen Gründen, zog der Barkeeper seine Hand wieder zurück. „Das ist der Vorteil, wenn einem ein Nachtclub gehört. Ich kann niedlichen Mädchen Drinks spendieren“, erklärte der Mann und grinste mich frech an. Meine Güte, hier flirtete der Besitzer diese Ladens mit mir! Garantiert suchte er sich jeden Abend eine andere Frau, der er ein paar Drinks spendierte und nachher mit in sein Bett nahm. Na, immerhin behielt er seine Finger bei sich und war nicht ganz so aufdringlich, wie der andere Kerl auf der Tanzfläche. „Dann auf ihre Gesundheit und danke für den Drink“, meinte ich und ließ den Mann einfach stehen. Ich sah noch aus den Augenwinkeln, wie er verwundert, aber lachend hinter mir her schaute, dann verlor ich ihn aus dem Blick. „Mel! Melanie, ich hab meinen Seelenpartner gefunden!“, jubelte Jessica laut über die wummernde Musik und hüpfte vor mir auf und ab. Wir hatten noch eine Zeitlang getanzt, doch vor einer halben Stunde hatte ich Jess aus den Augen verloren. Ich war froh sie wieder zu sehen, hatte ich mich in der Zeit doch ein bisschen einsam gefühlt, auch wenn die vielen Leute um mich herum waren. „So etwas wie Seelenverwandte gibt es nicht“, antwortete ich auf ihren übermütigen Satz hin auch ein bisschen kühl. Aber auf ihren Schmollmund hin, musste ich doch etwas lächeln. „Doch, gibt es. Er steht auf die gleiche Musik, kann unwahrscheinlich gut küssen und heißt Hannes … oder Hanno?“, schrie sie mir ins Ohr und ich verdrehte amüsiert die Augen. Ich war wirklich mal gespannt, auf was das mit Jess und ihrem Unbekannten herauslaufen würde, auch wenn ich auf ein Debakel tippte. Schließlich kannte sie ihn gerade mal eine halbe Nacht und ich hatte mit Marc nach zwei Jahren auch falsch gelegen. „Jess, ich bin müde. Ich gehe jetzt nach Hause. Aber nein, du musst nicht mitkommen, es geht mir gut. Flirt mit dem Mann für mich mit“, meinte ich, nachdem ich Jess zu mir heran gezogen hatte. Einmal schaute mich meine Freundin noch fragend an, doch ich nickte nur beruhigend und machte scheuchende Handbewegungen in Richtung Tanzfläche. Nach kurzem Zögern drückte mich Jess noch einmal an sich, bevor sie winkend und lächelnd in der Menge verschwand. Etwas wehmütig schaute ich ihr nach, doch dann sagte ich mir, dass ich heute erstaunlich viel Spaß gehabt hatte und dass das doch ein Schritt in die richtige Richtung gewesen war. Ich würde mir den Rest der Nacht nicht dadurch verderben, dass ich an die Vergangenheit dachte. Zu Hause würde ich schön duschen gehen und dann auf meinem Sofa so lange schlafen, wie ich Lust hatte. Und Morgen, da würde ich anfangen Marcs Sachen, die Fotos und andere Erinnerungsstücke weg zu schmeißen. Entschlossen machte ich mich auf den Weg zur Garderobe und ließ mir meine Jacke aushändigen. Dann wartete ich in der Schlange, bis sich die noch erträgliche Rechnung für meine Verzehrkarte zahlen konnte. Der Abend war gar nicht mal so teuer gewesen. Schließlich konnte ich mich endlich auf den Weg nach Hause machen und wünsche innerlich Jessica noch viel Spaß beim Feiern. Ich war mit den Gedanken schnell beim nächsten Tag, überlegte mir, wie ich es am Besten anstellte die Sachen zu entsorgen, ohne zusammen zu brechen. Ohne Tränen wurde das nicht abgehen, das war mir schon klar, doch ich hoffte, Jessica als Unterstützung zu bekommen. Zumindest, wenn sie heute Nacht sich nicht zu sehr mit dem Kerl vergnügte. Doch dafür war sie normalerweise nicht der Typ. „Hey, da ist ja meine Freundin!“, lallte mich jemand von der Seite an. Ich drehte mich erschrocken um, da ich nicht gemerkt hatte, wie jemand an mich heran getreten war. Ich schaute direkt in die unsteten Augen des langfingrigen Mistkerls von der Tanzfläche. Na toll hinbekommen, der hatte mir gerade noch gefehlt, vor allem da er Sturz betrunken war. Es war noch ein zweiter Mann dabei, der versuchte seinen heftig schwankenden Kollegen aufrecht zu halten, jedoch ebenfalls nicht ganz nüchtern schien. „Ja, ja, Phillip. Deine Freundin, klar“, murmelte der andere Mann und rollte mit den Augen, ließ dann aber doch einen Blick über meinen Körper gleiten. „Sie hat mich einfach abblitzen lassen … kannst du dir das vorstellen?“, stammelte der Kerl weiter und ich schüttelte genervt und angewidert den Kopf, wollte an ihm vorbei gehen. Idioten einfach ignorieren, das half meistens. Mit einer schnellen Bewegung, die ich ihm gar nicht mehr zugetraut hätte, griff der Kerl zu und hielt mein Handgelenk fest. Er brachte damit zwar sich und seinen Freund aus dem Gleichgewicht, doch der Griff lockerte sich nicht, als die beiden zwei taumelnde Schritte machen mussten, um nicht hinzufallen. Weil ich ebenfalls keine Bekanntschaft mit dem harten Asphalt machen wollte, musste ich einen Schritt auf die beiden zu machen, denn es wurde unsanft an meiner rechten Hand gezogen. Bevor ich mich aber losreißen konnte oder der Betrunkene mir zu nahe treten konnte, fühlte ich eine Person hinter mir. „Guten Abend, die Herren. Es tut mir sehr leid, aber dieses hübsche Mädchen ist mit mir unterwegs. Also, wenn Sie sie bitte loslassen würden?“, ertönte eine ernste, kühle Stimme hinter mir und irgendwie kam sie mir entfernt bekannt vor. Nun trat der Mann neben mich und erst auf den zweiten Blick erkannte ich den Besitzer des Nachtclubs. Er trug mittlerweile über dem Hemd ein gut sitzendes Sakko und sein Blick war düster auf die beiden Betrunkenen gerichtet. Er machte gegen die zerzaust und leger gekleideten Männer einen seriösen Eindruck, auch wenn ich den Aufzug für Nachts auf der Straße doch ein wenig übertrieben fand. Ich nutzte die Ablenkung durch den Nachtclubbesitzer, um mit einem kräftigen Ruck meine Hand aus dem Griff des Kerls zu befreien. Sofort trat ich ein paar Schritte zurück und zufällig oder nicht, er schob sich zwischen mich und die beiden Männer. „Keinen Stress! Wir wollten uns nur mit deiner Freundin unterhalten. Sind schon weg, Alter“, meinte der weniger Betrunkene und wollte seinen völlig besoffenen Kumpel mit sich wegziehen, auch als er lauthals protestierte. Doch dieser befreite sich aus dem Griff seines Freundes und ging mit einem Schrei irgendwo zwischen Lallen und Fluchen auf meinen Retter los. Mit scheinbarer Leichtigkeit wich der Mann aus, griff die Faust des Mannes und schubste ihn mit einer nachlässigen Bewegung auf den Boden. „Sorgt dafür, dass er nach Hause kommt und stellt Euren Freund unter eine kalte Dusche“, schlug der Mann dem Kumpel des Grabschers vor und drehte den beiden anderen Männer in einer überheblichen Bewegung den Rücken zu. Dieser Kerl strotzte ja richtig vor Selbstsicherheit! Ekel erregend! Na gut, nicht so sehr wie die beiden Betrunkenen, aber wenn Arroganz wehtun würde, würde der Mann sich vor Schmerzen auf dem Boden winden. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, schob der Nachtclubbesitzer meinen rechten Arm in seine Ellenbeuge und führte mich mit sanfter Gewalt von den beiden Männern fort. Ich wollte meine Hand wegziehen, doch ließ mich der Mann nicht los, es schien fast so, als hätte er meine Bemühung gar nicht bemerkt. Und während die beiden Betrunkenen sich aufrappelten und in eine andere Richtung verschwanden, begann er ein Gespräch mit mir. „So, meine Liebe. Wäre es nicht an der Zeit, mir Ihren Namen zu nennen? Ach, wie unhöflich, ich habe mich selbst gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Christopher von Deuten“, erklärte der Nachtclubbesitzer und ich rollte mit den Augen. Meine Güte, ein `von’! Kein Wunder, dass die Arroganz ihn förmlich wie ein Dunstschleier umgab. Ob er den Titel wohl gekauft hatte? Doch das konnte warten, auch wenn ich den Typen nicht gerade mochte, fühlte ich mich in seiner Nähe doch ein bisschen sicherer, als alleine auf der dunklen Straße. „Melanie. Melanie Hoffmann. Und Sie können mich jetzt loslassen, die Kerle sind weg“, erklärte ich höflich, schließlich hatten mir meine Eltern so etwas wie Anstand beigebracht. Tatsächlich lockerte er auch prompt seinen Griff um meinen Arm und ich zog aufatmend meine Hand aus seiner Ellenbeuge. Auch wenn ich es nicht gewusst hatte, war ich doch etwas beunruhigt gewesen. „Sehr erfreut“, erwiderte der Mann und deutete eine Verbeugung an. Was für ein blasierter Kerl! Trotzdem musste ich über die Geste grinsen. Irgendwo tief in mir musste ich zugeben, dass es mir gut tat, so behandelt zu werden. Es war wie ein Aufputscht für mein Ego, nach all dem, was Marc mir angetan hatte, dass so ein gut aussehender Mann mit mir scherzte. Doch dann schalt ich mich für meine Dummheit, schließlich war dieser Christopher von Deuten ein völlig Fremder. Noch dazu, war ihm durch die Arbeit in seinem Nachtclub bestimmt das charmante Gespräch mit Frauen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass man die Hälfte von dem Zeug nicht glauben durfte. Oh nein, ich würde mich nicht wieder auf einen charmanten, gut aussehenden Mann einlassen, nur damit er mir wieder das Herz brach. In meinem Herzen herrschte gerade sowieso eine Eiswüste, da war kein Platz für jemanden. „Ist alles in Ordnung, Melanie?“, fragte mich Christopher von Deuten und ignorierte gekonnt meinen Nachnamen. Wenn ich ehrlich war, hörte sich das sogar ein wenig besorgt an, doch ich war gerade nicht ehrlich zu mir selbst. „Ja, alles bestens“, wiegelte ich ab und winkte gleichzeitig nach einem gerade vorbei fahrenden Taxi. Tatsächlich hielt der Wagen an, Glück musste der Mensch haben! „Danke, dass Sie mich eben verteidigt haben. War nett Sie kennen gelernt zu haben und auf Wiedersehen“, verabschiedete ich mich in Rekordzeit. Normalerweise gönnte ich mir kein Taxi, aber heute Nacht hatte ich doch etwas Bedenken alleine nach Hause zu laufen. Erst diese beiden Betrunkenen, dann der aufdringliche von Deuten, da wurde man als Frau gleich etwas vorsichtiger. „Ja, auf Wiedersehen, Melanie“, antwortete Christopher von Deuten und so wie er es klingen ließ, meinte er das nicht nur als Floskel. Unheimlich der Kerl. Gut, dass ich ihm nicht gesagt hatte, wo ich wohnte. Ich würde einfach diesen Aufreißerladen nicht mehr betreten, zumindest nicht in den nächsten Wochen. Bis dahin hatte der Mann mich vergessen und ich konnte wieder ungefährdet in dem Schuppen tanzen gehen. Ich hoffte nur, dass Jessica nicht so bald wieder dort hin wollte. Nachdenklich stieg ich in mein Taxi, schloss die Tür und nannte dem gutmütig aussehenden Fahrer meine Adresse. Bewusst schaute ich nicht aus dem Fenster, bevor der Wagen los fuhr. Erst als wir ein paar Meter weit waren, drehte ich mich um und tatsächlich starrte mir der Nachtclubbesitzer hinterher. Auf seinem Gesicht lag wieder ein arrogantes Lächeln, als würde er meinen, dass ich schon noch angekrochen kommen würde. Tja, falsche Frau zum falschen Zeitpunkt. Ich hoffte nur, dass diese Erfahrung sein gewaltiges Ego nicht knicken würde. Belustigt lächelnd drehte ich mich wieder um und schaute nach vorne. Also meinem Selbstwertgefühl tat diese Nacht unwahrscheinlich gut und mit einem Mal schien die morgige Aufgabe, Marks Sachen zu entsorgen, gar nicht mehr so unmachbar zu sein. Kapitel 2: Stalking ------------------- But something happened For the very first time with you My heart melted to the ground Found something true And everyone's looking 'round Thinking I'm going crazy Es war mittlerweile eine Woche vergangen, seit dem Abend im Nachtclub und es hatte sich einiges getan. Jessica hatte einen Freund und war bis über beide Ohren verliebt. Die Arme wusste ja gar nicht, auf was sie sich da einließ! Männer brachten doch nur Probleme, ich hatte schließlich die Abende der ganzen letzten Woche gebraucht, um endlich alles was Marc dagelassen hatte zu vernichten. Ich hatte mit Jessicas Hilfe nach der Arbeit Fotos verbrannt, Liebesbriefe, sogar ein Plüschtier, das Marc mir mal geschenkt hatte. Das Ding hatte so gequalmt, dass wir die Fenster aufreißen mussten und irgendwie kam es einem Wunder gleich, dass niemand die Feuerwehr gerufen hatte. Ich hatte auch ein neues Bett samt Matratze und ich schlief endlich wieder in meinem Schlafzimmer. Ja, das war doch mal ein Fortschritt, hatte mich nur Geld, Nerven und eine ganze Flasche Wein gekostet. Nun war es Freitagabend und wieder hatte mich Jessica mitgeschleppt, diesmal allerdings auf eine Privatparty. „Du bleibst nicht hier alleine in der Wohnung sitzen. Kommt nicht in die Tüte!“, hatte sie gesagt und so stand ich jetzt mit meinem zweiten Glas von der Bowle in einer Ecke und langweilte mich. Jessica tanzte gerade eng umschlungen mit ihrem neuen Kerl und schien die ganze Welt vergessen zu haben. Nicht dass ich ihr das nicht gönnen würde und dieser Hannes schien für einen Mann auch ein recht netter Kerl zu sein, trotzdem ich kam mir doch etwas verloren vor. Ich kannte hier kaum jemanden, selbst den Partyveranstalter auch nur eher flüchtig. Das Geburtstagskind tanzte mittlerweile auf dem Tisch, hatten ihn seine Freunde doch schon kräftig abgefüllt und ich fragte mich langsam, was ich hier machte. Das hier war gar nicht mein sonstiger Bekanntenkreis und nur Jessica hatte ich eine Einladung zu verdanken, deren neuer Freund gut mit dem Geburtstagskind, was hier seinen 25. feierte, befreundet war. Die Fete fand in dem Untergeschoss eines ziemlich schicken Hauses statt, ich würde es fast Villa nennen und mir waren die Leute viel zu versnobt. Vielleicht war ich auch einfach nur nicht gut genug für eine Party gelaunt und das würde sich wohl auch nicht vor dem dritten Glas Bowle ändern. Ich wollte gerade den Inhalt meines Glases herunterkippen, als ich eine tiefe Stimme hinter mir hörte und ich mich vor Schreck an der Flüssigkeit verschluckte. Ich fühlte, wie mir auf den Rücken getätschelt wurde, während ich versuchte wieder vernünftig zu atmen und schließlich drehte ich mich innerlich fluchend um. „Was zum Teufel machen Sie hier?“, war das erste, was ich wenig geistreich über die Lippen brachte. Was sollte er hier auch machen? Feiern, trinken und mit jungen Frauen flirten, eben das, was so ein Mann wie er machte. „Das Geburtstagskind gehört zu den VIPs meines Clubs und ist außerdem ein guter Freund“, stellte Christopher von Deuten leicht arrogant lächelnd klar und kam noch einen Schritt näher, für mich ein wenig zu nah, denn der Mann war gefährlich. Ich kam mir neben ihm so dumm und ungebildet vor, außerdem schien er die nervige Angewohnheit zu haben, mich aus dem Konzept bringen zu wollen. Auch jetzt brachte er mich völlig durcheinander, als er mir mit einem `Wo sind nur meine Manieren?` einen Handkuss auf die Finger hauchte. Das war doch wohl die Höhe! Was bildete er sich ein, einfach meine Hand zu nehmen und dann auch noch so einen Unsinn zu machen? Wir waren hier doch nicht im Mittelalter und aus Höflichkeit machte der Mistkerl das garantiert nicht. Das war bestimmt eine seiner Maschen, ich kannte eine Menge junger Frauen, die bei so einer Geste in dümmliches Gekicher ausgebrochen und rot geworden wären. Zu meinem Ärger fühlte ich, dass meine Wangen ebenfalls rot wurden, allerdings aus Wut. „Haben Sie nicht eine Bar zu führen?“, fragte ich leicht gereizt, entzog ihm meine Finger und hoffte fast, dass sich Christopher von Deuten mit der Hand vor die Stirn schlug und in seinen Nachtclub stürmte. Wieso konnte er mich nicht in Ruhe lassen? Doch er tat mir den Gefallen nicht, sondern lächelte breit. „Für so etwas habe ich Leute. Die kommen auch eine Nacht ohne mich aus.“ „Schade eigentlich“, murmelte ich, doch hatte er es wohl auch über die Musik und das Gelächter gehört, denn er lächelte jetzt schon fast unverschämt. Doch fast augenblicklich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Das eingebildete Lächeln war wie weggewischt und finster starrte er einen Punkt hinter mir an, wäre er ein Hund, hätte er wohl düster geknurrt, so sah er zumindest aus. Das passte gar nicht zu diesem blonden Sunnyboy und automatisch drehte ich mich um, ein ungutes Gefühl in der Magengegend. „Chris, Chris, wie unhöflich. Die Kleine hatte ich doch schon im Auge“, tadelte ein ziemlich gut aussehender Mann, gegen den sogar Christopher von Deuten nur mittelmäßig wirkte. Er war zwar schon etwa Mitte dreißig, doch die Haare glänzten schwarz ohne eine einzige graue Strähne und die dunkelbraunen Augen hatten schon fast etwas Hypnotisches. Ich wollte gleichzeitig näher treten und ganz weit weg laufen. Er war mir unheimlich, aber doch ließ er mein Herz höher schlagen. „Verzieh dich, Damian. Sie ist nichts für dich“, meinte Christopher ruhig, doch seine Stimme schickte mir einen Schauer über den Rücken. Beunruhigt schaute ich zwischen den beiden Männern hin und her, deren Gesichter irgendetwas zwischen neutraler Langeweile, Ablehnung und Arroganz zeigten, doch wenn allein die Blicke töten könnten, dann lägen jetzt beide zu meinen Füßen. Was war hier verdammt noch mal los? Ich war nicht so hübsch, dass der kleine Wettstreit der Männer darum gehen konnte und schnell schoss mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf. War dies hier vielleicht wirklich eine Wette? Wer kriegt das Mädel da an dem Buffet als erstes in die Kiste? Auf keinen Fall, Jungs, ohne mich! Da konnten die sich hier so lange anzicken und anstarren, wie sie wollten, ich würde für keinem von beiden das Betthäschen machen. „Tja, dann will ich mal nicht weiter stören“, meinte ich betont fröhlich zu den beiden Männern, die sich immer noch nicht aus den Augen ließen. Kurz sah ich noch von Einem zum Anderen, wie auf einem Ping-Pong-Tunier, doch zeigten sie keine Reaktion, dass sie mich gehört hatten. Ich wollte mich gerade umdrehen und weggehen, da lächelte dieser Damian boshaft auf. Fast schien es so, als hätte er etwas in Christophers Blick gesehen, was ihn in diesem kleinen Starrduell als Sieger erklärte und er ließ ein kleines, hämisches Lachen hören. „Dann auf wieder sehen. Herzchen, Chris“, meinte Damian und nickte uns einmal zu, bevor er sich umdrehte und langsam zwischen den Menschen verschwand. Am Liebsten hätte ich diesen Mistkerl von hinten angesprungen und erwürgt. Wen nannte der hier Herzchen? Also bitte, der redete ja so, als stände ich hier zum Verkauf in irgendeinem Nachtclub. Vielleicht sollte ich mir meine Gesprächspartner besser aussuchen und böse funkelte ich Christopher von Deuten an, schließlich war er dafür verantwortlich, dass ich hier in Verruf kam. Wieso verteidigte er mich nicht? Aber andererseits, wieso sollte er? Er sah sowieso gerade nicht sehr kooperativ aus, sondern eher als würde er jeden Augenblick vor Wut explodieren. Eindeutig Zeit hier zu verschwinden, nicht dass die Männer noch eine Schlägerei anfingen und ich mittendrin war. Also klammerte ich mich an mein Bowleglas und wanderte etwas ziellos durch das Haus. Jessica tanzte immer noch mit ihrem Hannes, als gäbe es kein Morgen und auf ein Gespräch hatte ich gerade auch nicht wirklich Lust. Aber anscheinend stand mir doch ein Gespräch bevor, denn ein bestimmter Nachtclubbesitzer kam auf mich zu und unter der Maske aus Arroganz war eindeutig Wut zu erkennen. Einen Moment überlegte ich noch, ob ich nicht einfach so tun sollte, als hätte ich ihn nicht bemerkt, doch das war kindisch und unglaubwürdig. Also seufzte ich auf, straffte meine Schultern und blickte dem Mann entgegen. „Was fällt dir ein, mich einfach da stehen zu lassen?“, zischte mich Christopher leise an, doch für die anderen Gäste hatte er ein freundliches Lächeln aufgesetzt. Hatte ich hier etwa verpasst, dass ich mit dem Kerl eine Beziehung führte oder auch nur ansatzweise mit ihm befreundet war? Er hatte mich angesprochen, er spielte sich als mein Beschützer auf und dann machte er mich an, dass ich ihn stehen ließ? Ich verstand Männer schon grundsätzlich nicht, aber dieser war noch schlimmer als der Rest. „Na hören Sie mal zu. Sie drängen sich hier mir auf und ich kann immer noch gehen wohin ich will“, meckerte ich zurück. Doch ich hatte nicht den Anstand ein falsches Lächeln aufzusetzen, damit die anderen Gäste nichts mitbekamen. Sollte es doch von außen aussehen, als würde hier ein Pärchen streiten, mir war das egal. Wenn hier einer einen Ruf zu verlieren hatte, dann war das wohl eher Christopher und nicht ich. „Sie dummes, naives Menschenmädchen, ich …“, zischte Christopher und es sah so aus, als würde er gerne die Hände um meinen Hals legen und zudrücken. Einmal atmete er tief durch und schaute sich um, bevor mich energisch am Ellenbogen packte und mit einem `Mitkommen!’ hinter sich her zog. Er störte sich gar nicht an meinem lautstarken Protest oder daran, dass jetzt doch ein paar der anderen Partygäste auf uns aufmerksam geworden waren. Grummelnd stolperte ich hinter ihm her, als er sich rücksichtslos einen Pfad durch die Leute bahnte und nicht selten irgendwen mit seinem freien Arm aus dem Weg schob. Erst in der Küche hielt er an, warf den zwei darin knutschenden Personen einen so finsteren Blick zu, dass sie sich zurückzogen. Dann wandte er sich finster blickend mir zu. „Sie höre…“ „Oh nein, SIE hören MIR jetzt zu! Ich bin keine Trophäe, die man rumschleppt oder ein Mädchen, das mit jedem ins Bett steigt. Wenn Sie sich mit diesem Damian in einem Wettkampf messen wollen, dann gehen Sie doch raus und prügeln sich und lassen Sie mich in Ruhe!“, fiel ich dem Mann ins Wort und zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn. Christopher blinzelte ein paar Mal leicht verblüfft und als sich sein Griff um meinen Ellenbogen lockerte, riss ich mich los. Ha, damit hatte der Kerl wohl nicht gerechnet, dass ich ihn so anfuhr. Schließlich war er es bestimmt gewöhnt, dass ihm jede Frau zuhörte und brav das machte, was er wollte. Das konnte man doch als Sieg verbuchen gegen diesen arroganten Mistkerl. „Mädchen, Sie wissen nicht, worauf Sie sich einlassen. Damian Willson ist ein gefährlicher Mann. Sie sollten sich von ihm fern halten und möglichst nicht mit ihm allein sein“, erklärte Christopher und schaute mich finster an. Jetzt war ich es, die verwirrt aussehen musste. Das hörte sich ja wirklich so an, als würde sich der Nachtclubbesitzer um mich Sorgen machen. Aber wieso, zum Teufel? Dieser Damian hatte doch keine drei Worte mit mir geredet und auch wenn er etwas unheimlich war, er sah gut aus und seiner Kleidung nach war er nicht gerade arm. Eigentlich also eine gute Partie, wenn auch ein wenig alt für mich. War er etwa ein Trophäensammler, für den ich Christopher von Deuten aber auch hielt oder noch schlimmer, war er jemand, der junge Frauen alleine aufsuchte und sich dann an ihnen verging? Verdammter Mist, ich hätte heute wirklich früh schlafen gehen sollen. Ich trat ein paar Schritte zurück und lehnte mich an die Anrichte, schön Abstand zwischen mich und den finster dreinblickenden Mann bringend. Denn auch Christopher von Deuten sah gerade nicht sehr freundlich aus. „Ja, ja, wenn’s Sie glücklich macht. Ich werde dem Mann schon nicht zu nahe kommen, der ist eh nicht mein Typ“, winkte ich ab und wedelte mit meiner Hand in der Luft herum. Außerdem hatte ich mich gerade erst vor drei Wochen von Marc getrennt, einen neuen Freund brauchte ich nicht. Das würde noch einige Zeit dauern, bis ich einem anderen Mann wieder vertraute. „Das ist eine weise Entscheidung“, meinte Christopher und strahlte mich gerade an, sah fast stolz auf mich aus. Ich wurde aus diesem Mann wirklich nicht schlau und ich schüttelte belustigt den Kopf. Langsam kam Christopher von Deuten näher und sah auf mich hinunter. Alles Arrogante und Kühle war aus seinem Blick verschwunden, stattdessen lächelte er freundlich, diesmal jedoch schien es ehrlich zu sein. Irgendetwas in mir wurde ganz weich, als Christopher mich so anschaute. Ich kam mir wieder wie ein kleines Mädchen vor, dass von dem Schwarm der ganzen Schule gefragt wurde, ob sie mit ihm gehen wollte. Vielleicht war das der Grund, dass ich nicht auf meine innere Stimme hörte und die Küche verließ, sondern ruhig stehen blieb, als Christopher noch näher kam. Dann ging alles ziemlich schnell. Er beugte sich zu mir herunter und drückte seine Lippen auf meine. Ich sollte ihn wegstoßen, zutreten oder verfluchen, doch ich tat nichts davon. Stattdessen erwiderte sich den Kuss. Es war verwirrend, was Christopher da mit mir tat, beängstigend und gleichzeitig wunderschön. „Oh, wollt nicht stören“, lallte jemand von der Tür her und das war der Moment, wo ich wieder zur Besinnung kam. Was tat ich hier? Verdammt, man hatte mir gerade erst das Herz gebrochen, da musste ich doch nicht schon wieder auf so einen Weiberheld hereinfallen. Mit so viel Kraft wie ich aufwenden konnte, schubste ich Christopher von mir weg und er wich einen Schritt zurück. Er sah etwas verwirrt aus, doch grinste er auch wieder, machte sich bestimmt insgeheim über mich lustig. „Wag es ja nie wieder mich anzufassen!“, zischte ich ihm zu und rannte fast aus der Küche, ließ ihm keine Chance etwas zu antworten. Ich war durcheinander. Ich hatte den Kuss genossen, doch wieso fühlte ich mich dann so schlecht. Und ein wenig hatte ich auch übertrieben, als ich den Nachtclubbesitzer da in der Küche angeschnauzt hatte, schließlich hatte er sich ja nicht auf mich gestürzt, ich hatte ihn zurück geküsst. Ich würde jetzt meine Jacke holen und dann hier verschwinden, meine Laune war auf dem heutigen Tiefpunkt angelangt. „Hey, Mel. Alles in Ordnung? Du siehst total durcheinander aus“, meinte Jessica, die plötzlich neben mir auftauchte und mir einen Arm um die Schulter legte. Hinter ihr stand Hannes und das veranlasste mich dazu zu nicken, auch wenn eigentlich nichts in Ordnung war. Doch Jessica rollte nur mit den Augen und wedelte mit ihrer Hand in die Richtung ihres neuen Freundes. „Ignorier ihn einfach. Was immer du auch auf dem Herzen hast, sag es mir“, befahl sie und warf Hannes einen eindringlichen und entschuldigenden Blick zu, bevor sie mich anlächelte. Automatisch zogen sich auch meine Mundwinkel hoch. Jessica hatte einfach eine lockere Art drauf, doch selbst ich war verwundert, dass sie so mit ihrem Freund umging, den sie ja erst eine Woche hatte. Doch dieser nahm es erstaunlich gelassen, zuckte nur mit den Schultern. „Na ja. Wir waren doch letzten Samstag in diesem Nachtclub und ich hab dir doch von dem Besitzer erzählt. Der ist auch hier und irgendwie hab ich wohl die Bowle nicht vertragen, denn ich hab ihn … nun ja, geküsst“, erzählte ich etwas stockend, war mir die Sache nicht nur peinlich, sondern störte mich auch Hannes Anwesenheit. Das war wirklich kein Gespräch für seine Ohren, aber weil ich Jessica kannte, wusste ich auch, dass sie keine Ruhe geben würde, bis sie alle nötigen Informationen aus mir herausgekitzelt hatte. „Christopher von Deuten? Das ist ein Weiberheld und lässt nichts anbrennen“, mischte sich nun auch Jessicas Freund in das Gespräch ein. Ich nickte stumm dazu, was sollte ich auch leugnen, war ich doch selbst schon zu dem gleichen Schluss gekommen, dass Christopher eindeutig nichts für mich war. „Um Himmels Willen, Mel! Bist du verrückt? Der Kerl ist auf jeden Fall nichts für dich. Wenn er sich noch einmal an dich ran macht, dann schick ihn zu mir und er kriegt einiges zu hören!“, drohte Jessica und sah regelrecht kampfbereit aus. In diesem Moment hätte man fast Mitleid mit dem Mann bekommen können. Ich lachte belustigt auf und schüttelte dann den Kopf: „Keine Angst, ich werde schon mit ihm fertig. Aber jetzt gehe ich erst mal nach Hause, ist schon zwei. Amüsier dich noch gut.“ Es folgte eine kleinere Diskussion mit Jessica, ob sie mich nicht nach Hause bringen sollte, aber ich sah ihrem Gesicht an, dass sie gerne noch bleiben wollte. Die Blicke, die sie Hannes zuwarf, waren eindeutig. Und so fiel mir es auch nicht allzu schwer Jessica davon zu überzeugen, dass sie sich keine Sorgen machen und die restliche Nacht noch genießen sollte. Ich ging also in den Flur, suchte geschlagene zehn Minuten in dem Jackenstapel nach meinem Mantel und machte mich dann auf den Weg zu meiner Wohnung. Ich musste ungefähr einen Kilometer zu Fuß gehen, wenn ich nicht die Abkürzung durch den Park nehmen wollte und das würde ich auf keinen Fall tun. Ich hatte allerdings nur wenige Meter zurückgelegt, als ich eine Person mit schnellen Schritten aufholen hörte. „Darf ich Sie nach Hause begleiten?“, fragte eine Stimme neben mir. Ich drehte den Kopf, hoffte mich zu irren, doch das tat ich leider nicht. Da stand er, der Held aller holden Jungfern in Nöten. Einen Moment starrte ich den Nachtclubbesitzer an, als könnte ich ihn nur durch einen Blick dazu bringen wieder zu verschwinden, doch er tat mir den Gefallen wieder einmal nicht. „Das ist Stalking“, beschwerte ich mich und verschränkte die Arme abwehrend vor der Brust. Nur weil ich ihn eben einmal geküsst hatte, hieß das noch lange nicht, dass ich mehr von ihm wollte oder er sich als mein Beschützer aufspielen musste. Ich hatte den Kuss eben schon bereut, doch jetzt fragte ich mich langsam, ob ich verrückt war so etwas zu tun! Da hätte ich doch fast noch besser diesen anderen Kerl küssen sollen oder das besoffene Geburtstagskind oder jeden anderen Mann auf der Party! „Ich bringe dich nach Hause, keine Widerrede“, meinte Christopher fest und war sogar ins Du gewechselt. Seine Stimme klang so eindringlich, dass mir ganz anders wurde. Plötzlich hatte ich Angst vor ihm, wollte am Liebsten nur noch wegrennen und mich irgendwo verstecken. Der würde mir doch auf offener Straße nichts tun? Aber hier war doch niemand, das war das Schlimme! Wieso musste so etwas immer mir passieren? Doch bevor ich wirklich panisch werden konnte, meinte Christopher mit erstaunlich sanfter Stimme: „Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken. Es ist hier nur gefährlich und ich will nicht, dass Ihnen etwas passiert.“ Da waren sie wieder, diese sanfte Stimme und der freundliche Blick, die mich eben dazu gebracht hatten den Kuss zu erwidern und Christopher nicht in die Weichteile zu treten. Jetzt stand er da, die Hände tief in die Taschen seiner Jeans gesteckt und sah mich fragend an. Wo war nur seine verabscheuungswürdige Arroganz, wenn ich sie brauchte? So brachte sein Blick irgendetwas in mir zum Schmelzen. Ich hielt ihn zwar immer noch für einen idiotischen Egoisten, aber zumindest gestand ich ihm irgendwo ganz tief in ihm drin so etwas wie echtes Mitgefühl zu. Dann sollte er mich halt nach Hause bringen. Er sollte nur nicht denken, dass er auch nur einen Schritt in den Hausflur setzen würde! „Na, dann kann ich wenigstens die Abkürzung nehmen. Durch den Park ist es nur halb so lang“, erklärte ich seufzend und erteilte Christopher von Deuten somit die Erlaubnis mich zu begleiten. Als hätte er dafür mein Einverständnis benötigt. Ich war mir sicher, dass er mir auch ohne meine Zustimmung gefolgt wäre. „Dann lass uns mal los gehen“, meinte Christopher und steuerte zielsicher Richtung Park. Ich musste mich beeilen, um zu ihm aufzuschließen, doch er halbierte sein Tempo, dass wir ruhig nebeneinander her gehen konnten. Er runzelte die Stirn und drehte seinen Kopf in meine Richtung. „Wo wohnst du überhaupt?“, fragte er und ich musste lachen. Es gab also etwas, was der lieber Herr Allwissend nicht wusste. Da spielte er sich als mein Beschützer auf und trug die Nase so weit oben und wollte dann eine Frau nach Hause begleiten und erst auf halben Weg fiel ihm ein, dass er deren Anschrift nicht kannte. Das konnte doch nicht gut für sein Ego sein. Also nannte ich ihm meine Adresse, auch wenn ich so etwas lieber nicht jemandem sagte, den ich kaum kannte. Doch lieber hatte ich Christopher neben mir laufen, als wenn er mich heimlich verfolgen würde, um meine Anschrift heraus zu bekommen. Ein beunruhigender Gedanke. Vielleicht sollte ich die Polizei anrufen, wenn er mir noch mal so auflauerte wie gerade. Oder noch besser, ich riefe Jessica, wenn die mit Christopher fertig war, würde der um Gnade winseln. Doch fürs Erste war mir die Gegenwart des Nachtclubbesitzers gar nicht mal so unangenehm. Irgendetwas in mir vertraute ihm, auch wenn ich nicht wusste wieso. Christopher ging ruhig neben mir her und machte diesmal auch keine Anstalten nach meiner Hand oder meinem Ellenbogen zu greifen und ich war froh darum. Ich wusste nämlich nicht, ob ich ihn dann anschreien oder es zulassen sollte und so blieb mir die Entscheidung erspart. Wir folgten schweigend dem Ascheweg durch den Park, doch war es kein unangenehmes Schweigen. Eher im Gegenteil, es kam mir wie ein wortloses Friedensangebot vor. Wir hatten den Park noch nicht halb durchquert, da blieb Christopher wie erstarrt stehen und schien zu lauschen. Ich hielt ebenfalls an, doch als ich etwas fragen wollte, hob der Mann nur die Hand und schaute zur Seite. Und wirklich stand da jemand. Automatisch suchte ich die Nähe von Christopher, trat einen Schritt näher, vertraute ich ihm doch mehr als einem Fremden. „Damian“, zischte Christopher und tatsächlich erkannte ich in dem fremden Mann den Kerl von eben auf der Party, als er in den Lichtkegel einer der Laternen am Weg trat. Was wollte dieser Spinner hier? Und mit einem Mal hatte ich Angst. „Chris, ich hab dir doch gesagt, dass ich die Kleine ins Auge gefasst hatte. Sehr unhöflich von dir, dass du sie jetzt für dich behalten willst“, meinte der Mann und wie schon einmal trat Christopher zwischen mich und meinen Angreifer. „Lass sie in Ruhe, Damian. Du bekommst sie nicht, nur über meine Leiche“, knurrte Christopher und es klang wie eine Drohung. Was wollte Damian von mir? Und so ritterlich es auch fand, wieso verteidigte mich Christopher? Wo war ich da nur rein geraten? Ich war so verwirrt. Es wurde auch nicht gerade besser, als Damian seine Lippen zu einem boshaften Grinsen kräuselte und spitze Eckzähne entblößte. Hatten Menschen so etwas? Ich glaubte es nicht so wirklich. Kapitel 3: Vampire? ------------------- But I don't care what they say I'm in love with you They try to pull me away But they don't know the truth My heart's crippled by the vein That I keep on closing You cut me open Der Kerl konnte doch kein Vampir sein! So etwas gab es gar nicht. Die Bowle war bestimmt stärker gewesen, als ich gedacht hatte und deswegen halluzinierte ich hier. Genau, so war es. Doch als ich das noch dachte war mir eigentlich schon klar, dass ich hier nur versuchte etwas zu erklären, was mein Gehirn nicht verarbeiten konnte. Mich wunderte nur, was für ein guter Schauspieler Christopher war, denn er blieb völlig ruhig, zuckte noch nicht mal bei dem boshaften Lachen des anderen Mannes zusammen. Angst musste er doch haben, oder? „Über deine Leiche? Das kannst du haben, Chris. Aber ist die Kleine das überhaupt wert?“ „Anscheinend schon, sonst hättest du ihr nicht aufgelauert. Noch hast du Zeit abzuhauen und die Sache zu vergessen“, erklärte Christopher ruhig und machte eine nachlässige Geste Richtung Weg, als wollte er Damian alleine damit zeigen wie wenig er von ihm hielt. Himmel, der Mann wollte sich doch nicht mit einem Vampir anlegen? Selbst wenn nur die Hälfte der Geschichten über die Rasse stimmte, dann hätte er keine Chance gegen den anderen Mann. Was mich dazu brachte, dass ich genauso wenige Aussichten hätte, einen Angriff von diesem Damian abzuwehren. Und zum wiederholten Mal an diesem Abend fragte ich mich, wieso ich nicht zu Hause geblieben war. Christopher von Deuten drehte den Kopf zu mir und lächelte mich beruhigend an. Doch er erreichte genau das Gegenteil mit seiner Geste, wie er vorhatte, denn jetzt sah ich auch bei ihm die spitzen Eckzähne. Einen Moment brauchte ich, um das Gesehene zu verarbeiten, dann wich ich zitternd ein paar Schritte zurück. Noch ein Vampir! Gab es hier irgendwo ein Nest? Doch wieso verteidigte mich einer und der andere wollte … ja, was eigentlich? Mein Blut? So lecker war es bestimmt nicht, da gab es doch noch andere Leute. Mich wunderte noch mehr, dass Christopher mich letztes Wochenende nicht angegriffen hatte, als er mit mir allein auf der Straße war. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen mich in eine Seitenstraße zu ziehen und über mich her zu fallen. Ich hoffte nur, dass ich lange genug lebte, um die Antwort auf diese ganzen Fragen heraus zu finden. Die beiden Vampire hatten ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Gegenüber zugewandt und ich hielt das für die beste Gelegenheit die beiden allein zu lassen. Die hatten eindeutig was Persönliches am Laufen, war es jetzt Hass, Meinungsverschiedenheit oder sonst etwas, da wollte ich wirklich nicht stören. Vorsichtig und klammheimlich versuchte ich die Flucht anzutreten, doch schien das gerade der Startschuss für die Vampirauseinandersetzung zu sein. Damian versuchte an Christopher vorbei zu gelangen, doch dieser reagierte mit unmenschlicher Geschwindigkeit und hielt Damian am Arm fest, schubste ihn zurück. Ein Fauchen erklang aus der Kehle des schwarzhaarigen Vampirs und ich blieb erstarrt und mit einer Gänsehaut stehen. Dem konnte man nicht davonlaufen, das wurde mir mit einem Mal klar, diese beiden Vampire waren einfach zu flink dafür. So blieb mir nichts anderes übrig, als dem Zweikampf zuzusehen und zu sich wünschen, dass Christopher gewinnt. Er war danach nur hoffentlich noch genau so höflich und zuvorkommend wie bisher. Beide Männer fingen nun an, aufeinander ein zu prügeln, doch dabei bewegten sich viel zu schnell, als dass ich dem Kampf richtig folgen könnte. Beide hatten etwas Raubtierartiges an sich, was ja auch ziemlich nahe an die Wahrheit kam, schließlich waren sie ja Blut saugende Killer. So grazil und federnd, wie sie sich bewegten, schien der Kampf fast wie ein Tanz. Zuschlagen, ausweichen und kontern. Dies lief alles harmonisch und scheinbar ohne Kraftanstrengung ab und ein paar Augenblicke sah es wirklich sehr ausgewogen aus. Beide Männer schienen gleich stark und teilten Schläge aus und kassierten auch welche. Doch dann traf Damian Christopher mitten im Gesicht und hakte gleichzeitig seinen Fuß hinter seine Beine, um sie weg zu ziehen. Mein Beschützer landete hart auf dem Boden und schrie gepeinigt auf, als Damian seine Reißzähne tief in seiner Schulter versenkte. Als ich den Schmerz in von Deutens Schrei hörte, lief mir eine Schauer über den Körper. Bis gerade kam es mir irreal vor, dass ein Vampir Schmerz empfingen könnte, doch da schienen sie auch nicht anders als Menschen zu sein. Als hätte dieser eine Biss den Kampf entschieden, musste Christopher in die Defensive gehen, die Schulter schimmerte selbst in dem diffusen Licht hier nass. Er versuchte die Schläge des anderen Vampirs abzuwehren, doch sie prasselten regelrecht auf seinen Oberkörper und Kopf hinab. Damian schien in einem regelrechten Rausch zu sein und grinste dabei, wie er den blonden Mann am Boden windelweich prügelte. Verzweifelt suchte ich nach irgendjemandem oder irgendetwas, was eine Hilfe sein konnte. Ich konnte doch Christopher von Deuten nicht einfach sterben lassen, auch wenn er eines dieser Monster war. Der Vampir hatte mich verteidigen wollen, was auch immer seine Beweggründe waren, da konnte ich ihn doch nicht allein lassen. Ich bückte mich nach einem etwa einen Meter langen Stock am Wegesrand, den wohl am Tag ein Hund beim Spielen hatte fallen lassen. Ich war völlig verrückt, aber was sollte ich machen? „Hey, Missgeburt!“, schrie ich und schwang den Stock wie einen Baseballschläger. Tatsächlich hatte ich damit die Aufmerksamkeit von Damian auf mich gelenkt. Na herrlich, ich zierliche Person gegen ihn, der gerade einen anderen Vampir locker zusammengeschlagen hatte. Damian ließ von Christopher ab, der regungslos und leise stöhnend liegen blieb und ich machte mich bereit zuzuschlagen. Ich zielte sorgfältig, doch Damian hielt den Stock mitten im Schlag auf, als hätte eine zweijährige versucht ihn zu treffen und nicht eine erwachsene Frau. Er riss mir den Stock aus den Händen und dem Gefühl nach blieb ein ganzer Wald in meinen Handflächen stecken. Ich hatte noch nicht mal genug Zeit zu schreien, da hatte mich Damian schon am Hals gefasst und gegen den nächsten Baum gedrückt. Mein Rücken kollidierte schmerzhaft mit der rauen Rinde, doch der feste Griff um meine Kehle sorgte dafür, dass ich nur ein leises Wimmern herausbrachte. „Du kleines Menschlein, was denkst du dir eigentlich? Das ist eine Sache zwischen alten Freunden, da hast du dich nicht einzumischen. Du bist die Beute, um die wir uns streiten. Mehr nicht“, zischte mich der Vampir an und kam mir mit seinen spitzen Zähnen gefährlich nah. Ich hatte Angst, furchtbare Angst und am Liebsten hätte ich um Hilfe gerufen, doch fehlte mir die nötige Luft dafür. Verzweifelt zerrte ich an seinen Händen um meinen Hals, die mir gerade genug Luft zum Atmen ließen, doch genau so gut hätte ich versuchen können Eisenklammern zu lösen. Als sich Damians Zähne gefährlich meinem Hals näherten, schlug und trat ich nach ihm. Seine einzige Reaktion darauf war ein dunkles Lachen, er zuckte noch nicht einmal. „Lass sie los“, keuchte eine Stimme hinter Damian und einen Moment brauchte ich, um das heisere Krächzen Christopher zuzuordnen. Ich versuchte an Damians breiten Schultern vorbei zu sehen, was ziemlich schwer fiel, da seine Hand immer noch meinen Hals umklammerte. Auch Damian wandte den Kopf und dadurch sah ich die sich halb kniend, halb liegende Gestalt von Christopher von Deuten und wie er versuchte sich aufzurichten. Damian lachte wieder auf, doch diesmal hörte es sich wirklich belustigt an. Der Griff um meinen Hals lockerte sich etwas und dann wurde ich tatsächlich losgelassen. Hustend und keuchend sank ich in die Knie und ganz automatisch massierte ich meinen Hals. Ich sah durch einen Tränenschleier, dass Christopher unsicher dastand, aber trotzdem eine Art Kampfhaltung einnahm. Wie er nach den Prügeln, die er gerade eingesteckt hatte, noch aufrecht stehen konnte, war mir ein Rätsel. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden, als Damian näher an von Deuten herantrat und was ich dann sah, ließ mich fast wieder vergessen zu atmen. Damian Willson wehrte Christophers schwächlichen Angriff mühelos ab und fing ihn auf, als er wieder zusammenbrechen wollte. Beinahe sanft hielt er ihn an Ellenbogen und Schulter fest, bis Christopher wieder einigermaßen sicher stand. „Ich denke, wir führen das ein anderes Mal zu Ende. So macht das nun wirklich keinen Spaß“, meinte Damian und klopfte dem anderen Vampir fast freundschaftlich auf den Rücken, als er an ihm vorbei in die Dunkelheit verschwand. Ich kniete immer noch auf dem Boden und sah völlig verwirrt zu Christopher hinüber. Dieser stand einen Moment noch mit gesenktem Blick da, bevor seine Augen mich fixierten und er ein sehr gequältes Lächeln zustande brachte. Langsam kam er auf mich zu, die Hand an die Schulter gepresst und mit sichtlichen Schmerzen. Aufstöhnend ließ er sich neben mir auf den Boden sinken und lehnte sich mit geschlossenen Augen an den Baumstamm. Erst jetzt aus der Nähe sah ich die ganzen Verletzungen und blauen Flecken, die er davon getragen hatte. „Danke fürs Beschützen. Aber wieso haben Sie das getan?“, fragte ich immer noch etwas krächzend und versuchte mir einen Überblick über seine Verletzungen zu machen. Kopfschüttelnd fragte ich mich, wie man sich ohne Waffen so zurichten lassen konnte. Vor allem, wenn man zuerst so kaltschnäuzig dem Gegner gegenüber stand, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Die beiden Vampire schienen sich zu kennen, müsste von Deuten da nicht wissen, dass der andere stärker war? „Du kannst mich Chris nennen, wenn du möchtest. Nur logisch sich zu duzen, wenn ich mich gerade für dich geschlagen habe“, flüsterte Christopher und stöhnte auf, als ich die tiefe Wunde an seiner Schulter betrachten wollte. Er hielt meine Finger fest und schob sie ein wenig zur Seite. Er hatte sichtlich starke Schmerzen, doch wollte anscheinend nicht, dass ich ihm half. Typisch Mann! Oder typisch Vampir? Musste das nicht von allein wieder heilen? Aber woher sollte ich das denn wissen, als Vampirheilkunde in der Schule dran kam, hatte ich wohl geschlafen. Zaghaft stellte ich meine Frage, war mir dabei bewusst, dass Christopher immer noch meine Hand hielt, während er mit geschlossenen Augen an dem Baum lehnte. „Theoretisch schon, praktisch bin ich gerade nicht darauf eingestellt. Ich habe vorgestern das letzte Mal gegessen und deshalb muss ich erst nach Hause. Blutkonserven, du verstehst?“, erklärte er und wollte anscheinend auch gleich los. Er stieß sich von Boden ab und wäre ich nicht geistesgegenwärtig aufgesprungen und hätte ihn gestützt, dann wäre er über seine eigenen Füße gestolpert. Es war nichts mehr zu sehen von dem blitzschnellen, gewandten Mann und ein wenig ängstigte es mich doch, schließlich hatte er mich beschützt. Schuldgefühle nagten an mir, als ich die immer noch blutende Wunde sah. Viel Blut konnte in so einem Vampir doch nicht drin sein. Starb er da nicht – also endgültig? Himmel, der Mann würde es noch nicht mal zur Straße schaffen, geschweige denn in seine Wohnung, wo immer die auch war! Das wurde mir mit einem Mal klar. Energisch drückte ich Christopher zurück zu dem Baum und auf den Boden. Ich kniete mich vor ihm nieder und strich meine Haare zurück, so dass sie über die eine Schulter fielen und meinen Hals auf der anderen Seite frei ließen. „Dann nehm etwas von meinem Blut, Chris. Schließlich bin ich Schuld, dass du hier mitten in einem Park verblutest. Aber wirklich nur ein bisschen Blut“, erklärte ich mit zitternder Stimme. Hilfe, ich war verrückt geworden! Ich bot hier gerade einem Vampir mein Blut an, meine Halsschlagader. Wenn das nicht schon jenseits der Grenze zu verschroben war, dann wusste ich es auch nicht. Das schien wohl auch Christopher zu denken, denn er riss seine Augen auf, die er wieder vor Schmerz oder Müdigkeit geschlossen hatte. „Du bist von allen guten Geistern verlassen!“, schimpfte er auch schon, doch klang seine Stimme schwach und schwerfällig. Die Augen von ihm waren noch schlimmer, gleichzeitig beängstigend und besorgniserregend. Die Müdigkeit darin machte mir Angst, aber noch mehr dieser Hunger und normalerweise waren Christophers Augen nicht rot, sondern von einem hübschen blau. Trotzdem hielt ich seinem Blick stand, wich nicht zurück, auch wenn meine Hände zitterten und mein Herz einen wirklich irren Rhythmus anschlug. Entweder hatte der Vampir gemerkt, dass es mit ihm zu Ende ging oder er hatte meine Entschlossenheit gesehen. Auf jeden Fall nickte Christopher langsam, was ich als Zustimmung sah, dass er mein Blut nun doch haben wollte. „Du brauchst keine Angst zu haben, Melanie. Ich werde nicht so weit gehen, dass es dir gefährlich wird. Ich schwöre es und ich habe noch nie einen Eid gebrochen“, erklärte er ernst, fast feierlich. Zitternd nickte ich, auch wenn ich die Panik runterkämpfen musste. Ich wollte niemanden an meiner Halsschlagader saugen lassen. Und sowieso, waren Schwüre nicht da, um sie zu brechen? Marc hatte mir auch gesagt, dass er mich immer lieben würde und gehalten hatte er das Versprechen vielleicht ein paar Monate. Wie sollte ein einfaches Wort einen Vampir davon abhalten mich ganz auszusaugen! Ich sollte rennen, solange ich noch das Blut dafür hatte! „Wenn du es dir anders überlegt hast, dann gib mir dein Handy. Ich ruf einen Freund an, der wird schon noch rechtzeitig auftauchen“, murmelte Christopher fast zu leise, als dass ich es hören konnte. Der Vampir sah mittlerweile auch wie die lebende Leiche aus, die er nun mal war und ich bezweifelte, ob selbst Superman schnell genug hier her kommen würde, um ihm zu helfen. „Na los, mach schon. Einmaliges Angebot, Chris“, meinte ich betont locker und beugte mich vor. Mein Hals hing jetzt fast genau vor Christophers Mund, meine Augen hatte ich so fest zugekniffen, dass es wehtat. Ihm konnte gar nicht entgehen, wie sehr ich zitterte und wie schnell mein Herz schlug, doch seine einzige Reaktion bestand drin fast lautlos zu lachen. Sein Atem strich dabei über meinen Hals und ich bekam eine Gänsehaut. Zu meiner Verwunderung schob mich der Vampir ein wenig zurück und nahm meine linke Hand zwischen seine Pranken. „Am Hals hätte ich Angst, dich aus Versehen ernsthaft zu verletzen. Das Handgelenk tut es auch“, meinte er leise und hauchte einen Kuss auf die empfindliche Haut an genau der benannten Stelle. Ich wollte irgendetwas sagen, doch da gruben sich schon seine Zähne tief in meine Haut und ich unterdrückte nur mit Mühe einen überraschten Schrei. Im zweiten Moment war es gar nicht mehr so schlimm. Es tat nicht viel mehr weh, als eine normale Blutspende, nur die Schluckgeräusche und der Anblick ließen mir ein wenig anders werden. Ohne lange nachzudenken lehnte ich meinen Kopf auf Christophers Schulter und schloss die Augen, ließ ihn einfach machen. Irgendwo im Hinterkopf klingelte eine Alarmglocke, dass ich nicht einfach so empfindungslos dasitzen konnte, während ein Vampir mir mein Blut klaute. Aber gleichzeitig fühlte ich mich gut und so mit mir selbst im Einklang, dass ich gar nichts unternehmen wollte. Völlig entspannt ließ ich mich neben ihm an den Baum sinken, den Kopf immer noch auf Christophers Schulter. Es war fast entspannend hier zu sitzen mitten in der Nacht und mit einem Mann an der Seite, auch wenn ich bis zu einem gewissen Grad Angst haben müsste, dass ich gerade bis auf den letzte Tropfen Blut leer getrunken würde. Etwas tätschelte vorsichtig meine Wange und dadurch wurde ich wieder in das hier und jetzt geholt. Ein paar Mal blinzelte ich und schaute dann in die blauen Augen von Christopher, der mich etwas besorgt anschaute. Keine rot glühenden Vampiraugen mehr, das hatte doch etwas Gutes und lebendig war ich immer noch. „Alles in Ordnung, Melanie? Ich hab wohl doch ein wenig zu viel Blut genommen. Verzeih mir“, entschuldigte er sich und sah doch etwas niedergeschlagen aus. Ich hatte noch nicht mal gemerkt, dass er aufgehört hatte an meinem Handgelenk zu saugen und wo der lockere Verband aus einem Taschentuch oder etwas ähnlichem darum her kam, das konnte ich mir auch nicht erklären. „Schon gut. Ich bin nur müde“, murmelte ich und hob meinen Kopf von seiner Schulter, rutschte ein wenig weg, dass ich nicht mehr an seinem Körper lehnte. Etwas schummrig war mir schon, doch ansonsten ging es mir erstaunlich gut. Ich wusste nicht genau was Christopher mit mir gemacht hatte, aber irgendetwas musste der Vampir wohl an sich haben, dass ich so ruhig geworden war, als er mein Blut getrunken hatte. Ob es das war, weswegen Christopher von Deuten jede Nacht ein anderes Mädchen zu sich ins Bett holte? Trank er dann ihr Blut und machte durch irgendein Voodoo-Vampir-Zeugs, dass sie sich nicht mehr daran erinnerten? Ich hatte ja auch die Hälfte vergessen. Trotz allem fühlte ich mich nicht hilflos in seiner Gegenwart. Ich vertraute ihm, auch wenn ich selbst nicht wusste wieso. Jessica würde jetzt wohl die Hände über dem Kopf zusammen schlagen, wenn sie mich so sehen könnte. „Es tut mir leid, Chris. Ich wollte nicht, dass du verletzt wirst, obwohl ich es immer noch nicht verstehe, wieso du mir geholfen hast“, sprudelte es aus mir heraus, als ich es vor lauter Schuldgefühlen nicht mehr aushalten konnte. Doch Christopher legte mir einen Finger auf die Lippen, als wollte er mich vom Weitersprechen abhalten. „Wenn man es genau nimmt, wärst du nicht in Gefahr gewesen, wenn Damian dich nicht mit mir auf der Party gesehen hätte. Damian und ich sind schon seit zweihundert Jahren in einem kleinen Streit, eine Art Hass-Freundschaft. Hätte ich nicht mit dir geredet, hätte er sich nicht für dich interessiert. Er liebt es mir wegzunehmen, was mir gefällt“, erklärte der Vampir und ich hatte Probleme die ganzen Informationen zu verarbeiten, die er eher nebensächlich erwähnte. Himmel, der Kerl war über zweihundert Jahre! Automatisch ließ ich meinen Blick über den Mann neben mir gleiten und wenn ich nur in zwanzig Jahren so Faltenlos aussah, dann wäre ich darüber erstaunt. Aber über so einen langen Zeitraum einen Privatstreit zu pflegen, wie diese beiden Vampire, das konnten sich doch nur Männer einfallen lassen, oder? Und dann wurde mir das Wichtigste klar. Christopher hatte gesagt, dass ich ihm gefiel. Er hatte sich mit Damian geprügelt, weil er mich mochte und deshalb nicht wollte, dass mir etwas passierte. Auch wenn ich wusste wie falsch das war, bildete sich ein riesiges, glückliches Lächeln auf meinem Gesicht. Einfach nur, weil mich dieser Blut saugende Vampir leiden konnte. „Was gibt es da zu lachen? Ich entschuldige mich und du grinst“, beschwerte sich Christopher und es hörte sich fast verletzt an. Einen Moment gönnte ich mir das kleine Triumphgefühl, dass ich so einen gefährlichen Vampir dazu brachte so zu reagieren, doch dann sah ich seinen Blick und mir wurde klar, dass er wirklich etwas für mich fühlte. Vielleicht einen Beschützerinstinkt, vielleicht wollte er ja nur meine Zuneigung haben, weil ich ihn bei unserer ersten Begegnung so kalt hatte abblitzen lassen. Woher sollte ich das denn wissen? „Ich lache dich nicht aus, ich lache dich an“, meinte ich schnell und setzte noch ein größeres Lächeln als Bestätigung auf. Ich ließ meinen Blick über den Vampir gleiten und zu meinem großen Erstaunen war keine einzige Verletzung mehr zu sehen. Der einzige Hinweis auf den Kampf waren die etwas zerrissenen Klamotten und der Rest antrocknendes Blut auf seiner Kleidung. Damit wäre dann auch jeder Grund fort noch länger hier zu hocken, denn langsam wurde der Boden etwas kühl. Ich versuchte mich hochzustemmen, doch mir gelang es nicht, denn meine Muskeln wollten mir nicht gehorchen. „Mir ist schwindelig“, wimmerte ich, den Kopf scheinbar voller Watte und fuhr mir mit der Hand an die Stirn. „Ich hab doch gesagt, dass ich dich sicher nach Hause bringe. Notfalls trage ich dich“, erklärte Christopher und schaute entschlossen auf mich hinunter. Ich musste bei der Vorstellung ein wenig grinsen, wie der Vampir mich auf Händen durch die Gegend trug, wie in kitschigen Liebesfilmen. Da würde ich doch lieber noch ein bisschen hier sitzen bleiben. Nicht dass ich Christopher zutrauen würde mich fallen zu lassen, aber wenn mich irgendwer sehen würde, wäre mir das dann doch mehr als peinlich. Wir waren hier nicht im Mittelalter, wo die holden Fräuleins in Watte gepackt werden mussten. Ich lief immer noch selbst! Christopher legte mir einen Arm um die Taille und zog mich ohne Vorwarnung mit sich hoch. Es war beeindruckend, wie schnell die Wunden verheilt waren und wie viel Energie der Vampir durch das wenige Blut wieder hatte. Ich setzte automatisch einen Schritt vor den anderen, als Christopher losging und ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, als der Mann mich so im Arm hielt, auch wenn es verrückt war. Musste wohl am Blutverlust liegen. „Hast du keine Angst vor mir?“, fragte Christopher mich und beugte sich näher zu mir herüber. Ich wich nicht zurück, auch wenn mein Herz bis zum Hals schlug. Vor allem, als Christopher seine Lippen zu einem kalten Lächeln kräuselte und die spitzen Eckzähne darunter hervorlugten. Aber wie sollte ich auch zurückweichen, da mir immer noch schwindelig war und Christopher einen Arm um meine Taille gelegt hatte. Automatisch schüttelte ich auf seine Frage schnell den Kopf, dass meine Ohrringe leise klimperten, doch dann hielt ich inne und senkte den Blick, war mir doch bewusst, dass ich log. „Doch. Ein wenig schon. Auch wenn ich weiß – hoffe – dass du mir nichts tun wirst“, murmelte ich leise und sah hoch zu Christopher, der mich die ganze Zeit beobachtet hatte. Sein Gesicht war zu seinem üblichen überheblichen Ausdruck erstarrt, als würde er etwas verstecken wollen. „Na immerhin bist du ehrlich“, gab der Vampir leicht angefressen zurück und es klang fast so, als wäre er enttäuscht oder verletzt. Aber was hatte er erwartet? Immerhin hatte er gerade mein Blut getrunken und der Zweikampf der beiden Vampire war in mein Gedächtnis gebrannt. Das war so eine brutale und beängstigende Erfahrung, dass niemand bei klarem Verstand keine Angst vor Christopher gehabt hätte. Doch ein Teil von mir wollte keine Angst vor ihm haben, wollte ihm vertrauen. Oh heilige Scheiße, ich war schon wieder dabei jemandem mein Herz zu schenken. Hatte ich denn gar nichts aus der Sache mit Marc gelernt? Und dann musste es auch noch ein Vampir sein! Doch egal was die anderen sagen würden oder was ich gerade selbst dachte, ich liebte diesen Mann. Na ja, soweit man jemanden lieben konnte, den man erst wenige Stunden kannte und einem gerade das Leben gerettet hatte. Ich entspannte mich etwas und legte meinen Kopf an Christophers Schulter. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie sich ein Lächeln auf seinen Lippen bildete und da war ich sicher, dass ich hier das Richtige tat. Kapitel 4: Umarm mich --------------------- But nothing's greater Than the rush that comes with your embrace And in this world of loneliness I see your face Yet everyone around me Thinks that I'm going crazy Maybe, maybe „So, da wären wir“, meinte ich etwas unsicher und deutete wage auf die Tür meines Wohnhauses. Ein Teil von mir wollte nicht, dass Christopher seinen Arm von meiner Hüfte nahm, wo er mich immer noch fast sanft fest hielt, um mich zu stützen. Eigentlich war es gar nicht mehr nötig, denn seitdem wir den Park hinter uns gelassen hatten, war mein Kreislauf wieder in geregelte Bahnen gekommen, doch hatte ich meinen Mund gehalten und es ihm nicht gesagt. Wieso ich das getan hatte konnte ich mir selbst nicht erklären, denn jeder vernünftige Mensch sollte doch so viel Abstand wie möglich zwischen einen Vampir und sich bringen. Aber vielleicht war ich im Moment nicht vernünftig, wollte es gar nicht sein. Anstatt Angst vor von Deuten zu haben, fühlte ich mich in seiner Gegenwart sicher, auch wenn er gegen den anderen Vampir eindeutig den Kürzeren gezogen hatte. „Nicht gerade riesig“, meinte Christopher mit blasiertem Unterton und schaute nach oben, als könnte er durch die Wände meine mickerige Wohnung sehen. Das hörte sich gerade ganz schön herablassend an und das gerade noch so warme Gefühl in meinem Magen verwandelte sich in Sekundenschnelle in so etwas wie Wut. Er hatte mir da draußen im Park vielleicht das Leben gerettet, doch wäre es nach seiner eigenen Aussage ohne ihn auch gar nicht in Gefahr gewesen und auch wenn er ohne Schuldgefühle mein Beschützer gewesen wäre, hätte er trotzdem kein Recht dazu so über mich und meine Wohnung zu urteilen. Ich hatte keinen gut gehenden Nachtclub und keine Ersparnisse aus wer weiß wie vielen Menschenleben, sondern nur einen langweiligen Bürojob mit Mindestlohn. Nicht meine Schuld, wenn ich den Ansprüchen dieses arroganten Mistkerls von Vampir nicht genügte! Ich hob unbewusste meine Nasenspitze ein wenig in die Höhe und straffte meinen Rücken, um ein wenig größer zu wirken. Ich kramte meinen Schlüssel aus der Tasche und befreite mich aus Christophers Armen. Entschlossen stapfte ich die letzten Meter zur Haustür, schloss sie, ohne auf den Vampir hinter mir zu achten, auf und stolzierte durch die nun weit offene Tür. So ein Armleuchter, dachte ich wütend und verfluchte gleich darauf mich, dass ich mich mit ihm überhaupt einlassen hatte. Und trotzdem. Als er mir den Arm um die Taille gelegt hatte, war dort ein Gefühl in mir gewesen, dass einem Looping in der Achterbahn sehr ähnlich war und das lag nicht an dem Blutverlust durch Christophers Biss. Oh, ich war so dumm! Ich merkte erst mit was für einem Tempo ich die Treppen hinaufgeeilt war, als ich keuchend vor meiner Wohnungstür im zweiten Stock stehen blieb. Erst beim dritten Versuch schaffte ich es den Schlüssel ins Schloss zu stecken, da meine Hand vor unterdrückter Wut zitterte und außerdem machte es mich nervös, dass dieser anhängliche Vampir mir gefolgt war und wieder hinter mir stand. Es ärgerte mich, dass er scheinbar gar keine Mühe gehabt hatte mit den Treppen, noch nicht einmal schneller atmete. Konnte der Kerl mich nicht in Ruhe lassen? „Kusch. Du hast mich nach Hause gebracht, also kannst du wieder gehen, Chris“, meinte ich zu dem Vampir und machte eine scheuchende Handbewegung, wie man es mit einem Vogel im Erdbeerbeet getan hätte. Eigentlich ziemlich lebensmüde, so mit einem seiner Rasse umzugehen, aber ich hatte gesprochen, bevor ich überhaupt richtig überlegt hatte. Vielleicht lag es an dem verletzten Stolz, weil er eben so abfällig das Gesicht verzogen hatte, als er das Mehrfamilienhaus gesehen hatte. Dabei wusste ich noch nicht einmal, wieso ich so getroffen davon war, schließlich sollte es mir eigentlich egal sein, was der Mann von mir dachte. Zu meiner Verwunderung wurde Christopher jedoch nicht wütend oder war von meinem Angriff gekränkt. Stattdessen zogen sich seine Mundwinkel hoch, doch war ich mir nicht sicher, ob er sich über mich lustig machte oder mich anlächelte. Wütend über mich selbst, weil ich nicht so über Christopher nachdenken wollte, drehte ich mich um und stieß meine Wohnungstür auf. Eigentlich wollte ich die Holztür mit vollem Schwung vor der Nase des Vampirs zuschlagen, doch er hielt sie beinahe lässig mit einer Hand fest. „Musst du nicht auf meine Erlaubnis warten, bevor du in meine Wohnung treten kannst?“, schmollte ich, als der Vampir in den Flur kam und gegen sämtliche Regeln verstieß, die Fernsehserien wie Buffy oder diverse Romane aufstellten. Konnte sich dieser Mann nicht ein einziges Mal an etwas halten und aufhören mich immer aus dem Konzept zu bringen? Anscheinend amüsierte ich ihn, denn Christopher lachte auf. Das war ein ehrliches, offenes Lachen, das seine himmelblauen Augen mit einem fast spitzbübischen Glitzern füllte. „Meine Güte, du schaust eindeutig zu viel Fernsehen, Melanie. Bevor du es ausprobierst, ich falle auch nicht tot um, wenn du mich mit Weihwasser bespritzt oder ein Kreuz auf meine Brust drückst“, meinte er sichtlich belustigt. Zog sogar seine Goldkette aus dem Hemd hervor und ließ den kleinen, kreuzförmigen Anhänger vor meiner Nase baumeln. Verwundert zog ich die Augenbrauen hoch, denn ein so etwas war das Letzte, was ich bei Christopher erwartet hätte. Als Nachtclubbesitzer und Blut saugender Vampir war er nicht gerade eine nahe liegende Person dafür, um gläubig zu sein. Andererseits kam er aus einem anderen Jahrhundert, wurde also bestimmt anders erzogen als ich. Ich merkte erst, dass ich beim Überlegen vor mich hin starrte, als von Deuten mich an der Schulter packte und in das Wohnzimmer schob. Er drückte mich auf einen Stuhl hinunter und schaute sich dabei um. Ich tat es ihm nach, doch bestimmt mit einem anderen Hintergedanken, fragte ich mich doch, wie meine Wohnung auf ihn wirken musste. Sie bestand eigentlich nur aus drei Zimmern: einem Bad, meinem Schlafzimmer und dem großen Raum in dem wir waren, der als Küche, Wohn- und Esszimmer diente. Ich war froh, dass bei der Vernichtungsaktion von Marcs Sachen gezwungenermaßen auch so etwas wie Ordnung entstanden war, da ich alles durchgeschaut hatte, so brauchte ich mich jetzt wenigstens nicht schämen. „Wo hast du den Verbandskasten stehen?“ „Da, im Schrank. Oberstes Fach rechts“, erwiderte ich sofort auf seine Frage und ärgerte mich dieselbe Sekunde darüber, dass ich so brav geantwortet hatte. Das klang so gehetzt und übereilt, als könnte ich nicht erwarten ihm seine Wünsche, Befehle und Fragen zu vollster Zufriedenheit zu erfüllen und zu beantworten. Christopher sollte gar nicht erst den Eindruck bekommen, dass ich mir auch nur einen Gedanken darum machte, was er von mir hielt! Das tat ich nämlich nicht, eigentlich war mir der Vampir völlig egal. Wirklich. „Dann zeig mal dein Handgelenk her. Ein richtiger Verband ist besser, als mein Taschentuch“, meinte Christopher, als er den winzigen Verbandskasten aus dem Schrank geholt und auf den Esstisch gestellt hatte. Hätte sein Satz nicht fast wie ein Befehl geklungen, dann hätte ich mich sogar geschmeichelt gefühlt, dass er sich um mich sorgte, auch wenn er es vielleicht nur aus Pflichtgefühl tat. So hielt ich ihm nur wortlos meine linke Hand entgegen. Nicht gerade sehr kommunikativ, aber ich hatte den Vampir auch nicht eingeladen und einen Verband anzulegen, hätte ich auch allein geschafft. Ein wenig zuckte ich zusammen, als Christopher den Stoff von den beiden kleinen Wunden löste und um mich abzulenken schaute ich in ihn an. „Wieso kümmerst du dich um mein Handgelenk. Du hast mich doch schon sicher nach Hause gebracht?“ „Schließlich war es meine Schuld, dass du verletzt wurdest. Ich hatte Damian zwischendurch mal gesehen und ich hätte die Party verlassen und schon gar nicht mit dir reden sollen“, erklärte Christopher von Deuten und sah wirklich ein wenig beschämt aus. Und zu sagen, dass ich „verletzt“ wurde, war doch eine sehr höfliche Umschreibung dafür, dass er mich gebissen und halb ausgesaugt hatte. „Und wieso hast du dann mit mir geredet?“, fragte ich bemüht beherrscht, während ich zusah, wie Christopher einen Verband fein säuberlich um mein Handgelenk wickelte. „Das geht dich nichts an“, antwortete der Vampir. Seine Kiefermuskulatur spannte sich so sehr an, als würde er sich gewaltsam zurück halten müssen, um nicht noch etwas zu sagen oder mich an die Gurgel zu gehen – wahlweise zum Blutsaugen oder Erwürgen. Ansonsten sah ich keine Anzeichen von Wut oder was auch immer ihn gerade beschäftigte. Im Gegenteil, seine Hände kümmerten sich immer noch genau so sanft um mein Handgelenk, hielten nicht inne an dem eigentlich schon fertigem Verband zu zupfen. Eigentlich empfand ich Christophers Berührungen gar nicht als unangenehm und vielleicht war es das, was mich so wütend machte, dass ich ihm meine Hand entriss. Ich war froh, als von Deuten aufstand und anfing im Raum auf und ab zu gehen, so war er wenigstens nicht in meiner Nähe. „Oh doch. Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, weswegen du mich eben auf der Party angesprochen hast, wenn du doch wusstest, dass Damian da rum lief. Du wusstest, dass du jeden Menschen in Gefahr bringst, mit dem du freundschaftlich redest. Also, wieso hast du das verdammt noch mal getan?“, fragte ich erbost und funkelte den Vampir so böse an, wie ich nur konnte. Einen Moment stand er steif da, die Schultern resigniert herabgesunken und der Boden schien faszinierend für seinen regelrecht schuldbewussten Blick zu sein. Fast könnte er mir Leid tun, doch dazu war ich gerade zu erbost. Vielleicht in ein paar Minuten, wenn ich mich beruhigt hatte. Ich keuchte erschrocken auf, als Christopher plötzlich den Blick hob, mit zwei raschen Schritten auf mich zukam und sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter vor meines brachte. „Du willst wissen wieso? Weil du mich verrückt machst! Ich MUSSTE mit dir reden. Die anderen Frauen geben sich im Club immer Mühe mir zu gefallen und du, du bist patzig, gibst Widerworte und lässt mich einfach stehen“, schimpfte er los und ich musste zugeben, dass er mir ein wenig Angst machte, auch wenn er sich trotz der erhobenen Stimme verzweifelt anhörte. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, vielleicht dass es mir leid tat, doch ich kam nicht mehr dazu. Er zog mich vom Stuhl hoch, schlang den Arm um mich und presste mich an sich, seine Lippen fanden meine. Eigentlich sollte ich ihn von mir fort stoßen, doch mein Körper tat genau das Gegenteil. Ich schlang meinerseits die Arme um ihn, wollte nicht, dass Christopher mich losließ und als seine Zunge Einlass forderte, öffnete ich meine Lippen. Es war ungewöhnlich ihn zu küssen, denn erst jetzt, wo ich wusste auf was ich achten musste, fiel mir die Kühle seiner Haut auf. Ich wollte nicht nachdenken, wieso ich das nicht früher gemerkt hatte, denn das Gefühl seiner Hände auf meinem Körper war viel zu schön. Christopher konnte wunderbar küssen, mir wurden die Knie ganz weich und ich war froh, dass ich von dem Vampir festgehalten wurde, so brauchte ich mich nicht aufs stehen bleiben konzentrieren, sondern konnte mich fallen lassen. Ich war enttäuscht, als er den Kuss nach viel zu kurzer Zeit unterbrach, auch wenn er den Kopf nur ein wenig zurückzog. „Ich sollte gehen. Es tut mir leid“, murmelte Christopher gegen meine Lippen und bevor ich wieder so weit zu Atem gekommen war, dass ich protestieren konnte, hatte er mich schon losgelassen und die Wohnung beinahe fluchtartig verlassen. Scheiß Vampir, nur weil er so schnell sein konnte, musste er mir doch Zeit zum Reagieren lassen! Aber nein, er war weg, bevor ich ihm sagen konnte, dass er mir etwas bedeutete und ich ihn verdammt noch mal erneut küssen wollte. Aufseufzend ging ich die paar Schritte bis zu einem meiner Küchenstühle und setzte mich darauf, da meine Beine sich immer noch wie aus Wackelpudding anfühlten. Ich war mir bewusst, dass ich Christopher im Moment nicht hätte gehen lassen, auch auf die Gefahr hin, mich am nächsten Morgen zu hassen. Ich wollte ihn, wollte dass er bei mir übernachtete. Der Grund war mir nicht klar, natürlich sah er gut aus, doch das reichte nicht. Der Vampir war überheblich, arrogant und hatte die Angewohnheit mich immer wieder durch dumme Kommentare zu verletzen oder auf die Palme zu bringen, was alles dagegen sprach ihn in mein Bett zu lassen. Und doch hätte ich in diesem Moment nichts dagegen gehabt, wenn er über Nacht geblieben war, es verletzte mich sogar, dass er mich anscheinend nicht anziehend genug fand, um mit mir zu schlafen. Noch ein Mann, der mich fallen ließ. Doch wenigstens hatte Christopher es getan, bevor ich mein Herz ganz verloren hatte. Aber wieso mein Blick immer wieder nach dem Verband suchte und ich das Gefühl hatte, als könnte ich die Finger des Vampirs noch an meinem Handgelenk fühlen, war mir nicht klar. Irgendetwas störte mich und zwar ganz gewaltig, missmutig zwang ich mich die Augen zu öffnen und hob meinen Kopf ein wenig. In leuchtenden Buchstaben schrie mir die Uhr regelrecht entgegen, dass schon Mittag war und während mein heute doch recht langsames Gehirn das verarbeitete, hörte ich auch endlich die Klingel. Wieder und wieder drückte da draußen jemand auf den Klingelknopf und gereizt seufzte ich auf. Konnte man denn hier nicht einmal ausschlafen? Es war Samstag, verdammt! „Ich komme ja!“, schrie ich und beeilte mich, unter der schön warmen Decke weg zu schlüpfen und in meine Schuhe zu steigen. Kurz wurde mir ein wenig schummrig, als ich so überstürzt aufsprang, doch genau so schnell verging das Gefühl wieder. Doch sorgte es trotz allem dafür, dass die Erinnerungen an gestern Nacht wieder zurückkamen und abrupt blieb ich mitten im Flur stehen. Christopher von Deuten war ein Vampir, hatte mich gestern erst gebissen und dann nach Hause gebracht. Nicht zu vergessen, dass er mich so geküsst hatte, dass es mir bei der Erinnerung jetzt noch ganz warm wurde. Also wenn das keine ereignisreiche Nacht war, dann wusste ich es auch nicht. Ein erneutes Klingeln riss mich aus der selig lächelnden Starre, in der ich mich befunden hatte und ich eilte die letzten Meter bis zur Tür. Ohne auf mein XXL-Schlafshirt und das Vogelnest auf meinem Kopf zu achten, riss ich die Haustür auf und schaute in Jessicas beinahe panisches Gesicht. Nur Augenblicke später hatte ich sie um meinem Hals hängen und meine beste Freundin drückte mich fest an sich. „Meine Güte! Ich klingel hier schon eine Ewigkeit. Dachte schon, du wärst entführt, verschleppt und getötet worden, als du nicht auf machtest. Wäre ich doch gestern nur mitgekommen!“, plapperte Jessica los und schien in meinem Gesicht danach zu suchen, dass irgendwas nicht stimmte. „Keine Panik. War nur am Schlafen“, murmelte ich immer noch etwas müde und tätschelte mit einer beruhigenden Geste meiner Freundin den Kopf. Leicht gereizt schlug sie meine Hand weg, doch grinste sie auch dabei. „Komm, ich mach uns einen Kaffee und du erzählst mir, wie die Party noch war“, forderte ich Jessica auf, die immer noch etwas unschlüssig in der Tür stand. Ich wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern ging zurück in mein Zimmer und schlüpfte schnell in eine Hose. Den Geräuschen aus der Küche nach zu urteilen, machte es sich Jessica gerade an meinem Esstisch bequem und ich beeilte mich, wieder zurück zu ihr zu kommen. „Also?“, fragte ich ungeduldig und auf den neusten Tratsch gespannt, während ich Wasser in die Kaffeekanne füllte. „Nun, es gab noch eine Schlägerei, als du weg warst. Da hatten einige eindeutig zu viel getrunken! Die Polizei musste die Streitenden trennen und … Um Himmels Willen, was hast du mit deinem Handgelenk gemacht!“, erzählte Jessica erst ruhig und mit einem abfälligen Grinsen, bevor sie loskreischte, aufsprang und nach meinem verbundenem Arm fasst, dass ich fast den Behälter mit Kaffeepulver hätte fallen lassen. „Ich? Da … nichts. Ich hab nichts gemacht“, meinte ich ausweichend. Ja, wie sollte ich das auch erklären, dass ich gestern Nacht Zapfsäule für einen Vampir gespielt hatte? So ganz konnte ich das, jetzt bei Tageslicht betrachtet, auch nicht glauben. Ich würde mich wohl erneut mit Christopher treffen müssen. Wieso ich bei dem Gedanken Herzklopfen bekam wollte ich gar nicht wissen. Überrascht schreckte ich aus meinen Gedanken auf, als Jessica meine Hände nahm und mich ernst anschaute. „Du kannst immer mit mir reden, das weißt du doch? Ich wusste ja, dass es dir schlecht geht, aber dass du versuchst dich umzubringen!“, meinte Jessica aufgewühlt und ich konnte einen Moment nichts anderes tun, als sie verwirrt anzusehen. Sie dachte wirklich, ich hätte versucht mir selbst etwas anzutun! Ich wusste nicht, ob ich verletzt darüber oder gerührt sein sollte, dass sich meine Freundin so viel Sorgen um mich machte. Stattdessen fühlte ich ein Lachen in mir aufsteigen und fast hysterisch lachte ich, bis mir die Tränen liefen. Währendessen hielt mich Jessica immer noch an der Hand und betrachtete mich ein wenig komisch von der Seite. Vielleicht meinte sie ja, dass ich jetzt gänzlich den kümmerlichen Rest meines Verstandes verloren hatte und vielleicht lag sie gar nicht mal so falsch damit. Denn die ganze Zeit, seitdem Jessica die Sprache auf den Verband gebracht hatte, kreisten meine Gedanken um den Mann, der das Stück Stoff dort befestigt hatte. „Ich hab mich nicht selbst verletzt. Wieso auch? Mir geht es gut. Ich hatte gestern nur eine Begegnung mit einem unfreundlichen Kerl und Christopher hat mir dann einen Verband angelegt“, erklärte ich immer noch etwas atemlos vom Lachen. Beinahe zärtlich schaute ich auf den weißen Verband an meinem linken Handgelenk und strich vorsichtig darüber. Meine Gedanken wanderten wieder zu dem Vampir und wie sanft er meine Verletzung versorgt hatte und wie er mich geküsst hatte. Gut dass ich saß, sonst wären meine Beine bei der Erinnerung an den Kuss wieder weich geworden. „Meine Güte, du liebst den Kerl! Wie hieß er noch, Christopher? … Oh mein Gott! Du meinst doch wohl nicht DEN Christopher, den Kerl, dem diesen Nachtclub gehört? Bist du verrückt geworden?“, schimpfte Jessica vor sich hin, als sie verstanden hatte, weswegen ich vor mich hinträumte. Ein kleines Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. War ich verrückt? Vielleicht war ich das, wer würde sich sonst einen Vampir treffen wollen, wenn die letzte Begegnung fast tödlich geendet hätte? Aber lieben tu ich diesen Kerl nicht – höchstens ein bisschen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)