Lost Princess - Geschichte einer Kämpferin von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Lost Princess Geschichte einer Kämpferin Prolog Es gab vom Anbeginn der Zeit Gut und Böse, Liebe und Hass, Licht und Dunkelheit... so auch in Midgard. Midgard war einst der Treffpunkt all dieser Gegensätze und doch, gingen einige von ihnen im Laufe der Jahrtausende verloren. Zersplittert wie Glas, das schöne Erinnerungen in sich barg... Magie einfach erloschen, von heute auf morgen, durch die Verächtung anderer. Niemand sollte sich daran klar erinnern können um Schwächen zu vermeiden... um nicht verletzbar zu sein. Satan regierte Midgard, welches nun Hell hieß, mit eiserner Hand, seit er sich gegen Gott und alles Heilige aufgelehnt hatte. Gott hatte ihm damals seine Liebe genommen. Lilith. Lilith fühlte sich unglücklich, wollte nicht neben Adam existieren, der ihr jedoch regelrecht aufgezwungen worden war und für den sie nur ein Lustobjekt darstellte. Satan, oder damals noch der apokalyptische Engel Nemesis, hatte sich jener Frau damals angenommen und sich schließlich in ihrer unendlichen Schönheit verloren. Ihm war zwar klar, dass seine Gefühle und diese Liebe von Anfang an zum Scheitern verurteilt waren, wollte es aber niemals wahr haben. Gott verbannte schließlich Lilith aus dem Paradies, da sie durch das Band mit Nemesis nicht mehr gefügig war. Als sich der apokalyptische Engel dagegen auflehnte, seine Geliebte gehen zu lassen, wurde er als Gefallener gebrandmarkt und nach Midgard, tief in den Erdkern verbannt- allein. Was mit Lilith geschah, sollte er nie erfahren, was blieb, war dieser unaussprechbare Hass gegen Gott. Das Blut der Gehenna floss noch in vielen Adern junger Dämonen, pulsierte und kam in Wallung, wenn nur ein Engel tot vom Himmel fiel und qualvoll verendete. Viele Schlachten wurden geschlagen... Die Engelswelt Illuma schien das Imperium Midgards mit einem Schlag zunichte gemacht zu haben, doch in die Tiefe Midgards flackerte noch immer eine unauslöschbare Flamme, die sich neuen Nährboden für ihre Taten suchen würde... Niemand ahnte, dass es ausgerechnet ein Wesen aus dem Geschlecht der Menschen sein würde, das den Kampf mit der teuflischen Brut aufnehmen sollte. Fünfzehn Jahre, bevor das Grauen das Land wieder einholen sollte, tollten zwei lachende Mädchen durch das satte, dichte Grün des königlichen Gartens. Die Kleider aus blauer Seide umschmeichelten ihre schlanken Figuren und wehten verspielt im Wind, der ebenso ein Gemüt hatte wie die zwei Kinder. ,,Du kriegst mich nicht!," rief das eine, als es geschmeidig und flink wie eine Katze einen Baum hochkletterte und sich, grinsend über die Hilflosigkeit des anderen Kindes, auf einem der dicken Äste niederließ. ,,Mel! Komm da runter! Das ist unfair!," ein Blondschopf, total außer Atem, stand wild gestikulierend unter dem Baum und blickte zu dem zweiten Mädchen, dass sich sichtlich amüsierte, auf. Mel, die keine Anstalten machte wieder zu ihrer Freundin zurückzukehren, wollte leichtsinnig noch ein Stück weiterklettern, da ein Vogelnest in ihr Blickfeld gekommen war, an dem sie sichtlich Gefallen fand. Ihr Triumph es zu erfassen, bleib jedoch aus, da sie auf frischem Moos auf der Baumrinde ausrutschte und mit einem lauten Aufschrei nach hinten kippte. >Plumps< Ächzend lag das junge Mädchen am Boden und wimmerte leise, als es sich aufrichtete und zu seiner Freundin aufsah, die sich besorgt über es beugte. ,,Ähm... ist alles okay?" ,,Argh... Silia... alles okay ," Mel lächelte und rieb sich den Rücken, der ihr im Moment durch höllische Schmerzen Kopfzerbrechen machte. Plötzlich verstummte sie, als ein noch größerer Schmerz ihr Herz erfasste und sie augenblicklich zusammenzucken ließ. ,,Mel!," Silia stürzte zu ihr. Schwankend stand Mel jedoch auf, bevor sie ihre Freundin erreichen konnte und sah sich irritiert um... ,,Was ist?," verdutzt stämmte Silia die Arme in die Hüften. Nichtssagend taumelte Mel auf eine Statue, wie es viele im Königsgarten gab, zu und kniete sich erfürchtig vor der Marienstatue nieder. Ohne Grund schiene ihre Augen voller heißer Tränen und ob sie wollte oder nicht, sie verspürte einen plötzlichen Drang zu weinen. Silia stand entsetzt neben Mel, als diese bitterlich weinend zusammensank und sich nicht mehr zu beruhigen vermochte. Ohne es zu bemerken, schien auch der Statue auf unerklärliche Weise eine Träne über die steinenern Wangen zu laufen. Thronerbe Die Sonne stand hoch am tiefblauen Himmel und sandte ihre heißen Strahlen auf Shiraz hernieder, der Hauptstadt des Königreichs Yazd, welches unter der Herrschaft des gerechten Königs Arwin stand. Seit des dreihundertjährigen Krieges kannte das Land keine blutigen Schlachten mehr und selbst der Hauptplatz vor der Festung, die sich majestätisch über den Häusern der Bauern erhob, erinnerte nur noch wenig an die vielen Krieger, die damals mit ihrem Blut den Boden zu heiligem Grund machten. In diesen Tagen stand die Geburt des Thronfolgers eher im Mittelpunkt und sorgte unter den Bürgern für große Aufregung. Den kleinen, blaugefiederten Vogel, der sich mit leisem Gezwitscher auf der steinigen Fensterbank des Säulenganges niederließ und unbeschwert sein Gefieder zu säubern begann, bemerkte der großgewachsene, edle Mann nicht, da seiner Nervosität kaum beizusteuern war. Im Moment erfüllte wehes Bangen das Gesicht des Königs, als er wartend vor dem Gemach seiner Frau verweilte und mit ungeduldiger Miene auf und ab schritt. Manchmal ertönte ein schmerzvolles Stöhnen, das Arwin mit einem Schauder zusammenzucken ließ. Seine geliebte Gattin war seit geschlagenen drei Stunden in ihrem Zimmer und musste mittlerweile kurz vor ihrer Niederkunft stehen. Die smaragdgrünen Augen des Mannes starrten unentwegt auf die hölzerne Tür mit dem Goldknauf, sobald er das Gefühl hatte, dass es soweit wäre. Als eine Zofe mit einem Kessel Wasser in den Händen Arwin über den Flur mit schnellen Schritten entgegenkam und anscheinend in das Gemach der Königin wollte, hielt er sie kurz auf: ,,Marsha, liebste Marsha, hast du eine Ahnung wie es meiner Frau geht? Ich sterbe fast vor Ungewissheit über ihr Befinden!" Marsha jedoch schien so konzentriert auf ihre Arbeit zu sein, dass die ihr gestellte Frage im Stress unterging. Mit einem leisen Knarren öffnete sie schließlich die Tür der Kammer, die von Schweigen und Anspannung erfüllt war und Arwins angestrengten Gesichtsausdruck nicht gerade lichter werden ließ. Eine weitere Stunde lang, die dem Herrscher wie eine Ewigkeit vorkam, zog sich die Prozedur der Geburtsschmerzen hin, bis endlich, als es schon etwas dämmtere, der Eingang zum Gemach freigegeben wurde und Arwin pochenden Herzens mit unsicheren Schritten eintrat. Die Zofen wichen ehrfürchtig vor ihrem Gebieter zurück und begrüßten ihn in tiefer Verbeugung. Der König deutete ihnen aufzustehen, wandte sich jedoch sogleich zu dem Bett seiner Frau, die erschöpften Blickes ein kleines Bündel in den Armen hielt und ihn aus etwas trüben Augen ansah. Arwin setzte sich behutsam auf die Bettkante, streckte vorsichtig die Hand aus und strich mit unglaublicher Zärtlichkeit über die gerötete Wange seiner Gemahlin: ,,Melisendra, wie geht es dir...?" Ein Lächeln so unschuldig und rein: ,,Gut Arwin... Unser Fleisch und Blut hat mir die letzten Stunden große Schmerzen gekostet." Der Stolz in jenem Mann wuchs von einem Moment zum anderen ins Unermässliche, als er das Baby in den Arm gelegt bekam. Behutsam nahm er sein Kind entgegen, noch immer fasziniert von der Reinheit und Zierlichkeit des kleinen Körpers, der erst ein paar Minuten alt war. Kurze Zeit herrschte friedliche Stille, die sich beruhigend im Raum ausbreitete, doch dann erklang wie eine süße Melodie des nahenden Frühlings Melisendras klare Stimme, die Arwin immer wieder in ihren Bann zog: ,,Es hat genau dieselben Augen wie ...," doch dann verstummte sie augenblicklich. Melisendra wirkte wesentlich jünger als ihr Mann, der von den vielen Schlachten bereits gezeichnet war, sie war eine sanfte und schöne Frau, doch in dem Augenblick war die gesunde Farbe aus ihrem Gesicht gewichen und sie blickte zur Tür. Dort im Türrahmen stand Mosar, der General der königlichen Garde und lächelte der Königin zu. Arwin bemerkte den plötzlichen, eingeschüchterten Blick seiner Gattin und sah sich ebenfalls zum Eingang des Gemachs um. Als jedoch der stattliche, dunkelhaarige Mann mit selbstgefälliger Miene eintrat, verfinsterte sich sein Blick, dennoch versuchte er seine Gefühle und so auch sein Mundwerk zu zügeln, wie es einem König gebührte. Er war in letzter Zeit nicht sehr gut auf ihn zu sprechen, da er immer weniger seine Befehle befolgte und er ihm unheimlich war, da er bei den letzten Schlachten in einen regelrechten Blutrausch ausgebrochen war. Mosar verbeugte sich vor Melisendra und Arwin in scheinheiliger Weise: ,,Majestät, wie ich gehört habe, habt ihr vor kurzem ein Kind zur Welt gebracht. Meinen Glückwunsch." ,,Ich danke euch, General Mosar," es war sichtlich die Verlegenheit in den Worten der Frau spüren. Arwin blickte den Mann mit abwertendem Antlitz an, als dieser grinste und Melisendra einen Handkuss auf die zerbrechlich wirkende Hand gab. Doch niemand merkte, wie er das Kind ansah, als es die Augen öffnete und Mosar voller Unschuld anguckte. Ohne Worte verschwand der Mann in schwarzer Rüstung nach einer Verbeugung wieder und verließ mit großen Schritten den Raum. Noch ein paar Meter weiter hörte man in kurzen Abständen seine Stiefel auf dem Steinboden widerhallen, anscheinend hatte er es plötzlich ziemlich eilig. ,,Was ist Liebster?," Melisendra war der Gesichtsausdrucks ihres Mannes aufgefallen und legte voller Sorge in den Augen den Kopf etwas schief um den auf dem Bett sitzenden König besser ansehen zu können. ,,Nichts von großer Bedeutung. Ich trau ihm nur nicht, Melisendra!" Arwins Stirn lag leicht in Denkfalten, löste sich jedoch wieder, als die zarten Lippen seiner Frau die seinen berührten und ihm jäglichen Argwohn vergessen ließen. Wenig später, als sich unter dem königlichen Balkon des Tanzsaales alle Untertanen versammelt hatten und bereits aufgeregt das neue Mitglied der Königsfamilie begrüßen wollten, war aus der erschöpften, jungen Frau die prachtvoll gekleidete Königin geworden, die von ihrem Volk so verehrt wurde. Vorerst ging ein Raunen durch die Menge, das wenig später verstummte, als Arwin mit seiner Gemahlin einen Fuß auf den Balkon setzte. Ruckartig wurde es ganz still, als der König würdevoll die Hand hob um Ruhe einkehren zu lassen. Unter den neugierigen Blicken, die ihm von allen Seiten zugeworfen wurden, erhob er schließlich seine Stimme: ,,Mein Volk, meine geliebten Untertanen, wir haben lange genug gewartet... endlich ist uns eine Thronfolgerin geboren. Möge sie einmal unser schönes Königreich ehrenvoll und gerecht regieren." Es folgte tosender Applaus und Jubel, der schon beinahe nicht mehr zu vergehen schien. Arwin legte voller Stolz Melisendra, die ihr Kind mit einem Lachen auf den Lippen in den Armen hielt, eine Hand auf die schmale Schulter und blickte barmherzig auf sein Volk herab. Wenn er nur gewusst hätte, dass dieses Glück nicht lange von Dauer war. Ihr Glück sollte nur fünf trügerische Jahre halten... nämlich bis die Ruhe vor dem gewaltigen Sturm zu Ende war... Fünf Winter später schlugen aus dem Schloss, das einst so friedlich gewesen war, meterhohe Flammen, deren Hitze alles zu verbrennen schien, was zu nahe kam. Wie ein Höllenfeuer mit enormer Zerstörungskraft verschlang es alles Lebendige. Viele Menschen und Schlossbedienstete rannten schreiend durch die lichterloh in Brand stehenden Gänge und versuchten aus dem brennenden Labyrinth zu entkommen. Melisendra lief, so schnell sie ihre Beine trugen. Eine gewaltige Feuerwalze war hinter ihr her und sie hatte Mühe nicht über den Saum ihres Kleides zu stolpern. Sie hielt ihr Kind mit einem eisernen Griff in den Armen fest und rannte um ihr Leben, welches nur noch an einem seidenen Faden hing. Der Boden war verbrannt von der ständig aufprallenden Magie und es lag ein Geruch in der Luft, der von Tod und Verderben zeugte..... Sie schrie, als plötzlich eine marmorne Säule zu schwanken begann und fiel. Yazd war wieder angegriffen worden. Niemand hätte gedacht, dass das Land wieder erfahren würde, was Krieg bedeutet. Arwin war nirgends zu sehen und dies machte die Angst jener Frau noch größer. Sie hätten sich nicht trennen dürfen... Sie hörte die Schreie der Sterbenden und kniff kurz die Augen zu. Ihr langes, wallendes, rotes Kleid behinderte sie schneller voran zu kommen und so blieb Melisendra kurz stehen, riss es auf um besser laufen zu können und rannte weiter durch den großen Trohnsaal und die Aula. Überall brannte es...überall lagen Tote. Unbeschreibliche Hitze umgab sie und nahm ihr die Luft zum Atmen. Die Königin, deren Königreich gerade im Imbegriff war zu fallen, lief die Treppe zum Turm des Palastes hinauf und öffnete eine Tür, durch die man ins Freie gelangen konnte. Fast begann Melisendra zu weinen, weil sie sich hilflos fühlte und nicht wusste was sie tun sollte. Auf der Plattform des Turmes wartete ein Bote, welcher das königliche Wappen trug und im Sattel eines schwarzen Flugdrachen saß. Nichtssagend übergab die Frau ihr Kind an ihn und wandte ihm den Rücken zu. Mit einem Lächeln drehte sie sich dann doch noch um, beugte sich zu dem Kind und küsste es auf die Stirn. Eine kräftige Erschütterung traf das Gebäude und momentan schrak sie verängstigt auf. Der Drache breitete schließlich die Flügel aus und erhob sich in die Luft. Melisendra sah ihm einige, kurze Augenblicke nach und verschwand wieder mit hastigen Schritten im Turm. Sie bekreuzigte sich und beschleunigte ihre Schritte. Da sie nun ihr Kind von fünf Jahren in Sicherheit wusste, wollte sie zurück um ihren Gatten zu suchen. Verzweifelten Blickes lief sie durch diese brennende Hölle, die einmal ihr zu Hause gewesen war, blieb jedoch nicht stehen. Wie der Drang ein Rennen gegen den Wind zu gewinnen hastete Melisendra zum Thronsaal, wo das Klirren von Schwertklingen hörbar wurde. Als die beiden Metalle aufeinandertrafen, sprangen Funken, kurz drauf erklang voller Pein ein lauter Schmerzensschrei und hallte durch das beschädigte Gemäuer. Der Königin stockte der Atem, als sie hinter einer Mamorsäule verharrte und zusehen musste, wie ihr Liebster fiel... Schließlich ward es still, nur das lodernde Übel flackerte mit leisem Zischen noch immer zwischen den beiden Konkurrenten, von denen das Blut des Königs den rauchgeschwärzten Boden tränkte. Als der Frau ein leises Schluchzen über die blassen Lippen kam, wandte sich der andere schwarzgekleidete Mann zu ihr um. In seinen Augen spiegelten sich die züngelnden Flammen des Verderbens und Melisendra glaubte den wahrhaftigen Luzifer vor ihr zu haben, doch erst in den Gesichtszügen erkannte sie Mosar. Wie angewurzelt stand sie mit zerrissenem Gewand da und starrte auf die Leiche ihres Mannes, die furchtbar zugerichtet war. ,,Mosar!," sie wusste nicht mehr, was sie tat, fasste nach dem Dolch an ihrem Strumpfband, wollte etwas gegen ihn ausrichten, doch war sie noch zu voller Groll und Schmerz um ihm entgegenzutreten. Der General kam mit blutverschmierter, gesenkter Schwertklinge auf die Königin zu, die sich tapfer, trotz ihres enormen Zitterns mit dem Dolch zur Wehr setzen würde. Mosar überging ihre Körperhaltung sowie auch den Gesichtsausdruck in ihrem Antlitz und sprach auf sie ein, als wäre nichts gewesen: ,,Liebste Melisendra, auch ihr habt trotz eures scharfen Verstandes nie gewusst, wem ihr euch zuwenden sollt." "Was...," die Stimme der jungen Frau schien zu versagen, als Mosar sie am Kinn packte und ihr in die Augen sah. Ein Schauer jagte über ihren Rücken, als er weitersprach: ,,Dabei wusstest du nicht, dass du es bei mir besser gehabt hättest... Dir hätte die ganze Welt gehören können..." Als ihn ihr verwirrten Blick traf, lächelte er kurz kalt und meinte weiter: ,,Mehr Macht als jeder König, jeder Bischof, mehr als die heilige Jungfrau Maria... mehr als alle zusammen. Luzifer ist eben allmächtig." Melisendras Pupillen weiteten sich, als Mosar diesen Satz vollendet hatte, wollte zuerst schreien, doch der Schrei verhallte innerlich in ihr. ,,Nun, wo ist das Kind?," seine Stimme klang hart und unerbittlich. Lieber wäre Melisendra gestorben, als dass sie dem Feind preisgab wo ihr Kind hingebracht worden war. Nie hätte sie das Kind, welches unter Marias Segen zu Welt gekommen war und eine Bestimmung hatte verraten. Da sie stumm blieb, rückte der General noch näher an sie heran und zischte: ,,Es wäre besser wenn du es sagen würdest." ,,Niemals!," die Wut in der Frau schien Überhand zu nehmen und so spuckte sie Mosar an, der nicht damit gerechnet hatte und kurz zurückwich. Er wischte mit dem Ärmel seiner Rüstung über seine getroffene Wange, beugte sich abermals zu der Königin und flüsterte in einem schneidenden Ton: ,,Schade..." Die Frau hatte den Sinn der in dieser Reaktion lag, noch nicht ganz verstanden, aber sie spürte wie dieser langsam und wie eine eisige Hand in ihre Seele kroch. Mosar packte sie am Handgelenk, schob sie gegen die steinerne Wand und drückte ihr voller Ungestümheit einen bitteren Kuss auf. Zufriedenen Blickes löste er sich dann von der perplexen Frau, die mit zwei Fingern ihre Lippen betastete. Langsam verspürte sie eine innerliche Wärme, die sich in ihr ausbreitete und sie schließlich in die Knie zwang. Es war genau wie damals, als sie diese Vorahnung vor der Marienstatue eingeholt hatte... sie war das kleine Mädchen gewesen, das schon damals diese Schmerzen gespürt hatte, unter den selben, die nun immer stärker wurden, bis sie sich am Boden liegend krümmte. Aus zusammengekniffenen Augen sah sie nochmals zu Mosar hoch, der nicht von ihr gewichen war und bemerkte das selbstgefällige Lächeln, welches er ihr zuteil werden ließ. Melisendra rang gierig nach Luft, versuchte aufzustehen, verlor den Kampf gegen sich selbst jedoch und erlag dem Gift, das jenem Kuss beigemessen war. Wenige Sekunden später stürzte das Schloss in sich zusammen und begrub die friedlichen Zeiten und die Menschen, die in ihm gelebt hatten. Fast dreizehn Jahre später... Es schien ein ganz normaler Morgen in Yazd zu werden. Die Sonne blickte zuerst scheu über den Rand des Meeres, dessen Wellen tosend an die Klippen der Bucht schlugen. Anscheinend war selbst die Sonne zu müde, um aufzugehen... Doch schließlich begannen die ersten vorwitzigen Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche zu tanzen und tauchten letztendlich die ganze Insel in ein goldenes Licht. Ein neuer Tag wurde eingeläutet... Heute war ein besonderer Tag, heute war in Shiraz ein riesiges Fest angesetzt worden. Wie jedes Jahr im August war es ein großes Spektakel, welches sich niemand entgehen lassen wollte. Die Feier trug den Namen jener Göttin, die Shiraz stets beschützt hatte und noch immer ihre Hand schützend über die Stadt am Meer hielt. Allmählich erwachte nun alles aus seinen Träumen. Im nahen Wald begann das Leben schon bevor die Sonne überhaupt aufgegangen war. Vögel trällerten ihre frühen Lieder und Rehe sprangen mit schnellen Sätzen durch das Unterholz. Der ganze Wald erstrahlte in einem satten Grün. Ruhig und friedlich wirkte alles, doch plötzlich schoss aus dem Dickicht ein fliegender Drache und segelte durch die Lüfte. Aufgeschreckte Tiere suchten schnell das Weite, als ein lauter Freudenschrei durch die kleine, grüne Idylle hallte. Niemand hätte gedacht, dass sich auf dem Drachen jemand halten könnte, aber es war so. Ein junges Mädchen saß fest im Sattel, mit einem triumphierenden Blick und großen, strahlenden Augen. "Endlich! Daria-Taisen! Das Fest aller Feste!," es klatschte freudig in die Hände. Es schien noch ziemlich kindlich zu sein, jedoch war es bereits fünfzehn Winter alt. Seine blauschwarzen, schulterlangen Haare flatterten im Wind und reflektierten das Sonnenlicht wie ein Spiegel. Dies verlieh ihnen einen wunderbaren Glanz, sodass es an das Spiel des Wellen erinnerte, die fast dieselbe Farbe wiedergaben. Der Drache steuerte mit enormer Geschwindigkeit auf die nahe Bucht zu. Der morgendliche Südwind bot ihm eine gute Thermik, sodass er immer wieder an Höhe gewinnen konnte. Seine großen, weißen Schwingen wirkten wie Engelsflügel, die einen leichten, transparenten Schimmer aufwiesen. Das Tier selbst maß so um die fünf Meter, seine Haut war mit hellen, silbernen Schuppen überzogen, diese glänzten aber an einigen Stellen etwas bläulich. Die Augen des Drachens blitzten wie Lapislazuli und sahen alles, was um ihn herum geschah. Er schlug einmal mit den Flügeln und sauste über die Wasseroberfläche der Meeres hinweg. "Lightning! Ab nach Shiraz !," das Mädchen richtete sich auf und deutete enthusiastisch auf einen kleinen Fleck von Häusern in der Ferne. Mit einem bestätigenden Brummen erhöhte Lightning sein Tempo und flog senkrecht die Klippen hoch. Eine weite Graslandschaft tat sich auf. In den vereinzelten Häusern machten sich die Menschen bereit zu dem Fest zu Ehren ihrer Göttin zu gehen. Viele waren bereits unterwegs und auf den Weg in die Stadt. Eine ältere Frau trat soeben aus dem Haus, als plötzlich Lightning an ihr vorbeizog und der Wind ihr den Hut vom Kopf wehte. "Hey! Pass doch auf Leotie!," rief sie dem Mädchen nach und versuchte vergeblich ihren Hut wieder einzufangen, welcher im hohen Bogen davongewirbelt war. "Verzeihung!," ertönte aus der Ferne von Leotie zurück, die sich anschließend wieder ganz ihren Gedanken an das bevorstehende Fest widmete. Lightning flog auf Shiraz zu. Die Freude in Leoties Augen wurde immer größer, je näher der Drache der besagten Stadt kam. Schon aus der Ferne wurde die Musik hörbar. Über Shiraz hing sozusagen eine Klangwolke, die man im Umkreis von einer Meile hören konnte. Lightning sah sich kurz nach Leotie um und schnurrte zufrieden, als er ihren fröhlichen Gesichtsausdruck erblickte. Diese Freude war berechtigt, denn an jenem Festtag würden sicher wieder ein paar Leute nicht auf ihr Eigentum achten und Leotie könnte ihre Fähigkeiten als Diebin walten lassen. Es war eigentlich ein Talent von dem jungen Mädchen, welches sich im Moment noch wie ein kleines Kind benahm, aber in ihrem Geschäft als Diebin und Waldläuferin todernst war. Das Beste, so fand Leotie, war, dass sie nie erwischt wurde und so immer davonkam. Ihr Drache setzte zur Landung auf einen Baum an. Mit kreisenden Bewegungen ließ er sich schnaufend auf der alten Linde nieder. "Danke Lightning !," Leotie strich ihrem Freund lächelnd über die schuppige Haut und sprang mit einem Salto ab. Als sie sich einige Schritte entfernt hatte, rief sie ihm noch amüsiert zu: "Und warte hier, ja? Ich brauche dich ja immerhin!" Die Antwort, die das Mädchen von ihrem Drachen erhielt, war wiederum ein Schnaufen, gefolgt von einem heftigen Nicken. Zufrieden grinsend wandte sich Leotie Shiraz zu und schritt in Richtung der Stadtmauern. Langsam schlich sich die junge Frau an die Mauer heran und sah sich misstrauisch um, damit keine Wachen auf sie aufmerksam wurden. Sie blickte noch einmal nach links und danach nach rechts, danach schlug sie ihre Augen nieder und meinte mit einem dämonischen Lächeln: "Dann kann's ja losgehen." Mit diesen Worten kletterte sie die hohen Mauern empor. Es war ein Leichtes für sie nach Shiraz zu gelangen. Leotie wusste, dass es heute wieder reichlich Beute zu machen galt und war ganz besessen von jenem Gedanken. Wenige Minuten später stand sie auf der Mauer und blickte fünf Meter in die Tiefe. Viele Menschen drängten sich durch die Gassen und sprachen aufgeregt miteinander. Das Fest schien anscheinend im vollen Gange zu sein, auch wenn es erst Vormittag war. Leotie erspähte eine große Tribüne am Hauptplatz und sehr viele Verkaufsstände. "Also, wenn ich heute keine Beute mache, dann bin ich wirklich unfähig...," dachte sie und sprang elegant von ihrem Aussichtsplatz aus, auf ein Ziegeldach. Die Lage war nun ausgekundschaftet. Sie wusste, wo sie was finden konnte und würde sich von nichts und niemandem aufhalten lassen ihr Ziel zu erreichen. Aufmerksam blickte sie sich um und bahnte sich ihren Weg über die Dächer der Häuser. Als sie sich mit einem Satz über einen der Häuserabgründe rettete, kam sie schließlich am Hauptplatz an, auf dem reges Treiben herrschte. Leotie ließ kurz ihren Blick wieder schweifen, setzte dann zum Sprung an, hielt sich an einem Ladenschild, das in der Mauer eines Hauses verankert war, fest und landete im Schatten des Gebäudes. Wortlos mischte sie sich unter die Feiernden. Keiner schien sie zu bemerken und so genoss Leotie eine angenehme Anonymität. Niemand kannte sie und niemand würde sie für eine Diebin halten, da war sie sich sicher. Schließlich steigerte sie ihr Tempo. Beim Stehlen war Taktik gefragt. Plötzlich stieß sie mit einem Geschäftsmann zusammen, der laut zu fluchen begann: "Kannst du nicht aufpassen, du Balg?" "Verzeihung, Sir," Leotie verbeugte sich höflich und suchte schnell das Weite. Als sie schließlich hinter der nächsten Ecke verschwand, hielt sie triumphierend einen kleinen Geldbeutel in der Hand, welchen sie dem Mann abgeluchst hatte. "Das geht ja leichter, als ich dachte...," murmelte sie und lächelte zufrieden. Sie strich sich eine blauschwarze Strähne hinter ihr Ohr und wollte sich auf den Rückweg zu Lightning machen. Doch plötzlich ertönte lautes Geschrei... Der Geschäftsmann hatte das Fehlen seines Geldbeutels entdeckt und deutete auf Leotie: "Dieses Balg hat mich bestohlen! Haltet den Dieb!" Mit weit aufgerissenen Augen nahm das junge Mädchen die Beine in die Hand und flüchtete vor den Menschen, die hinter ihm her waren. Leotie dachte schon, dass sie sie abgehängt hätte, aber dem war nicht so. Die wutentbrannten Bewohner von Shiraz verfolgten sie auf Schritt und Tritt und es schien für sie keinen Ausweg mehr zu geben. Leotie wusste nicht, wohin sie rannte, aber sie sollte so schnell wie möglich weg, denn wenn sie die Leute in die Finger kriegen würden, dann wäre ihre Karriere als Diebin zu Ende. Als sie schließlich über umgestürzte Mülltonnen sprang und vergeblich nach ihrem Drachen rief, rutschte sie aus und fiel auf die gepflasterte Straße. In jenem Moment raste eine Kutsche in einem affenartigen Tempo heran und schien das junge Mädchen, welches auf der Fahrbahn lag nicht zu sehen. Leotie schloss ihre Augen. Aus..., alles aus dachte sie und machte sich auf ihr nahendes Ende gefasst. Doch dann, genau in jenem Augenblick, wo sie eigentlich ihren letzten Atemzug erwartete, befand sie sich in luftiger Höhe. Sie stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus und klammerte sich an etwas vor ihr. Sie wusste nicht, wer oder was es war, aber sie wollte auf keinen Fall wieder zurück zu ihren Verfolgern. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ein Drache mit ihr senkrecht in die Lüfte schoss. Es war Lightning. Leotie wischte sich heimlich mit dem Handrücken den Angstschweiß von der Stirn und sah sich noch kurz aufmerksam um, als fühlte sie sich verfolgt durch irgendwas oder irgendwen: ,,Gutes Timing, Lightning." Sie fixierte die Mauer, von welcher sie ungefähr vier Meter entfernt war, schlug einen Flickflack und landete im Gras dahinter. Als sie dann jedoch nach dem Geldbeutel fasste, den sie dem Kaufmann gestohlen hatte, griff sie ins Leere: " Argh... Jetzt hab ich den Beutel auch noch verloren...so ein Mist!" Blind vor Wut trat sie gegen die Dorfmauer und schrie laut auf, als ein stechender Schmerz ihren rechten Fuß durchzog. Humpelnd und wild fluchend kam sie schließlich an der alten Linde an und erntete einen mitleidigen Blick von Lightning, der es sich dort wieder niedergelassen hatte. Schmollend winkte Leotie das Tier zu sich und stämmte provokant ihre Arme in die Hüften: "Spar dir deinen Blick, Lightning! Bring mich lieber nach Hause!" Lightning schien ziemlich unruhig und machte auf Leotie den Eindruck, als hätte er vor etwas Angst. Um ihn zu beruhigen strich sie ihm sanft über den Hals, doch dies zeigte sehr wenig Wirkung. Mittlerweile war es früher Nachmittag geworden und das Daria-Taisen Fest neigte sich seinem Ende zu. Die Sonne stand wie ein riesiger Feuerball am Himmel und tauchte Yazd in ein goldenes Licht. Leotie blendete es, als die Wolken rund um sie lichter wurden und Sonnenstrahlen auf ihre dunkle Haut und ihr Gesicht fielen. Die Szenerie war einfach atemberaubend, als würde sich Yazd in die legendäre Welt der Helden Walhalla verwandeln. Die Gefühle von der jungen Diebin überschlugen sich beinahe, als sie die Silhouette eines Phönix in der strahlenden Sonne erblickte. Sein Gefieder leuchtete in einem beinahe göttlichen Glanz... Leotie konnte jede einzelne Feder erkennen, jede Bewegung und jeden eleganten Flügelschlag... Ihr Mund blieb ihr offen, als dieses wunderbare Fabelwesen dicht an ihr und Lightning vorüberflog. Es schien ihr, als würde der Phönix ihr was sagen wollen, eine Botschaft überbringen, denn ihr Herz fühlte sich plötzlich so, als würde irgendwas per Telepathie in sie eindringen und verbessern wollen. Es galt als gutes Omen, wenn man am Tag des Daria-Taisen Festes einen Phönix zu Gesicht bekam, denn diese Fabelwesen waren Glücksbringer und auch das Zeichen der Reinkarnation. Doch diese Idylle war nicht von großer Dauer, da plötzlich einige schwarze Drachen am Horizont auftauchten. Die Reiter bewegten sich schnell auf Leotie und Lightning zu. Die vorerst große Entfernung und der Vorhang aus heißer, flirrender Luft, die wie eine unsichtbare Glocke über Shiraz und Umgebung hing, verlieh ihren Bewegungen etwas täuschend Langsames. Erst als sie näher an das Mädchen herangekommen waren, erkannte dieses die Wappen der Garde, welches auf den Brustpanzern der gewaltigen Drachen abgebildet war. Zuerst wollte sie sich unauffällig verhalten, bis jedoch einer der Reiter, ein kleiner und dicker Mann, der protzig gekleidet war, schrie: ,,Haltet die Diebin! Dort vorne ist das Balg!" Schnell machte Leotie kehrt und trieb ihren Drachen so schnell es ging an, um den Wachen zu entkommen, die ihr mittlerweile bis auf zehn Meter gefährlich nahe gekommen waren. ,,Bleib stehen!," ertönte es hinter der jungen Frau immer wieder, doch diese machte nicht die geringsten Anstalten stehen zu bleiben. ,,Schneller Lightning!," kreischte Leotie und versuchte sich so gut es ging auf dem Drachen zu halten, der mit enormer Geschwindigkeit durch die Luft raste. Als sie über der Wüste von Neyrea waren, verlor Leotie ihre Verfolger kurz aus den Augen, was ein großer Fehler war, denn plötzlich erschütterte eine starke Windböe den Drachen, gefolgt von einem schmerzerfüllten Schrei Lightnings. Die Wachen hatten keine Skrupel und hatten begonnen auf den Drachen zu feuern. Zu spät bemerkte die Diebin den verletzten Flügel, in dessen Mitte ein Loch aus Hautfetzen klaffte und verlor deshalb schnell an Höhe. Der aufwirbelnde Wüstensand schien Leoties Lungen zu zerschneiden und wie kleine Splitter an ihr vorbeizuziehen, als Lightning wie ein Stein zu Boden fiel und auf einer Düne nicht gerade sanft aufschlug. Einen kurzen Moment lang lief für seine Reiterin alles in Zeitlupe ab, als es sie bei dem Aufprall aus dem Sattel hob und mit einigen Umdrehungen unkontrolliert einige Meter weiter im heißen Wüstensand warf. Es dauerte nicht lange, als die Wachen den geschwächten und verletzten Drachen einkreisten und landeten. Leotie war sicher, dass es nun mit ihr aus wäre, doch als sie ihrem Gefährten helfen wollte, schloss sich eine Hand um ihren Mund und zog sie hinter die nächste Düne, sodass sie zusammenzuckte und dem Geschehen nur still beiwohnen konnte. ,,Wo ist das Mädchen?," einer der schwarzgekleideten Soldaten sah sich misstrauisch um. Seine Pupillen waren verengt, da die Hitze und die vorbeiziehenden Sandkörner ihm die Sicht nahmen. ,,Den Sturz kann es sowieso nicht überlebt haben," antwortete ein anderer: ,,Und selbst wenn... es würde in kurzer Zeit elend verdursten." Ohne weitere Worte zu wechseln traten die beiden Männer auf Lightning zu. ,,Es wäre jedoch schade ihn zu Grunde gehen zu lassen. Er würde eine satte Stange Geld bringen!," der dickere Geschäftsmann, den Leotie beraubt hatte, war nun auch von seinem Reittier abgestiegen und begutachtete das verletzte Tier. ,,Nehmt ihn mit!" Die Wachen salutierten: ,,Jawohl, Stadthalter Pretorius!" Wortlos wandte sich dieser um und begab sich zurück zu seinem Drachen, der Leotie genauso einen unsympathischen Eindruck machte wie sein Reiter selbst. Als Lightning eine Schlinge um den Hals gelegt wurde, war er bereits zu schwach um sich zu wehren und ließ somit alles über sich ergehen. Dem Mädchen war es, als hätte sie im Augenblick des Abtransports ein Blick von ihrem Tier getroffen, der Erleichterung in sich barg, dass ihr nichts geschehen war. Die Hand, die noch auf ihrem Mund lag, hatte sie ganz vergessen und so versuchte sie sich loszureißen um der Person hinter ihr in die Augen zu sehen. Überraschenderweise wurde sie eher losgelassen, als die Wachen mit Lightning verschwunden waren. ,,Was sollte das?," empört wandte sich Leotie um. Ein Lächeln blockte ihre Wut mit einem Mal ab, denn vor ihr stand ein Mädchen, kaum älter als sie. Vorerst war nicht sehr viel zu erkennen, da sie einen grauen Kapuzenumhang trug, der ihr Gesicht nicht ganz zu zeigen vermochte. ,,Hab keine Angst...," die Stimme der Fremden klang sanft und versuchte das Misstrauen und die Zweifel aus Leoties Antlitz zu bannen. Ehe die Diebin in irgendeiner Weise antworten oder reagieren konnte, wurde ihr von einer Hand von beinaher schneeweißer Haut gedeutet: ,,Komm mit, bevor der Sandsturm noch schlimmer aufkommt." Ohne zu wissen, was Leotie danach tat, ging sie einige Schritte neben dem Mädchen her, als dieses ruhig weitersprach: ,,Mach dir keine Sorgen, ich gehöre nicht zu ihnen." ,,Wen meinst du mit ihnen ?," unter hochgezogenen Augenbrauen verfolgten die Augen der Jugendlichen genau die grazilen Bewegungen der Fremden. ,,Ich meine die Wachen Mosars... ich bin auf deiner Seite." Nachdem sie diesen Satz beendet hatte lag das Gespräch zunächst die restlichen Minuten in Stille, bis die beiden Frauen den Anfang der Waldes um Shiraz erreicht hatten. Angenehmen Kühle drang ihnen entgegen und zog sie immer näher an die vielfältige Flora der grünen Idylle heran. Leotie warf kurz einen Blick zu ihrer Begleiterin, die noch immer ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte und zielstrebig voranmarschierte. Sie wirkte so geheimnisvoll und auch irgendwie unheimlich, weshalb sie sich auch fragte, warum sie ihr einfach so vertraut hatte und mit ihr gekommen war. War das reine Lächeln, das sie bis jetzt aus dem sonst verdeckten Antlitz der Fremden gesehen hatte, so vertrauenserregend gewesen? Zu näheren Gedanken kam das Mädchen nicht, da die Frau vor ihr plötzlich hielt, als sich vor ihnen eine Höhle auftat, dessen Eingang von unglaublicher Größe war und doch nur bei genauerer Betrachtung auffiel. ,,Wir sind da," bemerkte sie und es schien Erleichterung in ihrer Stimme zu klingen. Leotie schwieg beträchtlich, versuchte angestrengt herauszufinden, wer diese Fremde war und wo sie nun überhaupt war. Kaum waren die beiden in die Grotte eingetreten, kamen ihnen einige junge Männer entgegen und begrüßten das Mädchen, welches sogleich auch seinen Mantel ablegte. ,,Shahla, wir haben uns Sorgen gemacht! Du kannst doch nicht einfach abhauen," einer der Männer drängte sich vor und blickte sie vorwurfsvoll an. Kichernd legte ihm Shahla eine Hand auf die breite Schulter und legte den Kopf schief: ,,Ach Faolan, reg dich nicht auf. Es war nur ein Kontrollgang und außerdem...," dann deutete sie mit einer leichten Kopfbewegung auf Leotie, die noch immer eingeschüchtert hinter ihr stand: ,, Außerdem habe ich sie vor Mosars Wachen gerettet." Der junge Mann mit Kinnbart zog Shahla etwas zu Seite und trat dann auf die Diebin zu, die einige Schritte zurück machte, da er ihr nicht gerade geheuer war, doch dies ließ er nicht auf sich wirken und so grinste er: ,,Gestatten Faolan! Sei froh, dass dich Shahla gefunden hat, sonst müsstest du bereits im Kerker von Shiraz schmoren." ,,Wie aufbauend... Naja, ich bin Leotie," zögernd huschte ein scheues Schmunzeln über Leoties Lippen. Shahla drehte sich nun ganz zu ihr um und kam näher. Sie hatte lange, silberne Haare, die metallisch glänzten, ausdrucksstarke, tiefblaue Augen und gewisse Gesichtszüge, die Leotie an eine Prinzessin erinnerten. ,,Ich bin Shahla und du befindest dich hier im Quatier der einzigen noch bestehenden Widerstandsgruppe gegen das Regime von Mosar, dessen Wachen deinen Drachen in ihre Gewalt gebracht haben. Da sie nun auch etwas haben, was dir gehört, möchte ich dich bewegen uns zu helfen..." Shahla war außergewöhnlich redegewandt und machte Leotie schnell enthusiastisch: ,,Gibt es einen Haken?" Kopfschüttelnd widersprach das Mädchen: ,,Nein... es sei denn, dir wäre das Risiko getötet zu werden zu hoch." Als Feigling wollte sich die geübte Diebin nun wirklich nicht darstellen lassen und so stimmte sie Shahlas Vorschlag zu ihnen zu helfen. Erst beim abendlichen Lagerfeuer der Widerstandsgruppe erfuhr Leotie Genaueres über den Plan, an welchem sie zunehmend Gefallen fiel, als sie erfuhr, da dieser um den Sturz Mosars ging, und dass sie so Lightning wiederbekommen würde. Der Plan stand und in der vorherigen Nacht war alles noch vorbereitet und druchgegangen worden. Es war alles bis ins Detail geplant und im Grunde konnte nichts mehr schiefgehen und doch lag Leotie wach. Schlaftrunken und nervös, was der nächste Tag wohl bringen würde, tappte sie zum Eingang der Höhle und starrte nachdenklich in die Dunkelheit. Sie wusste nicht wie lange sie dort gestanden hatte, als sie plötzlich zusammenzuckte, da sich hinter ihr unerwartet eine Stimme leise meldete: ,,Kannst du auch nicht schlafen?" Leotie erkannte Shahla, die neben ihr erschien und zum Mond blickte. ,,Ist das ein Wunder? Ich muss Lightning retten..." Das Mädchen neben ihr reagierte die nächsten fünf Sekunden nicht und dies nützte die Diebin neugierig für eine weitere Frage: ,,Sag mal... warum bist du so besessen diesen Mosar zu stürzen?" Sie vernahm ein Seufzen, was anscheinend mehr als tausend Worte zu sprechen schien: ,,Weil er mir das Wichtigste genommen hat... und weil ich mir das zurückholen will, was mir gehört." Als Leotie den Schmerz in ihren Augen bemerkte, verbot sie sich jede weitere Frage zu unterlassen um Shahla nicht zu verletzen. ,,Geh nun schlafen, morgen ist ein harter Tag," sie wusste nicht, ob die plötzliche Fröhlichkeit Shahlas echt war oder ob sie sich nur zu beherrschen versuchte um nicht traurig zu wirken. ,,Mach ich," antwortete Leotie schließlich dünn und seufzte leise in sich hinein. Bevor sie jedoch in der Schwärze der Höhle verschwand, warf sie noch einen flüchtigen Blick zu der hellen Scheibe des Mondes am Firmament und sah für den Bruchteil einer Sekunde das Antlitz der Jungfrau Maria, wie es sich in ihm spiegelte. ,,Jetzt fantasier ich schon...," Leotie streckte sich und grinste kurz etwas dämonisch: ,,Na dann, mach dich morgen auf was gefasst Mosar." Am nächsten Tag zur selben Zeit war im Schloss das reine Chaos los. Die Widerstandsgruppe hatte aus dem Hinterhalt die Wachen überwältigt, während sich Leotie, Shahla und ihr Gefährte Faolan den Weg durch die Gänge bahnten, die wie eine in sich gewundene Schlange wirkten und sich endlos durch das ganze Schloss erstreckten. Die ganze Garde war in Alarmbereitschaft und deshalb mussten die drei Jugendlichen aufpassen nicht selbst überrascht zu werden. Was Leotie merkwürdig fand war, dass sich Shahla so gut in dem alten Gemäuer auskannte. Auf der zweiten Ebene des Schlosses blieb Shahla kurz stehen und rief Leotie und dem Jungen zu: ,,Ihr zwei geht und sucht den Drachen!" ,,Und was ist mir dir?," schrie das andere Mädchen im Gefecht mit herangekommenen Soldaten Shahla nach, die jedoch nur lächelte und die Treppe weiter hinauflief ohne zu antworten. Gerade als sich die junge Diebin nach ihrer Freundin umgesehen hatte, stürmte einer von Mosars Gefolgsleuten auf sie zu. Es war zu spät um auszuweichen und so entfuhr Leotie nur noch ein spitzer Schrei, doch plötzlich raste eine riesige Druckwelle an ihr vorbei, welche eine dichte Staubwolke aufwirbelte und ihr für kurze Zeit die Sicht nahm. Als sie mühevoll ihre Augen öffnete, lagen vor ihr nur noch die Leichen der Angreifer und es ward kurze Stille, bis das Geschrei von draußen wieder an ihr Ohr drang. Suchend sah sie sich nach Faolan um, der jedoch vor ihr stand und ihr aufhalf: ,,Wie nützlich Magie doch sein kann, was? Komm jetzt, wir müssen deinen Drachen finden!" Inzwischen war Shahla auf der sternenförmigen Plattform angekommen, die mit einer gläsernen Kuppel überdacht war und den Thronsaal darstellte. Auch wenn ziemlich viel Licht durch das Glas drang, wirkte die Stimmung in jenem Saal düster und bedrückend. Undurchdringliche Stille erfüllte den Raum und drückte wie eine Faust auf das Herz des Mädchens, umklammerte es wie eine Dornenhecke und wollten es bluten sehen. Als plötzlich das Klacken eines Stiefelabsatzen hörbar wurde, fuhr Shahla herum wie ein aufgescheuchtes Tier und zog das durchsichtig wirkende Schwert aus der ledernen Schutzhülle ihres Gürtels: ,,Wo bist du Mosar? Zeig dich endlich!" Da der Thron leer war, vermutete das Mädchen, dass er mit ihrer Ankunft rechnete und sich daher irgendwo verborgen hielt. ,,Was bist du doch für eine Närrin mir gegenüberzutreten...," aus dem Schatten einer Säule löste sich die schehmenhafte Gestalt Mosars. Seine Erscheinung hatte sich nicht verändert, seine Jugend stand ihm unanzweifelbar ins Gesicht geschrieben und selbst an seiner Stärke war nicht zu zweifeln, als er die kurz unvorsichtige Shahla mit einer Handbewegung zur Seite schleuderte. Mit einem dumpfen Schlag krachte ihr Körper gegen die Mauer, die leicht abbröckelte, da der Aufprall gewaltig war, aber die Kämpferin hielt sich locker auf den Beinen. ,,Du hast etwas, was mir gehört und das werde ich mir hier und jetzt zurückholen!," ihre Stimme klang gepresst und voller Wut, sowie auch voll Hass, den sie diesem Bastard gegenüber empfand. Ein wilder Kampf entbrannte. Magie von unbeschreiblicher Kraft raste von beiden Seiten mit viel Druck und Zerstörungskraft aufeinander und ließ das Glas der Kuppel an einigen Stellen brüchig werden, die sich knirschend bemerkbar machten. Nach wie vor stand Shahla, schon etwas vom Kampf gezeichnet, aber dennoch fest das Schwert in den Händen haltend drei Meter vor Mosar, der sie verächtlich ansah und bereits eine weitere magische Energiekugel flackernd auf seiner Handfläche tanzen ließ. Die Finger des Mädchens hatten sich so stark um ihre Waffe geschlossen, dass die Fingerknöchel leicht weiß hervortraten. Seine Muskeln waren angespannt, jederzeit bereit anzugreifen um den Feind in die Flucht zu schlagen. ,,Wer bist du eigentlich, dass du dir die Frechheit heraus nimmst mit Luzifer persönlich zu kämpfen?" Ohne gleich zu antworten lächelte seine Kontrahentin nur kurz dämonisch: ,,Wer ich bin? Das fragst du noch?" Im Bruchteil einer Sekunde stürmte sie auf Mosar zu, ließ ihre Klinge hervorschnellen. Was zu sehen war, waren nur ein paar Blutstropfen, die auf den Steinboden perlten. Shahla landete mit einem Salto einige Meter weiter weg und drehte sich um: ,,Ich bin Shahla. Tochter König Arwins und seiner Gemahlin Melisendra." Das Entsetzen war Mosar ins Gesicht gekrochen, als sie diesen Satz vollendet hatte und griff sich an seine Wange, die unaufhörlich durch die gläserne Klinge Shahlas blutete. Bevor er reagieren konnte, schmetterte eine gewaltige Welle magischen Lichts ihn gegen die Glaswand, die mit einem knirschenden Geräusch nachgab. Dann verengten sich Mosars Pupillen erschrocken, als plötzlich mit einem lauten Klirren sich ein Regen von Glassplittern auf ihn ergoss. Shahla konnte gerade noch einen Schutzschild um sich aufbauen, suchte sich trotzdem einen geschützten Winkel vor den scharfen Geschossen, die erbarmungslos herniederprasselten. Es schien alles vorbei zu sein und nachdem das Mädchen noch einige Sekunden verharrt hatte, trat sie an den Abgrund und blickte zu ihren Freunden, den Wachen, sowie auch zu den Untertanen hinab, die sich neugierig gesammelt hatten und dem Geschehen beiwohnten. Mit einem Lächeln hob sie ihre Hand und schrie voller Freude: ,,Tod Mosar! Das Reich ist frei! Lasst die Waffen fallen!" Tosender Applaus und Jubelgeschrei machten sich breit und ein fröhlicher Reigen entstand. Die Waffen wurden fallen gelassen und die neugewonnene Freiheit gefeiert. Doch plötzlich ein Klirren und als sich Shahla umsah, erkannte sie den Feind auf sie zukommen. Mosar war ziemlich zugerichtet worden, blutete am ganzen Körper und schien machtlos gegen die ungestüme Stärke des Mädchens zu sein, das seine Eltern rächen wollte, jedoch war er wieder auf die Beine gekommen, torkelte auf es zu und zwischte: ,,Du Balg... du kleines Biest... niemals werde ich mich geschlagen geben." Shahla wich der Klinge seines Schwertes aus, die nur knapp ihre Kehle veschonte, doch fiel sie so, dass ihr Umhang eingeklemmt wurde und sie nicht frei konnte. ,,Du .... du wirst genauso enden wie deine Eltern!," keuchte der fleischgewordene Luzifer und sammelte zum letzten Mal all seine Kraft für einen Zauber, der sie endlich vernichten sollte. Sein Körper bebte und schwarzes Licht schien in ihm aufzusteigen, sich zu bündeln... zu der verschlingenden Macht des Bösen. Die Lage schien aussichtslos und Mosar seines Triumphes gewiss schrie: ,,Wenn ich schon sterbe, nehme ich dich mit in die Hölle!" Doch das Mädchen gab nicht auf, kam frei und nützte die Unaufmerksamkeit Mosars, der gerade zum Todesstoß ansetzen wollte und rammte ihm das Schwert in die Brust. Es bohrte sich tief in sein Fleisch und in sein hasserfülltes Herz. Leotie und Faolan hatten Lightning inzwischen befreit. Er hatte sich wieder vollkommen regeneriert und sauste mit den beiden durch die Lüfte als plötzlich eine laute Explosion den Nachthimmel hell erleuchtete. Selbst der Drache begann wegen der Druckwelle leicht zu schwanken und Leotie rief ihren Begleiter zu: ,,Was in aller Welt war das?" ,,Dort! Der Turm!," Faolan brachte nicht mehr Worte vor Erstaunen raus und deutete auf das Schloss. Dort regte sich als die Lichtquelle verloschen war nichts mehr. Totenstille ward plötzlich und ließ Leotie einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Doch da erstrahlte das matte Licht von Leben auf dem Schlachtfeld und im hellen Vollmond erschien die Silhouette eines Mädchens. Shahla. Der abendliche Wind strich ihr durch die langen Haare, ihre Kleidung hing zerfetzt an ihrem zierlichen Körper hinab und doch machte sie einen edlen und siegreichen Eindruck, als sie dort auf dem Mauervorsprung stand. Leotie blickte Faolan irritiert an: ,,Ist sie etwa..." Er nickte: ,,Sie ist die verlorene Prinzessin, die vor dreizehn Jahren dem Feuer entkam..." Ehrfürchtig fielen alle Untertanen vor der Gestalt im Mondlicht auf die Knie und huldigten sie und Leotie lächelte: ,,Und nun..." ,,Nun ist sie heimgekehrt...." The End ©by Uriko 23.01.2003 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)