Eternal Feelings von MangaEngel ================================================================================ Kapitel 1: Der Kuss ------------------- Ein paar aufgeschreckte Tauben flogen auf, noch leicht verschlafen. Ihre grauen, braunen und weißen Federn schwebten sanft hin und her wankend zu Boden, während ihre Besitzer in den Nachthimmel flogen. Sonst nahm nur ein huhuendes Käuzchen Anteil an dem unerwartetem nächtlichem Besuch des Friedhofs. Nur selten betritt jemand den Adelsfriedhof, auch, wenn die Gräber stehts gepflegt sind. Doch ausser Bane, dem Friedhofswächter, geht fast nie jemand durch die alten Eisentore, die in die noch ältere Ziegelmauer eingelassen sind. Die Grabsteine, glänzend und frei von Efeu oder Korrosion beachtet niemand ausser ihm. Die herrlichen Blumen, die jedes Jahr aufs Neue bestellt werden von den Verbliebenen werden nie bewundert. Und auch die Namen der Verstorbenen könnten verblassen ohne das jemand wahrnimmt. Ausser Bane natürlich. Nur bei einem neuen Todesfall betreten Fremde den Friedhof, doch nur, bis jener Neuling in seine Gruft oder das Familiengrab gelegt wurde, dann gehen alle wieder ihrer Wege. Wie liebevoll Bane den Friedhof pflegt, das interessiert niemanden. Es will sich nur niemand erlauben, dass ihm nachgeschrien wird, er würde seine Ahnen nicht mit einem ordentlichem Grab ehren. Aber man hatte meist selbst genug zu tun. Die Arbeiter mussten angetrieben werden, die Ordnung im Hause bewahrt werden, das Geld gezählt werden und ein Nachfolger geboren werden. Mehr als 40 Jahre von der Geburt bis zum Tod sind nur wenigen vergönnt, da will die Zeit gut eingeteilt sein, auch, wenn man Geld hat. Doch bekanntlich hatte gerade Geld am wenigsten Zeit. Zu schnell könnte es entrinnen wegen Unachtsamkeit oder Faulenzerei. Nur, wer so viel verdient, dass er einem Anderen jene Aufgaben überträgt, der gönnt sich etwas Zeit, doch nur, um sich Gemälde von anerkannten Künstlern malen zu lassen oder sich bei Opern und Bällen zu zeigen und dabei den langvererbten Familienschmuck zu tragen. Angeblich werden die teuren Perlen ja auch matt, wenn man sie nicht regelmäßig benutzt. Und glanzlose, verfärbte Perlen, das wäre eine wahre Katastrophe jeder Hausherrin. Für Ansehen mussten schließlich die essentiellen Dinge vorhanden sein: ein großes Anwesen mit dazugehörigen Ländereien und Leibeigenen. Dann einen großen Reichtum, idealerweise mit wertvollem Schmuck. Und natürlich einen geeigneten männlichen Nachfolger, der sich im bestmöglichstem Fall mit einer Tochter eines weiteren mächtigen Hauses vermählt. Oh, und die Familie Dupont hatte wahrlich Glück, denn ihr Sohn Alexis hatte sich mit der schönen wie betuchten Sophie Masson verlobt, zwar nicht freiwillig, doch wer würde schon eine Bitte der werten Eltern abschlagen. Zumal doch jeder junge Mann schwach wird, wenn ihn solch meerblaue Augen wie die Sophies ansehen würden. Oh, Sophie Masson war wahrlich die ideale Partie. Sie war intelligent, gebildet und schön, zudem sprach sie fünf Fremdsprachen. Viele Männer hatten bereits um ihre Hand angehalten, doch niemand konnte sie auch nur annähernd so schwach werden lassen wie Alexis. Doch nur, weil sich beide bereits seit Kindheitstagen kannten. Damals war es jedoch junger Sophie untersagt, mit Fremden, gar mit Jungen oder Männern zu sprechen. Sowas ziemte sich nicht. Doch Alexis und sie hatten sich früher nicht daran gehalten und rannten zu den Rosengärten, denn sie liebten Rosen. Dort setzten sie sich immer in die hohen Holundersträuche und aßen jene heimlich, während Sophie Alexis Geschichten erzählte, die ihr Vater vor dem zu Bett gehen zu erzählen pflegte. Denn ihr Vater war ein angesehener Offizier der Marine und er wusste so manches zu erzählen von Barbaren und Wilden, von seltsamen Kulturen und fremden Gewürzen und Gebräuchen. Sophie war von ihren zwei Schwestern und ihrem Bruder die Jüngste, doch gerade sie schien am Meisten begabt zu sein. Sie verstand schnell und viel, sie war auch stets das Lieblingskind des Vaters. Er war so stolz, als Sophie ihr erstes Gedicht verfasst hatte und das sie schneller lesen lernte als ihre um ein Jahr ältere Schwester. Doch auch Alexis war nicht zu unterschätzen. Als ältester Sohn wurde er streng erzogen in Mathematik und Astrologie. Er war gläubig und gewandt, so besiegte er bereits mit jungen Jahren seinen eigenen Fechtmeister. Es war wahrlich das ideale Paar, Sophie wie auch Alexis, als Kinder wie nun als junge Leute. Doch Sophie wie auch Alexis war klar, dass sie niemals ganz Mann und Frau werden würden. Vor allem Sophie war das ach so schmerzlich bewusst, denn gerade sie hatte sich unsterblich in ihren lieben Alexis verliebt. Doch jener sah immer nur seine kleine Freundin, der er alles anvertrauen konnte, mit der er aber niemals weder Kuss noch Bett teilen wollte. Wäre sein Vater nicht sterbenskrank und hätte ihn angefleht, er hätte die Verlobung nicht gestattet. Nicht, weil er Sophie verletzen wollte. Einfach nur, da er zu ehrlich ist um ihr am Altar Liebe zu schwören, die er nicht empfand. Dennoch verlobten sie sich und er bekam von seiner Frau Mutter auferlegt, seine Zukünftige wenigstens zweimal in der Woche aufzusuchen. So auch heute. Seit jener Verlobung war er der Erste seit vielen Jahren, der den Friedhof aufsuchte. Bane wusste es nie, denn er arbeitet nur nachts oder am frühen Morgen, Zeiten, zu denen Alexis nicht Sophie aufsuchte. Doch an diesem Tag war er spät unterwegs. Es war kalter Winter eingebrochen, auch, wenn kein Schnee fiel. Es war bereits früh dunkel geworden und wüsste man es nicht besser, würde man denken, es wäre tiefste Nacht. Nur die Totenkerzen und der weiße Nebel, der vom kleinen Bach kam, welcher durch den Friedhof floss, schienen ihm den Weg. Heute hatte er eine Tüte voller Croissant dabei, Sophie liebte jene und daher hatte seine Mutter ihm aufgetragen, welche mitzunehmen. Angst hatte Alexis noch nie gekannt, eher war es eine Art Schauer, die jedoch von seinem Glauben herkamen. Er fürchtete stets, die Ruhe der Toten zu stören, weshalb er weder vom Weg abwich, noch anteilnahmslos an einem Grab stehen blieb. Er sah es auch als respektlos an, sich seinen Ahnen so unrechts zu verhalten. Jeder hatte seine Ruhe verdient, wenn er tot war. Die Bösen sollten beim Erleiden der Strafen für ihre Taten nicht abgelenkt werden und die Guten sollten sanft schlummern dürfen. Auch das Käuzchen sah ein, wieder Ruhe zu geben und schwieg. Ausser dem leisen Plätschern des Baches war es - ja, im sprichwörtlichstem Sinne - totenstill. Selbst Blätter, wären nicht schon längst alle Bäume kahl, hätten sich nicht bewegt. Es war friedlich und doch erzeugte zumindest der Nebel eine Athmosphäre, die nicht behagte. Vielmehr verlockte, davon zu laufen, um schnell wieder bei der großen Marktstraße zu sein. Doch Alexis lief langsam weiter, sah nach vorn und dachte nicht daran, auch nur annähernd jener Verlockung nachzugeben. Nichts war in der Kirche schändlicher, als Verlockungen nachzugeben, wer auch immer sie einem anbot. Und weder der Teufel, noch der Neid, noch die Angst würden ihn verlocken können. Doch dann blieb er stehen. Er war sich nicht sicher, doch war da nicht ein Stöhnen gewesen? Er lauschte und hörte nichts ausser einem Blubbern, was wohl von schlafenden Fröschen im Bach kam. Er schüttelte den Kopf und wollte weitergehen, da hörte er es erneut. Für einen kurzen Moment wollte die Verlockung ihn wieder ergreifen, doch er blieb standhaft. Das Stöhnen kam erneut, es klang gequält und doch...nicht. Aber es war hinter ihm und es kam eindeutig von einem Mann. Sollte es ein Bettler sein, den die Kälte zerfraß, so würde er ihm seinen Mantel schenken. Sollte es allerdings doch tatsächlich ein Pärchen oder ein Säufer sein, die diesen Platz für ihre Triebe missbrauchten, so würde er nicht zögern, sie durch die eisernen Tore zu zerren. Er drehte sich langsam um und versuchte, in der dunklen Nacht zu erkennen, wer oder was dort war. Doch nur das Stöhnen war zu hören, nicht aber dessen Herkunft zu sehen. Wieder kam das Fluchtbedürfnis hoch, doch er schüttelte nur kurz den Kopf und verdrängte es. Auf einem Gottesacker sollte niemand Schändliches tun! Nicht, wenn er da war! Er ging ein paar Schritte den Weg zurück und tatsächlich, das Stöhnen wurde lauter. Und schließlich erkannte er eine Shillouette. Sie saß abseits des Weges, am Bach und schien gekrümmt als hätte sie Schmerzen. Wohl tatsächlich ein Armer, den Kälte plagte. Alexis entspannte sich und ging auf den Mann zu, welcher nach einer Weile wohl bemerkte, dass jemand auf ihn zukam, denn er richtete sich auf. "Wer da?" fragte die schattenhafte Gestalt und Alexis blieb stehen. Die Stimme klang kräftig und sogar irgendwo bedrohlich, dass er kurz doch wieder dachte, es wäre ein Pärchen. Nur wo war die Dirne zu dem Mann? "Ich dachte, ihr bräuchtet Hilfe." antwortete Alexis fest und die Gestalt drehte sich anscheinend etwas. "Hilfe?" fragte sie und klang auffällig wie einer jener Männer, von denen man immer in den Geschichten hört. Welche wahnsinnig werden und jeden ermorden, der ihnen zu nahe kommt. Der Mann am Bach schwieg eine Weile, ehe er nur ein Geräusch machte, als sei ihm etwas auf- oder eingefallen. Er drehte sich nun vollends zu Alexis um und jener erschrack. Der Mann vor ihm hatte leuchtende, rote Augen. Ein Dämon! Er war auf die Lockung eines Dämons hereingefallen! Er wollte "Weiche" schreien, doch seine Stimme war wie zugeschnürt. Die Gestalt stand auf und begann, auf den nun doch zu Tode verängstigten Jungen zuzugehen. Alexis war wie erstarrt, ehe er beschloss, doch zu flüchten. Er wollte sich umdrehen und rennen, doch musste er panisch bemerken, dass sich sein gesamter Körper nicht rührte. Nur ein unaufhaltsames Zittern und ein immer schneller schlagendes Herz rührten sich, ansonsten war er gezwungen, da zu stehen und jenen Dämon anzustarren, welcher sich näherte. Er schloss schließlich einfach nur noch die Augen, er wollte dem Teufel nicht ins Gesicht sehen, wenn er ihm die Seele stahl. "Köstlich!" hörte er nur nach einem kurzen Knacksgeräusch und Alexis war nicht sicher, ob sein Körper schlicht taub war und er daher nicht spürte, das jener Dämon ihn lebend auffraß oder ob jener doch tatsächlich ein grausames Spiel mit ihm spielte. Vorsichtig blinzelte er durch sein rechtes Auge und musste verdutzt erkennen, dass jener Dämon eines seiner Croissants in der Hand hielt und bereits ein Stück davon verspeist hatte. "Oh, ich liebe Frankreich! Diese Backwaren, wie herrlich!" sagte das Monster vor ihm und erst jetzt bemerkte Alexis auch, dass er niemals erkannt hätte, dass die Person vor ihm ein Dämon ist, wenn er nicht die roten Augen gesehen hätte. Vor ihm stand ein stattlicher Mann in edler Kleidung. Hätte er eine Jacke getragen, er hätte zu jedem Ball gehen können, selbst sein langes schwarzes Haar wirkte so seidig und gepflegt, wie es sogar menschliche Adelige selten trugen. Erst, als jener fein gekleidete Dämon ein weiteres Mal in das Croissant biss, erkannte Alexis, was für ein Dämon ihm gegenüber stand. Schwer erkennbare, aber dennoch sichtbare lange und spitze Eckzähne gaben sich zu erkennen. Ein Vampir! Doch er hatte nie davon gehört, dass Vampire auch Nahrung zu sich nahmen. Zumindest andere Nahrung als Blut. Plötzlich wurde Alexis eiskalt. Natürlich! Er sollte das Opfer dieses Vampires werden! Darum war er dazu verdammt, nur dazustehen und keinen Ton von sich geben zu können. Doch falls der Vampir einen tödlichen Biss plante, dann würde es wohl zumindest noch dauern, denn er schien mit dem Teigröllchen vollends beschäftigt und schwärmte von diesem. Ob er es zu sich selbst, zu Alexis oder einem unbekannten Dritten - im Zweifel dem Croissant selbst - erzählte, wer sollte es wissen ausser dem Dämonen selbst? Erst, als jener das Croissant völlig verschlungen und auch jeden Finger einzeln abgeleckt hatte, da erst bemerkte er scheinbar wieder, wem er jenes gestohlen hatte. "Oh, verzeiht, wie unhöflich!" Er schubste Alexis ein wenig, welcher automatisch einen großen Schritt tat, um nicht umzufallen und selbst völlig überrascht war von seiner wiedererlangten Fähigkeit, sich zu bewegen. "Ich kann französischen Speisen nicht widerstehen, ich hatte völlig vergessen, dass ich euch vom Fliehen abgehalten hatte. Dürfte ich vielleicht noch eines haben?" fragte er und verbeugte sich sogar leicht, ob nun für die Entschuldigung oder die Frage, das war allerdings nicht ganz klar. Alexis wollte ihm ein Nein entgegendonnern, ehe er plante, dem Vampir sein Kruzifix ins Gesicht zu halten, doch da erkannte er, dass zumindest seine Stimme nicht zurückgekehrt war. Dem Vampir selbst schien es erst gar nicht aufzufallen, er schaute erwartungsvoll Alexis und dann die Tüte an, bis ihm vermutlich selbst schlagartig klar wurde, wie das Schweigen kam. "Ach, ich Dummkopf. Einen Moment." Er hob einen Finger und drückte diesen leicht gegen seine Lippen, ehe er diesen Finger dann gegen die Lippen des widerstrebenden Alexis drückte. Der protestierte sofort lautstark, auch seine wiedergefundene Stimme erst nachträglich bemerkend. "Ich weiß, es ziemt sich nicht, doch anders ist jene Magie nicht aufzuheben. Verzeiht, ich weiß, dass es für jemanden eures Ranges wahrlich schamvoll sein muss, solch einen indirekten Kuss mit einem Fremden zu teilen." Wieder verbeugte sich der Vampir ein wenig und Alexis hätte ihn gerne mit einem Handschuh geschlagen, wenn er welche getragen hätte. "Dämon!" schrie er schließlich, ehe er - wie geplant - das Kruzifix dem Vampir gegen die Stirn drückte. Jener schaute nur leicht irritiert nach oben, um zu erkennen, was genau dort vor sich ging, doch natürlich erkannte er in keinster Weise, was ihm da an den Kopf gedrückt wurde. "Wie...?! Seid ihr zu Lebzeiten jüdisch gewesen?!" flüsterte Alexis erschrocken und wich zurück, nun völlig wehrlos ohne sein doch für so mächtig gehaltenes Kreuz. "Jüdisch? Nein, ich war katholisch. Nun bin ich wohl nicht mehr ganz so gläubig, doch Kirchen sind dennoch herrliche Bauten für mich, ich besuche sie gern -" "Monster!" schrie Alexis dazwischen und der Vampir verstummte. "Wie kannst du unreine Kreatur es wagen, die heilige Kirche mit deiner Anwesenheit zu beschmutzen?!" Der Vampir musterte erst leicht verdutzt den aufgebrachten Jungen, ehe er die Hand zum Munde hob, um sich ein Lachen zu verkneifen. "Die Kirche? Heilig? Ach, deine Unschuld ist herzallerliebst, wenn auch erschreckend naiv, mein Junge." meinte der Vampir und er musste sich zunehmend zusammenreißen bei dem zunehmend wütender werdendem Anblick des Jungen. "Viele Anhänger sind durchaus gute Menschen, aber die Kirche hat zu ihrem eigenen Nachteil viel Blut am Stecken." Alexis krallte sein Kreuz so fest, dass er seine Hand aufscheuerte, doch das interessierte ihn nicht und auch - was ihm aber nicht auffiel - den Vampir nicht. "Sie beseitigt nur Monster wie dich!" schrie Alexis und nun musste der Vampir doch lachen. "Nein, nein, sie erschafft 'Monster' wie mich und jagt dann Unmengen armer Gläubiger in die Hölle, indem sie uns jagen lässt." meinte der Vampir mehr als gelassen und Alexis wollte etwas zurückschreien, als der Mann seelenruhig dessen Hand nahm und ihm das bereits blutige Kreuz entnahm. "Wenn die Kirche 'Monster' wie mich beseitigt, dann sag mir doch, wie. Dieses Kreuz pieckst ein wenig, weil es aus Ästen geflochten ist, aber mehr nicht. Ich sagte bereits, dass ich den Kirchgang durchaus gern betreibe. Weihwasser ist kalt, aber das ist alles. Und ich wurde bereits einmal gepfählt, nicht angenehm, aber wie du siehst, beseitigt hat es mich nicht. Also hat deine ach so heilige Kirche doch zumindest darin gelogen?" Alexis zitterte vor Wut, doch genauso könnte jeder erkennen, dass Zweifel in seinen Augen aufbrannte. Der Vampir sah ihn eine Weile an, ehe er nur leicht schmunzelte und dem steifen Jungen ein weiteres Croissant aus der Tüte nahm, ehe er seiner Wege ging. Alexis sah ihm nach, doch er wagte es weder, wegzulaufen, noch ihm zu folgen. Der Fremde drohte bereits, von Nacht und Nebel verschlungen zu werden, da siegten schließlich Neugier, Zweifel und vor allem Wissensdurst über Glaube und Rationalität. "Wie heißt ihr?!" schrie er über den Acker und der Mann blieb stehen und drehte sich um. Wieder sah man die stechend roten Augen, doch...bedrohlich wirkten sie plötzlich nicht mehr. "Ich bin James deCourt." antwortete jener gelassen und auch die überraschte Nachfrage von Alexis, ob er etwa der neue Eigentümer des lange leerstehendem Herrenhauses beim Marktplatz sei, beantwortete er laut mit einem "Ja." Er wartete noch kurz ab, ob noch weitere Fragen folgten, doch Alexis stand nur da und so verschwand der Dämon im Nebel. Alexis sah ihm nach und drehte sich dann langsam zum anderen Ausgang. Sophie war bereits sehr besorgt, da Alexis so lange gebraucht hatte. Was ihn aufgehalten hatte, verschwieg er und Sophie akzeptierte es, das er es nicht teilen wollte. Sie bedankte sich höflich für die geschenkten Croissants und bemerkte erst im Verlauf des Abends, dass sich Alexis eine Verletzung an der Hand zugezogen hatte. Erst jetzt fiel diesem auf, dass der Vampir ihm sein Kreuz gestohlen hatte. Doch - obwohl es viele Jahre sein Glücksbringer war - vermissen tat er es nicht. Nach dem Gespräch mit jenem Mann fühlte er sich sogar beinahe erleichtert, es nicht zu haben. Er begann leicht zu lächeln und Sophie saß nur neben ihm auf dem Schemel und wusste nicht, was das mysteriöse Verhalten ihres ach so geliebten Verlobten zu bedeuten hätte. Jener saß nur leicht lächelnd im großen Ohrensessel des Salons und schaute in das Feuer, ehe er nach einiger Zeit auf Sophie sah und ihr ein wenig durchs Haar strich, dass sie wie immer zu kunstvollen Korkenzieherzöpfen gedreht hatte. Er sagte nichts und Sophie ebenfalls nicht, sie schauten sich nur lange schweigend an und jeder könnte glauben, dass sich zwei Verliebte wortlos Liebesschwüre sagten. Doch beide wussten, dass sie es nicht taten. Und Sophie schmerzte es einmal mehr so sehr, dass dem so war. Kapitel 2: Der Spiegel ---------------------- Das alte, ehemals leere Herrenhaus hatte bereits eine lange Tradition und viele traurig ruhmhafte Bewohner gehabt. Allesamt waren sie wahnsinnig geworden oder starben, schnell galt das Haus als verflucht, doch nie wagte es jemand, es auch nur länger anzusehen. Man befürchtete, dass der Hass, der Zorn, den es wohl innezuhaben schien, auf die ganze Stadt ausbrechen könnte. Es war bereits 1547 erbaut worden und ein an sich prächtiges, wenn auch vernachlässigtes Anwesen. Die vielen Säulen, die die Balkone und Terrassen zierten oder die bis ins feinste Detail geschmückten Portale waren zu der Zeit, als es noch neu war, sicherlich ein wundervoller Anblick. Doch nun ist es verwahrlost, man kann nur noch erahnen, wie schön es gewesen sein muss, als noch die Ziegel schneeweiß waren, als die Marmorverzierungen sich nicht ausgewaschen hatten und die Tore noch nicht so dunkel waren, dass man die Schnitzereien nicht mehr erkannte. Die Fenster sind blind vom Staub und sogar die Dachplatten sind mit den Jahren immer weniger geworden. Die Nachricht, dass dort doch tatsächlich seit kurzem ein Adeliger ein und aus ging, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Man wusste nur, dass er von England gekommen war und das er von einem sehr reichen Geblüt kommen musste, da er jenes Schloss hatte erstehen können. Denn auch, wenn es unheimlich und schier unvermittelbar durch seine Geschichte schien, so behielt es doch stets den Preis, den es in voller Pracht wert wäre. Und nun schien jemand zumindest zu erwägen, es zu besitzen. Alexis wusste es besser, er wusste, dass es bereits bewohnt war, doch es machte dennoch nicht den Eindruck. Die Fenster waren immer noch blind und die Steine vom Regen abgegraut. Und ausser jenem Fremden betrat und verließ niemals jemand jenes Schloss. Keine Bediensteten, keine Familienmitglieder, nichtmal jemand des Stadtrates ging mit hinein oder wartete auch nur vor den Toren. Das sie sich überhaupt so mit Leichtigkeit öffnen ließen, hatte bereits zu vielerlei Spekulationen geführt, denn jene Türen seien angeblich so massiv, dass nur zwei Männer eine der beiden Torhälften aufstemmen konnten. Doch jener Fremde soll es allein geschafft haben, mit einer Hand an jeder Seite. Und Alexis stand nun da, unschlüssig, ob er jenes unheimliche und dazu noch von einem Vampir bewohnte Schloss betreten sollte. Doch dann rang er sich dazu durch, zu klopfen und fast, als hätte die ganze Zeit jemand darauf gewartet, öffneten sich die Tore ein wenig. Doch kaum, das er in dem finsteren Gemäuer war, schlossen sich die Türen auch und Alexis musste sich nichtmal umdrehen um zu wissen, dass wohl niemand zu sehen wäre, der die Türen geöffnet und geschlossen hatte. Er atmete tief ein, ehe er sich durchrang, die Eingangshalle zu durchqueren. Auch hier konnte man noch die alte Pracht erahnen, doch alles war staubig oder zerfallen. Nur der große Kronleuchter, der die Treppe direkt geradeaus früher wohl beschienen hatte, glänzte trotz Staubschicht. Unter der Treppe waren jeweils zwei Türen, doch er fürchtete schon, dass jener James ihn lange erwartet hatte und das wohl mit höchster Wahrscheinlichkeit in einem Saal der Extravaganz und solche Räume waren in solchen Gebäude stehts immer geradeaus vom Eingang. Also bestieg er die Treppe, welche noch immer mit einem rot-goldenem Teppich ausgelegt war. Es waren viele Stufen, doch es war mehr der Staub, der den Jungen nach Luft ringen ließ. Schließlich war er oben und tatsächlich, direkt parallel zum Eingang war eine große Holztüre. Er wollte gerade auf diese zugehen, als sich links von ihm laut quietschend eine Türe öffnete. Alexis musterte jene unsicher, doch es war mehr als deutlich, dass er jene durchschreiten sollte. Also ging er hindurch und folgte dem dunklen Gang, der anscheinend die Ahnengallerie war, zumindest hingen Unmengen an Bilder in dem Gang, der nur am Anfang und am Ende eine Türe besaß. Er durchschritt den Gang eilig, da er befürchtete, die Inhalte der Bilder könnten sich bewegen. Das sie ihm tatsächlich nachsahen, das bemerkte er nicht. Er stieß einfach die Türe offen, welche sich auch langsam hatte öffnen wollen und erstarrte voller Erstaunen. Eine große Halle, links eine gewaltige Orgel und rechts ein noch gewaltigerer Spiegel. Und ausser dem blauen Teppich mit dem goldenen Wappen und den riesigen Fenstern, die die Halle beleuchteten, war auch nichts weiter da. Doch das war nicht das, was Alexis so erstaunte, vielmehr war es die Tatsache, dass dieser Raum aussah wie neu. Die Fenster waren klar, der Spiegel reflektierte das Sonnenlicht und alles im Raum und sogar die Orgel glänzte. Nichtmal ein Anschein von Verwahrlosung kam beim Anblick dieses Saales auf. Das Parkett ohne Kratzer und der Teppich ohne die kleinste verschmutzte oder beschädigte Stelle. Der Spiegel in seinem prächtigem Goldrahmen war völlig sauber, ja fast schon poliert und duellierte sich in Sachen Reinheit mit den Fenstern, welche von langen, schweren Vorhängen umrahmt waren. Alexis konnte nicht anders, als im Türbogen zu stehen und zu starren. "Gefällt dir dieser Raum?" kam es plötzlich hinter ihm und er sprang vor Schreck auf. Hinter ihm war James, leise wie eine Katze und sah belustigt aus. "Ich habe das Schloss vorrangig wegen diesem Raum erstanden. Er ist wundervoll, nicht wahr?" sagte er und schaute sich selbst nun um. Alexis sah kurz unsicher nochmal durch den Raum, ehe er wieder zu James sah. "Haben sie das...allein gesäubert?" fragte er und James begann nach kurzem Verdutzen zu lachen. "Geputzt? Nein, um ehrlich zu sein, lasse ich diesen Raum aus der Erinnerung neu leben." Er musste wieder lachen, als er die völlige Verwirrung in Alexis Gesicht sah. "Dieser Raum ist weder hergerichtet, noch geputzt. Doch du kannst dich ohne Bedenken auf den Teppich legen oder über die Fenster streichen. Ich habe einfach nur die Erinnerungen dieses Schlossen geweckt und sie so Wahrheit werden lassen. Das, was das Schloss einst war, ist Realität. Ich kann es, wenn ich will, mit dem ganzen Schloss so machen, doch ich will den Eingangsbereich so lassen. Neugierige Nasen sollten keine langen Finger bekommen, weil sie einen schönen Traum von damals sehen." Alexis sah den Vampir etwas ungläubig an, ehe er wieder durch den Raum sah. "Sind Vampire...magiebegabt?" fragte er unsicher und James schmunzelte. "Ich habe durchaus Kräfte, aber sie sind weder zahlreich, noch mächtig. Aber ich bin sehr verliebt in Schönheit, daher kann ich alles in seinen schönsten Zustand zurückversetzen, wenn ich will. Wärst du ein alter Mann, ich könnte dich in diesem Schloss in die schöne Gestalt zurückversetzen, die du nun bist." Alexis hatte beinahe andächtig zugehört, nur als er als schön bezeichnet wurde, sah er sprachlos zu dem Mann. "Schön?" fragte er nach kurzem Schweigen nach, doch James schritt an ihm vorbei und ignorierte die Nachfrage. "Es ist wirklich traurig, dass vieles so vergänglich ist. Gefühle, Äußerlichkeiten, Meinungen oder...Glaube." Bei dem letzten Wort zuckte Alexis zusammen, auch, wenn es ja gerade jener Mann Schuld war, dass er nun doch tatsächlich Zweifel und Fragen in sich spürte. "Aber wenn man so lange lebt wie ich und es auch noch so lange tun wird wie ich, dann lernt man, sich damit abzufinden." "Lügner, wieso dann die Erinnerung dieses Schlosses, wenn ihr euch abgefunden habt?" James drehte sich um und seine roten Augen fixierten Alexis, welcher unmerklich unter dem Blick schrumpfte. Doch dann lächelte James nur. "Gut. Du bist ein intelligenter junger Mann, hast gleich durchschaut, dass sogar ich trotz Jahrtausende der Weisheit nicht unfehlbar und allwissend bin." Er ging auf Alexis zu und richtete diesem den sowieso perfekten Kragen noch etwas zurecht. "Und ich weiß in der Tat vieles nicht. Euer Name ist mir zum Beispiel völlig unbekannt." sagte er und Alexis wusste, dass er gezwungen war, seinen Namen preiszugeben, wo er bereits den seines Gegenübers wusste. "Alexis Dupont." antwortete er und der Name schien dem Vampir sogar etwas zu sagen. "Oh, Dupont. Dann seid ihr jener Sohn, der die schöne Tochter der Massons heiraten soll?" erwiderte er und Alexis wirkte mehr als erstaunt. "Ihr seid doch noch gar nicht so lange hier, wie...?" "Lange ist zumindest für mich eine relative Zeitdauer. Dein Lange ist für mich nichtmal ein kurz. Ich habe mich mit meiner vorerst zukünftigen Heimatstadt und deren Bewohner bekannt gemacht ohne jenen aufzufallen, um es so auszudrücken." Wieder bekam Alexis ein ungutes Gefühl, falls sich jener Vampir unsichtbar machen konnte, hätte er sogar schon ohne Probleme in seinem Haus, in seinem Zimmer sein können. Er wollte den Vampir just darauf ansprechen, als ein plötzliches Gepolter Mensch wie Vampir aufschreckte. "Meister, wo steckt ihr denn schon wieder?!" schallte es von fern und James seufzte lächelnd, ehe er mit einem "Hier." seinen Standort verriet. Alexis schaute angespannt zur Türe am anderen Ende der Gallerie, doch stattdessen kam der Sucher direkt durch die Wand. Wieder sprang Alexis vor Schreck ein Stück, auch, wenn jenes Wesen nicht unbedingt angsteinflössend war. Es war schlicht ein schwebendes Laken, welches auf seltsame Weise Augen und einen Mund besaß. "Oh, Besuch!" sagte jenes kleine Gespenst und deutete eine Verbeugung an und das es mit der Stimme eines Kindes sprach, verursachte bei Alexis eine Gänsehaut. Doch das kleine Gespenst wendete sich schnell wieder dem Vampir zu. "Meister, Elvira ist nicht zu finden! Soll ich die Brüder rufen lassen?" James schaute kurz ein wenig beunruhigt, sah zum großen Spiegel, ehe er wieder das Gespenst ansah und lächelte. "Ach, lass sie ruhig. Ich habe ihr heute gesagt, sie soll sich nicht blicken lassen, vermutlich ist sie wütend auf mich." Der Geist verbeugte sich wieder leicht und verschwand einfach wieder durch die Wand. Alexis sah noch eine Weile unsicher jene Stelle an, wo der Geist verschwunden war, ehe er zum Vampir sah. "Sind hier noch viele...wie du?" fragte er und James musste schmunzeln, da er spürte, dass es Alexis unangenehm war, es so zu fragen. "Wir sind sechs Leute. Meine Wenigkeit, das gerade war Robin. Die Brüder, von denen er sprach, sind Carl und Charles und dann sind da noch Elvira und Amelie. Und ja, sie sind - zumindest wohl in deinen Augen - wie ich." Sofort wurde Alexis rot vor Scham, er kam sich sehr unhöflich vor, es so formuliert zu haben, doch James nahm es ihm mehr als offensichtlich nicht übel. "Nun, ich habe Speisen vorbereitet, da ich ahnte, du würdest heute kommen. Ich rufe mal nach den Brüdern, damit sie dich zum Speiseraum führen, wenn es dir nichts ausmacht. Alexis traute sich nicht, zu protestieren, auch, wenn er keinen Hunger verspürte. Angst vor dem Essen hatte er allerdings nicht, James hatte ihm gestern schließlich mehr als deutlich gezeigt, dass er normale Küche, vor allem die französische sehr zu mögen schien. Nur die Brüder waren doch schwerere Kost. Der eine war ein sicherlich über zwei Meter großer Hüne, der andere dagegen ging Alexis gerade mal bis zur Hüfte. Doch wären sie auf einer Größe, wären sie sicherlich nicht auseinanderzuhalten gewesen. Die selbe Kleidung, das selbe kurze dunkle Haar und die selben starren dunklen Augen. Sie gingen einfach gemeinsam los, so das Alexis wohl oder übel folgen musste, während sich James abwendete und durch eine versteckte Tür unterhalb des Spiegels in der Wand verschwand. Der Riese und der Zwerg führten Alexis erst aus der Gallerie heraus und dann wieder die Treppe herunter. Dann ging es von der Treppe aus durch die rechte Türe, um nun auf einem Gang mit vielen einzelnen Zimmern zu sein. Die Brüder liefen gemächlich, dennoch hatte Alexis Schwierigkeiten, mitzuhalten. Und schließlich öffneten sie eine Tür auf der rechten Seite und Alexis sah tatsächlich einen langen Esstisch mit goldenem Service und einem herrlichem Kronleuchter über der Tafel. Auch dieser Raum schien eine Erinnerung zu sein, das dachte Alexis sofort. Doch dann war er allein, die Brüder schlossen die Türe, ohne den Raum auch nur betreten zu haben. Der junge Mann sah sich unsicher um, ehe er sich schließlich auf einen der Stühle setzte. Er sah sich unsicher um, die Wände waren ebenfalls mit einer Holzfassade verziert, nur zwei Bilder und ein Spiegel waren hier Wandschmuck, mehr war aber auch nicht nötig gewesen. Alexis saß steif am Tisch und starrte wahlweise in den Spiegel, auf die Bilder oder in die Teller. Er kam sich vor wie ein Eindringling, so völlig alleine an einem großen Tisch in einem großen Raum, Teil eines noch größeren Schlosses. Er seufzte kurz und schaute dann wieder in den Spiegel...und stutzte. Jener war plötzlich schwarz. Nicht blind vom Staub, einfach nur pechschwarz und es spiegelte sich auch nichts mehr darin. Es war, als wäre dort plötzlich einfach so ein finsteres Loch. Doch Alexis beruhigte sich schnell wieder, in diesem Schloss war sicherlich alles möglich. Vielleicht kam da nachher ein Ritter rausgeritten, um dann in einem der Bilder zu verschwinden. Vielleicht wurde er auch irgendwann bei einem Augenzwinkern wieder normal. Oder er würde wie in Schneewittchen ein Gesicht formen, dem man Fragen stellen musste. Alexis musste leicht lächeln, dieses Schloss entfachte seine Fantasie und erweckte auf absurde Weise Erinnerungen aus Kindheitstagen. Er lehnte den Kopf auf seine Hand, welche er an der Tafel abstützte, und starre in den schwarzen Spiegel. Er wartete gespannt, was wohl passieren würde und je länger er warten musste, desto ungeduldiger wurde er. Zumindest eine Wirkung erzielte der Spiegel, Alexis fixierte sich so sehr auf den Spiegel, dass seine Augen schmerzten und ihm den Eindruck gaben, als wenn er eingesogen würde. Seine Fingerspitzen wurden eiskalt von dem bewegungslosem Dasitzen, doch die Erwartung war größer. Er wollte einfach wissen, was es mit dem Spiegel auf sich hatte und es war etwas mit diesem, da war sich Alexis absolut sicher. "NEIN!" schrie plötzlich jemand neben seinem Ohr ganz laut und er hörte Scherbenklirren. Alexis musste erschrocken und verwirrt um sich sehen, um zu begreifen, was innerhalb weniger Sekunden passiert war. Er saß nicht auf dem Stuhl, sondern stand direkt vor dem Spiegel. Jener war völlig zertört, aber er spiegelte wieder und er war in dem Arm von jemandem. Erst jetzt sah er sich jene Person an und wollte im ersten Moment schreiend weglaufen. Riesige schwarze Flügel kamen aus dem Rücken jener Person, die Ohren waren lang und spitz zulaufend und Klauen wie auch Reißzähne waren mehr als deutlich zu sehen. Doch dann bemerkte Alexis, dass jenes Wesen James war. Zwar verändert, aber Augen wie auch Haare und Kleidung waren eindeutig James. Dieser nahm Alexis Hände und betrachtete sie, welche wieder begannen, warm zu werden. "Was...Was ist passiert?" fragte Alexis verwirrt und James schwieg, bis er erleichtert aufatmete und die Hände los ließ. "Das war Elvira. Ich hatte ihr gesagt, sie soll sich verkriechen, aber sie musste meine Gutmütigkeit natürlich wieder ausnutzen!" schimpfte der Vampir, allerdings wohl mehr zu sich selbst. "Wer?" fragte Alexis nach und erst jetzt schien James Alexis Frage wahrzunehmen. "Elvira. Sie...ist sowas wie der böse Geist hier. Sie lebt in den Spiegeln dieses Schlosses und muss mir bedingt gehorchen. Aber du warst anscheinend zu verlockend für sie und sie hat versucht, dich in ihren Spiegel zu zerren." Verwirrt sah Alexis nochmal in den zerbrochenen Spiegel, ehe er wieder zu James sah. "Verzeih, ich hätte dich nicht alleine gehen lassen sollen. Sie testet immer ihre Grenzen aus und ich habe es ihr diesmal nicht klar genug gemacht." Alexis war mehr als überfordert, war er gerade tatsächlich in ernster Gefahr gewesen? Doch irgendwas in ihm sagte ihm, dass er James glauben konnte, auch, wenn dieser nun noch verstörender aussah als bei ihrer ersten Begegnung. "Danke." sagte er schließlich und James sah kurz völlig überrascht zu dem Jungen, den er immer noch fest umklammert hielt. "Du musst dich nicht bedanken, ich habe dich nicht aufgeklärt, es war meine Schuld!" Alexis sah den aufgeregten Vampir an und musste doch leicht lächeln. Er wirkte auf ihn spontan wie Sophie, welche auch immer in Selbstvorwürfen verging. Doch das er eigentlich ein mächtiger Dämon war, das machte ihn in dieser Komposition direkt noch sympatischer. "Meister, alles in Ordnung?!" kam es plötzlich von der Wand und wenig später war wieder der Geist da, welcher mehr als besorgt aussah. "Ich habe ein lautes Krachen gehört und fürchtete, dass Elvira versucht haben könnte, auszubrechen!" James, dessen Flügel wie auch sonstige Veränderungen langsam verschwanden, sah nur lächelnd zu dem kleinen Geist. "Du weißt, dass sie zwar viel Chaos macht, aber niemals ausbrechen würde. Nur, sollte unser Gast hier nochmal kommen, bleib dann bitte bei ihm, sie hat versucht, ihn...näher zu betrachten." Der Vampir und der Geist tauschten Blicke, die nicht schwerwiegender und verstehender sein könnten, ehe der Geist sich wieder leicht verbeugte. "Doch nun lass uns essen. Ich denke, nun müsstest du Hunger haben. Sie hat doch ganz schön Chaos verursacht." meinte James und nahm eine von Alexis Händen und führte diesen so zu dessen Beschämnis zur Tafel. Doch James hatte Recht, nun hatte Alexis tatsächlich Hunger. Und das Essen sah auch zu verlockend aus, als das er es hätte abweisen können. Es war, als wäre für einen König gedeckt worden. Doch nach dem Mahl bat James auch schon, dass Alexis gehe, damit er mit jener Elvira reden könne. Und Alexis bemerkte, dass er dies nur widerwillig und schweren Herzens tat. Robin, der Geist, führte ihn zur Tür, während James die Treppe hochstieg. Er sah nochmal kurz zu jener Treppe, wo der Vampir gerade oben angekommen war, ehe er den Torbogen durchschritt und nur noch hörte, wie die schweren Türen zufielen. Er stand eine Weile da und musterte sie, genau wie bei seiner Ankunft. Doch als er ging, fühlte er sich nicht mehr bedroht von jenem Schloss. Auch, wenn diese Elvira wohl gefährlich war, so hatten das Schloss und seine Einwohner wahrlich...etwas zauberhaftes. Kapitel 3: Die Katze -------------------- Wieder stand Alexis vor jenen dunklen, großen Toren, doch er musste nichtmal klopfen, sie öffneten sich so. Doch diesmal war jemand da, um ihn zu empfangen: Robin. "Willkommen!" sagte dieser fröhlich und erneut bekam Alexis eine Gänsehaut bei dem Kinderlachen, das der Geist danach von sich gab. "Werdet ihr uns nun oft besuchen? Das wäre nämlich toll!" sagte das Gespenst, wartete aber auf keine Antwort, sondern drehte sich um und schwebte nach rechts. Alexis folgte ihm einfach. Sie gingen durch die Tür unter der Treppe - oder besser: Robin durchschwebte sie und Alexis musste sie öffnen - und auch hier war ein langer Gang mit vielen Türen. Doch Robin durchschwebte direkt die erste Türe links und der junge Adelige folgte dem Geist. Ein großer und prächtiger Schlafsaal war nun vor seinen Augen. Auch dieser Raum war vollständig mit Holztafeln versehen, doch hier hatten die Deckentafeln sogar Blattgoldverzierungen. Ein mächtiger roter Teppich lag auf dem Boden und auf diesem neben einem großen, dunklem Kleiderscharnk und einem Nachttisch ein riesiges Himmelbett. Auch dieses war in Rot gehalten und Alexis empfand es beinahe schon als ZU groß. Robin flog über die Laken und schien nachzusehen, ob es überhaupt das Zimmer war, wo sie hinwollten. "Meister..." sagte Robin ganz sanft und tatsächlich rührte sich was in den Laken. Eine Hand kam darauf hervor und schlug nach dem Geist, der witzigerweise an der getroffenen Stelle auseinander stieb und sich wieder zusammenfügte. "Aber Meister, der Gast ist wieder da." sagte Robin beinahe traurig und offenbar war der Satz überzeugend genug. Ein, seltsamerweise vollständig angezogener, James richtete sich auf und schaute wohl sehr erstaunt zu Alexis. "Du? Schon hier? In solcher Frühe?" sagte dieser und Alexis errötete ein wenig. Er hatte gestern viel zuhause nachgedacht über das Schloss und seine Bewohner und es hatte ihn gefesselt. Der Anblick und die Neugierde, welche Magie noch in ihm war. Daher hatte er es nicht ausgehalten, bis zum Mittag zu warten und war direkt in der Frühe hergelaufen. Doch er schwieg nur, das zuzugeben wäre wahrlich unangenehm. James sah ihn eine Weile an, ehe er einfach lächelte und versuchte aufzustehen. Doch da klammerten sich zwei Hände an dessen Hüfte und ein müdes "Nicht aufstehen..." erklang. Es war eindeutig eine Frauenstimme und wem auch immer die Hände gehörten, er drückte sich an James. Dieser sah leicht irritiert auf den Körper an sich und schüttelte schließlich nur seufztend den Kopf. "Amelie, lass los. Du blamierst mich vor unserem Gast." sagte er schließlich und offenbar sorgte der Satz dafür, dass die Dame im Bett nun doch aufmerksam wurde. Sie hob den Kopf und starrte Alexis an und zu dessen großer Überraschung...hatte sie Katzenohren und gelbe Augen. "Geh heim, du blamierst ihn!" sagte diese unfreundlich, ehe sie sich wieder an den Vampir drückte, welcher sich wohl leicht überfordert durch die Haare fuhr. "Robin, bring ihn einfach schonmal in den Salon." sagte er schließlich, Robin verbeugte sich und verschwand und Alexis folgte dem Geist, sah aber nochmal kurz zurück. Er folgte dem Geist schweigend, doch Fragen brannten auf seiner Zunge. "Wer oder was ist diese Amelie?" sagte er schließlich laut und Robin drehte sich überrascht um und flog dabei durch eine Blumenvase. "Sie ist ein Katzendämon, als sie noch ein Welpe war, hatte der Meister sie gefunden und aufgenommen. Aber sie ist immer noch wie ein Kind, wenn ich das so sagen darf. Sie denkt, der Meister gehöre ihr und ist auch sonst sehr egoistisch. Doch das habt ihr nicht von mir gehört." Alexis nickte und ein seltsam flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Sich so unverschämt an jemanden zu drücken, der viel älter war als man selbst... So etwas könnte er nicht, es ziemte sich einfach nicht. Nachdenklich folgte er dem Gespenst, als dieses dann wieder eine Türe durchschwebte. Sie waren offenbar in einem Herrensalon, zumindest ähnelte es stark jenen. Ein großer Kamin, ebenfalls ein recht dunkel getafelter Raum und große Ohrensessel. Fehlten nur noch die Zigarren und der Raum wäre perfekt. Auch, wenn er selbst den Geruch für zu widerlich empfand. Zögernd setzte er sich in einen der Sessel und Robin schaffte es irgendwie, sich trotz seiner simplen Gestalt auf den Kamin zu setzen. So saßen sie da und taten nichts weiter. Alexis schaute Robin eine ganze Weile an, diese einfache Gestalt war doch irgendwo beeindruckend. "Sieht man immer so aus wie du, wenn man ein Geist wird?" fragte er schließlich und Robin schien kurz überrascht, ehe er wieder lachte. "Nein, nur, wenn man ein Laken geschenkt bekommt." erwiderte er und Alexis war kurz unbegreiflich, wie ein Geist ein echtes Laken über sich stülpen konnte. Doch vermutlich war ein magisches Laken gemeint. Oder aber der, der das Laken schenkte, musste selbst Magier sein. "Hast du es von James?" fragte Alexis weiter und Robin nickte und wirkte sehr glücklich. "Der Meister hatte Erbarmen mit mir und schenkte mir ein Laken. Und als Dank trage ich es immer und tue alles, was ich kann." sagte Robin und Alexis sah Robin einfach nur leicht verwirrt an. Wieso ein Laken einem Geist erbarmend vorkam, war ihm ein Rätsel. Doch weiter nachdenken konnte er nicht. Die Tür öffnete sich und James samt jener Katzenfrau am Arm kamen herein. Jetzt konnte Alexis auch erkennen, dass sie ebenfalls einen Schwanz besaß, welcher unter dem Reifrock ein wenig hervorschien. "Verzeih, dass du warten musstest." sagte James lächelnd, doch diese Amelie schien wenig von dem Besuch begeistert. "Und was willst du Mensch hier?" fragte sie arrogant und für einen Moment fühlte sich Alexis wahrlich fehl am Platz, doch James sah die Katzendame böse an und dann entschuldigend zu dem Jungen. "Beachte sie nicht, sie hat eine böse Zunge, aber ein gutes Herz." Die Katzendame protestierte, doch der Vampir beachtete sie nicht. Er lächelte einfach den Jungen an, der nicht wusste, ob er seiner Neugierde oder seiner eingetretenen Reue folgen sollte. Doch er blieb sitzen und sah einfach nur den Vampir an, welches sich inzwischen auch gesetzt hatte und so das Katzenmädchen zwang, ihn loszulassen. "Oh, verzeih, es ist wohl etwas kalt." sagte James nach einer Weile, sah zum Kamin und schon entflammte ein Feuer. Alexis sah mit Bewunderung in dieses, es war nicht wie die Anderen, es leuchtete einfach nur weiß. Als würde pures Licht brennen. "Kinder kann man mit Tricks immer gut begeistern." kam es bissig von Amelie und Alexis wandte beschämt den Blick ab, weshalb James wieder tadelnd die Katzendame ansah. "Ich denke, du bist nicht einfach hergekommen, damit du ein weißes Feuer ansehen kannst. Hast du Fragen oder möchtest du etwas sehen?" fragte James freundlich und Alexis musste selbst kurz überlegen, weshalb genau er gekommen war. "Wegen gestern... Ich wollte mich nochmal...bedanken." sagte er schließlich und holte auch ein kleines Präsent aus seiner Jackentasche, welches er James gab. "Ach, das reiche Blag schenkt etwas, kleiner als seine eigene Brosche, wie unangemessen!" kam es von Amelie und Alexis stand beleidigt auf und verließ den Raum. Robin folgte ihm sofort, an seine neue Aufgabe als Beschützer denkend, während James Amelie ausschimpfte und das Geschenk dennoch öffnete und dem Adeligen nicht folgte. Jener lief einfach nur davon, erst bei den Eingangstoren stoppte er. Robin blieb hinter ihm, um ihn nicht zu blamieren, falls er gar zu weinen beginne vor Scham. Doch Alexis war mehr wütend als enttäuscht. "Bin ich hier unwillkommen? Ist es besser...wenn ich nicht mehr komme?" fragte er schließlich und seine Stimme bebte ein wenig. Robin seufzte und flog nun neben ihn und schüttelte den schwach angedeuteten Kopf. "Aber nein, mein Herr. Amelie ist immer so, auch zu mir und allen Anderen. Selbst Elvira kann euch leiden." Überrascht sah Alexis den kleinen Geist an, welches lächelte, als er sah, dass tatsächlich keine Tränen in den Augen des jungen Adeligen standen. "Ich dachte, sie wollte mir gestern noch böses?" fragte er nach und wieder lachte Robin. "Ja, aber der Meister hat sie bestraft. Ich durfte nicht, aber ich habe gelauscht. Sie sagte, ihr seid etwas sehr besonderes." Alexis sah den Geist verwirrt an und jener bemerkte, er müsste weiter ausholen. "Nun, sie hatte gesagt, ihr müsst etwas sehr besonderes sein, da sie nie vom Meister bestraft wurde, auch wenn sie ungehorsam war." Alexis wurde kurz kalt, es klang mehr als deutlich so, dass all jenes von gestern...schonmal passiert war. "Sie hat dies schonmal getan?" fragte er nach und der Geist nickte heftig. "Oh ja, schon oft. Der Herr findet es sehr amüsant, Menschen zu sich einzuladen und zu sehen, wie diese seine kleinen Künste finden. Aber er hat nie zuvor geholfen, wenn Elvira einen haben wollte. Er hat sie gelassen und es so akzeptiert." Schlagartig wurde Alexis noch kälter und er wusste nicht, was er von dem bisher so freundlich wirkendem Vampir halten sollte. "Vielleicht hat er es nur nicht bemerkt?" fragte er hoffnungsvoll nach, doch schon das Kopfschütteln signalisierte, dass er falsch lag. "Elvira hat in jedem Raum einen Spiegel, damit sie sich frei bewegen kann. Und wenn sie in einem jener Räume jemanden angreift, dann leuchten ihre anderen Spiegel und man sieht für jenen Moment ihr wahres Gesicht. Verzeiht, dass ich erst kam, als ich hörte wie ein Spiegel zersplittert, doch Elvira kann selbst mich endgültig vernichten. Und ich fürchte mich davor." Der Geist sah betroffen zum Boden und auch Alexis sah nach unten, allerdings mehr geschockt. "Und wieso...hat er dann bei mir eingegriffen?" fragte er schließlich und Robin schwebte einmal um Alexis herum. "Er mag es, wenn jemand ihm die Stirn bietet und dennoch schön anzusehen ist." sagte er kichernd, doch Alexis verstand es nicht. "Nun, ihr hattet ihm doch gestern widersprochen. Er mag das." sagte Robin weiter und erst jetzt wurde Alexis alles klar. In dem Orgelzimmer...Der Monolog über die Erinnerungen des Schlosses. Bei dem Gedanken, dass dieser simple Einwurf wohl sein Leben gerettet hatte, verspürte er einen Kloß im Hals. "Aber denkt bitte nicht, der Meister ist grausam. Er ist nur immer so alleine, keiner von uns kann sich mit ihm in Gesprächen messen, er war so guter Dinge gestern." sagte der Geist aufbauend, als er merkte, dass Alexis leicht geschockt aussah. Beide schwiegen eine Weile und dann entschloss sich Alexis doch, zu gehen. Robin sah ihm nach, ehe er ihm doch noch etwas nachrief. "Kommt übermorgen wieder! Dann, wenn die Sonne blutrot unterzugehen beginnt! Ich will euch etwas zeigen!" rief er und die Tore schlossen sich. Alexis wusste nicht, ob er kommen wollte, diese doch grausame Persönlichkeit in dem immer freundlich lächelndem Vampir machte ihm Angst. Dennoch begann eine neue Neugierde in ihm zu knistern. Währenddessen kehrte Robin zu seinem Meister zurück, diesmal allerdings quer durchs Gemäuer. Jener saß in dem Sessel und schien sich köstlich zu amüsieren, Amelie saß dagegen schlecht gelaunt in dem nun freien Sessel. "Meister?" fragte Robin überrascht nach, er hatte gehofft, dass der Vampir das plötzliche Verschwinden des Jungen betrauerte, doch dem schien nicht so. "Ah, Robin. Ist er sicher hinaus gekommen?" fragte James lächelnd und der Geist nickte unsicher. "Oh, es ist herrlich. Hast du so etwas schonmal gesehen?" fragte er und Robin schwebte näher heran um zu erkennen, was es war. Das kleine Geschenk des Jungen lag ausgepackt auf dem Schoß des Vampirs und war...eine kleine Spieluhr. "Sie spielt einen Teil der Jubel-Quadrille von dem alten Strauß. Und sieh nur, die kleinen Figürchen von dir, mir und den Brüdern sind alle aus Ton und nicht unbedingt sauber. Er muss gestern die ganze Nacht versucht haben, sie ansehnlich zu machen, um mir das Geschenk zu geben!" sagte der Vampir und drehte die Spieluhr erneut auf und sah den leicht unförmigen Männchen beim Tanzen zu während das Lied spielte. Robin besah sich den Vampir, der mit kindlichem Vergnügen die Spieluhr aufzog und betrachtete und seufzte, erwiderte aber auf Nachfrage nichts. Den jungen Adeligen dürfte dieses ignorante Verhalten wohl verletzt haben, doch dass der Vampir sich so sehr für sein Geschenk begeisterte, war dennoch erfreulich in den Augen des kleinen Geistes. Und die Einzige, die diese Situation nicht für gut befand, was Amelie, die mit der fehlenden Aufmerksamkeit beleidigt im Stuhl versank und wohl den Jungen verfluchte. Nur Elvira sagte nichts, niemandem fiel auf, dass sie überhaupt in den Spiegel des Raumes getreten war. Sie besah sich den Vampiren genau und ein leichtes Lächeln zierte ihre Lippen, ehe sie kopfschüttelnd wieder verschwand. Wahrlich, so ein Mensch war ihr noch nie begegnet. Kapitel 4: Die Orgel -------------------- Wie versprochen wartete Robin bereits hinter den Toren, als sich diese für Alexis ein weiteres Mal öffneten. Doch er sagte kein Wort, hob nur einen der Ärmel zum Mund und schwebte sodann die Treppe hinauf. Verwirrt folgte der Junge ihm und bemerkte schnell, dass sie zum Raum mit der Orgel gingen. Doch schon in der Gallerie hörte er etwas. Die Orgel selbst. Sie gab laut dröhnende, ja beinah erdrückende Kläge von sich und doch...klang es beruhigend. Als sie vor der Tür am anderen Ende der Gallerie ankamen, signalisierte Robin wieder, dass Alexis leise sein solle, ehe er die Tür duchschwebte und Alexis sie vorsichtig und leise öffnete. In dem großen Saal schienen die Töne zu schweben, es schallte und gab dem Orgelspiel eine unglaubliche Kraft, so dass Alexis zunächst nur im Rahmen stand und es nicht wagte, den Saal zu betreten. Als Robin das bemerkte, schwebte er zu Alexis zurück und flüsterte leise in das Ohr das Jungen. Jener war über das Gehörte völlig überrascht und wusste nicht, ob er dem folgen sollte, doch der Geist zeigte mutmachend zur Orgel. Alexis zögerte eine Weile, ehe er dann doch den Saal betrat und die Tür schloss. Langsam ging er zur Orgel, wo James - völlig in das Spiel versunken - saß. Neben der Spielbank zögerte er nochmal, ehe er Robins Vorschlag folgte und sich in etwas Abstand neben den Vampir setzte. Jener sah kurz zu dem Jungen, ehe er wieder seinen Fingern folgte. Auch Alexis beobachtete auch die Finger, allerdings schwer beeindruckt. Sie spielten schnell und doch genau und obwohl es drei Plattformen mit Tasten gab, schien der Vampir immer zu wissen, wo er seine Noten fand. Der Junge wusste nicht, wie lange er zuhörte, doch es war sehr lange, welche Alexis aber nicht langweilig vorkam. Er war vollkommen in der Welt der Musik verschwunden, lauschte dem mächtigen Instrument, dass seine Lieder aus den Röhren stieß und damit den Raum füllte. Er kam sich vor wie in einer Kathedrale, so kräftig erklangen die Lieder aus der riesigen Orgel. Er drehte sich einmal während den Liedern kurz um und schien zu erwarten, die Noten herumfliegen zu sehen und merkte nur erschrocken, dass in dem riesigen Spiegel auf der anderen Seite eine große Frau zu sehen war. Sie hatte einen Pagenschnitt, was sehr ungewöhnlich war und trug ein recht altertümliches Kleid. Sie schaute ernst zur Orgel, nur, als sie den Blick des Adeligen zu bemerken schien, lächelte sie kurz. Und Alexis musste niemanden fragen, um zu wissen, wer wohl die Frau in dem riesigem Spiegel war...Elvira. Schließlich verstummte das Organ und ohne den Jungen mit einem Blick zu würdigen, drehte sich der Vampir um und sah zu der riesigen Frau im Spiegel. "Und? War dir dies genug?" fragte er nach und die Frau nickte, ehe sie verschwand. Alexis starrte in den nun wieder blanken Spiegel, ehe er bemerkte, dass der Vampir nun seinen Blick auf ihn gerichtet hatte. "Keine Sorge, sie wird dir nichts mehr tun." sagte er und Alexis nickte nur. "Wie kommt es, dass du heute eigentlich mein Gast bist?" fragte er nach und Alexis wusste nicht was er antworten solle. Das James allerdings den ertappten Robin flüchten sah und schon ahnte, wieso, das bemerkte der Junge nicht. "Wie dem auch sei..." fing James an, doch Alexis unterbrach ihn eilig. "Ihr spielt großartig!" sagte er und als James sah, mit welchem Ehrlichkeit Alexis diese Worte gesprochen hatte, musste er lachen. "Das freut mich. Wenn man so lange lebt wie ich, dann versucht man, sich Beschäftigungen zu suchen, die einen auch auf Dauer erfreuen können." erwiderte er und Alexis sah nochmal hoch zur Orgel. "Und wieso bist du heute mein Gast? Doch nicht nur, um mich spielen zu hören?" fragte der Vampir nach und Alexis wusste immer noch nicht, was er sagen sollte. Robin hatte ihn neugierig gemacht, das war eigentlich alles gewesen, was ihn hierher getrieben hatte. James beobachtete den Jungen, dessen Gesicht meist mehr verriet als sein Mund und er konnte problemlos erahnen, was dieser dachte. "Du magst Robin, nicht wahr?" fragte dieser schließlich un Alexis sah überrascht zum Vampir. "Er war mein erster Diener und er ist mir treu wie ein Hündchen, auch, wenn ich ihn nie gebeten habe. Oh, und er mag dich auch, so scheint es." sagte James und sah zu einer Wand, als wenn er Robin dort sehen könnte. "Er hat gesagt, er ist...dankbar. Wegen dem Laken." erwiderte Alexis und das James völlig überrascht diesen ansah, war ihm beinahe unangenehm. "Er hat dir von seinem Laken erzählt? Hat er sich dir auch ohne Laken gezeigt?" fragte er nach und wirkte sehr besorgt, doch als Alexis den Kopf schüttelte, schien der Vampir wieder erleichtert. "Weißt du, Robin ist einer der traurigsten Geister, der mir je begegnet ist. So ein armer Junge. Wäre es mir möglich, ich würde ihn freigeben, doch ich kann das nicht tun, nur jene, die ihn zum Sein als Geist verurteilt haben. Doch diese werden es nie einsehen." erklärte er und Alexis fürchtete, ein schlechtes Thema angeschnitten zu haben, doch der Vampir schien zeitgleich darüber reden zu wollen, so hatte Alexis zumindest den Eindruck. "Wie...entsteht denn ein Geist?" fragte er nach und James zuckte kurz mit den Schultern. "Weißt du, so wie ich oder Robin wird man nur, wenn ein Schwur einen an das Diessein fesselt. Sei es große Liebe oder unbändiger Hass." Alexis schaute verwirrt und der Vampir konnte problemlos lachend erraten, dass Alexis die Entstehung von Vampiren anders kannte. "Was...war passiert?" fragte Alexis, doch James schüttelte nur den Kopf. "Das muss dir Robin selbst erzählen, ich habe nicht das Recht dazu." sagte er nur und Alexis senkte den Kopf. Er ahnte, dass etwas schreckliches passiert sein musste. "Und...wie entstandet ihr?" fragte er zögernd nach einer Weile und James sah den Adeligen wieder lächelnd an. "Durch Hass, der Hass erzeugt hatte." Alexis legte den Kopf schief, er verstand nicht, was das bedeuten sollte, doch James hatte diesen Satz nur als Einleitung verwendet. "Weißt du, vor vielen Jahrhunderten hatte ich eine Schwester und sie war mir das Liebste auf der ganzen Welt. Sie war eine Hebamme und machte ihre Arbeit mit Können und Stolz. Zudem sammelte sie Kräuter, auch, wenn es damals als Hexerei verschrien war. Doch Mutter wie Kind überlebten oft nur wegen jenen Kräutern und so verschwiegen die von ihr behandelten Familien zum Dank. Doch...einmal konnte sie nicht helfen. Mutter und Kind starben und als man dann herausfand, dass sie verzweifelt versucht hatte, mit Kräutern den Tod zu stoppen, beschuldigte man sie der Hexerei und das sie die Tode geplant hatte. Sie wurde verbrannt und ich hasste meine Stadt. Aber ich war nur ein Schmied gewesen und einige Dorfbewohner begannen sofort auch mich der Teufelsanbeterei zu beschuldigen. Also ging ich...zu einem wirklichen Teufelsanbeter, einem Ausgestoßenen, der im Wald lebte. Ich kniete vor diesem und flehte ihn an, mir Rache zu gewähren. Er schrieb einen Vertrag aus Blut und ich unterschrieb diesen mit meinem eigenem. Dieser Vertrag gewährte mir die Kraft, jeden zu töten, den ich des Todes würdig hielt. Jede arme Seele, die ich richtete, würde ins Höllenfeuer hinabfallen. Ich ging heim, nahm mir zwei selbst geschmiedete Schwerter und tötete jeden im Dorf, jeden der sie getötet und jeden, der nur anfeuernd zugesehen hatte. Und als alle tot waren, war der Pakt erfüllt und ich starb und meine Seele wurde mit Unsterblichkeit verflucht." Alexis hatte starr zugehört und sah den Vampir ungläubig an. Dieser lächelte traurig, als er nochmal über das Gesagte nachdachte. "Im Nachhinein wäre ich lieber aus Liebe als aus Hass gestorben, doch ich war damals ausser mir vor Wut, Trauer und Hass. Ich konnte nicht verstehen, wieso ein ach so gütiger Gott meine geliebte, fromme Schwester von mir genommen hatte. Und dafür verfluche ich ihn manchmal noch heute. Scheint, als wenn ich letzten Endes nichts dazugelernt habe." schloss er schließlich ab und Alexis überlegte eine Weile. War es im Grunde so einfach, ein böser Geist, ein Dämon zu werden? Konnte tatsächlich ein unbedachter Moment des Hasses...einem Unsterblichkeit auferlegen? "Es ist soweit." kam es plötzlich und erschrocken bemerkte Alexis, dass Elvira wieder im Spiegel war. James sah zu dieser, ehe er meinte, dass Alexis sich umdrehen solle, es wäre nicht schön, was nun käme. Alexis verstand nicht, was gemeint war, fragte aber auch nicht nach, als James aufstand. Dieser ging zur Mitte des Saals und trotz des Befehls, sich umzudrehen, sah Alexis verwirrt zu. "Bereit?" fragte Elvira nach und der Vampir nickte unmerklich. James schien sich kurz zu verkrampfen und plötzlich brachen die großen, schwarzen Schwingen wieder aus seinem Rücken hervor. Und dann stellte er sich aufrecht hin, Flügel und Arme ausgestreckt und schien zu warten. Zu spät bemerkte Alexis, dass nicht er, sondern Elvira eine drastische Veränderung durchmachten. Kaum, dass er wieder zum Spiegel sah, war dieser wieder pechsschwarz, nur ein gewaltiges Auge starrte den Vampir an. Erst im Nachhinein bemerkte Alexis, dass dieses schwarze Etwas sich aus dem Spiegel herausdrückte, erst, als es die Ränder zu verdecken begann, begriff der Junge, was geschah. Das schwarze Ungetüm hatte nun bereits das, was wohl der Kopf war, sowie zwei Arme mit langen Krallen aus dem Spiegel herausgequetscht und verharrte vor dem viel kleinerem Vampir. Und dann ging alles ganz schnell. Es holte mit beiden Klauen aus und zerriss den Vampir vor den Augen Alexis. Jener wollte schreien, doch die Stimme versagte. Als wenn die Zeit angehalten wäre, verharrten die einzelnen, abgerissenen Körperteile des Vampirs in der Luft und dann schien es, als wenn die Zeit sich selbst rückgängig machte. Die Klauen fuhren ein zweites Mal in der selben Bahn durch den Vampir und nun fügte er sich allerdings zusammen. Das Monster verkroch sich blitzschnell wieder im Spiegel und es wie auch Elvira waren fort. James fiel auf die Knie und auch die Flügel verschwanden wieder. Nachdem Alexis mit einem weiteren Blick zum Spiegel sicher gegangen war, dass Elvira weg war, stand er auf und rannte zu dem Mann, der nach Atem rang und zitterte. "Alles in Ordnung?" fragte Alexis panisch nach und das der Vampir nichtmal einen Kratzer hatte, verwirrte ihn im ersten Moment. "Ja. Es tut nur immer wieder weh." sagte dieser und lachte ein wenig. Alexis half dem Vampir beim Aufstehen und stützte ihn auf dem Weg zurück zur Bank. Er traute sich lange nicht und sah einfach zu dem keuchenden James, ehe er sich doch durchrang. "Was...Was war das?" James sah kurz zu dem besorgten Jungen, ehe er wieder zur Decke schaute. "Ich habe einen...Pakt...mit Elvira. Ich verstecke sie in meinem Schloss und spiele ihr etwas vor und dafür schenkt sie mir Energie." Alexis verstand nicht ganz, doch das war James auch so klar. "Du kennst doch die Legende, dass Vampire Blut trinken. Dies ist leider wahr. Doch ich hasse es, Menschen zu töten, um selbst zu überleben. Also lasse ich mich durch das Töten von Elvira immer auf einen Punkt zurückversetzen, wo ich einen vollständigen Blutvorrat habe. So komme ich einen Monat durch ohne auf Menschenblut angewiesen zu sein." Die bewundernden Augen, die Alexis machte, brachten James wieder zum Lachen, doch der Junge fand es mehr als edel, dass der Mann vor ihm eher selbst Leid ertrug, als jemand anderem welches zuzufügen. Vor zwei Tagen hatte er ihn noch für grausam gehalten, nun dachte er, dass der Mann vor ihm wohl einfach nur einsam und daher ein wenig desinteressiert war. "Wieso...müsst ihr die Frau denn verstecken?" fragte Alexis weiter, als sich die Atmung von James wieder normalisiert hatte. "Was, denkst du, ist sie?" fragte er weiter und Alexis zuckte mit den Schultern. "Ein Poltergeist?" fragte Alexis spontan und James musste so laut losprusten, dass er sich verschluckte. "Oh, zum Glück hat sie das nicht gehört. Nein, nein, Elvira ist nichtmal annähernd so etwas wie ich oder Robin. Sie ist einer der obersten Generäle der Hölle." Er lächelte mysteriös, doch schon allein der Satz tat seine Wirkung, dass Alexis unwohl wurde. "Aber...wieso ist sie..." wollte er anfangen, doch James schüttelte nur den Kopf. "Sie hasst es, dort unten zu sein. Es ist ihr zu eintönig, deshalb versteckt sie sich bei mir. Ich beschütze sie in ihrem Spiegel und dafür versorgt sie mich mit Kraft. Würde ich diesen Pakt brechen, würde die Hölle sie sofort finden und verschleppen. Vor allem, weil sie den mächtigen Totentunnel mitgenommen hat." Alexis verstand immer weniger und James seufzte kurz überlegend. "Weißt du, es gibt mehr als Himmel und Hölle. Der Totentunnel ist zum Beispiel der Ort, wo die hinkommen, die selbst das Dasein als Teufel nicht mehr verdienen. Jede Seele, die so schwarz und böse ist, dass sie sich allem widersetzt, wird dort eingesogen und verschwindet auf ewig in einem Reich der Schmerzen. Als sie dich in ihren Spiegel ziehen wollte, hat sie versucht, dich genau dort hineinzuziehen." Alexis wurde zunehmend unwohler bei dem Gedanken, in dem selben Gebäude wie dieses mächtige Wesen zu sein und unsicher sah er nochmal zum Spiegel. James folgte kurz dem Blick, ehe er lachte. "Keine Sorge, ich habe ihr gesagt, dass ich sie an die Hölle verrate, wenn sie das nochmal versucht, sie wird dir nichts antun." Alexis entspannte sich tatsächlich und sah wieder zu dem Vampir. "Aber würdest du dann nicht wieder...Blut trinken müssen?" fragte er nach und der Vampir nickte. "Ja, ohne Elvira müsste ich das." Alexis überlegte kurz. "Was passiert eigentlich, wenn einem Vampir die Energie ausgeht?" fragte er schließlich und James sah kurz betroffen aus, ehe er doch wieder lächelte. "Der Körper stirbt und gibt die unsterbliche Seele frei. In dieser Welt ist es aber nicht möglich, für Seelen zu überleben. Doch meine Seele kann nicht sterben, also wäre sie zu ewigen, unerträglichen Schmerzen verdammt. SO entstehen Poltergeister, es sind durch Schmerz verrückt gewordene Seelen." Alexis schluckte leicht, er stellte sich so ein Schicksal grausam vor. "Aber...wenn ein Vampir aus Hass entsteht, dann stimmt das mit den Sünden der Kirche auch nicht?" fragte Alexis interessiert weiter und der Vampir wog den Kopf hin und her. "Nun, doch, aber nicht genau so. Irgendeine Macht verurteilt tatsächlich nach Taten, doch anderen als denen, die die Kirche vorschreibt. Die hat sich einfach Sünden ausgedacht und zudem so einen Unsinn wie den Ablassbrief ausgedacht, um reich zu werden. Nein, wer liebt, barmherzig und gütig ist, der wird ein Engel werden und im Himmel Frieden finden. Ich bin einmal dort hoch geflogen, bis ich an eine unsichtbare Wand kam. Ich habe sie gesehen, sie sind wunderschöne Lichtgestalten mit strahlenden Schwingen. Ein Engel zu sein, muss herrlich sein und ich bin sicher, meine Schwester ist auch dort oben. Wer jedoch grausam ist, tötet und keine Gnade kennt, der findet in der Hölle als zum Schmerz aushaltenden Teufel sein Dasein." "Oder im Totentunnel." erweiterte Alexis und James sah ihn kurz überrascht an, ehe er amüsiert lächelt. "Du passt wirklich sehr gut auf." sagte dieser und strich dem Jungen durch sein blondes, kurzes Haar, welcher wieder errötete. "Hört auf damit, sowas gehört sich nicht zwischen Männern." erwiderte Alexis, doch der Vampir lachte nur. "Sagt wer? Die Kirche? Deine Eltern? Weißt du, oft ist gerade lieben der schwerere Weg als Verurteilen. Wer auch immer darüber entscheidet, was Sünde ist und was nicht, lieben ist nie schlecht gewesen. Und da macht es keinen Unterschied, ob nun die Mutterliebe, die Geschwisterliebe oder die partnerschaftliche Liebe gemeint ist. Und es gibt schlimmeres, was du dir laut deiner Gesellschaft voller Regeln der Kirche antust, als von mir, einem Mann, den Kopf gestreichelt zu bekommen." Alexis wollte nachfragen, was der Vampir meinte, doch der wandte sich ab und sah durch die großen Fenster. "Es wird dunkel, du solltest nach Hause gehen. Es freut mich zwar, dich hier bei mir zu haben, du bist mir eine mehr als angenehme Gesellschaft, doch deine Familie könnte sich sorgen." erklärte er und Alexis fühlte sich beleidigt, er war mit seinen 20 Jahren bereits lange erwachsen, doch der Vampir behandelte ihn wie ein Kind. Im Nachhinein fiel Alexis allerdings auf, dass er als Vampir vermutlich noch ein frühgeborenes Baby wäre. Er widersprach der Aufforderung nicht, sondern ging zum Eingangstor, nun allerdings begleitet von James. Dieser schob eine der Türen offen und wünschte ihm auch eine angenehme Nacht. Und gerade, als sich Alexis zum Gehen wandte, fiel dem Vampir noch etwas ein. "Komm ind drei Tagen, wenn die Sonne untergeht. Ich plane einen Ball und ich möchte gern, dass du mein Ehrengast bist." Ohne Alexis die Möglichkeit zu geben, ihm zuzusagen oder abzuweisen, schloss er dann das Tor und Alexis ging heim. Das Sophie nach ihm gefragt hatte, interessierte ihn heute herzlich wenig. Er hatte heute so viel gehört und so viel gesehen, dass sein Kopf für nichts anderes Platz fand als für den Vampir, sein Schloss und seine wunderlichen Mitbewohner. Kapitel 5: Der Ball ------------------- Madame Dupont war mehr als erfreut, als sie sah, wie fein sich ihr Sohn herrichtete, war sie doch fest in dem Glauben, er würde so Sophie besuchen, wie er es erzählt hatte. Das er auf einen Ball gehen würde, den ein Vampir aus England gab, das würde die Mutter wohl dagegen zu Tode erschrecken. Doch Alexis freute sich auf dieses Ereignis, ein Ball, den dieser Magier gab, das musste etwas sehr besonderes sein. Ihm fiel erst beim Anbringen seines Parasite auf, dass er überhaupt nicht wusste, wer noch zu jenem Ball ging. Seine Mutter schien von keinem Ball zu wissen und schnell ahnte der Junge, dass es wohl nicht die üblichen Gäste sein werden, die er auf einem Ball erwarten kann. Er wusste nicht, ob er dies als gut befinden sollte und erwog, einfach abzuwarten und zu sehen, was passieren würde. Als er sein Aussehen für gut befund, war auch schon die Dämmerung eingetreten und er verabschiedete sich von seiner Mutter und zog los. Er achtete darauf, den Weg gen Sophie zu gehen, so lange er sein Haus noch sehen konnte, denn seine Mutter könnte ihn durchaus beobachten. Erst, als das feine Herrenhaus seiner Familie ausser Blickweite war, ging er zum Marktplatz, wo das Schloss beinahe noch düsterer und unfreundlich da stand. Kurz überlegte Alexis, ob er vielleicht den falschen Tag verstanden hatte, da in keinem der Fenster Licht brannte. Doch kaum, dass er vor den Toren stand, öffneten sich diese und seine Überraschung war groß. Zum ersten Mal sah die Eingangshalle wahrlich prächtig aus, sie erstrahlte in Gold und Holz, der rote Teppich wirkte wie ein Fluss, der einem den Weg weisen wollte und nichts deutete auch nur annähernd an den verwahrlosten Zustand an, den der Saal sonst immer hatte. Er ging schnell hinein, damit nicht jemand der umliegenden Häuser jenen Schein sehen konnten und war mehr als überrascht, dass ihn niemand empfang, den er kannte. Stattdessen stand vor ihm in der Mitte der Halle ein Junge im Alter von wohl 12 Jahren. Er war fein herausgeputzt und hatte seine dunkelblonden Haare zu einem kleinen Zöpfchen gebunden. Unsicher ging Alexis näher heran und der Junge verbeugte sich. "Wie schön, dass ihr tatsächlich gekommen seid, der Meister wartet schon." Wie erstarrt musterte Alexis den Jungen vor sich, der sich wieder aufrichtete und ihn fröhlich lächelnd ansah. "Robin?" fragte er unsicher nach und der Junge nickte, ehe er überrascht an sich herunter sah und lachte. "Oh, verzeiht, ich habe vergessen, dass ich mein Laken heute nicht trage. Bei diesem Ball bittet mich der Meister immer, mein Laken nicht zu tragen, um nicht unhöflich zu erscheinen." Alexis starrte den Jungen an, er verstand nicht, wieso der Kleine überhaupt ein Laken trug. Er war ein schön anzusehendes Kind, strahlend grüne Augen und feines Haar, auch die Kleidung war durchaus elegant, wenn auch vielleicht nicht unbedingt die aktuellste Mode. "Dann folgt mir bitte, es sind auch schon fast alle Gäste da. Ach ja, und tragt diese Maske, der Meister hat vergessen, zu erwähnen, dass wir einen Maskenball feiern." sagte der Junge, reichte Alexis eine in blau getönte Schnabelmaske und setzte selbst eine simple Maske mit Augen- und Mundschlitz auf. Dann drehte sich Robin um und ging vor und erstmals begriff Alexis, wieso der Junge wohl sein Laken so sehr liebte. Was man von vorne nicht ahnte, erschlug einen förmlich, wenn man die Rückseite des Kindes sah. Die schöne Jacke, die zarte Haut, alles war völlig zerfetzt, als hätte man stundenlang auf ihn eingeschlagen. Es blutete, als wäre es gerade erst geschehen, doch vermutlich ist das bei Geistern so, zumindest schien Robin keine Schmerzen zu haben. Der drehte sich verwirrt um, da Alexis ihm nicht folgte, welcher sich dann doch besann und mit ihm die Treppe hochstieg, während er sich die Maske aufsetzte. Erstmals gingen sie den Gang oberhalb der Treppe bis zum Ende durch und die riesigen Tore dort öffneten sich. Ein riesiger, ebenfalls fast völlig in Gold getauchter Thronsaal offenbarte sich und sicherlich um die zweihundert Gäste drehte ihre Köpfe zur Tür, allesamt mit Masken verschleiert. Alexis war es mehr als unangenehm, dass man ihn so anstarrte, doch da müsste er wohl nun durch. Er folgte dicht dem Geisterjungen, der flott den Saal durchquerte. Die Maskengesichter folgten ihnen, doch Alexis konnte nicht ausmachen, wer oder wohl besser was unter diesen war. Der Saal war lang und es kam Alexis vor, als wenn sie Stunden bräuchten, bis sie endlich vor den Stufen zum Thron standen. Dort stand James, ebenfalls maskiert und hinter ihm auf einem Schemel war Amelie, welche allerdings nur eine halbe Gesichtsmaske hatte und nach wie vor nicht glücklich wirkte. "Wie schön, unser Ehrengast ist da." sagte James und aus der Menge kam leises Kichern. Langsam wie ein König stieg James die Treppe hinab und Robin ging einen Schritt zur Seite, so das der Vampir auch direkt vor dem Adeligen stehen konnte. "Oh, wir haben alle sehnsüchtig darauf gewartet, dass du erscheinst. Ich hätte den Ball niemals begonnen ohne dich." sagte James und küsste Alexis die Hand, was ihm zwar unangenehm war, doch er rührte sich nicht und sagte auch nichts. "Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich mit dir dann gerne den Ball mit einem Tanz eröffnen." sagte er und sofort ging Alexis einen Schritt zurück. "Mit mir? Solltet ihr das nicht besser mit einer Frau tun?" Mit einem Schlag brach Gelächter unter den Gästen aus und auch James zeigte ein Lächeln unter dem Rand seiner Maske. "Oh, wie unhöflich, den Gastgeber abzuweisen." sagte er und sofort wurde Alexis rot, dennoch gab er nicht nach. "Nun, ich fürchte, unser junger Ehrengast hat doch nicht alles behalten, was ich gestern zu sagen versucht habe." sagte er weiter gut hörbar und wieder kam leises Gelächter auf. Er ging an Alexis vorbei, welcher sich umdrehte und zusah, wie der Vampir zur Mitte des Saales ging. "Es tut mir unendlich leid, meine Damen und Herren. Aber könntet ihr mir den kleinen Gefallen tun und zumindest für einen kurzen Moment eure Masken abnehmen? Ich bin sicher, dass unser Gast dann seine Scheu verlieren wird." Wieder kam Gelächter auf, ehe tatsächlich jeder Gast, egal, ob Frau oder Mann, die Hand zur Maske hob und jene abnahm. Und sofort stoplerte Alexis zurück, als er sah, was sich unter den prächtigen Abendkleidern und den schimmernden Masken verborgen hatte. Eine gewaltige Versammlung von Dämonen war hier, ob wandelnde Skelette oder Untote, Teufel oder Hexen. Einige begannen wieder zu kichern bei dem verängstigten Blick mit dem sich Alexis umsah. Doch dann setzten auch schon alle wieder ihre Masken auf und schienen wie normale Adelige, die die Masken zum Amüsieren trugen. "Nun?" fragte James, immer noch in der Mitte des Saales und Alexis wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. "Ich hatte gesagt, dass du Dinge tust, die die Kirche und auch sonst jeder weitaus mehr verurteilen könnte als einen Kuss oder einen Tanz mit einem Mann. Immerhin bist du...auf meinem Totenball." Die Menge applaudierte und Alexis bereute mittlerweile ein wenig, gekommen zu sein. Er war umgeben von Monstern und er glaubte nicht wirklich, dass alle hier ebenso nett waren, wie Robin oder der Vampir. "Oh, falls du befürchtest, jemand hier will dir böses, keine Sorge. Du bist mein Ehrengast und als solcher hat niemand das Recht, dir auch nur ein Haar zu krümmern. Für heute Nacht bist du wie wir in unseren Augen. Also sieh uns einfach an als die Deinen. Es sei denn, du möchtest lieber heim und dort auf deinem Bett ein wenig beten?" Die Menge lachte wieder auf bei James Äußerung und Alexis wurde rot, was man aber dank der Maske nicht sah. Gekänkt ging er auf James zu und gab mehr als deutlich, wenn auch ohne ein Wort, zu verstehen, dass sie dann tanzen sollen. Wieder bildete sich ein Lächeln unter der Maske des Vampirs und er hob die rechte Hand, ein Zeichen, dass die Musik beginnen solle. Instrumente, wo auch immer sie waren, begannen, einen sanften Walzer zu spielen und James wie auch Alexis verbeugten sich, ehe sie zu tanzen begannen. Amelie schnaufte kurz verärgert aus, Robin dagegen sah mehr als glücklich aus bei dem Anblick. Auch die Gäste waren still, erst nach und nach begannen auch sie zu tanzen. Und auch Elvira lauschte, auch, wenn sie nichts sehen konnte, denn James hatte ihren Spiegel zur Vorsicht mit einem gewaltigem Tuch abgedeckt, damit sie nicht in Verführung geriete. Doch sie war auch nicht gesinnt, den Vampir an diesem Abend zu verärgern. "Unverschämtheit, dieser Mensch!" klang es plötzlich leise zischend unter Elvira und sie konnte auch unter ihrem Laken erkennen, wer da sprach. Drei Frauen, wohl die Sirenen, lehnten sich verärgert gegen die Wand und besahen sich den Tanz, den James und Alexis führten. "Wäre er nicht Ehrengast, ich hätte ihn in Stücke gerissen." sagte eine der Dreien und die anderen Zwei nickten. Elvira kicherte und die drei erschracken erst, ehe sie die Frau unter dem Tuch sahen. "Was ist so lustig? Findest du es so amüsant, dass ein Sterblicher unter uns weilt?!" flüsterte eine der Dreien erbost, doch Elvira lehnte sich nur in die untere Ecke und lachte die Sirenen leise aus. "Ihr würdet euch unermessliche Schmerzen zusetzen, wenn ihr dem Jungen was antut, Ehrengast oder nicht." sagte sie und die Frauen wurden zusehends wütender, auch, wenn sie sich zusammenrissen, um nicht aufzufallen. "Gerade du als Teufelsgeneral solltest Menschen doch verachten, wieso also so sympatisch?!" Elvira zuckte mit den Schultern und lachte die Drei wieder aus. "Hör auf, uns auszulachen!" keifte eine und hätte sie keine Maske, man hätte sicherlich gesehen, dass sie rot im Gesicht war vor Wut. "Gerade ich werde dem Jungen nichts antun. Er ist zum einen sehr interessant und andererseits auch wieder das, was James mittlerweile bei Sinnen hält, nicht den Pakt zu brechen, welchen wir geschlossen haben." Die Siren schnaubten verächtlich. "Ach ja, dieses nette Abkommen, dass er dich versteckt und du ihn fütterst. Sei ehrlich, was wäre schon so 'verrückt' an dem Gedanken, dich rauszuwerfen?" meinte eine, doch Elviras geradezu wahnsinnig wirkendes Lächeln ließ die Drei ein wenig zurückweichen. "Ihr kennt wohl auch nur die Version, dass er dann nunmal wieder jagen muss und ich in die Hölle komme, nicht wahr?" Die Drei reagierten nicht, Elvira nahm dies allerdings als Bestätigung. "Nun, lasst mich eins sagen, ich verdanke ihm meinen Titel als General...und er mir sein Leben. Und wenn er seinen Pakt bricht, dann ist es Selbstmord." Die drei Frauen sahen sich unsicher an und Elvira lachte sie wieder leise aus. "Ein Vampir kann nicht sterben!" meinte eine selbstsicher, doch Elviras bedrohliches Lächeln war wie eingemauert. "Oh, ICH kann einen Vampir töten... Wisst ihr...Ich habe ihn erst...zu einem Vampir gemacht." Sofort wichen die Drei noch weiter zurück, der Zentaur, den sie dabei anstießen, ignorierten sie. "Wie...?" Elvira richtete sich wieder etwas auf, dennoch blieben das Lächeln und ihr Blick auf die drei Damen gerichtet. "Ach, da war so eine Ausgestoßene im Wald. Es war eigentlich ein Teufel, der geflohen war. Doch dieser Teufel hat tatsächlich innerhalb weniger Stunden 186 Seelen direkt in die Hölle fahren lassen. Sowas lässt einen schnell...zum General aufsteigen. Doch ich hasste die Hölle sowieso. Also nahm ich mein Amt an und zog bei meinem Wohltäter ein." James und Alexis tanzten und obwohl Alexis darüber beschämt war, brach er den Tanz nicht ab, der schon eine Weile andauerte. Er starrte einfach nur die Maske vor sich an, wo das Einzige, was man erkennen konnte, ein Teil des Mundes war und die roten Augen, die durch die kleinen Schlitze der Maske blitzten. Und gerade jene hatten es dem Jungen angetan, im Nachhinein schon seit der ersten Begegnung waren diese roten Augen ein Sinnbild der Faszination geworden. Sie von Nahem anzusehen, war, wie mit dem Tod zu spielen, sein Schicksal risikovoll über ein dünnes Seil laufen zu lassen. Doch auch der Vampir ahnte, was für Konsequenzen es haben könnte, sich zu sehr von dem schönen Jüngling bezirzen zu lassen. Seine Gäste mussten es heute akzeptieren und auch sonst mischt sich für gewöhnlich keiner in die Angelegenheiten des Anderen ein, Gesetze gab es nicht, die missachtet werden könnten. Doch er konnte den Jungen anderweitig in Gefahr bringen. Durch Wesen, die Gesetze hatten. Die Menschen selbst. Sollte irgendwer auch nur erahnen, dass sich Alexis mit etwas abgab, dass nicht Mensch war, es würde genauso ablaufen wie mit seiner Schwester. Sowas würde, sowas wollte er nicht tolerieren, nicht nochmal erleben und doch gab er der Versuchung nach, einen Menschen in seine Welt des Ausserweltlichen zu locken und ihm Dinge zu zeigen, die ihn durchaus zu sehr in ihren Bann ziehen könnten. Elvira war da nur ein Beispiel. Bald könnte sein Schloss die Neugierde des Jungen nicht mehr zügeln. Falls er bis dahin nicht an etwas verstarb wie viele Menschen heutzutage. Allein die Vorstellung war etwas, das James unangenehm war. Die Tatsache neu zu erlernen, dass Menschen...sterblich waren. Sie waren so fragil und hilflos. Eine Krankheit, ein Überfall, ein Unfall oder das Alter. Irgendwann gingen sie alle dahin und das ohne Ausnahme. Und er wollte dies nicht wieder durchmachen. Wären die Gerüchte wahr, dass ein Vampirbiss einen neuen Vampir erschaffen würde, er würde es tun, er hätte es schon längst getan. Doch mehr als den Tod brachte solch ein Biss nicht. Doch zumindest ein Gutes nahm in James Gedanken Form an. Seine verfluchte, ewige Existenz hasste er, seit sie begann. Doch dank ihr...war es ihm möglich...nun zumindest für eine Weile wieder das zu fühlen und zu erfahren, was einem Menschen gegönnt ist: Verlangen. "Du lügst!" zischte eine der Sirenen, doch Elvira ging nichtmal darauf ein. "Oh, dieser Pakt ist im Grunde nur für mich von Vorteil, selbst, wenn er gebrochen wird, ist der Einzige, der unermesslichen Schaden nimmt, er. Denn schließlich wird mit Beendigung unserers Paktes...seine Existenz in die eines wirren Geistes versetzt." Die Frauen starrten die schmunzelnde, riesige Frau sprachlos an. "Nein... Nur wenn der Körper stirbt, wird ein..." "Idioten! Was wisst ihr von den Gesetzen des Todes? Unser Pakt ist klar und deutlich. Wenn er unseren Pakt bricht, werde ich seinen Körper vor meiner Abholung zerreißen und seine Seele verschlingen. Und ich denke, es ist allgemein bekannt, woraus Teufel bestehen." Die Frauen starrten zunehmend verängstigt zu dem Spiegel hoch. "Albträume..." keuchte eine und Elvira amüsierte sich köstlich. "Der besten Sorte. Stellt euch das vor, eine Seele, verrückt von Schmerzen, in einer Welt, die nur noch grausamer ist. Oh, die Schreie einer verzweifelten Seele werden wundervoll sein und mir meine Rachegelüste sicherlich befriedigen." sagte Elvira und sah so zufrieden aus, dass die drei Sirenen schließlich flohen. Das kümmerte die Spiegelfrau aber nicht. Sie schaute kurz auf ihren Arm, wo ihr Kleid einen kleinen Riss hatte und dann auf den Rand ihres Spiegels, welcher eine kleine Macke hatte. Das James doch tatsächlich in seiner Wut ihren Spiegel und damit ihren Pakt zerstört hätte, nur wegen einem Menschen... Oh, der Junge hatte ihr Interesse geweckt. Wenn ein vernunftbegabtes Wesen wie James bereit ist, die grausamsten Qualen zu ertragen, nur, um einen Anderen vor dem Tod zu bewahren, dann war es wirklich eine interessante Sache. Sie bedauerte fast, dass James sie verdeckt hatte. Natürlich hätte sie die anderen Gäste angegriffen, aber sie würde zu gern sehen, wie James mit dem Jungen tanzte. Doch das war ihr nicht möglich, also lauschte sie noch etwas der Musik, ehe sie sich entschloss, in den Orgelsaal zu gehen und durch die Fenster zu schauen. Die Welt oberhalb der Hölle hatte wirklich einen ganz eigenen Charme mit ihren Sternen, den Häusern und den Tieren. "Es war mir eine Ehre, dass du meinen Ball besucht hast." James gab Alexis nochmal einen Kuss auf die Hand, welcher es nun sogar relativ gelassen hinnahm. Er hatte nach dem Tanz noch mit allerlei Kreaturen gesprochen und jene gaben zwar zu, dass sie ihn nur akzeptierten, weil er ein Ehrengast war, doch sie wussten allerlei zu erzählen, was er noch nie gehört hatte. So hatte es im Süden Reiche gegeben, in denen es Sitte war, neben einer festen Ehefrau sich Lustknaben anzuschaffen. Oder es gab Reittiere mit zwei Buckeln statt einem. Und irgendwo in Afrika, dem Kontinent hinter dem Meer, gibt es Menschen, die noch nie auch nur Kleidung gesehen haben. Es gab so vieles, was er noch nicht wusste. Und wen auch immer er gefragt hatte, alle hielten die vorherrschenden Gesetze für Unsinn, vor allem die Kirche. Im Osten gäbe es so viele unterschiedlichen 'Kirchen', die alle andere Gesetze haben, andere Oberhäupter und andere Gedankengänge und vor allem mitunter mehr als nur einen Gott. Es war wirklich erstaunlich, wie klein seine Welt doch gewesen war. Und das verdankte er nur James. Auch, wenn in ihm immer noch ein Widerstand exestierte, er wollte sich nicht von Gesetzen bevormunden lassen, die wohl eindeutig an den Haaren herbeigezogen wurden, wenn selbst die Toten es besser wussten. Es war ihm peinlich, es bereitete ihm ein Schamgefühl und doch...akzeptierte er es. "Es war mir eine Ehre, diesem Spektakel beiwohnen zu dürfen." erwiderte Alexis und James sah ihn kurz überrascht an, ehe er lächelte. "Freut mich, dass es dir gefallen hat." sagte er und beließ es auch dabei. Er wünschte dem Jungen eine gute Nacht und schloß die Tore hinter ihm. Beinahe beflügelt schritt Alexis nach Haus, der Abend war wirklich etwas Besonderes gewesen. Nie zuvor hatte er ein solches WirrWarr der Gefühle verspürt. Doch seine Freude verfolg schlagartig, als er zuhause ankam und Sophie neben seiner Mutter stand. Sophie sah betroffen zur Seite, seine Mutter dagegen streng zu ihm. "Wo treibst du dich herum, wenn nicht bei deiner Verlobten wie versprochen?!" Alexis stand da und schwieg. "Ist da ein anderes Mädchen, hast du es etwa gewagt?!" schrie Madame Dupont, doch immer noch schwieg Alexis und nur Sophie schien zu sehen, dass in seinen Augen die ganze Wahrheit stand. Zur Strafe ließ die Mutter seine Fußsohlen auspeitschen und gab ihm Arrest, was Alexis aber nicht kümmerte. Er wusste es nun besser als alle Anderen. Und Sophie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte es klar gesehen. Als die Mutter ihn fragte, ob da jemand anderes wäre, hatten seine Augen geradezu geschrien, dass es die Wahrheit ist... Kapitel 6: Die Entdeckung ------------------------- Der Arrest hatte viele Tage gedauert, doch Alexis hatte nichts erzählt und schließlich gab seine Mutter es auf, wenn auch mit der Auflage, von nun an Alexis zu Sophie zu begleiten, um sicherzustellen, dass er auch dort ankomme. Alexis akzeptierte diese Auflage. Denn nachts erschien immer Robin vor seinem Fenster und brachte Nachricht von James, welcher sich schämte, Alexis Schwierigkeiten gemacht zu haben. So fungierte der kleine, nun wieder mit einem Laken bedeckte Geist als Möglichkeit, dennoch bei dem Vampir zu sein, der den Jungen so faszinierte. Und wenn er dann zu Sophie musste, dann schwieg er auch bei ihr, doch sie fragte auch nicht. Ihr war schon immer klar gewesen, dass er sie nicht liebte, dennoch traf sie der Schlag hart, als sie erkannte, dass zumindest eine kleine Flamme in seinen Augen für jemand anderen loderte als sie. Doch sie selbst wusste zu gut, wie es ist, wenn der, den man liebt, einen nicht beachtet. Und so verschwor sie sich am sechsten Tag mit dem jungen Alexis. Er käme zu ihr und sie lasse ihn dann gehen. Das Alexis so überglücklich über diesen Plan war, verletzte sie noch mehr, doch sie wusste, dass es nicht zu ändern war. Sie liebte ihn. Und wenn sie ihre Liebe nicht erfüllt bekam, so sollte doch zumindest der, dem sie diese gab, glücklich sein. Jeden Abend sah sie zu, wie er in der Stadt verschwand und wusste nicht, wohin. Und sie weinte jeden dieser Tage so bitterlich, dass wohl ein jeder Mitleid mit dem armen Mädchen hatte, dass mehr Liebe zu geben hatte als das jemand sie empfangen konnte. Und doch verfluchte sie weder Alexis noch die Person, der Alexis entflammte Leidenschaft gehörte. Denn ihr Herz war zu sanftmütig und gut, um so etwas zu verspüren. Nur ein wenig Trauer für sich selbst, mehr erlaubte sie sich nicht. Und wann immer ihre Tränen zur Neige gingen, stand sie auf und ging zum Klavier, auf dem sie dann spielte, bis Alexis zurückkehrte. Und wenn sie dann sein vor Glück strahlendes Lächeln sah, dann lächelte sie auch selbst und nahm sich jeden Tag aufs Neue vor, über diese unschuldige Liebe, die ihre eigene und jene von Alexis war, zu wachen und sie zu beschützen. Ob vor den Eltern, der Kirche oder der ganzen Welt. Nur sie. Nur sie wollte sein stetiger Beschützer sein in einer Welt, in der die Liebe ausserhalb der Ehe verschrien und belächelt wurde. Und vielleicht würde auch sie das Glück finden, dass Alexis ihr dann decken könnte. Alexis derweil ahnte nicht, dass er seine liebe Sophie so schwer traf mit jedem Mal, das er das Schloss des Vampirs besuchte. Zu groß war die unbändige Freude, die er jedes Mal verspürte, wenn er vor den Toren war. Mittlerweile hatte er auch erfahren, was die Brüder waren. Sie hatten es wohl ebenfalls schwer, denn sie waren ebenfalls tot, allerdings keine Vampire, einfach nur simple Untote. Sie können nicht sprechen und nicht fühlen, sie exestieren nur und befolgen Befehle. Eine schlimme Existenz, wie Alexis fand, doch James respektierte sie, auch, wenn sie es nicht verlangten. Und immer öfter durchschlich Alexis auch das Haus, so entdeckte er, dass im Keller des Schlosses ein großes Becken mit zwei Meerjungfrauen war. Diese waren zwar Menschenfresser, doch so lange man von ihnen fern blieb, waren sie einfach nur wunderschöne Wesen mit Stimmen wie Gold. Auch erkannte er schnell, dass eine gewaltige Spinne auf dem Dachboden hauste, welche allerdings nur Interesse für Insekten zeigte, auch, wenn diese unendlich kleiner waren als sie selbst. James meinte sogar einmal, als er in Nordaftika gewesen war, wäre er auf ihr geritten, etwas, das sich Alexis nicht vorstellen konnte. Auch das Leben innerhalb der Bilder hatte sich ihm endlich offenbart. Jedes Bild war eine eigene Welt mit Bewohnern. Selbst in den Stillleben glitzerte die Sonne, die das Fenster im Hintergrund hineinließ. Und die menschlichen Bewohner hatten ein gewaltiges Vergnügen, zu tratschen. Vor allem Amelie schien ihr Lieblingsobjekt zu sein, kaum, dass sie sich an Alexis gewöhnt hatten, schrien sie ihm förmlich nach, was die Katzenfrau wieder ausgeheckt hatte. Jene war auch die Einzige, die ihm feindlich gegen über war. Sogar Elvira ließ sich ab und zu zu einem kleinen Gespräch ein, wenn sie gerade im Zimmer war. Sie war zwar respektlos, doch abweisend war sie nie. Selbst, wenn James seltsamerweise mal aus war, so konnte er frei im Schloss herumlaufen und die vielen Geheimnisse ergründen. Ein Raum war zum Beispiel vollkommen schwarz. Es gab keinen Boden und keine Decke, es war einfach nur Nichts. Doch wenn man in dieses Nichts lauschte, dann hörte man Stimmen der Vergangenheit. Das hatte Alexis durchschaut, als er sich selbst hörte, was er vor drei Tagen gesagt hatte. Oder auch der Gang, in dem es gewittert. Dort gab es kein Dach, man konnte direkt den Himmel sehen. Und wenn es regnete, dann regnete es einen nass bis auf die Haut in jenem Gang. Das das Wasser dabei aber nie in einen anderen Gang floss, verwunderte ihn. Wenn es heftig stürmte, konnte man die Tür öffnen und eine Wand aus Wasser sehen, die sich nichtmal eine Winzigkeit über die Türschwelle traute. Oh, dieses Schloss war ein Wunder selbst in Alexis Augen. Nichts beeindruckte ihn mehr als jenes Schloss. Ausser James selbst, wohl bemerkt. Und dieses Interesse beruhte auf Gegenseitigkeit. Immer wieder testete James mit kindlichem Vergnügen, ob Alexis auch aufpasste oder allgemein schlau war. Er baute immer kleine Fehler ein oder ließ Dinge offen und wartete ab, ob Alexis es bemerkte und berichtigte. Es war wie ein Wettkampf, den nur James wahr nahm. Alexis dagegen vermenschlichte den Vampir zusehends und deutete ihn als ein wenig schusselig, was jenen aber nicht störte. Es war einfach eine friedliche Co-Existenz der Beiden, sie lebten nicht zwingend in der selben Welt, doch dennoch nah genug, um miteinander zu leben. Und vor allem Alexis veränderte sich zunehmend. Er widersetzte sich Regeln und vertraute nur noch dem, was er als glaubhaft befund. Oder was James ihm sagte. Er war die einzige Konstitution, der er alles glaubte, der er vertraute, dass sie ihn nicht anlog. Sollte dieser sagen, dass das Küssen eines Frosches zur Wiedergeburt als Frosch führen würde, Alexis würde es glauben. James war für ihn ein Lehrer, der einem völlig unwissendem Kind die Welt offenbahrte. Und Alexis wollte alles wissen. So erfuhr er, dass die Meerjungfrauen vor ein oder zwei Jahrhunderten in einer Völkerschau, in seinem Land hieß es 'Freak Show' dabei gewesen waren. Als er erkannte, dass sie echt waren, stahl er sie und zog seitdem mit ihnen umher. Allerdings gab er ihnen nie Menschen zum Fraß, sie fanden sich mit Rind ab und auch das Jagen hatte er ihnen abgewöhnt. Auch die Spinne war ein Zufallsfund, den er im Dschungel Afrikas gemacht hatte. Sie hatte einfach in einem jener Bäume gesessen und ein riesiges Netz gebaut. Er hatte befürchtet, dass man sie irgendwann finden und entweder töten oder ausstellen würde. Und so nahm er auch sie mit, wo sie sowieso schon so friedlich war. Die Bilder sind dagegen einfach schon immer so gewesen. Das James meinte, alle Bilder würden leben, machte Alexis ein wenig Angst, da auch er Bilder besaß, doch James beruhigte ihn. Nur in Gebäuden, in denen magische Wesen waren, zeigten sie ihre magische Kraft des lebendig werdens. Wenn alles, was Alexis lernte, eine Seite eines Buches wäre, er würde mindestens drei Bücher jeden Tag nach Hause tragen. James wusste einfach immer etwas zu erzählen oder zu zeigen und Alexis wurde nicht müde, alles aufzusaugen, was James ihm an Informationen gab. Und so ging die Prozedur nahezu jeden Tag im selben Ablauf. Alexis ließ sich von seiner Mutter zu Sophie bringen, diese ließ ihn gehen. Dann lief er eilig zum Schloss und verbrachte dort den Tag mit James und den Anderen, ehe er wieder zu Sophie zurückkehrte und von dort nach Hause. Mit jedem Tag stieg die Neugierde in Sophie, wer es geschafft hatte, Alexis Herz zu erobern. Nach wie vor war kein Hass in ihren Gedanken, nichtmal Neid. Sie wollte einfach nur der Person gegenüber stehen und sich dann geschlagen geben. Wie der letzter Flügelschlag eines sterbenden Vogels wollte sie sich doch noch einmal in die Gefühle Alexis einmischen und dann loslassen. Doch als sie einmal nachfragte, versteinerte Alexis sonst so glückliches Gesicht sofort und er schwieg. Er sagte immer nur, dass es zu gefährlich wäre, wenn sie es wüsste und Sophie ahnte, dass er sich mit jemanden anbandelte, der nicht üblich war. Etwa mit einer Obdachlosen? Oder mit einer Nonne? Es musste wohl eine Beziehung sein, die so sehr gegen die Regeln verstieß, dass selbst Mitwisser gefährdet waren. Die Wahrheit ahnte Sophie allerdings nicht einmal. Lange fragte sie nur und ließ ihn gehen. Ihr Herz wollte ihm stehts folgen, doch sie hielt es zurück, auch, wenn sich nun Besorgnis hinzuschlich. Ein Fremdgang war ein Vergehen, doch es musste etwas sein, dass die Strafe um so ein vielfaches erhöhte, dass er sich weigerte, auch nur ein Anzeichen zu geben, wen er liebte. Denn das es einfach nur aus Bosheit war, dass glaubte sie nicht. Nie hatte Alexis ein Geheimnis ihr gegenüber gehabt, wenn er nun eines hatte, dann war wohl jede Besorgnis begründet. Sie kannten sich als Kinder und auch als junge Leute, sie kannte ihn besser als jeder Andere auf der Welt und sie wusste, dass Alexis sich sehr veränderte. Es freute sie und zugleich fürchtete sie es ein wenig. Denn manchmal, bevor seine Mutter kam, sprach er sie argwöhnisch auf ihr Kreuz an oder meinte, sie solle nicht zu oft beten. Er wurde freidenkerischer und das so schnell, dass es Sophie Angst machte. Sie wusste einfach nicht, zu wem er wurde, ihr geliebter Alexis. Und wieso. Wegen wem. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, ihre Neugierde siegte. Sien ließ ihn gehen und folgte ihm. Sie war nur wenige Meter von ihm entfernt, doch sie war ihm nie gefolgt, so ahnte er nichtmal, dass er verfolgt wurde. Unbeirrt eilte er durch die Gassen zum Schloss und Sophie war mehr als erschrocken, dass er jenes verwahrloste Gebäude mit soviel Freude betrat. Sie wartete bis zur Nacht und tatsächlich kam er wieder heraus, beinahe noch glücklicher als bei seinem Eintritt. Schnell eilte sie wieder nach Hause und empfing ihn dort. Sie selbst wusste nicht, dass ein englischer Adelsmann das Schloss erstanden hatte, sie hatte noch nie solcher Klatsch interessiert. Doch nun wurde ihr zusehends mulmig. Und so folgte sie ihm immer wieder, wagte es jedoch nicht, das Schloss zu betreten. Viele Tage vergingen so und immer harrte sie aus bis Alexis das Schloss verließ. Selbst, als schließlich der erste Schnee fiel, harrte sie in der Kälte aus und wartete. Nie brannte ein Licht im Schloss und nie kam jemand mit hinaus. Es war, als wenn Alexis mit einer Halluzination sprach und im Schloss mit Einbildungen herumtollte. Kurz glaubte sie sogar, dass es möglich wäre. Doch als sie einmal unauffällig ihren liebsten Freund auf Fieber untersuchte, war er kerngesund, wenn auch verwirrt. Auch seine Mutter bestätigte, er würde nur gutes Essen bekommen, auch, wenn sie es als Übung auf das spätere Ehefraudasein verstand. Wie sollte Sophie auch ahnen, dass sich Alexis mit Untoten, Geistern und Vampiren traf? Sie kannte die Legenden und sie war gläubig, doch an jene Schauermärchen hatte sie nie geglaubt. Sie war einfach die Art Mensch, die nur das glaubte, was sie sah oder man ihr sehr überzeugend nahelegte. Auch sie war eine ständige Zweiflerin gewesen, insofern freute es sie sogar, dass Alexis nicht mehr so stark an die Kirche vertraute. Doch es ging mittlerweile sogar ihr zu weit, er wollte keine Regeln mehr, er wollte frei sein. Und sie wusste, dass ein freies Leben ein chaotisches und unsicheres Leben war. Doch sie widersprach ihm nie, zumindest nie laut. Sie ließ ihn reden und fragte sich nur, wer solche Gedanken in dem sonst so strengen Jungen geweckt hatte. Und sie sollte es erfahren. Eines Nachts, als sie sich wieder mit zum Schloss geschlichen hatte, wagte sie den Schritt, den sie nie zuvor gewagt hatte. Sie ging selbst zum Tor und schob es ein wenig auf, um durch zu huschen. Die Halle war noch verwahrloster als das Schloss von außen und der Gedanke, dass Alexis hier herumlief, schockierte die feine Sophie doch ein wenig. Doch sie sah auch einen feinen Schein unter einer Tür oberhalb der Treppen. Vorsichtig und leise stieg sie die Treppenstufen hinauf und linste durch die Türe. Eine Gallerie bot sich ihr da und am anderen Ende erklang Musik. Vorsichtig ging sie in den dunklen Gang, der Schein kam von der Tür am anderen Ende, wie sie nun feststellte. Sie sah immer wieder hinter sich, als fürchte sie, es wäre eine lange gestellte Falle, doch niemand war zu sehen. Das dieses Gefühl, beobachtet zu werden, von den Bildern kam, die ihr verwundert hinterhersahen, dass bemerkte sie nicht. Und schließlich war sie am Ende des Ganges und sah durch jene Tür. Das sich ihr ein hellbeleuchteter und prächtiger Raum darbot war ein fast so großer Schlag wie die riesige Orgel, die anscheinend von alleine spielte. Sie dröhnte einen Walzer vor sich hin und spielte ohne einen Spieler auf der Bank. Vorsichtig öffnete sie die Tür etwas weiter und schaute tiefer in den Raum. Und dort kam auch schon der nächste Schock. Ihr Alexis tanzte mit einem Mann, schamlos und mit einem Blick, der pures Glück zeigte. "Alexis..." flüsterte sie beinahe panisch, während sie den Beiden zusah. Doch je länger sie zusah, desto mehr verflog ihr Gefühl, dass Alexis etwas falsches tat. Nun verstand sie auch, wieso er plötzlich die Regeln verachtete, die alle einem auferlegten. Sie standen einfach zwischen ihm und diesem Mann, der es geschafft hatte, ihn so glücklich zu machen. Und sie verspürte doch ein wenig Neid, dass die Beiden vollkommen für sich glücklich tanzen konnten ohne jemanden, der sie störte oder gar beschuldigte. Nur sie zwei. Sie wollte sich gerade abwenden, als sie stoppten. Kurz befürchtete sie, man hätte sie entdeckt, doch stattdessen begannen sie nur ein Gespräch, während sie zur Orgel gingen. Es schien sehr anregend zu sein, da Alexis so viel zu sagen schien, wie Sophie es noch nie erlebt hatte. Und der Mann lachte fröhlich, offenbar war es amüsant, was Alexis erzählt oder gefragt hatte. Dem hatte Sophie auch nichts abzusprechen, dennoch war sie mit einem Mal wie erstarrt. Ein Vampir! Alexis ist in die Fänge eines Vampirs geraten! Panisch schlich sie rückwärts die Gallerie entlang und kaum, dass sie wieder in der Eingangshalle war, rannte sie los, wollte dem Schloss entkommen. Sie hatte die spitzen Zähne sehen können als der Mann gelacht hatte. Alexis war noch keiner geworden und Sophie würde ihn retten, sie würde ihn befreien aus den Klauen jen- "Keinen Schritt weiter!" donnerte es plötzlich und Sophie sah zu dem gewaltigen Spiegel über den Eingangstoren, wo sich eine schwarze Masse herausquetschte. Sophie schrie grell und laut und fiel hin, als sie nach hinten ausweichen wollte. Das schwarze Ungetüm kam schnell näher und hatte sie bereits beinahe erreicht, als plötzlich Alexis schützend vor ihr stand. "Elvira, lass sie in Ruhe, du darfst ihr nichts tun, verstanden?!" schrie er das Ungetüm an, welches tatsächlich zurückwich. Ohne weiter abzuwarten, stand Sophie raus und flüchtete ins Freie, weinend und schreiend, völlig aufgelöst in Panik. Alexis folgte ihr und die Tore schlossen sich auch sofort donnernd, als er draußen war. Schnell eilten die Leute herbei, als sie das Mädchen schreien hörten und auch Alexis Versuche, sie zu beruhigen, brachten nichts. "Monster! Im Schloss! Schreckliche Monster!" gab Sophie nur immer wieder völlig verängstigt von sich und Alexis Versuche, sie zum Schweigen zu bringen oder die Menge vom Gegenteil zu überzeugen, führten ins Leere. Die Stadtbewohner schwärmten immer schneller, immer mehr herbei und schaukelten sich selbst immer mehr in einen Zustand der Panik und der Angriffslust. Und diese richtete sich schnell gegen Alexis, als dieser dennoch versuchte, die Bewohner vom Schloss abzulenken. Bedrohlich umzingelte die Menge den Jungen und die nur noch weinende Sophie und Stimmen aus der Menge stachelten sich gegenseitig dazu an, dass er Sophie verflucht habe, dass er Schuld habe an ihrem aufgelösten Zustand. Alexis sah hilflos umher, einige hatten plötzlich Messer oder Stangen in der Hand und drohten ihm offen mit diesen. Und gerade, als der entscheidende Punkt gekommen schien, in dem alle über ihn herfallen wollten, öffneten sich die Tore. James stand dort und rief laut wie der Donner ein "Halt!", dass alle erstarrten und zu ihm sahen. "Wie niedlich, ihr wollt die Marionette richten, wenn der Puppenspieler hier vor euch steht? Ja, töten ihn. Er ist ein armer Irrer, den ich zur Laune in meinen Bann zog. Ein Unschuldiger macht sich immer gut in einem Grab." James lächelte und zeigte die langen Zähne und die Menge, anfangs verwirrt, bewegte sich dann auf ihn zu. Er ließ sich ohne Gegenwehr fangen und abführen, nur Alexis und Sophie blieben zurück. Und Robin erschien und sagte, dass sie nach Hause gehen sollten. Der Meister wolle, dass ihnen nichts zustöße. Kapitel 7: Die Hinrichtung -------------------------- Alexis sah verzweifelt durch das Fenster im obersten Zimmer von Sophies Haus. Robins Worten war er gefolgt, doch nur wegen Sophie. Und eben jene hatte ihn nun hier eingesperrt, damit er nicht wieder zum Marktplatz ging. "Lass mich gehen, sie werden ihn köpfen oder verbrennen!" flehte Alexis Sophie an, doch diese saß in dem Sessel und sah ihn nur verzweifelt an. "Siehst du denn nicht, was er mit dir gemacht hat?! Er benutzt dich, er hat dir Trugbilder in den Kopf gesetzt und wäre er nun nicht ertappt, dann hätte er dich getötet oder zu einem der seinen-" "Das kann er gar nicht!" schrie Alexis so laut dazwischen, das Sophie erschrack. "Alle diese Geschichten über Vampire und andere Dämonen sind Lügen!" Wütend warf er einen der Porzellanschränke um, die hier standen und er begann sogar zu weinen. "Es sind alles...nur Lügen! Er hat mir nichts weiter getan ausser mir die Augen zu öffnen! Wäre er nicht gewesen...wäre ich wohl auch einer der hetzerischen Leute dort unten und würde mit Feuer nach ihm werfen... Oh Gott..." Verzweifelt sank Alexis zusammen und Sophie eilte zu ihm. "Es ist keine Sünde. Liebe...war noch nie eine. Wir werden alle Engel sein, du und ich, so lange wir uns niemals den Tod eines Anderen auflasten. Bitte... Lass mich gehen und ihm helfen. Um deines Selbst willen!" Sophie sah ihn an und war hin und hergerissen. "Denkst du wirklich, dass er mir irgendwann etwas angetan hätte? Ich besuche ihn nun schon seit zwei Monaten und er hat mir nie auch nur ein Haar gekrümmt. Und dir wollte auch niemand etwas böses, das musst du mir glauben! Lass mich gehen!" Sophie sah ihren Alexis an und sein Blick sagte ihr, dass alles wahr war, was er sagte. Doch Illusionen könnten die Gedanken vernebeln. "Bitte...Sophie, bitte..." flüsterte Alexis bereits nur noch und er weinte so sehr, dass seine Augen völlig verwässert waren. Sophie wollte nicht, sie hatte Angst, dennoch hatte sie selbst genug geweint, Alexis sollte nicht auch eine verlorene Liebe betrauern, selbst, wenn er ein Mann war, selbst...wenn er ein Vampir war. "Gut...Ich lasse dich gehen." sagte sie schließlich und gab ihm den Schlüssel. Dieser sah erst völlig erstaunt den Schlüssel an, ehe er völlig überwältigt das Mädchen umarmte. "Hab Dank, Sophie! Das werde ich dir niemals vergessen!" sagte er und stand auf, um die Tür zu öffnen. "Gib mir einen Kuss!" Verwundert drehte sich Alexis um, auch Sophie war nun aufgestanden und sah ihn ernst an. "Ich möchte...wenigstens einen Kuss von dir." sagte sie und sah ihn streng an, er dagegen schaute nachdenklich zurück, ehe er auf sie zuschritt und ihr auf die Stirn küsste. "Nicht so einen Kuss!" protestierte Sophie, doch Alexis schüttelte nur den Kopf. "Ich habe dir oft weh getan. Doch einen Kuss der Liebe ohne Liebe, dass werde ich dir niemals antun. Bitte verzeih mir das, Sophie." Und damit ging er und Sophie brach zusammen und weinte. Ob es war, weil ihr Alexis in den Tod rannte oder weil er ihr selbst in diesem Moment auch nur die Illusion erwiederter Liebe verwehrte, dass wusste sie selbst nicht. Alexis erreichte schnell den Marktplatz, welcher innerhalb kürzester Zeit zu einem Schauplatz des Grauens geworden war. Nahezu die gesamte Stadt war dort versammelt und aus Möbeln und gefällten Bäumen war bereits ein Scheiterhaufen hergerichtet, auf dem James stand. Dieser schaute tapfer in den Himmel und seufzte schwer, als die Fackelträger näher kamen. Alexis wollte nach vorne rennen, doch er kam kaum vorwärts, niemand wollte den Anblick verpassen, den ein verbrennender Vampir bot. Niemand ließ den Jungen freiwillig durch und schon landete die erste Fackel auf dem Haufen. Erster schwarzer Rauch stieg auf, doch James verzog nicht eine Miene. Erst, als seine Kleider Feuer fingen, verzog er zunehmend das Gesicht. Nach und nach kamen begeisterte Schreie aus der Menge, "Brenne!" schrien sie und man warf mit Steinen nach dem Vampir. Dieser stand mittlerweile völlig in den Flammen und man sah, dass es Qualen jenseits der Vorstellungskraft sein mussten. Und dann geschah es: Seine Flügel erschienen. Sofort wich die Menge erschrocken zurück und ein Mann in jener Menge stieß Alexis so zu Boden. Dennoch wagte James es nicht, auch nur einen Ton von sich zu geben. Er litt und das schweigend. Nur sein Gesicht und seine vor Schmerz zuckenden Bewegungen ließen darauf schließen, dass er durchaus die Flammen spürte, die seine Haut langsam aufzufressen begannen. Alexis rappelte sich auf und versuchte, sich weiter vorzukämpfen, doch er ahnte schon, dass er es niemals rechtszeitig schaffen würde, das Feuer war schneller als er. Dennoch drängelte er sich verzweifelt vor, an den Männern und Frauen vorbei, die begeistert jubelten und es feierten als wenn es das größte Wunder der Welt wäre. Nur er schien die Schreie zu hören, nur er glaubte, die Schreie der Poltergeister, die um sie herumschwebten, zu hören, welche sich versammelten, um einen Weiteren von ihnen zu empfangen. Und sein Herz schrie. Laut und voller Qual, doch niemand konnte es hören und nichts konnte sein Schreien stoppen. Es schrie für James. Für den Vampir, der bei vollem Bewusstsein verbrannte und es ertrug ohne auch nur einen kleinsten Ton des Schmerzes von sich zu geben. "Elvira, verdammt, nun hilf ihm doch!" fauchte Amelie, während ihr Blick immer wieder panisch zum Scheiterhaufen auf dem Platz ging, doch Elvira schien in keinster Weise interessiert. "Euer Pakt wird zerbrechen, wenn er stirbt!" schrie Amelie vor Wut und Elvira lachte nur. "Mit Nichten, meine Liebe. So lange er meinen Spiegel im Thronsaal nicht zerstört, wird mein Versteck bestehen bleiben. Und wenn er stirbt, dann kann ich immer mein Dasein hier genießen." sagte sie und schaute nicht ein einziges Mal dabei aus dem Fenster. "Ich werde ihm helfen." sagte Robin, der die ganze Zeit durch das Fenster geschaut hatte, plötzlich und verschwand durch die Mauer. Amelie schrie ihm hinterher, doch Robin hörte sie nicht und er hätte es auch nicht, wenn er noch im Zimmer gewesen wäre. Er schwebte so schnell wie nur möglich nach unten und nahm auf dem Lagerfeuer vor entsetzer Menge sein Laken ab, ehe er die Fesseln löste und seinen Herrn aus dem Feuer zog. Die Menge, erst starr vor Schreck, begann zu schreien und schoß mit Gewehren auf den Jungen, doch keiner der Schüsse traf auf Fleisch. Alexis, der Robin bei seinem Herren sah, blieb erleichtert stehen. Jemand war schneller da gewesen, jemand hat ihn gerettet. "Wenn ihr ihm noch ein Haar krümmt, dann werde ich euch einen Tod erleiden lassen, schlimmer als die größte Qual, die die Hölle zu bieten hat!" sagte Robin laut und die Menge verstummte unsicher. "Hey! Das...Das ist der Teufelsjunge!" kam es plötzlich aus der Menge. Ein alter Mann sah völlig überrumpelt auf die kleine Gestalt, ehe er immer lauter wurde. "Seine Mutter war eine Hexe und sein Vater ein Dämon. Und er selbst wollte nicht sterben, wir hatten seine Unsterblichkeit erst besiegt, als wir ihn ausgepeitscht, dann verbrannt und anschließend die noch lebende Gestalt für eine Woche in ein Wasserverließ gesperrt hatten!" Die gesamte Menge wich verängstigt zurück, ein Teufelskind, das wiedergekehrt war, war das Schlimmste, was passieren könnte. Robin dagegen stand völlig still da, nur James sprach ihn beinahe verzweifelt immer wieder an, ermahnte ihn, nicht zuzuhören, doch Robin sah mit Wut in die Menge. "Meine Mutter war keine Hexe. Mein Vater war kein Teufel. Ihr habt ein Kind ermordet, dass überlebte, weil es leben wollte! Ihr seid Mörder, ihr alle, ihr tretet das Leben mit Füßen und glaubt auch noch, dass irgendwer eure Taten gut heißen wird?! Ihr werdet in der Hölle schmoren, ihr alle! Und wenn es sein muss...hole ich die Hölle jetzt hierher!!" Robin schrie die letzten Worte nur noch, während er sich selbst in Flammen setzte. Die Menge wich zurück und James versuchte immer noch, Robin zu besänftigen, doch dieser hörte nicht zu. Er streckte einen Arm gerade zur Menge und sagte noch beinahe selbstironisch "Wie sagtet ihr?". Doch er wartete nicht auf eine Antwort, er schrie sie ihnen entgegen. "BRENNE!" Und damit schoss das Feuer durch seinen Arm auf die Menge zu und die Ersten, die die Flammen trafen, schrien auf vor Schmerz, während die restliche Menge versuchte, zurückzuweichen. "Robin! Lass das!" schrie Alexis verzweifelt und versuchte, zumindest bis zu dem Feuerstrahl zu kommen, doch das die Menge nun sogar in die entgegengesetzte Richtung drängte, erschwerte es noch mehr. "Robin, hör auf!" versuchte er immer wieder, doch seine Stimme ging in dem panischem Geschrei unter und der Geist hörte nichtmal James, der ihm zu Füßen lag und ihn bat, zu stoppen. Doch mit einem Mal schien eine Wendung in der Menge zu passieren. Immer mehr Leuten fiel auf, dass Alexis wohl den Geist kannte und einige erinnerten sich auch an die Aktion, die zur Entdeckung des Vampirs führte. "Er ist es! Schnappt ihn, er steuert vermutlich die Dämonen!" schrie ein Mann und schon wendete sich die gesamte Menge gegen Alexis. Der schlug um sich, als er das bemerkte, doch er war mitten in dem Auflauf und saß in der Falle. Als die, die in den Flammen waren, nur noch still am Boden lagen, senkte Robin ein wenig den Arm, überzeugt, dass die Menge nun aufgibt, doch als er die Schreie hörte, wurde ihm wie auch James sofort klar, was vor sich ging. "Alexis!" flüsterte James geschockt und versuchte aufzustehen, doch er war zu schwach. Robin starrte nur - von sich selbst erschrocken - vor sich hin und rührte sich nicht und Alexis schlug und trat um sich, während die Meute den Kreis um ihn immer kleiner machte. "Alexis!" entkam es dem Vampir wieder, der wieder versuchte, aufzustehen und es nicht schaffte. Doch die Schmerzen, die fehlende Kraft, dass alles war egal. Er hatte den Jungen überhaupt erst in Gefahr gebracht, er hat ihn zu tief hineingezogen und...er liebte ihn. Und nun drohte dasselbe zu passieren wie seiner Schwester. "Alexis!" sagte er wieder und seine Augen begannen hell aufzuleuchten, doch seine Kraft reichte nicht. Dafür bemerkte jemand anderes mehr als geschockt die neue Konstellation. "Du dummer Vampir, hör auf!" schrie Elvira und sah nun erstmals auch aus dem Fenster. "Ach, nun interessiert es dich?!" schrie Amelie, deren Augen bereits rot vom Weinen waren. "Du dumme Katze, wenn er alle Energie, die ich ihm gebe, mit Absicht aufbraucht, dann zählt das als wenn ich meinen Pakt gebrochen hätte! Er wird mich verraten! Für dieses Menschenkind!!" Wütend schrie sie, ehe es im Schloss zu rumoren begann. Die Menge draußen hörte es erst nicht, erst, als es mehrmals ohrenerschütternd laut krachte, wendeten sich alle zum Schloss. Dort brach so eben der gewaltige Spiegel aus dem Thronsaal durch die Steinwände und erstrahlte sofort in einem grellen Licht. Jeder war wie erstarrt. Jeder ausser Alexis, der nur Elvira im Spiegel sitzen sah. "Nun geh schon, du dummes Menschenkind!" fauchte diese ihn an, ehe der Junge bemerkte, dass er sich nun einfach durch die Menge kämpfen konnte. Er schob und schubste und bahnte sich seinen Weg bis zum Scheiterhaufen, wo der vor Schreck auf die Knien gesunkene Robin und der keuchende James lagen. "Herr im Himmel..." flüsterte Sophie leise vor Entsetzen. Sie hatte es schließlich nicht mehr ausgehalten und war auch auf den Marktplatz gerannt. Und dort sah sie nun alle Bewohner wie versteinert und einen gewaltigen Spiegel in der Luft mit einer ebenso gewaltigen Frau, die sich sogar bewegte. Und sie sah Alexis. Der lehnte sich über den schwer verbrannten Vampir, der es dennoch schaffte, zu lächeln. "Ich...wollte schon immer mal wissen, wie sich sterben anfühlt...weißt du?" sagte der leicht lachend, doch Alexis war den Tränen nah. "Du wirst nicht sterben, hörst du!? Weder heute noch sonst irgendwann! Du hast nichts verbrochen, was den Tod verdient!" James schien nichtmal zuzuhören, er strich dem Jungen durch das blonde Haar und lächelte nur, als wenn es derzeit nichts schöneres gäbe. "Elvira, gib ihm Energie!" schrie er verzweifelt zum Spiegel hoch, doch diese ignorierte ihn. "Unser Pakt sieht nur ein einmaliges Ritual je Monat vor. Sie wird nichts geben, erhoffe dir nichts." sagte James und sein Lächeln schien für Alexis mehr und mehr die Abfindung mit dem endgültigem Tod zu sein. Er starrte verzweifelt den Vampir an, der ihn anlächelte und so unglaublich schrecklich verwundet aussah. "Ich bin...ein schrecklicher Anblick...nicht wahr?" fragte er und Alexis schüttelte heftig den Kopf. "Euer Herz ist und bleibt das Schönste, dass ich je gesehen habe, da ändert sich nichts daran, auch, wenn euer Körper zerstört wird." sagte er, doch ein Kloß im Hals machte ihm das Sprechen zusehends schwerer. Er lehnte den Kopf auf den Bauch des Vampires und weinte und dieser schwieg nur. "Nimm mich." Das Lächeln James' verschwand und wich einem Ausdruck der Überraschung, als Alexis diese Worte sagte. "Nimm mich, trink mein Blut, nimm dir meine Energie, heile dich!" sagte Alexis und sah den Vampir so flehend an, dass dieser für einen Moment nichtmal zu wissen schien, was der Adelige ihm sagen wollte. "Ich kann ni-" "Du kannst! Mein Schicksal ist besser als deines, egal, ob ich in den Himmel oder die Hölle komme! Bitte!" Der Vampir sah den Jungen an, dem noch immer die Tränen in den Augen standen und dennoch so fest überzeugt aussah. "Bitte. Du hast doch selbst gesagt, dass ein Tod aus Liebe besser ist als ein Tod aus Hass. Wenn du jetzt hier stirbst, dann werde ich sicherlich, was Robin und du geworden sind. Und ich will nicht zulassen, dass du stirbst!" James sah den Jungen an, als wenn er bereue, diesem jemals auch nur ein Wort gesagt zu haben, doch Alexis Blick ließ kein Nein zu. "Du...wirst ein wunderschöner Engel werden..." sagte er und zum ersten Mal, seit er ein Vampir geworden war, standen auch ihm die Tränen in den Augen. Alexis lächelte und schwieg. Erst jetzt bemerkte Robin, was zwischen den Beiden vor sich ging, doch auch er sagte nichts, er rührte sich nichtmal. Langsam lehnte sich Alexis vor und gab dem Vampir sanft einen Kuss auf die Lippen. "Komm jederzeit an die unsichtbare Scheibe oben am Himmel. Wenn du mit der Hand gegen diese drückst, werde ich von der anderen Seite aus meine Hand auf die deine legen und über dich wachen." James lachte leise verzweifelt und schüttelte leicht den Kopf. "Verzeih mir." sagte er schließlich, doch Alexis schüttelte nur den Kopf. "Verzeih mir, dass ich dich überhaupt in diese Situation gebracht habe." Dann senkte Alexis den Kopf neben den des Vampirs und nach kurzem Zögern biss James zu. Anfangs verkrampfte Alexis Körper, doch schon nach kurzen Augenblicken erschlaffte er zunehmend, ehe er nur noch leblos da lag. James, vollständig geheilt, richtete sich langsam auf und drückte Alexis an sich und schrie verzweifelt aus und weinte."Es wird Zeit, wir müssen fort von hier." kam es aus dem Spiegel und James ließ zögernd den Körper des Menschen sinken, den er erstmals seit über 500 Jahren wirklich geliebt hatte. Er strich ihm nochmal durchs Haar, ehe er aufstand und ins Schloss flog ohne sich nochmal umzudrehen. Langsam erwachten die Menschen aus ihrer Starre, als auch Elvira ins Schloss zurückkehrte. Verwirrt sahen sie um sich, ehe sie zu der richtigen Folgerung kamen, dass sich wohl alle ins Schloss zurückgezogen haben mussten. Sie schnappten sich ein paar Fackeln und wollten das Schloss anzünden, um das vermeidliche Böse entgültig zu vernichten, einzig Sophie stand noch mitten auf dem Markt und sah zum Scheiterhaufen. Im Inneren des Schlosses hatten sich derweil alle im Thronsaal versammelt. "Lasst uns gehen." sagte James und erhob sich mit einem Flügelschlag vom Boden, während sich Robin und Amelie, die Brüder und Elvira, die beiden Meerjungfrauen sowie die Spinne um ihn herum im Kreis aufstellten. Währenddessen schlug die Menschenmenge die Türen ein und stürmte in das Schloss, bereit, alles anzustecken, was brennbar war. Die Ersten rannten die Treppen hoch und entzündeten die alten Flaggen, die noch an den Wänden hingen und öffneten die Tore zum Thronsaal, wo sie aber auch sofort sprachlos stehen blieben. "Verlassen wir diesen grausamen Ort." sagte James und er krümmte sich in der Schwebe. Sein gesamter Körper schwoll an und seine Kleidung platzte an den Nähten. Gewaltige Beulen bildeten sich an seinem Rücken und seine Ohren wie auch seine Zähne wuchsen immer mehr. Und mit einem lauten Schrei brachen zwei weitere Flügelpaare aus und auch die helle Haut zerriß und gab eine graue Lederhaut zum Vorschein, das wahre Wesen der Vampire. Auch die Anderen machten eine Verwandlung durch. Robin setzte sich erneut in Flammen und Amelie verwandelte sich endgültig in eine raubtierhafte Bestie. Die Brüder wuchsen beide und gröhlten und Elvira zeigte ihre wahre, schwarze Form, welche sich erneut aus dem Spiegel presste. Nur die Meerjungfrauen und die Spinne blieben, wie sie waren, stimmten aber in das Aufschreien mit ein. Ein greller Strahl umhüllte daraufhin die Gruppe und aus allen Bildern traten die Bewohner heraus und jagten als grünliche Geister durch das Schloss und sorgten dafür, dass jeder Eindringling panisch das Weite suchte. Als würden sie in den Strahl hineingezogen werden, begannen sie einen Strudel um jenen Strahl zu bilden und ein ohrenbetäubender Lärm entstand, ehe ein gewaltiger Lichtblitz für ein paar Sekunden die Stadt erblinden ließ. Als der Lichtblitz fort war und sich die Augen der Bewohner wieder normalisierten, sahen sie voller Schrecken, dass das Schloss mit jedem, der darin war, verschwunden war. Ausser den Grundmauern war alles fort. Nur Sophie interessierte das nicht. Sie war langsam bis zum leblosen Körper von Alexis getreten und sah nun von oben auf diesen herab. "Alexis..." sagte sie, ehe sie auf die Knie fiel und weinend auf seinen Bauch lehnte. "Das...ist alles meine Schuld. Verzeih mir...Alexis..." schluchzte sie, doch weder Alexis noch jemand anders sagte ihr, dass er ihr verzieh. Übrig geblieben waren nur sie und ihre Tränen. Nur sie und ihre Tränen. Kapitel 8: Das Ende ------------------- "Und dies ist das Grab von Alexis Dupont, einem Mitglied einer mächtigen Adelsfamilie aus dem Jahre 1817. Der Inschrift zufolge ist er angeblich durch einen Vampirbiss gestorben, was zu jener Zeit ein weit verbreiteter Grund war für unerklärliche Todesfälle aller Art. Er starb sehr jung, heute nimmt man an, dass er wohl an Diabetes, Fieber oder Syphillis verstarb. Er war übrigens mit Sophie Masson verlobt, einer jungen Frau, die später als bekannte Kammerspielerin in Briançon tätig war und sich dort mit dem Adeligen Rene de Bougy ehelichen ließ. Des Weiterem soll er laut den Chroniken der Stadt an dem selben Tag verstorben sein, an dem eine Hinrichtung an einem Vampir begannen wurde. Es wäre insofern auch möglich, dass er Opfer eines Mordes wurde und jener Mörder schlicht als Vampir bezeichnet wurde." Ein andächtiges Tuscheln ging durch die Gruppe. "Der Grabstein ist ein Kreuz mit der Inschrift in der Mitte, was darauf hindeutet, dass die Familie Dupont streng christlich gewesen sein muss, auch, wenn wir bislang kein weiteres Grab jener Familie finden konnten. Eine geheimnisumwitterte Legende exestiert ausserdem. Angeblich soll jener Vampir, der den Jungen getötet haben soll, diesen auch geliebt haben. Diese Legende hält sich vor allem dadurch hartneckig, da seit der Entstehung dieses Grabes immer am 14. Januar eine uns unbekannte Person genau zwanzig rote Rosen auf das Grab legt." "Ist denn nicht heute der 14?!" "Oh ja, heute ist der 14. Um genau zu sein hatte ich sogar gehofft, dass wir das Grab bereits mit jenen Rosen antreffen, doch wie es scheint, war jener mysteriöser Anbeter noch nicht hier." Tuscheln ging durch die Gruppe. "Wieso bewachen sie das Grab nicht, um zu sehen, wer die Blumen bringt?" "Oh, da sind wir auch schon drauf gekommen, jedoch haben weder Wachmänner, noch Kameras bisher Aufschluss gegeben. Die Blumen erscheinen einfach. Aber ich verspreche ihnen, wenn sie im Laufe dieses Tages nochmal hierher kommen, dann werden sie die Rosen vorfinden." Wieder leises Tuscheln. "Nun, lassen sie uns ein Grab weiter gehen. Dies gehörte Jean Denard, er war ein berühmter Künstler in dieser Stadt im Jahre 1847..." Die Gruppe folgte dem Reiseführer, der an seinem leuchtend gelben Schirm mehr als nur gut erkennbar war. Die Gruppe war auch nicht sonderlich groß, zwei junge Pärchen, eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter und eine fünfköpfige Gruppe von Rentnern. Sie stellte sich wieder brav um den Reiseführer herum und besahen sich das neue Grab. Alle bis auf eine. Das kleine Mädchen starrte gebannt auf die Leute, die noch immer bei dem Grab standen. Da waren ein großer und ein kleiner Mann, beide trugen ein T-Shirt und eine Jeans. Dann eine Frau mit Katzenohren und einem Schwanz in einem hellgelben Sommerkleid. Dann war da ein kleiner Junge mit dunkelblonden Haaren, der ein weißes Kragenhemd und eine schwarze Hose trug. Und dann noch ein Mann mit langen schwarzen Haaren, einem weißen Hemd samt roter Weste und einer Jeans. Und er trug einen Rosenstrauß. Die Fünf starrten auf das Grab, ehe sich der Mann nach vorne beugte und den Strauß niederlegte. "Mama! Mama, guck mal!" rief das Mädchen aufgeregt und die Mutter tadelte ihr Kind ehe sie, wie auch der Rest der Gruppe erstaunt den Rosenstrauß vor dem Kreuz liegen sahen. Großes Raunen ging durch die Gruppe, doch niemand sah die Fünf. "Kind, hast du gesehen, wer die Blumen gebracht hat?" fragte der Reiseleiter aufgeregt, doch das Mädchen hielt sich nur den Zeigefinger vor den Mund und zischte leicht. Es starrte dabei lächelnd den Mann mit den langen Haaren an, der ebenfalls den Zeigefinger an den Mund gelegt hatte und leicht zischte. "Komm, Sofia, mir ist das unheimlich!" drängte die Mutter schließlich und das Mädchen mit den blonden, kurzen Korkenzieherlocken winkte noch kurz der Gruppe, ehe es sich umdrehte und zwei schneeweiße kleine Engelsschwingen offenbarte, welche aber schnell verschwanden. "Habt ihr das auch gesehen?" fragte Amelie erstaunt und alle nickten, ehe sie nochmal zum Grab runter sahen und dann den Friedhof verließen. Sie liefen durch den stark besuchten Marktplatz und sahen zu dem Ort, wo einst das Schloss gestanden hatte und nun ein modernes Rathhaus war. "Was sich nicht alles verändert in ein paar hundert Jahren..." sagte James gedankenverloren und sah an dem Gebäude hoch. Robin nahm die Hand seines Herren in die Hand und schaute ihn aufmunternd an. "Es geht ihm bestimmt gut. Dort oben bei den Engeln. Immerhin hat er es für euch getan." James nickte, doch er schaute wehmütig zum klaren, blauen Himmel hinauf. "Schon, aber es ist dennoch immer wieder...traurig." Er senkte den Kopf und seufzte, ehe er zu der Stelle sah, wo einst der Scheiterhaufen war. Die Stelle war frei geblieben, es war einfach nur Markt. Menschen strömten hin und her, wollten an diesem klaren Tag alle möglichen Touristensehenswürdigkeiten abklappern und hetzten sich umher. Nur ein Mann im Clownskostüm, der Ballons zu Männchen verflocht, ließ sich alle Zeit der Welt. "Wie grausam." kam es plötzlich hinter ihnen. Verwundert drehte sich die Gruppe um und sahen einen Jungen mit einem dunkelblauem Mantel und kurzen blonden Haaren. Sprachlos starrte man sich gegenseitig an, nur der Junge grinste. "Du hast mir verschwiegen, dass Engel wiedergeboren werden, hättest du das sofort gesagt, hätte ich nicht eine Sekunde gezögert." James starrte ungläubig auf den Jungen vor sich, welcher ihn anlächelte. "Das ist nicht möglich..." flüsterte er und der Junge zuckte nur mit den Schultern. "Gott, ich habe euch lange suchen müssen. Ihr reist viel zu schnell umher, ich wusste ja nicht mehr, wo ihr wart, als ich wieder hier unten war. Und dann fiel mir vor drei Wochen ein 'Hey, sie gehen doch immer an meinem Todestag zu meinem Grab!' und tja, hier bin ich." Der Junge lachte und auch Robin bildete ein erstes Lächeln, während die Anderen es immer noch nicht fassen konnten. Langsam ging James auf den Blonden zu und streckte vorsichtig die Hand aus als fürchte er, sie würde durch den Körper hindurchgreifen, doch er berührte warme Menschenhaut. "Hey, James. Vielleicht bin ich ein wunderschöner Engel, aber mit dir ist es mir dennoch lieber. Darf ich wieder bei dir sein?" fragte er und James brach in Tränen aus und umarmte den Jungen weinend, welcher nun auch den Mann umarmte. Die Gruppe begann nach und nach glücklich zu lächeln und nur der Junge schien noch was sagen zu wollen. "Hey, James. Weißt du, was auch eine so schwere Sünde ist, dass man zu einem Vampir wird?" fragte er und der Mann richtete sich auf und schaute den Jungen einfach nur stumm an. Dieser lächelte und plötzlich erschienen zwei riesige weiße Schwingen auf seinem Rücken. "Wenn ein Engel...einen Vampir selbst liebt." Er küsste den Vampir sanft auf die Lippen und dieser zog den Jungen nach kurzem Zögern in eine enge Umarmung und drückte ihn fest an sich. Und niemand bemerkte, wie die Federn der Flügel sich bei einem plötzlichem Aufwind sich nach und nach lösten und im Himmel zu tanzen begannen, während schwarze Schwingen unter dem Federkleid zum Vorschein kamen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)