Growing Rose Of Love (Teil 2) von Lina_Kudo (Aufblühende Rose der Liebe (Seiya&Usagi)) ================================================================================ Kapitel 65: Propitiation ------------------------ Kapitel 64: PROPITIATION Versöhnung ****Rückblick**** Damit wurde auch Rei knallrot und blickte auf ihre Hände hinab. Vier Kinder. „Äh ... na ja, sie hat irgendetwas davon gefaselt, dass wir eine unglaubliche Aura hätten und von einer ... gemeinsamen Zukunft.“, ihre Stimme wurde immer rauer. Einzelheiten wollte sie nicht herausrücken; es war so schon peinlich genug. Warum hatte sie auch überhaupt mit diesem Thema angefangen? Auch für Yuuichiro war das peinlich, obwohl ihn diese Zukunftsvision eigentlich große Freude bereitete. Sie zu heiraten und so viele Kinder mit ihr zu bekommen - für ihn war das ein Bild der perfekten Harmonie. Auf der anderen Seite konnte man sich auf so etwas auch nicht verlassen ... Der Priester sah abwechselnd zu seiner Enkeltochter und seinem Tempeldiener, und dann fiel der Groschen: „Ah ja, okay. Hm, also ich zumindest wünsche mir schon, dass ihr nicht irgendwann getrennte Wege geht. Wie drei sind so ein eingespieltes Team, und durch eine eventuelle ... Trennung wäre alles kaputt. Ich wünsche mir wirklich sehr, dass es mit euch für immer halten wird und ihr glücklich werdet. Schließlich seid ihr zusammengekommen, also müsst ihr doch auch die Absicht haben, auch für immer zusammen zu bleiben oder nicht?“ Yuuichiro und Rei wurden noch beschämter. Wenn das überhaupt noch möglich war. Aber sie wussten, dass er Recht hatte. Und irgendwie ... freuten sie sich schon darauf, die Zukunftsvision dieser merkwürdigen Frau wahr zu machen; schließlich lag es ja letzten Endes an ihnen, was sie aus ihrer Zukunft machten ... ****Rückblick**** Als Takeo die Tür aufmachte, kam ihm gleich seine Frau entgegen. Sie sah wunderschön aus und hatte sich auch sehr gut gehalten; sah nicht älter aus als ihr Ehemann. Ihre langen, gewellten Haare, die die Farbe eines dunklen Golds hatten, umrahmten geschmeidig ihr schmales Gesicht und ihre Augen besaßen den Ton eines warmen Haselnussbrauns. Sie schien das komplette Gegenteil von ihrem Mann zu sein; wirkte überhaupt nicht kühl oder unnahbar, sondern wie ein strahlend warmer Sonnenschein. Welch wunderbare Ergänzung. „Hallo mein Liebling. Öh ... Hast du nicht eingekauft?“, ihre Freude schlug in Verwirrung um, als sie erkannte, dass ihr Mann keine Einkaufstüten bei sich trug. „Äh, ja, mir ist da etwas dazwischengekommen. Die Einkäufe verschieben wir, okay?“, er drückte ihr sanft einen Kuss auf die Mundwinkel. „Ich habe nämlich jemanden für dich mitgebracht.“, flüsterte er ihr ins Ohr und trat bei Seite, damit sie erkennen konnte, dass zwei Personen wartend vor der Tür standen. Die Frau schlug ihre Hände vor den Mund. Sie hielt unbewusst die Luft an und starrte mit weit aufgerissenen Augen zu ihrem Sohn. Ihrem lange verschollenen Sohn, der sich seit drei Jahren nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Und das nach einem eskalierenden Streit zwischen Vater und Sohn, wo sie erfolglos versucht hatte, zwischen den beiden zu schlichten ... Takeru festigte seinen Griff um Makotos Hand und traute kaum, seiner Mutter in die Augen zu sehen. Gegen ihr hatte er nie einen Groll gehabt; sie war immer die beste Mutter gewesen, die er sich vorstellen konnte. Nur mit seinem Vater war er nie auf einen grünen Zweig gekommen, und das übertrug sich auch auf seine Mutter. Schließlich musste sie irgendwie mit ihm an einem Strang ziehen; sie war seine Frau. Da durfte er ihr nichts vorwerfen. Doch damals war er auch ein ziemlicher Rebell gewesen und hatte so einen Zorn gegen seinen Vater gehabt, dass er damit auch seine Mutter vor den Kopf gestoßen hatte. Das bereute er bis heute zutiefst. Sie konnte am wenigsten dafür, dass es zu so einem bitteren Ende kommen musste. Sie war immer so liebenswürdig gewesen und hatte sich stets gewünscht, dass sich alle verstanden und dass Frieden herrschte. Es tat ihm so leid, dass er ihr diesen Wunsch nicht erfüllen konnte. Diesen edlen Wunsch der Frau, der ihm vor 22 Jahren das Leben geschenkt hatte. In seinen Augen war eine Mischung aus Angst, Erleichterung, Glück, Reumütigkeit und ... Verzweiflung. Und dieses Durcheinander wurde von den Augen seiner Mutter reflektiert. Wortlos beobachtete Makoto das Geschehen. Sie fühlte sich sehr unwohl in ihrer Haut, denn nach wie vor kam sie sich vor wie ein Störenfried. Ein Eindringling. Und doch war sie froh, mit dabei sein zu dürfen, wie Takeru wieder nach all den Jahren auf seine Eltern traf und war emotional sehr gerührt von diesem Anblick. Es lag ihr selbst sehr am Herzen, dass sie sich nach so langer Zeit endlich aussprechen und sie wieder eine Familie sein konnten. Und tief im hintersten Winkel ihres Herzens keimte eine neue Hoffnung auf. Vielleicht ... durfte sie auch ein richtiges, vollwertiges Mitglied dieser Familie sein, wenn sie dann eines Tages verheiratet waren. Natürlich wollte sie niemals ihre Eltern ersetzen, doch Bezugspersonen zu haben, die ihr ähnlich nahe stehen würden wie ihre Eltern ... Das wäre einer ihrer größten Träume ... Als Takeru nach minutenlangem Schweigen immer noch kein Wort herausbrachte und wie versteinert neben ihr stand, beschloss Makoto, doch den ersten Schritt zu tun. Eigentlich wollte sie sich ja nicht vordrängen und es ihm überlassen, doch da er nichts dergleichen tat, musste sie einfach beginnen. Sie wollte schließlich nicht als unhöfliche, unerzogene Göre ihren ersten Eindruck bei ihrer zukünftigen Schwiegermutter hinterlassen. Sie verbeugte sich tief. „Guten Tag Frau Oshida. Ich bin Makoto Kino und bin ...“, sie zögerte kurz. „... eine Freundin Takerus. Es freut mich, mit Ihnen Bekanntschaft machen zu dürfen.“ Sie entschied sich, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und ihnen die Beziehung geschweige denn ihre Verlobung gleich unter die Nase zu reiben. Das sollte lieber Takeru machen, falls dies alles ein gutes Ende nahm. Aber sie war recht optimistisch, auch wenn diese Anspannung zwischen ihnen so präsent war, dass man nach ihr hätte greifen können. Frau Oshida nickte ihr höflich zu. „Freut mich ebenfalls sehr, Makoto. Ich bin Noriko Oshida.“ Sie wollte auf sie zugehen und ihr die Hand schütteln, doch ihre Beine reagierten nicht auf den Befehl ihres Gehirns. Sie waren wie gelähmt. Wie festgewurzelt an den Boden. Sie hatte Angst. Angst, sich ihrem eigenen Sohn zu nähern. Angst, dass das alles ein Traum sein könnte und er jeden Augenblick sich in Luft auflösen könnte, würde sie auch nur einen Schritt wagen. Wie oft hatte sie schon von ihm geträumt. Nahezu jede Nacht. In letzter Zeit oft auch mit einem Mädchen zusammen. Es war das Mädchen, welches gerade neben ihm stand. Also konnten Träume manchmal wirklich die Wahrheit sprechen. Sie schmunzelte und blickte mit glänzenden Augen zu ihrem Sohn zurück. Sie gab sich alle Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten und biss sich auf die Unterlippe. „Mutter ... Ich ... Es tut mir leid.“, mehr brachte Takeru nicht heraus und starrte niedergeschlagen auf seine Schuhe. Wie konnte er seiner Mutter nur solchen Schmerz zufügen? Den sah er sogar jetzt noch in ihren Augen. Wie konnte er die Frau, die ihn auf die Welt gebracht und die ihn so sehr geliebt hatte und offensichtlich noch liebte, nur so enttäuschen? Und er hatte auch gesehen, wie in ihren Augen Tränen geglitzert hatten und kniff gequält die Augen zu. Er fühlte sich so miserabel. Warum war er damals auch Hals über Kopf einfach verschwunden und hatte sich nie bei ihnen gemeldet? Kein einziges Lebenszeichen von sich gegeben? Er hätte sterben können, ohne, dass sie je davon erfahren hätten ... Warum wurde ihm das erst jetzt so richtig bewusst? Okay, er war damals richtig sauer gewesen und hatte schon die Hoffnung auf eine Versöhnung gänzlich weggeworfen, weil er sich sicher war, dass seine Eltern oder vor allem sein Vater nichts von ihm wissen wollte, da er sich seinem Wunsch nicht gebeugt und seine eigenen Eltern einfach so zurückgelassen hatte. Doch nun ... war alles anders gekommen, als er gedacht hatte. Es war ein Wunder, dass sein Vater ihn überhaupt hergebracht hatte und sie ihn immer noch als ihren ‚Sohn‘ ansahen. Nach all diesen Vorfällen in der Vergangenheit hätte er ihn auf der Straße auch ebenso gut ignorieren können, weil er ihn bereits verstoßen hatte. Und das hätte er, der undankbare Sohn, sogar nur zu gut verstanden. Aber die beiden mit so einer Empfänglichkeit zu sehen, machte es für ihn unerträglich, denn seine Schuldgefühle lasteten nun so schwer wie noch nie auf seinen Schultern. „Es tut dir leid? Ist das alles, was du nach vier Jahren zu sagen hast?“, schrie Noriko, und nun konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Ihre Tränen strömten wie Sturzbäche ihre Wangen hinab, während sie auf ihn zurannte und sich in seine Arme schmiss. „Mein Sohn, endlich bist du zurückgekehrt ...!“, schluchzte sie mit tränenerstickter Stimme in seine Brust hinein. Sofort legte er seine Arme um sie und tätschelte beruhigend ihren Rücken. „Es ist gut, Mutter. Es ist alles gut ...“, sagte er beschwichtigend und sah mit einem bekümmerten Lächeln zu Makoto, die aufmunternd sein Lächeln erwiderte und selbst ein paar Tränen vergießen musste. Nach wenigen Augenblicken saßen nun alle vier Anwesenden im Wohnzimmer. Die jüngere Generation der älteren Generation gegenüber. Gemütlich tranken sie ihren Tee, den Noriko ihnen gerade serviert hatte. „Darf ich fragen, was für eine ... Beziehung ihr zueinander habt und wie lange ihr euch schon kennt?“, fiel Noriko mit der Tür ins Haus und wirkte sehr entspannt, nachdem sie sich in den Armen ihres Sohnes ausgeweint hatte. Es war so, als ob sie neben den Tränen auch all ihren Schmerz der letzten Jahre vergossen hatte. Sie fühlte sich nun besser als jemals zuvor. So befreit und unbeschwert. Und das verursachte in ihr eine überaus gute Laune, und nun lag es nahe, dass sie einfach alles über ihren Sohn erfahren wollte. Und da dieses rätselhafte Mädchen sogar in ihren Träumen vorkam und auch zu so einem wichtigen Aufeinandertreffen dabei war, musste sie ein ganz wichtiges Mädchen für ihn sein. Takeru lächelte sanft und warf Makoto einen kurzen Seitenblick zu, bevor er fortfuhr: „Wir kennen uns schon seit fast sechs Jahren. Und sie ist meine Verlobte.“ Für ihn gab es keinen Grund, seinen Eltern dies nicht zu offenbaren. Stolz schwang unüberhörbar in seiner Stimme mit, als er dies verkündete und am liebsten würde er es ihnen demonstrieren, indem er einen Arm um sie legte und sie fest an sich drückte, doch vor seinen Eltern konnte er das natürlich noch nicht machen. Seiner Mutter fiel die Kinnlade herunter, während sein Vater noch relativ beherrscht blieb. Er befand sich schon lange in seiner eleganten, geraden Sitzposition und seine Miene blieb nach wie vor unbewegt. Er schien sehr geübt darin zu sein, seine wahren Gefühle nicht zum Vorschein zu bringen. Wahrhaftig ein knallharter Geschäftsmann. Was man aber von einem Geschäftsführer auch erwarten konnte. „Sehr interessant. Dann sind wir ja schon praktisch so etwas wie eine Familie, und das, obwohl wir uns nun zum ersten Mal begegnen. Ich freue mich sehr und du bist bei uns immer willkommen.“, sagte Noriko, mit der Liebe einer Mutter, an Makoto gewandt, und diese war wiederum so gerührt davon, dass sie fast wieder angefangen hätte zu weinen. Doch sie konnte sich noch rechtzeitig zusammenreißen. „Ich danke Ihnen, dass Sie mich so freundlich bei sich aufnehmen. Das hätte ich nicht einmal in meinen schönsten Träumen zu träumen gewagt.“, gestand sie mit brüchiger Stimme. „Und wie lebst du, wenn ich fragen darf? Du wohnst sicher noch bei deinen Eltern, oder?“, fragte Takeo die Verlobte seines Sohnes und wirkte dabei ebenfalls heiter gestimmt. Die Gefragte sah sichtlich geknickt zu ihren Oberschenkeln. Es fiel ihr nicht leicht, über ihre Eltern zu reden, erst recht nicht bei Fremden, die sie erstmals begegnete. Doch es waren ja keine Fremden, sondern Takerus Eltern; also ihre potenziellen Schwiegereltern. Es war wichtig, dass sie von Anfang an ehrlich zueinander waren und diese bedeutende Beziehung nicht auf Lügen aufbauten. Sie spürte Takerus eindringlichen Blick, der besagte: „Du musst es ihnen nicht erzählen, wenn du noch nicht bereit dafür bist.“ Gerade wollte er ansetzen und sie aus der Situation befreien, doch sie sah ihn mit einem tapferen Lächeln kurz an und schüttelte kaum merklich den Kopf, bevor sie sich wieder dem älteren Paar zuwandte. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und begann: „Ich lebe alleine, seit ich 13 bin. Meine Eltern sind bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen.“ Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Eine Mischung aus Mitleid und Entsetzen war in den Mienen des Ehepaars zu erkennen. Takeo fasste sich als Erster schnell wieder. „Das ... tut mir sehr leid. Das muss bestimmt sehr schwer für dich gewesen sein. Aber wie ich sehe, ist aus dir doch ein sehr anständiges, wohlerzogenes Mädchen geworden. Das zeugt von wahrer Stärke und du hast unseren vollen Respekt dafür.“ Die Prinzessin des Jupiter lächelte ihn an. Es war wohl keine gute Idee, ihnen gleich unter die Nase zu reiben, dass sie sich früher sehr wohl geprügelt hatte vor Verzweiflung und Schmerz über den Verlust ihrer Eltern. Es war ja nicht so, dass sie sie direkt anlog, sondern nur eine Kleinigkeit verschwieg. Sich gleich beim ersten Gespräch als kampflustige Furie zu präsentieren erschien ihr nicht als angemessen. „So einfach war das für mich auch nicht, aber ich bin sehr erleichtert, dass Sie so ein positives Bild von mir haben. Ich danke Ihnen.“, gab sie sich bescheiden. „Also dann bist du erst recht bei uns willkommen! Du kannst kommen, wann du willst. Die Tür steht immer für dich offen!“, meldete sich nun auch Noriko zu Wort, die zutiefst betroffen war von Makotos harten Schicksalsschlag, den sie schon in so jungen Jahren erleiden musste. „Ach Gott mein Mädchen ... Wie hast du das geschafft? Alleine? Mit 13?“, fragte sie und ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen. Dabei hielt sie sich wieder ihre Hand vor den Mund. „Na ja, ich habe zum Glück sehr früh gelernt, zu kochen. Mich hat das schon als kleines Kind interessiert und ich habe meiner Mutter immer sehr gerne dabei zugesehen. Und ... der Staat hat mir am Anfang auch sehr geholfen, auch wegen meiner Existenz. Meine Nachbarn waren für mich da ... Miete musste ich nicht zahlen, weil das Haus ja meinen Eltern gehört hat. Ich habe das ganze Vermögen von meinen Eltern geerbt; finanziell ist es ihnen sehr gut gegangen. Zusätzlich bekomme ich ja noch Waisenrente, also um das Geld brauche ich mir noch keine Sorgen zu machen; bisher lebe ich ganz gut und kann mich ohne weitere Sorgen auf die Schule konzentrieren.“, erklärte sie ihnen wahrheitsgemäß. „Also falls es diesbezüglich wirklich einmal Probleme geben sollte: Wir sind für dich da.“, bot Takeo großzügig seine Hilfe bereitwillig an und ein warmes Lächeln umspielte dabei seine Lippen. „Du bist so ein starkes Mädchen. Genau das, was unser Takeru braucht: Nämlich eine Frau, die ihm das Wasser reichen kann. Ich freue mich ja so, dass er dich gefunden hat. Du bist jetzt schon wie eine Tochter für mich, die ich nie hatte.“, schwärmte Takerus Mutter in höchsten Tönen von Makoto, die vor Scham immer mehr in die Couch versank. „Nicht doch ...“, brachte sie nur bescheiden heraus, doch zwang sich zu einem verlegenen Lächeln. Takeru grinste. Seine Eltern hatten sich überhaupt nicht verändert. Er fühlte sich unglaublich wohl bei ihnen, und doch belastete ihn das Wissen, dass nach wie vor keine richtige Versöhnung stattgefunden hatte. Denn sie hatten noch kein einziges Wort über ihren großen Streit gewechselt geschweige denn ihn aus der Welt geschafft. Aus diesem Grund hatte ihn während der ganzen Unterhaltung eine Anspannung begleitet, weil er sich ein wenig vor diesem hoffentlich klärenden Gespräch fürchtete. Und dann war es auch schon soweit ... „Takeru hat sich freiwillig dazu entschlossen, die gleiche Situation mit dir zu teilen, nämlich ohne Eltern zu leben. Und das, obwohl seine Eltern noch leben.“, begann Takeo mit scharfem Unterton in der Stimme und sah dabei Makoto eindringlich an, die immer kleiner wurde. Das tat Takeo jedoch nur, weil er in diesem Moment nicht unbedingt seinen Sohn ansehen wollte. Dieser ballte seine rechte Hand zu einer Faust zusammen. Es war ja auch nur eine Frage der Zeit gewesen, wann sein Vater wieder der Alte werden würde. Er war nur so freundlich zu ihm gewesen wegen seiner Mutter, weil sie so sehr an der Trennung gelitten. Doch seine Ansichten haben sich anscheinend gar nicht geändert. Immer noch der engstirnige, rechthaberische Tyrann, der keine andere Meinung gelten ließ und immer allen anderen die Schuld gab statt sich selbst. „Das wäre nicht passiert, wenn du meine Entscheidung bezüglich meines Lebens akzeptiert hättest!“, blaffte er ihn schließlich leicht angesäuert an. Noriko packte ihren Mann warnend am Handgelenk, der abwehrend seine Arme vor seinen Oberkörper warf. „Schon gut, ich wollte nicht wieder einen Streit provozieren.“, beschwichtigte er sie. „Hast du aber.“, gab sie trocken zurück und blickte entschuldigend und voller Reue zu ihrem Sohn hinüber. „Es tut mir leid, mein Liebling. Dein Vater hat es nicht so gemeint. Wir sind einfach beide mit den Nerven am Ende; wir haben schließlich vier Jahre lang kein Lebenszeichen von dir erhalten. Kannst du dir vorstellen, was für Qualen wir deswegen erleiden mussten? Es war einfach schrecklich für uns, keinen Kontakt zu dir zu haben. Okay, ich gebe zu: Dein Vater war viel zu stolz gewesen, denn es ist wirklich keine Wohltat, den eigenen Eltern den Rücken zu kehren. Deswegen wollte er dich auch nie suchen und hat gewartet, bis du dich von dir aus melden würdest. Zwar habe ich mehrere Suchaktionen gestartet, doch immer erfolglos. Es war ein Albtraum. Für uns beide, glaub mir. Für deinen Vater war das genauso schwer. Ich weiß es.“, erklärte sie ihm mit dumpfer Stimme und sah zu ihren Händen hinab. Tränen flossen wieder ihre Wangen hinunter, die sie abermals nicht mehr länger zurückhalten konnte. Der Verlobte von Makoto starrte sie entsetzt an. Erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, was er seinen Eltern eigentlich angetan hatte. „E- Es tut mir wirklich leid. Es war nur für mich so unverständlich, dass Vater einfach nicht akzeptieren konnte, dass ich nicht seine Firma übernehmen, sondern lieber Mathe und Physik studieren wollte. Es ist ja nicht so, dass ich mir eine Ausbildung als Verkäufer oder Putzkraft als Ziel gesetzt habe; ich hatte doch etwas Vernünftiges vor Augen. An der besten Universität auf dieser Welt Mathe und Physik zu studieren, und was mich am meisten verletzt hat, war ... dass Vater nicht stolz auf mich war. Ich war in der Schule immer der Beste; beim Schulabschluss war ich sogar der Beste aus ganz Japan. Und er war nie stolz auf mich ... Ich konnte mich bemühen, so sehr ich wollte. Nie kam Anerkennung von ihm. Und als er einfach nicht akzeptieren wollte, dass ich nun einmal nicht seine Firma übernehmen wollte ... Er stellte mir doch quasi das Ultimatum! Entweder ich übernehme seine Firma oder ich brauche mich bei ihm nicht blicken lassen! Und als ich mich dann für mein Traumstudium entschied ... glaubte ich, dass er mich nun komplett als Sohn verstoßen hat! Wie oft wollte ich zurück, aber die Angst, ihm unter die Augen zu treten, war zu groß ...“, er wurde immer leiser, bis er endgültig stockte. Das war zu viel. Nun hatte er zum allerersten Mal laut vor seinen Eltern ausgesprochen, wie er sich damals gefühlt hatte. Nie hatte er sich das zuvor getraut. Er richtete den geweiteten Blick auf seine Füße. All der Schmerz kam in ihm wieder hoch, und er musste sich beherrschen, um nicht völlig die Fassung zu verlieren. Makotos Anwesenheit gab ihm jedoch die nötige Kraft. Dafür war er ihr unendlich dankbar. „Um Gottes willen, mein Junge!“, Norikos Schluchzen wurde lauter. Makoto schossen allerspätestens jetzt auch wieder die Tränen in die Augen. Vor ihr sah sie den ein paar Jahre jüngeren Takeru, der unerträgliche Qualen erleiden musste. Der sich wünschte, dass sein Vater ihm Liebe und Zuneigung zeigte ... Eigentlich ein Wunsch, welches bei keinem Kind ein Wunsch bleiben sollte, sondern Selbstverständlichkeit. Und als wäre das noch nicht genug, kam auch noch dieses taktlose Ultimatum. Aber ... hatet sein Vater das auch wirklich so gemeint? Sie konnte sich das einfach nicht vorstellen. Nun traute sie sich einen Blick zu Takeo. Sein Blick zeigte Bestürzung. Es war eigenartig, diese Miene auf seinem Gesicht - so verloren, als gehörte sie gar nicht dahin. Denn wie sie ihn bisher einschätzen konnte, war er der kühle Geschäftsführer, der nie seine wahren Gefühle durchscheinen ließ und immer stets die Coolness in Person war. Aber diesen Schock in seinem Gesicht zu sehen ... passte so gar nicht in dieses Bild. Am liebsten würde sie die Hand ihres Verlobten drücken, doch das ging nicht vor den Eltern. Und der nächste Punkt auf ihrer Liste war, sich schleunigst von diesem Ort zu entfernen und Takeru mit seinen Eltern zumindest kurz alleine zu lassen. Auch, wenn Takeru es sich ausdrücklich gewünscht hatte, sie bei sich zu haben, sollte sie schon noch die Diskretion behalten, sie wenigstens in diesem Moment alleine zu lassen, da sie das Gefühl hatte, dass Takeo nun endlich kurz davor war, seinen Mund aufzumachen und zu sagen, was er wirklich dachte und fühlte. „Entschuldigung.“, brach sie nach langer Überlegung das Schweigen, welches mindestens genauso lang war wie ihre Gedankengänge. „Ich muss kurz auf die Toilette. Entschuldigen Sie bitte.“, sie erhob sich langsam und verbeugte sich höflich, als auch Noriko von der Couch aufstand. „Ich zeige dir, wo unser Badezimmer ist.“, sagte sie freundlich, jedoch noch mit verweinter Stimme. Ihr Blick verriet Makoto, dass sie Vater und Sohn ebenfalls für einen Moment unter sich lassen wollte und sie dankbar war für ihren ersten Schritt. Die Brünette erwiderte ihr zuvorkommendes Lächeln, und kurze Zeit später hatten die beiden Frauen das Zimmer verlassen. Es folgte wieder eine lange Stille. Takeru sortierte seine Gedanken und versuchte, nach den richtigen Worten zu suchen, um die Konversation fortzuführen, doch sie wollten ihm einfach nicht einfallen. Er hatte doch schon alles gesagt, was zu sagen war. Okay, vielleicht nicht unbedingt. Noch hatte er ihnen nicht offenbart, wie sehr er seine Eltern insgeheim doch vermisst hatte, doch an diese Stelle passte so ein Kitsch nicht. Sie waren dabei, ihren langjährigen Streit auszudiskutieren, und da waren solche emotionalen, direkten Geständnisse eindeutig fehl am Platz. Zumindest in seinen Augen. Es war ohnehin schon zu viel des Guten gewesen, dass er es wirklich über sich gebracht hatte, ihnen mitzuteilen, wie chaotisch es damals in seiner Gefühlswelt aussah. Mehr musste nun wirklich nicht sein. Als er glaubte, von dem Schweigen erdrückt zu werden, ertönte plötzlich die Stimme seines Vaters. Ziemlich unerwartet, sowohl seine Stimme als auch der Inhalt, sodass er zusammenzuckte. „Es tut mir leid.“ Wie bitte? Hatte er gerade richtig gehört? Sein Vater hatte sich gerade entschuldigt? Sein Vater? Nach schier unendlicher Zeit traute er sich wieder, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Und versteinerte. In den Augen seines Vaters, die er Eins zu Eins von ihm geerbt hatte, sah er ... Wärme. Ihm gegenüber. Und Reue. Noch nie zuvor hatte er ihn so gesehen. Dieser Anblick war so paradox und unwirklich, dass es fast schon unheimlich war. „Ich wusste nicht, dass du damals so empfunden hast. Warum hast du nie etwas gesagt?“, fragte Takeo verzweifelt und fuhr sich durch die Haare. Es lag auch leiser Vorwurf in seiner Stimme, doch dieser Teil war eher an ihn selbst gerichtet. „Ich ... Es fällt mir einfach so schwer, Gefühle zu zeigen, und ich konnte dir nie zeigen, wie stolz ich auf dich bin, obwohl ich es war. Jedes Mal. Wie kann ein Vater auch nicht stolz auf einen Sohn wie dich sein? Ich konnte es nur nicht zeigen, weil ich dachte, dass du das weißt. Weißt, dass ich stolz auf dich bin; ich habe das schon als selbstverständlich gesehen. Das war mein Fehler. Und die Sache mit dem Ultimatum ... Das war nie so gemeint. Ich habe das nur aus lauter Wut gesagt. Ich war einfach so stolz, dass ich mir sicher war, dass du meine Firma weiter übernehmen wirst und die Familientradition wahrst; schließlich habe ich diese Firma auch von meinem Vater und er von seinem; und da du mein einziger Sohn bist, habe ich all meine Hoffnungen in dich gesetzt, damit du unsere Linie nicht unterbrichst. Umso enttäuschter war ich, dass du etwas ganz Anderes machen wolltest, und diese Enttäuschung schlug in Wut um, ohne dass ich es kontrollieren konnte. Aber inzwischen habe ich eingesehen, dass ich dich deinen Traum leben lassen muss. Mathematiker und Physiker, die an der besten Universität dieser Welt studiert haben, sind ja auch nicht gerade von schlechten Eltern. Und das meine ich wortwörtlich.“, sprudelten die Worte aus dem Geschäftsmann heraus. Sein gequälter Gesichtsausdruck verriet, wie sehr ihm die Sache an die Nieren ging, den er mit einem zweideutigen Witz am Schluss zu überdecken versuchte. Takeru war nicht fähig, irgendetwas zu sagen. Viel zu erstaunt war er; hatte seinen eigenen Vater noch nie so redselig erlebt, was seine Gefühlswelt betraf. Aber nun ... begann er auch das erste Mal wirklich zu verstehen, was in seinem alten Herrn vorging. Zuvor ging es ja schlecht, weil er nie darüber redete. Nun gut ... Das hatte er ja offensichtlich von ihm, also müsste er ihn doch am besten verstehen. „Ich ... verstehe dich. Ich verstehe dich sogar sehr gut.“, antwortete der Jüngere mit trockener Kehle und hob schuldbewusst den Blick. „Es tut mir leid. So leid. Das alles habe ich ebenfalls nicht gewusst.“ Der Schwarzhaarige brachte ein kleines Lächeln zu Stande. „Es ist okay. Wir sind beide zwei hoffnungslose Fälle. Wir ticken beide einfach viel zu gleich, und das hat es uns auch immer erschwert, offen miteinander zu reden.“, stellte der Vater fest und fuhr fort. „Deswegen brauchen wir immer Menschen an unserer Seite, die offen sind. Ich habe deine Mutter gefunden; sie lässt es gar nicht erst zu, dass ich mich vor ihr verschließe, weil sie alles direkt anspricht und auch über ihre eigenen Gefühle redet. Und ich hoffe, bin mir aber sicher, dass du in Makoto auch die Richtige, Frau deines Lebens, gefunden hast.“ Takeru schmunzelte, als er an seine zukünftige Frau dachte. Ihm fiel ein, wie er sich durch ihr Zureden dazu entschlossen hatte, nach Amerika zurückzukehren und wie verschlossen sie danach war und er dann derjenige war, der immer mit ihr reden wollte. „Na ja, bei Makoto ist es irgendwie ganz anders. Da bin ich ganz anders. Mit ihr kann und möchte ich sogar über alles ganz offen reden und vertraue mich ihr immer an. Da ist sogar sie diejenige von uns, die die Verschlossenere von uns ist. Aber sie ist wirklich die Einzige, bei der ich so offen bin.“ „Geht mir mit deiner Mutter genauso. Ist ja schon ein sehr gutes Omen.“, der Ältere zwinkerte dem Blondschopf zu. Der junge Student grinste und ihm fiel etwas Wichtiges ein, was er ihm noch zu sagen hatte: „Was meine Zukunft betrifft ... Kann ich vielleicht, wenn ich mit dem Studium fertig bin, bei dir im Unternehmen als Physiker oder Mathematiker anfangen? Vor allem Mathematiker werden doch immer und überall gebraucht, oder?“ Der Inhaber dieses Wunschunternehmens wurde kreidebleich vor Fassungslosigkeit. Er war mehr als nur verdattert über diesen Sinneswandel, und allein diese Tatsache war schon ein Phänomen: Normalerweise überraschte Takeo Oshida nichts. „Wie? Bei mir im Unternehmen? Wolltest du nicht eher als Lehrer oder Dozent arbeiten?“, fragte er vorsichtig nach und konnte seine Freude gerade noch so im Zaum halten. Der Sohn zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich hatte ja genügend Zeit, um nachzudenken, und während meines ersten Studiums habe ich gemerkt, dass ich doch kein Lehrer werden will, sondern viel eher in einem Unternehmen arbeiten möchte mit immer neuen Herausforderungen. Deswegen bin ich umgewechselt, habe also nur ein Semester auf Lehramt studiert, bin danach aber trotzdem bei Mathematik und Physik geblieben. Und dann bin ich auf dein Geschäft gestoßen. Habe natürlich nur mit diesem Gedanken gespielt; schließlich war das nach unserem großen Bruch. Und dann kam plötzlich diese Sehnsucht, vielleicht doch bei unseren Familienunternehmen zu arbeiten. Da dieser Weg durch unseren Streit in weite Ferne gerückt war, ist mir plötzlich schmerzlich bewusst geworden, dass ich doch gerne bei unserem Familienunternehmen gearbeitet hätte. Es ist ja auf Industrieforschung ausgerichtet; also sind beide meiner Fächer sehr gefragt dort, oder? Und noch etwas ...“, Takeru beugte sich mit einem breiten Grinsen vor, als würde er ihm nun ein lang gehütetes Geheimnis verraten. „Der Posten als zukünftiger Geschäftsführer wäre mein Traumziel.“ Nun war Takeo wirklich kurz davor, die Kontrolle über seine Beherrschung zu verlieren. Hatte er richtig gehört? Wollte nun sein Sohn doch seine Stelle übernehmen, und das auch noch freiwillig? Ein letztes Mal konterte er: „Ich habe dir doch gesagt, dass du BWL-Management studieren sollst!“ Takeru lachte leise. „Ach, ich glaube, meine Kenntnis aus meinen zwei Hauptfächern werden mir auch sehr behilflich sein. Und was das geschäftliche Wissen anbelangt, habe ich ja den besten Lehrer, den es für mich gibt.“, er grinste verschmitzt, und somit war das Eis zwischen ihnen endgültig gebrochen. Beide standen synchron auf und fielen sich in die Arme. „Mein Sohn ... Verzeih mir bitte ...“, entschuldigte sich der Größere verzweifelt. „Nein, Vater! Mir tut es leid ... Ich hätte nie gehen dürfen.“, erwiderte Takeru. Beide waren überglücklich, dass nun endlich alle Probleme und Missverständnisse zwischen ihnen beseitigt waren. Makoto und Noriko standen schon die ganze Zeit an der Wand direkt neben der Wohnzimmertür gelehnt, sahen sich erleichtert in die Augen und die Tränen flossen ihnen wie Wasserfälle die Wangen hinunter. Doch diesmal ... waren es endgültige Freudentränen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)